Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 01. Feb. 2017 - 3 A 346/16 As HGW
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger am 27.02.1995 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und stammt aus Logar. Er reiste am 28.02.2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 04.03.2013 einen Asylantrag.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge traf gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 04.03.2014, zugestellt am 07.03.2014, folgende Entscheidung:
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1. „Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt.
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2. Der Antrag auf Asylanerkennung wird abgelehnt.
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3. Der subsidiäre Schutzstatus wird nicht zuerkannt.
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4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.
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5. Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er in die Islamische Republik Afghanistan abgeschoben. Der Antragsteller kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.“
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Der Kläger hat am 19.03.2014 Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt der Kläger vor, er leide am Hepatitis B-Virus.
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In der mündlichen Verhandlung am 01.02.2017 erläuterte der Kläger seine Verfolgungsgeschichte. Er gab an, in seinem Dorf der Polizei per Handzeichen die eingeschlagene Richtung zweier von ihr verfolgter Personen auf Motorrädern gezeigt zu haben. Ob die Polizei diese Personen festnehmen konnte, habe er nicht mitbekommen. Es seien viele Leute vor Ort gewesen. Die verfolgten Personen hätten große Schals getragen und man habe die von ihnen getragenen Kalaschnikows sehen können. Eine Woche später seien Personen zu ihm nach Hause gekommen. Er selbst sei nicht anwesend gewesen. Die Personen hätten zunächst nach ihm gefragt und sodann die Wohnung durchsucht. Da die Uniform seines Bruders auf dem Trockner gehangen habe, hätten die Personen gesehen, dass dieser bei der Regierung arbeite. Sie hätten sodann die Suche intensiviert und gemerkt, dass die Familie mit der Polizei zu tun habe. Sie hätten seine Mutter geschubst. Sein Bruder habe versucht, sie zu befreien, woraufhin die Personen den Bruder geschlagen und dessen Dienstausweis gefunden hätten. Sein Bruder sei von den Personen daraufhin getötet worden. Aufgrund der Geschehnisse nach dem Vorfall mit der Hilfestellung gegenüber der Polizei stünde fest, dass es sich sowohl bei den Personen auf den Motorrädern als auch bei den Tätern in seinem Haus um Taliban gehandelt haben müsse. Er habe vorher keine Feinde gehabt und die Taliban hätten seiner Mutter gesagt, dass er sie an die Polizei verraten habe. Auf der Straße hätten viele Leute gestanden, die gesehen hätten, dass er der Polizei geholfen habe; es seien dabei sicher auch Taliban dabei gewesen.
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Zu seinem Gesundheitszustand trägt der Kläger vor, dass er keine schweren Arbeiten verrichten und nicht viel laufen könne sowie Magen- und Bauchschmerzen sowie Haarausfall habe. Er müsse viel frisches Obst und Gemüse essen und schwer Verdauliches meiden. Auch wenn er zurzeit wegen seiner Hepatitis-Erkrankung nicht behandelt werde, würde er jedoch behandlungsbedürftig werden.
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Der Kläger legte in der mündlichen Verhandlung einen Zettel der Universitätsmedizin Greifwald vor, wonach er einen Termin in der gastroenterologischen Ambulanz habe. Ferner legte der Kläger eine deutsche Übersetzung eines Schriftstücks vor, das die Geschehnisse in Afghanistan belegen soll.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter jeweils entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 04.03.2014 – – zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
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hilfsweise,
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hilfsweise,
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festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5, 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz in Bezug auf Afghanistan vorliegt.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12.05.2016 zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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Das Gericht hat ein amtsärztliches Gutachten zur Erkrankung des Klägers eingeholt.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten dieses Verfahrens, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, auf die mit der Ladung übersandte Erkenntnisquellenliste des Gerichts zum Herkunftsland Afghanistan und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Darauf war sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).
II.
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Die als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig erhobene Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Asylgesetz (AsylG).
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Der Kläger ist kein Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) [Genfer Konvention], wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
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Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (3.) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (4.) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (5.) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, (6.) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (§ 3a Abs. 2 AsylG).
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Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
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Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten.
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Bei der Prüfung der Bedrohung i.S.v. § 3 AsylG ist unabhängig von der Frage, ob der Schutz suchende Ausländer seinen Herkunftsstaat bereits vorverfolgt, also auf der Flucht vor eingetretener bzw. unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat, oder ob er unverfolgt ausgereist ist, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Dabei setzt die unmittelbar, also die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohende Verfolgung eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss (VG Oldenburg, Urt. v. 16.02.2016 – 3 A 6563/13 – juris).
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Nach Art. 4 Abs. 4 der Neufassung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. Nr. L 337 S. 9, sog. „EU-Flüchtlingsschutz-RL“) ist die Tatsache, dass der schutzsuchende Ausländer bereits verfolgt wurde oder er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Ob die Voraussetzungen des § 3 AsylG erfüllt sind, richtet sich nach den Umständen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
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Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Kläger gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Sein Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983 - BVerwG 9 C 68.81 - juris; Hessischer VGH, Urt. v. 24.08.2010 - VGH 3 A 2049/08.A - juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt dies entsprechend.
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Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32; VG Potsdam, Urt. v. 11.03.2016 – VG 4 K 1242/15.A – S. 8). Dabei greift zugunsten eines Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 19; VG Potsdam, aaO.).
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger mit seinem Vortrag zu dem Geschehen in Afghanistan nicht glaubhaft gemacht, dass er das Land in asylrechtlich relevanter Weise vorverfolgt verlassen hat oder ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine hinreichend erhebliche Verfolgung seitens des Staates oder privater Dritter droht. Der Vortrag knüpft jedenfalls nicht an ein verfolgungsrelevantes Merkmal an. Mag eine Bedrohung mit einem kriminellen Hintergrund oder ein nötigendes Verhalten noch eine Verfolgungshandlung durch einen nichtstaatlichen Akteur nach § 3a AsylG darstellen, fehlt es jedoch im vorliegenden Fall an der notwendigen Verknüpfung dieser Handlung mit einem Verfolgungsgrund nach §§ 3, 3b AsylG. Erforderlich ist, dass die Verfolgung gerade wegen bestimmter Verfolgungsgründe drohen muss. Auf die subjektive Motivation des Verfolgers kommt es dabei nicht an, sondern auf die objektiven Auswirkungen für den Betroffenen. Es genügt, wenn ein Verfolgungsgrund nach § 3b AsylG ein wesentlicher Faktor für die Verfolgungshandlung ist und insoweit eine erkennbare Gerichtetheit der Maßnahme besteht (Bergmann/Dienelt/Bergmann, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 3a AsylG, Rn. 7).
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Der Kläger ist nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden. Nach seinem Vortrag sind Personen in sein Haus gekommen, weil er sie durch das Aufzeigen des Weges gegenüber der Polizei an diese verraten habe. Selbst wenn ein Zusammenhang zwischen seiner Unterstützung der Polizei und dem Besuch der Unbekannten in seinem Haus bestehen sollte, liegt zum einen keine Bedrohung des Klägers selbst vor – er war nicht anwesend - und zum anderen ist kein gesetzlich genannter Verfolgungsgrund erkennbar. Der Kläger ist selbst nicht bedroht worden. Die Gewalt gegenüber der Mutter und dem Bruder des Klägers erfolgte nicht im direkten Zusammenhang mit seiner Hilfe gegenüber der Polizei, sondern entstand in einer konkreten Situation in dem Haus des Klägers. Ausschlaggebend war nach dem Vortrag des Klägers insbesondere die Uniform und der Dienstausweis des Bruders des Klägers, die ihn als Mitarbeiter der Polizei identifizierten und so die Situation nach seinem Vortrag eskalieren ließ. Der Kläger deutete das Entdecken der Dienstuniform des Bruders auch selbst als Grund für die Intensivierung der Durchsuchung durch die Unbekannten.
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Hinreichende Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe für eine konkrete Gefahr im Falle der Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf Racheaktionen der Taliban bestehen nicht. Es steht nicht fest, dass der Kläger überhaupt in das Visier der Taliban geraten ist. Der Kläger vermutet mittels einer ex-post-Betrachtung aufgrund der Historie der Geschehnisse lediglich, dass es sich zum einen bei den Personen auf den Motorrädern und zum anderen bei den Personen in seinem Haus um Taliban gehandelt habe. Selbst wenn es sich bei den Tätern um Taliban gehandelt hatte, würde eine eventuelle Racheaktion aufgrund des Verrats bei der Polizei jedoch ebenfalls an kein asylrelevantes Merkmal nach § 3 Abs. 1 AsylG anknüpfen. Bei einer derartigen Sachlage ist der Kläger darauf zu verweisen, Schutz vor Bedrohungen von dritter Seite durch Inanspruchnahme der afghanischen Polizei zu suchen (vgl. hierzu auch VG Augsburg, Urt. v. 05.12.2016 – Au 5 K 16.31757 – juris Rn. 33).
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2.Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zuerkennung des subsidiären internationalen Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: (1.) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
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Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Kläger gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Sein Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983 - BVerwG 9 C 68.81 - juris; Hessischer VGH, Urt. v. 24.08.2010 - VGH 3 A 2049/08.A - juris).
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a) Dass dem Kläger ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG drohen könnte, hat er weder vorgetragen noch ist dies aus den Akten ersichtlich.
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b) Ein ernsthafter Schaden nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Stichhaltige Gründe für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung sind nicht gegeben.
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c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Schutz nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
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Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung der in Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 24.06 2008 - 10 C 43.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Klägers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris). Zunächst ist jedoch das gesamte Staatsgebiet in den Blick zu nehmen. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris; bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom "tatsächlichen Zielort" des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (C-465/07 - juris, Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris, vgl. Art. 2 Buchst, e der Richtlinie). Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt begründet ein Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aber nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutzalternative besteht. Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (EuGH, Urt. v. 17.02.2009, Az: C-465/07 - juris). Eine solche Bedrohung kann vielmehr auch dann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betroffene Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch die Anwesenheit im Gebiet des Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei hebt der Europäische Gerichtshof hervor, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Anspruch auf subsidiären Schutz besteht, umso geringer ist, je mehr der Betroffene belegen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Das Bundesverwaltungsgericht folgert aus dieser Prämisse, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Lägen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, sei ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; lägen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genüge auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris). Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehörten in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Kläger von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu könnten aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Kläger als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt sei, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht komme. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände müsse aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden (Bergmann/Dienelt (Bergmann), Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 4 AsylG, Rn. 16) . Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Klägers reichten hierfür nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Dabei können für die Bemessung der Gefahrendichte die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 – sowie Beschl. v. 07.08.2008 - 10 B 39.08 - juris). Die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Ein Schadensrisiko von 1:800 bzw. 0,125 Prozent ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 – BVerwG 10 C 13.10 – Juris Rn. 20, 23).
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Es ist davon auszugehen, dass in Logar, der Herkunftsregion des Klägers, die körperliche Unversehrtheit einer Zivilperson aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht ernsthaft und individuell bedroht ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (VG Lüneburg, Urt. v. 21.11.2016 – 3 A 109/16 – juris Rn. 32; OVG NW, Urt. v. 26.08.2014 – 13 A 2998/11.A – juris; OVG NW, Urt. v. 10.09.2014 – 13 A 1271/13.A – juris).
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Dieser Rechtsprechung hat sich das Gericht angeschlossen (s.a. VG Greifswald, Urt. v. 26.01.2017 – 3 A 1631/16 As):
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Die in der Provinz Logar stattfindenden sicherheitsrelevanten Vorfälle erreichen nicht das erforderliche Maß willkürlicher Gewalt.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss zur Feststellung einer solchen Gefahr ermittelt werden, ob die schutzsuchende Person als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt in dem Gebiet ausgesetzt ist, in dem der innerstaatliche bewaffnete Konflikt stattfindet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt dies eine Situation voraus, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person der von dem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ausgehenden Gefahren individuell ausgesetzt wäre. Allerdings kann der Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Antragsteller zu belegen vermag, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation von dem Konflikt spezifisch betroffen ist (Urt. v. 17.02.2009 - C-465/07 -, juris Erwägungsgrund 35 ff.). Erforderlich sind hiernach Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet, die eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung einerseits der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und andererseits der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung verlangen. Soweit ein Antragsteller keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände verwirklicht, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4/09 -, juris Rn. 33 f.) Die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Ein Schadensrisiko von 1:800 bzw. 0,125 Prozent ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 20, 23).
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Eine derart hohe Gefahrendichte liegt bezogen auf die Provinz Logar, in der etwa 392.000Menschen leben (vgl. EASO, Country of Origin Information Report - Afghanistan Security Situation Update, Stand 01/2016, S. 57), nicht vor. Die in der Zentralregion Afghanistans gelegene Provinz zählt zwar zu den unsicheren Provinzen dieser Region. Allerdings liegen provinzgenaue Auswertungen sicherheitsrelevanten Vorfälle und die daraus resultierenden Opferzahlen nicht vor. EASO (a.a.O.) berichtet für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. August 2015 von insgesamt 243 sicherheitsrelevanten Vorkommnissen. Aus dem Bericht von UNAMA (vgl. Afghanistan - Annual Report 2015, Stand 02/2016) ergeben sich Opferzahlen nicht (mehr) provinzgenau, sondern nur für einzelne Regionen. Für den Berichtszeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 wird für den gesamten Staat Afghanistan von 3.545 getöteten und 7.457 verletzten Personen berichten (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 1). Insgesamt gab es mithin 11.002 Opfer. Davon entfielen auf die Zentralregion, zu der auch Logar zählt, insgesamt 1.735 Opfer (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 8). Gezählt wurden im gesamten Staat 4.137 getötete und verletzte Personen auf Grund sogenannter Ground Engagements (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 25). Auf die Zentralregion entfielen davon 351 Opfer (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 28). Gesondert weist UNAMA zudem Opfer von Angriffen sogenannter Anti-Government Elements aus. Bezogen auf den gesamten Staat Afghanistan waren dies 6.859 Personen (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 34). Auf die Zentralregion entfielen dabei 213 Personen (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 36). Selbst wenn man davon ausgeht, dass alle der Zentralregion zugeschriebenen Opfer aus der Provinz Logar stammen, was wenig wahrscheinlich ist, ergibt sich eine Schadenswahrscheinlichkeit von 0,44 Prozent. Das ist weit von dem entfernt, was für die Annahme eines mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Schadenseintritts erforderlich ist. Dass die Kläger besondere gefahrerhöhende Merkmale aufweisen, ist nicht ersichtlich.
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Eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts hat der Kläger in gleicher Weise auch nicht in der Hauptstadt Kabul zu befürchten. Dass in Kabul ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und der Kläger dort deshalb einer ernsthaften und individuellen Bedrohung seines Lebens ausgesetzt ist, vermag das Gericht nach den obigen dargestellten Maßstäben nicht festzustellen. Zwar geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor angespannt und unbeständig ist. Allerdings ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln, dass trotz der schwierigen Versorgungs- und Sicherheitslage jedenfalls drei Provinzen, nämlich Kabul, Bamiyan und Panjshir, als sicher gelten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 6. November 2015, S. 19). Hinweise darauf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr nach Kabul allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein liegen nicht vor (vgl. m.w.N. BayVGH, Beschl. v. 20.08.2015 - 13a ZB 15.30062 -, juris Rn. 7, sowie VG Würzburg, Urt. v. 05.02.2016 - W 1 K 15.30021 -, juris Rn. 32).
- 53
d) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Absatz 3 AufenthG. Danach finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung, wenn ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht.
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Anhaltspunkte sind hierfür nicht ersichtlich.
- 55
3. Kann der Schutzsuchende keinen subsidiären Schutz erlangen, sind weiter hilfsweise die nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 AufenthG und des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen (Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – BVerwGE 136, 360).
- 56
a) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG scheidet aus denselben Erwägungen wie zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aus (zum Verhältnis des subsidiären Schutzes zum nationalen Abschiebungsverbot Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 31.01.2013 – BVerwG 10 C 15.12 – Juris Rn. 36; s.a. VG Augsburg, Urt. v. 05.12.2016 – Au 5 K 16.31757 – juris Rn. 44)).
- 57
b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.
- 58
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
- 59
aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Der Kläger ist weder lebensbedrohlich noch schwerwiegend erkrankt.
- 60
Aus dem amtsärztlichen Attest vom 26.09.2016 ergibt sich, dass der Kläger eine chronische Hepatitis –B-Erkrankung in einer leichten Verlaufsform hat. Der Kläger zeigt keine Symptome; die Diagnose wurde als Zufallsbefund gestellt. Ein bei dieser Krankheit möglicher schwerer Verlauf mit erheblichen Folgeschäden ist bei dem Kläger nicht zu erkennen. Die übrigen Untersuchungsbefunde zeigen ebenfalls keine krankhaften Veränderungen. Eine Behandlung wird nicht erwogen; der Kläger benötigt danach keine Medikamente.
- 61
Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Beschwerden lassen keine andere Bewertung zu. Aus dem vorgelegten Terminszettel ergibt sich lediglich der Umstand einer bestehenden Terminsvereinbarung mit einem Arzt, dagegen keine Diagnose. Die vom Kläger vorgetragenen Symptome fehlender Appetit, Schlaflosigkeit, Haarausfall, Mundtrockenheit, Schwitzen sowie Magen- und Bauchschmerzen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten lassen nicht den Schluss auf das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung zu; eine solche ist aus den vorgelegten Unterlagen und insbesondere auch nicht aus der amtsärztlichen Begutachtung erkennbar.
- 62
bb) Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot wegen allgemeiner Gefahren in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG und der verfassungsrechtlich gebotenen einschränkenden Auslegung eröffnet § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz im Hinblick auf die wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die allgemeine Sicherheitslage, die Rückkehrer in Afghanistan und speziell in Kabul erwarten, nur ausnahmsweise, wenn sie bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Absatz 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung von 2008, vgl. Urt. v. 29.06.2010 – BVerwG 10 C 10/09 – BVerwGE 137, 226, Juris Rn. 14 ff.; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 07.04.2016 – 3 A 557/13.A – Juris Rn. 42; VG Augsburg – Urt. v. 05.12. 2016 – Au 5 K 16.31757 – juris Rn. 47).
- 63
Nach den oben erfolgten Ausführungen zur Herkunftsregion des Klägers, Logar, beziehungsweise Kabul als Fluchtalternative ist eine derartige extreme Gefahrenlage zu verneinen. Eine konkrete Gefahr für Leib und Leben ergibt sich für den Kläger auch nicht aus der allgemeinen Versorgungslage. Die Versorgungslage ist zwar kritisch und die Versorgung der Bevölkerung stellt eine tägliche Herausforderung dar (Auswärtiges Amt, Bericht vom 06. November 2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 24 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 13. September 2015, S. 20 ff.). Daraus folgt indessen nicht, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden würde (OVG Münster, Beschl. v. 20. 07.2015 - 13 A 1531/15.A -, juris Rn. 8 ff.; VG Bayreuth, Urt. v. 01.04.2015 - B 3 K 14.30510 - juris Rn. 34; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 20.08.2015 - 5a K 2487/14.A - juris Rn. 67). Die von dem Kläger vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden und körperlichen Einschränkungen lassen den Eintritt der oben genannten erforderlichen schweren Folgen nicht erwarten.
- 64
4. Die Abschiebungsandrohung entspricht den Anforderungen des § 34 AsylG.
III.
- 65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylG.
- 66
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung [ZPO].
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 01. Feb. 2017 - 3 A 346/16 As HGW
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Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 01. Feb. 2017 - 3 A 346/16 As HGW zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 5. November 1980 in der afghanischen Provinz Logar geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Bis zu seiner - eigenen Angabe zufolge - im Mai 2010 erfolgten Ausreise aus Afghanistan lebte der Kläger ledig in dem Dorf Shah Mazar nahe der Stadt Baraki Rajan im Bezirk Baraki Barak in der Provinz Logar. Dort bewirtschaftete er nach Abschluss seiner Schullaufbahn nach der zehnten Klasse der Mittelschule ein eigenes Landstück, auf dem er Getreide und Gemüse anbaute. Diese Erzeugnisse verkaufte er in einem eigenen Geschäft und bestritt von dem Erlös seinen Lebensunterhalt.
3Der Kläger ist am 8. August 2010 nach dreimonatiger Reise auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. Hier beantragte er noch am 8. August 2010 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 13. August 2010 und am 23. August 2010 wurde der Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört, wo er u.a. folgende Angaben machte: Nach dem Tod seiner Eltern habe er gemeinsam mit seinem Bruder bei einer Schwester seines Vaters gelebt. Vor eineinhalb Jahren seien die Taliban in sein Dorf gekommen. Darunter sei auch sein Onkel gewesen, der eine Art Gruppenführer bei den Taliban sei. Sie hätten ihn und seinen Bruder aufgefordert, sich ihnen anzuschließen und in den Jihad zu ziehen. Dem sei seine Tante erfolgreich entgegengetreten. Nach deren Tod vor ungefähr sechs Monaten habe sein Onkel ihn und seinen Bruder gewaltsam mitgenommen. Beide hätten zwei Monate bei den Taliban verbracht. Von dort aus hätten sowohl er als auch sein Bruder die Polizei verständigt, die ihnen ihre Hilfe versagt hätte. Gleichwohl habe der Anruf seines Bruders dazu geführt, dass eine Gruppe Taliban festgenommen worden sei. In der Folgezeit hätten die Taliban ihn und seinen Bruder als Reaktion auf den mutmaßlichen Verrat geschlagen und in unterschiedliche Räume eingesperrt. Sein Bruder sei hingerichtet worden. Er selber sei - nach drei Tagen im Gefängnis - freigekommen, als es ihm gelungen sei, einen befreundeten Wärter zu bestechen.
5Mit Bescheid vom 24. August 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, weil dieser auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Gleichzeitig stellte es unter Hinweis auf die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. Ferner enthält der Bescheid die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht gegeben sind (Ziffer 3). Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die Todesstrafe oder eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines bestehenden internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Ebenso wenig sei erkennbar, dass der Kläger in Afghanistan einer erheblichen individuellen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sei. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
6Der Kläger hat am 9. September 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen vor dem Bundesamt wiederholt und vertieft und ergänzend u.a. Folgendes vorgetragen hat: In seiner Heimatprovinz Logar finde ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zwischen der afghanischen Regierung/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen aufständischen Kräften andererseits statt. Die hiervon gegen die Zivilbevölkerung ausgehenden Akte willkürlicher Gewalt erreichten ein so hohes Niveau, dass alle Zivilpersonen, die sich in der Provinz aufhielten, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht seien. Die Taliban führten in Logar einen Partisanenkrieg. Er befürchte, von ihnen zwangsrekrutiert zu werden. Effektiver Schutz gegen die Taliban sei in Afghanistan landesweit nicht gewährleistet. Da er die Taliban verraten habe, müsse er damit rechnen, an jedem Ort Afghanistans von ihnen ausfindig gemacht zu werden. Zudem habe er dort keine Verwandten und könne deswegen nicht auf die Unterstützung eines funktionsfähigen Familienverbandes zählen. Er verfüge auch über keinerlei Geldmittel, Besitz oder Eigentum, mit deren Hilfe er sich unterhalten könnte. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige, die unfreiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurückkehrten, seien - auch in Kabul - kaum legale Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Deswegen komme weder Kabul noch ein anderer Ort in Afghanistan für ihn als interne Schutzalternative in Betracht.
7Der Kläger hat - sinngemäß - beantragt,
8den Bescheid des Bundesamts vom 24. August 2010 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a.F.) i.V.m. Art. 13 RL 2004/83/EG zuzuerkennen,
9hilfsweise
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG (a.F.) i.V.m. den Voraussetzungen von Art. 15 lit. a), b) und c) RL 2004/83/EG hinsichtlich Afghanistan vorliegen,
11äußerst hilfsweise
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Afghanistan vorliegen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. November 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheide aus, weil dieser über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er keine Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal befürchten müsse. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2, Abs. 2, 3 und 5 AufenthG nicht erfüllt seien, liege auf der Hand. Eben so wenig liege ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, denn die Schilderungen des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal seien unglaubhaft.
16Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat mit Beschluss vom 25. März 2013 zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass in seiner Heimatprovinz Logar, die für die Taliban das Einfallstor in die Hauptstadt Kabul sei, weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt herrsche, der durch intensivierte Aktivitäten gegen Aufständische, einschließlich Bombenangriffe durch ISAF/NATO aus der Luft, wahllose Anschläge regierungsfeindlicher Elemente und regionaler Kriegsherren sowie illegale Landbesetzungen, Enteignungen, religiöse Konflikte, Konflikte über die Benutzung von Weideland zwischen bewaffneten afghanischen Gruppierungen sowie unzureichende Reaktionen der Zentralregierung gekennzeichnet sei. In den südlichen und östlichen Provinzen gebe es mittlerweise offenen Krieg zwischen ISAF/NATO und den Taliban. Dabei werde die große Zahl ziviler Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Die Gefahrenlage betreffe praktisch die gesamte Bevölkerung von Logar. Die Provinz sei schon seit Jahren in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, die in weiten Teilen faktisch die Macht ausübten. Auch das Haqqani-Netzwerk habe großen Einfluss. Dementsprechend handele es sich um eine religiös sehr konservative, von Paschtunen dominierte Provinz. Verstöße gegen die von den Taliban definierten „islamischen Sitten“ würden nach Maßgabe der Scharia hart bestraft. Junge Männer müssten damit rechnen, zwangsrekrutiert zu werden. Jeder, der in Verdacht gerate, mit den staatlichen afghanischen Stellen, den NATO-Truppen oder der CIA zusammenzuarbeiten, werde liquidiert. Die Taliban und die Gruppe Hezb-e-Islami hätten illegale Checkpoints an den Straßen eingerichtet. Dort komme es immer wieder zu Übergriffen wie Sprengstoffanschlägen und Entführungen.
17Die Lebensverhältnisse in Afghanistan seien inzwischen so verheerend, dass ein alleinstehender Rückkehrer, der nicht mit der Aufnahme in eine funktionierende Familien- oder Stammesstruktur rechnen könne, keinerlei Aussicht hätte, sich aus eigener Kraft eine Existenz zu schaffen. Amnesty International habe in einem Gutachten vom 20. Dezember 2010 festgestellt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan erneut dramatisch verschlechtert habe.
18Zudem lägen in seiner Person gefahrerhöhende Umstände vor, die sich aus seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit, der stattgefundenen Verfolgung durch seinen Onkel und der Hinrichtung seines Bruders ergäben.
19Der Kläger beantragt, die Frage, ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) RL 2004/83/EG bzw. Art. 15 lit. c) RL 2011/95/EU vereinbar ist, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zur Entscheidung vorzulegen. Weiterhin beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Rechtsfrage vorzulegen, ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzungen bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden dürfe bzw. müsse oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften seelischen Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewaltakte gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer betreffend alle Zahlen und die humanitäre Situation zu berücksichtigen seien. Der Maßstab, den das Bundesverwaltungsgericht für die Gefährdungsdichte anlege, sei zu eng und nicht mit dem großzügigeren Maßstab, den der EuGH für die Annahme einer individuellen Bedrohung zugrunde lege, zu vereinbaren. Das gelte auch deswegen, weil durch dieses Erfordernis keine zusätzliche Hürde errichtet und keine Verschärfung der Beweislast habe eingeführt werden sollen. Es sei umstritten, ob die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte statistische Ermittlung eines Gefährdungsquotienten mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar sei. Ungeachtet dessen, dass die verfügbaren Statistiken nicht aussagekräftig seien, müssten bei der Feststellung des Grades willkürlicher Gewalt neben der Zahl der Getöteten und Verletzten weitere Zahlen in den Blick genommen werden. Ferner beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die inländische Schutzalternative des Art. 8 RL 2004/83/EG bzw. nach Art. 8 RL 2011/95/EU voraussetzt, dass am Ort der inländischen Schutzalternative ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist, und die Garantie der Achtung der grundlegenden Menschenrechte des Betroffenen ein ausreichendes Maß an Stabilität und effektiven staatlichen und zivilen Schutzstrukturen, die auf Dauer effektiven Schutz vermitteln, gewährleistet.
20Die Kläger beantragt,
21das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 24. August 2010 zu verpflichten, ihn gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen,
22hilfsweise,
23festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beteiligten sind mit der Ladung auf die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel hingewiesen worden. Der Senat hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den Gründen seiner Ausreise angehört und den Beteiligten eine aktualisierte Erkenntnismittelliste ausgehändigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die nur hinsichtlich der Anerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) und der Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses gemäß
30§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
31Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn. 1, 2, 3 AsylVfG (1) noch auf die Feststellung eines in seiner Person begründeten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2).
32Für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage maßgebend. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9; im Folgenden: QRL II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 geltende Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist durch diese Neufassung nicht eingetreten.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2561/10.A -, juris, Rn. 26 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 29. April 2014 A - 4 A 104/14 -, juris, Rn. 16.
34Die erstinstanzlich geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) entsprechen dem nunmehrigen Antrag auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn.1, 2, 3 AsylVfG. In § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote, mit denen Art. 15 der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12; im Folgenden: QRL I) umgesetzt und durch normative Verknüpfung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG zusammengefasst worden war (BT-Drucks. 17/13063, S. 25). Die Regelungen sind - von der im Zuge der Neuregelung vorgenommenen terminologischen Umbenennung des Schutzstatus abgesehen - gleichlautend und materiell-rechtlich inhaltsgleich.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris, Rn. 28 ff.
36§ 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 nicht geändert worden (BT-Drucks. 17/13063, S.14).
37(1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter, weil die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 4 Abs. 1 AsylVfG nicht vorliegen. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylVfG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Diese Bestimmung nimmt - wie bisher § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) - die Vorgaben des Art. 15 QRL I bzw. des gleichlautenden Art. 15 QRL II auf. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Für die Feststellung der darin enthaltenen Abschiebungsverbote gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über Verfolgungs- und Schutzakteure und über internen Schutz auch auf diese Abschiebungsverbote - wie bisher schon - für anwendbar erklärt. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG bzw. Art. 15 QRL II droht. Das ergibt sich nun unmittelbar aus dem in Art. 2 lit. f) QRL II - der Definition des Begriffs „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ - enthaltenen Tatbestandsmerkmal „… tatsächlich Gefahr liefe…“. Der darin zum Ausdruck kommende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) ab.
38Vgl. EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06 (Saadi/Italien) -, NVwZ 2008, 1330 (1331), Rn. 125, 128; BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 20.
39(a) Der Kläger begründet sein auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes Begehren - im Ergebnis ohne Erfolg - schwerpunktmäßig damit, dass ihm in Afghanistan ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG - auf den dieses Vorbringen abzielt - ist die gleichlautende Umsetzung von Art. 15 lit. c) QRL II.
40(aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 15 lit. c) QRL I, die aufgrund der unveränderten Übernahme der Regelung in Art. 15 lit. c) QRL II übertragbar ist, ist der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ein der Richtlinie eigener, autonomer Begriff, der im humanitären Völkerrecht keine unmittelbare Entsprechung findet. Denn anders als im humanitären Völkerrecht habe der Unionsgesetzgeber den Betroffenen nicht nur bei internationalen bewaffneten Konflikten und bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter aufweisen, subsidiären Schutz gewähren wollen, sondern auch bei innerstaatlichen bewaffneten Konflikten, wenn bei diesen Konflikten willkürliche Gewalt eingesetzt werde. Das humanitäre Völkerrecht und die Regelung des subsidiären Schutzes verfolgten unterschiedliche Ziele und führten klar voneinander getrennte Schutzmechanismen ein. Mangels einer in der Richtlinie enthaltenen Begriffsbestimmung sei der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen sei, in welchem Zusammenhang er verwendet werde und welche Ziele mit der Regelung verfolgt würden, zu der er gehöre.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
42Nach diesen Grundsätzen interpretiert der EuGH den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts als eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Truppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 35.
44Abweichend davon legt das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im humanitären Völkerrecht aus, die sich insbesondere aus den vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (GFK) einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 ZP II - zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - ergibt, und zieht ergänzend das Völkerstrafrecht, insbesondere die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs heran. Jedenfalls dann, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Ziffer 2 ZP II erfüllt seien, also bei inneren Unruhen und Spannungen, zu denen Tumulte, vereinzelt auftretenden Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen zählten, scheide die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) QRL I aus. Der Konflikt müsse ein bestimmtes Maß an Dauerhaftigkeit und Intensität aufweisen. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, 22 f. und vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 22 ff.
46Zur Anwendung dieses Auslegungsmaßstabs hat das Bundesverwaltungsgericht einschränkend angemerkt, dass die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze finde, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht seien, entgegenstehe. Mit Blick auf diesen Zweck setze das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssten, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach GFK und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich sei. Vielmehr könne es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage seien, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen werde. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben müsse, was andererseits nicht bedeute, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein könne. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 23 f.
48Beide Auslegungsmaßstäbe dürften überwiegend zu gleichen Ergebnissen führen. Hier spricht nach der aktuellen Erkenntnislage Vieles dafür, dass in der insoweit maßgebenden Heimatregion des Klägers, der Provinz Logar, nach beiden Interpretationen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG herrscht.
49Vgl. einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Provinz Logar bejahend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 70.
50Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Sie ist nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger im Rahmen dieses Konflikts jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist.
51(bb) Nach der Interpretation des Senats der zu diesem Tatbestandsmerkmal ergangenen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die individuelle Bedrohung - ungeachtet des Umstandes, der sie ausgelöst hat - im Ausgangspunkt nach dem in dem betreffenden Gebiet feststellbaren Niveau willkürlicher Gewalt, während die jeweiligen Ursachen der individuellen Bedrohung (nur) im Zusammenhang mit dessen graduellen Abstufungen maßgebend sind.
52Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30 ff.
53Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Im Ausnahmefall kann sie durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat.
54Gefahrerhöhende persönliche Umstände sind solche, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Hierzu zählen auch persönliche Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
56Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes "allgemein" ausgesetzt ist, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 26 QRL I und Erwägungsgrund 35 QRL II). Eine Ausnahme davon gilt nur bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
57Vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 19.
58Erforderlich ist eine Situation mit Ausnahmecharakter,
59vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32,
60und damit eine individuell besonders exponierte Gefahrenlage.
61Diese unterscheidet sich von einer durch persönliche gefahrerhöhende Umstände begründeten ernsthaften individuellen Bedrohung, die gleichermaßen die Feststellung eines hohen Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung erfordert,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33,
63lediglich in gradueller Hinsicht.
64Dies hat der EuGH dahin präzisiert, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit ein Ausländer Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
66Ausgehend hiervon sind, unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, erforderlich.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
68Dabei sind neben völkerrechtswidrigen auch andere nicht zielgerichtete Gewaltakte zu berücksichtigen, weil eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßende Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht mit dem Sinn und Zweck des Art. 15 lit. c) der Richtlinie vereinbar wäre.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 - juris, Rn. 34.
70Neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte ist eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) vorzunehmen, bei der auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden können.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
72Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23.
74Der Senat sieht davon ab, die Fragen,
75ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des BVerwG in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) QRL I und QRL II vereinbar ist
76und
77ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzten bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden darf bzw.muss oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewalt gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl der willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer und die humanitäre Situation zu berücksichtigen sind,
78entsprechend der Anregung des Klägers dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, weil die Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die Rechtsmittel im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV ist,
79vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11-, juris, Rn. 32 m.w.N.,
80angefochten werden kann. Der Senat sieht auch keinen weiteren Klärungsbedarf, insbesondere keinen Anhalt dafür, dass das für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - erforderliche Niveau willkürlicher Gewalt nicht mit Art. 15 lit. c) QRL I vereinbar ist, zumal sich das BVerwG auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung des EuGH bezieht. Hinsichtlich der weiteren Frage sieht der Senat bereits deswegen keinen Klärungsbedarf, weil auch nach der Rechtsprechung des BVerwG neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist,
81vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23,
82mit der die Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte einhergeht.
83Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, juris, Rn. 17, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 (Elgafaji) -.
85Ein Abweichen von der Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll. Kommt die Herkunftsregion des Ausländers als Zielort einer Rückführung wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 QRL II bzw. § 3e AsylVfG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 -10 B 22.12 -, juris, Rn. 7.
87Gemessen daran fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers. Gefahrerhöhende Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der geltend gemachten Möglichkeit einer Zwangsrekrutierung. Ausgehend von den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan,
88vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f., Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; UNHCR, UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen vom 31. August 2013, S. 3; Dr. Mostafa Danesch, Auskunft an den Hess.VGH vom 3. September 2013, S. 3 f., und an das Nds.OVG vom 30. April 2013; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban,
89besteht im Falle des Klägers keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass er dort ernsthaft befürchten müsste - insbesondere durch die Taliban -, zwangsrekrutiert zu werden. Den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 lässt sich insoweit entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern nutzten, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Traditionell habe in Kriegszeiten die Mobilisierung in Form von „lashkar" stattgefunden, ein Brauch, bei dem jeder Haushalt einen Mann im wehrfähigen Alter beisteuerte. Regierungsfeindliche Kräfte wendeten in Gebieten, die sie tatsächlich kontrollierten, sowie in Siedlungen von Binnenvertriebenen Drohungen und Einschüchterung an, um auf diese Weise Kämpfer für
90ihren Aufstand zu rekrutieren. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzten, seien danach gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt
91und getötet oder bestraft zu werden.
92vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f.
93Der Bericht enthält weder Informationen zur Häufigkeit solcher Zwangsrekrutierungen noch zu deren regionaler Verteilung und zum Profil bevorzugter Rekruten innerhalb der unüberschaubar großen Gruppe wehrfähiger Männer. Auch in den übrigen Auskünften und Berichten wird hierüber keine Aussage getroffen.
94Der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch hat sich in seinen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof dahin geäußert, dass die Taliban „nicht selten" junge Männer zwangsrekrutiert hätten. In den drei Fällen, in denen ihm bekannte, nach Kabul abgeschobene oder als sog. Binnenflüchtlinge von Taliban „behelligte" Männer hätten zwangsrekrutiert werden sollen, hätten diese aber jeweils Gelegenheit gehabt, sich den befürchteten Zwangsmaßnahmen zu entziehen. Von der Tötung junger Männer durch Taliban im Zusammenhang mit geplanten Zwangsrekrutierungen in Kabul habe er nur gerüchteweise Kenntnis erlangt. Aus diesen Angaben lässt sich kein tragfähiger Erkenntnisgewinn ziehen. Sie sind vage und beruhen erkennbar nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage.
95Andererseits ist der Umstand, dass weder der Sachverständige noch der UNHCR über weitergehende spezifische Informationen verfügen, als Hinweis darauf zu werten, dass es sich bei der Zwangsrekrutierung erwachsener Männer nicht um ein hervorstechendes Merkmal des in Afghanistan herrschenden Konflikts, sondern eher um ein Randphänomen handelt. Hierfür spricht auch der im Juli 2012 veröffentlichte Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO -), in dem die Rekrutierungsstrategien der Taliban unter Auswertung unterschiedlicher UN-, NGO-, Regierungs- und Medienquellen sowie Aussagen der Taliban beleuchtet werden. Aus deren Gesamtschau ergibt sich, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban - entgegen dem Vorbringen des Klägers - in Afghanistan nicht an der Tagesordnung sind, sondern gegenwärtig allenfalls in Einzelfällen vorkommen. Für die Taliban besteht keine Notwendigkeit, auf diese Praxis zurückzugreifen, weil sie über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen verfügen. Ursächlich hierfür sind einerseits die demographische Situation in Afghanistan, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht älter als 19 Jahre ist und andererseits die wirtschaftliche und berufliche Perspektivlosigkeit, der junge Menschen dort ausgesetzt sind. Daneben werden die hohe Akzeptanz und der für die Taliban unverzichtbare Rückhalt in der lokalen Bevölkerung als Ursachen dafür genannt, weshalb es nur selten zu Zwangsrekrutierungen kommt. Soweit nach dem Bericht des EASO verschiedene Quellen von Zwangsrekrutierungen berichten, haben sich diese in Flüchtlingscamps bzw. in Regionen, die sich unter vollständiger Kontrolle der Taliban befunden haben, ereignet. Aus dem Bericht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es dazu häufig gekommen ist bzw. dass davon eine große Zahl von Personen betroffen war. In der Provinz Logar, in der der Kläger beheimatet ist, sind nach den Recherchen des EASO keine Fälle bekannt geworden, in denen bei der Rekrutierung Zwang oder Gewalt ausgeübt worden sind.
96Vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 26 ff., 44.
97Überdies dürften Zwangsrekrutierungen mit Blick auf die vorhersehbar eingeschränkte Motivation und Zuverlässigkeit der Rekruten vielfach wenig zielführend sein. Dafür, dass die fehlende Dokumentation der Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen Erwachsener gleichzeitig ein Indiz für die Seltenheit solcher Vorfälle ist, spricht außerdem, dass es entsprechende Erhebungen über die Zahl von Zwangsrekrutierungen bei Kindern gibt.
98Vgl. United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA), Annual Report 2013, Protection of civilians in armed conflict, S. 59; AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban.
99Das verbleibende Restrisiko, als wehrfähiger Mann zwangsweise von einer Konfliktpartei - hier den Taliban - rekrutiert zu werden, ist insbesondere im Falle des Klägers als gering zu bewerten und begründet deswegen keinen seiner Person innewohnenden gefahrerhöhenden Umstand. Denn der Kläger gilt mit fast 34 Jahren - gemessen an afghanischen Verhältnissen - nicht mehr als junger Mann. Deswegen und aufgrund seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit gehört er für die Taliban, die ihre Kämpfer in einer von Paschtunen dominierten Provinz wie Logar bevorzugt aus dem paschtunischen Teil der Bevölkerung rekrutieren dürften,
100vgl. zur Rekrutierung unterschiedlicher Ethnien EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 37 f,
101für die Nachwuchsgewinnung wenig interessanten Personenkreis.
102Der Senat lehnt die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 6, 7, 9, 10, 11, 12 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014, die auf eine Beweiserhebung zum Umfang und zur Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar durch Beiziehung weiterer Berichte und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch abzielen, ab. Die Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Gutachten und Auskünfte steht im Ermessen des Gerichts.
103Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 -, juris, Rn. 13.
104Die Notwendigkeit der beantragten Beweiserhebung drängt sich nicht auf. Die dem Senat vorliegenden und dem Kläger mit der Ladung bekannt gemachten Erkenntnisse und die weiteren zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisse genügen zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage unter den verfahrensrelevanten Gesichtspunkten, insbesondere zu in Afghanistan stattfindenden Zwangsrekrutierungen. Von der u.a. beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Herrn Dr. Mostafa Danesch verspricht sich der Senat im Übrigen angesichts des Inhalts von dessen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu diesem Thema keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
105Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gleichzeitig dessen Vernehmung als sachverständiger Zeuge beantragt hat, braucht der Senat diesem Antrag nicht nachgehen, weil er unsubstantiiert ist.
106Vgl. zur Ablehnung von Beweisanträge wegen fehlender Substantiiertheit Lang, in: Sodann/Ziekow, 4. Auflage, § 98, Rn. 32 m.w.N.
107Die Beweiserhebung durch sachverständigen Zeugen richtet sich nach den Vorschriften über den Zeugenbeweis (§ 98 VwGO i. V. m. § 414 ZPO). Der sachverständige Zeuge ist danach (auch) ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hat.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 -, juris, Rn.15.
109Ein zulässiger Antrag auf Vernehmung eines sachverständigen Zeugen setzt einerseits die Darlegung von dessen besonderer Sachkunde sowie derjenigen Tatsachen voraus, die er kraft dieser Sachkunde wahrgenommen haben soll.
110Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2000 - 9 B 519.99 -, juris, Rn. 11,18.
111Daran fehlt es hier. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar oder im Hinblick die behauptete Rekrutierungspraxis der Taliban gemacht hat. Aus den dem Senat vorliegenden Gutachten von Dr. Mostafa Danesch geht im Übrigen hervor, dass dieser hierzu jedenfalls nicht in der empirischen Ausdehnung, wie sie durch die Beweisanträge vorgegeben ist, über eigene Wahrnehmungen verfügt.
112Eine von der Einschätzung einer allenfalls geringfügigen Zwangsrekrutierungsgefahr abweichende Risikobewertung für den Kläger ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten Vorfluchtereignissen. Das Vorbringen zu seinem Verfolgungsschicksal, das in erster Linie darauf abzielt, zu vermitteln, dass er in besonderer Weise ins Visier in Logar ansässiger Taliban geraten ist, ist unglaubhaft. Die Angaben, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt dazu gemacht hat, sind in hohem Maße detailarm und unplausibel und können von daher nicht als erlebnisbasiert bewertet werden. Nichts anderes gilt für die Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. In ihrer Zusammenschau ergeben sämtliche seiner Angaben das Bild eines nur fragmentarischen Berichts, der keinen ausreichenden Bezug zu einem realen Geschehen zulässt. Hinzu kommen zahlreiche Widersprüche, Unstimmigkeiten und Auffälligkeiten im Aussageverhalten des Klägers, die dafür sprechen, dass er sein Verfolgungsschicksal frei erfunden hat.
113Das gilt zunächst mit Bezug auf die Hintergründe und Umstände seiner angeblichen Entführung durch seinen Onkel. Hierzu hat der Kläger beim Bundesamt zunächst angegeben, seine Tante, die ihn großgezogen habe, habe zu Lebzeiten Übergriffe des Onkels, der ihr jüngerer Bruder gewesen sei, verhindern können. In diesem Zusammenhang hat der Kläger sinngemäß beantragt, Beweis über die mitunter starke Position afghanischer Frauen innerhalb der Familie zu erheben. Unvereinbar damit hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Onkel habe ihn und seinen Bruder zunächst nicht mitnehmen können, weil beide der altersbedingt kranken Tante hätten helfen müssen. Dass diese sich dem Bemühen des Onkels, den Kläger und seinen Bruder für die Taliban zu gewinnen, aktiv entgegen gesetzt habe, hat er demgegenüber mit keinem Wort erwähnt.
114Im Zusammenhang mit seiner angeblich anschließenden Entführung ist der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt - obgleich es sich dabei um ein besonders einschneidendes und von daher einprägsames Ereignis gehandelt haben dürfte – auf keinerlei situationstypische Details eingegangen. Seine Schilderungen beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass sein Onkel ihn und seinen Bruder nach dem Tod der Tante mit Gewalt mitgenommen habe, sie in den folgenden zwei Monaten bei den Taliban geblieben seien und dort Gewalt geherrscht habe. Dabei bleiben sämtliche die Situation prägenden Begleitumstände offen. So ist beispielsweise unklar geblieben, wie sich die Entführungssituation konkret abgespielt hat. Der Kläger hat auch nicht erwähnt, wohin sein Bruder und er von den Taliban verbracht worden sind, wie sie dort gelebt und mit was sie sich während ihres zweimonatigen Aufenthalts bei den Taliban beschäftigt haben.
115In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger aufgefordert worden, seine Erlebnisse im Zusammenhang mit der vermeintlichen Entführung möglichst detailliert zu schildern. Dabei ist es ihm nicht gelungen, das mit seinen bisherigen Schilderungen nur rudimentär skizzierte Handlungsgerüst anzureichern. Er war nicht nur nicht in der Lage, die Entführungssituation anschaulich im Zusammenhang darzustellen, sondern hat auch auf gezielte Nachfrage zu Einzelaspekten nahezu keine Details preisgegeben. Seine Darstellung dieses Handlungsabschnitts beschränkte sich trotz mehrfacher Nachfrage und ausreichender Gelegenheit zur Stellungnahme darauf, dass sein Onkel eine Woche nach dem Tod seiner Tante bewaffnet und mit einer Gruppe Taliban gekommen sei und ihn und seinen Bruder mitgenommen habe.
116Ebenso einsilbig und detailarm waren die Ausführungen des Klägers zu seinem Aufenthalt bei den Taliban. Erst auf Nachfrage, wie er und sein Bruder die Zeit dort verbracht hätten, hat er - erneut ohne dabei auf irgendwelche Einzelheiten dazu einzugehen - erklärt, sie seien an der Waffe ausgebildet worden. Sein Hinweis darauf, dass an diesem Ort Menschen getötet und Kinder zu Selbstmordattentätern gemacht worden seien, fügte sich demgegenüber nicht nahtlos in den Kontext seiner übrigen Schilderungen ein und war angesichts fehlender Begleitinformationen, insbesondere zum Aufenthaltsort, auch nicht zuzuordnen. Der Senat betrachtet es - auch angesichts der gleichbleibenden Stimmungslage des Klägers - als näherliegend, dass er das Geschilderte nicht erlebt, sondern erfunden hat, um die Situation aus asyltaktischen Gründen besonderes dramatisch erscheinen zu lassen. Ein vergleichbares Aussageverhalten hat der Kläger gezeigt, als er nach Abschluss seiner Befragung - ebenfalls außerhalb des Kontextes und ohne erkennbare Veranlassung - auf Narben in seinem Gesicht und an seinem rechten Bein hingewiesen hat, die von Schlägen mit einem Gewehrkolben bzw. nach kurz darauf korrigierter Darstellung von Bajonettstichen während der Zeit seiner Gefangenschaft herrühren sollen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen gegenüber seiner Aussage vor dem Bundesamt gesteigert und schon deswegen unglaubhaft ist, zielt es ebenfalls darauf ab, durch Hervorhebung besonderer Brutalität Aufmerksamkeit zu erregen, um so von der Detailarmut und Widersprüchlichkeit des restlichen Vorbringens abzulenken.
117Letztere spiegelt sich auch in der Schilderung des Klägers zu seinem angeblichen Verrat an den Taliban wieder. Während er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch erklärt hatte, er selbst habe mit seinem Mobiltelefon die Polizei angerufen, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Bruder habe in seiner Gegenwart die Polizei verständigt. Sofern er diese Angabe an anderer Stelle erneut modifiziert hat, liegt darin ein weiteres Indiz für ihre fehlende Glaubhaftigkeit. Das gilt auch bezogen auf die Angaben des Klägers zur Hinrichtung seines Bruders. Diese hat er beim Bundesamt und bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eher beiläufig erwähnt, während er die Schilderung jeglicher Details zu den Begleitumständen oder seiner eigenen emotionalen Verfassung unter Hinweis darauf, diese nicht schildern zu können, vermieden hat. Im Kontext seines weiteren Aussageverhaltens wertet der Senat dies - zumal es in seinem Fall für den Befund einer Traumatisierung weder substantiierten Vortrag noch greifbaren Anhalt gibt - als Hinweis darauf, dass die Schilderungen des Klägers, der unverständlicherweise die Erinnerung an das Geburtsdatum seines Bruders verloren hat, auch insoweit nicht der Wahrheit entsprechen. Zwar hat sich der Kläger bei Erwähnung der Hinrichtung seines Bruders für einen kurzen Moment die Augen gerieben. Dies konnte aber angesichts seiner darauf innerhalb kürzester Zeit wieder völlig unverändert und gleichmütig wirkenden Stimmungslage nicht als Geste authentischer Ergriffenheit gewertet werden.
118Dem Kläger ist es zudem nicht gelungen, seine emotionale Verfassung während seiner Zeit bei den Taliban nachvollziehbar darzulegen. Bezeichnenderweise hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf die Frage, wie sich die Zeit im Gewahrsam für ihn angefühlt habe, kein Gefühl, sondern eine Erwartung benannt. Angesichts der Einprägsamkeit der geschilderten Situation gibt es für einen derartigen emotionalen Gedächnisverlust keine plausible Erklärung. Vielmehr dürfte die Situation plötzlichen Eingesperrtseins heftige Angstgefühle oder Fluchtreflexe auslösen, die auch nach längerer Zeit zumindest kognitiv noch reproduzierbar sind. Deren Ausprägung mag zwar je nach Persönlichkeitsstruktur unterschiedlich sein, ihr Fehlen ist aber angesichts der vom Kläger geschilderten besonderen Bedrohungssituation nicht nachzuempfinden und spricht deshalb dafür, dass seine Schilderungen nicht zutreffen. Ein weiteres Indiz dafür ist seine ebenfalls spärliche Erinnerung an die tatsächlichen Umstände des Gewahrsams. Hierzu hat er lediglich erklärt, er habe Hunger gehabt und sei auch geschlagen worden. Ein derartiges Abflachen des Erinnerungsniveaus ist weder mit dem Bildungsstand des Klägers noch anders als damit zu erklären, dass er auch insoweit gelogen hat. Hierzu passt, dass er in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist.
119Unabhängig davon ist seine Aussage unter zahlreichen weiteren Aspekten nicht stimmig und lebensfremd. Seine angebliche Flucht aus der Gefangenschaft der Taliban und das Gelingen seiner anschließenden Ausreise aus Afghanistan beruhen auf einer höchst unwahrscheinlichen Häufung und Verkettung von Zufällen, die zudem jeweils genau zum passenden Zeitpunkt eingetreten sind. Diese Aneinanderreihung von Zufällen nimmt ihren Lauf mit der angeblichen Freundschaft zu seinem Wächter. Dass dieser Wächter dem Kläger - ungeachtet der damit für ihn selbst verbundenen Gefahren - zur Flucht verholfen haben soll, ist realitätsfern. Weder die angebliche Freundschaft, zu deren Entstehung und Tiefe die Angaben des Klägers noch nicht einmal Rückschlüsse zulassen, noch die erwähnte Gegenleistung sind ein nachvollziehbares Motiv dafür, dass der Wärter sich den mit der Freilassung des Klägers einhergehenden, im Zweifel für ihn selbst lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt haben soll.
120Dass es dem Kläger unmittelbar im Anschluss an seine Flucht - nach seinen Angaben beim Bundesamt praktisch über Nacht und nach denen in der mündlichen Verhandlung innerhalb von zwei Tagen - gelungen ist, unentdeckt von seinem Onkel, verwandte oder befreundete Käufer zu finden, die ihm für die Übertragung eines Bruchteils seines Landstücks ohne zeitliche Verzögerung passend die für die Ausreise erforderliche Summe von 9.000 Dollar zur Verfügung gestellt haben sollen, überschreitet ebenfalls ein Maß an zufälligen Fügungen, das der Senat noch zu glauben bereit ist.
121Da der Vortrag des Klägers danach in wesentlichen Punkten unzutreffend und in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist, lehnt der Senat seine hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 1 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014 ab.
122Vgl. zur Möglichkeit der Ablehnung von Beweisanträgen aus diesem Grund BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1994 - 2 BvR 1183/92 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1998 - 9 B 10.98 -, juris, Rn. 6.
123Es besteht auch kein durch die Erkenntnislage begründeter Anhalt oder substantiierter Vortrag dafür, dass sich die tadschikische Volkszugehörigkeit des Klägers gefahrerhöhend auswirkt. In der Provinz Logar leben mehrheitlich Paschtunen (60 %) und Tadschiken sowie eine kleine Minderheit schiitischer Hazara.
124vgl. Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
125Wenngleich die Paschtunen dieses Gebiet traditionell dominiert haben, ist nichts dafür bekannt, dass Tadschiken dort häufiger als andere Volksgruppen Opfer von sicherheitsrelevanten Vorfällen werden, die in Zusammenhang mit konfliktbedingten Kampfhandlungen oder Attentaten stehen. Hierzu passt, dass es nach dem Sturz der Taliban nur noch sehr wenige Fälle ethnisch motivierter Gewalt gab.
126Vgl. Congressional Research Service, Afghanistan: Politics, Elections and Government Performance, vom 28. Juli 2014, S. 2.
127Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage - vom 30. September 2013 enthält eine umfangreiche Auflistung der speziell durch staatliche, nicht staatliche und internationale Akteure gefährdeten Personengruppen (S. 15 ff.). Der Kläger gehört keiner dieser Personengruppen an.
128Ebenso wenig besteht in Logar eine exponierte allgemeine Gefahrenlage, die durch ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des EuGH gekennzeichnet ist. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der Auswertung folgender Erkenntnisse:
129Logar ist eine der 34 Provinzen im östlichen Teil Afghanistans, deren Hauptstadt Pul-i-Alam ist. Logar grenzt südlich an die Provinz Kabul, ist zudem den Provinzen Nangarhar, Paktia, Kabul, Wardak und Ghazni benachbart und verfügt im Osten über eine schmale Grenze zu Pakistan. Die Provinz umfasst ein Gebiet von knapp 4.000 Quadratkilometern. Die Einwohnerzahl liegt aktuellen Schätzungen der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan zufolge bei 379.400.
130Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013/2014, S. 3 und 5 f.,
131abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
132Logar ist in sieben Bezirke unterteilt. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, liegt angrenzend an Wardak im Westen der Provinz. Dort leben variierenden Schätzungen zufolge ungefähr 85.200 Menschen.
133Vgl. Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD), National Area Based Development, Logar Provincial Profile, abrufbar unter: "Logar Provincial Profile". MRRD. 2013-07-27. Retrieved 2013-08-17.
134Logar gilt als Einfallstor aufständischer Oppositioneller in die Hauptstadt Kabul.
135Vgl. FAZ vom 15. Oktober 2013 „Gouverneur von Logar getötet“; Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
136Seit etwa 2008 liegt die Provinz im Wesentlichen in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, deren Anführer Gulbuddin Hekmatyar ist und die ungeachtet gelegentlicher Konfrontationen mit den Taliban ideologisch und politisch verbunden sind. Auch das von Jalaluddin Haqqani gegründete Haqqani-Netzwerk, von dem davon ausgegangen wird, das es al-Quaida näher steht, hat großen Einfluss in der Provinz. Bedingt durch diese Machtverteilung wurden in der Vergangenheit in Logar weniger Anschläge durch oppositionelle Gruppierungen verübt, als in den südlichen und östlichen Grenzprovinzen.
137Vgl. Auskunft von Amnesty International vom 20. Dezember 2010 an den Hess.VGH, S. 2; mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Gruppierungen, ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation:ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014
138http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
139Den genannten extremistischen regierungsfeindlichen Gruppierungen dient die Provinz als strategisches Aufmarschgebiet, von dem aus sie ihre Anschläge auf bedeutsame Ziele in Kabul vorbereiten und starten. Den Feststellungen des Gutachters Dr. Mostafa Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zufolge fanden zu dieser Zeit in Logar täglich Partisanenkämpfe der Taliban gegen die afghanische Armee und die NATO-Truppen statt, die umgekehrt massiv die Stellungen der Taliban angriffen (S. 5). Aktuellere Erkenntnisse sprechen nicht dafür, dass sich diese Situation in der Zwischenzeit grundlegend verbessert bzw. beruhigt hat. Nach den Feststellungen der Organisation Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) haben sich die südliche, die südöstliche und die östliche Region zunehmend zu einem zusammenhängenden Kampfgebiet entwickelt.
140Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 2 2012, S. 1.
141In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung für Afghanistan ist seit Dezember 2011 fortlaufend eine erhebliche Bedrohungslage für Logar ausgewiesen.
142Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages (im Folgenden: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht), jeweils Stand: Dezember 2011, Juni 2012, November 2012, Januar 2014 (S. 9) und zuletzt Juni 2014 (S. 17).
143Im aktuellsten Bericht wird dies - wie bereits in dem vorangegangenen Bericht -dahingehend ausgeführt, dass in den ländlichen - vorwiegend paschtunisch geprägten - Gebieten im Osten und Süden eine „überwiegend nicht“ oder in einigen wenigen Distrikten sogar eine „nicht kontrollierbare“ Sicherheitslage herrsche (S. 16). An der in dem Bericht ebenfalls enthaltenen graphischen Darstellung anhand einer Karte des Staatsgebiets von Afghanistan (S. 17), auf der die regionale Bedrohungslage nach den jedenfalls nicht grundlegend davon abweichenden Einstufungen der NATO unterschiedlich farblich markiert ist, wird deutlich, dass letzteres nicht die Provinz Logar, sondern die Provinzen Kunar, Khowat sowie Teile der Provinzen Ghazni, Paktika und Paktia betrifft.
144Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eingewendet hat, die in den Berichten der Bundesregierung ausgewiesenen Zahlen sicherheitsrelevanter Zwischenfälle seien fehlerhaft und nachträglich um 10 % nach oben korrigiert worden, trifft dieser Einwand zu, greift aber nicht durch. Denn die getroffene Bewertung der Sicherheitslage berücksichtigt diesen Aspekt. Die Bundesregierung hat in ihrem Fortschrittsbericht von Juni 2013 auf das Erfordernis nachträglicher Korrekturen der statistisch erfassten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle hingewiesen. Da deren Erfassung mittlerweise durch die ANSF erfolge, könne sie nicht auf Verlässlichkeit überprüft werden. Infolgedessen bestehe eine nur eingeschränkte Verifizierbarkeit und Verlässlichkeit, was dazu führe, dass diesem Zahlenwert bei der Bewertung der Sicherheitslage nur geringe Aussagekraft beigemessen werde.
145Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Juni 2013, S. 7 f.; Januar 2014, S. 9; Juni 2014, S. 16.
146Das kommt auch in der der vorgenommenen Kategorisierung der Sicherheitslage zugrunde liegende Bewertungsmethodik zum Ausdruck. Diese orientiert sich an einer Reihe von quantitativen und qualitativen Indikatoren. Hierzu wurden für eine variable Bewertungsmatrix drei Kategorien (Bedrohung, Schutz und Perzeption der Sicherheitslage) festgelegt und zusätzlich mehrere nachgeordnete Einflüsse definiert (politische Institutionen, Sozioökonomie oder externe Einflüsse), die je nach Verfügbarkeit der Erkenntnisse und Ausprägung der Wirkung auf die Sicherheitslage berücksichtigt worden sind. Als „überwiegend nicht kontrollierbar“ - wie für Logar festgestellt - gilt die Sicherheitslage eines Raumes nach diesen Bewertungsmaßstäben dann, wenn bestehende Bedrohungen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen, kurzfristig keine Verbesserung der Sicherheitslage zu erwarten ist und die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen in Frage steht.
147Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, Anhang, S. 28.
148Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Organisation ANSO die Sicherheitslage in Logar nicht gleichermaßen prekär einzuschätzen scheint. In ihrem Bericht für das erste Quartal 2013 ordnet sie Logar bezogen auf die dortige Sicherheitslage (nur) der mittleren von insgesamt fünf Kategorien zu, deren Bezeichnung „moderately insecure“ lautet.
149Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013 vom 30. April 2013, S. 11.
150Diese Bewertung steht unter anderem in Verbindung mit der in diesem Bericht für die einzelnen Provinzen Afghanistans für das jeweils erste Quartal der Jahre 2011 bis 2013 aufgeführten Dichte von Vorfällen, an denen bewaffnete oppositionelle Gruppierungen beteiligt waren. Danach haben sich derartige Vorfälle in Logar in diesem Zeitraum um 25 % reduziert. Logar gehörte damit zu den insgesamt acht Provinzen, in denen Vorfälle dieser Art abgenommen haben, während die Vorfallsdichte in sechs weiteren Provinzen weitgehend gleichbleibend war und in den verbleibenden zwanzig Provinzen - zum Teil erheblich - angestiegen ist. Nach einem Bericht des Institute for the Study of War (ISW) gelten innerhalb Logars der Hauptstadtbezirk Pul-i-Alam als der Unruhigste und die Bezirke Kharwar und Muhammad Agha ebenfalls als problematisch. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, ist dort nicht aufgeführt.
151Vgl. ISW, Regional Command East, Overview, Province Logar, abrufbar unter: https://www.understandingwar.org/region/regional-command-east.
152Das quantitative Kernkriterium für die zu treffende Gefahrenprognose ist die in der maßgebenden Region - hier Logar - zu verzeichnende Zahl ziviler Opfer. Diese dokumentiert die Politische Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan UNAMA (United Nations Assistence Mission in Afghanistan), die hierzu im Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in halbjährlichem Turnus aktualisierte Berichte erstellt. Dabei ist die Methodik, der Ermittlung und Auswertung folgen, zu Beginn der jeweiligen Berichte beschrieben. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
153Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 1.
154Aus einer Zusammenschau des Jahresberichts für das Jahr 2013 und des aktuellen Zwischenberichts von Juli 2014 ergibt sich, dass im Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan 42.024 Zivilisten konfliktbedingt zu Schaden gekommen sind, von denen 15.628 getötet und 26.396 verletzt worden sind. Davon entfallen 1.564 getötete und 3.289 verletzte zivile Opfer auf den Zeitraum zwischen Januar 2014 und Juni 2014. Weder die Berichte von UNAMA noch die übrigen dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen enthalten eine weitere (vollständige) Aufschlüsselung nach Provinzen. Deren statistische Aussagekraft wäre auch fragwürdig. Denn Vieles spricht dafür, dass die damit einhergehende Maßstabsverkleinerung nicht auf eine Präzisierung, sondern - jedenfalls im Kontext einer längeren zeitlichen Entwicklung betrachtet - auf eine Verzerrung der abgebildeten Realität hinauslaufen würde. Aus diesem Grund bedarf es auch insoweit keiner weiteren Sachverhaltsermittlung.
155Ungeachtet dessen steht das Fehlen einer derartigen Aufschlüsselung der Bewertung, dass der Kläger bei Rückkehr nach Logar als Zivilperson keiner aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt resultierenden besonders exponierten Gefahrensituation ausgesetzt sein würde, nicht entgegen. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel erlauben eine - wenngleich nicht mathematisch genaue - annähernde Zuordnung der von UNAMA ermittelten Opferzahlen für die Provinz Logar, die jedenfalls die Feststellung trägt, dass das dortige Niveau willkürlicher Gewalt für den Kläger keine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, Art. 15 lit. c QRL II begründet.
156Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Dem aktuellsten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zufolge, dessen Ergebnis insoweit im Wesentlichen den vorangehenden Berichten entspricht, ist die Sicherheitslage in weiteren 13 der insgesamt 34 afghanischen Provinzen vergleichbar mit der in der Provinz Logar bzw. brisanter als dort. Dies sind die Provinz Farah mit 490.600 Einwohnern, die Provinz Ghazni mit 1.188.600 Einwohnern, die Provinz Helmand mit 894.200 Einwohnern, die Provinz Kandahar mit 1.175.800 Einwohnern, die Provinz Khost mit 556.000 Einwohnern, die Provinz Kunar mit 436.000 Einwohnern, die Provinz Laghman mit 431.200 Einwohnern, die Provinz Nangarhar mit 1.462.600 Einwohnern, die Provinz Nuristan mit 143.200 Einwohnern, die Provinz Paktia mit 534.000 Einwohnern, die Provinz Paktika mit 420.700 Einwohnern, die Provinz Uruzgan mit 374.100 und die Provinz Zabul mit 294.100 Einwohnern. Diese Zahlen sind dem Jahrbuch 2013/2014 der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan entnommen.
157Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
158abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
159Sie beruhen, da die letzte Volkszählung in Afghanistan im Jahr 1979 stattgefunden hat, auf Schätzungen, denen die Annahme eines jährlichen Bevölkerungswachstums von 2,03 % seit 1979 zugrunde liegt.
160Vgl. National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 8.
161Insgesamt leben in den aufgeführten dreizehn Provinzen danach rund 8,4 Millionen Menschen. Ausgehend von der entsprechenden Übersicht in dem letzten Bericht von ANSO ist darüber hinaus für die Provinzen Badghis (479.800 Einwohner), Faryab (964.600 Einwohner), Herat (1.816.100 Einwohner), Kunduz (972.200 Einwohner), Nimroz (159.300 Einwohner) und Wardak (577.100 Einwohner) und von einer Sicherheitslage auszugehen, die der in Logar entspricht. Diese Provinzen hinzugerechnet, ergibt sich eine Einwohnerzahl von rund 13,4 Millionen.
162Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013, S. 11.
163Selbst dann, wenn man die zuletzt genannten Provinzen vollständig außer Betracht lässt und die Einwohnerzahl von Logar (379.400) nur ins Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl der zuerst genannten 13 Provinzen setzt, die sich zuzüglich der Einwohner von Logar auf 8.780.500 beläuft, macht der auf Logar entfallende Anteil ziviler Opfer rund 4,3 % aus. Angesichts der vergleichbaren, zum Teil sogar problematischeren Sicherheitslage in jenen Provinzen bildet dieser Anteil einen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Anzahl der zivilen Opfer in Logar. Hervorzuheben ist, dass dieser Berechnung, deren Ergebnis die tatsächliche Situation nur annähernd im Sinne einer Eingrenzung wiedergibt, die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise zugrunde liegt. Denn dabei wird unterstellt, dass sich die Zahl der zivilen Opfer ausschließlich auf 14 Provinzen Afghanistans verteilt, in denen lediglich gut 1/4 der Gesamtbevölkerung beheimatet ist. Dass der Anteil ziviler Opfer für Logar mit 4,3 % tatsächlich zu hoch liegen dürfte, ergibt sich daneben aus der Verteilung der von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen verursachten Vorfälle. Diese ist zwar nicht deckungsgleich mit der Verteilung der zivilen Opfer. Wegen der jedenfalls in Teilbereichen bestehenden Korrelation lässt sie aber zumindest gewisse Rückschlüsse darauf zu. Den Ermittlungen von ANSO zufolge haben sich im jeweils ersten Quartal der Jahre 2011, 2012 und 2013 in ganz Afghanistan 6.886 Vorfälle dieser Art ereignet. Davon entfallen nur 58 Vorfälle und damit ein die angenommene Opferquote von 4,3 % deutlich unterschreitender Bruchteil von 0,84 % auf die Provinz Logar. Andererseits ist dieser Aufstellung zu entnehmen, dass diejenigen Provinzen, die dem aktuellsten Update-Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe für Afghanistan zufolge am meisten umkämpft waren, nämlich Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni durchgehend die höchste Vorfallsdichte aufgewiesen haben.
164Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2013, S. 10.
165Daran wird deutlich, dass der ermittelte Anteil von 4,3 % den tatsächlichen Gefährdungsquotienten zwar nur annäherungsweise wiederspiegeln mag, jedoch angesichts der zugunsten des Klägers einbezogenen Sicherheitsüberlegungen zumindest nicht darüber hinausgeht.
166Bezogen auf die von UNAMA für den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 ermittelte Gesamtzahl von 42.024 Toten und Verletzten zivilen Opfer ergibt sich für Logar - bei Annahme dieses Anteils - die Zahl von 1.807 getöteten und verwundeten Zivilisten. Selbst wenn man diese Zahl zur angemessenen Berücksichtigung der insoweit hohen Dunkelziffer mit drei multipliziert,
167so Auskunft Dr. Mostafa Danesch an den Hess. VGH vom 3. September 2013, S. 11,
168ergibt sich daraus, in Bezug zur Einwohnerzahl von Logar (379.400) gesetzt, für einen Zeitraum von einem Jahr lediglich eine Opferquote von 0,26 % (1807: 5,5 Jahre x 3 x 100 : 379.400) bzw. von 0,33 % (4853 x 2 = 9706; davon 4,3 % entspricht 417; 417 x 3 x 100 : 379.400), wenn man isoliert die Opferzahlen für Afghanistan aus dem Jahr 2014 hochrechnet.
169Vgl. dazu Hess.VGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - 8 A 119/12.A -, juris, Rn. 40, 43 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 -, juris, wo für die Berechnungen im Ausgangspunkt ebenfalls von einem Jahreszeitraum ausgegangen wird.
170Beides sind bereits für sich genommen zu geringe Werte, um für den Kläger, bei dem keine gefahrerhöhenden persönlichen Merkmale vorliegen, ausnahmsweise die Individualisierung einer allgemeinen konfliktbedingten Gefahr annehmen zu können. Hinzu kommt, dass dieser Prozentsatz - neben den bereits genannten Aspekten - noch aus anderen Gründen nach unten zu korrigieren ist. Die von UNAMA ermittelte Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Das liegt für den von UNAMA mit 9 % ermittelten Anteil gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Organisationen nahe. Hinzu kommen dürfte ein nicht näher quantifizierbarer Anteil der durch Selbstmordattentate, komplexe Angriffe und provisorische Sprengsätze hervorgerufenen Opfer, die im Zeitraum von Januar bis Juni 2014 insgesamt einen Anteil von 42 % ausgemacht haben.
171Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
172Dies hängt damit zusammen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach - bedingt durch die strategische Auswahl der Anschlagsziele - bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. die Mitarbeiter staatlicher Organisationen, in besonderer Weise betroffen waren. Dass die deswegen vorzunehmende Korrektur auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht exakt bezifferbar ist, ist angesichts des Umstandes, dass der ermittelte Gefährdungswert schon als solcher nicht ausreicht, um eine individuelle Bedrohung zu begründen, nicht entscheidend.
173Dieser Bewertung stehen auch nicht bereits gegenwärtig absehbare zukünftige Entwicklungen entgegen. Der Umstand, dass die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2013 und in der ersten Hälfte des Jahres 2014 im Vergleich zum Jahr 2012 gestiegen ist, ist angesichts der Kürze dieses Zeitraums und vergleichbar hoher Opferzahlen im Jahr 2011 (noch) kein aussagekräftiges Indiz für eine Fortentwicklung des Anstiegs der Opferzahlen. Ebenso wenig kann diese Prognose anhand der diesem Anstieg zugrunde liegenden Ursachen getroffen werden. Diese liegen einerseits in der vermehrten Nutzung provisorischer Brand- und Sprengvorrichtungen (sogenannte IEDs) und ergeben sich andererseits daraus, dass eine größere Zahl von Zivilsten den Folgen von Bodengefechten zum Opfer gefallen ist. Insgesamt sind auf diese beiden Ursachen nach den Feststellungen von UNAMA im Zeitraum von Januar 2014 bis Juni 2014 69 % der zivilen Opfer zurückzuführen.
174Vgl. UNAMA, Afghanistan Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
175In diesem Zusammenhang hat UNAMA darauf hingewiesen, dass der Anstieg
176der zivilen Opfer durch Kreuzfeuer und Bodengefechte einer veränderten Dynamik des Konflikts geschuldet sei, in dem nun Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Afghan National Security Forces (ANSF) vermehrt in Wohngebieten stattfänden. Als Ursache hierfür vermutet UNAMA die Schließung von 86 ISAF-Militärstützpunkten in der zweiten Hälfte des Jahres 2013. Für die erste Jahreshälfte 2014 ergebe sich daraus ein direkter Zusammenhang zum Anstieg der zivilen Opfer, insbesondere zu solchen, die bei Bodengefechten zu Schaden gekommen seien. In der Vergangenheit hätte die Präsenz der ISAF-Truppen regierungsfeindliche Gruppierungen häufig davon abgehalten, in dichter besiedelte Gebiete vorzudringen. Dieser Zusammenhang ist zwar plausibel, er erlaubt aber keine auch nur annähernd zuverlässige Prognose dahin, wie sich die Zahl der zivilen Opfer zukünftig nach Beendigung des ISAF-Einsatzes Ende des Jahres 2014 entwickeln wird. Insbesondere besteht gegenwärtig keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Prognose, dass die Anzahl der zivilen Opfer in der hier maßgebenden Region in einem Umfang ansteigen könnte, der - unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen - für jede Zivilperson zu einer Individualisierung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahrenlage führen würde. Zwar ist mit dem Ende des ISAF-Einsatzes die Gefahr des Erstarkens regierungsfeindlicher extremistischer Gruppierungen und einer damit einhergehenden Ausweitung der Kampfhandlungen verbunden. Es ist aber weder sicher noch überwiegend wahrscheinlich, sondern offen, ob und vor allem in welcher Form und in welchem Umfang sich diese Gefahr realisieren wird. Das gilt insbesondere angesichts der zugesagten Finanzierungshilfen zur Unterstützung der Funktionsfähigkeit der ANSF und der ins Auge gefassten ISAF-Folgemission „Resolute Support Mission“ mit einem personellen Gesamtumfang von 8.000 bis 12.000 Soldaten, deren Aufgabe schwerpunktmäßig in der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der ANSF liegen soll.
177Vgl. dazu im Einzelnen: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 18 f.
178Ein sprunghafter Anstieg der Opferzahlen aufgrund des gesteigerten Einsatzes von improvisierten Spreng- und Brandvorrichtungen ist derzeit ebenfalls nicht absehbar. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zudem, dass von Anschlägen dieser Art in besonderem Maße die südlichen und südöstlichen Provinzen Afghanistans betroffen waren und weniger die Region, der der Kläger entstammt.
179Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 14.
180Hinzu kommt, dass der Anstieg der zivilen Opfer zuletzt auch auf eine vermehrte Betroffenheit von Frauen und Kindern - und damit einer Risikogruppe, der der Kläger nicht angehört - zurückgeht.
181Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 3; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
182Daneben geben weder die medizinische Versorgungslage in Logar noch Binnenflüchtlingsbewegungen Veranlassung zu einer anderen Bewertung. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich in den letzten zehn Jahren, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Lebenserwartung in Afghanistan um 18 Jahre angestiegen. Defizite in der medizinischen Versorgung ergeben sich trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin aus der unzureichenden Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber dem Mangel an Ärzten und gut qualifiziertem Personal (insbesondere Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine Person qualifizierten medizinischen Personals gegenüber. Die regionalen Unterschiede sind auch hier erheblich, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen.
183Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.; umfassend zu den Entwicklungen des Gesundheitssystems: National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 83 ff.
184Diese Mängel sind - ohne die sich daraus ergebenden Folgeprobleme bagatellisieren zu wollen - schwerwiegend; sie erreichen aber gerade unter Berücksichtigung der im letzten Jahrzehnt kontinuierlich stattgefundenen Verbesserung der Gesundheitsversorgung nicht den Grad an Brisanz, der erforderlich wäre, um die getroffene Gefährdungsprognose in Frage zu stellen.
185Das gilt auch mit Bezug auf die Situation in der Provinz Logar, in der die gesundheitliche Grundversorgung gewährleistet ist. Im Jahr 2011 gab es dort 43 Gesundheitseinrichtungen, darunter sechs mobile Kliniken, 25 Grundversorgungszentren, zwei Bezirkskrankenhäuser und ein Provinzkrankenhaus mit 150 Betten. Die Gesundheitsversorgung wird durch vom afghanischen Gesundheitsministerium angestellte Ärzte und Krankenschwestern sichergestellt. Deren - jeweils erheblich gestiegene - Zahl lag im Jahr 2011 bei 57 Ärzten und 127 Krankenschwestern. Daneben gibt es in Logar 199 Apotheken.
186Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, 1.2 Current state of Development in the Province E. Health; einige der mobile Gesundheitsstationen sind von der Bundesregierung finanziert worden, Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
187Angesichts dessen bestehen keine Anzeichen dafür, dass die medizinische Versorgung in Logar hinter dem landesweiten Durchschnitt zurückbleibt.
188Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse bieten desweiteren keinen Ansatz für eine hervorzuhebende Anzahl von Binnenflüchtlingen aus Logar, die erheblich von den die dortige Sicherheitslage prägenden Faktoren abweicht und deswegen Hinweis auf eine besonders exponierte Gefahrenlage sein könnte. Der landesweite Anstieg der konfliktbedingt Binnenvertriebenen im Zeitraum von Ende 2012 bis Ende Juni 2013 von 486.000 auf 574.327 kann zwar allgemein als Ausdruck einer Verschärfung des Konflikts bezogen auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans angesehen werden.
189Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 22; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 30 f.
190Daraus lässt sich aber weder etwas über die regionale Verteilung der Flüchtlingsströme herleiten noch über die fluchtauslösenden Ursachen, die bei Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vielfältiger Natur - etwa religiöser Art sein können und nicht zwingend damit in Zusammenhang stehen müssen. Die Dimension des Anstiegs der landesweit Binnenvertriebenen erreicht auch für sich genommen keinen Grad, der es rechtfertigt, für die Provinz Logar von einer besonders exponierten Gefahrenlage auszugehen. Relativierend ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird und zudem - zeitweise umfangreiche - gegenläufige Migrationsbewegungen stattfinden. Trotz schlechter wirtschaftlicher Perspektiven sind allein im Jahr 2012 98.609 Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt.
191Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 21 f.
192Die vorliegenden Erkenntnisse zur Sicherheitslage in Logar sind aktuell. Sie beruhen auf zuverlässigen Quellen und beinhalten hinreichende Informationen zur Beurteilung der verfahrensrelevanten Gesichtspunkte. Der Senat lehnt deswegen die auf Einholung bzw. Beiziehung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch gerichteten Hilfsbeweisanträge des Klägers (Ziffern 7, 8, 13) ab. Sollte der Kläger mit dem Antrag unter Ziffer 8 - was daraus bereits nicht hinreichend deutlich hervorgeht - darüber hinaus unter Beweis gestellt haben wollen, dass die Taliban in der Lage sind, in Kabul Mordaktionen durchzuführen, kann dies als wahr unterstellt werden, so dass auch diesem Antrag nicht nachgegangen werden muss.
193Soweit der Kläger hinsichtlich der Hilfsbeweisanträge zu Ziffern 7, 8 und 13 gleichzeitig die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. Mostafa Danesch beantragt hat, ist dieser Antrag bereits deswegen abzulehnen , weil er unsubstantiiert ist. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zur Binnenflüchtlingssituation in Afghanistan und zur Sicherheitslage in Logar gemacht hat. Dass er als Einzelperson eigene Wahrnehmungen, in dem durch das Beweisthema vorgegebenen Umfang gemacht haben soll, erscheint abgesehen davon auch ausgeschlossen.
194Der Beweisantrag unter Ziffer 14 wird ebenfalls abgelehnt. Die darin unter Beweis gestellte Tatsache kann in dieser Undifferenziertheit als wahr unterstellt werden, ohne dass sich dadurch etwas an der Bewertung ändert, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Logar nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder seiner Unversehrtheit droht. Die Feststellung, dass 40 % der Bevölkerung in Afghanistan aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen schwer traumatisiert ist, ist für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG zu treffende Gefahrenprognose nicht entscheidend. Sie besagt für sich genommen nichts darüber, wie sich die Situation in der insoweit maßgebenden Heimatprovinz des Klägers darstellt. Insbesondere fehlt ihr aber jegliche Aussagekraft dazu, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Traumata ausgelöst worden sind. Angesichts der bereits jahrzehntelang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan lässt die Annahme, dass dadurch 40 % der Bevölkerung traumatisiert worden sind, nicht den Rückschluss zu, dass die aktuelle Gewaltsituation, die für die Gefährdungsprognose vorrangig in den Blick zu nehmen ist, für diese Traumatisierungsquote ursächlich ist. Angesichts dessen hat der Senat auch erhebliche Zweifel, ob die Traumatisierungsdichte in der Bevölkerung hierfür ein eigenständiges und taugliches Kriterium sein kann. Als Ausdruck einer langjährigen Entwicklung mag daraus für Vergangenheit etwas abzuleiten sein. Die gegenwärtige Gefährdungssituation lässt sich anhand dieses Kriteriums indes nicht zuverlässig abbilden. Das gilt auch deswegen, weil der Anteil traumatisierter Menschen - anders als bei den übrigen Bewertungsparametern - keinem ständigen Wechsel unterliegt, anhand dessen sich aktuelle Entwicklungen genau ablesen lassen. Problematisch erscheint außerdem, dass mit der Zugrundelegung bestimmter Traumatisierungsquoten eine Nivellierung unterschiedlicher Risikoprofile einhergeht. So dürfte etwa das Risiko von Frauen, in Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen Opfer sexuell motivierter Gewalt zu werden und infolgedessen ein Trauma zu erleiden, höher sein als das von Männern. Mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Einzelne bei Rückkehr in sein Heimatland befürchten muss, künftig seelisch verletzt zu werden, lässt sich deswegen zuverlässiger anhand der übrigen, die objektiven Gefährdungslage bestimmenden Faktoren abschätzen.
195(b) Subsidiären Schutz kann der Kläger auch nicht auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG beanspruchen, der Art. 15 lit. b) QRL II entspricht, und wonach ein ernsthafter Schaden auch dann droht, wenn die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung droht. Der Wortlaut der Vorschrift ist an Art. 3 EMRK angelehnt. Die Rechtsprechung des EGMR zu diesem Konventionsgrundrecht ist daher bei der Auslegung dieser Bestimmung zu berücksichtigen.
196Vgl. noch zu § 60 Abs. 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 22.
197Im Fall des Klägers bestehen mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit der Schilderungen zu seinem Verfolgungsschicksal keine stichhaltigen Gründe dafür, dass ihm in Afghanistan Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR droht.
198Dass der Kläger ungeachtet des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals in Afghanistan in erheblicher Weise Gefahr läuft, zwangsrekrutiert zu werden, ist aus den vorstehenden Gründen, auf die insoweit verwiesen wird, ebenfalls nicht ersichtlich.
199Soweit unzureichende Lebensbedingungen, eine mangelhafte medizinische Versorgung oder eine allgemeine Gewaltsituation wie Bürgerkriegslagen, innere Unruhen und bewaffnete Konflikte im Heimatland des Ausländers einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG begründen können, gilt dies nur unter exzeptionellen Umständen. Nach der Rechtsprechung des EGMR erstreckt sich der Schutz nach Art. 3 EMRK nicht auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen. Andererseits erfordert die grundlegende Bedeutung dieses Konventionsgrundrechts seiner Auffassung nach eine gewisse Flexibilität. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind.
200Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 25.
201Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts ist dies bezogen auf die allgemeine Lage in Afghanistan nicht der Fall.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 23 ff., EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09 (Husseini) -, juris, Rn. 84.
203Der Senat sieht - auch auf der Grundlage seiner eigenen tatrichterlichen Feststellungen - keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
204(c) Ebenso wenig steht § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG, durch den Art. 15 lit. a) QRL II gleichlautend umgesetzt worden ist, einer Abschiebung des Klägers entgegen. Danach ist einem Ausländer subsidiärer Schutz zu gewähren, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wegen der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht. Hierfür ist nach dem Vorbringen des Klägers nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche Gefahr nicht aus möglichen Vergeltungsschlägen der Taliban anlässlich des mutmaßlichen Verrats durch den Kläger. Denn insoweit ist sein Vorbringen, wie oben ausgeführt, bereits unglaubhaft. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG nur die staatliche Todesstrafe erfasst oder darüber hinaus auch die durch nichtstaatliche Gruppierungen verhängte Todesstrafe, kann daher offen bleiben.
205(d) Unabhängig davon, dass bereits die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG nicht erfüllt sind, schließt Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG einen Anspruch des Klägers auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter aus. Hierbei handelt es sich um die - früher in § 60 Abs. 11 AufenthG a.F. enthaltene - Umsetzung des Art. 8 QRL I bzw. jetzt Art. 8 QRL II. Nach § 3e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind nach Absatz 2 die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL II zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf der Grundlage genauer und aktueller Informationen aus relevanten Quellen zu berücksichtigen.
206Die Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, hat das Bundesverwaltungsgericht dahin präzisiert, dass dieser Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinausgehe.
207Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, juris, Rn. 35, und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 20.
208Dem schließt sich der Senat an,
209Vgl. ebenso Hess.VGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 91; VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
210und sieht angesichts dessen von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV hinsichtlich der Frage zu den für eine interne Schutzalternative im Sinne des Art. 8 QRL I bzw. QRL II zugrunde zu legenden Anforderungen ab, zumal keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht.
211Nach den vorstehend genannten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz.
212Vgl. VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
213Gemessen daran kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden.
214Das gilt mit Blick auf die dortige Sicherheits- und Versorgungslage gleichermaßen. Eine Zusammenschau der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lässt diese Bewertung zu. Das gilt ungeachtet dessen, dass es für Teilaspekte der Tatsachengrundlage, auf der sie basiert, keine statistischen Erhebungen gibt.
215Vgl. zum Fehlen genauer Zahlen für Kabul, Auskunft Dr. Danesch an den Hess.VGH vom 8. Januar 2014; Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Hess.VGH vom 2. Juli 2014.
216Die vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, dass die Sicherheitslage in Kabul im gesamtafghanischen Vergleich relativ stabil ist. In der Hauptstadt leben Schätzungen der Central Statistics Organization im statistischen Jahrbuch 2013/2014 zufolge 3.435.000 Menschen.
217Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
218abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
219Andere Quellen gehen sogar von 4,5 Millionen Einwohnern aus.
220Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 408.
221In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung ist die Bedrohungslage in Kabul seit Juli 2011 unter Zugrundelegung der Kriterien der NATO,
222vgl. zu diesen Kriterien: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Dezember 2010, S. 12,
223- mit Ausnahme eines vergleichsweise geringen Gebietsanteils in der Westprovinz, in dem sie zeitweise als „erheblich“ eingestuft worden ist - als „mittel“ bewertet.
224Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Afghanistan Juli 2011, S. 7, Dezember 2011, S.16, Juni 2012, S. 8, November 2012, S. 10, Januar 2014, S. 9 und Juni 2014, S. 17.
225Hiermit korrespondierend wird die Sicherheitslage in Kabul trotz einiger medienwirksamer Anschläge und häufiger Hinweise auf Anschlagsplanungen als „überwiegend kontrollierbar“ eingeschätzt, wobei darunter eine Situation verstanden wird, in der bestehende Bedrohungen eine nur geringe Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen. Dies kann eine räumlich und zeitlich eng begrenzte Verschlechterung der Sicherheitslage einschließen. Ferner ist diese Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen nicht nachhaltig in Frage steht.
226Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 16, 28.
227Diese Einschätzung der Sicherheitslage steht in Einklang mit der Anzahl der für Kabul dokumentierten Vorfälle, die durch bewaffnete oppositionelle Gruppierungen veranlasst wurden. Nach den Feststellungen von ANSO hat es in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012, 2013 in Kabul insgesamt 36 derartige Vorfälle gegeben. Bei 6.886 für diese Zeiträume für das gesamte Staatsgebiet von Afghanistan registrierten Vorfällen entspricht das einem Anteil von 0,52 %. Die Bundesregierung hat unabhängig davon im Jahr 2011 eine entsprechend geringe Quote sicherheitsrelevanter Zwischenfälle von ebenfalls 0,5 % für Kabul festgestellt.
228Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Juli 2011, S. 6.
229Besonderes Gewicht gewinnt dies in Relation dazu betrachtet, dass in der Hauptstadt Kabul rund 10 % der Gesamtbevölkerung Afghanistans leben. Soweit die dortige Sicherheitslage in dem aktuellsten Bericht von ANSO im Gegensatz zu Vorberichten als „Deteriorating“ eingestuft worden ist, kann dies nicht als Anknüpfungspunkt dafür genommen werden, dass sich die Situation dort allmählich zuspitzen würde. Einerseits handelt es sich dabei um die zweitniedrigste von fünf Gefährdungsstufen, andererseits ist diese Bewertung offenbar dem Umstand geschuldet, dass für das erste Quartal 2012 lediglich zwei Vorfälle dokumentiert sind, für das erste Quartal 2013 hingegen zwölf und hieraus eine 500 %ige Steigerung resultiert, die angesichts der vergleichsweise geringen Ausgangsbasis und vor dem Hintergrund, dass für das vorangegangene, bei dem prozentualen Vergleich nicht betrachtete erste Quartal 2011 22 Vorfälle verzeichnet worden sind, wenig Aussagekraft hat.
230Auch aktuellste Erkenntnisse sprechen nicht für eine grundlegende Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul. Der am 24. Juli 2014 aktualisierte Bericht der Organisation ACCORD,
231vgl. ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm,
232enthält hierzu unter Bezugnahme auf unterschiedliche Quellen folgende Informationen: In Kabul hätten sich eine Reihe von Selbstmordanschlägen ereignet, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigten. Abgesehen von Selbstmordanschlägen und einer steigenden Kriminalitätsrate sei Kabul allerdings sicherer und mehr unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die Taliban-Zellen agierten dort weiterhin, wobei ihre Netzwerke anscheinend immer stärker würden. Abgesehen von sporadischen Raketenangriffen auf die Hauptstadt liege ihr Fokus auf Angriffen, die möglichst nah am Zentrum der Macht verübt werden sollten. Die Taliban bevorzugten daher sporadische, öffentlichkeitswirksame Angriffe, sogenannte „highprofile attacks“, durch die ein Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen werden solle.
233In dem aktuellsten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist dies dahin präzisiert, dass sich die Angriffe der Taliban primär gegen Personen mit einem „hohen Profil“ wie Dolmetscher, Auftragnehmer und Lieferanten des Militärs und hochrangige Regierungsbeamte richteten. Bedingt dadurch komme es in Kabul häufiger zu gezielten Tötungen als in vollständig von den Taliban kontrollierten Gebieten. Für bekannte Personen bestehe dort ein größeres Risiko, angegriffen zu werden als in anderen Städten. Ziel der Taliban sei nicht die physische Kontrolle über Kabul; im Fokus stehe vielmehr die Ausübung psychologischen Einflusses.
234Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul, vom 22. Juli 2014, S. 5 ff.
235Nach den Feststellungen von ACCORD scheint es, als seien die Taliban demgegenüber nicht daran interessiert, relativ machtlose Personen zu verletzen. Ihre Taktik sei vielmehr zu zeigen, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den „Stahlring“ der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden könnten. Dies ziele anscheinend darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher „Geldgeber“ zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten. Es sei eine Zunahme großer Angriffe in der afghanischen Hauptstadt prognostiziert worden. Gleichwohl seien sich - einem Bericht des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrums Landinfo aus Januar 2014 zufolge - verschiedene Quellen bei Gesprächen in Kabul im Oktober 2013 einig gewesen, dass die Regierung, die afghanische Nationalarmee und die afghanische Nationalpolizei die Lage in Kabul relativ gut unter Kontrolle hätten. Entwicklungen, auf Basis derer die Situation in Kabul als instabil bezeichnet werden könnte, seien nicht erkennbar. Sie sei allerdings hinsichtlich des Risikos konfliktbezogener, gewalttätiger Vorfälle durch Unvorhersehbarkeit geprägt.
236Soweit sich danach bei einer aktuell als stabil eingeschätzten Sicherheitslage in Kabul die besorgniserregende Entwicklung eines Erstarkens der Taliban abzuzeichnen scheint, ist einerseits zu sehen, dass die Aussagekraft dieser Prognose durch die tatsächliche Entwicklung bestimmt wird, in deren Licht sie zu sehen ist. Andererseits ist von Bedeutung, dass nicht die erhöhte mediale Aufmerksamkeit, die einzelnen Anschlägen zu Teil wird, das ausschlaggebende Kriterium für die Bewertung der Sicherheitslage in Kabul ist. Vielmehr ist dies in erster Linie die Wahrscheinlichkeit, die für eine Zivilpersonen besteht, einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen. Das gilt jedenfalls dann, wenn deren Sicherheit - wie derzeit in Kabul - durch einzelne gezielte Anschläge und nicht durch flächendeckendere und vielgestaltigere Destabilisierungsmaßnahmen gefährdet ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch die Exponiertheit des Anschlagsziels nur insoweit mitbestimmt, als dort üblicherweise auch Zivilisten anzutreffen sind und richtet sich - den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zufolge - maßgebend nach dem Verhältnis von Einwohnerzahl und zivilen Opfern.
237Sie ist auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse für Kabul zu geringfügig, um auch jenseits einer Extremgefahr annehmen zu können, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, sich dort niederzulassen. Für den Zeitraum zwischen 2007 und 2013 sind von der NGO iMMAP Sicherheitsvorfälle in der Provinz Kabul dokumentiert, bei denen über 1.200 afghanische Zivilisten getötet oder verletzt wurden.
238Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul; vom 22. Juli 2014, S. 7 unter Hinweis auf den Bericht von iMMAP vom 16. April 2014.
239Das entspricht bezogen auf einen Jahreszeitraum rund 200 zivilen Opfern provinzweit. Anhand dessen und der Ergebnisse des zitierten Berichts von ACCORD, in dem die sicherheitsrelevanten Ereignisse, die sich zwischen Januar 2013 und Juli 2014 in Kabul ereignet haben, insbesondere auf der Grundlage der Artikel von Radio Free Europe/Radio Liberty, BBC und Agence France Press chronologisch aufgeführt sind, lässt sich der Umfang, in dem die Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit Anschlägen in Kabul Schaden genommen hat, jedenfalls für die hier zu treffende Zumutbarkeitsprognose hinreichend genau abschätzen.
240Für das erste Quartal 2013 sind sieben - zum Teil vereitelte - Anschläge dokumentiert, bei denen insgesamt 34 Zivilisten und weitere 38 Personen verletzt und - abgesehen von mehreren getöteten Wachleuten, Polizisten und Soldaten - neun Personen getötet wurden. Angriffsziele waren u.a. das Gebäude des afghanischen Geheimdienstes, die Zentrale der Verkehrspolizei und das afghanische Verteidigungsministerium.
241Für das zweite Quartal sind acht Angriffe, u.a. auf den Kabuler Flughafen und den Obersten Gerichtshof, mit insgesamt rund 46 Todesopfern - darunter drei Sicherheitsleute und zwei US-Soldaten - und 59 Verletzten zuzüglich mehrerer Dutzend Verletzter bei einem am 16. Mai 2013 von der Hezb-e-Islami verübten Anschlag genannt, wobei aus dem Bericht nicht hervorgeht, dass diese Zahlen nur Zivilpersonen einschließen.
242Im dritten Quartal 2013 waren drei - überwiegend durch die Taliban verübte -Anschläge zu verzeichnen. Dabei kamen mindestens sieben Personen zu Tode, weitere drei Zivilisten wurden verletzt.
243Für das vierte Quartal 2013 sind neun Angriffe, darunter ein mittels Raketen bzw. Granaten verübter Anschlag auf die amerikanische Botschaft, aufgeführt, bei denen sieben Zivilisten und 13 weitere Personen - darunter drei Soldaten - getötet und sechs Zivilisten, weitere 23 Personen und mehrere Soldaten und Polizisten verletzt worden sein sollen.
244Für das erste Quartal 2014 sind zwölf Anschläge dokumentiert, die bereits zum Teil in Zusammenhang mit den am 5. April 2014 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen gebracht werden können. 46 Personen wurden getötet - wobei unklar ist, in welchem Umfang es sich dabei um Zivilpersonen gehandelt hat. Es wurden 58 Personen, zwei Polizisten und vier Wachmänner verletzt.
245Im zweiten Quartal 2014 - vermutlich im Zusammenhang mit den Stichwahlen am 14. Juni 2014 - kam es vor allem zu gezielten Angriffen, u.a. auf den Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah und ein weibliches Parlamentsmitglied. Außerdem ereigneten sich am Morgen der Wahl einige Raketenangriffe, u.a. in der Nähe des Kabuler Flughafens, bei denen niemand zu Schaden gekommen sein soll. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass im zweiten Quartal siebzehn Personen - darunter sechs Polizisten und ein Soldat - getötet und 25 Personen - zuzüglich „mehrerer“ weiterer Personen bei dem Anschlag am 21. Juni 2014 - verletzt worden sind. Im Juli 2014 kam es erneut zu Angriffen auf den Kabuler Flughafen, bei denen jeweils niemand getötet oder verletzt wurde. Insgesamt waren im Juli 2014 vier Tote und mehr als 15 Verletzte zu verzeichnen.
246Aus der Zusammenschau dieser Vorfälle geht zwar hervor, dass die Taliban und vergleichbare extremistische Gruppierungen weiterhin in der Lage sind, in den Hochsicherheitszonen Kabuls komplexe Anschläge durchzuführen,
247vgl. ebenso: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 11,
248ihr Erstarken lässt sich indes nicht daran ablesen. Das ergibt sich aus dem Vergleich mit der von ANSO für Kabul registrierten Anschlagsdichte in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012 und 2013, die bei durchschnittlich 12 Anschlägen pro Quartal lag. Der Umstand, dass der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch in seinem Gutachten an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 im Wesentlichen die gleichen Vorfälle benennt, spricht dafür, dass die Aufstellung von ACCORD überwiegend vollständig ist. Nach den Ergebnissen dieser Aufstellung sind von den - zumindest - rund 3,4 Millionen Einwohnern Kabuls in den vergangenen anderthalb Jahren ungefähr 400 Zivilpersonen durch Anschläge zu Schaden gekommen. Dabei erscheinen diese Zahlen angesichts der Feststellung von ANSO, dass auf Kabul nur rund 0,5 % der registrierten Anschläge entfallen, bei 42.024 von UNAMA für den gesamten Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 dokumentierten zivilen Opfern eher zu hoch.
249Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich gerade in Kabul aufgrund der dort vermehrt eingesetzten Taktik von „high profile attacks“ unter den Opfern eine Vielzahl von Personen mit - insbesondere berufsbedingt - gefahrerhöhenden Umständen finden dürfte. Aber selbst dann, wenn man im Ausgangspunkt eine Zahl von rund 267 zivilen Opfern im Jahr (2/3 von 400 in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Juli 2014) zugrundelegt und diese zum Ausgleich statistischer Ungenauigkeiten bzw. Unvollständigkeiten und zur angemessenen Berücksichtigung von Dunkelziffern aus Sicherheitsgründen mit drei multipliziert ergibt sich eine nur 0,023 %ige (267 x 3 x 100 : 3.435.000) und damit im Promillebereich liegende Wahrscheinlichkeit, in Kabul als Zivilperson Opfer eines Anschlages zu werden. Diese ist zu gering, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass es dem Kläger nicht zumutbar wäre, sich in Kabul niederzulassen. Dabei ist dem Senat klar, dass dieser Anteil den tatsächlichen Gefährdungsquotienten nicht exakt abbildet. Er ist aber insoweit aussagekräftig, als, soweit der Berechnung fiktionale Faktoren zugrunde liegen, jeweils die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise gewählt worden ist.
250Auch mit Blick auf die humanitäre Lage kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden, wenngleich diese in wesentlichen Teilbereichen nach wie vor stark defizitär ist. Die Hauptursachen dafür sind Wohnraumknappheit, eine nur begrenzt funktionsfähige Trinkwasserversorgung, der Anstieg der Lebenshaltungskosten und eine problematische Arbeitsmarktsituation.
251Die Wohnraumsituation ist von steigenden Immobilienpreisen, demographischem Druck und einer allgemeinen „Knappheit an Wohnraum in gutem Zustand“ geprägt. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat sich daher in Kabul zu einem der gravierendsten sozialen Probleme entwickelt. Geschätzte 70 % der Bevölkerung leben innerhalb Kabuls bzw. in der Umgebung in sogenannten informellen Siedlungen. Darunter findet sich ein Großteil ehemaliger Kriegsflüchtlinge, die aus Pakistan und dem Iran zurückgekehrt sind, sowie Binnen- und Wirtschaftsflüchtlinge aus anderen Provinzen Afghanistans. Bei diesen Siedlungen handelt es sich um prekäre Unterkünfte wie Lehmhütten, Zelte oder alte beschädigte Gebäude. Das Leben dort ist häufig von schlechten hygienischen Verhältnissen und Trinkwassermangel gekennzeichnet. Die Bewohner dieser Siedlungen erhalten keine staatliche Unterstützung.
252Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
253Nach dem zuletzt zitierten Bericht sind die Lebenshaltungskosten in Kabul in den vergangenen Jahren um 30 % bis 50 % gestiegen. In der gesamten Provinz Kabul leben laut Weltbank und afghanischem Wirtschaftsministerium 23,1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
254Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
255Insofern stellt sich die Situation dort verglichen mit dem gesamtafghanischen Durchschnitt (36 %) etwas günstiger dar. Ähnliches gilt für grundlegende Infrastruktureinrichtungen.
256Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2013, S. 19.
257Über die genaue Arbeitslosenquote in Kabul liegen keine Erkenntnisse vor. Aufgrund der strukturellen Prägung des dortigen Arbeitsmarkts dürften hierüber auch keine zuverlässigen Erhebungen zu erreichen sein, weshalb der Senat von weiteren Ermittlungen hierzu absieht. Grundsätzlich ist es so, dass urbane Gebiete wie Kabul im Vergleich zum ländlichen Raum von einer niedrigeren Partizipation am Arbeitsmarkt und höherer Arbeitslosigkeit geprägt sind, da in der Stadt, anders als in der Landwirtschaft, die Teilnahme von Frauen, Jugendlichen und älteren Personen an Erwerbstätigkeiten geringer ausfällt. Mit rund 80 % machen in urbanen Gebieten selbstständige Beschäftigungsformen - wobei hierunter dem Einzelhandel die wichtigste Rolle zufällt - den weitaus größten Teil der Erwerbsaktivitäten aus.
258Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 409 ff.
259Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation zwischenzeitlich durchgreifend verändert hat. Insbesondere bei einer dramatischen Verschlechterung der Situation für erhebliche Teile der Bevölkerung wäre davon auszugehen, dass dies durch die hierzu berufenen Stellen dokumentiert wäre. Zwar wird in den aktuellsten Berichten auf Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der demographischen Entwicklung, dem gegenwärtig zu verzeichnenden Einbruch des Wirtschaftswachstums und infrastrukturellen Defiziten in Teilbereichen ergeben.
260Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 19; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
261Andererseits weist die Bundesregierung in ihrem aktuellsten Bericht auf die deutlichen Fortschritte beim Wiederaufbau des Landes, etwa die Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts und allgemeine Verbesserungen der Versorgungslage, der Schaffung einer Infrastruktur und rechtsstaatlicher Strukturen hin, ohne Kabul von dieser Entwicklung auszunehmen. Aus dem Bericht geht im Übrigen hervor, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird. Speziell im Bereich Kabul plant bzw. unterstützt die Bundesregierung Projekte im Zusammenhang mit der Abwasserentsorgung und der Wiederherstellung bzw. des Neubaus des Wasserversorgungssystems.
262Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
263Dass sich die humanitäre Situation in Kabul zuletzt verschlechtert hat, geht auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 hervor. Dies enthält nur ausschnittsweise Feststellungen zur humanitären Lage in Kabul, nämlich zu den Lebensumständen in den dortigen Flüchtlingslagern, in denen seinen Feststellungen zufolge 35.000 Menschen leben. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die desolaten Verhältnisse, die dort herrschen, repräsentativ für das gesamte Stadtgebiet von Kabul sind.
264Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die humanitäre Lage in Kabul weiterhin äußerst schwierig ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen stark voneinander abweicht. Jedenfalls für den Kläger als gesunden, arbeitsfähigen, alleinstehenden Mann besteht es allenfalls in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können.
265Der Kläger trägt keine Unterhaltslasten, muss nur für sich selbst sorgen und ist im Ausgangspunkt schon deswegen einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt.
266Die Beziehung zwischen Haushaltsgröße und Armutsrisiko ist für Afghanistan statistisch belegt. Danach steigt das Armutsrisiko ab einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und liegt bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 %. Für eine alleinstehende Person bewegt es sich demgegenüber nur im Bereich zwischen 10 % und 15 %.
267Vgl. Summary of the national risk and vulnerability assessment, 2007/8, A profile of Afghanistan, Main Report, S. 59.
268Hinzu kommt, dass der Kläger über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Afghanistan nicht selbstverständlich sind und es ihm dort erleichtern dürften, eine Erwerbsgrundlage zu finden. Er hat eine abgeschlossene Schulausbildung und kann - anders als 70 % aller Afghanen - lesen und schreiben. Der Kläger spricht dari, paschtu, urdu, persisch und etwas deutsch. Dass die in Deutschland gemachten Erfahrungen und erworbenen Sprachkenntnisse seine Erwerbsperspektive in seiner Heimat begünstigen, ist wahrscheinlich. Außerdem ist aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Landwirt davon auszugehen, dass er über Kenntnisse und Fertigkeiten im Zusammenhang mit dem Anbau und der selbstständigen Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte verfügt. Vor dem Hintergrund, dass der selbstständige Einzelhandel als Erwerbssektor in Kabul eine bedeutende Rolle spielt, spricht Vieles dafür, dass der Kläger eine Erwerbstätigkeit in diesem Bereich finden und an seine früheren Erfahrungen anknüpfen können wird.
269Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
270(2) Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
271Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 (330), sowie Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402. 240 § 53 AuslG Nr. 46, und vom 4. Februar 2004 - 1 B 291.03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75.
272Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
273Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
274Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24/10 -, juris, Rn. 20.
275Ausgehend davon ist nicht feststellbar, dass für den Kläger in Afghanistan bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht.
276Dass ihm individuelle Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - vor allem gezielte Angriffe durch die Taliban - drohen, ist mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals nicht feststellbar. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG Bezug genommen.
277Es besteht auch keine hohe oder auch nur beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Logar mit einer extremen Gefahrenlage, die ihrer Dimension nach geeignet wäre, die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG zu durchbrechen, konfrontiert wäre.
278Von einer derartigen Gefahr kann zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt eines besonders zugespitzten Sicherheitsrisikos in Logar ausgegangen werden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG zur konfliktbedingten Gefährdungsprognose für den Kläger, die an dieser Stelle übertragbar sind.
279Dass der Kläger in Logar aus anderen, nicht konfliktbedingten Gründen - etwa wegen einer dort herrschender ausufernder Kriminalität - einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sein könnte, ist nicht substantiiert vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Erkenntnissen.
280Ebenso wenig lässt sich eine Extremgefahr aus der allgemeinen Versorgungslage in Logar herleiten. Davon, dass der Kläger dort alsbald nach Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit insbesondere infolge von Mangelernährung oder Obdachlosigkeit dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann nach aktueller Erkenntnislage nicht ausgegangen werden. Ausgangspunkt dieser Bewertung sind zunächst allgemeine Aspekte der Entwicklung der humanitären Situation in Afghanistan.
281Die Bewertung Afghanistans im Human Development Index (HDI) hat sich aufgrund der erheblichen und anhaltenden Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft kontinuierlich verbessert. Gleichwohl ist Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt und belegt mit 175 von 187 einen sehr niedrigen Rang im Index. Obwohl sich Afghanistan in fast allen Bereichen positiv entwickelt hat, besteht weiterhin beträchtlicher Entwicklungsbedarf. Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Im Winter 2012/13 waren über zwei Millionen Menschen durch Unterernährung, Krankheit und Kälte gefährdet. Die Analphabetenrate in Afghanistan liegt bei 70 %. 90 % der Frauen und 70 % der Männer haben keinen Schulabschluss. Während nur 15,7 % der über 15- jährigen Frauen in Afghanistan berufstätig sind, sind es bei den Männern 80,3 %. Die wichtigste Einkommensquelle für die Bevölkerung bleibt die Landwirtschaft. Afghanistan verfügt über eine geringe, aber wachsende Anzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Nach aktueller Erkenntnislage leiden 34 % der afghanischen Gesamtbevölkerung unter Lebensmittelknappheit und 43 % haben keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Angesichts zahlreicher Naturkatastrophen reagiert das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen und extremen Kälteeinbruch. Außerhalb der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu erfüllen, geraten zusätzlich durch ein starkes Bevölkerungswachstum unter Druck. Infolge dessen ist absehbar, dass künftig jährlich 400.000 junge Afghanen auf den Arbeitsmarkt strömen. Im Jahr 2013 ist die Wirtschaft - nach einer Dekade starken Wachstums - nur um vergleichsweise schwache 3 % gewachsen. Die zukünftige Entwicklung ist nicht sicher vorhersehbar. Denkbar ist einerseits, dass das - durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähte - Preis- und Lohniveau und eine stärkere Abwertung der afghanischen Währung zu einer gestärkten Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte im Exportgeschäft führen könnten, andererseits besteht die Gefahr, dass sich eine Destabilisierung des Landes und seiner Institutionen volkswirtschaftlich ungünstig auswirkt. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich, wie bereits ausgeführt, ungeachtet fortbestehender Defizite insbesondere im Bereich der Grundversorgung in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert.
282Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014, Stand: Februar 2014, S. 19 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 30. September 2013, S. 20; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, vom 6. August 2013, S. 29 f.
283Daran wird deutlich, dass große Teile der afghanischen Zivilbevölkerung immer noch unter schwierigsten Bedingungen leben und in vielfältiger Weise mit ständigem Mangel konfrontiert sind. Trotz der fortbestehenden schwerwiegenden Defizite der humanitären Situation, deren Leidtragende in erster Linie Kinder und erst an letzter Stelle gesunde arbeitsfähige Männer sein dürften, fallen bei der zu treffenden Bewertung auch die zwischenzeitlich insoweit erzielten Fortschritte ins Gewicht.
284Vgl. dazu Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
285Aussagekräftig ist dabei vor allem der Umstand, dass die Lebenserwartung im letzten Jahrzehnt um 18 Jahre gestiegen ist.
286Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.
287Dabei handelt es sich neben dem Bruttoinlandsprodukt und der Erwerbstätigen- und Analphabetenrate um einen Entwicklungsindikator, der Auskunft über den wirtschaftlichen und sozialen Stand eines Landes gibt. Aus der Lebenserwartung lassen sich Anhaltspunkte zu Ernährungssituation, Gesundheitswesen, hygienischen Verhältnissen und körperlicher Arbeit gewinnen.
288Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/
289Entwicklungsindikator.
290Ihr deutlicher Anstieg in Afghanistan kann daher zumindest als Indiz für eine Verbesserung der humanitären Gesamtsituation gewertet werden.
291Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Versorgungslage in Logar schlechter als im gesamtafghanischen Durchschnitt ist. Sie stellt sich den hierzu vorliegenden Erkenntnissen zufolge wie folgt dar: Logar ist eine vorwiegend ländlich geprägte Region. Nach den statistischen Angaben des Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD) können dort 40 % aller Haushalte ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln durchgehend sicherstellen, bei 23 % der Haushalte treten insoweit selten (1 bis 3 Mal im Jahr) und bei 22 % der Haushalte manchmal (3 bis 6 Mal im Jahr) Schwierigkeiten auf. Für 15 % der Haushalte handelt es sich dabei um ein häufiges oder ständiges Problem. Die Versorgung mit Trinkwasser ist in Logar überwiegend gewährleistet. 69 % aller Haushalte haben innerhalb ihres Dorfes Zugang zu Trinkwasser. Für 29 % der Haushalte ist Trinkwasser in weniger als einer Stunde erreichbar. Durchschnittlich 32,3 % der Haushalte haben Zugang zu Elektrizität. Die Verkehrsinfrastruktur in Logar ist vergleichsweise gut; 78 % der Straßen sind alljährlich befahrbar. Eine medizinische Grundversorgung ist dort ebenfalls gewährleistet. Insoweit wird Bezug auf die vorangehenden Ausführungen genommen. Die Provinz profitiert in unterschiedlicher Weise von Entwicklungshilfemaßnahmen. Insgesamt fünf UN-Organisationen sind vor Ort in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte eingebunden. In den Bezirken Muhammad Agha und Pul-i-Alam ist beispielsweise das World Food Programme stationiert. Im Jahr 2011 wurden 20 % der Bevölkerung Logars mit Lebensmitteln unterstützt.
292Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, Logar Province Profile.
293Überdies wurden in Logar 52 unterschiedliche Infrastrukturprojekte im Rahmen des National Data Based Development Program - einer gemeinsamen Initiative des United Nations Development Program und des MRRD - initiiert, von denen bereits große Teil der Bevölkerung Logars profitiert haben.
294Vgl. MRRD, National Area Based Development Program; UNDP, Project summary, Reducing rural poverty and building access to basic services, Updated: April 2014.
295Für die Annahme, dass der Kläger in Logar einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt sein würde, besteht angesichts dieser Gesamtsituation keine tragfähige Tatsachengrundlage. Dafür, dass er nach mittlerweile fünfjähriger Abwesenheit als Rückkehrer einem gegenüber dem Rest der Zivilbevölkerung besonders hohen Verelendungsrisiko ausgesetzt sein könnte, spricht jedenfalls (schon) keine beachtliche und damit erst recht keine hohe Wahrscheinlichkeit. Daraus mögen zwar zunächst erhebliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten resultieren, von denen der Kläger - das Fehlen eines Familienverbandes zu seinen Gunsten unterstellt - verstärkt betroffen ist. Diese relativieren sich aber dadurch, dass er ihnen als alleinstehender gesunder Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen mit abgeschlossener Schulbildung und Berufserfahrung in den Bereichen Einzelhandel und Landwirtschaft ein vergleichsweise günstiges Risikoprofil entgegenzusetzen hat, durch das ihm die Erwirtschaftung eines Existenzminimums erleichtert ist.
296Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 9.
297Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Schutzalternative im Zusammenhang mit einem Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen. Danach ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne Vermögen und familiären Rückhalt zumindest sein Existenzminimum wird sicherstellen können, indem er sich in Logar beispielsweise (zunächst) als Tagelöhner in der Landwirtschaft verdingt.
298Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
299Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 unter den registrierten 3.000 Rückkehrern im Zeitraum der vorangegangenen zehn Jahre keine Todesfälle infolge von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden sind.
300Vgl. Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 12.
301Unabhängig davon kann der Kläger auch deswegen keinen nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, weil er sich auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen muss. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Kabul als interner Schutzalternative (§ 3e AsylVfG) im Zusammenhang mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen, die die Feststellung, dass dem Kläger in Kabul keine Extremgefahr droht, mittragen.
302Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
303Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
304Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 8. April 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) noch derjenige der Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Gerichte liegen vor.
2Die Darlegung der Grundsatzbedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
3Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 - 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A -, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 - 13 A 2839/10.A -.
4Diese Anforderungen erfüllt die vom Kläger aufgeworfene Frage,
5„ob in dem Fall, dass in der Provinz Logar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzunehmen ist, die Gefahr für den Kläger als allgemeine Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen zu einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2004/83 verdichtet ist, weil praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist“
6nicht. Sie ist inzwischen im verneinenden Sinne geklärt.
7Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11 -.
8In dem zitierten Urteil hat der Senat festgestellt, dass in der afghanischen Provinz Logar keine besonders exponierte allgemeine Gefahrenlage besteht, die unabhängig von gefahrerhöhenden persönlichen Umständen eine ernsthafte individuelle Gefahr für Leib und Leben begründet.
9Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Gerichte.
10Die Darlegung einer solchen Abweichung setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2007 - 1 B 271.06 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. März 2008 - 13 A 2643/07.A -, juris, und vom 11. Januar 2013 - 13 A 1829/09.A -.
12Daran fehlt es hier. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weicht nicht im vorgenannten Sinn von den in der Antragsschrift genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07- und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - ab. Das folgt bezogen auf den klägerischen Einwand, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, hinsichtlich der Provinz Logar die Dichte bzw. den Grad der Gefährdung konkret festzustellen, bereits daraus, dass das Urteil darauf nicht beruht. Denn das Verwaltungsgericht hat selbstständig tragend festgestellt, dass es dem Kläger zumutbar sei, sich bei Rückkehr nach Afghanistan im Raum Kabul aufzuhalten. Abgesehen davon bemängelt der Kläger damit im Kern eine - gemessen an den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 14. Juli 2009 -10 C 9.08 - unzureichende Tatsachenermittlung und damit nicht die Aufstellung eines - im Übrigen auch nicht benannten - abweichenden Rechtssatzes, sondern die fehlerhafte Anwendung eines Rechtssatzes im Einzelfall. Daraus ergibt sich indes keine Divergenz im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG.
13Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 -, juris, und vom 10. Juli 1995 - 9 B 18.95 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. November 2013 - 11 A 646/13. A -; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 159.
14Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung abweichend von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass es bei der Frage, ob für einen Ausländer in seinem Heimatland eine ausreichende Lebensgrundlage bestehe, primär und ausschlaggebend auf dessen persönliche Umstände ankomme, hinter denen die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet zurückträten, führt auch dieser Einwand nicht zum Erfolg der Divergenzrüge. Er ist sachlich unzutreffend. Ein derartiger Rechtssatz ist dem angegriffenen Urteil offenkundig weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen.
15Entsprechendes gilt für den - nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrages (§ 124 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG) - vorgebrachten sinngemäßen Einwand, das Verwaltungsgericht habe seine Annahme, dass der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden könne, auf einen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -) abweichenden Zumutbarkeitsmaßstab gestützt. Abgesehen davon, dass die Entscheidung darauf nicht beruht, weil das Verwaltungsgericht selbstständig tragend festgestellt hat, dass für den Kläger in Logar keine ernsthafte individuelle Bedrohung besteht, ist dies unrichtig. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung weder ausdrücklich noch konkludent den Rechtssatz aufgestellt, dass eine interne Schutzalternative bereits dann bestehe, wenn die Sicherung des bloßen Existenzminimums gewährleistet sei. Dies ist insbesondere nicht aus dem in dem Urteil enthaltenen Hinweis zu schließen, dass in den letzten Jahren keine Todesfälle aufgrund von Hunger oder Unterernährung zu verzeichnen gewesen seien. Diese Feststellung steht im Kontext der Darstellung der allgemeinen Lage in Kabul und ist nur eines von mehreren Kriterien für deren Bewertung. Daraus geht nicht hervor, dass das Verwaltungsgericht von einer auf das Existenzminimum herabgesetzten Zumutbarkeitsschwelle für die Inanspruchnahme internen Schutzes ausgeht. Vielmehr liegt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Annahme zugrunde, dass der Kläger durch Einsatz seiner Arbeitskraft seine Existenzgrundlage sichern können wird. Abgesehen davon geht aus dem weiteren hierauf bezogenen Zulassungsvorbringen hervor, dass es - zulassungsrechtlich unerheblich - ebenfalls darauf abzielt, eine nach Ansicht des Klägers fehlerhafte Rechtsanwendung aufzuzeigen.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
17Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).
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Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.
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Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.
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Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.
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Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.
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Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.
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Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.
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2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.
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a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.
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Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.
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Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.
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b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.
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Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).
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aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
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Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
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Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
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Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
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bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.
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Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.
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Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.
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Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).
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(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
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Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
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Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
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Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.
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3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.
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Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte wird verpflichtet, in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der nach eigenen Angaben am ... ... ... in Logar geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religion. Er reiste über den Iran, die Türkei, Österreich sowie weitere unbekannte Länder am 13. November 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragte hier am 27. November 2012 Asyl.
2. In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. Oktober 2014 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe sich bis zur Ausreise in der Heimatprovinz Logar aufgehalten, jedoch in Kabul in seinem eigenen Laden gearbeitet und dort manchmal auch übernachtet. Seine Großfamilie lebe noch in Afghanistan, seine Eltern sowie ein Bruder noch im Heimatdorf, ein weiterer Bruder lebe in Kabul, zwei Brüder und eine Schwester seien bereits verstorben. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit dem Abitur abgeschlossen. Danach habe er eine Lehre als Tischler begonnen, neben der Ausbildung aber schon als Straßenverkäufer neben der Kommandozentrale der ISAF gearbeitet. Später habe er einen Imbiss bzw. ein Restaurant eröffnet, dann einen Lebensmittelladen, den er bis zu seiner Ausreise betrieben habe. Er habe zunächst mehrere Jahre lang in Ruhe arbeiten können, danach habe er jedoch Probleme bekommen. Am Tag seiner Ausreise habe er mit einigen Freunden zusammengearbeitet, als es zu einem Selbstmordattentat gekommen sei, bei dem alle seine Freunde ums Leben gekommen seien. Auch sein Leben sei in Gefahr, weil man sich zuvor ihm bereits mehrmals in den Weg gestellt habe, er habe aber immer fliehen können. Außerdem sei in Brief in die Moschee geworfen worden, der Drohungen enthalten habe. Er habe deshalb dort nicht mehr leben können. Er habe sich niemals politisch betätigt, aber neben dem Stützpunkt der ISAF gearbeitet, weshalb ihn alle Kommandeure gekannt hätten. Die Probleme hätten im Sommer 2011 begonnen. Man habe ihn gefragt, wo er arbeite. Dann habe ihm der Mann vorgeworfen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, was er jedoch geleugnet habe. Der Mann habe dann gesagt, er sehe ja, was der Kläger tue. Dann sei er weggegangen. Etwa drei oder vier Wochen später seien dann zwei andere Personen gekommen hätten ihn wieder gefragt, was er dort tue. Er habe wieder geantwortet, dass er nur seiner Arbeit nachgehe und sie hätten ihn dann gefragt, weshalb er überhaupt dort arbeiten dürfe und andere nicht, ob er vielleicht die Polizei kenne. Im Jahr 2012 sei ein amerikanischer Journalist bei ihm erschienen, der gesagt habe, dass er für die Deutschen arbeite. Er habe den Kläger interviewt und beispielsweise gefragt, wie lange er schon dort arbeite, wer bei ihm einkaufe und ähnliche Dinge. Er habe alles aufgenommen und fotografiert. In der Zeitung sei dann ein Artikel mit Fotos über ihn erschienen. Seitdem habe sich sein Problem vergrößert, weshalb er Ende 2012 ausgereist sei. Als er einmal nach Hause gefahren sei, habe ihm ein Auto den Weg versperrt. Es seien Leute herausgesprungen, hätten ihn gepackt und ihm die Hände gefesselt. Sie hätten ihn dann zu einem Berg geführt und ihn auf den Boden geworfen. Anschließend hätten sie sich wohl beraten, diesen Moment habe er ausnützen können und sei geflohen. Er sei einfach aufgesprungen und nach Hause gelaufen. Dort habe er sich aber keine Stunde lang aufgehalten, er sei sofort ausgereist. Zuvor habe er sich einen Reisepass ausstellen lassen, da er einen amerikanischen Freund habe, den er eigentlich habe begleiten sollen. Man habe ihn mehrmals angehalten, um ihm Fragen zu stellen. Es seien die gleichen Leute gewesen, die ihn auch zuvor in seinem Laden aufgesucht hätten. Er sei zweimal im Laden aufgesucht worden und dann einmal zwangsweise mitgenommen worden. Was die Leute genau von ihm gewollt hätten, hätten sie nicht gesagt. Vielleicht hätten sie ihn töten wollen. An das Datum des Zeitungsartikels könne er sich nicht mehr erinnern. Es sei zwischen dem dritten und dem fünften Monat im Jahr 2012 gewesen. Auch den Namen der Zeitung könne er nicht nennen. Die Einheimischen hätten ja kaum Zugang zu seinem Laden, deshalb hätten sie wohl gedacht, dass er spioniere und viel mit Ausländern zu tun habe. Nachdem der Zeitungsartikel erschienen sei, hätten sie ihn mitgenommen. Auf die Frage, was dann das Selbstmordattentat mit seiner Ausreise zu tun habe, gab der Kläger an, sie seien nicht nur hinter ihm, sondern auch hinter seinen Freunden her gewesen. In der Zeitung seien Fotos von allen gewesen. Das Selbstmordattentat habe im Juli 2012 neben der Kommandozentrale der ISAF in Kabul, Stadtteil Golaie-Shashdarak stattgefunden. Es sei zwischen seinem Laden und dem italienischen Konsulat passiert. In der Umgebung befänden sich auch noch andere Botschaften. Es seien ja nur seine Freunde ums Leben gekommen, sonst sei niemand verletzt worden. Den Drohbrief in der Moschee habe er erst vor kurzem erhalten. Es sei am Ausreisetag passiert, sein Bruder habe ihm den Brief mit der Post geschickt. Es sei ein gefährliches Viertel gewesen, es hätten sich dort diverse ausländische Organisationen befunden, dort habe nicht jeder etwas tun dürfen. Die Militärs hätten ihn auch gebeten, ihnen zu melden, wenn er etwas Verdächtiges entdecke. Den Drohbrief sowie ein Schreiben einer amerikanischen Staatsangehörigen könne er vorlegen. Für den Fall der Rückkehr befürchte er, dass sie ihn vielleicht fänden und ihn mitnähmen und danach vielleicht wieder freiließen, vielleicht aber auch töteten. Er habe die Leute, die plötzlich in seinem Laden aufgetaucht seien, zuvor nie gesehen. Er habe auch niemandem genau gesagt, wo er arbeite.
3. Mit Bescheid vom
4. Mit am 21. Januar 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger Klage erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe in Afghanistan Verfolgungshandlungen durch die Taliban erlitten. Bei dem von ihm erwähnten Selbstmordanschlag seien der frühere Inhaber des Geschäftes des Klägers, welcher beim Kläger als Angestellter weiter gearbeitet habe, sowie mehrere als fliegende Händler tätige Kollegen bzw. Freunde des Klägers getötet worden. Im Übrigen werde auf den Vortrag des Klägers in der Anhörung verwiesen. Er habe Afghanistan somit vorverfolgt verlassen. Die Verfolgungshandlungen durch die Taliban knüpften offensichtlich an eine dem Kläger zumindest unterstellte politische Überzeugung aufgrund seiner Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung bzw. den internationalen Truppen an. Nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender handle es sich bei den Mitarbeitern oder Zuarbeitern von westlichen Organisationen um eine Risikogruppe, die häufig Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte bzw. der Taliban ausgesetzt sei. Eine inländische Fluchtalternative in Afghanistan sei für den Kläger offensichtlich nicht gegeben, insoweit werde ebenfalls auf die UNHCR-Richtlinien sowie auf die UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen vom August 2013 und auf die Anfragebeantwortung von ACCORD „Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen in Afghanistan aufzuspüren; Schutzfähigkeit des Staates“ vom 14. August 2013 Bezug genommen. Da dem Kläger durch die Taliban eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe, lägen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vor. Des Weiteren lägen zumindest die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes vor. Wie sich bereits aus der Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 ergebe, habe sich die Versorgungssituation in Kabul sowie die Möglichkeit, existenzsichernde Arbeitsstellen zu finden, in den letzten Jahren in Kabul nicht verbessert, vielmehr seien die Lebenshaltungskosten dort stark angestiegen. Die Teuerungsrate bei den Lebensmitteln führe für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung in Kabul zu Engpässen bei der Versorgung. Auf das Gutachten des Herrn Dr. D... vom 7. Oktober 2010 sowie den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11. August 2010 werde verwiesen. Der Kläger verfüge über keinerlei familiäre Verbindungen nach Kabul mehr. Ohne Anschluss an Familienangehörige habe er keine Möglichkeit, bei einer Rückkehr nach Afghanistan Kontakte oder Verbindungen zu nutzen, um zumindest eine erste Anlaufstation zum Auffinden einer Unterkunft sowie einer Arbeitsstelle zu knüpfen. Er habe somit keine Möglichkeit, für sich eine wirtschaftliche Existenz zu erwirtschaften. Verwiesen werde des Weiteren auf die vorgelegte Stellungnahme des Bayer. Flüchtlingsrates vom 9. Februar 2015 „Keine Abschiebung nach Afghanistan“. Hinzu komme, dass der Kläger an einer schweren psychischen Erkrankung leide, aufgrund der er in fachärztlicher Behandlung sei. Der Kläger leide an einer schweren depressiven Episode sowie einer Angstsymptomatik auf dem Boden einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit intensiven Nachhall- und Flash-Back-Erinnerungen in chronifiziertem und fortgeschrittenem Stadium. Auf den als Anlage K 1 vorgelegten psychiatrischen Befundbericht des Herrn Dr. med. F... werde verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;
hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
5. Die Beklagte beantragt demgegenüber,
die Klage abzuweisen.
6. Mit Beschluss vom 12. Juni 2015
7. Mit Schriftsatz vom
Verschiedene, in der Liste für Afghanistan, Stand: November 2015 aufgeführte Erkenntnismittel waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 i. V. m. Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Dezember 2014 ist daher in Ziffern 4 und 5 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich auch aus der Gefahr ergeben, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i. d. F. des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Asylverfahren vom 11. März 2016 - BGBl. I S. 390, in Kraft getreten am 12.3.2016 - AufenthG n. F.). Unter den vorgenannten Voraussetzungen kann sich eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr daraus ergeben, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung Herkunftsland unzureichend sind (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - NVwZ 2007, 12 ff.) oder im Einzelfall auch daraus, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn im Herkunftsstaat des Ausländers eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit wegen des geringen Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Zum anderen kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betreffende Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, z. B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - DVBl. 2003, 463). Dabei ist jedoch zu beachten, dass - auch an Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK gemessen - kein Anspruch auf eine mit der Versorgung im Bundesgebiet gleichwertige medizinische Versorgung im Zielstaat besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n. F.; EGMR, U.v. 7.10.2004 - Dragan, 33743/03 - NVwZ 2005, 1043 ff.; BVerwG, U.v. 25.11.1997 - 9 C 58/96 - juris Rn. 7). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt des Weiteren in der Regel auch dann vor, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG n. F.).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers vor.
1.2 Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere des Arztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie Dr. med. F... vom 22. Dezember 2015 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen der fehlenden Behandlungsmöglichkeit eine erhebliche Verschlechterung seiner schwerwiegenden psychischen Erkrankung konkret droht. Dr. F... diagnostiziert eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine mittelgradige depressive Episode sowie Panikattacken. Das Attest gibt Auskunft über die Schwere der Erkrankung, die konkreten Symptome und den Behandlungsverlauf. Der Arzt hat dem Gericht gegenüber auch dargelegt, wie er die Exploration des Klägers vorgenommen hat. Danach war der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dreimal bei ihm in Behandlung gewesen, weitere Behandlungstermine standen noch bevor. Bei der ersten Untersuchung war der Kläger nach Auskunft des Arztes derart depressiv, dass er selbst nicht auf Fragen antworten konnte. Der Arzt hat dann die Exploration zunächst auf der Grundlage der Unterlagen anderer Ärzte, insbesondere des Herrn Dr. von ... - bei dem der Kläger ausweislich des vorgelegten Attestes dieses Arztes ebenfalls in Behandlung ist -, erstellt und sie in weiteren Vorstellungen des Klägers durch den Einsatz eines Mitpatienten als Dolmetscher überprüft. Bei der zweiten persönlichen Untersuchung habe sich der Kläger dann dem Arzt gegenüber auch öffnen können. Die ärztlichen Stellungnahmen kommen auf diese Weise zu der nachvollziehbaren Einschätzung, dass eine engmaschige psychotherapeutische Behandlung des Klägers notwendig ist. Weitere Anforderungen sind an die Substantiierung einer depressiven Erkrankung nicht zu stellen (BayVGH, B.v. 26.5.2014 - 13a ZB 13.30310 - juris). Ohne dass es darauf entscheidend ankäme, erfüllt das Attest des Herrn Dr. F... vom 22. Dezember 2015 in Verbindung mit den dazu gegebenen Erläuterungen im Übrigen wohl die Anforderungen der Rechtsprechung an die Substantiierung einer PTBS-Erkrankung (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 - juris Rn. 15;
Insoweit hat die Klage daher Erfolg.
2. Dem Kläger steht jedoch weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Insoweit ist der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Dezember 2014 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
2.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen.
Der Kläger hat Afghanistan nicht vorverfolgt i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 QRL verlassen. Es steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch die Taliban in Anknüpfung an eines der in § 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe droht.
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die vom Kläger vorgetragene Verfolgungsgeschichte in vollem Umfang der Wahrheit entspricht. Zwar konnte der Kläger in der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung einige in der Anhörung beim Bundesamt aufgetretene Ungereimtheiten und Widersprüche ausräumen, insbesondere konnte der zeitliche Ablauf der Ereignisse genauer aufgeklärt werden. Danach habe der Kläger bereits seit vielen Jahren in Kabul in der Nähe des ISAF-Stützpunktes im Stadtteil Golaie-Shashdarak ein Ladengeschäft betrieben. Gewohnt habe er aber in seinem Heimatdorf in der Provinz Logar. Er sei somit täglich zwischen Logar und Kabul hin- und hergependelt. Seit dem Jahr 2011 sei er in seinem Laden mehrfach von unbekannten Personen aufgesucht worden. Zuerst sei nur ein Mann gekommen, dann seien es zwei Männer gewesen. Sie hätten ihn etwa sechs- bis siebenmal aufgesucht und gefragt, was er dort mache, dort arbeiteten nur Leute von der Regierung. Sie hätten ihm vorgeworfen, ein Spion der Regierung zu sein, weil es keinen anderen Laden in der Nähe gebe. Sie hätten ihn auch gewarnt, dass es dort gefährlich für ihn sei. Es sei auch einmal ein amerikanischer Journalist in seinem Laden gewesen, habe ihm verschiedene Fragen gestellt und ihn gewarnt. Der Journalist habe ohne Wissen des Klägers ein Foto gemacht und dieses zusammen mit einem Zeitungsartikel veröffentlicht. Der Artikel sei etwa ein bis zwei Monate vor der Ausreise des Klägers erschienen. Einen Tag vor seiner Ausreise sei der Kläger auf dem Weg von Kabul nach Logar entführt worden. Unbekannte hätten das Taxi angehalten, in dem sich der Kläger befunden habe, hätten ihn zu einem Wald verschleppt und dort beraten, was sie mit dem Kläger anstellen sollten. Diese Gelegenheit habe der Kläger genutzt und sei geflohen. Er sei durch den Wald geflohen zu einem Bach, durch den er hindurchgewatet sei. Er sei dann nicht nach Logar zurückgekehrt, weil dort bereits sein Vater und vier seiner Onkel ermordet worden seien. Deshalb sei er per Anhalter zurück nach Kabul, und zwar direkt zum Flughafen gefahren. Dort angekommen habe der Kläger einen Anruf eines Freundes erhalten, der ihm berichtet habe, dass gerade ein Selbstmordattentat in der Nähe seines Ladens in Kabul passiert sei, bei dem mehrere Menschen ums Leben gekommen seien. Am selben Tag habe sein Bruder in der Moschee einen Drohbrief für den Kläger gefunden, wovon er ihm einen Tag später telefonisch erzählt habe.
Auf der Grundlage dieses Vortrags ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger vorverfolgt ausgereist ist oder dass ihm im Falle der Rückkehr Verfolgung i. S. d. §§ 3 ff. AsylG oder ein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. Das Gericht hält es zwar aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse über die Lage in Afghanistan, insbesondere über den erneut wachsenden Einfluss der Taliban und anderer regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppierungen, für plausibel, dass der Kläger mehrere „Besuche“ von unbekannten Männern erhalten hat, bei denen er aufgefordert wurde, sein Geschäft in der Nähe des ISAF-Stützpunktes zu schließen, weil dies für ihn gefährlich sei. Derartige Einschüchterungsversuche gehören zur Taktik der Taliban bzw. anderer regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppierungen, die insbesondere solche Personen zum Ziel ihrer Bedrohungen machen, die aufgrund unterschiedlicher Umstände in den Verdacht geraten sind, mit ausländischen Streitkräften, fremden Staaten bzw. internationalen Organisationen oder der afghanischen Regierung zu kooperieren. Solche „Warnungen“ sind für sich genommen jedoch noch nicht geeignet, eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG darzustellen, weil sie zum einen nicht die notwendige Intensität aufweisen und es zum anderen dem Kläger möglich gewesen wäre, durch Verlegung seines Geschäftssitzes dem Verdacht zu entgehen, er würde mit den ISAF zusammenarbeiten. Denn gerade Letzteres wäre für eine Person, die sich nicht aus anderen, nicht flüchtlingsrelevanten Gründen im Ausland niederlassen will, naheliegender als eine Ausreise. Der Kläger hat aber selbst vorgetragen, bereits im Jahr 2011, also zeitlich vor den nach seinen Angaben fluchtauslösenden Ereignissen im Jahr 2012, den Entschluss gefasst zu haben, in die USA auszuwandern. Er habe sich zu diesem Zweck auch bereits einen Reisepass besorgt. Diese Umstände sprechen gegen eine Flucht vor tatsächlicher Verfolgung.
Hinzu kommt, dass die weiteren vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht glaubhaft sind. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass tatsächlich ein amerikanischer Journalist einen Zeitungsartikel mit einem Foto des Klägers veröffentlicht hat, denn der Kläger konnte sich auch auf Nachfrage nicht einmal an den Namen der Zeitung erinnern. Des Weiteren ist auch die vorgetragene Entführungsgeschichte nicht plausibel. Es erscheint zum einen bereits zweifelhaft, ob der angebliche Überfall auf das Taxi überhaupt gezielt gegen den Kläger gerichtet war. Dies würde voraussetzen, dass die unbekannten Entführer den Kläger bereits längere Zeit beobachtet haben, um feststellen zu können, in welches Taxi er einstieg, um dann gezielt dieses Taxi auf dem Weg nach Logar anzuhalten und zu überfallen. Nicht plausibel erscheint aber insbesondere der Umstand, dass der Kläger ohne Weiteres aus der Gewalt der Entführer geflohen sein will. Denn es überzeugt nicht, dass die unbekannten Kriminellen den Kläger zunächst unter Aufwendung erheblicher Anstrengungen und Inkaufnahme erheblicher Risiken entführt, ihm aber dann die Möglichkeit zur Flucht gegeben haben sollten. Der Vortrag, dass die Entführer sich beraten hätten, was mit dem Kläger zu geschehen habe, und dieser dabei unbemerkt habe fliehen können, erscheint konstruiert und nicht wirklichkeitsnah. Des Weiteren hat das Gericht auch erhebliche Zweifel daran, dass der Selbstmordanschlag in der Nähe des Ladens des Klägers, den dieser nicht selbst miterlebt hat, überhaupt dem Kläger gegolten haben sollte. Selbstmordanschläge geschehen in Afghanistan häufig. Sie werden von den Taliban oder anderen regierungsfeindlichen, bewaffneten Gruppierungen verübt, um Angst und Schrecken zu verbreiten und somit den Boden für eine weitere Destabilisierung der politischen Verhältnisse zu bereiten. Selten sind jedoch solche Anschläge gezielt auf eine bestimmte Person oder eine bestimmte Personengruppe gerichtet. Getroffen werden sollen vielmehr entweder die Regierung bzw. diese repräsentierende Personen wie Polizisten oder Militärangehörige, Auslandsvertretungen fremder Staaten bzw. internationaler Organisationen oder wahllos Angehörige der Zivilbevölkerung. Im Übrigen war der Selbstmordanschlag nach dem Vortrag des Klägers auch nicht ausschlaggebend für seine Ausreise, weil er sich dazu bereits vorher entschlossen und sich zum Anschlagszeitpunkt bereits am Flughafen befunden hatte.
Da somit bereits die vorgetragene Verfolgungsgeschichte nicht in vollem Umfange glaubwürdig erscheint, kann es offen bleiben, ob darin eine Verfolgung in Anknüpfung an ein Merkmal i. S. d. § 3b Abs. 1 AsylG zu sehen wäre. Zwar lässt der Kläger auf verschiedene Stellungnahmen des UNHCR verweisen, aus denen hervorgeht, dass Personen, denen die Zusammenarbeit mit ausländischen Streitkräften, Auslandsvertretungen anderer Staaten oder der afghanischen Regierung unterstellt wird, zu den Risikogruppen in Afghanistan gehören, deren mögliche Verfolgung besonders gewissenhaft zu prüfen ist (vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, August 2013, deutsche Übersetzung in Asylmagazin 11/2013, S. 368 ff.; UNHCR-Vertretung Berlin, Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013, August 2014, S. 3). Diese Stellungnahmen des UNHCR sind aber allgemein auf den internationalen Schutzbedarf der genannten Risikogruppen bezogen und umfassen damit auch den subsidiären Schutzstatus i. S. d. § 4 AsylG (vgl. Art. 2 Nr. 1 QRL). Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass die unter die genannten Kriterien fallenden Personen von vornherein ein flüchtlingsrelevantes Merkmal erfüllten. Insbesondere kann unter Berücksichtigung der Erwägungen im vorhergehenden Absatz nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Person, die unter den genannten Umständen in den Fokus der Taliban oder anderer krimineller Gruppierungen gerät, von diesen eine abweichende politische Überzeugung i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG zugeschrieben wird. Denn die Absichten der Taliban oder anderer krimineller Gruppierungen sind nicht ausschließlich politischer Natur, sondern weisen eine diffuse Gemengelage von politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Zielsetzungen auf.
Auch scheidet eine Verfolgung des Klägers aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG aus, weil schon nicht erkennbar ist, wie die soziale Gruppe, der er zugerechnet werden könnte, definiert werden sollte. Allein der Umstand, dass einer unbestimmten Vielzahl von Personen unter verschiedenen Umständen die Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung, ausländischen Streitkräften oder Auslandsvertretungen anderer Staaten unterstellt wird, ist nicht als Merkmal geeignet, um eine hinreichend bestimmte Gruppe zu definieren, die in Afghanistan eine deutlich abgegrenzte Identität hätte, aufgrund derer ihre Angehörigen von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet würden (vgl. VG Würzburg, U.v. 18.12.2013 - W 1 K 13.30033 - juris, Rn. 23;
2.2 Aufgrund der oben dargestellten Zweifel an der Glaubhaftigkeit des vorgetragenen Geschehens kommt auch keine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AsylG an den Kläger in Betracht.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder aufgrund besonderer gefahrerhöhender Umstände ein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. In Bezug auf die Herkunftsregion des Klägers, Logar, sowie in Bezug auf Kabul hat sich die Sicherheitslage trotz der aktuellen Häufung von Anschlägen nicht derart verschärft, dass jede Zivilperson unabhängig von besonderen gefahrerhöhenden Umständen allein aufgrund ihrer Anwesenheit im betreffenden Gebiet konkret und individuell gefährdet ist, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. für Kabul: BayVGH, B.v. 5.2.2015 - 13a ZB 14.30172 - juris Rn. 7;
Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wobei das Gericht davon ausgeht, dass Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutzstatus und Abschiebungsverbote jeweils einen einheitlichen, in sich nicht weiter aufzuspaltenden Streitgegenstand darstellen (st.Rspr., z. B. BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - juris Rn. 9).
Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).
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Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.
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Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.
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Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.
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Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.
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Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.
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Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.
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2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.
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a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.
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Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.
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Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.
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b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.
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Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).
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aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
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Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
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Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
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Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
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bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.
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Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.
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Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.
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Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).
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(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
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Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
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Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
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Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.
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3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.
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Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 28. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
3Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A -, juris und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A -.
5Ob die vom Kläger aufgeworfene Frage,
6„ob in der afghanischen Provinz Wardak von einem bewaffneten Konflikt auszugehen ist, der unabhängig vom Vorliegen individueller gefahrerhöhender Umstände bei einer Person, die nach Wardak zurückkehrt, zu einer Gefährdung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG führt“,
7gemessen daran von grundsätzlicher Bedeutung ist, kann dahin stehen, weil sie in einem Berufungsverfahren – ihre Grundsatzbedeutung unterstellt – nicht beantwortet werden würde und deswegen nicht entscheidungserheblich ist. In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 144 Abs. 4 VwGO ist eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dann nicht geboten, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass sich der – bei Zugrundelegung der Tatsachenfeststellungen und Rechtsansichten des Berufungsgerichts – entscheidungserhebliche, zulassungsrechtlich beachtliche Rechtsfehler auf das endgültige Entscheidungsergebnis auswirken kann. Das ist der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen, nach Aktenlage vertretbaren und von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Bewertung des Sachverhalts in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. November 2014 – 13 A 1631/14.A –, juris.
9So liegt es hier. Denn unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG angesichts der derzeitigen Situation in der Provinz Wardak erfüllt sind, schließt Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter aus. Denn mit Blick auf die dortige Versorgungs- und Sicherheitslage,
10vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris,
11kann von ihm angesichts seines persönlichen Risikoprofils vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Zwar ist die humanitäre Lage in Kabul im Allgemeinen weiterhin äußerst schwierig. Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen weicht indes stark voneinander ab. Jedenfalls für den Kläger als arbeitsfähigen jungen Mann besteht es allenfalls in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können. Diese Einschätzung der Lage in Kabul gilt im Ergebnis – trotz gewisser Veränderungen – bis heute.
12Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vom 26. August 2014 befand sich die als Transition bezeichnete Übergabe der Sicherheitsverantwortung von der in der ISAF repräsentierten internationalen Gemeinschaft an die afghanischen Sicherheitskräfte bereits seit Mitte 2013 im Gange. Die zuvor in erheblichen Umfang in Afghanistan stationierten Kräfte der ISAF-Mission waren bereits deutlich reduziert, von ca. 130.000 Soldaten Anfang 2012 auf ca. 35.000 Soldaten (etwas später, im Oktober 2014),
13Wikipedia, Artikel „International Security Assistance Force”, http://de.wikipedia.org/wiki/International_Security_Assistance_Force, abgerufen am 5. Mai 2015.
14Dieser – unvollständige – Truppenabzug der internationalen Streitkräfte setzte sich bis zum Jahresende 2014 fort. Ab Anfang 2015 befinden sich planerisch noch internationale Streitkräfte im Umfang von etwa 13.000 Soldaten in Afghanistan, die im Rahmen der ISAF-Nachfolgemission „Resolute Support“ die afghanischen Sicherheitskräfte beraten, ausbilden und unterstützen sollen. Die vom Kläger angeführte und auch aktuellen Erkenntnissen zu entnehmende negative Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan im Zusammenhang mit dem überwiegenden Abzug der internationalen Streitkräfte war zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 26. August 2014 bereits erkennbar. Der fortgesetzte Abzug der internationalen Streitkräfte im zweiten Halbjahr 2014 und das Ende der ISAF-Mission gebieten keine veränderte Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan in Bezug auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder die Feststellung von Abschiebungsverboten.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A –, juris Rn. 46 f.; Sächs. OVG, Beschluss vom 23. Januar 2015 – A 1 A 140/13 –, juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 –, juris Rn. 17 ff., insbesondere Rn. 23.
16Bei Auswertung jüngerer Erkenntnisse (u.a. Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH – vom 5. Oktober 2014: Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage; EASO, Country of Origin Information Report von Januar 2015: Afghanistan – Security Situation; UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA – von November 2014: 2015 – Humanitarian Needs Overview: Afghanistan; Integrated Regional Information Network – IRIN – vom 19. Januar 2015: Aid at risk as Afghanistan’s war splinters) sowie des jüngsten Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. März 2015 (Stand Oktober 2014) gelangt der Senat zur aktuellen Einschätzung, dass sich im Zeitverlauf mit dem fortschreitenden Truppenabzug gewisse Veränderungen der Sicherheitslage in Afghanistan ergeben haben mögen, diese jedoch kein hinreichendes Gewicht besitzen, um das Bedürfnis für eine erneute grundsätzliche Klärung zu begründen. Es bleibt bei der Bewertung, dass Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 e AsylVfG einen Anspruch eines alleinstehenden, gesunden Mannes auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter ausschließt.
17Auch die Situation in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen aus dem Frühjahr 2014 hat keine gesonderten Auswirkungen von einigem Gewicht auf die für den Senat entscheidende Sicherheitslage. Zum Zeitpunkt des Urteils vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A – befand sich Afghanistan in der instabilen „Hänge-Phase“ zwischen den Präsidentschaftswahlen und der Einigung zwischen Ashraf Ghani Ahmadzai und Abdullah Abdullah über die Regierungsbildung. Diese Situation lag jener Entscheidung zugrunde. Die dann Ende September 2014 erfolgte Bildung der Einheitsregierung unter Beteiligung beider Männer an der Macht hat die politisch schwierige und mit Instabilität und unklaren Zukunftsaussichten verbundene Situation jedenfalls nicht verschlechtert.
18Ebenso OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2015 – 13 A 751/15.A – und 8. Mai 2015 – 13 A 949/15.A –.
19Der Kläger ist volljährig. Hieraus folgt die durch das Zulassungsvorbringen nicht widerlegte Vermutung, dass er für sich selbst sorgen kann. Die Erfahrungen, die er in Deutschland gesammelt hat, dürften ebenso wie die seit der Ausreise aus dem Heimatland erworbenen Sprachkenntnisse seine Erwerbsperspektive in Afghanistan nicht beeinträchtigen, sondern vielmehr begünstigen, ebenso wie der Umstand, dass er in Pakistan und Afghanistan jedenfalls für fünf, eventuell sechs Jahre die Schule besucht hat. Zudem kann er in Kabul auf familiären Rückhalt durch seine Tante und seine Eltern hoffen; die dort lebenden Eltern leisten seiner Tante und seiner Ehefrau nach seinen Angaben beim Bundesamt finanzielle Unterstützung. Dies dürfte auch ihm zuteil werden. Da er trotz seiner vorgetragenen psychischen Beeinträchtigungen aufgrund von Erlebnissen vor der Ausreise den Weg von Afghanistan bis in die Bundesrepublik geschafft hat, ist nicht davon auszugehen, dass er in Kabul mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Rückkehr in seiner Existenz bedroht ist. Das Zulassungsvorbringen enthält hierzu nichts.
20Damit einhergehend kann der Kläger auch keinen nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen. Vielmehr muss er sich aus den vorstehenden Gründen auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen.
21Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris.
22Die obige Einschätzung gilt auch unverändert für die Bewertung der Lage in der Hauptstadt Kabul. Die wohl verminderte Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte über die Hauptstadt Kabul, die Region Kabul oder andere Teile Afghanistans erweitert zwar die Möglichkeiten der regierungsfeindlichen Kräfte zu Anschlägen, Ausübung von Gewalt oder anderen Aktionen. Dies führt jedoch für sich genommen nicht zu einer extremen Gefahrenlage. Auch die Auswirkungen auf die humanitäre Situation, besonders die Infrastruktur oder die Versorgungslage in Bezug auf alle lebensnotwendigen Bereiche, sind für die afghanische Bevölkerung im Allgemeinen bzw. einen Rückkehrer wie den Kläger nicht erheblich.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
24Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am °°. August 19°° in I. in Afghanistan geborene Kläger ist paschtunischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens. Der Kläger reiste am 28. April 2013 mit einem gefälschten polnischen Reisepass auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3Der Kläger stellte am 30. April 2013 einen Asylantrag, den er bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration Flüchtlinge (Bundesamt) am 29. April 2014 wie folgt begründete: Er sei mit N. N1. verheiratet, die sich noch in Afghanistan aufhalte. In Afghanistan lebe seine Großfamilie. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, erklärte der Kläger, er habe Probleme mit C. L. , einem Kommandeur der Taliban gehabt. Er sei mit dessen Bruder H. B. bekannt gewesen. Eines Abends – in den Jahren 2000/2001 – habe er diesen getroffen und mit ihm Opium geraucht. H. B. habe auch Alkohol konsumiert. Am nächsten Morgen sei er verstorben. Nunmehr bezichtige ihn C. L. , seinen Bruder umgebracht zu haben. Er sei in den Iran geflüchtet, habe sich dort jedoch auch nicht aufhalten können und sei in den Jahren 2008/2009 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Er habe C. L. zum Abendessen eingeladen. Dann seien bewaffnete Kämpfer erschienen, die sein Haus angegriffen hätten. Er habe auf einem Motorrad fliehen können. Nunmehr bezichtigte ihn der Kommandeur der Taliban, er habe ihn umbringen wollen.
4Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 12. Mai 2014 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Gewährung subsidiären Schutzes sowie Abschiebungsverbote nicht vorlägen und forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe oder im Falle der Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte ihm für den Fall der Zuwiderhandlung die Abschiebung nach Afghanistan oder einen anderen zur Aufnahme bereiten Staat an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Klägers sei nicht glaubhaft gewesen. Er habe die Geschehnisse nach dem Tod des H. B. nicht konkret benennen können und den Eindruck erweckt, sich ein Szenario ausgedacht zu haben. Auffällig sei auch gewesen, dass sich der Kläger erst eine Woche nach dem Todesfall entschlossen haben will, in den Iran auszureisen. Bei der Beschreibung des Gespräches mit dem Taliban-Kommandeur habe sich der Kläger mehrere Male in Widersprüche verstrickt und habe seinen Sachvortrag der aktuellen Gesprächssituation angepasst.
5Gegen den Bescheid des Bundesamtes hat der Kläger am 26. Mai 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Bei der Anhörung beim Bundesamt sei er nicht genau übersetzt worden. Dadurch sei der falsche Anschein erweckt worden, sein Vorbringen sei nicht durch Konkretheit, Anschaulichkeit und da Detailreichtum gekennzeichnet. Richtig sei folgender Geschehensablauf: Er sei mit H. Aga, dem Bruder eines Taliban Kommandeurs namens C. L. , befreundet gewesen. Mit diesem sei er verwandt, es handele sich um einen Cousin der Mutter, den Sohn des Onkels mütterlicherseits. H. B1. sei drogensüchtig gewesen. Sie hätten sich abends bei ihm zuhause getroffen. H. B1. habe in der Nacht in größeren Mengen Drogen zu sich genommen. Daneben habe er auch Alkohol getrunken. Im Laufe der Nacht sei ihm schlecht geworden und er habe über Halsschmerzen geklagt. Das Haus, in dem er mit dem Bruder des Kommandeurs zusammen gewesen sei, sei weit weg von der Stadt gewesen. Deshalb sei er nicht in der Lage gewesen, ihn in das Krankenhaus zu bringen. Er habe gedacht, dass sich dessen Gesundheitszustand nach Abklingen der Drogenwirkung wieder bessern könnte. Dies sei aber nicht geschehen, der Bruder des Kommandeurs sei gestorben. Danach habe er dem zuständigen Mullah für die Gegend Bescheid gegeben. Er sei in den Iran geflohen und nach einigen Jahren zurückgekehrt. Dort habe er nach der Stammessitte eine „Jirga“ einberufen. Die verfeindeten Parteien träfen sich hierzu unter Vorsitz der Dorfältesten, um Frieden zu schließen. Von einem Bekannten des Taliban-Kommandeurs sei das Treffen verraten worden. Dadurch sei es zum Überfall auf das Haus gekommen. Der Verdacht ihm gegenüber, sowohl für den Tod des Bruders verantwortlich gewesen zu sein als auch für den Überfall, sei dadurch verstärkt worden.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2014 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
8hilfsweise,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2014 zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
10äußerst hilfsweise,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration Flüchtlinge vom 12. Mai 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass in seiner Person ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Erwägungen in dem angefochtenen Bescheid.
15Wegen der weiteren Einzelheiten Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Der Einzelrichter ist gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 22. Juni 2015 übertragen worden ist. Dieser konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Beklagte bei der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen worden war, dass im Falle des Ausbleibens eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt werden kann.
18Die zulässige Klage ist unbegründet.
19Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20Der Kläger hat im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
21Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
22Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
23Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
25Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
26Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
27Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminium gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
29Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
30Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
31Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
32Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
33Gemessen an diesen Vorgaben hat der Kläger im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Der Einzelrichter folgt insoweit den Feststellungen und der überzeugenden Begründung in dem angefochtenen Bescheid vom 12. Mai 2014 und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
34Ergänzend ist auszuführen: Der Eindruck, dass das Vorbringen des Klägers nicht glaubhaft ist, hat sich in der mündlichen Verhandlung erhärtet. Sein Vortrag war widersprüchlich. Zunächst erklärte er, am Tag des Angriffs habe der Ältestenrat sich gerade versammelt und begonnen, klarzustellen, dass er nicht Schuld an dem tödlichen Vorfall – dem Tod des H. B. – gewesen sei. Später hat der Kläger behauptet, sich gar nicht im selben Zimmer wie der Ältestenrat aufgehalten zu haben, sondern in dem Zimmer, in dem auch die Frauen gewesen seien. Wie der Kläger erfahren haben will, was der Ältestenrat genau gesagt hat, obwohl er sich nicht mit ihm im Raum befunden hatte, konnte er jedoch auch auf mehrfachen Vorhalt nicht erklären.
35Hinzu kommt, dass an der inneren Logik des Geschehens erhebliche Zweifel angebracht sind. Der Kläger schildert, sich mit knapper Not dem Angriff habe entziehen zu können. Jeder habe versucht, sein Leben vor den wild um sich schießenden Angreifern zu retten. Die Personen im Hause hätten zurück geschossen. Er sei mit einem Motorrad geflüchtet. Unverständlich ist, warum der Taliban-Kommandeur ihn der Urheberschaft des Angriffs bezichtigen sollte, wo er sich doch ebenfalls vor Ort aufgehalten haben will und sich damit einem erheblichen Risiko ausgesetzt hätte, selbst verletzt oder gar getötet zu werden.
36Außerdem war der Vortrag des Klägers insbesondere zum Kerngeschehen, dem Angriff auf das Haus, detailarm und oberflächlich. Der Kläger musste mehrfach angehalten werden, konkret Erlebtes zu schildern. Das Geschilderte blieb trotzdem äußerst vage. Dass der Kläger keine konkreteren Erinnerungen an ein filmreifes Ereignis wie den bewaffneten Angriff auf sein eigenes Haus hat, ist – ungeachtet des Umstandes, dass sich das Geschehen vor mehreren Jahren ereignet haben soll – nicht plausibel und macht ihn unglaubwürdig.
37Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
38Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der §§ 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
39Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten unter anderem als Verfolgungshandlung (Nr. 1) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 2) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (Nr. 3) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (Nr. 4) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (Nr. 5) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, (Nr. 6) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
40Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylVfG (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder (Nr. 3) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
41Nach § 3d Abs. 2 AsylVfG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Nach Satz 2 ist generell ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG.
42Schließlich muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
43Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
44Vgl. zur wortgleichen Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: BVerwG, Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Thüringen, Urteil vom 28. November 2013 – 2 KO 185/09 -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -, jeweils zitiert nach juris.
45Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Klägers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
46Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, zitiert nach juris.
47Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger aufgrund seines unglaubhaften Vorbringens zu seinem Verfolgungsschicksal kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
48Ein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch Abschiebungsverbote können nicht festgestellt werden. Dies gilt insbesondere für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit muss es sich um Gefahren handeln, die den einzelnen Ausländer in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen. Erfasst werden auch dabei nur zielstaatsbezogene Gefahren.
49Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, „allgemein“ ausgesetzt ist, sind demgegenüber nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Insoweit entfaltet § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine gewisse Sperrwirkung. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen aufgrund einer ausländerrechtlichen Erlasslage außerhalb des Anwendungsbereichs von § 60a AufenthG oder aufgrund einer aus individuellen Gründen erteilten Duldung für den Ausländer ein gleichwertiger Schutz vor Abschiebung – wie z.B. in den Fällen des § 58 Abs. 1a) AufenthG – tatsächlich besteht.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, bverwg.de, Rn 15 ff. m.w.N.
51Diese Sperrwirkung greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde.
52Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 – 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379, vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, und vom 29. September 2011 – 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451.
53Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
54Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2013 – 13 A 2635/12.A – und – 13 A 2673/12.A – sowie vom 13. Februar 2013 – 13 A 1524/12.A -.
55Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen.
56Vgl. BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 – 13a B 11.30465 – und– 13a B 11.30391 -.
57Angesichts dessen geht das Gericht auf der Grundlage der Erkenntnisquellen, die ihr zur Verfügung stehen, davon aus, dass trotz der nach wie vor teilweise äußerst schlechten allgemeinen Versorgungslage jedenfalls in Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste. Dies entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung.
58Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 21. März 2012 – 8 A 11048/10 – und – 8 A 11050/10 -; BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 13a B 10.30394 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A – und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 -; dem hat sich auch der VGH Baden-Württemberg unter Aufgabe der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 14. Mai 2009 – A 11 S 610/08 – und 9. Juni 2009 – A 11 S 477/09 – (beide aufgehoben und zurückverwiesen durch BverwG, Urteile vom 8. September 2011 – 10 C 16.10 – und – 10 C 14.10 -) angeschlossen, vgl. Urteile vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 – sowie vom 27. April 2012 – A 11 S 3079/11 – und – A 11 S 3392/11 -.
59Zwar herrscht nach den vorliegenden Erkenntnisquellen in Kabul ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum und ein Zugang zu sauberem Wasser sowie bezahlbarem Strom ist nicht überall gewährleistet. Infolgedessen sehen sich zahllose Menschen gezwungen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Bei alledem ist die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, hoch. Soziale Sicherungssysteme bestehen nicht und die allgemeine medizinische Versorgung ist schlecht. Andererseits hat sich in vielen Stadtteilen Kabuls, zumal im Stadtzentrum, die Lage seit 2009 – etwa mit Blick auf die Stromversorgung, die Eröffnung von Geschäften und die Etablierung einer Müllabfuhr und eines Mindestmaßes an Ordnung überhaupt – durchaus verbessert.
60Vgl. etwa Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 406, 408 ff., mit weiteren Nachw.; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 -, mit Hinweis auf u. a. auf Kermani, Die Zeit vom 5. Januar 2012, 11 ff.; siehe auch Danesch, Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof v. 3. September 2013.
61Erkenntnisquellen, die in signifikanter Weise den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, liegen allerdings nicht vor.
62Ebenso UNHCR, Gutachten an OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011, S. 10 f.
63Auch der Bericht von amnesty international zur Lage der Binnenflüchtlinge aus Februar 2012,
64„Die Flucht vor dem Krieg führt ins Elend – Die Not der Binnenflüchtlinge in Afghanistan“, zit. nach ACCORD, Anfragebeantwortung vom 1. Juni 2012 zur Situation von Minderjährigen ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei Rückkehr,
65enthält keine Hinweise darauf, dass praktisch jeder mittellose Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod durch Verhungern oder Erfrieren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeliefert werden würde. Zwar sind gemäß der Einschätzung von amnesty international die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern von Kabul aufgrund des Mangels an Wohnungen, Lebensmitteln und Heizmaterial für Familien im Allgemeinen und kleine Kinder im Besonderen humanitär kritisch. Reguläre Arbeitsangebote für die Menschen in diesen Slums seien rar, viele Männer und Jungen könnten aber als Lastenträger arbeiten und damit 600 bis 750 Afghanis (13 bis 16 US-Dollar) pro Woche verdienen.
66Vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2012 – 13a ZB 12.30108 -.
67Bei alledem ist und bleibt das ökonomische Überleben in Afghanistan auch und gerade von der familiären Unterstützung abhängig. Die Rückkehrsituation, die ein Rückkehrer in Kabul vorfindet, wird daher auch davon mitbestimmt, ob er sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen kann, oder ob er auf sich allein gestellt ist. Je stärker noch die soziale Verwurzelung des Rückkehrers oder je besser seine Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser kann er sich in die jetzige Situation in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls ein Überleben sichern.
68Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 23. Januar 2013 – Au 6 K 12.30234 -; ebenso VG Würzburg, Urteil vom 26. September 2012 – W 2 K 11.30396 -.
69Unter Berücksichtigung all dessen ergibt eine Gesamtschau der aktuellen Auskünfte, dass vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 – www.bverwg.de; BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 – 13a B 11.30391 – und – 13a B 11.30465 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 – 8 A 11050/10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 -.
71Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im Einzelfall ein Abschiebungshindernis abzulehnen. Der Kläger gehört zu der Gruppe gesunder, alleinstehender, arbeitsfähiger junger Männer, die in Kabul ihren Lebensunterhalt sichern können. Die Ehefrau des Klägers und seine Familie in Afghanistan halten sich in Afghanistan auf und können ihn nach der Rückkehr unterstützen. Der Kläger hat seinen Lebensunterhalt in einem eigenen Schneidergeschäft erwirtschaftet und vorgetragen, von den Einnahmen habe leben zu können. Außerdem hat der Kläger allein für den Erwerb eines gefälschten polnischen Reisepasses in Griechenland 1.000 € aufgewendet. Nach alledem wird der Kläger in der Lage sein, das Existenzminimum in Kabul zu sichern.
72Vor diesem Hintergrund begegnen auch die Ausreiseaufforderung – Ziffer 4. – und die Abschiebungsandrohung nach Afghanistan unter Ziffer 5. des Bescheides keinen rechtlichen Bedenken.
73Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.