Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 14. Juli 2016 - 3 K 4064/16
Gericht
Tenor
1. Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
2. Der Streitwert wird auf 5.112,94 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
3§ 161 Abs. 3 VwGO, wonach in den Fällen des § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten zur Last fallen, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte, findet hier gegenüber § 161 Abs. 2 VwGO keine vorrangige Anwendung. Die für den Kläger günstige Kostenregelung in § 161 Abs. 3 VwGO zielt auf die Fälle, in denen der Rechtsstreit nach einer Untätigkeitslage im Sinne des § 75 VwGO auf Grund des Tätigwerdens der Behörde (definitiv) beendet wird. Setzt der Kläger dagegen den Rechtsstreit fort, nachdem die Behörde in Befolgung ihrer Verfahrenspflichten einen Bescheid oder Widerspruchsbescheid erlassen hat, so entfällt die Rechtfertigung für die Überbürdung der Kosten auf die Beklagte, weil dann ihre Untätigkeit nicht die Ursache für die Verfahrenskosten ist. Der Kläger riskiert durch die Fortsetzung des Prozesses die Verfahrenskosten unabhängig von der ursprünglichen Untätigkeit der Behörde. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt diese Auffassung für den Fall, dass ein Kläger nach rechtswidrig verzögerter Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts den Prozess fortsetzt.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 – 3 C 56/90 –, juris – Ls. 4.
5Das Gleiche muss nach verbreiteter Rechtsprechung gelten, wenn ein Kläger statt einer förmlichen Fortsetzung des Prozesses das Verfahren nach dem Tätigwerden der Behörde mit Zustimmung des Beklagten durch Erledigungserklärung beendet, sein Klageziel jedoch weiterverfolgt. Der Rechtsstreit hat sich dann nur scheinbar erledigt. Der Grund für die Vergünstigung des § 161 Abs. 3 VwGO, nämlich einen Kläger von dem Kostenrisiko zu befreien, das ihm dadurch entsteht, dass er die behördliche Beurteilung seines Antrags oder Widerspruchs in angemessener Zeit nicht erfahren hat, kann die Kostenüberbürdung auf die Beklagte dann nicht tragen. Die Beklagte trüge ohne sachlichen Grund das Risiko, zweimal mit Prozesskosten belastet zu werden. Dem Kläger würde dagegen das Kostenrisiko für das erste Verfahren abgenommen, obwohl er das Verfahren fortsetzen will.
6VG Berlin, Beschluss vom 29. August 2013 – 3 K 469.13 –, juris, Rn. 4; VG Göttingen, Beschluss vom 06. November 2003 – 3 A 200/03 –, juris, Rn. 3; VG Bremen, Beschluss vom 05. Juli 2002 – 1 K 376/02 –, juris.
7Der Grundgedanke dieser Entscheidungen lässt sich auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Hier hat die Klägerin nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht ihre Untätigkeitsklage gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO auf eine Verpflichtungsklage umgestellt, obwohl dies prozessrechtlich ohne Weiteres möglich und sachgerecht gewesen wäre. Bei gleichbleibendem Sachverhalt ist der Übergang von einem Bescheidungsantrag zu einem Verpflichtungsantrag jedoch keine Änderung des Streitgegenstands, sondern nur eine Erweiterung, die prozessual ohne Weiteres zulässig ist.
8Vgl. VG Bremen, a.a.O.
9Demgegenüber hat sie im Verfahren 3 K 3527/16 eine neue Verpflichtungsklage mit dem gleichen materiellen Ziel der Zusicherung der kieferorthopädischen Behandlung erhoben, wobei sie die Aufhebung des gerade erlassenen Widerspruchsbescheides begehrte.
10Ist demnach nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden, ist es hier billig, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Das hier noch anhängige Verfahren musste nur deshalb einer Beendigung zugeführt werden, weil im Verfahren 3 K 3527/16 am 30. Mai 2016 Verpflichtungsklage erhoben wurde. Unter diesen Umständen kam eine prozessual sachgerechte Umstellung der Bescheidungsklage nicht mehr in Betracht, weil im Hinblick auf das hiesige Verfahren 3 K 4064/16 doppelte Rechtshängigkeit eingetreten wäre. Mangels anderer Möglichkeiten, das Verfahren 3 K 4064/16 in der Sache erfolgreich weiter zu führen, ist ein Kostenrisiko entstanden, das unter Billigkeitsgesichtspunkten der Klägerin zuzurechnen ist und nicht der Beklagten aufgebürdet werden kann. Denn die Beklagte kann ihrerseits billigerweise damit rechnen, im Falle eines Prozessverlusts im Verfahren 3 K 3527/16 nur einmal mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden, nicht jedoch auch nur anteilig mit den Kosten eines weiteren erledigten Verfahrens, das wegen der Anhängigkeit einer neuen Klage durch die Klägerin nicht mehr erfolgsträchtig fortgesetzt werden kann.
11Im Hinblick auf die Kosten der Verweisung folgt die Kostenentscheidung aus § 17b Abs. 2 GVG.
12Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses wird der Rechtsstreit mit Eingang der Akten bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht anhängig. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben bestehen.
(2) Wird ein Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen, so werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
(3) Absatz 2 Satz 2 gilt nicht in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.