Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 30. Juni 2015 - 19a K 5436/14.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Am 15. September 2009 stellte er in Norwegen einen Asylantrag. Dieser wurde am 25. September 2013 abgelehnt.
3Am 24. Juli 2014 stellte der Kläger einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland. Bei einem Gespräch am selben Tag trug er dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – vor, er sei Ende September 2013 über Schweden in die Türkei gereist und habe sich dort ca. acht Monate aufgehalten. Anschließend sei er 24 Tage in Griechenland gewesen und danach nach Deutschland eingereist. Er wolle in keinen anderen Vertragsstaat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) überstellt werden.
4Am 23. September 2014 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Norwegen und setzte den Kläger hiervon in Kenntnis. Mit Schreiben vom 29. September 2014 erklärte sich das „Norwegian Directorate of Immigration“ zur Übernahme gemäß Artikel 3 Absatz 2 und Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO bereit. Der Kläger bat mit Schreiben vom 7. Oktober und 4. November 2014, von einer Überstellung nach Norwegen abzusehen. Er berief sich auf seine angebliche Einreise über die Türkei nach Griechenland und bat um Berücksichtigung, dass eine Tante und eine Cousine in O. lebten. Er führte an, dass er am 13. September 2014 in der H. in I. getauft worden sei.
5Mit Bescheid vom 13. November 2014, zugestellt am 20. November 2014, stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest und ordnete die Abschiebung nach Norwegen an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Unzulässigkeit des Asylantrags folge aus § 27a AsylVfG, da Norwegen gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO seien nicht ersichtlich. In Norwegen lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Es sei davon auszugehen, dass dort die einschlägigen Regelungen des EU-Rechts eingehalten würden und im Bedarfsfall die erforderliche medizinische Behandlung und Betreuung auch traumatisierter und sonst vulnerabler Personen gewährt werde. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
6Der Kläger hat am 4. Dezember 2014 Klage erhoben. Er hat zunächst über die Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2014 hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, seine Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und äußerst hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten durch die Beklagte begehrt. Insoweit hat er die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
7Er trägt ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, er sei Mitglied der Evangelischen Kirchengemeinde in I1. und besuche regelmäßig die Gottesdienste. Die Überstellungsfrist nach der Dublin III-VO sei abgelaufen. Hierauf müsse er sich berufen können. Ein entsprechendes subjektives Recht sei ihm eingeräumt, weil ansonsten entgegen dem Zweck der Dublin-III-Verordnung nicht gewährleistet wäre, dass ein Vertragsstaat zeitnah sein Asylbegehren prüfe. Nach einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Kreises S. , wegen deren Inhalt auf Bl. 55 f. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, sei er nicht reisefähig.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. November 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte stellt keinen Antrag.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
14Im Übrigen ist die Klage als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO zulässig, aber unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des Bescheids und sieht daher insoweit gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zwecks Vermeidung von Wiederholungen ab.
15Mit Blick auf das Vorbringen des Klägers ist folgendes zu ergänzen:
16Die Konversion des Klägers zum Christentum ist für den vorliegenden Streitgegenstand irrelevant. Für die Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheid vom 13. November 2014 auf der Grundlage der §§ 27a, 34a Abs. 1 AsylVfG und der maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung getroffenen Regelungen kommt es nicht auf die Begründung des Asylgesuchs an.
17Auf den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO kann sich der Kläger nicht berufen, weil diese Vorschrift ihm keine subjektiven Rechte verleiht. Nach einem – wie hier – erfolgreichen Wiederaufnahmegesuch kann ein Asylantragsteller der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten.
18Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, 208; BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 – 1 B 9.14 u.a. –, vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – und vom 21. Mai 2014 – 10 B 31.14 –, jeweils juris.
19Art. 29 Dublin III-VO teilt die Zweckrichtung der Vorschriften über die Bestimmung der Zuständigkeit in Kapitel III der Dublin III-Verordnung. Vorrangiges Ziel ist hier wie dort eine möglichst eindeutige Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und in der Folge eine zeitnahe Prüfung des Asylantrags. Zur Förderung dieses Ziels sollen die Fristbestimmungen der Dublin III-Verordnung bewirken, dass die Feststellung des zuständigen Mitgliedstaates und die Überstellung in diesen Staat zeitnah erfolgen. Dieser Normzweck betrifft das Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander. Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylbewerber aber keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf gewähren, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.
20Vgl. OVG S.-H., Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 15/15 –, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, InfAuslR 2015, 74; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2015 – 13 L 202/15.A –, juris.
21Etwas anderes folgt nicht aus dem Effektivitätsgrundsatz des Art. 197 Abs. 1 AEUV, der gebietet, dass der nationale Vollzug des Unionsrechts dessen Wirksamkeit nicht übermäßig erschweren oder sogar praktisch unmöglich machen darf. Zur Förderung der beschriebenen Ziele ist es nicht geboten, die Durchsetzung der Regeln zur Aufgabenverteilung auf die Mitgliedstaaten nach der Dublin III-Verordnung im Allgemeinen und der Überstellungsfrist im Besonderen dem Einzelnen zuzuweisen. Im Gegenteil würde es die effektive Durchsetzung dieser Regeln behindern, wenn die Überprüfung der Aufgabenverteilung in die Hände des Einzelnen gelegt und ihm damit Gelegenheit geboten würde, die zügige Bearbeitung seines Asylantrags durch einen von ihm nicht gewünschten Mitgliedstaat zu verhindern und seinen Verbleib in dem von ihm gewünschten Mitgliedstaat durchzusetzen. Das gilt in Sonderheit im Hinblick auf die Überstellungsfrist, denn der Asylbewerber hat es zu einem maßgeblichen Anteil selbst in der Hand, wann eine Überstellung erfolgt, indem er sich beispielsweise freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates meldet und hierdurch das Verfahren selbst beschleunigt oder im Gegenteil – wie hier – seiner vollziehbaren Ausreisepflicht nicht nachkommt oder sich einer Überstellung sogar aktiv entzieht.
22Vgl. ähnlich VG Düsseldorf, a.a.O.
23Eine mit den genannten Zielen der Dublin III-Verordnung nicht mehr vereinbare Vereitelung oder unzumutbare Verzögerung der Prüfung des Asylbegehrens durch jedenfalls einen Vertragsstaat folgt aus der Verneinung eines subjektiven Rechts auf Einhaltung der Überstellungsfrist nicht. Norwegen ist nicht gehindert, den Kläger ungeachtet des Fristablaufs zu übernehmen. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass Norwegen von seiner unter dem 29. September 2014 erklärten Übernahmebereitschaft Abstand genommen hat. Sollte diese nachträglich entfallen, hat die Beklagte das Verfahren von Amts wegen fortzusetzen und ggf. das Begehren des Klägers in der Sache zu prüfen. Kommt es bei der Umsetzung dieser Maßgaben zu mit den Rechten des Klägers aus Art. 41 Abs. 1 EuGrdRCh nicht vereinbaren Verzögerungen, bleibt es ihm unbenommen, mit Verweis hierauf einen erneuten Schutzantrag zu stellen.
24Vgl. OVG S.-H., a.a.O.
25Aus gleichartigen wie den vorstehenden Gründen verleiht auch Art. 20 Abs. 5 UAbs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Dublin-III-VO dem Kläger kein einklagbares Recht. Es handelt sich um eine allein der Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten dienende Zuständigkeitsbestimmung. Wenn schon der Asylbewerber der Abschiebung in den aufnahmebereiten Mitgliedstaat die falsche Anwendung des Kriteriums der ersten Einreise nach der Dublin III-Verordnung nicht entgegenhalten kann, gilt dies erst recht für die an eine zutreffende Anwendung dieses Kriteriums anschließende unrichtige Anwendung der Vorschrift über das Erlöschen der Zuständigkeitsverpflichtung bei mindestens dreimonatigem Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten. Der Vorschrift liegt die Wertung zu Grunde, dass der die Zuständigkeit rechtfertigende Gesichtspunkt der ersten Einreise sein Gewicht umso mehr einbüßt, je länger sich ein Asylbewerber danach außerhalb des Dublin-Gebiets aufhält. Diese Wertung weist keinen Bezug zu schützenswerten Interessen des Asylbewerbers auf.
26Vgl. zur vergleichbaren Vorschrift des Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 – 14 A 1140/14.A –, juris.
27Der Durchführbarkeit der Abschiebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 a.E. AsylVfG steht auch kein auf Reiseunfähigkeit des Klägers beruhendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis entgegen.
28Zur Relevanz solcher Vollstreckungshindernisse vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris.
29Ein solches liegt dann vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht oder mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann.
30Vgl. BVerfG, a.a.O.
31Dafür fehlt es hier auch in Würdigung der amtsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie T. beim Gesundheitsamt des Kreises S. vom 2. März 2015 an tragfähigen Anhaltspunkten. Zunächst genügt die Stellungnahme nicht den Anforderungen an die Substantiierung einer psychisch begründeten Reiseunfähigkeit (a). Selbst bei Zugrundelegung der aus der Stellungnahme ersichtlichen Fakten fehlt es an einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit suizidaler Handlungen (b). Schließlich ist zu erwarten, dass eine Suizidgefahr gegebenenfalls durch entsprechende Sicherungsvorkehrungen ausgeschlossen bzw. auf ein unerhebliches Maß gemindert wird (c).
32(a) Die amtsärztliche Stellungnahme vom 2. März 2015 bietet keinen hinreichend substantiierten Anhalt für die darin getroffene Feststellung, der Kläger sei aktuell „und voraussichtlich bis zu einem halben Jahr“ reiseunfähig. Es fehlt an einer nachvollziehbaren und belastbaren Begründung dieser Feststellung. Dass das Gericht bei den in Rede stehenden medizinischen Fachfragen keine eigene, durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt, hat es bei dieser Bewertung berücksichtigt. Unbeschadet dessen ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder einer fachlichen Stellungnahme nicht blindlings, sondern nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist. Das gilt in besonderem Maße, wenn – wie hier – unscharfe psychische Krankheitsbilder zu beurteilen sind, bei denen nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Vorgänge im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit des geschilderten inneren Erlebens und ggf. äußerer Anknüpfungstatsachen ankommt. Aus diesen spezifischen Schwierigkeiten folgt, dass ein entsprechendes fachärztliches Attest gewissen Mindestanforderungen genügen muss. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu können etwa Angaben darüber gehören, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf geben.
33Vgl. VG München, Urteil vom 25. Juli 2012 – M 22 K 10.30759 –, juris.
34Diesen Mindestanforderungen genügt die Bescheinigung des Amtsarztes nicht. Es fehlt bereits an einer eindeutigen und bestimmten Diagnose. Die Stellungnahme erwähnt „beachtliche Hinweise auf die Entwicklung einer psychischen Störung, die in ihrer Art und Schwere die Möglichkeiten des Betroffenen, sich mit der Tatsache, nach Norwegen zurückkehren zu müssen, konstruktiv auseinander zu setzen, erheblich beeinträchtigt“. Dies führe „im Rahmen einer dann akuten Belastungsreaktion impulshaft zu lebensverneinenden Gedanken und Suizidimpulsen“. Die angebliche „psychische Störung“ wird dabei weder klinisch eingeordnet noch mit Verantwortung übernehmender Bestimmtheit festgestellt. Es wird auch nicht ausgeführt, worin konkret die „beachtlichen Hinweise“ auf eine solche Störung gesehen werden. Ebenso fehlt es an nachvollziehbaren Angaben dazu, wie sich die „dann akute Belastungsreaktion“ und die „Suizidimpulse“ im konkreten Fall darstellen sollen und ob sowie gegebenenfalls inwiefern erhobene Befunde eine solche Annahme bestätigen. Vielmehr drängt sich bei Lektüre der Bescheinigung auf, dass der Amtsarzt die von dem Kläger „hier vorgebrachten Gründe für das Auslösen einer Belastungsreaktion“ unkritisch übernommen und seinen Schlussfolgerungen weitgehend unbesehen zu Grunde gelegt hat. Eine Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt dieser Angaben hat offensichtlich nicht stattgefunden. Deren Würdigung erschöpft sich in der pauschalen Wiedergabe des rein subjektiven, nicht ansatzweise befundgestützten und damit auch nicht nachvollziehbaren Eindrucks des Amtsarztes, er habe den Kläger „in seiner Sorge als sehr authentisch und in der Tat hierdurch ausgesprochen belastet erlebt“. Zu einer kritischen objektivierten Auseinandersetzung mit den Angaben des Klägers hätte jedoch umso mehr Anlass bestanden, als es für ein vorheriges Auftreten einer suizidalen Problematik an jeglichem Anhaltspunkt fehlt, obwohl vergleichbare Belastungssituationen wie die vom Amtsarzt für maßgeblich erachtete bereits in der Vergangenheit aufgetreten sind, so namentlich nach Ablehnung des in Norwegen gestellten Asylantrags und der Anhörung des Klägers im vorliegenden Verfahren zu seiner Überstellung nach Norwegen. Noch in seinen anwaltlichen Stellungnahmen vom 7. Oktober und 4. November 2014 zu der Frage der Überstellung hat der Kläger Suizidgedanken und –impulse mit keinem Wort geltend gemacht, sondern lediglich zu seinem angeblichen Reiseweg nach Ablehnung seines Asylantrags in Norwegen, seinen verwandtschaftlichen Verbindungen nach O. und seiner Taufe vorgetragen. Schließlich geht die amtsärztliche Stellungnahme auch nicht darauf ein, ob, wie häufig und mit welchem Verlauf sich der Kläger wegen seiner psychischen Probleme in ärztlicher Behandlung befunden hat.
35(b) Selbst wenn entgegen diesen Erwägungen der amtsärztlichen Bescheinigung eine gewisse Aussagekraft beigemessen wird, geht diese allenfalls dahin, dass der Kläger von Suizidgedanken und –impulsen im Zusammenhang mit einer Abschiebung nach Norwegen berichtet und dabei auf den Amtsarzt authentisch und stark belastet gewirkt hat. Solche Äußerungen mögen zwar zu der Bewertung führen, dass suizidale Handlungen nicht ausgeschlossen werden können, haben aber mangels zuverlässiger Überprüfbarkeit der dahinterstehenden Motivation und Ernsthaftigkeit isoliert betrachtet wenig Aussagekraft. Die daraus allenfalls ableitbare Möglichkeit suizidaler Handlungen kann sich nur bei Hinzutreten weiterer Indizien zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichten. Jedenfalls die zeitlich begrenzte bloße innere Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken rechtfertigt ohne das Hinzutreten äußerer damit im Zusammenhang stehender Anzeichen einer Gesundheitsverschlechterung die Annahme einer solchen beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A –, juris.
37Solche hinzutretenden Umstände sind nicht erkennbar. Der Kläger hat sich bislang allenfalls innerlich der Suizidthematik zugewandt. Dies erfolgte zeitlich begrenzt, nämlich erst im unmittelbaren Anschluss an die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Erhebung der vorliegenden Klage. Wie bereits ausgeführt, ist dabei auffällig, dass für ein vorheriges Auftreten einer suizidalen Problematik in vergleichbaren Belastungssituationen der Vergangenheit kein Anhalt besteht. Äußere Anzeichen von Suizidalität sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
38(c) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen würde selbst eine bestehende Suizidgefahr kein der Abschiebungsanordnung entgegenstehendes Abschiebungshindernis begründen. Denn die Gefahr kann durch entsprechende Sicherungsvorkehrungen ausgeschlossen bzw. auf ein unterhalb der Beachtlichkeitsschwelle liegendes Maß gemindert werden und es ist auch zu erwarten, dass dies geschehen wird. Im Falle einer Suizidgefährdung ist nämlich die zuständige Behörde verpflichtet, die erforderlichen Begleitmaßnahmen zu treffen, also die aktuelle Überprüfung der Reisefähigkeit durch einen Arzt, eine ärztliche Begleitung während der Abschiebung, die Mitgabe eines Vorrats von erforderlichen Medikamenten und den Empfang des Kranken am Flughafen des Zielstaates durch einen Arzt sicherzustellen, der über die eventuell erforderliche weitere Behandlung – etwa eine stationäre Aufnahme – entscheidet.
39Vgl. BVerfG, a.a.O., Saarl. OVG, Beschluss vom 19. Februar 2015 – 2 B 400/14 –, juris.
40Es ist davon auszugehen, dass die zuständige Behörde dieser Rechtspflicht nachkommen wird. Das entspricht auch der dem Einzelrichter aus einer Vielzahl ausländerrechtlicher Verfahren bekannten Abschiebungspraxis in Fällen, in denen eine Suizidgefahr geltend gemacht worden ist. Ein Anhalt für die Annahme, dass solche Hilfen unzureichend sein könnten, besteht nicht.
41Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Annotations
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.