Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 23. Apr. 2015 - 17a K 3018/14.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1971 geborene Kläger ist albanischer Volkszugehörigkeit und stammt aus dem Kosovo.
3Sein Asylantrag vom 22. Oktober 1998 wurde mit Bescheid des früheren Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), vom 6. Januar 1999 abgelehnt; zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und § 53 des Ausländergesetztes – AuslG – nicht vorliegen und der Kläger unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise in die Bundesrepublik Jugoslawien aufgefordert. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Beschluss des VG Gelsenkirchen vom 24. Januar 2000 – 7a K 324/99.A - eingestellt, da die Klage gemäß § 81 Satz 1 AsylVfG als zurückgenommen galt.
4Am 5. März 2010 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, Angst vor der Rache der Familien von Frauen zu haben, mit denen er früher zusammen gewesen sei. Er werde auch in Deutschland bedroht. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Januar 2011 wurde zudem unter Verweis auf mehrere Bescheinigungen der LWL- Universitätsklinik C. die Feststellung eines Abschiebungshindernisses beantragt; der Kläger sei psychisch schwer krank und leide u.a. an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und einer Dissozialen Persönlichkeitsstörung.
5Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 24. Oktober 2012 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 6. Januar 1999 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 des Ausländergesetzes ab.
6Bereits durch Urteil des Landgerichts C1. vom 30. November 2011 (II-1 KLs-7 Js 404/11-22/11) wurde die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Freispruch hinsichtlich der angeklagten Vorwürfe im Übrigen angeordnet. Nach den Feststellungen des Urteils beging der Kläger in der Zeit vom 18. Januar 2010 bis zum 15. November 2011 diverse Straftaten, unter anderem eine versuchte gefährliche Körperverletzung sowie mehrere Sachbeschädigungen. Der versuchten gefährlichen Körperverletzung liegt zugrunde, dass der Kläger am 5. Mai 2011 auf einen Rechtsanwalt, der in der Nähe der Wohnung des Klägers seine Kanzlei hatte, mit einem Messer in der Hand zustürmte, als dieser zum wiederholten Mal an der Wohnung des Klägers vorsprach, um sich über das Abspielen lauter Musik zu beschweren. Dem Angegriffenen gelang es, rechtzeitig vor dem Kläger zu fliehen. Das Landgericht gelangte sachverständig beraten zu der Überzeugung, dass der Kläger zu den jeweiligen Tatzeitpunkten unter einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie (ICD-10: F 20.0) litt, in deren Folge seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war.
7Nachdem der Kläger seit Juni 2011 zunächst in der LWL-Klinik C3. und weiteren Einrichtungen untergebracht war, erfolgte ab dem 2. Dezember 2013 eine Langzeitbeurlaubung in einer eigenen Wohnung in C2. – unter Fortdauer der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankhaus aus dem Urteil des Landgerichts C2. vom 30. November 2011 (Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts E. vom 1. Juli 2014). Wesentlich hierfür war eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte und Therapeuten der X. -S. -Klinik (LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie E. (LWL-Klinik), die unter dem 1. April 2014 verfasst worden ist und fehlerhaft auf den 14. Mai 2013 datiert. Danach sei bei dem Kläger die psychotische Symptomatik weitgehend unter der in intramuskulärer Depotform applizierten Neuroleptikatherapie (Xeplion, 75 mg, im vierwöchigen Intervall) remittiert. Der Kläger bewohne eine kleine Wohnung in dem Haus seines Halbbruders, in dem dieser mit seiner Ehefrau und seinen Kindern lebe. Es bestehe ein intensiver und fürsorglicher Kontakt. Die Behandlungsprognose sei grundsätzlich positiv. Die kontinuierliche positive Entwicklung basiere auf der neuroleptischen Behandlung und auf dem geschützten Unterbringungsrahmen. Das Landgericht E. hat sich den Ausführungen der behandelnden Ärzte und Therapeuten angeschlossen und die weitere Fortdauer der Unterbringung angeordnet, weil zunächst die Langzeitbeurlaubung weiter abzuwarten sei; im Fall einer psychischen Dekompensation bestehe weiterhin die hohe Gefahr, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges erneut Taten begehen werde, die mit den der Unterbringung zugrundeliegenden Taten vergleichbar seien.
8Unter Verweis hierauf und auf weitere Stellungnahmen der LWL-Klinik E. haben unter dem 28. April 2014 die Ausländerbehörde der Stadt C2. und sodann die Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 12. Mai 2014 beim Bundesamt die Überprüfung bzw. Feststellung von Abschiebungshindernissen bzw. – verboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in der Person des Klägers beantragt. Nach Auffassung der LWL-Klinik schütze (nur) eine neuroleptische Depotmedikation, die im Kosovo nicht verfügbar sei, den Kläger vor einer psychotischen Exazerbation. Eine Änderung oder ein Ersatz dieser Medikation führe somit zu einer Eigen- und Fremdgefährdung bis hin zur möglichen Todesfolge. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Stellungnahmen der LWL-Klinik vom 16. Dezember 2013 und vom 5. Mai 2014 verwiesen (Bl. 2 u. 14 f BA 2).
9Mit Bescheid vom 3. Juni 2014, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 23. Juni 2014, lehnte das Bundesamt den erneuten Antrag des Klägers auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 6. Januar 1999 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes lägen auch im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung nicht vor. Es sei nicht dargelegt worden, dass dem Antragsteller alsbald nach Rückkehr in sein Herkunftsland eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Gesundheitsverschlechterung drohe. Die Behandlung auch von psychisch schwer Erkrankten sei im Kosovo zureichend möglich. Das von der LWL-Klinik für erforderlich gehaltene „langfristige Zusammenleben des Klägers im Kreise seiner Familie“ sei kein vom Bundesamt zu prüfender Tatbestand. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen.
10Der Kläger hat am 3. Juli 2014 Klage erhoben.
11Er begehrt unter Verweis auf die Ausführungen im Wiederaufgreifensverfahren die Feststellung von Abschiebungsverboten und verweist dazu auf die Stellungnahmen der LWL-Klinik. Hierdurch sei die Auffassung des Bundesamtes widerlegt: Falle entweder die (Depot-) Medikation weg oder werde sie geändert oder aber falle die familiäre Betreuung weg, so drohe eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Gesundheitsverschlechterung. Nach aktuellem Behandlungsstand werde der Kläger auf Lebenszeit auf die neuroleptische Depotmedikation „Xeplion“ angewiesen sein. Demgemäß müsse der Kläger auch nach Auffassung des Landgerichts E. noch für einen längeren Zeitraum im Maßregelvollzug verbleiben.
12Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Stellungnahmen der LWL-Klinik vom „14.05.2013“ (richtig: 14. April 2014) und 5. November 2014 Bezug genommen.
13Das Gericht hat mit Aufklärungsverfügung vom 2. Dezember 2014 eine ergänzende Stellungnahme der LWL-Klinik zu dem beim Kläger prognostisch zu erwartenden Krankheitsverlauf eingeholt. Hierauf und auf die dazu ergangene Stellungnahme vom 5. Januar 2015 nebst Ergänzungen vom 2. und 13. April 2015 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
14Der Kläger beantragt,
15die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Juni 2014 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.5 und 7 Satz 1 AufenthG in der Person des Klägers vorliegen.
16Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
17die Klage abzuweisen.
18Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
19Mit Beschluss der Kammer vom 1. Dezember 2014 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Die zulässige Klage ist nicht begründet.
23Der Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juni 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unabhängig davon nicht zu, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 51 Abs. 1 bis 3 und 5, 48, 49 VwVfG vorliegen.
24Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
25Für eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ist weder etwas vorgetragen worden, noch ist eine solche aufgrund der aktuellen Erkenntnislage sonst beachtlich wahrscheinlich.
26Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2013, 29. Januar 2014 und 25. November 2014 zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Kosovo; vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Mai 2010 - 10 LB 60/07 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 5. September 2011 - 13 A 1660/11.A - und vom 14. April 2005- 13 A 654/05.A -; OVG Saarland, Beschluss vom 1. Dezember 2006 - 3 Q 126/06 -, jeweils juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Februar 2012- 17a K 1983/11.A – und vom 8. Mai 2014– 17a K 2504/13.A -, juris;
27Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für den Ausländer eine konkrete individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und die Gefahr dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit droht.
28Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.Oktober 1995 - 9 C 9.95 - und 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 -, OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A -, jeweils juris.
29Ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift kann auch darin begründet sein, dass sich die individuelle Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach der Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlimmern würde, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
30Vgl. dazu z. B. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1999- 9 C 2.99 - sowie Urteil vom 25. November 1997- 9 C 58.96 -, Beschluss vom 17. August 2011- 10 B 13/11 -, jeweils zitiert nach juris.
31Hiernach sind indes regelmäßig nur solche Umstände relevant, die für den betreffenden Ausländer den Aufenthalt im Zielland der angedrohten Abschiebung unzumutbar machen und damit in Gefahren begründet liegen, welche diesem im Zielstaat drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Treten die befürchteten negativen Auswirkungen jedoch allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein, so handelt es sich um ein sogenanntes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Ein solches ist nicht durch das zuständige Bundesamt der Beklagten bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote, sondern durch die zuständige Ausländerbehörde zu berücksichtigen.
32Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.September 1999 - 9 C 8.99 - und vom 15. Oktober 1999 - 9 C 7.99 -, jeweils zitiert nach juris.
33Für die Prognose einer Gefährdung nach Rückkehr in das Herkunftsland im dargestellten Sinn ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit der so umschriebenen Gefahr erforderlich. Daraus folgt, dass die im konkreten Einzelfall für eine zu erwartende Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Umstände überwiegen müssen. Dies erfordert die zusammenfassende verständige Würdigung aller objektiven Umstände unter Einbeziehung des Ranges des gefährdeten Rechtsgutes und der Zumutbarkeit des mit der Rückkehr verbundenen Risikos aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Dritten dahingehend, ob die Umstände die erhebliche Gefahr einer Rechtsgutverletzung alsbald erwarten lassen.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46
35Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit der zu erwartenden Gefährdungssituation ist dabei nur dann gegeben, wenn der Eintritt der Gefahr eine bedeutende Rechtsgutbeeinträchtigung nach sich zieht. Ausgehend von einer unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeit liegt das für die hieraus resultierende akute Lebensgefahr auf der Hand und heißt für den Fall der befürchteten Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Erkrankung, dass sich der Gesundheitszustand nach Ankunft im Zielland der Abschiebung in absehbarer Zeit wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Der Begriff der wesentlichen Verschlechterung liegt nur dann vor, wenn die befürchtete ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustandes nach Rückkehr derart gravierend sein wird, dass außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden oder existenzbedrohende Zustände zu erwarten sind.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2006- 13 A 1740/05.A -, Urteil vom 27. Januar 2015– 13 A 1201/12.A -, a.a.O.
37Daraus leitet sich zugleich ab, dass eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann vorliegt, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. September 2003- 13 A 3253/03.A -.
39Zu berücksichtigen ist dabei ferner, ob der Ausländer voraussichtlich in der Lage sein wird, ohne Schädigung des Existenzminimums im Sinne der Gefahr drohender Verelendung, die erforderliche, eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindernde, im Herkunftsland mögliche Behandlung zu finanzieren. Hierzu sind seine genannten voraussichtlichen Lebensumstände im Herkunftsland aber auch eventuelle finanzielle Unterstützungen, z. B. durch Inanspruchnahme von Sozialleistungen oder durch Verwandte im Ausland, in den Blick zu nehmen.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2011- 13 A 1660/11.A -.
41Hiervon ausgehend lässt sich nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Kammer für den Kläger ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht herleiten.
42Dabei geht die Kammer davon aus, dass vorstehend realistisch allein der Kosovo als Zielstaat einer etwaigen Abschiebung in Betracht kommt und überdies die ärztlich bescheinigten Erkrankungen bei dem Kläger tatsächlich vorliegen. Es ist indessen prognostisch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich sein Gesundheitszustand im Falle seiner Rückkehr in den Kosovo wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten, seiner ethnischen Herkunft oder aus finanziellen Gründen alsbald wesentlich verschlechtern wird.
43Dies hat das Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid vom 3. Juni 2014 im Ausgangspunkt zutreffend dargelegt; auf diese Ausführungen, die sich im Einzelnen zu den vorgetragenen gesundheitlichen Problemen des Klägers und der Möglichkeit, im Kosovo regelmäßig auch schwere psychische Erkrankungen - gemessen an den vorstehend dargestellten rechtlichen Maßstäben – zureichend zu behandeln, verhalten, wird zunächst Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
44Folgendes ist ergänzend auszuführen:
45Ein im vorliegenden Verfahren beachtliches Abschiebungsverbot erwächst zunächst nicht daraus, wenn eine Behandlung des an einer paranoiden Schizophrenie (ICD 10: F 20.0) erkrankten Klägers, bei dem zudem der Verdacht auf Alkoholabusus (ICD 10: F10.1) besteht, wie sie aktuell in Deutschland in Gestalt einer sog. Depotmedikation (Xeplion) durchgeführt wird, in dieser Form im Kosovo für den Kläger nicht zur Verfügung steht, wovon das Gericht ausgeht. - Wäre das entgegen der gerichtlichen Annahme doch der Fall, wären die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - erst Recht - nicht erfüllt.
46Denn es ist nicht im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlich wahrscheinlich, dass im Fall eines Abbruchs dieser Behandlung und Umstellung der Medikation eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung alsbald innerhalb eines jedenfalls überschaubaren Zeitraums nach der Rückkehr des Klägers in sein Heimatland,
47vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 -, juris, RdNr. 20,
48eintreten wird.
49Die LWL-Klinik hat auf die gerichtliche Anfrage nach dem prognostisch zu erwartenden Krankheitsverlauf, wenn der Kläger statt mittels einer Depotmedikation „herkömmlich“ durch (oral verabreichte) Neuroleptika/Antidepressiva behandelt werden würde, insbesondere innerhalb welchen Zeitraums nach Abbruch der derzeitigen Medikation sich voraussichtlich mit welcher Wahrscheinlichkeit welche konkreten gesundheitlichen Folgen ergeben würden, unter dem 5. Januar 2015 im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
50Die Depot-Medikation habe sich in der Behandlung als das einzig wirksame Medikament herausgestellt, unter der die Symptome remittierten. Aufgrund dessen dürfe die Medikation keinesfalls umgestellt werden, um einer erneuten psychotischen Dekompensation vorzubeugen. Bei einem nicht ausreichenden neuroleptischen Schutz sei „früher oder später“ zu erwarten, dass die paranoide Symptomatik mit Warnvorstellungen wieder auftrete…Patienten mit diesem Krankheitsbild reagierten sehr sensibel auf Stress, wodurch ein hohes Risiko bestehe, dass die psychotische Symptomatik wieder auftrete. Die Abschiebung würde einen enormen Stress für den Kläger bedeuten und einen großen Risikofaktor für eine erneute psychotische Dekompensation darstellen. „Naturgemäß“ könne nicht angegeben werden, wann es zu einer Dekompensation komme und wie genau die Umstände sein müssten. Alleine die Unsicherheit des Abschiebeverfahrens bedeute derzeit Stress für den Kläger…Die Klinik halte es deshalb weiterhin für erforderlich, dass der Kläger langfristig in Deutschland leben könne.
51Im Wesentlichen unter Wiederholung dieser Ausführungen hat die LWL-Klinik in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 2. April 2015 zudem darauf verwiesen, dass
52der Kläger nach dem derzeitigen Behandlungsstand nicht in der Lage sei, ein eigenständiges Leben zu führen. Er sei auf die praktische und insbesondere emotionale Hilfe und Unterstützung seiner, ihm Sicherheit und Zuwendung gebenden, Familie angewiesen. Eine Trennung von ihr würde eine von ihm nicht zu bewältigende Überforderung bedeuten. Unter Berücksichtigung des gesamten Krankheits- sowie Behandlungsverlaufs sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner fortbestehenden krankheitsbedingten Defizite dauerhaft auf die Betreuung seitens der Familie bzw. eines institutionellen Kontextes angewiesen sein werde.
53Schließlich hat die LWL-Klinik in ihrer letzten Stellungnahme vom 13. April 2015 dargelegt, dass
54bei dem Kläger aus forensisch-psychiatrischer Sicht die Suizidgefahr als hoch einzuschätzen sei, sollte es zu einer Abschiebung in sein Heimatland kommen. Der Kläger habe in jüngsten Gesprächen mit den Behandlern der hiesigen Klinik mitgeteilt, dass sein Leben keinen Sinn mehr habe, sollte er zurück in den Kosovo müssen. Er könne sich kein Leben ohne die Unterstützung seiner Familie vorstellen. Zudem habe er Angst, eine psychische Dekompensation zu erleiden, aufgrund einer erneuten Umstellung der neuroleptischen Medikation. Im Rahmen einr psychischen Dekompensation würde das Risiko für einen Suizid abermals steigen.
55Hiernach ist auch im Falle des – unterstellten – Abbruchs der derzeitigen Depotmedikation medizinisch prognostisch nicht konkret absehbar, wann es im Rückkehrfall zu der befürchteten Dekompensation des Klägers kommen würde. Vielmehr fehlen, trotz konkreter gerichtlicher Nachfrage, aussagefähige prognostische Darlegungen dazu, wie zeitnah negative gesundheitliche Auswirkungen für den Kläger erwachsen, falls er im Kosovo mit anderen neuroleptischen Präparaten behandelt werden würde. Wenn es in den ärztlichen Stellungnahmen heißt, „naturgemäß“ könne nicht angegeben werden, „wann es zu einer Dekompensation“ komme, dies sei „früher oder später“ zu erwarten, ist das nachvollziehbar. Hieraus kann gleichwohl nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, dass eine solche Dekompensation und damit einhergehende schwere körperliche oder psychische Schäden „alsbald“, innerhalb eines jedenfalls überschaubaren Zeitraums nach Rückkehr des Klägers in den Kosovo eintreten werden, wenn dieser anders als in Deutschland und entsprechend dem Standard in seinem Heimatland medizinisch versorgt würde. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist deshalb nicht bestätigungsfähig.
56Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass im Abschiebefall die derzeit im Rahmen des Maßregelvollzuges praktizierte engmaschige familiäre Betreuung des Klägers in dieser Form nicht fortgeführt werden würde und durch die durch den Abschiebevorgang als solchen hervorgerufenen Gefahren für dessen Gesundheitszustand.
57Auch insoweit folgt die Kammer den vorerwähnten ärztlichen Bewertungen, wonach die Abschiebung insbesondere einen „enormen Stress“ für den Kläger bedeuten sowie einen großen Risikofaktor für eine erneute psychotische Dekompensation darstellen und die Trennung von der Familie eine für ihn nicht zu bewältigende Überforderung bedeuten würde.
58Soweit aber eine Dekompensation bzw. sonstige gesundheitliche Gefährdungen des Klägers aus der Trennung von seinen Familienangehörigen bzw. aus dem Abschiebevorgang als solchen erwachsen, lägen die Ursachen hierfür nicht in den spezifischen Verhältnisses des Zielstaat der Abschiebung begründet und beinhalten deshalb kein im vorliegenden Verfahren allein berücksichtigungsfähiges zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. Für die Prüfung etwaiger aus der Durchführung der Abschiebung resultierender und sonstiger sog. inlandsbezogener und tatsächlicher Vollstreckungshindernisse ist vielmehr, wie dargelegt, allein die Ausländerbehörde zuständig.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 10 B 39/12 -, juris.
60Entsprechendes gilt für die ausweislich der Mitteilung der LWL-Klinik letzten Standes vom 13. April 2015 geäußerten Suizidgefahren. Diese fußen im Wesentlichen ebenfalls aus der Durchführung der Abschiebung, insbesondere auf der Trennung von seinen Familienangehörigen. Abgesehen davon sind allein die darin erstmals vage angesprochenen Suizidandeutungen des Klägers nicht geeignet, eine vorliegend erforderliche beachtlich wahrscheinliche Gefahr einer Selbsttötung zu belegen.
61Vgl. zu den Anforderungen insoweit im Einzelnen: OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A -, juris, RdNr. 43 ff.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04.A -, juris, RdNr. 84 ff.
62Schließlich vermag auch der ärztlich untermauerte Vortrag, der Kläger wäre im Rückkehrfall nicht zu einem eigenständigen Leben in der Lage, kein zielstaatsbezogenes Abschiebeverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
63Selbst wenn angenommen würde, dass sich im Kosovo keine Verwandten um den Kläger kümmern, insbesondere nicht für eine verlässliche Medikamenteneinnahme Sorge tragen würden, wäre dessen gesundheitliche Mindestversorgung und Sicherung seiner Existenz im Übrigen auf der Grundlage der im bundesamtlichen Bescheid benannten und in das Verfahren eingeführten Erkenntnislage gewährleistet.
64Hiernach wird die Behandlung von psychischen Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in neun regionalen Gesundheitszentren durchgeführt. Patienten, die einer stationären Behandlung bedürfen, werden in vier Regionalkrankenhäusern in den Abteilungen für stationäre Psychiatrie sowie in der Psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik Pristina behandelt. In diesen Regionalkrankenhäusern stehen ausreichende Bettenkapazitäten zur Verfügung.
65Die Pflege und Betreuung psychisch kranker Menschen findet im Kosovo allerdings in der Regel innerhalb der Familie statt. Die häusliche Pflege und Betreuung wird durch staatliche Stellen unterstützt, ggf. durch gemeindliche oder von NROs finanzierte Fürsorge- und Betreuungsdienste. Vor diesem Hintergrund existieren im Kosovo nur einige staatliche Pflege- und Fürsorgeeinrichtungen mit wenigen Plätzen, die als Integrationshäuser bezeichnet werden. Dauerhaft psychisch Kranke und auf die Hilfe Dritter angewiesene Menschen - wovon beim Kläger auszugehen ist - finden in diesen Einrichtungen nur dann Aufnahme, wenn sie in Kosovo nicht über Familienangehörige verfügen oder aus sonstigen individuellen Gründen besonders schwierigen sozialen Bedingungen ausgesetzt wären. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht auch für einen aus Deutschland zurückkehrenden psychisch chronisch erkrankten Patienten die Möglichkeit, in einer der Einrichtungen aufgenommen zu werden. Über die Aufnahme entscheidet eine Kommission u.a. aus Vertretern der zuständigen Ministerien sowie Ärzten. Die Aufnahme eines Rückkehrers hängt vom jeweiligen Auslastungsgrad der Einrichtungen zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückkehr statt.
66Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25. November 2014 zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Kosovo, S. 25 ff.
67Angesichts dessen ist der Zugang zu einer gesundheitlichen Mindestversorgung und einer Existenzsicherung für den Kläger im Kosovo auch dann erreichbar, wenn dort keine Verwandten vorhanden wären, die seine Betreuung und Versorgung sicherstellen könnten. Das gilt umso mehr, als Zurückgeführte aus Deutschland (sowie freiwillige Rückkehrer) bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung unmittelbar nach ihrer Ankunft kostenlos die Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Kosovo-Rückkehrer-Projekts URA II in Anspruch nehmen können. Psychologen bieten eine professionelle Behandlung für psychisch erkrankte Rückkehrer an und/oder sind bei der Vermittlung von qualifizierten Behandlungsplätzen behilflich.
68Vgl. Lagebericht wie vorzitiert, S. 26.
69Es obliegt der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde – sollte eine Abschiebung trotz der aufgezeigten, im vorstehenden Verfahren indes nicht näher abzuklärenden etwaigen trennungsbedingten bzw. aus dem Abschiebevorgang erwachsenden möglichen Gesundheitsgefahren für den Kläger erwogen werden – durch geeignete Maßnahmen, etwa durch eine vorherige Kontaktaufnahme mit den vorgenannten Institutionen und ggf. durch eine ärztlich begleitete Rückführung des Klägers sicherzustellen, dass eine erforderliche übergangslose medizinische Betreuung und Versorgung des Klägers im Kosovo gewährleistet ist.
70Nur vorsorglich ist anzumerken, dass nach der aktuellen Erkenntnislage der Zugang zu medizinischen Behandlungen des öffentlichen Gesundheitssystems für die Bevölkerung im Kosovo unabhängig von der ethnischen Herkunft sichergestellt ist.
71Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2013, 29. Januar 2014 und 25. November 2014 zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Kosovo sowie die im Bescheid zitierten Erkenntnisse; vgl. ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 06. August 2012– 13 A 1311/12.A und vom 05. September 2011- 13 A 1660711.A - und ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Urteile vom 18. Mai 2012- 17a K 5213/10. A - und vom 8. Mai 2014– 17a K 2504/13.A -, juris.
72Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.