Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 24. Feb. 2016 - A 1 K 2724/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Tatbestand
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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 24. Feb. 2016 - A 1 K 2724/14
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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 24. Feb. 2016 - A 1 K 2724/14 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien in Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az.: AN 11 K 15.50224) gegen die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. April 2015 angeordnete Abschiebung nach Bulgarien.
Der durch Reisepass der Arabischen Republik Syrien ausgewiesene Antragsteller ist am ...1986 geboren, arabischer Volkszugehöriger und moslemisch-sunnitischen Glaubens. Er stellte am
Mit Schreiben vom
Das Bundesamt stellte aufgrund eines Eurodac-Treffers am
Mit einem nicht datierten Schreiben, das ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides vom
Der Antragsteller erklärte in dem am
In der Bundesamtsakte (Bl. 88-90) befindet sich ein vom
Mit Bescheid vom
Mit am 28. Mai 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller gegen den genannten Bundesamtsbescheid Klage erheben (Az.: AN 11 K 15.50224), über die noch nicht entschieden wurde, und stellte gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Abschiebungsanordnung schon deshalb rechtswidrig sei, weil sich der Kläger nach seiner Asylablehnung in Bulgarien am 21. Mai 2014, wie er auch in seiner Anhörung zum Reiseweg am 10. März 2015 angegeben habe, länger als drei Monate außerhalb des Gebietes der Dublin-Vertragsstaaten befunden habe. Er sei wenige Tage nach dem Erhalt des Bescheides zum 21. Mai 2014 aus Bulgarien über die Türkei und den Libanon nach Syrien zurückgekehrt. Dazu habe er sich seinen syrischen Reisepass zurückgeben lassen. Am 7. September 2014 sei er von Syrien wieder in den Libanon ausgereist, wo er zwei Tage gewesen sei, von dort sei er nach Algerien geflogen und dann nach Tunesien gefahren, um über das Mittelmeer nach Italien auszureisen. Diese Angaben des Antragstellers (auf Bl. 84 der Bundesamtsakte) würden bestätigt durch die Eintragungen im Reisepass des Antragstellers, den er den Behörden übergeben habe. Demnach habe er sich von Ende Mai bis zur Einreise nach Italien im September 2014, also mehr als drei Monate, außerhalb des Gebietes der Dublin-Staaten aufgehalten. Wie das Bundesamt bei dieser Sachlage dazu komme, den bulgarischen Behörden mitzuteilen, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe, sei unerklärlich. Angesichts der durch die Passeinträge bestätigten Fluchtgeschichte hätte sich eine Anfrage bei den italienischen oder auch den französischen Behörden angeboten, auf das alte Asylverfahren in Bulgarien könne wegen Fristablauf nicht zurückgegriffen werden. Deutschland sei zur Übernahme des Verfahrens verpflichtet, weil die Fristen für die Anbietung bei den italienischen und französischen Behörden inzwischen abgelaufen seien. Jedenfalls sei die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien rechtswidrig, weil Bulgarien für das Asylverfahren nicht mehr zuständig sei. Deutschland sei auch verpflichtet, gegenüber den bulgarischen Behörden wahrheitsgemäße Angaben über den Zwischenaufenthalt des Klägers außerhalb der Dublin-Staaten zu machen. Bulgarien sei jedenfalls gemäß Art. 20 Abs. 5 Satz 2 Dublin-III-VO wegen des nachgewiesenen Aufenthalts des Antragstellers für mehr als drei Monate außerhalb des Dublin-Bereichs für das Asylverfahren nicht mehr zuständig.
Der Antragsteller beantragt im Klageverfahren (AN 11 K 15.50224):
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Der Antragsteller beantragt im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 des Bescheides anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt im vorliegenden Verfahren die
Ablehnung des Antrages.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. Im Klageverfahren beantragt sie Klageabweisung.
Auf den Seiten des Reisepasses des Antragstellers befinden sich ausweislich der in den Bundesamtsakten befindlichen Kopien mehrere Ein- und Ausreisestempel. Ob es sich jeweils um einen Ein- oder einen Ausreisestempel handelt, ist aufgrund der vergleichsweise schlechten Lesbarkeit der Kopien nicht feststellbar. So findet sich auf Seite 7 des Reisepasses ein Stempel der Libanesischen Republik (S.G.DU LIBAN) vom 6. September 2014. Daneben findet sich ebenfalls ein libanesischer Stempel auf der gleichen Seite vom 9. September 2014. Auf Seite 13 des Reisepasses finden sich wiederum libanesische Stempel vom 9. Juni 2014 und (wohl; insoweit unleserlich) vom 25. Juni 2014. Weitere Stempel, deren genauere Zuordnung aufgrund der schlechten Lesbarkeit und der arabischen Schriftzeichen auf der Grundlage der Kopien nicht möglich ist, datieren vom 10. September 2014 (Seite 6 des Reisepasses) und vom 9. September 2014 (Seite 21). Auf Seite 17 des Reisepasses findet sich ein Stempel in kyrillischer Schrift, auf dem das Datum des 2. Juni 2014 sich befindet.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die den Antragsteller betreffenden Bundesamtsakten Bezug genommen.
II.
Für die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Einzelrichter zuständig.
Der Antrag ist zulässig. Er ist als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Az. AN 11 K 15.50224 geführten Anfechtungsklage gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 30. April 2015 (Abschiebungsanordnung nach Bulgarien) statthaft. Auch die Antragsfrist nach § 34 a Abs. 2 AsylVfG von einer Woche ist vorliegend eingehalten, da der Bescheid am 21. Mai 2015 ausweislich der Postzustellungsurkunde durch Niederlegung zugestellt wurde, der vorliegende Antrag am 28. Mai 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen ist. Aus diesem Grund besteht für den Antrag auch das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, da die ebenfalls am 28. Mai 2015 erhobene Hauptsacheklage damit auch die Klagefrist nach § 74 AsylVfG einhält, mithin also keine Bestandskraft eingetreten ist.
Der Antrag ist auch begründet. Er richtet sich einerseits mit der Bundesrepublik Deutschland gegen den richtigen Antragsgegner, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog. Daneben hat das Gericht in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Abwägungsentscheidung zu treffen, bei der es das Interesse der Antragsgegnerin an der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides gegen das Interesse des Antragstellers an dessen Aussetzung gegeneinander abwägt. Zu berücksichtigen sind dabei neben einer Entscheidung des Gesetzgebers für den ausnahmsweisen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage, wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG erfolgt, auch die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren, die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren summarisch aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel zu überprüfen sind. Diese Abwägungsentscheidung ergibt im vorliegenden Fall, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Abschiebung nach Bulgarien findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 a Abs. 1 AsylVfG. Voraussetzung dafür ist, dass für die Durchführung des Asylverfahrens ein anderer Mitgliedsstaat der EU nach § 27 a AsylVfG zuständig ist. Welcher Staat für das Asylverfahren eines Drittstaatsangehörigen zuständig ist, bestimmt sich im Falle des Asylantrags des Antragstellers nach der Verordnung (EU) Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin-III-VO, ABl. 2013, L. 180/31). Hier hat zwar Bulgarien gegenüber der Bundesrepublik Deutschland seine Zuständigkeit und seine Bereitschaft zur Rückübernahme des Antragstellers erklärt. Es bestehen jedoch seitens des Gerichts erhebliche Bedenken, ob es sich bei Bulgarien tatsächlich um den nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedsstaat handelt. Dies folgt letztlich aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 der Dublin-III-VO. Danach erlöschen die in Art. 18 der Dublin-III-VO normierten Übernahmepflichten, wenn der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Nach dem 2. UA des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1, also mithin nach drei Monaten Abwesenheit, gestellter Antrag als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats auslöse.
Nach Überzeugung des Gerichts liegt hier jedoch kein Fall des vonseiten des Bevollmächtigten des Antragstellers ins Spiel gebrachten Art. 20 Abs. 5 UA 2 der Dublin-III-VO vor, da Bulgarien vorliegend das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland unter Bezugnahme auf Art. 18 der Dublin-III-VO akzeptiert hat, und nicht nach Art. 20 Abs. 5 UA 1. Daher ist nach dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Maßstab einer summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, dass die Übernahme nach Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-Verordnung, also aufgrund einer durch den Antragsteller erfolgten Antragsrücknahme während des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens in Bulgarien, auszugehen. Entsprechende Hinweise, dass der Antragsteller seinen Asylantrag in Bulgarien zurücknahm, noch während Bulgarien prüfte, ob es überhaupt nach der Dublin-III-VO der zuständige Mitgliedsstaat ist, lassen sich schließlich auch nicht dem bulgarischen Einstellungsbeschluss vom 21. Mai 2014 (Bl. 89/90 der Bundesamtsakte) entnehmen.
Nach Auswertung der Kopien des Reisepasses des Antragstellers steht zur Überzeugung des Gerichtes unter Berücksichtigung des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes maßgeblichen summarischen Prüfungsmaßstabs fest, dass der Antragsteller sich 2014 tatsächlich mehr als drei Monate außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgehalten hat. Denn ausweislich des Einstellungsbeschlusses der Staatlichen Flüchtlingsagentur beim Ministerrat Bulgariens vom 21. Mai 2014 erklärte der Antragsteller mit einem am 9. Mai 2014 bei der Flüchtlingsagentur eingegangenem Schreiben, dass er auf das Asylverfahren verzichte. Nach seinen Angaben beim Bundesamt flog er, nachdem er seine Papiere zurückbekommen hatte, über die Türkei in den Libanon. Auf Seite 13 seines Reisepasses findet sich dementsprechend auch ein wohl vom Libanon stammender Einreisestempel mit dem Datum 9. Juni 2014. Dies deckt sich mit den Angaben des Antragstellers. Ein weiterer, sich mit den Angaben des Antragstellers zu seiner erneuten Ausreise aus Syrien deckender Stempel des Libanons findet sich auf Seite 7 des Reisepasses und datiert vom 9. September 2014. Dieser deckt sich mit den Angaben des Antragstellers beim Bundesamt, am 7. September 2014 Syrien mit dem Auto in Richtung Libanon verlassen zu haben, sich dort zwei Tage aufgehalten zu haben und von dort nach Algerien ausgeflogen zu sein. Zuvor findet sich auf Seite 7 des Reisepasses bereits ein weiterer Stempel des Libanon, der vom 6. September 2014 datiert. Dieser deckt sich mit der Angabe zur Einreise aus Syrien nach Libanon. Ebenfalls vom 9. September 2014 und damit vom gleichen Tag, wie der Stempel, der nach den Angaben des Antragstellers die Ausreise aus dem Libanon dokumentiert, stammt ein auf Seite 21 des Reisepasses befindlicher, in der Kopie nicht leserlicher Stempel. Nach summarischer Prüfung könnte dieser die vom Antragsteller vorgetragene Einreise nach Algerien dokumentieren. Genaueres wird im Hauptsacheverfahren zu überprüfen sein. Dokumentiert ist damit eine Abwesenheit aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 9. Juni bis zum 9. September 2014. Zusammen mit dem weiteren Reiseweg nach den Angaben des Antragstellers (dreitägiger Aufenthalt in Algerien, Weiterreise illegal mit dem Auto über Tunesien nach ..., Libyen, dort Aufenthalt bis 3. Oktober 2014, anschießend über das Mittelmeer nach Italien) ergibt sich eine Abwesenheit von mehr als drei Monaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Entfallen der Zuständigkeit Bulgariens nach Art 19 Abs. 2 Dublin-III-VO liegen damit aller Voraussicht nach vor.
Nach alledem ist maßgeblich für die Erfolgsaussicht der Klage in der Hauptsache, ob der Antragsteller als Asylantragsteller sich auf diese Bestimmung der Dublin-III-VO berufen kann, mithin, ob er durch die Nichteinhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in eigenen Rechten verletzt ist. Insoweit betrachtet das Gericht die Erfolgsaussichten jedenfalls als offen.
Gegen die Möglichkeit eines Asylantragstellers, sich auf die Einhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu berufen, spricht einerseits der Wortlaut der Bestimmung, der das Erlöschen der Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO daran knüpft, dass der zuständige Mitgliedsstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung um eine Einwendung handeln könnte, die der ersuchte Mitgliedsstaat gegenüber dem ersuchenden Mitgliedsstaat vorbringen kann, und wofür ihn dementsprechend auch die Nachweispflicht trifft. Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung besteht zu dieser Frage soweit ersichtlich nur äußerst vereinzelt. So hat das VG Gelsenkirchen in mehreren Entscheidungen vom Ende des Jahres 2014 (Urteile
Für die Möglichkeit, dass sich auch ein Asylantragsteller auf die Einhaltung von Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO berufen kann und mithin bei Verletzung dieser Bestimmung auch eine Verletzung des Asylantragstellers in eigenen Rechten vorliegt, spricht dagegen, dass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren „Abdullahi“ die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50/1; sog. Dublin-II-VO) zugrunde lag und nicht die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Dublin-III-VO. Beide Verordnungen unterscheiden sich nämlich in nicht unerheblicher und möglicherweise im vorliegenden Fall streitentscheidender Weise. So ist in die Dublin-III-VO zunächst als neuer, im Rahmen der Dublin-II-VO noch nicht auffindbarer Erwägungspunkt der 19. Erwägungsgrund aufgenommen. Dieser lautet wie folgt:
„Um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenen zu gewährleisten, sollten im Einklang, insbesondere mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden. Um die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen, sollte ein wirksamer Rechtsbehelf gegen diese Entscheidungen sowohl die Prüfung der Anwendung dieser Verordnung als auch die Prüfung der Rechts- und Sachlage in dem Mitgliedsstaat umfassen, in den der Antragsteller überstellt wird.“
Anders als in der Entscheidung des EuGH im Verfahren „Abdullahi“ in der zwischen Bestimmungen der Dublin-II-VO, auf die sich ein Asylbewerber berufen kann, und den übrigen Bestimmungen differenziert wird, findet sich eine derartige Differenzierung in dem genannten Erwägungsgrund gerade nicht. Im Gegenteil soll nach dem Erwägungsgrund der wirksame Rechtsbehelf allgemein die „Prüfung der Anwendung dieser Verordnung“ umfassen. Eine derartige Überprüfung im gerichtlichen Verfahren wird aber unmöglich, wenn, wenn auch nur nach nationalem deutschen Recht, eine Bestimmung wie die des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO von vornherein mangels möglicher Verletzung des Asylbewerbers in eigenen Rechten der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird. Eine Differenzierung zwischen einzelnen Bestimmungen in der Dublin-III-VO, auf die sich ein Asylbewerber berufen kann und anderen Bestimmungen, findet sich auch nicht in dem den 19. Erwägungsgrund umsetzenden Artikel 27 der Dublin-III-VO. Auch in dessen Abs. 1 findet sich allein die Regelung, dass der Antragsteller ein Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht habe. Aufgrund dieser Änderungen von der Dublin-II- zur Dublin-III-VO bestehen aus der Sicht des Gerichtes gute Gründe für die Annahme, dass sich ein Asylantragsteller wie der Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf die Einhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO berufen kann. Wie bereits erwähnt, sieht das Gericht die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren daher als offen an.
Angesichts dieser offenen Erfolgsaussichten geht die vom Gericht zu treffende Abwägungsentscheidung auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmung des § 75 AsylVfG vorliegend zugunsten des Interesses des Antragstellers auf Aussetzung der Entscheidung aus. Dies ergibt sich letztlich aus dem vom Bevollmächtigten des Antragstellers erhobenen Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bundesamts. Denn Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist so formuliert, dass dem ersuchten Mitgliedsstaat letztlich eine Beweislast hinsichtlich der Abwesenheit aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten trifft. Über Mittel und Wege, dieser nachzukommen, wird der ersuchte Mitgliedsstaat aber regelmäßig nicht verfügen: Der Asylantragsteller wird sich regelmäßig im ersuchenden Mitgliedsstaat aufhalten. Einen Nachweis hinsichtlich des Aufenthalts desselben wird der ersuchte Mitgliedsstaat allenfalls, was das Datum der Ausreise aus seinem Hoheitsgebiet angeht, treffen können. Wo der Asylantragsteller sich ab diesem Zeitpunkt aufgehalten hat, darüber werden beim ersuchten Mitgliedsstaat keinerlei Dokumente vorliegen. Als einzig denkbares Mittel für die Erbringung dieses Nachweises ist daher (im Falle einer legalen Reise bzw. eines legalen Reiseweges) der Reisepass des Asylantragstellers mit entsprechenden Ein- und Ausreisestempeln denkbar. Um dem ersuchten Mitgliedsstaat also die Möglichkeit eines Nachweises im Sinne des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu ermöglichen, müsste also der ersuchende Mitgliedsstaat diesem etwaige Kenntnisse über den Aufenthalt des Asylantragstellers und die entsprechenden Dokumente zur Verfügung stellen. Andernfalls vereitelt er dem ersuchten Mitgliedsstaat die Möglichkeit, sich auf Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu berufen. Ob dem Aufnahmegesuch des Bundesamts Kopien des Reisepasses des Antragstellers beigefügt wurden, lässt sich der vorgelegten Bundesamtsakte nicht entnehmen. Dies kann letztendlich aber auch offen bleiben, da den Bemerkungen (entgegen der objektiven Sachlage) die Feststellung zu entnehmen ist, dass Deutschland keine Nachweise habe, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe. Tatsächlich lagen derartige Erkenntnisse aber aufgrund der Eintragungen im Reisepass des Antragstellers vor. Nachdem das Bundesamt im Übernahmeersuchen damit wahrheitswidrig entsprechende Hinweise verneint hat, geht die Abwägungsentscheidung des Gerichts angesichts der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache dahin, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hier überwiegt. Die aufschiebende Wirkung war daher wie erfolgt anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 02.09.2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Überstellung in die Niederlande.
3Er reiste seinen Angaben zufolge am 11. August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18. August 2014 einen Asylantrag. Im persönlichen Gespräch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (hiernach: Bundesamt) nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) äußerte der Kläger am 18. August 2014, dass er sein Heimatland vor 2,5 bis 3 Jahren verlassen habe und sich seither in den Niederlanden aufgehalten habe.
4Am 17. September 2014 erhielt das Bundesamt einen EURODAC-Treffer für die Niederlande. Daraufhin sandte das Bundesamt am 13. November 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an die niederländischen Behörden. Hierin wurde ausgeführt, dass der Kläger laut EURODAC in den Niederlanden am 12. April 2012, 8. November 2012 und am 10. Oktober 2013 Asyl beantragt habe. Mit Schreiben vom 17. November 2014 erklärten sich die niederländischen Behörden aufgrund von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-III-VO zur Wiederaufnahme des Antragstellers bereit.
5Mit Bescheid vom 8. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung in die Niederlande an (Nr. 2). Der Bescheid vom 8. Januar 2015 wurde dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 17. Januar 2015 bekannt gegeben.
6Der Kläger hat am 20. Januar 2015 Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2015 erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt (14 L 124/15.A).
7Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, sein Asylverfahren sei in den Niederlanden bestandskräftig negativ beendet worden und die niederländischen Behörden hätten ihm angesichts seiner fehlenden Bereitschaft, nach Afghanistan zurückzukehren, jegliche Unterstützung entzogen. Die Bundesrepublik sei daher gehalten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid vom 8. Januar 2015 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
13Den Eilantrag hat das Gericht mit Beschluss vom 11. Februar 2015 (14 L 124/15.A) abgelehnt.
14Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 informatorisch angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 14 L 124/15.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zum Termin erschienen ist, denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beklagte ist form- und fristgerecht mit Empfangsbekenntnis vom 31. März 2015 geladen worden.
18Die zulässige Klage ist unbegründet.
19Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 8. Januar 2015 in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
20Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
21Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers in rechtmäßiger Weise als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in die Niederlande angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen hier vor.
22Die Niederlande sind gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Insoweit wird zunächst auf die auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fortgeltenden Erwägungen des vorgelagerten unanfechtbaren Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen (vgl. Beschluss vom 11. Februar 2015 – 14 L 124/15.A).
23Das Gericht folgt auch weiterhin nicht der gegenteiligen, vom VG Darmstadt vertretenen Rechtsauffassung, wonach von einer Abschiebung in die Niederlande abzusehen ist, weil damit eine Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG als möglich erscheint.
24Vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 L 597/14.DA.A –, juris; Beschluss vom 08. Mai 2014 – 4 L 621/14.DA.A –, juris; Beschluss vom 9. Mai 2014 – 4 L 491/14.DA.A –, juris; so wie hier VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 13 L 171/14.A – juris; VG Augsburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014 – Au 7 S 14.50263 –, juris; VG Kassel, Beschluss vom 18. März 2014 - 6 L 16/14.KS.A; VG Magdeburg, Beschluss vom 12. August 2014 – 1 B 894/14 –, juris;
25Selbst wenn in der Vergangenheit Anhaltspunkte dafür bestanden haben sollten, dass in den Niederlanden Angehörige einer bestimmten Gruppe abgelehnter Asylbewerber, die nicht bereit sind, in ihre Heimatländer zurückzukehren oder an ihrer Rückkehr dorthin mitzuwirken, die Obdachlosigkeit sowie fehlende Nahrungsmittelversorgung drohen könnten,
26vgl. Asylum Information Database, Country Report, The Netherlands, 16. January 2015, p. 43 (hiernach aida 2015),
27verletzt die Abschiebung eines Asylbewerbers in die Niederlande dessen Menschenwürde nicht. Nachdem in dem Verfahren Conference of European Churches (CEC) vs. the Netherlands der Europäische Ausschusses für Soziale Rechte des Europarates (ECSR) am 10. November 2014 entschieden hat, dass der Ausschluss abgelehnter Asylbewerber von der Grundversorgung gegen die Verpflichtung der Behörden unter der Charta im Hinblick auf den Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung verstößt, ist weiterhin unklar, ob die niederländische Regierung das bestehende System beibehält.
28Vgl. aida 2015, p. 44.
29Mittlerweile hat jedenfalls auch der Dutch Administrative High Court in einer Entscheidung vom 17. Dezember 2014 auf der Grundlage der ECSR-Entscheidung eine niederländische Verwaltungseinheit dazu verpflichtet, Unterkünfte und Verpflegungen für abgelehnte Asylbewerber zur Verfügung zu stellen.
30Vgl. aida 2015, p. 44.
31Jedenfalls hat es der Kläger aber grundsätzlich selbst in der Hand, die o.g. Folgen zu vermeiden. Derjenige Asylbewerber, der nach der (bestandskräftigen) Ablehnung seines Asylgesuchs die Niederlande aufgrund von Umständen nicht verlassen kann, die er selbst nicht zu vertreten hat, kann dort nämlich auch weiterhin einen Aufenthaltstitel erhalten, wenn er ausreichend an der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitwirkt.
32Vgl. dazu die durch die niederländischen Behörden unter https://ind.nl/EN/individuals/residence-wizard/asylum/Pages/default.
33aspx in englischer Sprache bereitgestellten Informationen (durch das Gericht abgerufen am 20. April 2015).
34Dem Asylbewerber, dessen Antrag abgelehnt worden ist, wird damit - bei Vornahme der zur Beschaffung von Heimreisedokumenten erforderlichen Mitwirkungshandlungen - zugleich die Möglichkeit eröffnet, eine etwa drohende Obdachlosigkeit und Einstellung der Nahrungsmittelversorgung abzuwenden.
35Vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 12. August 2014 - 1 B 894/14 -, juris.
36Auch im Übrigen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Anordnung der Abschiebung des Klägers in die Niederlande. Insbesondere ist nichts für das Bestehen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe
- 1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem gleichzeitig mit der Klage (9 A 513/15) am 04.06.2015 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.05.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung des Antragstellers in dieNiederlande angeordnet wurde.
- 2
Der zulässige Antrag,
- 3
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 26.05.2015 anzuordnen,
- 4
ist unbegründet.
- 5
1.) Gemäß § 34 a Abs. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
- 6
Wegen §§ 27 a, 34 a AsylVfG ist im Rahmen einer Interessenabwägung vorrangig zu beurteilen, ob das Land, auf welches die Abschiebungsanordnung lautet für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist bzw. ob diese Zuständigkeit ausnahmsweise wegen systemischer Mängel im Asyl- oder Aufnahmeverfahren in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen sein könnte.
- 7
Die Klage gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages sowie gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 AsylVfG). Die aufschiebende Wirkung kann jedoch gemäß § 34 a Abs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Ziffer 3, Abs. 5 VwGO durch das Gericht angeordnet werden. Die Antragsfrist von einer Woche (§ 34 a Abs. 2 AsylVfG) ist eingehalten.
- 8
2.) Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 14.04.2005, 4 VR 1005.04, juris); § 36 Abs. 4 AsylVfG findet keine Anwendung.
- 9
Bei einem offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zwar stets zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die - wie hier - nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Gleichwohl ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B. v. 10. 10. 2003, 1 BvR 2025/03, juris). Deshalb ist wegen der mit der Abschiebung verbundenen (relativen) Unabänderbarkeit bereits dann das Aussetzungsinteresse höher als das nur zeitweilige Absehen von der Abschiebung zu bewerten, wenn infolge derselben eine Verletzung von Grundrechten nach der EU-Grundrechte-Charta nicht ausgeschlossen werden kann (so auch VG Siegmaringen, B. v. 14.07.2014, A 1 K 254/14). Dies ist der Fall, wenn ernst zu nehmende, hinsichtlich der Schwere und Offensichtlichkeit aber noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine mit Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh nicht in Einklang stehende Umstände bestehen. Für einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kann auch sprechen, wenn die beachtliche Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (derzeit noch) gegensätzlich beurteilt wird (vgl. OVG Bautzen, B. v. 24.07.2014, A 1 B 131/14, juris).
- 10
3.) Diese Anforderungen an die gerichtliche Eilentscheidung gestellt, kann vorliegend nicht mit der für das Eilverfahren notwendigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die so von der Antragsgegnerin angenommene Zuständigkeit der Niederlande wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Anders gewendet: Die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Entscheidung über den Asylantrag im Wege des Selbsteintritts (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO) ist vielmehr auszuschließen. Das Hauptsacheverfahren ist insoweit gerade nicht als offen im oben erörterten Sinne anzusehen.
- 11
a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedstaat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).
- 12
Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).
- 13
Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
- 14
Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umstände in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).
- 15
Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
- 16
b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich den Niederlanden zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylVfG [analog]) keine ernst zu nehmenden oder hinsichtlich ihrer Schwere noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel bestehen.
- 17
Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Niederlande sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken letztlich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dabei ist zunächst festzustellen, dass es im Internet keine verwertbaren Informationen zu den Begrifflichkeiten „Niederlande, systemische Mängel, Dublin“ auffindbar sind. Weder vom UNHCR noch von Amnesty International oder sonstigen Flüchtlingshilfeorganisationen sind überhaupt Dokumente auffindbar. Bereits diese Tatsache der fehlenden Veröffentlichungen im Internet, lässt den Schluss zu, dass die „systemischen Mängel“ gerade nicht zu verzeichnen sind. Denn ansonsten wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Informationen erhältlich. Für diesen Rückschluss spricht, dass Informationen und Dokumente zu den Ländern in denen „systemische Mängel“ zu verzeichnen sind oder waren, wie Griechenland, Italien, Bulgarien und Ungarn, massig im Netz auffindbar sind und die Rechsprechung darauf reagiert hat.
- 18
Schließlich trägt der Antragsteller selbst nicht substantiiert zu den systemischen Mängeln vor.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus N. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 28. Januar 2014 sinngemäß anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 500/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 anzuordnen,
4zu deren Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde am 22. Januar 2014 gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Am 28. Januar 2014 hat er Klage erhoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Belgiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Die angegriffene Entscheidung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere hat das Bundesamt den Sachverhalt in einer dem § 24 AsylVfG genügenden Weise aufgeklärt und den Antragsteller in einer dem § 25 AsylVfG genügenden Weise angehört. Allerdings unterliegt das Bundesamt in Verfahren, in denen es die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates zu dessen Prüfung annimmt (§ 27a AsylVfG), nur einer beschränkten Anhörungspflicht. Es ist nur verpflichtet, die in § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AsylVfG beschriebenen Umstände zu ermitteln bzw. zu ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Kenntnis dieser Umstände kann das Bundesamt bereits die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedstaat bzw. die ggf. zu unterbleibende Abschiebung dorthin treffen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Angaben zu Wohnsitzen, Reisewegen, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten sowie zu sonstigen Tatsachen und Umständen, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat – hier der nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO) zur Prüfung des Asylantrags zuständige Staat – entgegen stehen. Hingegen bedarf es in diesem Verfahrensstadium nicht der Kenntnis der von § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genannten Tatsachen, die die Furcht des Asylbewerbers vor politischer Verfolgung begründen. Die nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO durchzuführende Prüfung des Asylantrags umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe c Dublin II-VO auch die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sodass diesbezüglich relevante Umstände erst von dem nach der Dublin II-VO zuständigen Staat zu prüfen sind.
13Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller im Rahmen der am 18. November 2013 durchgeführten Anhörung ausreichend Gelegenheit, auf alle maßgeblichen Umstände hinzuweisen. Dies entspricht zunächst seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 25 Abs. 2 AsylVfG. Zudem wurde er bei der Anhörung ausdrücklich nach Visa, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten, Familienangehörigen, für die in einem anderen Staat der Flüchtlingsstatus anerkannt worden sei, sowie danach gefragt, ob er Einwände dagegen habe, dass sein Asylantrag in Belgien geprüft werde.
14Anders als vom Antragsteller angenommen, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) vor. Zunächst findet diese Vorschrift ohnehin nicht auf den vor dem 1. Januar 2014 gestellten Asylantrag des Antragstellers Anwendung (s. unten). Sodann ist den Anforderungen des Art. 5 Dublin III-VO mit der Anhörung am 18. November 2013 genüge getan. Dort sind die nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Dublin III-VO maßgeblichen Umstände, zu denen auch nach diesen Vorschriften nicht das Verfolgungsschicksal, sondern allein die zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erforderlichen Umstände gehören, hinreichend zur Sprache gekommen.
15Die angegriffene Entscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist.
16Vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 = NRWE.
17Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Nach einem Eurodac-Treffer unter dem 26. April 2013 und einem an das Königreich Belgien gerichteten Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2013 wurde die Übernahme unter dem 11. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO akzeptiert. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Dass der Antragsteller bei der Anhörung am 18. November 2013 ohne weitere Erläuterung angegeben hat, nicht in Belgien gewesen zu sein, ist angesichts des positiven Eurodac-Treffers sowie der durch Belgien erklärten Bereitschaft zur Übernahme nicht nachvollziehbar, zumal der Antragsteller in der Antragsschrift vom 28. Januar 2014 selbst von seiner Behandlung „seit der Ablehnung des Asylantrags in Belgien“ spricht (dort S. 13, Blatt 37 der Gerichtsakte).
18Der Überstellung nach Belgien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 24. April 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 2. Dezember 2013 gut sieben Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt.
19Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
20Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
21EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
22Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
23Vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10. A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris Rn. 8.
24Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
25Vgl. i. E. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
26Hier sind seit der Asylantragstellung am 24. April 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 2. Dezember 2013 erst gut sieben Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
27Die Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Antragstellers nach Belgien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist.
28EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
29Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
30Vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 57 f.
31Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers – gehindert, diesen nach Belgien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
32EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
33der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta implizieren.
34EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
35Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
36EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
37Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Abs. 2 UAbs 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
38Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt.
39Sie ergeben sich zunächst nicht aus der Schilderung des Antragstellers, nach der Ablehnung seines Asylantrags in Belgien keinen Anspruch auf staatliche Leistungen mehr zu haben. Hierbei handelt es sich nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn es geht hierbei nicht um Leistungen und Aufnahmebedingungen während der Durchführung des Asylverfahrens. Anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das Asylverfahren des Antragstellers in Belgien bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem von ihm nicht erwünschten Ergebnis. Ist wie hier der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller auch die Ausreisepflicht.
40Vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
41Der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
42Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, demnächst bei juris und NRWE, und vom 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A -, n.v.
43Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Art. 41 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Dies gilt mit Blick auf Belgien umso mehr, als abgelehnten Asylbewerbern in der Regel nach der Ablehnung des Asylantrags eine Rückkehrbegleitung angeboten wird.
44Vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43.
45Ob dies in einem Fall, in dem nach der letzten Ablehnung eines Asylantrags asylerheblich neue Umstände eintreten oder der Asylbewerber in der Lage ist – erst jetzt – weitere asylerhebliche Angaben vorzubringen, anders zu sehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da solche Umstände vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind.
46Weitere Umstände, aus denen sich systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen Belgiens ergeben, sind vom Antragsteller ebenfalls nicht überzeugend geltend gemacht worden. Soweit der Kläger sich auf die systemische Verletzung des Refoulement-Verbotes bezieht, führt er zunächst einige Einzelfälle an, die ihrem Charakter als Einzelfall entsprechend nicht herangezogen werden können, um Fehler im Asylverfahren mit systemischem Ausmaß zu begründen. Soweit der Antragsteller geltend macht, Belgien könnte ihn im Wege der Kettenabschiebung nach Guinea abschieben, wo ihm Verfolgung drohe, kann dieser Einwand keine systemischen Mängel im Asylverfahren Belgiens begründen. Dort ist bereits eine Prüfung seines Asylbegehrens durchgeführt worden. Die belgischen Behörden sind dabei offenbar zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Furcht vor Verfolgung nicht begründet ist. In dieser Situation eine Abschiebung nach Guinea vorzusehen, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt, zumal es dem Antragsteller grundsätzlich freisteht, auch in Belgien um Rechtsschutz nachzusuchen oder ggf. einen Folgeantrag zu stellen (vgl. hierzu unten). Der Antragsteller beruft sich insoweit auch auf einen Brief des Jesuiten Flüchtlingsdienstes vom 16. September 2013. Dieser befasst sich jedoch mit den Einzelschicksalen von Asylbewerbern, denen eine Abschiebung nach Inguschetien drohte. Der Autor des Briefes führte diesbezüglich u.a. aus, dass „die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Beweismittel“ in einem erneuten Asylverfahren wohl nicht zum Erfolg führen würden. Dies macht deutlich, dass es grundsätzlich möglich ist, auch in Belgien Folgeanträge zu stellen.
47Vgl. Hierzu auch ausführlich, aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 36. Danach hat die Stellung eines Folgeantrags u.a. einen Suspensiveffekt bezüglich einer bestehenden Ausweisungsverfügung.
48Außerdem ist erkennbar, dass sich die Auskunft allein auf die konkrete Beweissituation in Einzelfällen bezog. Eine Aussagekraft für das hiesige Antragsverfahren oder das Asylverfahren in Belgien im Allgemeinen haben diese Ausführungen daher nicht.
49Auch die Einlassung, dass Rechtsschutz gegen die drohende Abschiebung unzumutbar erschwert werde, lässt systemische Mängel im Sinne der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes im Asylverfahren in Belgien nicht offensichtlich werden. Denn die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers (Asylbewerber würden grundsätzlich in Abschiebehaft genommen, dort bestünde kein Zugang zu einem Rechtsbeistand) stehen in Widerspruch zu anderen Erkenntnissen. So weist etwa der vorzitierte aida-Bericht auf S. 58 darauf hin, dass der Zugang zu einem Rechtsbeistand während der Abschiebehaft nicht nur dem Gesetz nach zu gewähren sei, sondern dass effektiver Zugang zu einem Rechtsbeistand auch in der Praxis bestehe. Die in dem Bericht genannten absoluten Zahlen von Verhaftungen von Asylbewerbern im dreistelligen Bereich (S. 53) sprechen im Übrigen dagegen, dass flächendeckend mit Inhaftierung zu rechnen ist.
50Dem Final Report des Dublin Transnational Project für den Berichtszeitraum Dezember 2009 bis Mai 2011 ist zu entnehmen, dass jeder Asylbewerber die Möglichkeit hat, gegen eine ablehnende Asylentscheidung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu beantragen (S. 38).
51Auch im Übrigen sind keine systemischen Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen erkennbar. Der Bericht des Auswärtigen Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika (Belgium 2012 Human Rights Report) beschreibt auf S. 7 ff. die Flüchtlingssituation in Belgien, ohne Beanstandungen systemischer Art auch nur im Ansatz zu erwähnen. Amnesty International enthält in seinem „Amnesty Report 2013 – Belgien“ lediglich den Hinweis darauf, dass die Kapazität der Aufnahmezentren für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten nicht ausreichend gewesen sei, ein Zustand der nach dem vorzitierten aida-Report, S. 44, ab Ende 2012 nicht fortbestanden haben soll.
52Ohne dass es hier darauf ankommt, weist das Gericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht jeglicher Unzulänglichkeit im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen automatisch eine Schwere zuzumessen ist, die für die hier erforderliche Annahme einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährten Rechte (Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe) ausreicht.
53Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen ebenfalls keine Bedenken. Das Gericht teilt zunächst nicht die Auffassung des Antragstellers, dass über die Frage, ob abgeschoben oder eine andere Form der Überstellung gewählt wird, zunächst eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Vielmehr sieht Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 Dublin II-VO vor, dass die Überstellung nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erfolgt. Diese sehen hier gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG zwingend den Erlass einer Abschiebungsandrohung vor. Soweit der Antragsteller auf Art. 20 Abs. 1 Buchstabe e Satz 2 (gemeint ist wohl Satz 3) Dublin II-VO Bezug nimmt, folgt hieraus nichts anderes. Diese Vorschrift befasst sich zwar mit dem Fall, dass der Asylbewerber sich auf eigene Initiative in den zuständigen Staat begeben soll. Sie schreibt diese Möglichkeit den Mitgliedstaaten jedoch nicht vor, sondern enthält nur Regelungen für den Fall, dass das einzelstaatliche Recht eine solche Möglichkeit vorsieht. Vorrang genießt insoweit die bereits genannte Regelung des Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 Dublin II-VO, die die Umstände der Überstellung der einzelstaatlichen Regelung überlässt.
54Es besteht auch kein innerstaatliches Abschiebungshindernis. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung voraus, dass diese auch durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Ausländers bestehenden Abschiebungshindernisse bestehen. Die insoweit vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden begründen kein solches Abschiebungshindernis. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht.
55BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
56Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
58Eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Der Antragsteller macht insoweit lediglich geltend, dass nach dem Bericht des Evangelischen Krankenhauses P. zwölf Monate nach seiner Knieoperation am 13. August 2013 zur Behandlung einer lateralen Tibiakopfimpressionsfraktur links eine Überprüfung der Indikation zur Materialentfernung (winkelstabile vorgeformte L-Platte, 4,5 mm, Titan Fa Synthes) von dem behandelnden Arzt erbeten worden ist (vgl. ärztlicher Bericht des Assistenzarztes T. vom 18. August 2013). Nach weiterer ärztlicher Bescheinigung vom 17. Dezember 2013 wird die Metallentfernung in ca. 15 Monaten „angeraten“. Eine Gesundheitsgefährdung im beschriebenen Ausmaß wird hiermit nicht dargetan; sie ist aufgrund der Angaben auch nicht offensichtlich. Zum einen bleibt es völlig offen, ob eine ggf. anstehende Operation zur Entfernung des eingebrachten Materials nicht auch in Belgien oder ggf. im Herkunftsland des Antragstellers erfolgen kann. Aber selbst unterstellt, dass dies nicht möglich wäre, ist überhaupt nicht ersichtlich, warum aus dem Verbleiben des Materials im Knie des Antragstellers eine Gesundheitsgefahr – noch zudem im beschriebenen Ausmaß – erwachsen soll. Hierzu fehlen jegliche Angaben des Antragstellers. Angesichts des häufig zum dauerhaften Verbleib im menschlichen Körper verwendeten Titans drängen sich solche Gesundheitsgefahren auch nicht auf.
59Die weitere ärztliche Bescheinigung des Leitenden Arztes im Evangelischen Krankenhaus P. Dr. B. , nach welcher eine längere Fahrt mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln und längeres Treppensteigen zu vermeiden sei, genießt keine Aktualität mehr. Die am 27. August 2013, also zwei Wochen nach der Knieoperation ausgestellte Bescheinigung bezieht sich selbst darauf, dass der Antragsteller bis zum 28. Oktober 2013 sich nur auf Unterarmgehstützen fortbewegen solle. Dieser Zusammenhang ist in zeitlicher Hinsicht inzwischen offensichtlich entfallen. Auch die Bescheinigung vom 18. August 2013 sah eine Vollbelastung nach zwölf Wochen postoperativ, also ab November 2013, vor.
60Ebenso ist der weiter gestellte Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
62Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien in Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az.: AN 11 K 15.50224) gegen die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. April 2015 angeordnete Abschiebung nach Bulgarien.
Der durch Reisepass der Arabischen Republik Syrien ausgewiesene Antragsteller ist am ...1986 geboren, arabischer Volkszugehöriger und moslemisch-sunnitischen Glaubens. Er stellte am
Mit Schreiben vom
Das Bundesamt stellte aufgrund eines Eurodac-Treffers am
Mit einem nicht datierten Schreiben, das ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides vom
Der Antragsteller erklärte in dem am
In der Bundesamtsakte (Bl. 88-90) befindet sich ein vom
Mit Bescheid vom
Mit am 28. Mai 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller gegen den genannten Bundesamtsbescheid Klage erheben (Az.: AN 11 K 15.50224), über die noch nicht entschieden wurde, und stellte gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Abschiebungsanordnung schon deshalb rechtswidrig sei, weil sich der Kläger nach seiner Asylablehnung in Bulgarien am 21. Mai 2014, wie er auch in seiner Anhörung zum Reiseweg am 10. März 2015 angegeben habe, länger als drei Monate außerhalb des Gebietes der Dublin-Vertragsstaaten befunden habe. Er sei wenige Tage nach dem Erhalt des Bescheides zum 21. Mai 2014 aus Bulgarien über die Türkei und den Libanon nach Syrien zurückgekehrt. Dazu habe er sich seinen syrischen Reisepass zurückgeben lassen. Am 7. September 2014 sei er von Syrien wieder in den Libanon ausgereist, wo er zwei Tage gewesen sei, von dort sei er nach Algerien geflogen und dann nach Tunesien gefahren, um über das Mittelmeer nach Italien auszureisen. Diese Angaben des Antragstellers (auf Bl. 84 der Bundesamtsakte) würden bestätigt durch die Eintragungen im Reisepass des Antragstellers, den er den Behörden übergeben habe. Demnach habe er sich von Ende Mai bis zur Einreise nach Italien im September 2014, also mehr als drei Monate, außerhalb des Gebietes der Dublin-Staaten aufgehalten. Wie das Bundesamt bei dieser Sachlage dazu komme, den bulgarischen Behörden mitzuteilen, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe, sei unerklärlich. Angesichts der durch die Passeinträge bestätigten Fluchtgeschichte hätte sich eine Anfrage bei den italienischen oder auch den französischen Behörden angeboten, auf das alte Asylverfahren in Bulgarien könne wegen Fristablauf nicht zurückgegriffen werden. Deutschland sei zur Übernahme des Verfahrens verpflichtet, weil die Fristen für die Anbietung bei den italienischen und französischen Behörden inzwischen abgelaufen seien. Jedenfalls sei die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien rechtswidrig, weil Bulgarien für das Asylverfahren nicht mehr zuständig sei. Deutschland sei auch verpflichtet, gegenüber den bulgarischen Behörden wahrheitsgemäße Angaben über den Zwischenaufenthalt des Klägers außerhalb der Dublin-Staaten zu machen. Bulgarien sei jedenfalls gemäß Art. 20 Abs. 5 Satz 2 Dublin-III-VO wegen des nachgewiesenen Aufenthalts des Antragstellers für mehr als drei Monate außerhalb des Dublin-Bereichs für das Asylverfahren nicht mehr zuständig.
Der Antragsteller beantragt im Klageverfahren (AN 11 K 15.50224):
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Der Antragsteller beantragt im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 des Bescheides anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt im vorliegenden Verfahren die
Ablehnung des Antrages.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. Im Klageverfahren beantragt sie Klageabweisung.
Auf den Seiten des Reisepasses des Antragstellers befinden sich ausweislich der in den Bundesamtsakten befindlichen Kopien mehrere Ein- und Ausreisestempel. Ob es sich jeweils um einen Ein- oder einen Ausreisestempel handelt, ist aufgrund der vergleichsweise schlechten Lesbarkeit der Kopien nicht feststellbar. So findet sich auf Seite 7 des Reisepasses ein Stempel der Libanesischen Republik (S.G.DU LIBAN) vom 6. September 2014. Daneben findet sich ebenfalls ein libanesischer Stempel auf der gleichen Seite vom 9. September 2014. Auf Seite 13 des Reisepasses finden sich wiederum libanesische Stempel vom 9. Juni 2014 und (wohl; insoweit unleserlich) vom 25. Juni 2014. Weitere Stempel, deren genauere Zuordnung aufgrund der schlechten Lesbarkeit und der arabischen Schriftzeichen auf der Grundlage der Kopien nicht möglich ist, datieren vom 10. September 2014 (Seite 6 des Reisepasses) und vom 9. September 2014 (Seite 21). Auf Seite 17 des Reisepasses findet sich ein Stempel in kyrillischer Schrift, auf dem das Datum des 2. Juni 2014 sich befindet.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die den Antragsteller betreffenden Bundesamtsakten Bezug genommen.
II.
Für die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Einzelrichter zuständig.
Der Antrag ist zulässig. Er ist als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Az. AN 11 K 15.50224 geführten Anfechtungsklage gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 30. April 2015 (Abschiebungsanordnung nach Bulgarien) statthaft. Auch die Antragsfrist nach § 34 a Abs. 2 AsylVfG von einer Woche ist vorliegend eingehalten, da der Bescheid am 21. Mai 2015 ausweislich der Postzustellungsurkunde durch Niederlegung zugestellt wurde, der vorliegende Antrag am 28. Mai 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen ist. Aus diesem Grund besteht für den Antrag auch das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, da die ebenfalls am 28. Mai 2015 erhobene Hauptsacheklage damit auch die Klagefrist nach § 74 AsylVfG einhält, mithin also keine Bestandskraft eingetreten ist.
Der Antrag ist auch begründet. Er richtet sich einerseits mit der Bundesrepublik Deutschland gegen den richtigen Antragsgegner, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog. Daneben hat das Gericht in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Abwägungsentscheidung zu treffen, bei der es das Interesse der Antragsgegnerin an der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides gegen das Interesse des Antragstellers an dessen Aussetzung gegeneinander abwägt. Zu berücksichtigen sind dabei neben einer Entscheidung des Gesetzgebers für den ausnahmsweisen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage, wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG erfolgt, auch die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren, die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren summarisch aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel zu überprüfen sind. Diese Abwägungsentscheidung ergibt im vorliegenden Fall, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Abschiebung nach Bulgarien findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 a Abs. 1 AsylVfG. Voraussetzung dafür ist, dass für die Durchführung des Asylverfahrens ein anderer Mitgliedsstaat der EU nach § 27 a AsylVfG zuständig ist. Welcher Staat für das Asylverfahren eines Drittstaatsangehörigen zuständig ist, bestimmt sich im Falle des Asylantrags des Antragstellers nach der Verordnung (EU) Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin-III-VO, ABl. 2013, L. 180/31). Hier hat zwar Bulgarien gegenüber der Bundesrepublik Deutschland seine Zuständigkeit und seine Bereitschaft zur Rückübernahme des Antragstellers erklärt. Es bestehen jedoch seitens des Gerichts erhebliche Bedenken, ob es sich bei Bulgarien tatsächlich um den nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedsstaat handelt. Dies folgt letztlich aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 der Dublin-III-VO. Danach erlöschen die in Art. 18 der Dublin-III-VO normierten Übernahmepflichten, wenn der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Nach dem 2. UA des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1, also mithin nach drei Monaten Abwesenheit, gestellter Antrag als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats auslöse.
Nach Überzeugung des Gerichts liegt hier jedoch kein Fall des vonseiten des Bevollmächtigten des Antragstellers ins Spiel gebrachten Art. 20 Abs. 5 UA 2 der Dublin-III-VO vor, da Bulgarien vorliegend das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland unter Bezugnahme auf Art. 18 der Dublin-III-VO akzeptiert hat, und nicht nach Art. 20 Abs. 5 UA 1. Daher ist nach dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Maßstab einer summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, dass die Übernahme nach Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-Verordnung, also aufgrund einer durch den Antragsteller erfolgten Antragsrücknahme während des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens in Bulgarien, auszugehen. Entsprechende Hinweise, dass der Antragsteller seinen Asylantrag in Bulgarien zurücknahm, noch während Bulgarien prüfte, ob es überhaupt nach der Dublin-III-VO der zuständige Mitgliedsstaat ist, lassen sich schließlich auch nicht dem bulgarischen Einstellungsbeschluss vom 21. Mai 2014 (Bl. 89/90 der Bundesamtsakte) entnehmen.
Nach Auswertung der Kopien des Reisepasses des Antragstellers steht zur Überzeugung des Gerichtes unter Berücksichtigung des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes maßgeblichen summarischen Prüfungsmaßstabs fest, dass der Antragsteller sich 2014 tatsächlich mehr als drei Monate außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgehalten hat. Denn ausweislich des Einstellungsbeschlusses der Staatlichen Flüchtlingsagentur beim Ministerrat Bulgariens vom 21. Mai 2014 erklärte der Antragsteller mit einem am 9. Mai 2014 bei der Flüchtlingsagentur eingegangenem Schreiben, dass er auf das Asylverfahren verzichte. Nach seinen Angaben beim Bundesamt flog er, nachdem er seine Papiere zurückbekommen hatte, über die Türkei in den Libanon. Auf Seite 13 seines Reisepasses findet sich dementsprechend auch ein wohl vom Libanon stammender Einreisestempel mit dem Datum 9. Juni 2014. Dies deckt sich mit den Angaben des Antragstellers. Ein weiterer, sich mit den Angaben des Antragstellers zu seiner erneuten Ausreise aus Syrien deckender Stempel des Libanons findet sich auf Seite 7 des Reisepasses und datiert vom 9. September 2014. Dieser deckt sich mit den Angaben des Antragstellers beim Bundesamt, am 7. September 2014 Syrien mit dem Auto in Richtung Libanon verlassen zu haben, sich dort zwei Tage aufgehalten zu haben und von dort nach Algerien ausgeflogen zu sein. Zuvor findet sich auf Seite 7 des Reisepasses bereits ein weiterer Stempel des Libanon, der vom 6. September 2014 datiert. Dieser deckt sich mit der Angabe zur Einreise aus Syrien nach Libanon. Ebenfalls vom 9. September 2014 und damit vom gleichen Tag, wie der Stempel, der nach den Angaben des Antragstellers die Ausreise aus dem Libanon dokumentiert, stammt ein auf Seite 21 des Reisepasses befindlicher, in der Kopie nicht leserlicher Stempel. Nach summarischer Prüfung könnte dieser die vom Antragsteller vorgetragene Einreise nach Algerien dokumentieren. Genaueres wird im Hauptsacheverfahren zu überprüfen sein. Dokumentiert ist damit eine Abwesenheit aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 9. Juni bis zum 9. September 2014. Zusammen mit dem weiteren Reiseweg nach den Angaben des Antragstellers (dreitägiger Aufenthalt in Algerien, Weiterreise illegal mit dem Auto über Tunesien nach ..., Libyen, dort Aufenthalt bis 3. Oktober 2014, anschießend über das Mittelmeer nach Italien) ergibt sich eine Abwesenheit von mehr als drei Monaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Entfallen der Zuständigkeit Bulgariens nach Art 19 Abs. 2 Dublin-III-VO liegen damit aller Voraussicht nach vor.
Nach alledem ist maßgeblich für die Erfolgsaussicht der Klage in der Hauptsache, ob der Antragsteller als Asylantragsteller sich auf diese Bestimmung der Dublin-III-VO berufen kann, mithin, ob er durch die Nichteinhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in eigenen Rechten verletzt ist. Insoweit betrachtet das Gericht die Erfolgsaussichten jedenfalls als offen.
Gegen die Möglichkeit eines Asylantragstellers, sich auf die Einhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu berufen, spricht einerseits der Wortlaut der Bestimmung, der das Erlöschen der Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO daran knüpft, dass der zuständige Mitgliedsstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung um eine Einwendung handeln könnte, die der ersuchte Mitgliedsstaat gegenüber dem ersuchenden Mitgliedsstaat vorbringen kann, und wofür ihn dementsprechend auch die Nachweispflicht trifft. Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung besteht zu dieser Frage soweit ersichtlich nur äußerst vereinzelt. So hat das VG Gelsenkirchen in mehreren Entscheidungen vom Ende des Jahres 2014 (Urteile
Für die Möglichkeit, dass sich auch ein Asylantragsteller auf die Einhaltung von Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO berufen kann und mithin bei Verletzung dieser Bestimmung auch eine Verletzung des Asylantragstellers in eigenen Rechten vorliegt, spricht dagegen, dass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren „Abdullahi“ die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50/1; sog. Dublin-II-VO) zugrunde lag und nicht die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Dublin-III-VO. Beide Verordnungen unterscheiden sich nämlich in nicht unerheblicher und möglicherweise im vorliegenden Fall streitentscheidender Weise. So ist in die Dublin-III-VO zunächst als neuer, im Rahmen der Dublin-II-VO noch nicht auffindbarer Erwägungspunkt der 19. Erwägungsgrund aufgenommen. Dieser lautet wie folgt:
„Um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenen zu gewährleisten, sollten im Einklang, insbesondere mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden. Um die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen, sollte ein wirksamer Rechtsbehelf gegen diese Entscheidungen sowohl die Prüfung der Anwendung dieser Verordnung als auch die Prüfung der Rechts- und Sachlage in dem Mitgliedsstaat umfassen, in den der Antragsteller überstellt wird.“
Anders als in der Entscheidung des EuGH im Verfahren „Abdullahi“ in der zwischen Bestimmungen der Dublin-II-VO, auf die sich ein Asylbewerber berufen kann, und den übrigen Bestimmungen differenziert wird, findet sich eine derartige Differenzierung in dem genannten Erwägungsgrund gerade nicht. Im Gegenteil soll nach dem Erwägungsgrund der wirksame Rechtsbehelf allgemein die „Prüfung der Anwendung dieser Verordnung“ umfassen. Eine derartige Überprüfung im gerichtlichen Verfahren wird aber unmöglich, wenn, wenn auch nur nach nationalem deutschen Recht, eine Bestimmung wie die des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO von vornherein mangels möglicher Verletzung des Asylbewerbers in eigenen Rechten der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird. Eine Differenzierung zwischen einzelnen Bestimmungen in der Dublin-III-VO, auf die sich ein Asylbewerber berufen kann und anderen Bestimmungen, findet sich auch nicht in dem den 19. Erwägungsgrund umsetzenden Artikel 27 der Dublin-III-VO. Auch in dessen Abs. 1 findet sich allein die Regelung, dass der Antragsteller ein Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht habe. Aufgrund dieser Änderungen von der Dublin-II- zur Dublin-III-VO bestehen aus der Sicht des Gerichtes gute Gründe für die Annahme, dass sich ein Asylantragsteller wie der Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf die Einhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO berufen kann. Wie bereits erwähnt, sieht das Gericht die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren daher als offen an.
Angesichts dieser offenen Erfolgsaussichten geht die vom Gericht zu treffende Abwägungsentscheidung auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmung des § 75 AsylVfG vorliegend zugunsten des Interesses des Antragstellers auf Aussetzung der Entscheidung aus. Dies ergibt sich letztlich aus dem vom Bevollmächtigten des Antragstellers erhobenen Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bundesamts. Denn Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist so formuliert, dass dem ersuchten Mitgliedsstaat letztlich eine Beweislast hinsichtlich der Abwesenheit aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten trifft. Über Mittel und Wege, dieser nachzukommen, wird der ersuchte Mitgliedsstaat aber regelmäßig nicht verfügen: Der Asylantragsteller wird sich regelmäßig im ersuchenden Mitgliedsstaat aufhalten. Einen Nachweis hinsichtlich des Aufenthalts desselben wird der ersuchte Mitgliedsstaat allenfalls, was das Datum der Ausreise aus seinem Hoheitsgebiet angeht, treffen können. Wo der Asylantragsteller sich ab diesem Zeitpunkt aufgehalten hat, darüber werden beim ersuchten Mitgliedsstaat keinerlei Dokumente vorliegen. Als einzig denkbares Mittel für die Erbringung dieses Nachweises ist daher (im Falle einer legalen Reise bzw. eines legalen Reiseweges) der Reisepass des Asylantragstellers mit entsprechenden Ein- und Ausreisestempeln denkbar. Um dem ersuchten Mitgliedsstaat also die Möglichkeit eines Nachweises im Sinne des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu ermöglichen, müsste also der ersuchende Mitgliedsstaat diesem etwaige Kenntnisse über den Aufenthalt des Asylantragstellers und die entsprechenden Dokumente zur Verfügung stellen. Andernfalls vereitelt er dem ersuchten Mitgliedsstaat die Möglichkeit, sich auf Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu berufen. Ob dem Aufnahmegesuch des Bundesamts Kopien des Reisepasses des Antragstellers beigefügt wurden, lässt sich der vorgelegten Bundesamtsakte nicht entnehmen. Dies kann letztendlich aber auch offen bleiben, da den Bemerkungen (entgegen der objektiven Sachlage) die Feststellung zu entnehmen ist, dass Deutschland keine Nachweise habe, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe. Tatsächlich lagen derartige Erkenntnisse aber aufgrund der Eintragungen im Reisepass des Antragstellers vor. Nachdem das Bundesamt im Übernahmeersuchen damit wahrheitswidrig entsprechende Hinweise verneint hat, geht die Abwägungsentscheidung des Gerichts angesichts der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache dahin, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hier überwiegt. Die aufschiebende Wirkung war daher wie erfolgt anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 02.09.2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Überstellung in die Niederlande.
3Er reiste seinen Angaben zufolge am 11. August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18. August 2014 einen Asylantrag. Im persönlichen Gespräch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (hiernach: Bundesamt) nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) äußerte der Kläger am 18. August 2014, dass er sein Heimatland vor 2,5 bis 3 Jahren verlassen habe und sich seither in den Niederlanden aufgehalten habe.
4Am 17. September 2014 erhielt das Bundesamt einen EURODAC-Treffer für die Niederlande. Daraufhin sandte das Bundesamt am 13. November 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an die niederländischen Behörden. Hierin wurde ausgeführt, dass der Kläger laut EURODAC in den Niederlanden am 12. April 2012, 8. November 2012 und am 10. Oktober 2013 Asyl beantragt habe. Mit Schreiben vom 17. November 2014 erklärten sich die niederländischen Behörden aufgrund von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-III-VO zur Wiederaufnahme des Antragstellers bereit.
5Mit Bescheid vom 8. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung in die Niederlande an (Nr. 2). Der Bescheid vom 8. Januar 2015 wurde dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 17. Januar 2015 bekannt gegeben.
6Der Kläger hat am 20. Januar 2015 Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2015 erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt (14 L 124/15.A).
7Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, sein Asylverfahren sei in den Niederlanden bestandskräftig negativ beendet worden und die niederländischen Behörden hätten ihm angesichts seiner fehlenden Bereitschaft, nach Afghanistan zurückzukehren, jegliche Unterstützung entzogen. Die Bundesrepublik sei daher gehalten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid vom 8. Januar 2015 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
13Den Eilantrag hat das Gericht mit Beschluss vom 11. Februar 2015 (14 L 124/15.A) abgelehnt.
14Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 informatorisch angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 14 L 124/15.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zum Termin erschienen ist, denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beklagte ist form- und fristgerecht mit Empfangsbekenntnis vom 31. März 2015 geladen worden.
18Die zulässige Klage ist unbegründet.
19Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 8. Januar 2015 in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
20Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
21Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers in rechtmäßiger Weise als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in die Niederlande angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen hier vor.
22Die Niederlande sind gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Insoweit wird zunächst auf die auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fortgeltenden Erwägungen des vorgelagerten unanfechtbaren Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen (vgl. Beschluss vom 11. Februar 2015 – 14 L 124/15.A).
23Das Gericht folgt auch weiterhin nicht der gegenteiligen, vom VG Darmstadt vertretenen Rechtsauffassung, wonach von einer Abschiebung in die Niederlande abzusehen ist, weil damit eine Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG als möglich erscheint.
24Vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 L 597/14.DA.A –, juris; Beschluss vom 08. Mai 2014 – 4 L 621/14.DA.A –, juris; Beschluss vom 9. Mai 2014 – 4 L 491/14.DA.A –, juris; so wie hier VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 13 L 171/14.A – juris; VG Augsburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014 – Au 7 S 14.50263 –, juris; VG Kassel, Beschluss vom 18. März 2014 - 6 L 16/14.KS.A; VG Magdeburg, Beschluss vom 12. August 2014 – 1 B 894/14 –, juris;
25Selbst wenn in der Vergangenheit Anhaltspunkte dafür bestanden haben sollten, dass in den Niederlanden Angehörige einer bestimmten Gruppe abgelehnter Asylbewerber, die nicht bereit sind, in ihre Heimatländer zurückzukehren oder an ihrer Rückkehr dorthin mitzuwirken, die Obdachlosigkeit sowie fehlende Nahrungsmittelversorgung drohen könnten,
26vgl. Asylum Information Database, Country Report, The Netherlands, 16. January 2015, p. 43 (hiernach aida 2015),
27verletzt die Abschiebung eines Asylbewerbers in die Niederlande dessen Menschenwürde nicht. Nachdem in dem Verfahren Conference of European Churches (CEC) vs. the Netherlands der Europäische Ausschusses für Soziale Rechte des Europarates (ECSR) am 10. November 2014 entschieden hat, dass der Ausschluss abgelehnter Asylbewerber von der Grundversorgung gegen die Verpflichtung der Behörden unter der Charta im Hinblick auf den Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung verstößt, ist weiterhin unklar, ob die niederländische Regierung das bestehende System beibehält.
28Vgl. aida 2015, p. 44.
29Mittlerweile hat jedenfalls auch der Dutch Administrative High Court in einer Entscheidung vom 17. Dezember 2014 auf der Grundlage der ECSR-Entscheidung eine niederländische Verwaltungseinheit dazu verpflichtet, Unterkünfte und Verpflegungen für abgelehnte Asylbewerber zur Verfügung zu stellen.
30Vgl. aida 2015, p. 44.
31Jedenfalls hat es der Kläger aber grundsätzlich selbst in der Hand, die o.g. Folgen zu vermeiden. Derjenige Asylbewerber, der nach der (bestandskräftigen) Ablehnung seines Asylgesuchs die Niederlande aufgrund von Umständen nicht verlassen kann, die er selbst nicht zu vertreten hat, kann dort nämlich auch weiterhin einen Aufenthaltstitel erhalten, wenn er ausreichend an der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitwirkt.
32Vgl. dazu die durch die niederländischen Behörden unter https://ind.nl/EN/individuals/residence-wizard/asylum/Pages/default.
33aspx in englischer Sprache bereitgestellten Informationen (durch das Gericht abgerufen am 20. April 2015).
34Dem Asylbewerber, dessen Antrag abgelehnt worden ist, wird damit - bei Vornahme der zur Beschaffung von Heimreisedokumenten erforderlichen Mitwirkungshandlungen - zugleich die Möglichkeit eröffnet, eine etwa drohende Obdachlosigkeit und Einstellung der Nahrungsmittelversorgung abzuwenden.
35Vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 12. August 2014 - 1 B 894/14 -, juris.
36Auch im Übrigen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Anordnung der Abschiebung des Klägers in die Niederlande. Insbesondere ist nichts für das Bestehen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe
- 1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem gleichzeitig mit der Klage (9 A 513/15) am 04.06.2015 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.05.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung des Antragstellers in dieNiederlande angeordnet wurde.
- 2
Der zulässige Antrag,
- 3
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 26.05.2015 anzuordnen,
- 4
ist unbegründet.
- 5
1.) Gemäß § 34 a Abs. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
- 6
Wegen §§ 27 a, 34 a AsylVfG ist im Rahmen einer Interessenabwägung vorrangig zu beurteilen, ob das Land, auf welches die Abschiebungsanordnung lautet für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist bzw. ob diese Zuständigkeit ausnahmsweise wegen systemischer Mängel im Asyl- oder Aufnahmeverfahren in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen sein könnte.
- 7
Die Klage gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages sowie gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 AsylVfG). Die aufschiebende Wirkung kann jedoch gemäß § 34 a Abs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Ziffer 3, Abs. 5 VwGO durch das Gericht angeordnet werden. Die Antragsfrist von einer Woche (§ 34 a Abs. 2 AsylVfG) ist eingehalten.
- 8
2.) Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 14.04.2005, 4 VR 1005.04, juris); § 36 Abs. 4 AsylVfG findet keine Anwendung.
- 9
Bei einem offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zwar stets zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die - wie hier - nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Gleichwohl ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B. v. 10. 10. 2003, 1 BvR 2025/03, juris). Deshalb ist wegen der mit der Abschiebung verbundenen (relativen) Unabänderbarkeit bereits dann das Aussetzungsinteresse höher als das nur zeitweilige Absehen von der Abschiebung zu bewerten, wenn infolge derselben eine Verletzung von Grundrechten nach der EU-Grundrechte-Charta nicht ausgeschlossen werden kann (so auch VG Siegmaringen, B. v. 14.07.2014, A 1 K 254/14). Dies ist der Fall, wenn ernst zu nehmende, hinsichtlich der Schwere und Offensichtlichkeit aber noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine mit Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh nicht in Einklang stehende Umstände bestehen. Für einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kann auch sprechen, wenn die beachtliche Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (derzeit noch) gegensätzlich beurteilt wird (vgl. OVG Bautzen, B. v. 24.07.2014, A 1 B 131/14, juris).
- 10
3.) Diese Anforderungen an die gerichtliche Eilentscheidung gestellt, kann vorliegend nicht mit der für das Eilverfahren notwendigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die so von der Antragsgegnerin angenommene Zuständigkeit der Niederlande wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Anders gewendet: Die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Entscheidung über den Asylantrag im Wege des Selbsteintritts (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO) ist vielmehr auszuschließen. Das Hauptsacheverfahren ist insoweit gerade nicht als offen im oben erörterten Sinne anzusehen.
- 11
a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedstaat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).
- 12
Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).
- 13
Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
- 14
Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umstände in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).
- 15
Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
- 16
b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich den Niederlanden zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylVfG [analog]) keine ernst zu nehmenden oder hinsichtlich ihrer Schwere noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel bestehen.
- 17
Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Niederlande sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken letztlich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dabei ist zunächst festzustellen, dass es im Internet keine verwertbaren Informationen zu den Begrifflichkeiten „Niederlande, systemische Mängel, Dublin“ auffindbar sind. Weder vom UNHCR noch von Amnesty International oder sonstigen Flüchtlingshilfeorganisationen sind überhaupt Dokumente auffindbar. Bereits diese Tatsache der fehlenden Veröffentlichungen im Internet, lässt den Schluss zu, dass die „systemischen Mängel“ gerade nicht zu verzeichnen sind. Denn ansonsten wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Informationen erhältlich. Für diesen Rückschluss spricht, dass Informationen und Dokumente zu den Ländern in denen „systemische Mängel“ zu verzeichnen sind oder waren, wie Griechenland, Italien, Bulgarien und Ungarn, massig im Netz auffindbar sind und die Rechsprechung darauf reagiert hat.
- 18
Schließlich trägt der Antragsteller selbst nicht substantiiert zu den systemischen Mängeln vor.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus N. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 28. Januar 2014 sinngemäß anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 500/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 anzuordnen,
4zu deren Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde am 22. Januar 2014 gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Am 28. Januar 2014 hat er Klage erhoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Belgiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Die angegriffene Entscheidung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere hat das Bundesamt den Sachverhalt in einer dem § 24 AsylVfG genügenden Weise aufgeklärt und den Antragsteller in einer dem § 25 AsylVfG genügenden Weise angehört. Allerdings unterliegt das Bundesamt in Verfahren, in denen es die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates zu dessen Prüfung annimmt (§ 27a AsylVfG), nur einer beschränkten Anhörungspflicht. Es ist nur verpflichtet, die in § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AsylVfG beschriebenen Umstände zu ermitteln bzw. zu ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Kenntnis dieser Umstände kann das Bundesamt bereits die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedstaat bzw. die ggf. zu unterbleibende Abschiebung dorthin treffen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Angaben zu Wohnsitzen, Reisewegen, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten sowie zu sonstigen Tatsachen und Umständen, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat – hier der nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO) zur Prüfung des Asylantrags zuständige Staat – entgegen stehen. Hingegen bedarf es in diesem Verfahrensstadium nicht der Kenntnis der von § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genannten Tatsachen, die die Furcht des Asylbewerbers vor politischer Verfolgung begründen. Die nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO durchzuführende Prüfung des Asylantrags umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe c Dublin II-VO auch die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sodass diesbezüglich relevante Umstände erst von dem nach der Dublin II-VO zuständigen Staat zu prüfen sind.
13Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller im Rahmen der am 18. November 2013 durchgeführten Anhörung ausreichend Gelegenheit, auf alle maßgeblichen Umstände hinzuweisen. Dies entspricht zunächst seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 25 Abs. 2 AsylVfG. Zudem wurde er bei der Anhörung ausdrücklich nach Visa, Aufenthalten und Asylantragstellungen in anderen Staaten, Familienangehörigen, für die in einem anderen Staat der Flüchtlingsstatus anerkannt worden sei, sowie danach gefragt, ob er Einwände dagegen habe, dass sein Asylantrag in Belgien geprüft werde.
14Anders als vom Antragsteller angenommen, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) vor. Zunächst findet diese Vorschrift ohnehin nicht auf den vor dem 1. Januar 2014 gestellten Asylantrag des Antragstellers Anwendung (s. unten). Sodann ist den Anforderungen des Art. 5 Dublin III-VO mit der Anhörung am 18. November 2013 genüge getan. Dort sind die nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Dublin III-VO maßgeblichen Umstände, zu denen auch nach diesen Vorschriften nicht das Verfolgungsschicksal, sondern allein die zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erforderlichen Umstände gehören, hinreichend zur Sprache gekommen.
15Die angegriffene Entscheidung ist auch materiell rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist.
16Vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 = NRWE.
17Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Nach einem Eurodac-Treffer unter dem 26. April 2013 und einem an das Königreich Belgien gerichteten Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2013 wurde die Übernahme unter dem 11. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO akzeptiert. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Dass der Antragsteller bei der Anhörung am 18. November 2013 ohne weitere Erläuterung angegeben hat, nicht in Belgien gewesen zu sein, ist angesichts des positiven Eurodac-Treffers sowie der durch Belgien erklärten Bereitschaft zur Übernahme nicht nachvollziehbar, zumal der Antragsteller in der Antragsschrift vom 28. Januar 2014 selbst von seiner Behandlung „seit der Ablehnung des Asylantrags in Belgien“ spricht (dort S. 13, Blatt 37 der Gerichtsakte).
18Der Überstellung nach Belgien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 24. April 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 2. Dezember 2013 gut sieben Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt.
19Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
20Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
21EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
22Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
23Vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10. A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris Rn. 8.
24Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
25Vgl. i. E. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
26Hier sind seit der Asylantragstellung am 24. April 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 2. Dezember 2013 erst gut sieben Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
27Die Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Antragstellers nach Belgien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist.
28EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
29Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
30Vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 57 f.
31Die Antragsgegnerin ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zugunsten des Antragstellers – gehindert, diesen nach Belgien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
32EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
33der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta implizieren.
34EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
35Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
36EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
37Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Abs. 2 UAbs 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
38Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt.
39Sie ergeben sich zunächst nicht aus der Schilderung des Antragstellers, nach der Ablehnung seines Asylantrags in Belgien keinen Anspruch auf staatliche Leistungen mehr zu haben. Hierbei handelt es sich nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn es geht hierbei nicht um Leistungen und Aufnahmebedingungen während der Durchführung des Asylverfahrens. Anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das Asylverfahren des Antragstellers in Belgien bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem von ihm nicht erwünschten Ergebnis. Ist wie hier der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller auch die Ausreisepflicht.
40Vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.
41Der Verlust des Anspruchs auf staatliche Leistungen stellt sich jedenfalls in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
42Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, demnächst bei juris und NRWE, und vom 23. Juli 2013 – 25 L 1342/13.A -, n.v.
43Das zeigt auch schon die Wertung, welche in Art. 41 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie n.F.) zum Ausdruck kommt. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten oder als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Ist es demnach möglich, einer beständigen Wiederholung von Folgeanträgen durch die Ausweisung des Asylbewerbers zu begegnen, so begegnet es keinen Bedenken, die „Versorgung einzustellen“, wenn der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Dies gilt mit Blick auf Belgien umso mehr, als abgelehnten Asylbewerbern in der Regel nach der Ablehnung des Asylantrags eine Rückkehrbegleitung angeboten wird.
44Vgl. auch aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 43.
45Ob dies in einem Fall, in dem nach der letzten Ablehnung eines Asylantrags asylerheblich neue Umstände eintreten oder der Asylbewerber in der Lage ist – erst jetzt – weitere asylerhebliche Angaben vorzubringen, anders zu sehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da solche Umstände vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich sind.
46Weitere Umstände, aus denen sich systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen Belgiens ergeben, sind vom Antragsteller ebenfalls nicht überzeugend geltend gemacht worden. Soweit der Kläger sich auf die systemische Verletzung des Refoulement-Verbotes bezieht, führt er zunächst einige Einzelfälle an, die ihrem Charakter als Einzelfall entsprechend nicht herangezogen werden können, um Fehler im Asylverfahren mit systemischem Ausmaß zu begründen. Soweit der Antragsteller geltend macht, Belgien könnte ihn im Wege der Kettenabschiebung nach Guinea abschieben, wo ihm Verfolgung drohe, kann dieser Einwand keine systemischen Mängel im Asylverfahren Belgiens begründen. Dort ist bereits eine Prüfung seines Asylbegehrens durchgeführt worden. Die belgischen Behörden sind dabei offenbar zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Furcht vor Verfolgung nicht begründet ist. In dieser Situation eine Abschiebung nach Guinea vorzusehen, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt, zumal es dem Antragsteller grundsätzlich freisteht, auch in Belgien um Rechtsschutz nachzusuchen oder ggf. einen Folgeantrag zu stellen (vgl. hierzu unten). Der Antragsteller beruft sich insoweit auch auf einen Brief des Jesuiten Flüchtlingsdienstes vom 16. September 2013. Dieser befasst sich jedoch mit den Einzelschicksalen von Asylbewerbern, denen eine Abschiebung nach Inguschetien drohte. Der Autor des Briefes führte diesbezüglich u.a. aus, dass „die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Beweismittel“ in einem erneuten Asylverfahren wohl nicht zum Erfolg führen würden. Dies macht deutlich, dass es grundsätzlich möglich ist, auch in Belgien Folgeanträge zu stellen.
47Vgl. Hierzu auch ausführlich, aida, Asylum Information Database, National Country Report Belgium, Stand 30. April 2013, S. 36. Danach hat die Stellung eines Folgeantrags u.a. einen Suspensiveffekt bezüglich einer bestehenden Ausweisungsverfügung.
48Außerdem ist erkennbar, dass sich die Auskunft allein auf die konkrete Beweissituation in Einzelfällen bezog. Eine Aussagekraft für das hiesige Antragsverfahren oder das Asylverfahren in Belgien im Allgemeinen haben diese Ausführungen daher nicht.
49Auch die Einlassung, dass Rechtsschutz gegen die drohende Abschiebung unzumutbar erschwert werde, lässt systemische Mängel im Sinne der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes im Asylverfahren in Belgien nicht offensichtlich werden. Denn die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers (Asylbewerber würden grundsätzlich in Abschiebehaft genommen, dort bestünde kein Zugang zu einem Rechtsbeistand) stehen in Widerspruch zu anderen Erkenntnissen. So weist etwa der vorzitierte aida-Bericht auf S. 58 darauf hin, dass der Zugang zu einem Rechtsbeistand während der Abschiebehaft nicht nur dem Gesetz nach zu gewähren sei, sondern dass effektiver Zugang zu einem Rechtsbeistand auch in der Praxis bestehe. Die in dem Bericht genannten absoluten Zahlen von Verhaftungen von Asylbewerbern im dreistelligen Bereich (S. 53) sprechen im Übrigen dagegen, dass flächendeckend mit Inhaftierung zu rechnen ist.
50Dem Final Report des Dublin Transnational Project für den Berichtszeitraum Dezember 2009 bis Mai 2011 ist zu entnehmen, dass jeder Asylbewerber die Möglichkeit hat, gegen eine ablehnende Asylentscheidung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu beantragen (S. 38).
51Auch im Übrigen sind keine systemischen Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen erkennbar. Der Bericht des Auswärtigen Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika (Belgium 2012 Human Rights Report) beschreibt auf S. 7 ff. die Flüchtlingssituation in Belgien, ohne Beanstandungen systemischer Art auch nur im Ansatz zu erwähnen. Amnesty International enthält in seinem „Amnesty Report 2013 – Belgien“ lediglich den Hinweis darauf, dass die Kapazität der Aufnahmezentren für Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten nicht ausreichend gewesen sei, ein Zustand der nach dem vorzitierten aida-Report, S. 44, ab Ende 2012 nicht fortbestanden haben soll.
52Ohne dass es hier darauf ankommt, weist das Gericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht jeglicher Unzulänglichkeit im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen automatisch eine Schwere zuzumessen ist, die für die hier erforderliche Annahme einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährten Rechte (Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe) ausreicht.
53Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen ebenfalls keine Bedenken. Das Gericht teilt zunächst nicht die Auffassung des Antragstellers, dass über die Frage, ob abgeschoben oder eine andere Form der Überstellung gewählt wird, zunächst eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Vielmehr sieht Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 Dublin II-VO vor, dass die Überstellung nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erfolgt. Diese sehen hier gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG zwingend den Erlass einer Abschiebungsandrohung vor. Soweit der Antragsteller auf Art. 20 Abs. 1 Buchstabe e Satz 2 (gemeint ist wohl Satz 3) Dublin II-VO Bezug nimmt, folgt hieraus nichts anderes. Diese Vorschrift befasst sich zwar mit dem Fall, dass der Asylbewerber sich auf eigene Initiative in den zuständigen Staat begeben soll. Sie schreibt diese Möglichkeit den Mitgliedstaaten jedoch nicht vor, sondern enthält nur Regelungen für den Fall, dass das einzelstaatliche Recht eine solche Möglichkeit vorsieht. Vorrang genießt insoweit die bereits genannte Regelung des Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 Dublin II-VO, die die Umstände der Überstellung der einzelstaatlichen Regelung überlässt.
54Es besteht auch kein innerstaatliches Abschiebungshindernis. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung voraus, dass diese auch durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Ausländers bestehenden Abschiebungshindernisse bestehen. Die insoweit vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden begründen kein solches Abschiebungshindernis. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht.
55BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
56Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
58Eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Der Antragsteller macht insoweit lediglich geltend, dass nach dem Bericht des Evangelischen Krankenhauses P. zwölf Monate nach seiner Knieoperation am 13. August 2013 zur Behandlung einer lateralen Tibiakopfimpressionsfraktur links eine Überprüfung der Indikation zur Materialentfernung (winkelstabile vorgeformte L-Platte, 4,5 mm, Titan Fa Synthes) von dem behandelnden Arzt erbeten worden ist (vgl. ärztlicher Bericht des Assistenzarztes T. vom 18. August 2013). Nach weiterer ärztlicher Bescheinigung vom 17. Dezember 2013 wird die Metallentfernung in ca. 15 Monaten „angeraten“. Eine Gesundheitsgefährdung im beschriebenen Ausmaß wird hiermit nicht dargetan; sie ist aufgrund der Angaben auch nicht offensichtlich. Zum einen bleibt es völlig offen, ob eine ggf. anstehende Operation zur Entfernung des eingebrachten Materials nicht auch in Belgien oder ggf. im Herkunftsland des Antragstellers erfolgen kann. Aber selbst unterstellt, dass dies nicht möglich wäre, ist überhaupt nicht ersichtlich, warum aus dem Verbleiben des Materials im Knie des Antragstellers eine Gesundheitsgefahr – noch zudem im beschriebenen Ausmaß – erwachsen soll. Hierzu fehlen jegliche Angaben des Antragstellers. Angesichts des häufig zum dauerhaften Verbleib im menschlichen Körper verwendeten Titans drängen sich solche Gesundheitsgefahren auch nicht auf.
59Die weitere ärztliche Bescheinigung des Leitenden Arztes im Evangelischen Krankenhaus P. Dr. B. , nach welcher eine längere Fahrt mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln und längeres Treppensteigen zu vermeiden sei, genießt keine Aktualität mehr. Die am 27. August 2013, also zwei Wochen nach der Knieoperation ausgestellte Bescheinigung bezieht sich selbst darauf, dass der Antragsteller bis zum 28. Oktober 2013 sich nur auf Unterarmgehstützen fortbewegen solle. Dieser Zusammenhang ist in zeitlicher Hinsicht inzwischen offensichtlich entfallen. Auch die Bescheinigung vom 18. August 2013 sah eine Vollbelastung nach zwölf Wochen postoperativ, also ab November 2013, vor.
60Ebenso ist der weiter gestellte Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
62Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.