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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2002 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Lörrach vom 27. November 2002 sind hinsichtlich der für das Jahr 2001 festgesetzten Wassergebühr rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der für das Jahr 2001 festgesetzten
Verbrauchsgebühr
ist § 42 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung der Beklagten vom 07. Dezember 1999 - WVS - in der zum 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung der Änderungssatzung vom 12. Dezember 2000 - WVS 2001 -. Diese Bestimmung ist rechtswidrig und damit nichtig.
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Nach § 9 Abs. 1 KAG können die Gemeinden u.a. für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Die Gebühren dürfen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden.
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Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan über die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ermessensausübung ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Sie wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei der voraussichtliche Umfang der Benutzung bzw. Leistung geschätzt werden muss. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- bzw. Leistungseinheiten geteilt werden. Der Gemeinde ist bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsermessen eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen, wie dies beispielsweise bei der Ermittlung des „angemessenen“ Zinssatzes für die Verzinsung des Anlagekapitals und des „angemessenen“ Abschreibungssatzes für die Abschreibungen der Fall ist (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG). Da § 9 Abs. 2 KAG die Gemeinde nicht verpflichtet, vollständige Kostendeckung anzustreben, hat sich der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer finanz- und kommunalpolitischen Ermessensentscheidung darauf festzulegen, welche gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung in den Gebührensatz eingestellt werden sollen; insbesondere hat er darüber zu befinden, ob er volle oder nur teilweise Kostendeckung durch das Gebührenaufkommen erreichen will (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04. Juli 1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540). Die Ausübung dieses Ermessens steht allein dem Gemeinderat als dem zuständigen Rechtsetzungsorgan zu. Ist dem Gemeinderat vor oder bei Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge, weil der Gemeinderat das ihm bei Festsetzung der Gebührensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte (VHG Bad.-Württ., Urteil v. 16. Februar 1989 - 2 S 2279/89 -, VBlBW 1989, 462 sowie NK-Besch. v. 27. Januar 2000 - 2 S 1621/97 -, NVwZ-RR 2000, 710).
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Der Satzungsbeschluss des Gemeinderats vom 12. Dezember 2000 verstößt gegen § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG. Danach sind Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, bei ein- oder mehrjähriger Gebührenbemessung innerhalb der folgenden 5 Jahre auszugleichen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. September 2000 selbst vorträgt, beläuft sich das gebührenrechtlich relevante Ergebnis (zu Bedeutung und Umfang des insoweit vorzunehmenden „Abgleichs“ der Einnahmen und Ausgaben vgl. VGH Bad.-Württ., NK-Urteil vom 27. Januar 2003 - 2 S 2587/00 - und Beschluss vom 12. September 2000 - 2 S 1712/00 -) des Jahres 1996 auf 42.601,-- DM, d. h. die Beklagte erzielte nach eigenen Worten im Jahr 1996 eine gebührenrelevante Überdeckung in Höhe von 42.601,-- DM. Von diesem Betrag wurden in früheren Gebührenjahren lediglich 26.601,-- DM gebührenmindernd berücksichtigt. Damit blieb aus 1996 noch eine Überdeckung von 16.000,-- DM offen, die gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG spätestens im Jahr 2001 hätte ausgeglichen, d. h. in die Kalkulation hätte eingestellt werden müssen. Zu diesem Betrag ist richtigerweise, wie die Beklagte ausführt, wegen Nichtausschöpfens der Gebührenobergrenze um 0,03 DM der Betrag von 3.229,00 DM - bewusster Verzicht auf Mehreinnahmen - hinzuzurechnen, so dass sich der Ausgleichsbetrag des Jahres 1996 auf 45.830,-- DM erhöht, mithin noch eine restliche Überdeckung von 19.229,-- DM vorhanden war, die spätestens im Jahr 2001 ausgeglichen werden musste. Dass dieser Ausgleich nicht erfolgte, führt zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses über den Gebührensatz. Unerheblich ist, ob die Beklagte aus den Jahren 1997 bis 2000 noch berücksichtigungsfähige Unterdeckungen hat und deshalb auch bei Einstellung der aus dem Jahr 1996 herrührenden Überdeckung einen gleich hohen oder gar höheren Gebührensatz hätte festsetzen können. Rechtswidrig ist der am 12. Dezember 2000 getroffene Satzungsbeschluss schon deshalb, weil die Gebührenkalkulation für das Jahr 2001 in einem wesentlichen Punkt mangelhaft war und der Gemeinderat deshalb das ihm eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausüben konnte.
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Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG. Zwar können nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG Versorgungseinrichtungen und wirtschaftliche Unternehmen einen angemessenen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Ob überhaupt und in welchem Umfang die Gemeinde mit einer Versorgungseinrichtung Gewinne erzielen will, ist von erheblicher kommunalpolitischer Bedeutung. Die Gemeinde hat deshalb vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine entsprechende Ermessensentscheidung zu treffen. Wenn die Beklagte mithin durch ihre Wassergebühren für das Jahr 1996 einen angemessenen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde hätte erwirtschaften wollen, hätte das der Gemeinderat bei der Festsetzung der Gebühren für das Jahr 1996 beschließen müssen. Gleiches gilt hinsichtlich der Gebührenfestsetzung für das Jahr 2001.
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Nach Auffassung der Kammer dürfte ein solcher Beschluss wegen seiner weitreichenden Wirkungen, etwa auch in steuerrechtlicher Hinsicht, nur vor Beginn eines Gebührenjahres getroffen werden können. Diese Frage kann indes offen bleiben, weil die Beklagte bis heute keinen solchen Beschluss getroffen hat.
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Davon abgesehen kann sich die Beklagte schon deshalb nicht auf § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG berufen, weil sie sich ausdrücklich dafür entschieden hat, durch die Wasserversorgung keine Erträge für den Gemeindehaushalt zu erwirtschaften. § 1 Abs. 3 WVS 1999 mit nachfolgenden Änderungen bestimmt nämlich: „Die Wasserversorgung erzielt keine Gewinne“.
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Nichtig ist gleichfalls die festgesetzte
Grundgebühr
(§ 41 Abs. 1 WVS). Die Nichtigkeit der Grundgebühr ist die zwingende Folge der Nichtigkeit der Verbrauchsgebühr. Beide Gebühren stehen in einem engen und untrennbaren Zusammenhang. Sie stellen die einheitliche Benutzungsgebühr für die Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage dar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG, § 39 WVS). Während die Verbrauchsgebühr nach dem tatsächlichen Wasserverbrauch bemessen wird, sollen durch die Grundgebühr, die für die reine Vorhaltung einer öffentlichen Einrichtung erhoben wird, die hohen Vorhaltungskosten gleichermaßen auf alle Einrichtungsbenutzer umgelegt werden (vgl. hierzu Gössel, BWGZ 1997, 847 ff; vgl. ferner VHG Bad.-Württ., NK-Beschl. v. 29. Oktober 2003 - 2 S 2407/02 -, sowie OVG Brandenburg, Urteil v. 22. Mai 2002 -, KSTZ 2003, 233/236). Die Erhebung der Benutzungsgebühr in der Form einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr und einer verbrauchsabhängigen Gebühr ist zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss v. 12. August 1981 - 8 B 20.81 -, BWGZ 1982, 491). Beide Gebühren bilden zusammen die Benutzungsgebühr, die insgesamt den Anforderungen des § 9 KAG entsprechen muss. Ist eine der beiden Gebührenregelungen nichtig, so ist ein wesentlicher Bestandteil der Benutzungsgebühr nichtig mit der Folge, dass diese insgesamt nichtig ist.
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Dies ergibt sich letztlich auch aus § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG. Ob der Kostendeckungsgrundsatz eingehalten ist, kann nur anhand einer Kalkulation zur Ermittlung der Gebührensatzobergrenze festgestellt werden, die sowohl die Kalkulation für die Verbrauchsgebühr wie auch jene für die Grundgebühr enthält, da beide zusammen erst die bzgl. der Benutzung der Einrichtung maßgebliche Gebührensatzobergrenze ergeben und eine ordnungsgemäße Kalkulation und Ermessensentscheidung nur möglich ist, wenn alle insoweit erheblichen Faktoren der gesamten Einrichtung in eine Kalkulation eingestellt werden.
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Rechtswidrig ist die von der Beklagten festgesetzte Grundgebühr aber auch dann, wenn man sie als einen rechtlich selbständigen, von der Verbrauchsgebühr unabhängigen Gebührentatbestand ansehen würde. Insoweit stellt sich bei der von der Beklagten festgesetzten Grundgebühr (§ 41 WVS) schon die Frage, ob es sich tatsächlich um eine Grundgebühr im o. g. Sinne, nämlich um eine Gebühr für die Vorhaltung der öffentlichen Einrichtung handelt. Wie die Kalkulation der Grundgebühr zeigt, liegen der Kalkulation allein die Kosten für die Anschaffung, Haltung, Wartung etc. der Zähler zugrunde. Diese Grundgebühr, von der Beklagten selbst in einem Klammerzusatz als „Zählergebühr“ bezeichnet, berücksichtigt mithin lediglich die mit dem Vorhandensein der Zähler verbundenen Kosten, ein Bezug zu den Vorhaltekosten der öffentlichen Einrichtung „Wasserversorgungsanlage“ fehlt völlig. Ob es sich damit überhaupt um einen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG zulässigen Gebührentatbestand handelt, erscheint zweifelhaft. Dies kann indes offen bleiben.
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Die Grundgebühr ist auch bei einer selbständigen Betrachtung jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil sie gegen den Kostendeckungsgrundsatz verstößt. In der Kalkulation vom 28. Oktober 1999 wurde der Kostendeckungsgrundsatz als eingehalten angesehen bei Gebührenobersätzen von 2,04 DM/mtl. (Zähler 3/5“) und 3,28 DM/mtl. (Zähler 20“). Tatsächlich wurde die Grundgebühr auf 2,05 DM/mtl. bzw. 3,32 DM/mtl. festgesetzt. Allerdings wurde bei Zähler 7/10“ die Gebühr um 0,02 DM auf 2,35 DM/mtl. verringert. Ob auch bei diesen Gebührensätzen die Gebührensatzobergrenze insgesamt eingehalten ist, wurde indes nicht berechnet und ist aus den vorgelegten Unterlagen auch nicht ersichtlich. Damit aber war dem Gemeinderat wegen der Unvollständigkeit der zugrundeliegenden Kalkulation eine sachgerechte Ermessensentscheidung nicht möglich mit der Folge, dass die festgesetzte Grundgebühr - von Anfang an - schon deshalb nichtig war.
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Das Gericht gibt allerdings vorsorglich zu bedenken, dass, soweit nach Aktenlage ersichtlich, auch eine neue, rechtmäßige Kalkulation der Gebühren wohl nicht zwangsläufig zu niedrigeren Wassergebühren führen muss.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger für das Vorverfahren war in Anbetracht der Schwierigkeit der aufgeworfenen abgabenrechtlichen Fragen notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
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