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| Der Antragsteller - ein eingetragener, mildtätiger Verein - begehrt unter Berufung auf seine Vereinszwecke und die Meinungsäußerungsfreiheit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 16.02.2011. Mit dieser Verfügung ist ihm und den von ihm beauftragten Personen unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,-- EUR untersagt worden, „im Bereich der gesamten ... Straße, Freiburg i.Br., Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen, d.h. sogenannte Gehsteigberatungen durchzuführen“. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag unter Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der beratungssuchenden Personen entgegen getreten und macht geltend, die Untersagungsverfügung sei zum Schutz derjenigen hilfesuchenden Personen erforderlich, die in der in der ... Straße ansässigen Beratungsstelle ... ein Schwangerschaftskonfliktberatungsgespräch führen wollten. Mehrere Personen hätten sich in den letzten Wochen und Monaten bei ... über bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Übergabe von Plastikembryonen, Zeigen drastischen Bildmaterials, bedrängende Gesprächsführung) der vom Antragsteller beauftragten Personen beschwert und sich belästigt gefühlt. Die etwa 70 m lange ... Straße befindet sich in der Freiburger Innenstadt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Martinstor und der dort beginnenden Fußgängerzone. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben jeweils eidesstattliche Versicherungen zur Glaubhaftmachung des Ablaufs der Gehsteigberatung vorgelegt. |
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| Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des zwischenzeitlich eingelegten Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid ist zulässig, aber nicht begründet. |
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| 1. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs unter Nr. II. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16.02.2011 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat insoweit darauf abgestellt, dass für den Fall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die seelische Not der ratsuchenden Personen durch Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte unzulässig erhöht werde und sich die von den Vereinsmitgliedern ausgehenden Belästigungen und Ordnungsstörungen bis zum Ende eines eventuellen Rechtsbehelfsverfahrens wiederholen könnten. Diese keineswegs formelhafte Begründung ist formalrechtlich nicht zu beanstanden. Mit ihr hat die Antragsgegnerin die Gründe angegeben, die nach ihrer Ansicht im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Antragstellers einräumen. Ob diese Erwägungen tatsächlich ausreichen, um die Anordnung des Sofortvollzugs materiell-rechtlich zu rechtfertigen, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung. |
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| 2. Die beschließende Kammer ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung das Interesse des Antragstellers überwiegt, vorläufig weiter „Gehsteigberatungen“ in der ... Straße in Freiburg durchführen zu dürfen, da der angefochtene Bescheid voraussichtlich rechtmäßig sein dürfte und den Antragsteller somit wohl nicht in seinen Rechten verletzt. |
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| 2.1 Die Kammer versteht die angefochtene Untersagungsverfügung (Nr. I im Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.02.2011) dahingehend, dass mit ihr neben der persönlichen Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation nur das unaufgeforderte und gezieltindividuelle Vorzeigen (Hinhalten) und Überreichen von Broschüren, Bildern und Gegenständen untersagt wird. Die Antragsgegnerin beschreibt dieses Verhalten anknüpfend an die von dem Antragsteller verfolgten Satzungszwecke zusammenfassend als „Gehsteigberatung“ (vgl. § 2 Nr. 2 der Vereinssatzung). Allgemein gehaltene Formen der Meinungsäußerung (z.B. Mahnwachen, Gebetsvigilien, Hochhalten von Transparenten und Spruchbändern) dürften von der Untersagungsverfügung nicht erfasst sein. Denn der angefochtene Bescheid verbietet - was im Hinblick auf die Meinungsfreiheit des Antragstellers und seiner Mitglieder rechtlich auch geboten sein dürfte (vgl. unten 2.3) - nur die individualisierte, gezielte („beratende“) Ansprache von bewusst ausgesuchten „Zielpersonen“, lässt aber „ungezielte“, an die Allgemeinheit gerichtete Formen der Meinungskundgabe weiterhin zu. Hierauf deutet neben dem Verfügungssatz (Tenor) des Bescheids auch dessen Begründung hin, die sich - was im Hinblick auf den zu regelnden Sachverhalt völlig zutreffend ist - allein mit der persönlichkeitsrechtsrelevanten Gehsteigberatung befasst. Soweit in der örtlichen Presse teilweise davon die Rede gewesen ist, das Amt für öffentliche Ordnung habe eine „Bannmeile“ über den Antragsteller und die von ihm beauftragten Personen verhängt (vgl. etwa Badische Zeitung vom 21.02.2011: „Abtreibungsgegner müssen sich von Pro Familia fernhalten“), findet dies in der angefochtenen Verfügung ebenso wenig eine Entsprechung wie die Auslegung der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung, wonach (nur) „der schlichte Aufenthalt in der ... Straße prinzipiell weiterhin möglich bleibe“. |
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| 2.2 So verstanden dürfte die angefochtene Untersagungsverfügung ihre Rechtsgrundlage voraussichtlich in der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) finden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG hat die Polizei die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Die Polizei hat hierbei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen (§ 3 PolG). |
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| a) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel ist im vorliegenden Verfahren voraussichtlich nicht durch vorrangige Vorschriften des Straßenrechts gesperrt. Denn die von der Antragsgegnerin untersagte „Gehsteigberatung“ dürfte straßenrechtlich noch als Gemeingebrauch und nicht als Sondernutzung anzusehen sein (vgl. zu entsprechenden Formen des „politischen Meinungskampfes“ näher BVerfG [Kammer], Beschluss vom 18.10.1991 - 1 BvR 1377/91 -, NVwZ 1992, 53; BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 [67 f.]), zumal ihre Erscheinungsformen nicht der erwerbswirtschaftlichen Nutzung des Straßenraums dienen und damit als noch dem „kommunikativen Verkehr“ zugehörig einzustufen sind (vgl. zur Abgrenzung im Einzelnen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.07.1996 - 5 S 472/96 -, VBlBW 1997, 64; Sauthoff, NVwZ 1990, 223 [225]; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. <2004>, RdNrn. 287 ff.; Lorenz/Will, Straßengesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. <2005>, § 13 RdNrn. 22 ff.). Daher bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelungen des Straßengesetzes im Sachbereich der erlaubnisfähigen Sondernutzung eine Sperrwirkung gegenüber allgemein-polizeirechtlichen Regelungen entfalten (vgl. dazu Schnebelt/Sigel, a.a.O., RdNr. 255; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.1986 - 1 S 2448/85 -, ESVGH 36, 293). |
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| b) Die beschließende Kammer geht für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ferner davon aus, dass die Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung der Subsidiaritätsklausel nicht an einem Einschreiten gegen den Antragsteller gehindert ist. Zwar erfolgt der Schutz privater Rechte durch die Polizei nach dem Polizeigesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 2 Abs. 2 PolG). Der im Streit stehenden Untersagungsverfügung dürfte die Subsidiaritätsklausel aber wohl nicht entgegen stehen. |
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| Allerdings muss am polizeilichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor Beeinträchtigungen, die - wie hier - weder durch die Strafgesetze noch durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sanktioniert sind, nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ein öffentliches Interesse bestehen, soweit nicht aus anderen Gründen die Unversehrtheit der Rechtsordnung in Bezug auf Normen des öffentlichen Rechts in Rede steht. Das danach grundsätzlich erforderliche öffentliche Interesse kann sich insoweit allein aus dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch ergeben, der wirkungsvollen Rechtsschutz garantiert (vgl. zuletzt BVerfG [Senat], Beschluss vom 08.11.2006 - 2 BvR 578/02 u.a. -, BVerfGE 117, 71 [121 f.]; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.05.2008 - 1 S 2914/07 -, NVwZ-RR 2008, 700). Der Schutz privater Rechte durch die Polizei soll mithin grundsätzlich nur dann und nur solange erfolgen, wie Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Freilich beschreibt dieser Grundsatz die Rechtslage nur bezogen auf die vereinzelt bleibende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Für den hier in Rede stehenden Sachverhalt, bei dem sich die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung ständig wiederkehrend an immer neuen Grundrechtsträgern vollzieht, dürfte die Subsidiaritätsklausel ein Einschreiten der Polizei kaum hindern. Denn zum einen können die betroffenen Frauen wohl gar keinen Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten (mehr) erlangen, da es insoweit - gerade wegen der Einmaligkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung - am Rechtsschutzinteresse fehlen dürfte. Zum anderen dürften jedenfalls Einschränkungen des Antragserfordernisses des § 2 Abs. 2 PolG geboten sein, weil der Beratung suchenden Frau andernfalls der Verzicht auf ihre Anonymität abverlangt würde, die ihr gegenüber der beratenden Person durch das Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG) aber gerade gesetzlich gewährleistet ist (§ 6 Abs. 2 SchKG). Dem Anliegen des Gesetzgebers, die Schwangerschaftskonfliktberatung auch durch äußere Rahmenbedingungen normativinstitutionell abzusichern, dürfte kaum hinreichend Rechnung getragen sein, wollte man fordern, dass die Beratung suchende schwangere Frau verpflichtet wäre, den Umstand der Wahrnehmung eines Beratungsgesprächs bei einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle und die in diesem Zusammenhang erfolgte Ansprache durch vom Antragsteller beauftragte Personen auf der Straße gegenüber dem Amt für öffentliche Ordnung zu offenbaren, während ihr diese Offenbarungspflicht sogar im vertraulichen Beratungsgespräch nicht angesonnen wird. |
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| Diese Fragen bedürfen im Widerspruchsverfahren jedoch voraussichtlich keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG dürfte jedenfalls dann keine das Einschreiten der Polizei hindernde Sperrwirkung haben, wenn die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts selbst öffentlich-rechtlich relevant sind, wie dies etwa der Fall ist, wenn - wie hier - die Individualgüter einer unbestimmten Vielzahl von Personen bedroht werden (vgl. statt vieler: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. <2007>, RdNr. 56) oder aber die inkriminierte Handlung als Grundrechtsverletzung anzusehen ist, der der Staat nicht tatenlos (und fortgesetzt) zuzuschauen braucht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG). Dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der schwangeren Frauen durch die Gehsteigberatung bedroht wird, ist durch die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers von ..., zweier Mitarbeiterinnen und der Leiterin der Beratungsstelle Freiburg belegt; diese - für die beschließende Kammer plausiblen - eidesstaatlichen Versicherungen bilden jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine hinreichend tragfähige Grundlage. Die eidesstattliche Versicherung der Gehsteigberaterin ... ist zum einen durch deren E-Mail vom 29.07.2010 (Bl. 135 d.A.) weitgehend entkräftet, zum anderen steht sie der Annahme des mit einer gewissen Regelhaftigkeit bedrohten Persönlichkeitsrechts nicht entgegen. Denn schon die - zwischen den Beteiligten unstreitige und dem in der Zeitschrift Lebensforum (Heft 80, S. 9) dargestellten „Ansprachekonzept“ entsprechende - gezielte Ansprache von (vermeintlich) schwangeren Frauen auf eine denkbare Konfliktsituation ist geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen zu bedrohen; es löst, zumal flankiert durch bildliche Darstellungen und eine gewisse Intensität der Gesprächsführung in einer seelisch ohnehin belastenden Situation, jedenfalls subjektiv einen Erklärungs- oder Rechtfertigungsbedarf der schwangeren Frau aus. Dieser Umstand des mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit und Regelhaftigkeit bedrohten allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei einer Vielzahl von Frauen dürfte für die kompetenzielle Frage der Befugnis zum Einschreiten ausreichen. Auf die zwischen den Beteiligten ebenfalls - und vor allem - streitige (und nachstehend zu klärende) Frage, ob der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Meinungsfreiheit des Antragstellers oder der von ihm beauftragten Personen gerechtfertigt ist, kommt es im Hinblick auf die Kompetenznorm wohl nicht an. |
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| Nach dem Vorstehenden bedarf daher voraussichtlich auch die Frage keiner Entscheidung, ob das normative Beratungskonzept, mit dem der Staat seiner grundrechtlichen Schutzpflicht zugunsten des ungeborenen Lebens Rechnung tragen will (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, BVerfGE 88, 203) und das insoweit jedenfalls auch öffentlich-rechtlichen Gehalt hat (vgl. BVerfG [Senat], ebenda, RdNr. 242: Beratung als Aufgabe des Staates ), bereits für sich allein gesehen ein Eingreifen der Antragsgegnerin - gleichsam zur institutionellen Absicherung der Schwangerschaftskonfliktberatung nach den §§ 5 ff. SchKG - rechtfertigen kann. Dieser Frage wird möglicherweise in einem gegebenenfalls durchzuführenden Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein; für das vorläufige Rechtsschutzverfahren kommt es hierauf aus den oben geschilderten Gründen nicht entscheidungserheblich an. |
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| 2.3 Mit der Antragsgegnerin geht die beschließende Kammer für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon aus, dass das von der Untersagungsverfügung erfasste Verhalten des Antragstellers und der von ihm beauftragten Personen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Denn die „Gehsteigberatung“ führt voraussichtlich mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Frauen. |
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| a) Das Grundgesetz gewährleistet dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt generell entzogen ist (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 [41]; Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999; vgl. hierzu jüngst auch Beschluss der Kammer vom 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, BA S. 7 ff.). Dieses abwägungsresistente Recht auf Achtung der Intimsphäre hat seine (unverbrüchliche) Grundlage in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Daneben - und darum geht es hier - statuiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein dortselbst verankertes Recht des Einzelnen auf Wahrung seiner Privatsphäre, das seine Entsprechung als grundlegendes Menschenrecht auch in Art. 8 Abs. 1 EMRK findet. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat eine räumliche und thematische Ausprägung und schützt überdies die Gedanken- und Gefühlswelt eines Menschen als „psychischen Innenbereich“ (vgl. etwa BVerfG [Senat], Beschluss vom 24.06.1993 - 1 BvR 689/92 -, BVerfGE 89, 69 [82 f.]; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 RdNrn. 149 und 150). Der Schutz ist umso intensiver, je näher der Sachbereich der Intimsphäre des Betroffenen steht. Umstände der engeren privaten Lebensführung, deren öffentliche Erörterung gemeinhin als peinlich oder unschicklich empfunden wird, genießen naturgemäß einen höheren Schutz als gewöhnliche oder gar banale Vorgänge der äußeren Lebensführung. Auch wenn die Grundrechte primär in ihrer abwehrrechtlichen Dimension Schutz gegen und vor dem Staat statuieren, wirken sie mittelbar über Generalklauseln auch auf die Beziehungen der Grundrechtsberechtigten untereinander (vgl. speziell zum Ansprechen in der Öffentlichkeit zu Werbezwecken: BGH, Urteil vom 01.04.2004 - I ZR 227/01 -, NJW 2004, 593; Urteil vom 09.09.2004 - I ZR 93/02 -, NJW 2005, 1050; OLG Bremen, Beschluss vom 22.07.2005 - 2 W 54/2005 -, juris RdNr. 3). Deshalb kann zur Bestimmung des Schutzniveaus der Privatsphäre im konkreten Fall auch bei Beeinträchtigungen durch private Dritte - wie hier - zwanglos auf die für Eingriffe des Staates entwickelten Abstufungen zurückgegriffen werden, die ihre Entsprechung im Übrigen auch in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 823 BGB gefunden haben (vgl. statt Vieler: Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. <2006>, Band 1, Anhang zu § 12 RdNrn. 84 ff. m.w.N.). Danach dürfte für die hier im Streit stehende Gehsteigberatung ein relativ hoher Schutz der von der Ansprache betroffenen schwangeren Frauen zugrunde zu legen sein. Der Umstand einer Schwangerschaft ist zweifellos dem höchstpersönlichen Bereich der schwangeren Frau zuzuordnen. Gerade für das erste Schwangerschaftsdrittel besteht aus mannigfaltigen, hier nicht im Einzelnen darzustellenden Gründen ein relativ stark ausgeprägter gesellschaftlicher Konsens, dass das Wissen um die Schwangerschaft zunächst im engeren und engsten persönlichen Kreis verbleibt. Die Ansprache durch unbekannte Dritte auf der Straße auf eine etwa bestehende Schwangerschaft ist unüblich und dürfte zudem - gemessen an den sonst obwaltenden gesellschaftlichen Gepflogenheiten - ein nicht unbeträchtliches Maß an Distanzlosigkeit erfordern, wobei auf Fragen der Höflichkeit und des Anstands an dieser Stelle nicht weiter einzugehen ist. Das schon für sich gesehen weitgehende Eindringen in die Privatsphäre wird noch verstärkt, wenn der Ansprache auf eine bestehende Schwangerschaft eine solche auf eine etwa bestehende Schwangerschaftskonfliktsituation folgt. Hierbei kommt der Fragende dem innersten Bereich der Gefühls- und Gedankenwelt des Befragten so nahe, dass für die Frage der Eingriffsrechtfertigung ein sehr hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde zu legen ist (vgl. so auch zur medizinisch-psychologischen Untersuchung: BVerfG [Senat], Beschluss vom 24.06.1993 - 1 BvR 689/92 -, BVerfGE 89, 69 [82 f.]). Die Schwangere wird gerade im Kontext mit einem unmittelbar bevorstehenden bzw. gerade beendeten Schwangerschaftskonfliktberatungsgespräch in einem überaus verletzbaren seelischen Zustand getroffen, der bereits die Abwehr eines weiteren Eindringens in die eigene Privatsphäre zu einer Herausforderung werden lässt, zumal dann, wenn die Nachfragen mit einem bestimmten „Meinungsprogramm“ verbunden sind. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber - der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 28.05.1993, a.a.O., RdNrn. 226 ff.) - in §§ 5 ff. SchKG besondere Sicherungen für das Konfliktberatungsgespräch vorgesehen, die nicht zuletzt auch dem Schutz der innersten Gefühls- und Gedankenwelt der Schwangeren und ihrer freien Willensbildung dienen. Auch dieser normativen Ausgestaltung entnimmt die beschließende Kammer, dass bei den hier in Rede stehenden Situationen - übrigens vor allem im Interesse des ungeborenen Lebens - von einem sehr hohen Schutzniveau des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auszugehen ist. |
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| b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es reicht nur so weit, als nicht „Rechte anderer“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG oder die verfassungsmäßige Ordnung Einschränkungen des Persönlichkeitsrechts gebieten. Dieser Umstand folgt der Erkenntnis, dass der gemeinschaftsbezogene und gemeinschaftsgebundene Bürger unter Beachtung des Übermaßverbots solche Maßnahmen hinnehmen muss, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Blick auf (grund-)rechtliche Freiheiten Dritter vorrangig sind. Hiervon geht die beschließende Kammer für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes indes nicht aus. Namentlich dürfte es die Meinungsfreiheit nicht gebieten, den inkriminierten Verhaltensweisen den Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen einzuräumen. |
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| Allerdings ist der personelle Schutzbereich der durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit zugunsten des Antragstellers - einer juristischen Person des Privatrechts - eröffnet (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88 -, BVerfGE 85, 1 [11 ff.]; Beschluss vom 13.02.1996 - 1 BvR 262/91 -, BVerfGE 94, 1 [7 ff.]; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Band 1, Art. 5 RdNr. 116) und die von der Verfügung erfassten Äußerungen und Verhaltensweisen können auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Meinungsfreiheit beanspruchen. Denn Art. 5 Abs. 1 GG umfasst in seiner Ausprägung als Meinungsäußerungs und -verbreitungsfreiheit jede Art und Weise der Äußerung, das (fragende und behauptende) Ansprechen ebenso wie die Äußerung in Bild und Schrift sowie Tätigkeiten, die als Mittel des geistigen Meinungskampfes die Wirkung der Äußerung verstärken sollen, und damit sämtliche der hier im Streit stehenden Verhaltensweisen (vgl. zur sog. Gehsteigberatung auch: BVerfG [Kammer], Beschluss vom 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 -, NJW 2011, 47; vgl. näher zum Schutzbereich: Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band 1, Art. 5 RdNrn. 49 ff. m.w.N.). Die beschließende Kammer misst der Meinungsfreiheit des Antragstellers auch ein bedeutendes Gewicht bei. Das Recht, eine Meinung äußern zu dürfen, ist Teil des in der Menschenwürde wurzelnden elementaren Rechts auf Denkfreiheit und damit in einem gewissen Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198 [208]). Ungeachtet ihrer Ausprägung als privat-individuelles Entfaltungsrecht ist die Meinungsfreiheit auch für den Prozess politischer Öffentlichkeit im demokratischen Verfassungsstaat von schlechthin grundlegender Bedeutung (vgl. wiederum Schulze-Fielitz, in: Dreier, a.a.O., RdNr. 40). Denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der das Lebenselement des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats ist (so schon BVerfG [Senat], Urteil vom 17.08.1956 - 1 BvB 2/51 -, BVerfGE 5, 85 [205]). Als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft ist es eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (BVerfG [Senat], Urteil vom 15.01.1958, a.a.O.). Im Blick auf ihre konstituierende Funktion ist besonders die Mindermeinung, die für falsch gehaltene Auffassung, das Anders-Denken von Bedeutung. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung, zu denen die Debatte um den Schutz des ungeborenen Lebens zweifelsohne zu rechnen ist, sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat notwendig pluralistisch im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vollzieht (anschaulich Herzog, in: Maunz/Dürig, a.a.O., RdNr. 10). Insoweit sind dem gesellschaftspolitischen „Mainstream“ widersprechende, im Wortsinne „anstößige“ Meinungsäußerungen von besonderem Wert. |
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| Die Meinungsfreiheit umfasst - das liegt gerade in ihrem soeben dargestellten Zweck begründet - auch das Recht, selbst zu bestimmen, wo und wann die Meinungskundgabe erfolgt, zumal an Orten, an denen ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist (vgl. nur Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 5 I, II RdNr. 26). Denn der öffentliche Straßenraum ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können (so jüngst im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit: BVerfG [Senat], Urteil vom 23.11.2010 - 1 BvR 699/06 - RdNr. 67). Auch die Auswahl des Meinungsadressaten obliegt prinzipiell dem Meinenden. Er bestimmt, wen er mit seiner Meinungsäußerung konfrontieren will. Der von der Meinungskundgabe thematisch Betroffene muss die Meinung grundsätzlich ebenso „aushalten“ wie der Meinungslose und der Desinteressierte, wobei Kehrseite der Meinungsäußerungsfreiheit die selbstverständliche Freiheit des Einzelnen ist, von Meinungen anderer verschont zu bleiben und ihr auszuweichen. |
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| Auch die Meinungsfreiheit gilt freilich nicht vorbehaltlos; sie findet ihre Schranken vielmehr ihrerseits in den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, zu denen auch die polizeiliche Generalklausel rechnen kann (vgl. hierzu Schulze-Fielitz, in: Dreier, a.a.O., Art. 5 RdNr. 196; offen: BVerwG, Urteil vom 21.12.1954 - I C 14.53 -, BVerwGE 1, 303 [307]), und in verfassungsimmanenten Beschränkungen. Kollidiert die Meinung wie hier mit verfassungskräftigen Rechten Dritter, ist beiden Grundrechten - gleichsam wechselwirkend - im Wege praktischer Konkordanz zu jeweils bestmöglicher Wirkung und Geltung zu verhelfen (vgl. nur BVerfG [Senat], Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198 [210]; stRspr.). |
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| c) Dies berücksichtigend dürfte die Untersagungsverfügung in ihrer von der Kammer vorgenommenen Auslegung im Widerspruchsverfahren voraussichtlich Bestand haben. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, bestimmte Formen von Protestaktionen der Abtreibungsgegner zu verbieten, wenn Rechte Dritter dies erfordern. Denn Art. 5 Abs. 1 GG schützt zwar das Äußern von Meinungen, nicht aber Tätigkeiten, mit denen beispielsweise anderen eine Meinung aufgedrängt werden soll und die die betroffenen Frauen gleichsam einem Spießrutenlauf aussetzen (so BVerfG [Kammer], Beschluss vom 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 -, NJW 2011, 47). Es mag sein, dass sich die vom Antragsteller praktizierte „Gehsteigberatung“ nicht notwendig als Spießrutenlauf für die schwangeren Frauen darstellen muss. Hierauf deuten namentlich die eidesstattlichen Versicherungen von Frau ... und Frau ... hin, deren Überzeugungskraft in einem sich möglicherweise anschließenden Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein wird. Für einen „Spießrutenlauf psychischer Art“ könnte allerdings die von Frau ... verfasste und von der Antragsgegnerin vorgelegte E-Mail vom 29.07.2010 sprechen, die die psychische Notlage der schwangeren Frau („...“) handgreiflich werden lässt und das Erfordernis fachkundiger und geschulter Beratung deutlich sichtbar macht. Auch die von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sprechen dafür, dass die „Gehsteigberatung“ von den schwangeren Frauen mit einer gewissen Regelmäßigkeit als bedrängend und belästigend empfunden wird. Allerdings dürfte der vom Bundesverfassungsgericht angeführte Spießrutenlauf nicht die unterste Grenze für ein Einschreiten der Antragsgegnerin markieren. Denn anders als im dort - zum Protest vor einer Abtreibungsklinik - entschiedenen Fall geht es hier auch um den Schutz des gesetzlichen Beratungskonzepts, das einerseits nicht zuletzt im Interesse des ungeborenen Lebens einen höheren Schutz des Persönlichkeitsrechts nahelegt, andererseits gewisse Einschränkungen des Meinungskampfes noch als hinnehmbar erscheinen lässt. Denn der Gesetzgeber handelt mit dem Schwangerschaftskonfliktgesetz in Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht. Dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, die Konfliktberatung gegen den Meinungskampf stärker abzusichern, als es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar vor einem Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt zu sein scheint. Bei der Herstellung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte ist für die Kammer von ausschlaggebender Bedeutung, dass die „Gehsteigberatung“ überall im Stadtgebiet mit Ausnahme der ... Straße zulässig bleibt und auch dort die Meinungsäußerungsfreiheit des Antragstellers und der von ihm beauftragten Personen nicht gänzlich eingeschränkt ist. Bei zutreffendem Verständnis der angefochtenen Verfügung bleiben allgemein gehaltene Formen des Protests und der Meinungskundgabe gegen Schwangerschaftsabbrüche vielmehr auch in der ... Straße weiterhin möglich (vgl. näher oben 2.1). Die Kammer hat darüber hinaus in Erwägung gezogen, ob aus Gründen der Angemessenheit weitere, insbesondere räumliche Einschränkungen der angefochtenen Verfügungen geboten sein könnten. Jedoch ist die ... Straße mit nur 70 m Länge ohnehin relativ kurz und es erscheint bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage - auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit und die Vollstreckbarkeit der Verfügung - nicht angezeigt, den von der „Gehsteigberatung“ ausgeschlossenen Bereich räumlich noch enger zu fassen. Die Kammer hat ferner erwogen, ob Art. 5 Abs. 1 GG es gebieten könnte, eine Ansprache durch die vom Antragsteller beauftragten Personen jedenfalls nach Durchführung des Schwangerschaftskonfliktgesprächs - bei Verlassen der Beratungsstelle - zuzulassen. Auch insoweit dürfte aber der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch überwiegen. Für die beschließende Kammer ist insoweit gerade das in §§ 5 ff. SchKG einfachrechtlich ausgestaltete Beratungskonzept von Bedeutung, das in zeitlicher und räumlicher Hinsicht einen gewissen vor- und nachwirkenden Schutz für sich in Anspruch nehmen kann. Denn die gesetzlich ausgestaltete Schwangerschaftskonfliktberatung, die gerade dem auch vom Antragsteller bezweckten Schutz des ungeborenen Lebens zu dienen bestimmt ist, soll dem Recht auf Selbstbestimmung der schwangeren Frau - einer besonderen Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - Rechnung tragen. Mit diesem Konzept zielorientierter, aber doch ergebnisoffener Beratung (vgl. § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 4 SchKG) verträgt sich die „Gehsteigberatung“ in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht knüpft an das Beratungsgespräch strenge inhaltliche, organisatorische und personelle Voraussetzungen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG [Senat], Urteil vom 28.05.1993, a.a.O. RdNrn. 226 ff.). Weder die sich lediglich an der im Beratungsgespräch vorgetragenen Interessenlage der schwangeren Frau orientierende Beratung wird dem Auftrag der Beratung gerecht noch die auf die Erzeugung von Schuldgefühlen zielende und in dieser Weise belehrende Einflussnahme, die die Bereitschaft der Frau behindert, sich der Beratung zu öffnen und sich ihren Zwiespalt bewusst zu machen. Denn mit der manipulativen und indoktrinierenden Beratung wird weder dem Selbstbestimmungsrecht der Frau noch dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes hinreichend Rechnung getragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., RdNrn. 230 f.), auf der das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes gründet (vgl. BT-Drs. 13/1850 S. 20), soll die Beratung vielmehr ermutigen, nicht einschüchtern. Sie soll Verständnis wecken, nicht belehren, und die Verantwortung der Frau stärken, nicht sie bevormunden (vgl. hierzu auch die Broschüre „Schwangerschaftsberatung“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Das stellt hohe Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Beratung und an die persönliche und fachliche Kompetenz der Personen, die sie durchführen. Nicht zuletzt aus diesem Grund bedarf die Beratungsstelle der staatlichen Anerkennung (§ 9 SchKG); sie unterliegt der regelmäßigen Überprüfung und muss bestimmte Rechenschafts- und Informationspflichten erfüllen (§ 10 SchKG). Die vom Antragsteller angebotene „Gehsteigberatung“ gerät - was die Beratung der schwangeren Frauen angeht - mit diesem ausdifferenzierten Konzept des Gesetzgebers beinahe notwendig in Konflikt. Die „Gehsteigberatung“ kann schon den Rahmen des vertraulichen Ortes nicht gewährleisten und die Anonymität der Schwangeren nicht absichern; die persönliche und fachliche Kompetenz der beratenden Personen ist nicht gewährleistet und es fehlt an der Ergebnisoffenheit der Beratung. Deshalb nimmt der Antragsteller zu Recht nicht den Schutz des Schwangerschaftskonfliktgesetzes für sich in Anspruch. Das nämliche Gesetz und das in ihm enthaltene ausdifferenzierte Beratungskonzept erzeugen aber zugleich Rückwirkungen auf die Durchsetzungsmacht der Meinungsäußerungsfreiheit des Antragstellers: Denn das normative Beratungskonzept kann - soll es wirksam und dem Schutz des ungeborenen Lebens dienlich sein - auch unter Berücksichtigung des hohen Schutzniveaus des Art. 5 Abs. 1 GG nicht dadurch konterkariert werden, dass sogleich nach dem Verlassen der Beratungsstelle auf dem Gehsteig eine ungefragte Ansprache durch hierfür nicht hinreichend geschulte Personen erfolgt, die in Kenntnis der seelischen Anfälligkeit und Verletzbarkeit der Schwangeren ein nicht den gesetzlichen Grundsätzen entsprechendes, inhaltlich einseitiges Gespräch an die Stelle des gesetzlichen Beratungskonzepts zu setzen versuchen. Diese Form der Meinungskundgabe kann nach Auffassung der beschließenden Kammer - wie es hier geschehen ist - nicht zuletzt wegen ihrer situativ bedrängend wirkenden Einmischung in einen sehr persönlichen Lebensbereich in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle untersagt werden. |
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| 2.4 Ob die Gehsteigberatung auch gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 1 PolG verstößt, kann nach dem Vorstehenden jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offen bleiben (vgl. hierzu noch recht weitgehend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.09.2001 - 1 S 2842/99 - UA S. 8), dürfte aber nicht zuletzt wegen der Pluralität der gesellschaftlichen Anschauungen eher fraglich erscheinen (vgl. hierzu auch Schenke, a.a.O., RdNr. 63 f.). |
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| 3. Das besondere Vollziehungsinteresse für die angefochtene Untersagungsverfügung ergibt sich aus dem Umstand, dass sich diese im Hauptsacheverfahren nach derzeitiger Einschätzung der Kammer voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird und es bei dieser Sachlage nicht vertretbar erscheint, den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen schwangeren Frauen bis zum Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft der Verfügung zurücktreten zu lassen. Die Kammer macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid zu eigen (dort S. 5) und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO Bezug. |
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| 4. Nach dem Vorstehenden erweist sich schließlich auch die Zwangsgeldandrohung in dem angefochtenen Bescheid (Verfügung Nr. III) als voraussichtlich rechtmäßig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, namentlich dürfte das Zwangsgeld das geeignete Zwangsmittel sein, das wohl auch im Hinblick auf die angedrohte Höhe nicht zu beanstanden sein dürfte. Auch der Antragsteller hat hierfür nichts vorgebracht. |
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