Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Sept. 2014 - 19 K 4852/13
Gericht
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger durch Reduzierung des Klageantrages konkludent die Klage zurückgenommen hat.
Die Beklagte wird unter teilweiser entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Mai 2013 verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form einer Integrationshilfe während seiner Teilnahme am Angebot der Offenen Ganztagsschule an der G. -Schule für den Zeitraum entsprechend dem Beschluss der Kammer vom 26. Juli 2013 - 19 L 1042/13 - zu bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.
1
Tatbestand:
2Der am 00.0.2005 geborene Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage Eingliederungshilfe in Form einer Integrationshilfe für den Besuch des Offenen Ganztags (OGATA) an der G. -Schule in X. für die Zeit vom 9. Oktober 2013 bis zum 7. Februar 2014.
3Er lebt zusammen mit seiner Mutter und seiner im Oktober 2003 geborenen Schwester im Stadtgebiet der Beklagten. Sein Vater ist verstorben. Die Mutter übt eine Teilzeitbeschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden aus, bei der sie in der Regel dienstags, mittwochs und donnerstags von 8.00 bis 15.30 Uhr arbeitet, wobei sie aber auch montags und freitags eingesetzt werden kann. Ihr Weg zur Arbeit dauert eine Stunde.
4Bei dem Kläger wurden Oktober 2010 vom Sozialpädiatrischen Zentrum des Marienhospitals X. (SPZ) eine tiefgreifende Entwicklungsstörung des autistischen Spektrums (ICD 10: F84.9) mit Zeichen einer geistigen Retardation (ICD 10: F70.0) diagnostiziert. Der Antragsteller hatte bei der Testung im K-ABC einen Intelligenzquotienten von 66 erreicht, wobei allerdings nach den Ausführungen des Gutachters dieses Ergebnis vor der Diagnose der Autismus-Spektrums-Störung zu bewerten sei.
5Die Kindergärtnerin, die den Kläger damals betreute, konnte laut dem Gutachten zur Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs die Diagnose einer geistigen Behinderung nicht nachvollziehen. Nach dem genannten Gutachten liegt bei dem Kläger ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Autismus gemäß § 4 Abs. 6 AO-SF vor. Unter Überschrift „Ressourcenanalyse“ heißt es weiter, der Kläger benötige keine durchgehende sonderpädagogische Betreuung, sondern eine qualifizierte Integrationshilfe, die ihn während des Unterrichts und während des Besuchs der Offenen Ganztagsschule begleite, damit er dort seine Hausaufgaben machen könne. Ebenso kam der Kinder- und Jugendpsychiater N. in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2011 zu der Auffassung, bei dem Kläger liege eine autistische Störung vor. Allerdings sei seiner Auffassung nach der kognitive Begabungsgrad unklar, im Spontangespräch sei dieser höher einzuschätzen als nach dem Ergebnis des K-ABC-Tests. Auch er hielt die Einschulung an einer Regelschule mit Schulbegleitung für den Kläger als die beste Lösung.
6Bei einer weiteren Testung im SPZ im Sommer 2011 wurden die Diagnosen Störung aus dem Autismus-Spektrum, am ehesten einem atypischer Autismus (ICD 10: F84.1) zuzuordnen, mit Zeichen einer grenzwertigen kognitiven Retardation/Lernbehinderung (ICD 10: F70.0) gestellt. Der Kläger erreichte bei dieser Testung im K-ABC-Test einen Intelligenzquotienten von 72.
7Der Kläger wurde entsprechend den übereinstimmenden ärztlichen Empfehlungen zum Schuljahr 2011/2012 auf der Gemeinschaftsgrundschule G. in X. eingeschult. Das Schulamt für den Kreis X. stellte mit Bescheid vom 10. Oktober 2011 bei ihm sonderpädagogischen Förderbedarf mit den Schwerpunkten emotionale und soziale Entwicklung sowie Autismus fest und legte als Förderort die Gemeinschaftsgrundschule G. in X. fest, wo er im gemeinsamen Unterricht beschult werden sollte.
8Aufgrund eines entsprechenden Antrags bewilligte das Sozialamt der Beklagten Eingliederungshilfe für das Schuljahr 2011/2012, zunächst in Form einer Integrationshilfe durch einen FSJ-ler, Studenten, Aushilfe oder Praktikanten, und dann, als sich dies nicht als ausreichend erwies, durch eine Integrationshilfe ohne formale Qualifikationen. Die Integrationshilfe wurde sowohl für die Regelschulzeit als auch für den Besuch des Offenen Ganztags bewilligt. Unter dem 27. Januar 2012 leitete das Sozialamt den Antrag auf Bewilligung einer Integrationshilfe für das Schuljahr 2012/2013 an das Jugendamt der Beklagten weiter, wobei es ausführte, dass die Begleitung des Klägers sowohl während der Regelschulzeit als auch während des Besuchs des Offenen Ganztags erforderlich sei.
9Das Jugendamt der Beklagten führte am 20. März 2012 ein Gespräch mit der Mutter des Klägers und besuchte die Familie am 15. Mai 2012 zu Hause. Dabei teilte das Jugendamt der Mutter des Klägers mit, dass sie auf jeden Fall eine weitere IQ-Testung bei dem Kläger veranlassen müsse, anderenfalls könne über ihren Antrag nicht entschieden werden. Aufgrund einer telefonischen Aufforderung vom 20. August 2012 unterschrieb die Mutter am 21. August 2012 beim Jugendamt einen förmlichen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form einer Integrationshilfe und einer Autismustherapie.
10Bei der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. L. unterzog sich der Kläger daraufhin erneut dem K-ABC-Test und erreichte einen Gesamt-IQ von 85. Frau Dr. L. stellte außerdem in ihrem Befundbericht vom 28. August 2012 die Diagnosen tiefgreifende Entwicklungsstörung, frühkindlicher Autismus (ICD 10: F84.0), kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten (ICD 10: F 81.3), kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (ICD 10: F92.0), Probleme in der Bezugsgruppe einschließlich des familiären Umfeldes. Darüber hinaus legte sie dar, bei der Überprüfung der Motorik seien deutliche grob- und feinmotorische Schwierigkeiten aufgefallen. Zu bedenken sei außerdem, dass der Kläger bei den Testungen häufiger geäußert habe „Das kann ich nicht“ und immer wieder habe motiviert werden müssen. Er bedürfe aufgrund seiner autistischen Schwierigkeiten und sozialen Anpassungsstörungen dringend auch weiterhin einer Schulbegleitung. Aufgrund der schwierigen familiären Situation halte sie zusätzlich Freizeitbegleitung für notwendig, erforderlich und sinnvoll. Die bereits früher begonnene autismusspezifische, psychotherapeutische und heilpädagogische Therapie am Autismustherapiezentrum solle jetzt dringend fortgesetzt werden.
11Die Grundschule äußerte sich in ihrem Bericht vom 15. Juni 2013 an das Jugendamt dahingehend, dass der Kläger dank der Integrationshilfe gut in die Klasse integriert sei. Durch diese erhalte er auch Einzelförderung, wobei die Aufgaben in Absprache mit dem Koordinator für den gemeinsamen Unterricht gestellt würden. Das Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung im Kreis X. teilte unter dem 27. Juni 2013 mit, der Kläger sei bis auf weiteres beim Besuch der Schule auf eine Integrationshilfe angewiesen.
12Die Initiative J e.V., die damals die Integrationshelferin des Klägers stellte, berichtete unter dem 12. September 2012, er verstehe Aufgaben gut, bei ihrer Bearbeitung scheitere er jedoch häufiger aufgrund seiner Arbeitshaltung und mangelnden Eigenmotivation. Nach einer Eingewöhnungsphase habe sich der Kläger gut auf die Integrationsfachkraft eingelassen. Auch mit seinen Mitschülern und den anderen Kindern in der OGATA komme er gut zurecht, wenn diese auf ihn Rücksicht nähmen. Er gehe offen auf andere Kinder zu, wolle aber in den Kontakten den Ablauf gerne bestimmen und könne schlecht damit umgehen, wenn etwas nicht nach seinem Willen funktioniere. Auch auf Erwachsene gehe er zunächst offen zu, benötige aber eine gewisse Zeit, um sich dann letztendlich gut auf den Kontakt einlassen zu können. Die Integrationskraft biete ihm Alternativen zur Bewältigung seiner Wut an, auch das Einhalten von Ruhephasen mit entsprechenden Rückzugsmöglichkeiten sei für ihn sinnvoll und er frage inzwischen gezielt danach. Er benötige im Schulalltag und während der Offenen Ganztagsschule eine „eins zu eins“-Begleitung und Unterstützung.
13Bei einem Hilfeplangespräch am 10. September 2012 wurde festgestellt, dass der Kläger in allen drei Teilbereichen in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft deutlich beeinträchtigt ist. In das Familienleben sei er zwar integriert und werde dort gefördert, auch habe er unter Berücksichtigung des frühkindlichen Autismus enge Bindungen an seinen Großvater. Veränderungen im Tagesablauf gestalteten sich aber für die Familie schwierig, weil der Kläger darauf mit großer Aggression oder Verweigerung reagiere. Die Mutter gerate öfter an ihre Belastungsgrenzen, weil der Umgang mit ihm schwieriger werde. Im Freizeitbereich sei er sehr isoliert. Dies liege zum Teil daran, dass er sich lieber zurückziehe und am liebsten die Zeit vor dem Fernseher oder mit dem Gameboy verbringe. Zu anderen Kindern in der Nachbarschaft nehme er selten Kontakt auf, werde von diesen aber auch aufgrund seines Verhaltens abgelehnt. In die Schule gehe er gern, dabei habe er hohe Anforderungen an sich und seine Leistungen. Hierbei komme er oft an seine Grenzen und reagiere dann sehr ungehalten, aggressiv oder ziehe sich zurück. Für die anderen Kinder sei er wegen seines Verhaltens und seiner Stimmungsschwankungen sehr schwer einzuschätzen, deshalb lehnten sie oftmals den Kontakt mit ihm ab.
14In der Vorlage zur Fallentscheidung vom 29. Oktober 2012 führte die Sachbearbeiterin der Beklagten u.a. aus, das Störungsbild des Klägers sei so ausgeprägt, dass er ohne Begleitung in der Offenen Ganztagsschule nicht ausreichend betreut werden könne. Durch seine schnell wechselnden Stimmungen und seine teilweise nicht sichtbaren Emotionen sei es für die Mitarbeiterin der OGATA häufig nicht möglich, auf den Kläger und seine Bedürfnisse angemessen zu reagieren. In der OGATA würden 75 bis 85 Kinder betreut. Durch die Begleitung der Integrationshilfe sei es bisher möglich gewesen, den Kläger im Offenen Ganztag zu halten. Ohne die Begleitung durch die Integrationshilfe sei er dort nicht zu betreuen, weil er in vielen Situationen intensive Zuwendung benötige, die das vorhandene Personal nicht aufbringen könne. Mehrfach habe er versucht, wegzulaufen bzw. sei kaum zu beruhigen gewesen. Die Mutter sei durch die Betreuung des Klägers so sehr belastet, dass sie das Gefühl habe, ihre Tochter erhalte zu wenig Aufmerksamkeit. Sie wünsche sich, dass der Kläger in seiner Freizeit Kontakt zu anderen Kindern habe. In der Fallbesprechung am gleichen Tag wurde entschieden, eine Autismustherapie sowie eine Integrationshilfe während der Schulzeit zu bewilligen, die Integrationshilfe für die Offene Ganztagsschule aber weiter zu überprüfen.
15Mit Bescheid vom 25. Januar 2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Eingliederungshilfe in Form einer Integrationshilfe für 22,5 Stunden pro Woche für den Schulunterricht (20,5 Stunden direkte und 2 Stunden indirekte Betreuung). Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte sie mit, dass sie beabsichtige, den Antrag auf eine Integrationshilfe während der Betreuung der Offenen Ganztagsschule abzulehnen. Sie führte aus, die Integrationshelferin für den Besuch des Offenen Ganztages stelle keine Hilfe im Sinne des § 54 SGB XII zu einer allgemeinen Schulbildung dar. Da die Integrationshilfe bereits seit dem Schulbeginn am 22. August 2012 für den Kläger auch während der Offenen Ganztagsschule tätig sei, handele es sich insoweit um eine selbstbeschaffte Hilfe, eine Übernahme der entstandenen Kosten komme daher nicht in Betracht.
16Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Klägers noch einmal auf die Bedürfnisse des Klägers und die lange Bearbeitungszeit hingewiesen hatte, die der Annahme einer unzulässigen Selbstbeschaffung entgegenstünden, veranlasste die Beklagte eine Prüfung der Offenen Ganztagsschule an der G. -Schule. Der Träger, die Caritas für die Dezernate E. und X. gab an, dass an der G1. 94 Kinder in drei Gruppen betreut würden. Die Offene Ganztagsschule verfüge dort über einen Basisgruppenraum, zwei Klassenzimmer, eine Küche und eine kleine Mensa, die auf einer Ebene lägen. Außerdem könnten im Untergeschoss ein Gruppenraum durchgängig sowie bei Bedarf weitere Klassenräume, die Rundsporthalle und das Außengelände genutzt werden. Außer dem Kläger würden noch weitere sieben Kinder aus seiner Klasse in der Offenen Ganztagsschule betreut. Die Betreuung finde in einem Zeitfenster vom Ende des Schulunterrichts bis mindestens 15.00 Uhr statt. Nach dem Unterricht nähmen die Kinder in organisierten Strukturen in kleineren Gruppen das Mittagessen ein und machten die Hausaufgaben. Bei den Hausaufgaben finde eine Beaufsichtigung statt, Kontrolle und Hilfestellung könnten nicht gewährleistet werden. Während der Woche stünden sechs Lehrerstunden dafür zur Verfügung. Spezielle Fördermaßnahmen oder spezielle Lernangeboten würden nicht angeboten. Im Anschluss daran werde ein wechselndes Angebot an Sport und Bewegung, hauswirtschaftlichen Angeboten, Einzel- und Gruppenspielen, Kreativprojekten usw. geboten.
17Mit Bescheid vom 22. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Integrationshilfe für den Besuch der Offenen Ganztagsschule ab und führte zur Begründung aus, der Besuch der Offenen Ganztagsschule sei keine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, weil dies keine Maßnahme zur Verbesserung der schulischen Fähigkeiten des Klägers darstelle. Eine spezielle Förderung oder Begleitung bei den Hausaufgaben werde nicht geboten. Außerdem sei der Besuch der Offenen Ganztagsschule keine geeignete Maßnahme für den Antragsteller, denn aufgrund des diagnostizierten frühkindlichen Autismus stelle die Betreuung dort auch bei Gewährung einer Integrationshilfe eine Überforderung für den Antragsteller dar. Vielmehr sei eine Betreuung in einem kleineren Rahmen wie bei einer Tagesmutter erforderlich. Da die Kindertagespflege aber aus der Sicht der Mutter des Antragstellers diesen Bedarf nicht decken könne, sei eine weitere Prüfung des Einsatzes einer Tagesmutter nicht möglich gewesen. Außerdem liege eine unzulässige Selbstbeschaffung vor.
18Die Integrationshilfe für den Offenen Ganztag beendete ihre Tätigkeit daraufhin am 27. Mai 2013.
19Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten hat der Kläger am 3. Juni 2013 die vorliegende Klage erhoben.
20Zur Begründung lässt er zunächst ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vortragen, die Ermöglichung und Erleichterung des Schulbesuchs erfolge in seinem Fall in der Offenen Ganztagsschule durch die Hausaufgabenbetreuung und die Verbesserung und Förderung seiner sozialen Kompetenzen. Die von der Beklagten favorisierte Kindertagespflege könne seinen Bedarf nicht decken. Es sei für ihn überaus wichtig, sich in seiner sozialen Kompetenz im Kontakt mit anderen Mitschülern zu üben und weiterzuentwickeln. Eine Überforderung durch die Offene Ganztagsschule werde ausdrücklich bestritten und weder von der Schule noch von den Mitarbeitern der Offenen Ganztagsschule beschrieben. Dabei legte er auch eine Stellungnahme der Schulleiterin und der Grundschullehrerin der G. -Schule vom 12. Juni 2013 vor, die noch einmal darauf hinwiesen, dass er bei der Bearbeitung der Hausaufgaben durch eine Integrationshilfe begleitet werden müsse. In der OGATA würden die Hausaufgaben durch die Begleitpersonen lediglich beaufsichtigt. Er könne die Aufgaben aber nur bewältigen, wenn jemand mit ihm die Aufgaben durchgehe und ihn bei der Bearbeitung begleite. Ohne diese Unterstützung bleibe er ratlos vor seiner Arbeit sitzen. Darüber hinaus müssten in der OGATA die Situationen nachgearbeitet werden, die während des Unterrichts zu Abbrüchen geführt hätten. Die Problemsituationen müssten immer sofort bearbeitet werden, da er sich aufgrund seines Autismus sonst völlig „einigele“ und ihn niemand mehr erreiche. Ohne die Begleitung durch die Integrationshilfe in der OGATA sei auch der Besuch der Regelschule gefährdet, weil die konfliktträchtigen Situationen des Unterrichts nicht mehr aufgefangen werden könnten und er seine Hausaufgaben nicht mehr erledigen könne.
21Die Beklagte tritt der Klage entgegen und führte zunächst aus, dass es sich bei der Hilfe zum Besuch des Offenen Ganztags nicht um eine Hilfe im Sinne des § 54 Abs. 1 Ziff. 1 SGB XII zu einer angemessenen Schulbildung handele. Die Hilfe sei zudem ungeeignet, da eine eins-zu-eins-Betreuung in der OGATA nicht vorgesehen sei. Die Hausaufgabenbetreuung sei aus fachlicher Sicht keine Aufgabe der Integrationskraft, vielmehr habe sie Hilfestellung zur praktischen Bewältigung der im Zusammenhang mit dem Besuch stehenden Schwierigkeiten zu leisten. Die Förderung sozialer Kompetenzen sei innerhalb der OGATA nicht gewährleistet, da deren Rahmenbedingungen (Gruppengrößen und Freizeitangebote) nicht auf die speziellen Bedürfnisse des Klägers abgestimmt seien und damit eher als Überforderung denn als Förderung anzusehen seien. Aus ihrer Sicht sei weiterhin eine Tagesmutter die für den Kläger geeignete Maßnahme, da dies aus der Sicht des Klägers bzw. seiner Mutter aber den Bedarf nicht decken könne, könne dies von ihrem Jugendamt nicht weiter geprüft werden.
22Aufgrund des ebenfalls gestellten Antrages nach § 123 VwGO verpflichtete das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 26. Juli 2013 die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Kläger vorläufig für das erste Halbjahr des Schuljahres 2013/2014 Eingliederungshilfe in Form einer Integrationshilfe während seiner Teilnahme am Angebot der Offenen Ganztagsschule an der G. -Schule zu bewilligen. Die Beklagte setzte daraufhin in der Zeit vom 9. Oktober 2013 bis zum Ende des ersten Halbjahres des Schuljahres 2013/2014 eine Integrationshilfe ein, die den Kläger während des Besuchs der OGATA betreute.
23Der Träger des Offenen Ganztags an der G. -Schule, der Caritasverband für die Dekanate E. und X. , der in der Zeit vom 9. Oktober 2013 bis zum Ende des Schulhalbjahres 2013/2014 auch die Integrationskraft im Offenen Ganztag für den Kläger stellte, berichtet unter dem 10. Januar 2014 dem Jugendamt, der Kläger habe sich aus der Sicht der Fachkräfte des Caritasverbandes sehr positiv im Offenen Ganztag entwickelt. Die intensive Arbeit der Integrationshilfe im Schulbereich und in der Ganztagsbetreuung habe ganz wesentlich dazu beigetragen, dass der Kläger sich zu einem selbständigen Jungen – seinem Alter gerecht – entwickelt habe. Er sei nunmehr in der Lage, seine Bedürfnisse ohne „Wutanfälle“ klar zu äußern und zu definieren. Er könne sich dem Gruppenalltag anpassen und ihm folgen. Dies habe man in der Zeit sehen können, als er im Offenen Ganztag auf sich und die Hilfe der Erzieherinnen gestellt gewesen sei. Er habe an Selbstbewusstsein gewonnen, weil er inzwischen in der Lage sei, auf andere Kinder zuzugehen, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Die gewonnenen Erfolge, durch seinen Einsatz, für sich selbst zu reden, zu sich zu stehen, könne man stetig beobachten. Er entwickele sich immer positiver in der Gruppe des Offenen Ganztags. Durch sein wachsendes Selbstbewusstsein und seine Fähigkeit, sich klar äußern zu können, wachse auch die Anerkennung der anderen Kinder. Er bewege sich inzwischen frei und ungezwungen mit den anderen Kindern und beweise zunehmend Mut und Selbstvertrauen, sich selbst auszuprobieren. Solle es einmal vorkommen, dass es dem Kläger innerhalb des Tagesablaufs im Offenen Ganztag zu laut und zu „hektisch“ zugehe, könne er sich klar äußern und auf die Erzieherinnen zugehen und ihnen mitteilen, dass er eine Ruhepause benötige und was er auch gerne tun würde, um zur Ruhe zu kommen. Nach diesen Ruhephasen sei er wieder im Stande, an dem Gruppengeschehen im Rahmen des Offenen Ganztags teilzunehmen. Während der „Lernzeit/Hausaufgabenbetreuung“ benötige er noch Unterstützung von einer erwachsenen Person, die in dieser Zeit überwiegend als Ansprechpartner für ihn da sei und die ihm die Aufgabenstellung erkläre und verdeutliche. Wenn er diesen Ansprechpartner habe und sich bei Fragen an diese Person wenden könne sowie zwischendurch Hilfestellungen bekomme, könne er seine Hausaufgaben überwiegend selbständig lösen. So brauche er immer wieder Hinweise, wie bestimmte Rechenwege funktionieren, um an die Lösung einer Mathematikaufgabe zu kommen. Durch die Hilfemittel und die Unterstützung der jeweiligen Hausaufgabenbetreuerinnen sei er in der Lage, auch diesen Weg zu gehen. Des weiteren müsse man ihm noch Unterstützung im Fach Deutsch bieten. Er bekomme während der „Lernzeit/Hausaufgabenbetreuung“ eine Hilfestellung durch die Hausaufgabenbetreuerinnen, die intensiver sei als bei den anderen Kindern. Er hole sich diese Unterstützung auch selbst bzw. frage aktiv nach, wann die Hausaufgaben erledigt werden sollten. Er frage nach, wenn er etwas nicht verstehe, und lasse sich motivieren, wenn ihm einmal der Mut zum weitermachen fehle. Durch seine aktuell gute Mitarbeitsbereitschaft sei diese Unterstützung aus Sicht der Fachkräfte von dem Team der OGATA – zur jetzigen Zeit – selber zu leisten. Wie andere Kinder auch schaffe er in der einstündigen Hausaufgabenzeit nicht immer sein Arbeitspensum. Das sei allerdings nicht ungewöhnlich. Hier verhalte es sich wie bei anderen Kindern in der Gruppe auch. Es sei dann üblich, dass diese Kinder ihre Aufgaben zu Hause beendeten. Wenn dies zu Hause zur Zeit nicht möglich sei, solle ein daraus erwachsender Hilfebedarf besprochen und erfasst werden. Insoweit stehe der Caritasverband E. und X. zur Verfügung.
24Die Schulleiterin und die Klassenlehrerin des Klägers teilten unter dem 21. Februar 2014 mit, die Rücknahme der Begleitung für den Kläger in der OGATA während der Hausaufgaben habe für ihn schwerwiegende Folgen nach sich gezogen. Ihrer Auffassung nach benötige der Kläger unbedingt eine Person, die sich mit der absolut notwendigen Intensität mit ihm hinsetze und die Hausaufgaben erledige. Nur durch eine dauerhafte Hilfestellung sei er in der Lage, selbständig zu den richtigen Ergebnissen zu kommen. Da diese Situation nicht gegeben sei, sei der Kläger unglücklich, weil er sein Pensum, das ohnehin schon auf seine Möglichkeiten hin differenziert sei, nicht erledigen könne. Dadurch sei er auch in seinen schulischen Leistungen und in seiner Bereitschaft, sich auf Neues einzustellen, stark zurückgefallen. Nach der Hausaufgabenbetreuung könne er inzwischen ohne Probleme und Einzelbetreuung am weiteren Alltagsgeschehen der OGATA teilnehmen.
25Der Caritasverband für die Dekanate E. und X. führte in einer Stellungnahme für das Jugendamt am 10. März 2014 dazu aus, der Kläger benötige während der Lernzeit eine Einzelbetreuung bzw. eine Person, die ihm zur Seite stehe, da er doch noch einige Schwierigkeiten mit den Hausaufgaben habe. Bisher hätten die Betreuerinnen ihm während der Lernzeit zur Seite stehen können, jedoch habe er zur Zeit einige Konzentrationsschwierigkeiten während der Lernzeit und benötige immer wieder Hilfe von einer erwachsenen Person. Da er nach Unterrichtsschluss erschöpft sei und sich leicht ablenken lasse, benötige er zunehmend eine Begleitperson, die ihm helfe und ihn auf das Wesentliche, die Hausaufgaben, hinweise. Für die intensive Hilfestellung fehle den Betreuerinnen während der Lernzeit oftmals die Zeit, die er für die Hausaufgaben benötige. Daher wäre es im Interesse des Klägers, ihm eine erwachsene Person zur Seite zu stellen, die ihn während der Lernzeit begleite.
26Die Mutter des Klägers ließ im März 2014 im Autismustherapie-Zentrum in N1. einen Intelligenztest durchführen, um die kognitiven Fähigkeiten und Stärken und Schwächen des Jungen besser einschätzen zu können. Bei dem wiederum angewandtenK-ABC-Test erreichte er einen IQ-Wert von 66. Der Bericht legt dar, zwischen den einzelnen Subskalen bestünden einige signifikante Unterschiede. Sein IQ-Profil falle unausgeglichen aus, was bei der Interpretation der Testergebnisse berücksichtigt werden müsse. Zu seinem Verhalten während des Tests führt das Austismustherapie-Zentrum weiter aus, Motivation und Kooperationsbereitschaft hätten im Verlauf der Testung sehr zügig abgenommen, er habe zunehmend müde gewirkt und sich unkooperativ gezeigt. Er habe teilweise stark motiviert werden müssen, um die Aufgaben beenden zu können.
27Der Kläger lässt nunmehr vortragen, er sei inzwischen durchaus in der Lage, während des Spielens mit anderen Kindern ohne Integrationshilfe zu Recht zu kommen, benötige aber während der Hausaufgaben weiterhin eine intensiven Betreuung wie auch während des Unterrichts. Seine Mutter könne die Beobachtungen der Fachkräfte der OGATA hinsichtlich einer zunehmenden Verselbständigung nicht bestätigen. In der Zeit, die er ohne Integrationshilfe in der OGATA verbracht habe, sei er beispielsweise nicht in der Lage gewesen, die Arbeits- und Lernprogramme am Computer zu benutzen. Inzwischen mache er dort gar keine Hausaufgaben mehr. Die ungelernten Kräfte in der OGATA könnten ihm bei der Erledigung seiner Hausaufgaben nicht die Unterstützung bieten, die er benötige. Die fehlende Übung durch die Bearbeitung der Hausaufgaben führe zu einem weiteren Abfall der schulischen Leistungen und seiner Bereitschaft, sich auf Neues einzustellen.
28Der Kläger beantragt,
29die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22. Mai 2013 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum entsprechend des Beschlusses vom 26. Juli 2013 – 19 L 1042/13 – Eingliederungshilfe in Form einer Integrationshilfe für den Besuch des Offenen Ganztags zu bewilligen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie ist der Auffassung, der Kläger benötige die Integrationshilfe nicht. Dies habe sich auch bei einem Hilfeplangespräch im Jugendamt am 16. Dezember 2013 gezeigt, an dem die Mutter des Klägers teilgenommen habe. Der Kläger habe sich demnach besonders im Rahmen der OGATA erfreulich entwickelt. Um seine Selbständigkeit nicht zu untergraben, sei die Begleitung durch eine Integrationshilfe kein geeignetes Mittel der Jugendhilfe.
33Im Hilfeplangespräch am 24. März 2014 habe sich gezeigt, dass sich die Noten des Klägers nicht negativ verändert hätten, vielmehr habe seine Leistungsbereitschaft und sein Arbeitsverhalten abgenommen. Dies sei aus der Sicht ihres Jugendamtes jedoch der Tatsache geschuldet, dass der schulische Alltag des Klägers von vielen Veränderungen gekennzeichnet gewesen sei. Im Dezember 2013 seien die Klassenlehrerin und seine Integrationskraft im Schulbereich längerfristig ausgefallen. Der Kläger habe deshalb viele personelle Veränderungen verarbeiten müssen. Mittlerweile habe sich die Schulsituation wieder stabilisiert. Er sei deshalb davon auszugehen, dass sich das Arbeitsverhalten und die Leistungsbereitschaft des Klägers wieder positiv entwickeln würden. Im Übrigen liege, wie sich auch aus der IQ-Testung des Autismustherapiezentrums ergebe, bei dem Kläger eine geistige Behinderung vor. Laut dem Halbjahreszeugnis rechne er in einem Zahlenraum bis 20 einfache Plus- und Minusaufgaben mit Anschauungsmaterial. Es gelinge ihm, einfache Wörter und kurze Sätze zu erlesen und er habe sich mittlerweile einen aus wenigen Wörtern bestehenden Sichtwortschatz erarbeitet. Sein Lesen sei noch nicht flüssig und er erfasse den Sinn von gelesenen Texten noch nicht sicher. Dies entspreche nicht dem Lernstoff der 3. Klasse.
34Hinsichtlich der Hausaufgabenbetreuung habe die Leiterin der OGATA, Frau G2. , am 1. April 2014 telefonisch Folgendes mitgeteilt: Die Kinder gingen nach dem Mittagessen zur Hausaufgabenbetreuung. Der Kläger versuche den Anforderungen der Hausaufgabenerstellung auszuweichen. Er erkläre dann, dass er müde sei und sich ausruhen müsse und deshalb die Hausaufgaben nicht machen könne. In der Hausaufgabenzeit schweife er gerne ab und verträume die Zeit. Seine Konzentrationsfähigkeit sei davon abhängig, wie der Schulalltag gelaufen sei und wie der Start in den Tag zu Hause gewesen sei. Streit und/oder Ärgernisse beeinflussten seine Tagesform und sein Arbeitsverhalten. Er komme dann auch zu Verweigerungen. Frau G2. habe berichtet, dass es für die Betreuungskräfte teilweise schwer einzuschätzen sei, ob der Grund für die Verweigerung in der kognitiven Überforderung oder eher eine Vermeidungsstrategie sei. Es sei jedoch zu beobachten, dass der Kläger durchaus in der Lage sei, seine Aufgaben ohne große Unterstützung zu bewältigen. Wenn er arbeite, erledige er die für ihn ausgewählten Aufgaben selbständig. Er benötige nur kleine Hilfen bei Fehlern, die er dann auch mit kleinen Hilfestellungen korrigieren könne. Insofern zeige der Kläger nach den Beobachtungen von Frau G2. ein altersgerechtes Verhalten.
35Aus Sicht ihres Jugendamtes könne der Kläger sicherlich ihm bekannte Lerninhalte, die schon häufiger wiederholt worden seien, durchaus allein bearbeiten. Neue Lerninhalte seien für ihn nicht so einfach zu bearbeiten, weil er sich mehr anstrengen müsse und deshalb hier versuche, durch Verweigerung der Anstrengung aus dem Weg zu gehen. Zudem spiele auch die Tagesform – wie bei anderen Kindern auch – eine Rolle.
36Unabhängig davon seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe nicht erfüllt, da bei dem Kläger eine leichte geistige Behinderung vorliege und bei der OGATA-Betreuung keine Teilhabebeeinträchtigung vorliege. Sowohl die Schule als auch die Leitung der OGATA hätten beschrieben, dass der Kläger gut integriert sei.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Verfahrensakte 19 L 1042/13 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe:
39Soweit der Kläger durch Reduzierung des Klageantrages die Klage konkludent teilweise zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
40Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
41Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit damit für den Zeitraum, der von dem Beschluss vom 26. Juli 2013 im Verfahren 19 L 1042/13 erfasst wurde, die Eingliederungshilfe in Form der Begleitung durch eine Integrationshilfe während des Offenen Ganztags an der G. -Schule abgelehnt wurde (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat Anspruch auf diese Form der Eingliederungshilfe im Zeitraum vom 9. Oktober 2013 bis zum Ende des 1. Halbjahres des Schuljahres 2013/2014.
42Anspruchsgrundlage für die Eingliederungshilfe ist § 35a SGB VIII. Nach dieser Vorschrift haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
43Dass bei dem Kläger die seelische Gesundheit seit mehr als sechs Monaten von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abwich/abweicht, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Bei ihm liegt eine tiefgreifende Entwicklungsstörung des autistischen Spektrums vor, die von einer kombinierten Störung schulischer Fähigkeiten sowie einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen begleitet wird.
44Diese psychischen Erkrankungen beeinträchtigten – auch heute noch – die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft. Zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld wie etwa Freundeskreis oder Sport. Die Beklagte hatte im Rahmen ihrer Ermittlungen festgestellt, dass die Teilhabe des Antragstellers in allen drei Bereichen beeinträchtigt sei bzw. eine Beeinträchtigung drohe, weil der Kläger einerseits dazu neige, sich zurückzuziehen und den Kontakt zu anderen zu vermeiden, andererseits aber auch von anderen abgelehnt werde, weil er auf Anforderungen im Tagesverlauf mit Verweigerung, Wut und Aggressionen reagiere. Sogar für seine Mutter sei es manchmal schwierig, mit ihm zurecht zu kommen und im Familienleben müsse auf ihn in hohem Maße Rücksicht genommen werden. Inzwischen stellt sich die Situation zwar insoweit besser dar, als es dem Kläger - aufgrund der Leistungen der Integrationshelferin - wie der Träger der OGATA in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2014 betont - gelingt, mit den anderen Kindern im Offenen Ganztag besser in Kontakt zu kommen. Auf Anforderungen, vor allem wenn es sich um die Erarbeitung von neuen Inhalten handelt, reagiert er jedoch immer noch mit Verweigerung, wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 1. April 2014 ausführt. Dass er diese Verweigerung nun nicht mehr in Wutausbrüchen und Aggressionen äußert, ließ die Teilhabebeeinträchtigung nicht entfallen.
45Die Schilderungen des Caritasverbandes für die Dekanate E. und X. in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2014 dürften darüber hinaus auch eine sehr optimistische Sichtweise darstellen, die er in der weiteren Stellungnahme vom 10. März 2014 bereits einschränken musste und die sich nach dem Telefonat mit der Leiterin der OGATA, Frau G2. , wie es die Beklagte wiedergibt, weiter relativiert. Die Schilderungen decken sich zudem gar nicht mit den Beobachtungen der Mutter des Klägers. Durch die fehlende Betreuung während der Hausaufgaben im Offenen Ganztag ist die Motivation des Klägers, sich mit den Hausaufgaben auseinanderzusetzen, inzwischen ganz zum Erliegen gekommen. Auch deuten die Beobachtungen des Autismustherapie-Zentrums während des erneut durchgeführten Intelligenztests darauf hin, dass der Kläger nicht mehr daran gewöhnt ist, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, weil ihm das Training insoweit während der Hausaufgabenbetreuung fehlt. Die Leiterin der OGATA hat in dem Telefonat mit dem Jugendamt dazu ausgeführt, der Kläger neige dazu, in der Hausaufgabenzeit abzuschweifen und die Zeit zu verträumen. Insoweit muss, offenbar anders als bei anderen Kindern, die nicht unter den gleichen Behinderungen wie der Kläger leiden, vermehrt seine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Lösung bzw. Bearbeitung der Hausaufgaben gelenkt werden, weil nur so seine Konzentrationsfähigkeit angemessen gefördert werden kann. Ohne eine schrittweise Entwicklung der Konzentrationsfähigkeit sowie der Entwicklung seiner Fähigkeit, sich auch auf neue Aufgabenstellungen einzulassen, dürfte eine Integration in den Schulbereich jedoch nicht möglich sein und zumindest insoweit eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegen bzw. drohen. Abgesehen davon droht bei einer Verweigerung der Hausaufgaben auch ein Scheitern des Schulbesuchs insgesamt. Dass die ablehnende Haltung des Klägers lediglich aus einer ungünstigen personellen Situation während des Unterrichts resultierte, wird von der Beklagten offenbar nicht mehr vertreten, weil sich das Verhalten des Klägers auch nach Verbesserung der Bedingungen insoweit nicht, wie gehofft, verbessert, sondern eher verschlechtert hat. Dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers, dieser verweigere inzwischen die Hausaufgaben völlig, ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten.
46Soweit der Träger des Offenen Ganztags und die Beklagte die Auffassung vertreten, dass der Kläger im Offenen Ganztag die Hausaufgaben nicht erledigt habe, rechtfertige nicht den Einsatz einer Integrationshilfe, weil auch andere Kinder dies nicht schafften, ist dem nicht zu folgen. Nach den Erhebungen der Beklagten beträgt die Lernzeit/Hausaufgabenzeit in der OGATA der G. -Schule eine Stunde. Nach dem Runderlass der Kultusministeriums vom 2. März 1974 (GABl. NW. S. 249) sollten die Hausaufgaben für die Klassen 3 und 4 so bemessen sein, dass sie, bezogen auf den einzelnen Tag, in 60 Minuten erledigt sein können. In den Stellungnahmen des Trägers des Offenen Ganztags ist nicht ausgeführt, dass die Lehrer der G. -Schule diesen Erlass missachteten und den Kindern deutlich über dieses Maß hinaus Hausaufgaben aufgaben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Abfragen des Lernstoffs (Vokabeln, Einmaleins, Gedichte auswendig lernen, etc.) ohnehin in einer eins-zu- eins-Situation zu Hause noch durchgeführt werden muss, müsste es bei adäquater Betreuung im Offenen Ganztag möglich sein, dass die Kinder dort innerhalb einer Stunde auch ihre Hausaufgaben erledigen. Soweit dies die dortige Betreuung auch für die anderen Kinder nicht gewährleisten kann, stellt dies keine Rechtfertigung dafür dar, dem Kläger die erforderliche Hilfe zu verweigern. Denn für den Kläger kommt hinzu, dass er neben den Hausaufgaben zu Hause auch noch die Therapien und die in diesem Rahmen gegebenen täglichen Übungen absolvieren muss. Wenn er nach dem Besuch der OGATA noch die Hausaufgaben vollständig zu Hause erledigen muss, dürfte dies für ihn eine deutliche Überforderungssituation darstellen.
47Dass ein Anspruch auf Eingliederungshilfe auch zum Besuch des Offenen Ganztags an der G. -Schule bestand und von den Maßnahmen nach § 54 SGB XII umfasst wird, hat die Kammer bereits im Beschluss vom 26. Juli 2013 – 19 L 1042/13 - dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe dieses Beschlusses verwiesen, der den Beteiligten bekannt ist. Auch dürfte die Beklagte nicht mehr bestreiten, dass sich der Besuch des Offenen Ganztags positiv auf das Kontaktverhalten des Klägers ausgewirkt hat und dass sich die Einschätzung seiner Mutter, er könne dadurch soziale Kompetenzen erwerben, als richtig erwiesen hat.
48In dem hier zu beurteilenden Zeitraum stellte sich die Integrationshilfe auch als ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Besuch des Offenen Ganztags dar. Denn nur mit deren Hilfe ist es ihm nach Auffassung des Trägers der Maßnahme gelungen, diese Fähigkeiten zu erwerben. Die Notwendigkeit dieser Hilfe beschränkte sich dabei auch nicht nur auf den Hausaufgabenbereich. Denn der Kläger ist nach der Schule nur imstande, sich mit den Hausaufgaben angemessen auseinanderzusetzen, wenn er die während des Unterrichtszeitraums angefallenen Probleme angemessen verarbeitet hat. Das ergibt sich noch einmal deutlich aus den Äußerungen von Frau G2. in dem Telefonat mit der Beklagten. Auch die Schulleiterin und die Lehrerin des Klägers hatten auf diesen Umstand bereits in ihrer Stellungnahme vom 12. Juni 2013 hingewiesen.
49Soweit sich die Beklagte darauf beruft, während des Spiels mit anderen Kindern sei der Kläger nicht mehr auf die Integrationshilfe angewiesen gewesen, ergibt sich dies frühestens aus der Stellungnahme des Caritasverbandes für die Dekanate E. und X. vom Januar 2014 und nicht schon für den Beginn der Maßnahme im September. Zu beurteilen ist die Erforderlichkeit aber zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme, nicht anhand der Fortschritte, die der Betroffenen während und aufgrund der Maßnahme gemacht hat. Soweit sich die Beklagte noch auf eine unzulässige Selbstbeschaffung beruft, folgt dem die Kammer ebenfalls nicht und verweist insoweit auch auf die Darlegungen im Beschluss vom 26. Juli 2013 – 19 L 1042/13 -, der den Beteiligten bekannt ist.
50Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass bei dem Kläger eine geistige Behinderung vorgelegen habe bzw. vorliege. Zum einen ergibt sich dies aus der IQ-Testung vom März 2014 nicht zwingend, denn das Autismustherapie-Zentrum weist im Hinblick auf die Auswertung des Tests darauf hin, dass das Ergebnis auch wegen der signifikanten Unterschiede in den Einzeltest interpretiert werden muss. Außerdem spricht gegen die Diagnose einer geistigen Behinderung im vorliegenden Fall auch, dass es dem Kläger gelungen ist, innerhalb relativ kurzer Zeit seine sozialen Kompetenzen deutlich zu verbessern, was bei fehlenden kognitiven Fähigkeiten sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Letztlich kann dies aber dahinstehen. Denn die Beklagte wäre bei Vorliegen einer geistigen Behinderung auch in ihrer Eigenschaft als Sozialhilfeträger verpflichtet gewesen, die erforderliche Eingliederungshilfe zum Besuch des Offenen Ganztags im Rahmen der §§ 53,54 SGB XII zu bewilligen.
51Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 188 VwGO.
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Gesetz ist jede Rechtsnorm.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.