Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 07. März 2014 - 13 L 329/14.A
Gericht
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 943/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Januar 2014 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 10. Februar 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 943/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) berufen ist, hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Absatz 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde am 3. Februar 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 10. Februar 2014 und mithin fristgerecht den vorliegenden Antrag gestellt.
7Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Gunsten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt geht zu Unrecht von der Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers aus. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG ist rechtswidrig.
12Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
13Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin-II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin-II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin-III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin-III-VO bleibt die Dublin-II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin-III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
14vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 und www.nrwe.de.
15Nach den Vorschriften der Dublin-II-VO ist nicht Spanien sondern Deutschland der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags.
16Zwar war zunächst Spanien gemäß Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig.
17Nach dieser Vorschrift ist, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien nach Artikel 18 Absatz 3 Dublin-II-VO festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Dass der Antragsteller erstmals über die Seegrenze Spaniens in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist ist, ergibt sich schon aus dem Vorbringen des Antragstellers selbst im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt am 9. Oktober 2013, in der er angab, mithilfe eine Schleppers von Marokko aus in die Grenzstadt gebracht worden zu sein, die noch auf dem Festland liege, aber zu Spanien gehöre, und von dort aus weiter nach Spanien übergesetzt zu sein (Anhörungsprotokoll S. 3 oben). Dies wird widerspruchsfrei durch den Eintrag in der Eurodac-Datenbank (Eurodac-Treffer Nr. ES00000000000) bestätigt, nach dem der Antragsteller erstmals in Spanien am 22. Februar 2013 erkennungsdienstlich behandelt worden ist. Der Antragsteller hat die Grenze Spaniens auch illegal überschritten, da er nach seinen eigenen Angaben in der vorbereitenden Befragung durch das Bundesamt am 19. Juli 2013 ohne Ausweispapiere und Aufenthaltsberechtigung (ein-)gereist ist. Die Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 Dublin-II-VO ausgeschlossen. Der illegale Grenzübertritt am 22. Februar 2013 lag zum Zeitpunkt der für die Anwendung der Kriterien des Kapitels III maßgeblichen Zuständigkeitsbestimmung noch keine zwölf Monate zurück.
18Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags ist allerdings gemäß Artikel 17 Absatz 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf Deutschland übergegangen. Danach ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten dem nach Kapitel III an sich zuständigen Mitgliedstaat, hier also Spanien, unterbreitet wird. Dass es sich bei dem von Deutschland an Spanien gerichteten Ersuchen um ein Aufnahmegesuch im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a i.V.m. Artikel 17 Absatz 1 Dublin-II-VO handelt, ergibt sich daraus, dass der Antragsteller ausweislich der Eurodac-Datenbank bislang in keinem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat, mithin kein Fall der Wiederaufnahme nach Artikel 20 Absatz 1 i.V.m. Artikel 16 Absatz 1 Bst c) bis e) Dublin-II-VO vorliegt. Die Eurodac-Datenbank weist für den Antragsteller lediglich einen Treffer aus. Aus der Verwendung der Kennung „2“ nach der Länderangabe „ES“ für Spanien ergibt sich, dass der Antragsteller dort keinen Asylantrag gestellt hat, sondern nur erkennungsdienstlich behandelt worden ist, vgl. Artikel 2 Absatz 3 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Abgleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens. Soweit der Antragsteller angibt von Spanien aus zunächst in die Niederlande und erst von dort aus nach Deutschland gereist zu sein, ergibt sich daraus schon deshalb nichts anderes, weil er mangels eines weiteren Eintrags in der Eurodac-Datenbank dort ersichtlich keinen Asylantrag gestellt hat.
19Die dreimonatige Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs an den zuständigen Mitgliedstaat beginnt nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 1 Dublin-II-VO mit der Einreichung des Antrags im Sinne von Artikel 4 Absatz 2, vorliegend also mit der Asylantragstellung des Antragstellers am 19. Juli 2013, und endete mithin am 19. Oktober 2013. Das Aufnahmeersuchen wurde aber ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin erst am 4. November 2013 - und damit verspätet - via DubliNet an Spanien gerichtet.
20Da mithin bereits durch den Ablauf der Dreimonatsfrist eine Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 2 Dublin-lI-VO begründet wurde, war das Schweigen Spaniens auf das verspätet gestellte Aufnahmeersuchen nicht mehr geeignet, die Fiktion der Zustimmung Spaniens nach Artikel 18 Absatz 7 Dublin-lI-VO auszulösen. Die nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 2 Dublin-II-VO begründete Zuständigkeit Deutschlands bleibt hiervon daher unberührt.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfg.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.