Der Kläger ist Miteigentümer zur Hälfte der Grundstücke Fl.-Nrn. … und …, Gemarkung … Er wendet sich gegen die Erhebung einer Vorauszahlung auf einen Straßenausbaubeitrag Im Zuge einer Dorferneuerungsmaßnahme führte die Beklagte Ausbaumaßnahmen an der Straße „…“, mehreren davon abgehenden Stichstraßen und einem Teil des … Wegs durch. Nachdem die Beklagte den Kläger mit zwei Bescheiden vom 03.08.2011 in voller Höhe zu Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag für die Grundstücke herangezogen hatte, hob sie auf seinen Einwand hin mit zwei Bescheiden vom 17.08.2011 die Vorauszahlungsbescheide vom 03.08.2011 auf (Nr. 1) und setzte gleichzeitig den Vorauszahlungsbetrag für den hälftigen Miteigentumsanteil an der Fl.-Nr. … in Höhe von 2.906,10 EUR und an der Fl.-Nr. … in Höhe von 238,74 EUR neu fest (Beitragssatz 4,34 EUR/m²).
Gegen diese Bescheide erhob der Kläger am 25.08.2011 Widersprüche, die das Landratsamt W. mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2015 zurückwies. Auf die Begründung des Bescheids, der dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 03.02.2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
Mit zwei am 02.03.2015 eingegangenen Schriftsätzen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers hinsichtlich der Vorauszahlungsbeträge für beide Grundstücke getrennt Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben (B 4 K 15.124 und B 4 K 15.125) und mit Schriftsätzen vom 04.09.2015 jeweils beantragt,
den Bescheid der Stadt W. vom 17.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 28.01.2015 aufzuheben.
Zur Klagebegründung trägt er vor, die ausgebaute Einrichtung sei nicht als Haupterschließungsstraße sondern als Hauptverkehrsstraße einzustufen, da sie zu einem Großteil auch dem Durchgangsverkehr diene. Rechtliche Bedenken bestünden hinsichtlich der Anlagenbildung. Weiter sei zu prüfen, inwieweit die streitgegenständliche Anlage auch dem Anwesen „… 1“ eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit vermittle.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 28.09.2015 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Klageerwiderung führt er aus, nachdem mit den Ausbauarbeiten begonnen worden sei, habe die Beklagte beschlossen, Vorauszahlungen auf den Beitrag zu erheben. Zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fehle es noch am Grunderwerb. Gestalterischer Mehraufwand, der im Rahmen der Dorferneuerung angefallen sei, sei aus dem umlagefähigen Aufwand ausgeschieden worden. Abgerechnet sei der Bereich der Ortsstraße „Am L.“ zwischen der Einmündung des … Wegs einerseits und dem Ausbauende bei der Hausnummer 56 einschließlich der Seitenarme „Zufahrt zum …“, „Zufahrt zur …“, „Zur …“ und … Weg. Bei allen Straßen handle es sich um Ortsstraßen der Beklagten. Die Einstufung als Haupterschließungsstraße sei nicht zu beanstanden. Die Anbindung der Stadt … erfolge im südlichen Bereich durch die Bundesstraße B … sowie von Westen kommend über … und durch den Stadtteil … Der Stadtteil … liege auf keiner dieser Zufahrten. Die Straßen „Am L.“ und … Weg seien Straßen, die der Erschließung der anliegenden Grundstücke dienten und bestenfalls etwa gleichgewichtig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr. Die Frage der Reichweite der Dorferneuerungsmaßnahme sei nicht entscheidungserheblich. Die von der Beklagten gewählte Anlagenbildung und die daraus resultierende Bildung des Verteilungsraumes seien nicht zu beanstanden.
Mit Schriftsatz vom 15.01.2016 wiederholte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Ansicht, dass es sich bei der Erschließungsanlage um eine Hauptverkehrsstraße handle. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei Breitenbrunn um ein ehemals eigenständiges Dorf gehandelt habe, komme es nicht auf die Verkehrsanbindung an die Stadt …an.
Mit Schriftsatz vom 02.03.2016 trug der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ergänzend vor, bei … handle es sich um einen Stadtteil, der selbst nicht in die Hauptverkehrsbeziehungen der Stadt … eingebunden sei. Er sei eher als abgelegen einzustufen. Im Zuge der Maßnahmerealisierung seien gezielt Geschwindigkeitsbremsen durch Querrinnen eingebaut worden, um Durchgangsverkehr zu begrenzen. Ein gewisser Durchgangsverkehr Ortskundiger finde auf der abgerechneten Anlage allerdings statt. Dies sei aber nicht die primäre Zielsetzung der Straße sondern unerwünschter Verkehr. Das Anwesen „Zum … 1“ sei nicht in den Verteilungskreis aufgenommen worden, weil es an einer eigenständigen Anlage liege und nicht einmal eine Punktberührung zur abgerechneten Anlage habe.
Am 26.04.2016 führte das Gericht einen Erörterungstermin und am 09.06.2016 einen Augenscheinstermin durch. Auf die Niederschriften wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.06.2016 äußerte die Klägerseite ihr Einverständnis mit der von der Beklagten gebildeten „Erschließungseinheit“, hielt aber die Einbeziehung des Anwesens „Am L. 40“ für gerechtfertigt.
Mit Schreiben vom 01.07.2016 forderte das Gericht die Beklagte zur Erstellung einer Vergleichsberechnung auf und verfügte mit Beschluss vom 10.08.2016 die Verbindung der beiden Streitsachen unter dem Az. B 4 K 15.124. Mit Schriftsatz vom 27.10.2016 legte die Beklagte die angeforderte Vergleichsberechnung vor.
Die Klägerseite erkundigte sich mit Schriftsatz vom 08.12.2016, weshalb die Grundstücke Fl.-Nrn …, …, … und … nicht in das Abrechnungsgebiet einbezogen worden seien. Die Beklagtenseite nahm hierzu unter dem 12.12.2016 Stellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
1. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die Bescheide der Beklagten vom 07.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 28.01.2015 in Höhe von insgesamt 2.449,33 EUR aufzuheben, weil die Festsetzung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die beiden streitgegenständlichen Grundstücke in diesem Umfang rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Im Umfang von insgesamt 695,51 EUR ist die Klage abzuweisen, weil die Bescheide insoweit rechtmäßig sind.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG kann die Beklagte auf Grund einer besonderen Abgabesatzung zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können gemäß Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung der Einrichtung begonnen worden ist. Bei einem Teilstreckenenausbau liegt eine beitragsfähige Erneuerungsmaßnahme in der Regel erst dann vor, wenn die betroffene Teilstrecke mindestens ein Viertel der gesamten Straße umfasst (BayVGH, Urteil vom 28.01.2010 - 6 BV 08.3043, juris Rn. 14).
Demgemäß war die Beklagte auf der Grundlage ihrer Ausbaubeitragssatzung vom 28.04.2004 (ABS) berechtigt, für die Erneuerung der Ortsstraße „Am L.“ nach Maßnahmenbeginn Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag zu verlangen. Die gegenüber dem Kläger festgesetzte Vorauszahlung erweist sich allerdings als zu hoch, weil die von der Beklagten gebildete Einrichtung nicht den in der maßgeblichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entspricht (a) und folglich auch das Abrechnungsgebiet nicht rechtmäßig gebildet wurde (b).
(a) Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme ist grundsätzlich die einzelne Ortsstraße als öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Hinsichtlich des Einrichtungsbegriffs ist auf die natürliche Betrachtungsweise abzustellen, d.h. auf den Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Straßenausstattung - ungeachtet eines anderen Straßennamens - vermitteln (u.a. BayVGH, U.v. 28.1.2010 - 6 BV 08.3043 - BayVBl 2010, 470; U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - BayVBl 2012, 206/208).
Maßgebliche Einrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht nur der auf einer Länge von ca. 300 m ausgebaute Teil der Straße „Am L.“ sondern nach natürlicher Betrachtungsweise die Straße auf ihrer gesamten gewidmeten Länge von 960 m. Nicht zur Einrichtung gehören aus rechtlichen Gründen die öffentlich gewidmeten Stichwege „Zufahrt zum …“, „Zufahrt zur …“ (Fl.-Nr. …) und „Zur …“ und der ausgebaute Teil des … Wegs.
Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der in den Akten befindlichen Lagepläne, der vorgelegten Fotos und der von den berufsrichterlichen Mitgliedern der Kammer durchgeführten Ortseinsicht fest. Die Einmündung des … Wegs im Kurvenbereich stellt keine Zäsur der Straße „Am L.“ dar. Vielmehr vermittelt die einheitlich weiterführende Straßenbreite den Eindruck, dass die Straße lediglich eine Kurve beschreibt und schließlich am nordöstlichen Ortsrand an der Gemarkungsgrenze zu … endet. Dagegen ist der in der Kurve einmündende … Weg deutlich schmäler, so dass die Ansicht, der ausgebaute Teil der Straße „Am L.“ würde mit dem sich geradeaus fortsetzenden …Weg eine Einrichtung bilden, nicht geteilt wird.
Aufgrund der Einstufung der Straße „Am L.“ als Haupterschließungsstraße können die im Zuge der Ausbaumaßnahme ebenfalls erneuerten Stichwege „Zufahrt zum …“, „Zufahrt zur …“ (Fl.-Nr. …) und „Zur …“ (Fl.-Nr. …) sowie der ausgebaute Teil des … Wegs aus rechtlichen Gründen nicht zur maßgeblichen abrechnungsfähigen Einrichtung zählen, da sie nur der Kategorie Anliegerstraßen zugeordnet werden können. Wegen der unterschiedlichen Verkehrsfunktion ist es aber ausgeschlossen, nur dem Anliegerverkehr dienende (Stich) Straßen zusammen mit einer Haupterschließungsstraße als einheitliche Einrichtung abzurechnen (BayVGH vom 09.02.2012 - 6 B 10.865, juris Rn. 23). Die in den Stichwegen durchgeführten Ausbaumaßnahmen sind deshalb einer gesonderten Abrechnung zuzuführen. Die von Beklagtenseite zitierte Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (Beschlüsse vom 25.03.2014 - 6 ZB 13 2332; vom 23.02.2015 - 6 ZB 14.2435 und vom 17.02.2016 - 6 ZB 14.1871) ist nicht einschlägig, da in den entschiedenen Stichstraßenfällen keine unterschiedlichen Straßenkategorien vorlagen. Auch das vom Kläger zuletzt geäußerte Einverständnis mit der Anlagenbildung ändert daran nichts, da die Frage der maßgeblichen Einrichtung nicht zur Disposition der Beteiligten steht.
(b) Der voraussichtliche, nur für den Ausbau der Straße „Am L.“ anfallende, umlagefähige Aufwand ist nach Abzug des Gemeindeanteils (aa) auf alle Grundstücke zu verteilen, denen durch die Ausbaumaßnahme an der Einrichtung ein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wird (bb).
(aa) Die Beklagte hat entsprechend der Aufforderung des Gerichts den auf die Straße „Am L.“ entfallenden Aufwand ermittelt und den Eigenanteil am Ausbauaufwand gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 1.2, Abs. 3 ABS korrekt abgezogen. Die Straße „Am L.“ ist bestenfalls als Haupterschließungsstraße, nicht aber als Hauptverkehrsstraße einzustufen. Letzteres wäre nur der Fall, wenn sie ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr und/oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen würde. Ein überörtlicher Durchgangsverkehr findet in … schon aufgrund der topografischen Lage des 1975 eingemeindeten, nur ca. 200 Einwohner umfassenden Ortsteils der Stadt … nicht statt. Das Dorf ist hinsichtlich des überörtlichen Straßennetzes eher abseits gelegen und dient weder dem notwendigen Durchgangsverkehr in die Kreisstadt … noch einer sonstigen Verbindung zwischen anderen umliegenden Orten. Ein durchgehender innerörtlicher Verkehr ist aufgrund der Tatsache, dass die Straße „Am L.“ die einzige durch den ganzen Ort führende Straße ist, nicht gegeben. Sie stellt keine Verbindung zu anderen innerörtlichen Wohngebieten dar, weil es solche nicht gibt.
(bb) Da die gesamte Straße „Am L.“ die maßgebliche Einrichtung darstellt, gehören zu den beitragspflichtigen Grundstücken, auf die der Ausbauaufwand zu verteilen ist, auch alle am ca. 600 m langen, nicht ausgebauten Teil der gewidmeten Straße gelegenen Grundstücke bis zum Ortsausgang in Richtung … Dagegen bleiben alle ausschließlich an den Stichwegen bzw. am … Weg gelegenen Grundstücke außer Betracht.
Einzubeziehen sind auch das an dem in den Außenbereich führenden privaten Eigentümerweg „Zum …“ gelegene bebaute Grundstück Fl.-Nr. … gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 und 3 Nr. 2 ABS und das gegenüberliegende landwirtschaftliche Grundstück Fl.-Nr. … mit 2,5% der Fläche gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 ABS. Für diese Grundstücke ist die ausgebaute Einrichtung die nächstgelegene öffentliche Straße.
Einzubeziehen ist auch das an der nichtausgebauten Teilstrecke gelegene Grundstück Fl.-Nr. …mit 945 m², auf dem sich laut Angaben der Beklagten ein Gebäude mit der Dorfheizung befindet. Auch wenn dieses Grundstück der öffentlichen Versorgung dient, kommt ihm durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße ein Vorteil zu.
Nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen sind die Grundstücke Fl.-Nrn …, … und … als Hinterliegergrundstücke im Außenbereich ohne rechtliche Zugangsmöglichkeit zur ausgebauten Straße (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. Rn. 20 zu § 35).
(cc) Der der Vorauszahlung zugrunde liegende umlegungsfähige Aufwand für die maßgebliche Einrichtung beträgt nunmehr 74.914,84 EUR (Bl. 142 Gerichtsakte). Dieser verteilt sich auf eine Fläche von 78.037,16 m² und führt zu einem Beitragssatz von 0,9599 EUR/m². Auf den Kläger entfallen aufgrund des hälftigen Miteigentums an den Grundstücken Fl.-Nrn. … und … Vorauszahlungsbeträge von 642,71 EUR bzw. 52,80 EUR (insgesamt 695,51 EUR). In dieser Höhe haben die angefochtenen Bescheide Bestand, weshalb die Klage im Übrigen abzuweisen war.
2. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.