Der am …1977 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er reiste im Rahmen seiner Tätigkeit als Fernfahrer seit 2011 mehrfach aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein. In einem Zeitraum von drei Jahren und vier Monaten wurde er insgesamt sieben Mal von deutschen Gerichten wegen der Begehung von Eigentumsdelikten rechtskräftig verurteilt:
1. 14.04.2011 AG ... W., Diebstahl, Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 15,00 EUR
2. 13.03.2012 AG W., Diebstahl, Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,00 EUR
3. 21.12.2012 AG O., Diebstahl, Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,00 EUR
4. 28.03.2013 AG R., Diebstahl in 3 Fällen in Tatmehrheit mit Waffen, Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung
5. 03.06.2013 AG K., Diebstahl, Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 EUR
6. 23.04.2014 AG M., Diebstahl, Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 EUR.
7. 11.08.2014 AG H., Diebstahl und Hehlerei, Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten.
Zulasten des Klägers hat das Amtsgericht Hof seine einschlägigen Vorstrafen gewertet sowie dass er innerhalb offener Bewährung mit einer ganz erheblichen Rückfallgeschwindigkeit gehandelt habe und auch den Hafteindruck im Jahr 2013 durch Untersuchungshaft in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Regensburg nicht auf sich habe wirken lassen. Eine Strafaussetzung zur Bewährung komme nicht in Betracht. Das Gericht gehe davon aus, dass der Angeklagte, wieder auf freien Fuß gesetzt, seine kriminelle Karriere fortsetzen werde.
Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 22.08.2014 zur beabsichtigten Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts an.
Mit Bescheid vom 17.11.2014 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger das Recht auf Freizügigkeit verloren habe. Der Verlust werde für die Dauer von 5 Jahren festgestellt. Die Frist beginne mit der Abschiebung oder Ausreise des Klägers (Nr. 1). Dem Kläger wurde die Abschiebung aus der Haft heraus nach Polen angedroht (Nr. 2). Sollte der Kläger vor Eintritt der Vollziehbarkeit des Bescheides auf freien Fuß kommen, werde er aufgefordert innerhalb von einem Monat aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, gehe er dem nicht nach, werde ihm die Abschiebung nach Polen angedroht (Nr. 3). Zur Begründung wird ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts sei § 6 Abs. 1 und 2 Freizügigkeitsgesetz/EU. Die Entscheidung erfolge wegen der Straffälligkeit des Klägers aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die zahlreichen Verurteilungen des Klägers zeigten, dass er nur zum Begehen von Straftaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Ohne die Inhaftierung vom 23.03.2014 hätte er sehr wahrscheinlich weitere Eigentumsdelikte begangen. Die Hehlerei und der fortgesetzte Diebstahl in erheblichem Umfang sei eine hinreichend schwere Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft, nämlich des Schutzes des Eigentums. Die Verlustfeststellung diene der Bekämpfung der Eigentumskriminalität. Bei dem Kläger bestehe Wiederholungsgefahr. Diese beruhe auf den zahlreichen Verurteilungen, die ihn in den letzten Jahren nicht davon abgehalten hätten, weitere einschlägige Straftaten zu begehen. Deshalb sei auch davon auszugehen, dass die jetzige Verbüßung einer Freiheitsstrafe nicht abschreckend wirken werde. Dies ergebe sich aus dem persönlichen Verhalten des Klägers, sodass die Wiederholungsgefahr aufgrund seines bisherigen Verhaltens sehr hoch eingeschätzt werde. Der Kläger habe sich bisher nur besuchsweise und vorübergehend in Deutschland aufgehalten. Familiäre oder sonstige soziale Bindungen oder eine kulturelle Eingliederung in die deutschen Lebensverhältnisse bestünden nicht. Die Entscheidung ergehe nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Kläger habe keinen Wohnsitz, keinen Arbeitsplatz und keine Verwandten oder andere Bezugspersonen in Deutschland. Sein Wohnort sei weiterhin in Polen. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, den Kläger für die nächsten Jahre vom Bundesgebiet fernzuhalten, um die Begehung weiterer Straftaten zu verhindern. Dies sei schwerwiegender zu bewerten, als das persönliche Interesse des Klägers. Die Dauer von fünf Jahren werde für erforderlich gehalten, da nicht zu erwarten sei, dass die Wiederholungsgefahr schon in den nächsten Jahren nicht mehr bestehen könnte.
Der Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 21.11.2014 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit einem am 26.11.2014 bei Gericht eingegangenen Schreiben Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben. Er führte darin aus, dass er auf seine Arbeit als Fernfahrer angewiesen sei. Als Lkw-Fernfahrer müsse er größtenteils durch Deutschland fahren. Er versichere, dass er nach seiner Entlassung weitere Straftaten nicht begehen werde, da er diese sehr bereue.
Mit Schriftsatz vom 08.12.2014 hat der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Klageerwiderung wird ausgeführt, die Beteuerung des Klägers, sich künftig straffrei zu verhalten, werde für unglaubwürdig gehalten. Gegen diese Beteuerung spreche sein gesamtes Verhalten in den vergangenen Jahren. Die gegen ihn ergangenen Verurteilungen hätten ihn nicht davon abgehalten, immer wieder einzureisen und aufs Neue Straftaten zu begehen. Auch wenn er jetzt erstmalig zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden sei und er diese auch tatsächlich verbüßen müsse, so folge daraus nicht zwingend, dass dieses Mal der Abschreckungseffekt eintreten werde. Das berufliche und wirtschaftliche Interesse des Klägers, künftig als Lkw-Fahrer durch Deutschland hindurchfahren zu können, werde als nachrangig gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verlustfeststellung bewertet. Der Kläger hätte es sich vorher überlegen müssen, ob es sich lohne, dass Freizügigkeitsrecht durch die Begehung von Straftaten aufs Spiel zu setzen. Wichtig sei ihm der schnelle und leichte Verdienst durch Eigentumsdelikte gewesen. Der Kläger könne auch weiter als Fernfahrer erwerbstätig sein. Es könnten auch Fahrten durch andere Staaten als nur durch Deutschland durchgeführt werden. Die Verlustfeststellung gelte nur für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2015 zeigte die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihre Vertretung an und stellte den Antrag,
den Bescheid des ... B. vom 17.11.2014 aufzuheben.
Gleichzeitig beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung.
Zur Klagebegründung wird ausgeführt, der Kläger habe eine Ausbildung als Automechaniker absolviert und arbeite seit 17 Jahren als Lkw-Fahrer für polnische, österreichische, deutsche und slowakische Arbeitgeber. Dabei sei er im Rahmen seiner Tätigkeit dauernd durch Deutschland als Transitland gefahren. Diese Möglichkeit der Durchreise durch Deutschland sei für ihn zwingend notwendig. Nach seiner Entlassung habe der Kläger vor, sich um eine neue Arbeitsstelle als Lkw-Fahrer zu bemühen. Dazu müsse er aber in der Lage sein, nach Deutschland ein- und durchzureisen. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Insbesondere entspreche die Befristung der Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre nicht den gesetzlichen Vorgaben. Zunächst sei der Kläger nicht zur geplanten Entscheidung angehört worden. Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz sei nicht erfüllt. Abgesehen von der Tatsache der Verurteilung werde kein weiteres persönliches Verhalten des Klägers erwähnt. Vom Einzelfall losgelöste Erwägungen oder eine generalpräventive Begründung der Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts seien unzulässig. Der Kläger sei nicht zwecks Begehung der Straftaten sondern zwecks Ausübung seines Berufs nach Deutschland eingereist. Warum das erstmalige Verbüßen einer Freiheitsstrafe keine ausreichende spezialpräventive Wirkung auf den Kläger haben sollte, erschließe sich nicht. Für die Annahme, dass der Kläger nach seiner Entlassung weitere Straftaten begehen werde, fehle eine Tatsachengrundlage. Eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Kläger sei nicht ersichtlich. Im Übrigen habe er sich er von seinen Taten distanziert. Den erfolgten Verurteilungen hätten überwiegend Diebstähle geringwertiger Sachen zugrunde gelegen. Es handele sich um den Bereich der leichten Kriminalität. Der Kläger habe seine individuellen Risikofaktoren erkannt und sei dabei diese zu beheben. Damit sei eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Bei der Entscheidung sei der persönliche Belang des Klägers, sich wieder um eine Arbeit als internationaler Lkw-Fahrer zu bewerben, nicht gewürdigt worden. Der Verlust des Freizügigkeitsrechts schneide ihm sein Recht auf Ausübung des gelernten und bisher ausgeübten Berufs ab. Das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren nach Ausreise wäre aufgrund der noch zu verbüßenden Freiheitsstrafen voraussichtlich bis zum 22.09.2020 wirksam. In dieser Zeit wäre es für den Kläger rechtlich und tatsächlich unmöglich, sowohl in Deutschland eine Anstellung zu finden und auszuüben, als auch eine Tätigkeit als Fernfahrer für Arbeitgeber aus anderen Ländern der Europäischen Union anzutreten.
Der Kläger wurde am 18.08.2015 aus der JVA … entlassen. Er reiste anschließend freiwillig in sein Heimatland aus. Unter dem 10.09.2015 teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Anschrift in Polen mit.
Mit Beschluss der Kammer vom 04.11.2015 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Mit Beschluss vom 05.11.2015 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
1. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 17.11.2014 ist hinsichtlich der Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts rechtmäßig. Allerdings ist der verfügte Zeitraum der Befristung der Wirkungen dieser Verlustfeststellung von fünf Jahren überzogen. Soweit der Bescheid die Befristung der Wirkungen des Verlusts des Freizügigkeitsrechts über den 31.12.2016 hinaus festsetzt, war er aufzuheben, da der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit ist § 6 Abs. 1 FreizügG/EU.
aa) Der Beklagte ist zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass dieser allein schon aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit und seiner Tätigkeit als Fernfahrer, der Deutschland nur als Transitland passiert, ein freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger ist, ohne im Detail die weiteren Voraussetzungen der Freizügigkeit nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU zu prüfen. Jedoch stellt auch das nur an den Besitz eines gültigen Ausweises oder Passes gebundene Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU ein Recht auf Einreise und Aufenthalt i.S. des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU dar, dessen Verlust aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden kann. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, definiert als Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers sowohl das Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten (Art. 6 RL 2004/38/EG) als auch das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate (Art. 7 RL 2004/38/EG). Die Regelungen über die Verlustfeststellung finden daher auch auf Unionsbürger Anwendung, die lediglich unter Art. 6 RL 2008/38/EU, dessen Umsetzung durch § 2 Abs. 5 FreizügG/EU erfolgt ist, fallen. Dabei ist unschädlich, wenn sich der Unionsbürger im Strafvollzug befindet und daher sein Recht auf Aufenthalt erst nach seiner Haftentlassung wieder Bedeutung erlangt (BayVGH, B. v. 18.03.2015 – 10 C 14.2655, juris Rn. 20 m.w.N.).
bb) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 AEUV festgestellt werden. Die Begriffe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit sind als europarechtliche Begriffe in Übereinstimmung mit dem übrigen Europarecht, insbesondere den Regeln über die Freizügigkeit, als eine Ausnahme von diesem Grundsatz eng zu verstehen (EuGH, U. v. 07.06.2007 – C-50/06 – Rn. 42). Da der Kläger straffällig geworden ist, kommt ihm gegenüber der Verlust des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung in Betracht. Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 45 Abs. 3 AEUV setzt voraus, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften verletzt wurden. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU genügt die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich alleine nicht, um die Verlustfeststellung zu begründen. Nur im Bundeszentralregister nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen, und diese nur insoweit, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der Ordnung darstellt, dürfen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU berücksichtigt werden. Es muss gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. EuGH, U. v. 07.06.2007 – C-50/06 – Rn. 43). Nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Entscheidung über die Verlustfeststellung die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Beurteilung des angefochtenen Bescheids und der angeführten Voraussetzungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, U. v. 03.08.2004 – 1 C 30.02 – juris Rn. 28; BayVGH, B. v. 10.10.2013 – 10 ZB 11.607 – juris Rn. 3).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten im angegriffenen Bescheid vom 17.11.204 getroffene Verlustfeststellung rechtmäßig.
Der Kläger hat in geringen Zeitabständen bei seinen beruflichen Fahrten durch Deutschland immer wieder Eigentumsdelikte gegangen ohne sich von strafrechtlichen Verurteilungen beeindrucken zu lassen. Dies hat dazu geführt, dass die Gerichte von der Verhängung von Geldstrafen alsbald zur Verhängung von Freiheitsstrafen übergegangen sind. Auch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung und ein Aufenthalt in Untersuchungshaft haben den Kläger nicht von der Begehung weiterer Eigentumsdelikte abgehalten. Deshalb kam es dann zum Widerruf der Bewährungsstrafe und zu der Bewertung des Amtsgerichts Hof im Urteil vom 11.08.2014, das Gericht gehe davon aus, dass der Angeklagte, wieder auf freien Fuß gesetzt, seine kriminelle Karriere fortsetzen werde.
Die mit hoher Rückfallgeschwindigkeit begangenen Straftaten zeigen ein persönliches Verhalten des Klägers mit einer Neigung zur Begehung von Eigentumsdelikten zur Aufbesserung seiner finanziellen Situation.
Die fortgesetzte Begehung von Eigentumsdelikten berührt ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Zwar sind reine Eigentumsdelikte ohne Gewaltanwendung in der Regel eher als leichte Kriminalität einzustufen. Allerdings entstehen durch die Vielzahl solcher Delikte bundesweit hohe wirtschaftliche Schäden. Der Schutz des Eigentums der Bevölkerung vor aus dem Ausland einreisenden Straftätern rechtfertigt deshalb bei Mehrfachtätern ein Einreise- und Aufenthaltsverbot auch für Unionsbürger. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Einreise zum Zweck der Begehung von Straftaten erfolgt oder ob die betreffende Person – wie hier – aus beruflichen Gründen einreist und die Straftaten bei dieser Gelegenheit begeht.
Eine gegenwärtige im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehende Wiederholungsgefahr ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger seine Freiheitsstrafen verbüßt hat und die Wirkungen des Strafvollzugs künftig ein straffreies Leben des Klägers erwarten ließen. Eine solche Schlussfolgerung ist schon deshalb nicht zwingend, weil der Kläger sich zuvor weder eine Bewährungsstrafe noch eine Untersuchungshaft zur Warnung hat dienen lassen. Es besteht somit nach wie vor – obwohl der Kläger in Polen wieder eine Arbeitsstelle als Lkw-Fahrer hat – die Gefahr, dass er seine finanzielle Lage erneut durch Diebstähle zu verbessern sucht.
Die in § 6 Abs. 3 FreizügigG/EU genannten Kriterien hat der Beklagte berücksichtigt. Rechte des Klägers aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stehen der Verlustfeststellung nicht entgegen, da er seinen familiären, sozialen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland sondern in seinem Heimatland Polen hatte. Was seine beruflichen Interessen betrifft, ist es dem Kläger zumutbar ist, eine Arbeitsstelle als Lkw-Fahrer anzunehmen, bei der er nicht zwingend durch Deutschland fahren muss. Laut Angaben seiner Prozessbevollmächtigten fährt er derzeit auf der Skandinavienroute.
Da nach dem Vorstehenden eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, vorlag, hat der Beklagte ermessensfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger sein Recht auf Freizügigkeit verloren hat.
b. Zu beanstanden ist aber die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung der Wirkung der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik auf die Dauer von fünf Jahren ab Ausreise des Klägers.
Die Befristung beruht auf § 7 Abs. 2 FreizügG/EU in der seit 09.12.2014 aktuellen Fassung. Danach ist eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU bereits mit Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Vorschrift gewährt Unionsbürgern einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung („ob“). Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a.F. (BVerwG, U. v. 25.03.2015 – 1 C 18/14 – juris Rn. 22).
Nach § 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU ist die Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf die Dauer von fünf Jahren nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU überschreiten. Bei dem Gebot zur Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls handelt es sich nach der Intention des Gesetzgebers lediglich um eine Klarstellung (vgl. BT-Drs. 18/2581 S. 17 zu Nr. 5 Buchstabe c). Der materiell-rechtliche Prüfungsmaßstab hat sich gegenüber der früheren Rechtslage nicht geändert. Die neu eingeführte Höchstfrist von fünf Jahren betrifft nur Fälle, in denen nach § 2 Abs. 7 FreizügG/EU festgestellt worden ist, dass ein Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht und dem Betroffenen deshalb nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU untersagt worden ist, erneut in das Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten. Für Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU ist weiterhin keine Höchstfrist vorgesehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Entscheidung über die Dauer der Befristung in einem ersten Schritt eine an dem Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung sowie dem mit der Maßnahme verfolgten spezialpräventiven Zweck orientierte äußerste Frist zu bestimmen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU zu tragen vermag (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 27).
In einem zweiten Schritt muss sich die Frist an höherrangigem Recht, d.h. unionsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbot für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 28). Nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU im Dezember 2014 und der durch sie bewirkten Aufwertung der Rechtsstellung des Freizügigkeitsberechtigten ist die Fristbemessung der Einreisesperre nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU gerichtlich voll überprüfbar (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 29).
Nach diesen Maßstäben hält die erkennende Einzelrichterin eine Befristung der Verlustfeststellung über den 31.12.2016 hinaus nicht für gerechtfertigt.
Die vom Kläger begangenen Eigentumsdelikte sind von der Art der Begehung und dem konkret verursachten Schaden eher als leichte Kriminalität einzustufen. Allerdings entstehen durch die Vielzahl solcher Delikte bundesweit hohe wirtschaftliche Schäden. Es liegt damit im öffentlichen Interesse, Personen, die – wie der Kläger – eine Neigung zur Begehung von Eigentumsdelikten gezeigt haben, geraume Zeit aus dem Bundesgebiet fern zu halten. Das Gericht hält in derartigen Fällen eine zweijährige Einreisesperre für ausreichend aber auch angezeigt.
Im speziellen Fall des Klägers berücksichtigt das Gericht, dass er nach dem Ende der Strafhaft am 18.08.2015 anstandslos ausgereist ist und eine Abschiebung vermieden hat. Seither sind weitere Straftaten nicht bekannt geworden. Der Kläger hat wieder eine Arbeit gefunden und hält sich an das Einreiseverbot nach Deutschland, indem er Fahrten in andere Länder übernimmt. Um ihm seine Berufsausübung nicht unangemessen zu erschweren, hält die Einzelrichterin es für ausreichend, das Einreise- und Aufenthaltsverbot ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, zu dem bereits vier Monate seit Ausreise des Klägers verstrichen sind, noch für ein weiteres Jahr – bis zum 31.12.2016 – aufrechtzuerhalten, so dass der Kläger ab dem 01.01.2017 wieder ins Bundesgebiet einreisen darf.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
2. Die Kosten des Verfahrens waren nach dem Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens aufzuteilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist hinsichtlich der Verlustfeststellung unterlegen und hat nur hinsichtlich der Befristung teilweise obsiegt.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.