Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 24. Apr. 2018 - Au 6 K 18.50409

bei uns veröffentlicht am24.04.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig, die Verneinung von Abschiebungsverboten und die Anordnung seiner Abschiebung nach Finnland. Zudem begehrt er die Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten.

Der ausweislich seines Nüfus (BAMF-Akte Bl. 50 f.) am ... 1987 geborene, ledige Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebte vor seiner Ausreise in seiner Geburtsstadt ... (Türkei) und zwei Monate in .... Ausweislich eines Treffers in der VIS-Datei erteilte die finnische Botschaft in Ankara am 7. September 2017 ein Visum für einen zehntägigen Kurzaufenthalt im Schengen-Raum vom 15. September 2017 bis zum 15. Oktober 2017 (BAMF-Akte Bl. 56). Der Kläger reiste nach eigenen Angaben von ... mit dem Bus am 17. September 2017 in die Bundesrepublik ein, äußerte am 23. November 2017 ein Asylgesuch und stellte am 3. Januar 2018 einen Asylantrag.

Aufgrund des o.g. VIS-Treffers vom 3. Januar 2018, aus dem sich ergab, dass der Kläger von Finnland ein Visum erhalten hatte, richtete das Bundesamt am 15. Februar 2018 ein Übernahmeersuchen für ihn an Finnland, das mit Schreiben vom 15. Februar 2018 (BAMF-Akte Bl. 101) seine Rückübernahme zusicherte.

Bei seiner auf Türkisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt zur Zulässigkeit des Asylantrags am 26. Februar 2018 (BAMF-Akte Bl. 110 ff.) gab der Kläger an, nichts von der Visumbeantragung durch den Schleuser gewusst zu haben; in Finnland sei er nie gewesen. Sein Bruder lebe in der Bundesrepublik und kümmere sich sowohl um die schriftlichen Angelegenheiten des Klägers als auch um die Mandatierung eines Rechtsanwalts. Er selbst sei dazu nicht in der Lage. Die Menschenrechte würden in Deutschland besser gewahrt als in Finnland, jedoch würde er auch in jedes andere europäische Land gehen, in dem er in Freiheit und ohne Angst leben könne. Er bleibe aber am liebsten in der Bundesrepublik in der Nähe seines Bruders. Erkrankt sei er nicht.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung nach Finnland an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). In den Gründen ist ausgeführt, der Asylantrag sei nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Finnland aufgrund des erteilten Visums nach Art. 12 Abs. 4 VO 604/2013/EU (Dublin III-VO) für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamts nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Finnland würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Bei seinem Bruder – das Verwandtschaftsverhältnis habe der Kläger nicht nachgewiesen – handele es sich nicht um einen Familienangehörigen i.S.d. Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dem Bescheid wurden eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:in deutscher und in türkischer Sprache sowie die Übersetzung des Bescheidstenors in Türkisch beigefügt.

Am 13. März 2018 ließ der Kläger Klage erheben und neben Prozesskostenhilfe beantragen,

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit dem Aktenzeichen ... vom 28. Februar 2018 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger über Finnland eingereist sei. Aus den Verfahrensakten gehe indes nicht hervor, dass Finnland seine Bereitschaft zur Übernahme erklärt habe. Es existiere lediglich ein Vermerk des Bundesamts, dass Finnland geantwortet habe. Daher sei nicht geklärt, welcher Staat zuständig sei. Zur Zuständigkeit sei der Kläger auch nicht angehört worden, weswegen der Bescheid des Bundesamts schon aus formellen Gründen aufzuheben sei.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 16. März 2018 ist das Verfahren auf die Einzelrichterin übertragen worden. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mit Beschluss vom 18. April 2018 abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Es wird Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

1. Vorliegend ist davon auszugehen, dass Finnland für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig ist. Die Anfechtungsklage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist daher unbegründet.

a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig.

Der Kläger wurde ausweislich der auch vom Kläger unterschriebenen Niederschrift vom 26. Februar 2018 zur Zulässigkeit des Asylantrags angehört (BAMF-Akte Bl. 110 ff.).

b) Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag des Klägers ist unzulässig, weil die Republik Finnland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit rechtmäßig.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin III-VO).

(1) Vorliegend ist davon auszugehen, dass Finnland im auch für die Anwendung der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 8) gemäß Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig ist.

Der Kläger ist im Besitz eines von der finnischen Botschaft in Ankara ausgestellten Visums für die Republik Finnland (Gültigkeitsdauer 15.9.2017 bis 15.10.2017). Besitzt ein Antragsteller ein gültiges Visum, so ist nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung erteilt wurde. Besitzt ein Antragsteller ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat (Art. 12 Abs. 4 Satz 1 Dublin III-VO). Dies ist beim Kläger der Fall.

Die vom Bundesamt durchgeführte Abfrage in der VIS-Datenbank ergab, dass der Kläger ein von Finnland ausgestelltes Visum für den Zeitraum vom 15. September 2017 bis zum 15. Oktober 2017 erhalten hat. Dieses Visum ist seit weniger als sechs Monaten abgelaufen. Nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO kommt es für die Bestimmung des nach Kapitel III der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaates auf den Zeitpunkt der ersten Stellung eines Gesuchs auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat an, nicht hingegen auf die förmliche Asylantragstellung (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – juris Rn. 75 ff.), mithin hier auf den 23. November 2017. Zu diesem Zeitpunkt war das Visum erst etwas über einen Monat abgelaufen, so dass Art. 12 Abs. 4 Satz 1 Dublin III-VO vorliegend Anwendung findet. Finnland ist somit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin III-VO gehalten, den Kläger wieder aufzunehmen.

Soweit der Kläger geltend macht, über die Visumserteilung und über seinen Reiseweg nichts zu wissen, da er in einem Bus gesessen und der Schleuser die Grenzübertritte geregelt habe, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn maßgeblich ist, dass der Kläger am 17. September 2017 mit einem bis zum 15. Oktober 2017 gültigen und von der finnischen Botschaft ausgestellten Visum nach Deutschland eingereist ist und sich seither hier aufhält; was vom Kläger auch nicht bestritten wurde. Allein der Vortrag des Klägers, sein Ziel sei wegen seines hier lebenden Bruders Deutschland gewesen und er habe nicht gewusst, dass der Schleuser ein finnisches Visum organisiert habe, hindert nicht die Anwendung des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. Es gibt in der Dublin III-Verordnung keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff des Visums, der in Art. 2 Buchst. m Dublin III-VO allgemein definiert wird, deshalb anders auszulegen wäre (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-646/16 – NVwZ 2017, 1357, juris Rn. 55 zur Situation der Ankunft einer außergewöhnlich hohen Zahl internationalen Schutz begehrender Drittstaatsangehöriger). Zumal Art. 12 Abs. 5 Satz 1 Dublin III-VO regelt, dass (selbst) der Umstand, dass das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, nicht daran hindert, dem Mitgliedstaat, der das Visum ausgestellt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Da allein die Visumserteilung maßgeblich ist, kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Kläger in dem das Visum ausstellenden Staat (hier: Finnland) je aufgehalten hat.

(2) Da das Aufnahmegesuch vom 15. Februar 2018 binnen drei Monaten nach dem Asylgesuch des Klägers (23.11.2017) gestellt wurde, ist auch die Frist nach Art. 21 Abs. 1 Uabs. 1 Dublin III-VO gewahrt und kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 21 Abs. 1 Uabs. 3 Dublin III-VO eingetreten. Dementsprechend erklärte Finnland mit Schreiben vom 15. Februar 2018 seine Zustimmung zur Aufnahme des Klägers nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO (Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO). Das entsprechende Schreiben der finnischen Migrationsbehörde ist mit der Formulierung „Your request dated 15.02.2018 for taking charge of Mr. Idris Sen is accepted under the terms of article 12.4 of the Regulation (EU) No 604/2013 (…)“ eindeutig und befindet sich in den Verfahrensakten der Beklagten (BAMF-Akte Bl. 101).

(3) Einer Fristsetzung durch das Bundesamt nach Art. 21 Abs. 2 Dublin III-VO bedurfte es im Rahmen des Aufnahmegesuchs nicht.

Zum einen liegen schon die Voraussetzungen für eine Anforderung einer dringenden Antwort nicht vor, da der Kläger sein Asylgesuch nicht erst stellte, nachdem ihm die Einreise oder der Verbleib in der Bundesrepublik verweigert oder er festgenommen oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde. Des Weiteren steht die Anforderung einer dringenden Antwort im Ermessen des ersuchenden Mitgliedstaates („kann“); eine Ermessensreduzierung auf Null ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

(4) Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO noch nicht abgelaufen, worauf sich der Kläger berufen könnte (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486/1487 f. Rn. 30, 40, 44 ff.). Vielmehr begann die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten erst mit der ausdrücklichen Annahme des Überstellungsgesuchs durch Finnland am 15. Februar 2018 und ist daher noch nicht abgelaufen.

(5) Gründe, von einer Überstellung nach Finnland gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.

Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).

Der Kläger läuft im Falle seiner Überstellung nach Finnland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, wegen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCh ausgesetzt zu werden.

Hiervon kann nach Auffassung des Gerichts in Übereinstimmung mit der insoweit einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausgegangen werden (vgl. VG Bayreuth, U.v. 8.8.2017 B 3 K 17.50070 – juris Rn. 31; B.v. 13.3.2017 – B 3 S 17.50118 – juris Rn. 27 m.w.N.; VG Ansbach, U.v. 10.3.2017 – AN 14 K 17.50004 – juris; VG München, B.v. 3.1.2017 – M 8 S 16.51182 – juris). Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht substantiiert vorgebracht. Daher steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im Falle einer Überstellung nach Finnland keiner solchen Gefahr ausgesetzt wird. Seine Behauptung, in der Bundesrepublik würden die Menschenrechte besser gewahrt als in Finnland, ist unsubstantiiert und entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage.

(6) Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, insbesondere bestehen keine zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote (dazu sogleich).

Soweit der Kläger geltend macht, in Finnland sei er nie gewesen und in Deutschland lebten sein Bruder, ein deutscher Staatsangehöriger, sowie seine Lebensgefährtin, die ihn regelmäßig in seiner Aufnahmeeinrichtung besuche, ist dies unionsrechtlich im Dublin-System irrelevant. Besondere persönliche Umstände, die befürchten ließen, dass dem Kläger bei der Durchführung seines Asylverfahren in Finnland erhebliche Gefahren für Leib und Leben drohen würden, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK befürchten ließen, sind nicht ersichtlich. Soweit der volljährige Kläger insoweit auf verwandtschaftliche und soziale Kontakte im Bundesgebiet verweist, ist dies für die hier allein streitgegenständliche Rückführung nach Finnland irrelevant; eine besondere Hilfebedürftigkeit des Klägers ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dass er seinen Schriftverkehr mit Behörden nicht selbst führen könne und nicht in der Lage sei, sich einen Rechtsbeistand zu organisieren, ist eine Schutzbehauptung. Der 31-jährige Kläger verfügt über einen türkischen Schulabschluss sowie langjährige Berufserfahrung. Im finnischen Asylverfahren hat das Empfangszentrum Sorge für eine Sprachmittlung bzw. Übersetzung zu tragen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 13.3.2017 – B 3 S 17.50118 – juris Rn. 29); bei der Anhörung vor den Immigrationsbehörden ist ein Dolmetscher anwesend (Finnish Immigration Service, http://migri.fi/en/interpreting-at-the-asylum-interview, Stand 24.4.2018). Die Entscheidung über den Asylantrag wird in einer für den Asylbewerber verständlichen Sprache, falls erforderlich mit Hilfe eines Dolmetschers, mitgeteilt (Finnish Immigration Service, http://migri.fi/en/asylum-in-finland/positive-decision, Stand 24.4.2018). Es besteht das Recht, sich einen Rechtsbeistand zu nehmen, insoweit können geeignete Rechtsanwälte auch über Rechtsberatungsstellen gefunden werden (Finnish Immigration Service, http://migri.fi/en/legal-advice, Stand 24.4.2018). Warum der Kläger angesichts dessen nicht in der Lage sein sollte, sich mit den finnischen Behörden zu verständigen und einen Rechtsbeistand zu mandatieren, hat er nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Soweit er sich gegen eine Rücküberstellung in die Türkei wendet, ist dies vom Bundesamt nicht zu prüfen, das lediglich die Rückführung nach Finnland angeordnet hat, welches als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention hinsichtlich seines Asylrechtsvollzugs auch mit Blick auf die Türkei keinen schwächeren Rechtsstandards unterliegt als Deutschland. Rückführungshindernisse hinsichtlich der Türkei zu prüfen, ist Sache Finnlands (vgl. oben). Dies gilt auch für das Refoulement-Verbot.

c) Auch Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig.

Die Abschiebung des Klägers nach Finnland kann auch durchgeführt werden; sie ist rechtlich bzw. tatsächlich möglich. Ihr stehen weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote noch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse entgegen.

Solche Abschiebungshindernisse sind ausnahmsweise von der sonst allein auf die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Beklagte auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, 244), da die Abschiebung nur durchgeführt werden darf, wenn sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Dies ist hier der Fall; Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

Nach derzeitiger Sachlage besteht für den Kläger kein tatsächliches Abschiebungshindernis; insbesondere ist er reisefähig und die Rückübernahme durch Finnland zugesichert, so dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse entgegenstehen. Dass er nur nach Deutschland wollte und hier sein Bruder lebt, ist rechtlich unerheblich, da die Brüder weder zusammen im Asylverfahren noch auf konkrete Lebenshilfe füreinander angewiesen sind (vgl. oben). Selbiges gilt in Hinblick auf seine Lebensgefährtin. Gegenteiliges ist weder dargelegt (§ 60a Abs. 2c und Abs. 2d AufenthG) noch sonst ersichtlich.

d) Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald – wie hier – feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit ebenfalls rechtmäßig.

e) Einwände gegen das in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot ab dem Tag der Abschiebung, gestützt auf § 11 AufenthG, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger keine schützenswerten besonders engen Bindungen an das Bundesgebiet geltend gemacht, die für seine kürzere Fernhaltung sprächen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Auf die obigen Ausführungen zu seinem Bruder und seiner Lebensgefährtin wird verwiesen (vgl. oben).

2. Der weitere (Verpflichtungs-)Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes ist unzulässig.

Das Verfahren nach der Dublin-III-VO sieht ein von der materiellen Prüfung eines Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die Bestimmung des hierfür zuständigen Staats vor, das einer auf die Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise auf die Zuerkennung des internationalen Schutzes gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO entgegensteht. Die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung des Asylbegehrens darf nicht dadurch umgangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die Begründetheit des Asylantrags entscheidet. In diesem Fall besteht für das Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris Rn. 14). Ein „Durchentscheiden“ durch das Gericht kommt daher nicht in Betracht. Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 19).

3. Nach allem erweist sich der angefochtene Bescheid des Bundesamtes als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 24. Apr. 2018 - Au 6 K 18.50409

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Referenzen - Gesetze

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2017 - B 3 K 17.50070

bei uns veröffentlicht am 08.08.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger begehrt die Aufhebu

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 17. Sept. 2014 - 2 BvR 732/14

bei uns veröffentlicht am 17.09.2014

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

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(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 06.02.2017.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.06.2017 wies das Gericht die am 22.02.2017 erhobene Klage ab. Laut Empfangsbekenntnis ging der Bescheid dem Prozessvertreter des Klägers am 05.07.2017 zu.

Mit Schriftsatz vom 27.06.2017 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass ihn die 18-Monatsfrist nicht überzeuge. Die Situation eines sich in das Kirchenasyl begebenden Ausländers sei nicht mit der eines flüchtigen vereinbar, da die Beklagte nicht gehindert sei, die Abschiebung aus dem Kirchenasyl heraus durchzuführen. Die Abschiebung nach Finnland führe zu einer Abschiebung von dort in den Irak. Dies widerspreche dem Schutzgedanken, der der derzeit nicht praktizierten Rückführung von Irakern im Gebiet der Beklagten zugrunde liegt.

Mit Schriftsatz vom 17.07.2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragte der Klägerbevollmächtigte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er verwies auf den Abschiebestopp des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren. Da nicht direkt in den Irak, sondern erst nach Finnland abgeschoben werde, würde dieser Schutz umgangen.

Mit Schriftsatz vom 31.07.2017 wiederholte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen die bisher vorgebrachten Argumente. Er ergänzte unter Bezugnahme auf die TAZ-Online vom 18.05.2016, dass Finnland keine humanitären Gründe für eine Aufenthaltsgewährung hinsichtlich des Irakes mehr anerkenne. Insoweit sei das Konzept gegenseitigen Vertrauens erschüttert.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage hat keinen Erfolg.

Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig, der Kläger wird durch diesen nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO. Das Gericht folgt der Begründung des Gerichtsbescheides, § 84 Abs. 4 VwGO:

1.1 Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides ist rechtmäßig, der Asylantrag des Klägers ist unzulässig, da die Beklagte nicht für die Entscheidung zuständig ist, § 29 Abs. 1 Nr. 1.a) AsylG. Eine materielle Prüfung findet damit nicht statt.

Finnland ist für die Entscheidung über den Asylantrag des Antragsstellers zuständig, sodass es grundsätzlich als einziger Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Asylantrag des Klägers prüfen muss, Art. 3 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Der Kläger hat bereits in Finnland ein Asylverfahren durchlaufen, das nach eigenen Angaben seitens des finnischen Staates abschlägig beschieden wurde. Dass der finnische Staat im Rahmen der Regelungen der Dublin III-VO weiterhin für die Prüfung der Asyl(folge) anträge des Klägers zuständig bleibt, zeigt nicht zuletzt Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO.

Es fand kein Zuständigkeitswechsel auf die Beklagte statt:

1.1.1 Ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ist nicht gegeben.

Die Beklagte fragte am 11.10.2016 die Eurodac-Treffer des Klägers ab und erfuhr in der Anhörung am 17.11.2016 von dem Asylverfahren in Finnland. Der Kläger stellte am 17.11.2016 bei der Beklagten einen Asylantrag.

Die Beklagte stellte laut Aktenlage am 30.11.2016 ein Wiederaufnahmegesuch bei Finnland, das der zuständigen Stelle am selben Tag zuging. Damit wurde die Zwei-Monats-Frist (Ende: 11.12.2016) gewahrt und es trat kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ein.

1.1.2 Auch hat kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO stattgefunden. Die Beklagte hat Finnland am 30.11.2016 um Wiederaufnahme ersucht. Hierauf erteilte dieses mit Schreiben vom 01.12.2016 seine Zustimmung. Die Überstellungsfrist endet demnach (frühestens) mit dem 01.06.2017.

Die Frist beginnt abweichend hiervon mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser gemäß § 27 Abs. 3 Dublin III-Verordnung aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend wurde ein Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (Az. B 3 S 17.50069) durchgeführt. Ein solches Eilverfahren stellt einen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung dar (BVerwG, U. v. 26.5.2016 – 1 C 15.15). Der das Eilverfahren abschließende Beschluss wurde gemäß Postzustellungsurkunde am 08.03.2017 einem zum Empfang ermächtigten Vertreter übergeben und gilt damit gemäß §§ 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2, 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG spätestens am 11.03.2017 zugestellt (Bergmann/Dienelt, AuslR, § 10 AsylG, Rn. 21). Die Frist endet demnach (frühestens) am 11.09.2017.

Da der Kläger ab 30.03.2017 offenes Kirchen-„Asyl“ in Anspruch genommen hat, verlängert sich die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung auf höchstens 18 Monate; diese Frist ist im Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen und es ist im Zeitpunkt der Entscheidung nicht ersichtlich, dass sich der Kläger nicht mehr im Kirchenasyl befindet.

Der Kläger hat sich durch das Begeben in das Kirchen-„Asyl“ zielgerichtet der staatlichen Verfolgung entzogen und ist damit flüchtig im Sinne der Dublin III-Verordnung, zumal er durch sein Verhalten den erfolglosen Ablauf der Regelüberstellungsfrist bewusst herbeigeführt hat (vgl. VG Köln, GB. v. 09.10.2015, AZ.: 13 K 2489/15.A; VG Saarland, U. v. 06.03.2015, AZ.: 3 K 832/4; VG Regensburg, U. v. 20.02.2015, AZ.: RN 3 K 14.50364; VG Augsburg, GB. v. 08.10.2014, AZ.: Au 7 K 14.30121; VG Minden, U. v. 20.01.2014, AZ.: 10 K 1096/13.A; OVG Saarland, U. v. 13.09.2006, AZ.: 1 R 17/06; zu der vergleichbaren Problematik in § 1a Abs. 3 AsylbLG: BayLandessozialgericht, B. v. 11.11.2016, AZ.: L 8 AY 29/16 B ER; zur Widersprüchlichkeit des Verhaltens: VG Ansbach, B. v. 29.08.2017, Az. AN 14 E 17.50998).

Die Formulierung „flüchtig ist“ meint, dass sich der Ausländer zielgerichtet dem staatlichen Zugriff durch Änderung seines Aufenthaltsortes zu entziehen versucht – ob dieses Entziehen erfolgreich ist und aus welchen Gründen, spielt für die Einordnung keine Rolle, soweit das relevante räumliche Element des Wegbewegens vorliegt. Es geht damit um den aktiven Akt des Sich-Entziehens und nicht um den Erfolg desselben. Dieses Verständnis wird nicht zuletzt auch durch Art. 2 lit. n) Dublin III-Verordnung gestützt.

Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung stellt darauf ab, dass der Ausländer flüchtig ist. In der englischen Fassung findet sich die Formulierung: „[…] or up to a maximum of eighteen months if the person concerned absconds.“, in der französischen “[…] à dix-huit mois au maximum si la personne concernée prend la fuite.”

Art. 2 lit. n) Dublin III-Verordnung definiert die „Fluchtgefahr“ und stellt dabei darauf ab, dass sich der Ausländer dem Überstellungsverfahren durch Flucht entziehen könnte. Die englische Formulierung lautet: „[…] ‘risk of absconding’ means the existence of reasons in an individual case, which are based on objective criteria defined by law, to believe that an applicant or a third-country national or a stateless person who is subject to a transfer procedure may abscond.”, die französische: „[…]«risque de fuite», dans un cas individuel, l’existence de raisons, fondées sur des critères objectifs définis par la loi, de craindre la fuite d’un demandeur, un ressortissant de pays tiers ou un apatride qui fait l’objet d’une procédure de trans-fert.“

Dass es auf den aktiven Akt des sich Entziehens und nicht auf das Ergebnis des tatsächlichen Entzuges ankommt, wird aus folgenden Erwägungen deutlich:

Zwar ist der deutsche Formulierung „flüchtig ist“ nicht direkt zu entnehmen, ob es auf die Handlung des Sich-Entziehens oder den Erfolg des Entziehens ankommt. Unter Flucht ist jedoch gemäß der Definition im Duden „das Ausweichen aus einer als unangenehm empfundenen oder nicht zu bewältigenden [Lebens]situation“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Flucht_Ausbruch, Stand 07.06.2017), also die Handlung des Weichens und eben nicht der Erfolg, zu verstehen.

Deutlicher wird diese Unterscheidung in der französischen Fassung, die sowohl in Art. 29 Abs. 2 Satz 2, als auch in Art. 2 lit. n) Dublin III-Verordnung die Formulierung „prend la fuite“ auf Deutsch „die Flucht ergreifen“ oder „flüchten“ (https://de.langenscheidt.com/deutsch-franzoesisch/search?term=prendre+la+fuite; https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/franz %C3%B6sisch-deutsch/fuite; http://dict.leo.org/franz%C3%B6sisch-deutsch/fuite%20la%20 prendre) und damit die Beschreibung des aktiven Vorganges nutzt.

In der englischen Version wird in den relevanten Artikeln das Verb „abscond“ benutzt, was mit „sich den Gesetzen entziehen“, „sich davonmachen“, „verschwinden“ oder „fortlaufen“ übersetzt werden kann (https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/abscond; https://www.dict.cc/?s=abscond; https://dict.leo.org/englisch-deutsch/abscond; https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung?l=deen& q=abscond). Auch hier wird insbesondere bei Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung die aktive Formulierung des Entzugsvorganges und nicht die Beschreibung des Ergebnisses verwendet.

Die Anknüpfung an die behördliche Kenntnis des (illegalen) Aufenthaltsortes und die damit verbundene Möglichkeit der Abschiebung (vgl.: VG München, U. v. 06.06.2017, Az. M 9 S 17.50290; U. v. 27.03.2017, AZ.: M 22 K 16.50220VG Würzburg, U. v. 31.08.2015, AZ.: W 3 K 14.50040; VG Greifswald, BG. V. 31.05.2016, AZ.: 3 A 256/16 As HGW m.w.N.) greift zu kurz; insoweit wird darauf abgestellt, dass der Erfolg (= Entzug) nicht eingetreten ist, da der Staat sein Gewaltmonopol auch in Kirchenräumen durchsetzen könnte und der Vollzug damit nicht unmöglich ist.

Das Argument, die faktische Duldung des Kirchen-„Asyls“ durch den Staat würde eine Zurechnung des Vollzugsdefizites zum Flüchtling hindern (so wohl: VG Greifswald, GB. v. 31.05.2016, Az. 3 A 256/16 As HGW), greift ebenfalls zu kurz; vorliegend kommt es eben auf die Handlung des Sich-Entziehens und nicht auf den Grund für die unterbliebene Abschiebung an, zumal letztendlich jede Form des Untertauchens dem Staat zugerechnet werden könnte, da er die abzuschiebenden Personen nicht genügend überwacht und nach untergetauchten Ausländern nicht mit ausreichendem Personaleinsatz gefahndet hat.

Stellt man zutreffender Weise auf die Handlung des Sich-Entziehens ab, so ist der Tatbestand des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung im Fall des Kirchen-„Asyls“ erfüllt. Das Kirchen-„Asyl“ dient ausschließlich dazu, den Ausländer entgegen der geltenden Rechtsordnung und ungeachtet der grundsätzlichen Strafbarkeit eines solchen Verhaltens nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Dies wird umso augenscheinlicher, wenn ein Ausländer entgegen § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG seinen zugewiesenen Aufenthaltsort aufgibt, um durch den Aufenthaltsortswechsel Abschiebemaßnahmen zu verhindern.

Das Untertauchen hat die Beklagte auch rechtzeitig innerhalb der Sechs-Monats-Frist an Finnland mitgeteilt, sodass kein Zuständigkeitsübergang nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (Durchführungsverordnung Dublin) eingetreten ist. Insoweit findet sich in der Verwaltungsakte der entsprechende Entwurf der Mitteilung.

1.1.3 Außergewöhnliche Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht oder ersichtlich.

Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylsystems in Finnland sind nicht ersichtlich (vgl.: VG Sigmaringen, B. v. 05.01.2017, Az.: A 4 K 6158/16; und: AI, Amnesty Report 2016. Finnland; Amnesty Report 2015. Finnland).

Soweit sich der Klägerbevollmächtigte darauf beruft, dass es Unterschiede in der Entscheidungspraxis der einzelnen Mitgliedstaaten gebe, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies systemische Mängel begründen sollte. Die materielle Asylentscheidung obliegt dem zuständigen Mitgliedstaat, eine Kontrolle der Einzelfallentscheidung durch andere Mitgliedstaaten im Rahmen der Überprüfung der Unzuständigkeitsentscheidung findet nicht statt, da sich die Prüfungshoheit der nationalen Gerichte nicht auf die Entscheidungen anderer Staaten erstreckt. Auch lässt sich aus abweichenden politischen Entscheidungen bezüglich eines Abschiebestopps bzw. eines vergleichbaren Instrumentariums in den Rechtsordnungen der einzelnen europäischen Mitgliedstaaten und aus unterschiedlichen rechtlichen Würdigungen per se kein systemischer Mangel herleiten. Die Tatsache einer angeblichen „Kettenabschiebung“ spielt damit keine Rolle. Soweit sich der Prozessvertreter auf die Abschaffung des humanitären Bleiberechts beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dieses keine Vorgabe des Art. 40 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes darstellt.

Soweit der Kläger anführt, dass sein Asylantrag in Finnland abgelehnt worden sei und er deshalb mit einer Abschiebung in den Irak rechnen müsse, wird darauf hingewiesen, dass eine möglicherweise vorhandene oder zu erwartende Entscheidung seitens des Abschiebungszielstaates über den Asylantrag im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle spielt. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ausdrücklich regelt, ist grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig. Die Regelungen der §§ 3 Abs. 2 Unterabsatz 2, 17 Dublin III-VO sorgen nicht dafür, dass inzident bei der Frage des zuständigen Mitgliedstaates geprüft werden müsste, wie der zuständige Zielstaat entschieden hat oder entscheiden würde und ob diese Entscheidung den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre. Dass eine Wiederaufnahme auch bei bereits erfolgter Ablehnung des Asylantrages im zuständigen Mitgliedsstaat möglich ist, zeigt Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO. Hierin tritt nicht zuletzt der für die Europäische Union fundamentale Gedanke gegenseitigen Vertrauens zu Tage.

Auf die materielle Rechtslage kommt es vorliegend damit nicht an.

1.2 Auch die Ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen Bescheides sind rechtmäßig. Insoweit wird auf dessen Begründung und den obigen Ausführungen verwiesen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und die Anordnung seiner Überstellung nach Finnland im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 5. September 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 9. September 2016 stellte er dort einen Asylantrag.

Eine EURODAC-Recherche des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hat ergeben, dass der Kläger bereits am 20. September 2015 in Finnland einen Asylantrag gestellt hat. Daraufhin wurde am 19. Oktober 2016 ein Übernahmeersuchen nach der der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Finnland gerichtet. Die finnischen Behörden haben mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages erklärt und mitgeteilt, dass der Asylantrag des Klägers dort am 12. August 2016 abgelehnt wurde.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 16. Dezember 2016 wurde der Antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Nummer 1 des Bescheides) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Unter Nummer 3 des Bescheides wurde die Abschiebung nach Finnland angeordnet. Unter Nummer 4 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. Januar 2017 Klage erhoben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Zur Begründung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Bescheid vom 16. Dezember 2016.

Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 17. Februar 2017 mit, dass seitens des Klägers Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung besteht.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet durch die Einzelrichterin, der das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 26. Januar 2017 übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Der Verzicht des Bundesamtes ergibt sich aus den allgemeinen Prozesserklärungen des Bundesamtes vom 25. Februar 2016 und 24. März 2016.

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben, da die Klagefrist von einer Woche gemäß § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gewahrt wurde.

Die Klage ist aber unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz (IntG) vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).

Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheides) und die unter Nummer 3 angeordnete Abschiebung nach Finnland rechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Befristungsentscheidung unter Nummer 4 des Bescheides.

1.1. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1a) i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG).

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - oder b) aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 31 Abs. 6 AsylG ist in solchen Fällen der Asylantrag als unzulässig abzulehnen.

Der Asylantrag des Klägers ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG unzulässig, weil nach zutreffender Auffassung der Beklagten im vorliegenden Fall Finnland für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig ist (Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 d) Dublin-III-VO).

Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31 - „Dublin III- VO“) wird der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Finnland der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist. Da eine EURODAC-Abfrage hat ergeben hat, dass der Kläger bereits am 20. September 2015 in Finnland einen Asylantrag gestellt hat, der vor Stellung des Asylantrages in Deutschland abgelehnt wurde, ist Finnland für die Prüfung seines Asylantrags zuständig (vgl. Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO). Die finnischen Behörden haben deshalb auch mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers erklärt, was die Verpflichtung Finnlands nach sich zieht, den Kläger aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für seine Ankunft zu treffen.

Die Zuständigkeit Finnlands ist nicht auf die Beklagte übergegangen. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte ergibt sich insbesondere nicht wegen Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO.

Besondere Umstände, die nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zu einer Zuständigkeit der Beklagten führen würden, sind seitens des Klägers weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 4 11/10 und C 493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für den Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta bwz. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a.a.O.). Der Asylbewerber kann der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat mithin nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U.v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). So bestimmt Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen hierfür nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 -, juris; B.v. 6.6.2014, 10 B 25/14, juris).

Ausgehend davon bestehen nach dem dem Gericht vorliegenden Erkenntnismaterial im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung nach Finnland auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) bzw. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) drohen würde. Der Kläger hat keinerlei Argumente dafür vorgetragen, die auf systemische Mängel bzw. Schwachstellen im Asylverfahren in Finnland schließen lassen, von denen er individuell betroffen sein könnte. Solche sind dem Gericht auch nicht bekannt (vgl. auch VG Sigmaringen, B.v. 5.1.2017 - A 4 K 6158/16 -, juris mit Verweis auf das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 7.1.2013 - E-6715/2012; zu den tatsächlichen Gegebenheiten in Finnland vgl. Amnesty International, Amnesty Report Finland 2015/2016, abrufbar unter https: …www.a...org/...).

Ergänzend wird hierzu auf die ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 16. Dezember 2016 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Anhaltspunkte für das Vorliegen außergewöhnlicher humanitärer Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, sind nicht ersichtlich und wurden seitens des Klägers auch nicht vorgetragen.

1.2 Auch die Anordnung der Abschiebung nach Finnland (Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheides) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylG.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG ordnet das Bundesamt in den Fällen, in denen der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in den zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Finnland ist - wie bereits ausgeführt - für die Prüfung des Asylantrages des Klägers zuständig.

Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden. Die finnischen Behörden haben mit ihrem Schreiben vom 20. Oktober 2016 signalisiert, dass sie bereit sind, den Kläger aufzunehmen und entsprechende Vorkehrungen für dessen Versorgung zu treffen. Abschiebungshindernisse, die einer Abschiebung des Klägers nach Finnland entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden seitens des Klägers auch nicht vorgetragen. Dies gilt zum einen hinsichtlich zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Nichtvorliegen die Beklagte in Nummer 2 des angefochtenen Bescheides in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG festgestellt hat. Auch inlandsbezogene Abschiebehindernisse im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die die Beklagte bei Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zu prüfen hat (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C10 C 15.813 -, juris Rn. 4), sind nicht ersichtlich.

1.3 Die erfolgte Befristung des Einreiseverbots auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nummer 4 des Bescheides) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage hierfür ist § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG. Anhaltspunkte dafür, dass die im vorliegenden Fall festgesetzte Frist von sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vorgaben verstößt, bestehen nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Befristungsentscheidung im vorliegenden Fall unzutreffende Erwägungen zu Grunde gelegt oder Belange des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die am … Juli 1949 geborene Antragstellerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen ihre drohende Überstellung nach Finnland im Rahmen des sogenannten Dublins-Verfahren.

Die Antragstellerin reiste nach ihren Angaben am 16. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18. Mai 2016 einen Asylantrag.

Bei ihrer Erstbefragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 18. Mai 2016 gab die Antragstellerin an, im Februar 2013 einen Asylantrag in Finnland gestellt zu haben und bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland in Finnland gelebt zu haben. Ein entsprechender EURODAC-Treffer FI 1 … bestätigte, dass die Antragstellerin bereits in Finnland Asylantrag gestellt hatte.

Am 18. Juli 2016 stellte die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen für die Antragstellerin an Finnland, das nicht beantwortet wurde.

Mit Bescheid vom 7. November 2016, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1), es stellte fest dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Finnland an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Ausreise (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.

Der Bescheid vom 17. November 2016 wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde durch Niederlegung am 30. November 2016 zugestellt.

Mit einem am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VGO und beantragten,

den Bescheid vom 17. November 2016 aufzuheben (M 8 K 16.51183).

Ein Antrag im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde in dem einheitlichen Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 nicht gestellt.

Zur Begründung des Aufhebungsantrags bezüglich des Bescheids vom 17. November 2016 wurde ausgeführt, dass in Finnland systemische Mängel des Asylverfahrens vorlägen.

Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2016 übermittelte die Antragsgegnerin die elektronische Behördenakte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

1. Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 und § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen.

Da sich die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts vom 25. November 2016 nach der insoweit gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist, führt die vorzunehmende Interessenabwägung im Fall de Antragstellerin zu einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses.

1.1. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Finnland ist als Mitgliedsstaat, in dem die Antragstellerin ausweislich des erzielten Eurodac-Treffers und ihren eigenen Angaben zufolge einen Asylantrag gestellt hat, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (Art. 3 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO). Nach Aktenlage hat Finnland das gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO rechtzeitig gestellte Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO nicht beantwortet. Gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass von finnischer Seite dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen.

Die Zuständigkeit liegt auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO bei der Antragsgegnerin (oder einem anderen Mitgliedsstaat), weil eine Überstellung an Finnland als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin im Falle einer Abschiebung nach Finnland infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EUGrdRCh - ausgesetzt wäre.

1.2. Es besteht auch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, ausnahmsweise aus anderen Gründen den Asylantrag der Antragstellerin trotz der Zuständigkeit Finnlands inhaltlich selbst zu prüfen.

1.2.1. Von Verfassungswegen kommt eine Prüfungspflicht der Antragsgegnerin nur in Betracht, soweit ein von vornherein außerhalb der Reichweite des Konzepts der normativen Vergewisserung liegender Sachverhalt gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93) ist dies - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaates als sicher maßgeblichen Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht, oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind hohe Anforderungen zu stellen.

Hinsichtlich der Situation in Finnland wurde hierzu nichts vorgetragen, und es ist auch nicht ersichtlich, dass ein von vornherein außerhalb der Reichweite des Konzepts der normativen Vergewisserung liegender Sachverhalt vorliegend gegeben ist.

Eine Prüfungspflicht der Antragsgegnerin von Verfassungswegen scheidet somit aus.

1.2.2. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10) ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtscharta) dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.“

Auch hierfür hat die Antragspartei in Bezug auf Finnland außer einer pauschalen Behauptung nichts vorgetragen, und es ist auch nicht ersichtlich, dass das Asylverfahren in Finnland an systemischen Mängeln leidet oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber dort ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass die Asylbewerber dort tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

2. Die Abschiebungsanordnung beruht auf § 34a AsylG und ist rechtmäßig. Die Abschiebung nach Finnland kann durchgeführt werden.

Einer Abschiebung nach Finnland stehen keine systemischen Mängel des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen.

2.1. Auch inlandsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Zwar ist eine Abschiebungsanordnung dann ausgeschlossen, wenn inlandsbezogene Abschiebungshindernisse - wie sie in § 60a Abs. 2 AufenthG niedergelegt sind - vorliegen (BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 7). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Es wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 60a Abs. 2c AufenthG). Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Die Abschiebungsanordnung begegnet mithin keinen rechtlichen Bedenken.

3. Dies gilt auch für das auf § 11 Abs. 2, 3 AufenthG gestützte sechsmonatige Einreise- und Aufenthaltsverbot.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 27.02.2017 wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm drohende Überstellung nach Finnland im Rahmen eines sogenannten „Dublin-Verfahrens“.

Der Antragsteller, iraksicher Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 09.10.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 03.11.2016 einen Asylantrag.

Bei der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 03.11.2016 in Bamberg erklärte der Antragsteller, er habe am 15.09.2015 sein Herkunftsland erstmalig verlassen. Er sei vom Irak aus mit dem Flugzeug in die Türkei gereist, dann weiter mit dem Boot nach Griechenland. Von Griechenland aus sei er über Mazedonien mit dem Zug durch Serbien und Kroatien nach Österreich und von dort nach Deutschland. Von Deutschland weiter nach Schweden und von Schweden nach Finnland mit dem Zug. Von Finnland sei er mit dem Zug über Schweden und Dänemark wieder zurück nach Deutschland. In Finnland habe er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der abgelehnt worden sei.

Die EURODAC-Abfrage des Bundesamts ergab einen Treffer der „Kategorie 1“ (), wonach der Antragsteller am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Finnland gestellt hat. Am 30.11.2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Finnland. Die finnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 14.12.2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO.

Mit Bescheid vom 22.02.2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Es wurde die Abschiebung nach Finnland angeordnet (Nr. 3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Unzulässigkeit des Antrags ergebe sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da Finnland gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids, die sich vor allem mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel in Finnland auseinandersetzt, verwiesen.

Am 27.02.2017 erhob der Antragsteller zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth in Bamberg Klage gegen den Bescheid vom 22.02.2017 und beantragte gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, sein Asylantrag sei in Finnland bereits abgelehnt worden. Aus den Gründen, die er im dortigen Verfahren vorgetragen habe, sei ihm eine Rückkehr in den Irak nicht möglich. Er beantrage daher die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland.

Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 08.03.2017 die Behördenakte vor. Im Übrigen äußerte sie sich bislang nicht.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens B 3 K 17.50119 und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

II.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist gem. §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 3 K 17.50119 gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 22.02.2017 enthaltene Abschiebungsanordnung (Ziff. 3) anzuordnen.

Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage - im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO - ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG München, B.v. 18.7.2016 - M 12 S. 16.50473 - juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.

Vorliegend stellt sich die angegriffene Abschiebungsanordnung unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung zurückzutreten hat.

Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt - im Hinblick auf die beabsichtigte Überstellung nach Finnland vor.

1. Der Asylantrag ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Deutschland unzulässig.

a) Vorliegend stelle der Antragsteller am 01.10.2015 in Finnland einen Antrag auf internationalen Schutz. Dies ergibt sich aus dem EURODAC-Treffer der „Kategorie 1“ und entspricht im Übrigen auch seiner eigenen Einlassung bei der Asylantragstellung am 03.11.2016 in Deutschland. Auf Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 30.11.2016 hin, haben sich die finnischen Behörden mit Schreiben vom 14.12.2016 gem. Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig erklärt. Damit ist der Asylantrag des Antragstellers gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in Deutschland unzulässig.

b) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO ist nicht gegeben. Die Antragsgegnerin fragte am 11.10.2016 die EURODAC-Treffer des Antragstellers ab und erfuhr zudem bei der Anhörung im Rahmen der Asylantragstellung am 03.11.2016 von dessen Asylverfahren in Finnland. Die Antragsgegnerin stellte laut Aktenlage am 30.11.2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Finnland, das der zuständigen Stelle am selben Tag zuging. Damit wurde die Zwei-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin-III-VO und die Drei-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO gewahrt und es trat kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO ein.

c) Die Zuständigkeit Finnland ist auch nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist wieder entfallen. Die Überstellungsfrist beträgt nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO sechs Monate ab dem Tag der Annahme des Auf- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend ist die Zustimmung Finnlands erst am 14.12.2016 erfolgt, so dass gegenwärtig die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

2. Die Abschiebung nach Finnland ist auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich.

a) Insbesondere liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO begründet oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO sprechen.

aa) Systemische Mängel des finnischen Asylverfahrens liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und C-493/10 - juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.

Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12 - juris, BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris, m.w.N., B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

Bei Anlegung dieses Maßstabs ergeben sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Finnland (vgl. auch VG Sigmaringen, B.v. 5.1.2017 - A 4 K 6158/16 - juris; VG Bayreuth, B.v. 09.03.2017 - B 3 S. 17.50120 m.w.N.). Es wurden auch Seitens des Antragstellers keine diesbezüglichen Gründe vorgetragen.

Das finnische Flüchtlingsrecht ist im 6. Kapitel des finnischen Ausländergesetzes geregelt (Ulkomaalaislaki vom 30.04.2004 in der derzeit geltenden Fassung, abrufbar unter http: …www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/2004/20040301#L6P99). Dieses und auch dessen tatsächlicher Vollzug dürften nach der derzeitigen Erkenntnislage im Einklang mit den internationalen und europäischen Anforderungen stehen (Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.01.2013 - Abteilung 5 Az.: E-6715/2012 -, abrufbar auf der Internetseite des BVerwG der Schweiz http: …www.bvger.ch/publiws/download; jsessionid=1200732C9394BE8F3E72536D36E8CE86?decisionId=8400ca4d-5392-4b15-a92d-5f551a3c1268).

Das finnische Gesetz über die Aufnahme nach internationalem Schutz Suchender sowie die Hilfe und Erkennung von Opfern des Menschenhandels (Laki kansainvälistä suojelua hakevan vastaanotosta sekä ihmiskaupan uhrin tunnistamisesta ja auttamisesta vom 17.06.2011, abrufbar unter http: …www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/2011/20110746) regelt die Empfangsbedingungen für Flüchtlinge und berücksichtigt dabei die Stellung besonders gefährdeter oder schutzbedürftiger Personen (§§ 5, 6, 17 des Gesetzes). Ferner besteht ein Anspruch auf ein Empfangsgeld (§§ 19 Abs. 1, 20 des Gesetzes), welches an den Volksrentenindex angeknüpft wird (§ 22 des Gesetzes). Überdies besteht ein Anspruch auf soziale Dienste (§ 25 des Gesetzes) und Gesundheitsversorgung (§ 26 des Gesetzes). Dabei hat das Empfangszentrum (vastaanottokeskus) Sorge für eine Sprachmittlung bzw. Übersetzung zu tragen, wenn der Betreffende weder der finnischen noch der schwedischen Sprache mächtig ist (§ 27 des Gesetzes). Schließlich bestehen Ansprüche auf Förderung einer Arbeits- bzw. Ausbildungstätigkeit (§§ 29 f. des Gesetzes). Anhaltspunkte, die Anlass für Zweifel an der tatsächlichen Umsetzung bzw. dem verwaltungsbehördlichen Vollzug eröffnen könnten, werden weder vorgebracht noch sind sie ersichtlich.

bb) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Soweit der Antragsteller anführt, dass sein Asylantrag in Finnland abgelehnt worden sei und er in den Irak nicht zurückkönne, wird darauf hingewiesen, dass eine möglicherweise vorhandene oder zu erwartende Entscheidung seitens des Abschiebungszielstaates über den Asylantrag im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle spielt. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO ausdrücklich regelt, ist grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig. Die Regelungen der §§ 3 Abs. 2 Unterabsatz 2, 17 Dublin-III-VO sorgen nicht dafür, dass inzident bei der Frage des zuständigen Mitgliedstaates geprüft werden müsste, wie der zuständige Zielstaat entschieden hat oder entscheiden würde und ob diese Entscheidung den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre. Dass eine Wiederaufnahme auch bei bereits erfolgter Ablehnung des Asylantrages im zuständigen Mitgliedsstaat möglich ist, zeigt Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO. Hierin tritt nicht zuletzt der für die Europäische Union fundamentale Gedanke gegenseitigen Vertrauens zu Tage (vgl. hierzu VG Bayreuth, B.v. 09.03.2017, B 3 S. 14.50120)

c) Es sind auch keine Anhaltspunkte für innerstaatliche oder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorgetragen oder sonst ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

12

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

13

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

14

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

15

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

16

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

17

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.