Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 12. Mai 2015 - Au 6 K 15.50081

published on 12/05/2015 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 12. Mai 2015 - Au 6 K 15.50081
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Gericht

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Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. Februar 2015 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Rücküberstellung nach Italien. Er begehrt die Durchführung des Asylverfahrens durch die Beklagte in eigener Zuständigkeit.

Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein Palästinenser aus dem Gazastreifen. Er wurde am 19. September 2014 bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen. Am 13. Oktober 2014 stellte er einen Asylantrag.

Nachdem ein Abgleich der Fingerabdrücke Hinweise auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates ergeben hatte, richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 4. Dezember 2014 unter Angabe der Eurodac-Nummer auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 - Dublin-III-VO) ein Übernahmeersuchen an Italien. Die italienischen Behörden beantworteten das Ersuchen nicht innerhalb der vorgesehenen Frist.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2015 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, Italien sei aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 3 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO sei davon auszugehen, dass die italienischen Behörden der Wiederaufnahme zustimmen. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO seien nicht ersichtlich.

Gegen den Bescheid ließ der Kläger am 10. Februar 2015 Klage erheben und beantragen,

den Bescheid des Bundesamts vom 2. Februar 2012 aufzuheben.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Asylverfahren in Italien systemische Mängel aufweise. Die Aufnahmebedingungen seien so beschaffen, dass die Asylbewerber Gefahr liefen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. des Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Es deute auch vieles darauf hin, dass die Aufnahmebedingungen in Italien sich in letzter Zeit wesentlich verschlechtert haben.

Am 13. Februar 2015 wurde ein ärztliches Attest einer Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Chirotherapie, Arbeitsmedizin und Naturheilverfahren vorgelegt, wonach der Kläger wegen akuter Suizidgefahr nicht reisefähig sei.

Den mit der Klage erhobenen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Gericht mit Beschluss vom 18. Februar 2015 ab (Az. Au 6 S 15.50082).

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. April 2015 auf die Einzelrich-terin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Am 13. April 2015 wurde erneut ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter Aufhebung des Beschlusses vom 18. Februar 2015 gestellt. Zur Begründung wurde auf eine fachärztliche Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren vom 10. April 2015 verwiesen, wonach anzunehmen sei, dass beim Kläger eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome sowie eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 30. April 2015 abgelehnt (Az. Au 6 S. 15.50209).

Mit Beschluss vom 17. April 2015 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten gewährt.

Die Regierung von Schwaben als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Akten des Bundesamts verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 2. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Gegen die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes auch ausreichend. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte i.S. des § 42 Abs. 1 VwGO dar, deren isolierte Aufhebung - anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens - ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrags führt (BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - Rn. 21; VG Stuttgart, U.v. 28.2.2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 25; VG Düsseldorf, U.v. 10.2.2014 - 25 K 8830/13.A - juris Rn. 18).

2. Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich § 27a AsylVfG i.V.m. § 31 Abs. 1 AsylVfG, wobei eine mit diesem Ausspruch verbundene Abschiebungsanordnung regelmäßig ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG findet. Nach § 27a AsylVfG ist ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

a) Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO. Damit liegen die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG nicht vor.

aa) Ein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte ergibt sich dabei nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht im Hinblick auf die geltend gemachten, generellen systemischen Mängel im italienischen Asylverfahren. Solche liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Nachdem es sich bei Italien als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union um einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG handelt, ist davon auszugehen, dass in Italien die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist. Trotz der Schwierigkeiten in Italien im Hinblick auf die überlastete Aufnahmekapazität, die sich in letzter Zeit eher verschärft haben, besteht kein Anlass zur Annahme, Italien sei kein sicherer Drittstaat mehr oder gewähre dem Kläger keinen Schutz nach Maßgabe des einschlägigen Gemeinschaftsrechtsrechts (vgl. zur Lage in Italien auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. April 2013 - Mohammed Hussein gegen die Niederlande und Italien - Nr. 27725/10).

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Mindeststandards des Europäischen Flüchtlingsschutzes in Italien nach wie vor eingehalten werden. Dies beruht maßgeblich darauf, dass Organisationen wie UNHCR und IOM die Lage in Italien beobachten und dort vor Ort sind. Auch die möglicherweise vorliegenden Defizite bei der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung reichen nicht als Anhaltspunkte dafür aus, dass Italien generell nicht mehr als sicherer Drittstaat angesehen werden könnte, zumal diese sicherlich nicht zu verharmlosenden Probleme nicht unmittelbar den Zugang zum Asylsystem an sich betreffen. Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die europäischen Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die Unterbringung, die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich betrachtet nicht zur Annahme systemischer Schwachstellen oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. ausführlich VG Augsburg, B.v. 20.3.2014 - Au 7 S. 14.30174; VG Würzburg, B.v. 3.2.2014 - W 6 S. 14.30087 - juris; VG Würzburg, B.v. 3.2.2014 - W 6 S. 14. 30079 - juris; VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 - 3 B 6802/13 - juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 - 4 L 44/13). Vielmehr ergibt sich daraus in begründeten Einzelfällen lediglich die Verpflichtung des Bundesamts, in Abstimmung mit den italienischen Behörden sicherzustellen, dass erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren etwa durch Engpässe bei der Unterbringung oder der medizinischen Versorgung ausgeschlossen werden (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel ./. Schweiz - Asylmagazin 12/2014, S. 424). Grundsätzlich ist deshalb nach Auffassung des Gerichts nach wie vor davon auszugehen, dass das italienische Asylverfahren nicht an systemischen Schwachstellen leidet, die befürchten ließen, dass Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen würden (so auch BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295).

bb) Die Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt ergibt sich vorliegend jedoch aus Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO aus humanitären Gründen, weil dem Kläger im Falle einer Überstellung nach Italien eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ernstlich droht.

Entgegen der früheren Rechtsprechung des EuGH (z.B. U.v. 21.12.2011 - C- 411/10, NVwZ 2012, 417), wonach der Grad einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK nur dann erreicht sei, wenn diese die Folge eines systemischen Versagens des jeweiligen Asylsystems darstelle, hat der EMRK in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 festgestellt, die Vermutung, wonach der Mitgliedstaat, in den der Betroffene zurückgeführt werden soll, den Anforderungen des Art. 3 EMRK nachkommt, könne widerlegt werden, wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme vorgebracht werden, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr laufe, dort einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK widerspricht. Ob diese Gefahr auf systemischen Mängeln bzw. Schwachstellen beruht, ist somit nicht maßgeblich. Entscheidend ist die Betrachtung des Einzelfalls, die eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation des Betroffenen erfordert (EGMR, U.v. 4.11.2014, Asylmagazin 2014, 424 Rn. 104; vgl. auch Hocks, Dublin-Überstellungen nach Italien im neuen Licht, zu den Auswirkungen der jüngsten Entscheidungen des EGMR und des BVerfG, Asylmagazin 2015, 5).

In Anwendung dieser Grundsätze kommt das Gericht unter Berücksichtigung der unter 2. a) aa) geschilderten Umstände in Italien, der persönlichen Situation und der gesundheitlichen Verfassung des Klägers zu der Überzeugung, dass dieser zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis zählt und eine Überstellung nach Italien mit erheblichen Gefahren für Leib und Leben, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK befürchten lassen, verbunden ist.

Der Kläger leidet unter erheblichen psychischen Problemen, die zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe geführt haben und die glaubhaft nachgewiesen sind. Der Kläger befand sich vom 28. Februar bis 3. März 2015 sowie vom 5. März bis 7. April 2015 in stationär-psychiatrischer Behandlung im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren. Seine Aufnahme im Krankenhaus war von Betreuern der Asylunterkunft, der der Kläger zugewiesen ist, veranlasst worden, nachdem schwerwiegende psychische Probleme aufgetreten waren. Der Kläger wurde während des Aufenthalts medikamentös behandelt, zugleich wurden auch Gespräche mit den behandelnden Ärzten geführt. Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass die Verständigungsschwierigkeiten durchaus im Hinblick auf die Erstellung einer gesicherten Prognose problematisch sein können, sieht es keinen Anlass, an den fachärztlichen Ausführungen zu zweifeln. Der Kläger befand sich zum einen über einen Zeitraum von mehr als einem Monat unter ärztlicher Beobachtung. Zudem wurde, wie er bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung bestätigte, immer wieder ein Dolmetscher in die Gespräche eingebunden. Nachdem der Kläger medikamentös behandelt wurde, ist davon auszugehen, dass dies auf Grundlage einer aus ärztlicher Sicht hinreichend gesicherten Diagnose geschah. In der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. April 2014 wird davon ausgegangen, dass der Kläger unter einer schweren depressiven Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Eine psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlung sei eingeleitet worden. Zur Aufnahme sei es gekommen, weil der Kläger Suizidgedanken sowie akute Suizidabsichten gehabt habe. Der Kläger hat bei seiner Befragung durch das Gericht ausgeführt, dass er bereits vor der Flucht aus seiner Heimat unter starkem psychischen Druck gestanden habe und auch an Selbstmord gedacht habe. Auch jetzt habe er nach wie vor suizidale Gedanken. In der fachärztlichen Stellungnahme ist hierzu ausgeführt, dass eine nicht ausreichende therapeutische Versorgung für den Kläger schwerwiegende Auswirkungen auf seinen Krankheitsverlauf in Form einer raschen Verschlechterung seines psychischen Zustands, Chronifizierung einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung oder Suizidalität haben könne. Der Kläger steht deshalb derzeit unter regelmäßiger ärztlicher Betreuung. Er wird regelmäßig, wöchentlich etwa einmal, von einem Arzt aufgesucht, der ihm die erforderlichen Medikamente verschreibt. Die Medikamentengabe muss mit dem Bezirkskrankenhaus abgestimmt werden. Zudem führt der Arzt mit dem Kläger Gespräche, die auch die nach wie vor vorhandenen Suizidgedanken betreffen. Der Kläger hat glaubhaft ausgeführt, dass die Verantwortlichen seiner Unterkunft besonders auf ihn achten, um Akutsituationen rechtzeitig erkennen zu können. Wie das Landratsamt * am 14. April 2014 dem Gericht mitgeteilt hat, ist im Juli 2015 eine erneute Überprüfung des Gesundheitszustandes des Klägers vorgesehen. Aufgrund seiner psychischen Situation sei eine Überstellung derzeit nicht möglich.

Das Gericht ist deshalb der Überzeugung, dass der Kläger ohne eine Fortführung der derzeitigen engmaschigen ärztlichen Betreuung schweren gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wäre bis hin zu akuter Suizidalität. Vor diesem Hintergrund läuft der Kläger nach Überzeugung des Gerichts somit im Falle einer Rückführung konkret Gefahr, einer Situation ausgesetzt zu sein, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellt. Dabei kommt es vorliegend nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger, wenn er nach Italien rücküberstellt ist, dort die erforderliche medizinische Betreuung erhalten kann. Maßgeblich ist vielmehr, dass bereits die Unterbrechung der begonnenen Therapie für einen ungewissen Zeitraum für den Kläger schwerwiegende Gesundheitsgefahren mit sich bringen würde. Diese könnten nach Überzeugung des Gerichts weder durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen während der Abschiebung noch durch eine mög licherweise nach Registrierung des Klägers in Italien stattfindende ärztliche Versorgung verhindert werden. Ungeachtet der medizinischen Möglichkeiten in Italien ist das Gericht jedoch der Auffassung, dass die erforderliche nahtlose Anschlussbehandlung des Klägers in Italien nicht gewährleistet ist. Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 ausgeführt, dass die Möglichkeit nicht abwegig sei, dass eine erhebliche Zahl von Asylsuchenden in Italien ohne Unterkunft bleiben oder sogar in einer gesundheitsgefährdenden oder gewalttätigen Umgebung untergebracht werden könnte. Das Risiko, angesichts der bekannten Unterbringungsprobleme in Italien zunächst auf ungeklärte Zustände und möglicherweise eine Phase der Obdachlosigkeit ohne ärztliche Betreuung zu stoßen, kann dem Kläger als besonders schutzbedürftiger Person nicht aufgebürdet werden. Dies gilt umso mehr, als die italienischen Behörden ihre Bereitschaft zur Übernahme des Klägers nicht ausdrücklich erklärt haben, sondern ihre Zustimmung nach Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO nur fingiert wurde.

b) Durch den Nichtgebrauch des Selbsteintrittsrechts wird der Kläger auch in seinen Rechten verletzt.

Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO soll auch dem Interesse des jeweiligen Asylbewerbers an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes dienen. Die Regelung eröffnet die Möglichkeit, Grund- und Menschenrechte bei der Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrages zuständigen Mitgliedsstaates zu berücksichtigen. Nach Art. 21 der Richtlinie 2013/33 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl L 180, S. 96) ist im einzelstaatlichen Recht die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen. Wenn demnach die Überstellung humanitären Interessen des Asylsuchenden zuwiderläuft, etwa weil er besonders schutzbedürftig ist, kann sich das in Art. 17 Abs. 1 Dublin- III-VO eingeräumte Ermessen zu einem Anspruch des Asylsuchenden auf Selbsteintritt verdichten, auf den dieser sich berufen kann. Davon ist im konkreten Fall aufgrund der besonderen persönlichen Umstände des Klägers auszugehen.

c) Damit erweist sich auch die gegenüber dem Kläger nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ergangene Abschiebungsanordnung als rechtswidrig.

Im Hinblick auf den Wortlaut des § 34a AsylVfG, nach dem das Bundesamt die Abschiebung anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, hat das Bundesamt - abweichend von der übrigen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde - neben zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten auch Duldungsgründe zu prüfen (BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 1795/14 - Asylmagazin 10/2014, S. 341; BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - Rn. 4). Solche Duldungsgründe liegen hier vor. Das mit der Abschiebung beauftragte Landratsamt * hat mit Schreiben vom 14. April 2014 mitgeteilt, dass auf Grund der aktuellen psychischen Situation des Klägers eine Überstellung nicht durchführbar sei und eine erneute Überprüfung erst im Juli 2015 durchgeführt werde.

3. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist
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published on 28/02/2014 00:00

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche
published on 12/03/2014 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt. Gründe
published on 28/02/2014 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand   1 Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bund
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Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.