Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Apr. 2016 - Au 5 K 15.1834

bei uns veröffentlicht am14.04.2016

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2015, Az.: …4-2015, rechtswidrig ist.

II. Die Kosten des Verfahrens haben der Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Gegenstand der Klage ist die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Erteilung einer Bewilligung für die Beschäftigung von Arbeitnehmern an einem Sonntag.

Die Beigeladene hat am 27. November 2015 bei dem Beklagten, vertreten durch die Regierung von … - Gewerbeaufsichtsamt - einen Antrag auf Bewilligung der Beschäftigung von 600 Arbeitnehmern am Sonntag, dem 20. Dezember 2015, im Zeitraum von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr an der Betriebsstätte …, der Beigeladenen gestellt. Als Tätigkeiten, die an dem Sonntag durchgeführt werden sollen, wurden angegeben Kommissionierung, Verpackung und Versand im Bereich Warenausgang, Anlieferung, Warenvereinnahmung und Einlagerung. Zur Begründung des Antrages hat die Beigeladene ausgeführt, das Weihnachtsgeschäft führe zu einem exponentiellen Anstieg des Bestellvolumens sowie einer spürbaren Veränderung der Artikelzusammensetzung. Mit den regulär werktags vorhandenen Kapazitäten an Arbeitskräften könne der überdurchschnittliche hohe Bestelleingang nicht mehr zeitgerecht abgearbeitet werden. Aufgrund der rechtlichen Beschränkungen des Arbeitsmarktes sei eine Maximalauslastung derzeit nicht möglich. Aus diesem Grund sei die Anzahl der für die Weihnachtssaison befristet eingestellten Mitarbeiter bereits im Planungsstadium auf 1.000 Mitarbeiter beschränkt worden. Ungeachtet dessen ermögliche die tatsächliche Arbeitsmarktsituation im Raum … die Einstellung der gewünschten Anzahl von Aushilfen nicht. Auch die Erweiterung des Einzugsradius bei der Suche nach zusätzlichen Mitarbeitern um den Großraum … habe nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt, obwohl damit das komplette Potenzial des hiesigen Arbeitsmarktes ausgeschöpft worden sei. Auch die mit dem Betriebsrat ausgehandelten Vereinbarungen reichten nicht aus, um mit den werktags zur Verfügung stehenden Mitarbeitern dem erhöhten Bestellvolumen gerecht zu werden. Ohne eine zusätzliche, ausnahmsweise Beschäftigung am Sonntag, dem 20. Dezember 2015, bestehe für die Beigeladene die Gefahr eines unabwendbaren, unverhältnismäßig hohen wirtschaftlichen Schadens sowie von Folgeschäden für die Beigeladene und ihre Geschäftspartner bzw. Kunden. Überdies würden nur Mitarbeiter eingesetzt, die auf freiwilliger Basis damit einverstanden seien.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015, Az. …4-2015, bewilligte die Regierung von … - Gewerbeaufsichtsamt - die Beschäftigung von 300 erwachsenen Arbeitnehmern am Sonntag, dem 20. Dezember 2015, im Bereich Warenausgang, Kommissi-onierung, Verpackung und Versand von Waren (einschließlich der dazu notwendigen Unterstützungstätigkeiten) an der Betriebsstätte … In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, die Bewilligung beruhe auf § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG. Unter Berücksichtigung der Angaben der Beigeladenen würden besondere Verhältnisse im Sinne der Vorschrift bejaht und sei die Sonntagsarbeit am 20. Dezember 2015 erforderlich und geeignet, um einen unverhältnismäßigen Schaden abzuwenden. Der Betriebsrat habe seine Zustimmung zu der Beschäftigung am Sonntag erteilt. Im Übrigen würden nur Arbeitnehmer eingesetzt, die sich freiwillig zur Arbeit meldeten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei das Interesse der Beigeladenen an der Sonntagsarbeit höher zu bewerten als der Schutz der Arbeitnehmer bzw. der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 Klage erhoben und beantragt, die der Beigeladenen erteilte Bewilligung zur Beschäftigung von Mitarbeitern am Sonntag, dem 20. Dezember 2015, aufzuheben.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin in dem Schreiben vom 16. Dezember 2015 ausgeführt, sie sei bei der Beigeladenen mit zahlreichen Beschäftigten vertreten. Die Klägerin und die Beigeladene befänden sich seit längerer Zeit in einer tariflichen Auseinandersetzung, bei der es um die Anwendung der zutreffenden tarifvertraglichen Regelungen auf die Arbeitsverhältnisse bei der Beigeladenen gehe. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung komme es seit längerem wiederholt zu Streiks bei der Beigeladenen. Die Klägerin habe auch für Dezember 2015 wieder zu Streiks aufgerufen. Die ersten Arbeitsniederlegungen hätten bereits stattgefunden. Weitere Streiks würden folgen. Die Klägerin sei klagebefugt, da ihr durch die streitgegenständliche Bewilligung eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 Grundgesetz (GG), konkretisiert durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 Weimarer Verfassung (WRV) drohe. Die Klägerin könne sich auf den Sonntagsschutz berufen, da dieser verfassungsrechtliche Schutz auch die sich aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG ergebenden Schutzpflichten des Staates konkretisiere. Allein die Unterschreitung des Schutzniveaus bezüglich der Sonn- und Feiertage führe zu einer Verletzung von Rechten der Klägerin aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, dass die Klägerin durch die Bewilligung und die damit verbundene Verletzung des Neutralitätsgebotes in ihrem Recht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt werde. Die Bewilligung sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung von Sonntagsarbeit auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG nicht vorlägen und die Genehmigung das Neutralitätsgebot verletze. Weder seien besondere Verhältnisse ersichtlich, noch drohe ein unverhältnismäßiger Schaden. Durch die rechtswidrige Zulassung der Sonntagsarbeit in einem Bereich, in dem die Klägerin tätig sei, werde diese unmittelbar in ihren Rechten verletzt.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015, Az. …7-2015, hat die Regierung von … -Gewerbeaufsichtsamt - die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 15. Dezember 2015 angeordnet.

Ebenfalls mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 hat die Klägerin bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 5 S 15.1843 beantragt, dem Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 16. Dezember 2015 zur Beschäftigung von Mitarbeitern am Sonntag, dem 20. Dezember 2015, anzuordnen, hilfsweise für den Fall, dass die sofortige Vollziehung zwischenzeitlich angeordnet worden sei, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2015 zur Beschäftigung von Mitarbeitern am Sonntag, dem 20. Dezember 2015, wiederherzustellen.

Zur Begründung des Antrages hat die Klägerin in dem Schreiben vom 17. Dezember 2015 über die Klagebegründung im Schreiben vom 16. Dezember 2015 hinaus ausgeführt, das Weihnachtsgeschäft stelle ein regelmäßig wiederkehrendes Ereignis dar, auf das sich die Beigeladene langfristig vorbereiten könne. Es sei kein unverhältnismäßiger Schaden zu erwarten. Es stelle keinen Schaden im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG dar, wenn die Beigeladene vorübergehend nicht in der Lage sei, eigene Werbeversprechen (in Bezug auf die Lieferzeiten) zu erfüllen, die sie in Kenntnis des jährlichen Engpasses in der Vorweihnachtszeit bewusst abgebe und aufrechterhalte. Der Beigeladenen sei es ohne weiteres möglich, sämtliche Bestellvorgänge auf die verschiedenen Verteilzentren in Deutschland und Europa zu verteilen und dementsprechend eine Erhöhung der Beschäftigtenzahlen an der streitgegenständlichen Betriebsstätte auch bei Zunahme des Warenumsatzes zu vermeiden. Angesichts dessen sei die Bewilligung der Sonntagsarbeit unverhältnismäßig. Darüber hinaus verletze diese auch das Neutralitätsgebot. Die Klägerin habe für den Dezember 2015 Streiks angekündigt und solche auch schon durchgeführt. Durch die rechtswidrige Zulassung der Sonntagsarbeit werde die Klägerin unmittelbar in eigenen Rechten verletzt.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2015, Az. Au 5 S 15.1843, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2015, Az. …4-2015, in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 17. Dezember 2015, Az. …7-2015, mit dem die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 15. Dezember 2015 angeordnet wurde, wiederhergestellt. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Dezember 2015, Az. 22 CS 15.2716, zurückgewiesen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat ihre Klage mit Schreiben vom 18. Januar 2016 auf eine Fortset-zungsfeststellungsklage umgestellt und wie folgt ergänzend begründet. Das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rechtsschutzinteresse ergebe sich vorliegend aus der bestehenden Wiederholungsgefahr. Der Beklagte habe bereits in der Vergangenheit die Bewilligung für Sonntagsarbeit am streitgegenständlichen Standort der Beigeladenen erteilt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. So habe der Beklagte z.B. im Jahr 2011 bei der Beigeladenen Sonntagsarbeit zugelassen. Im Jahr 2014 sei ein von der Beigeladenen gestellter Antrag auf Sonntagsarbeit von dem Beklagten abgelehnt worden. Auch an anderen Standorten in Deutschland hätten Unternehmen der Beigeladenen in den vergangenen Jahren regelmäßig vor Weihnachten bzw. Ostern die Bewilligung von Sonntagsarbeit beantragt, z.B. in …, …, … und … Es sei daher davon auszugehen, dass die Beigeladene auch zukünftig die Zulassung von Sonntagsarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz beantragen werde, über die der Beklagte zu entscheiden habe. Ferner ergebe sich das Feststellungsinteresse auch aus dem Umstand, dass sich die Bewilligung der Sonntagsarbeit regelmäßig durch Zeitablauf vor einer Hauptsacheentscheidung erledige. Im Übrigen wird zur Klagebegründung auf die Ausführungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, insbesondere im Schreiben vom 17. Dezember 2015, Bezug genommen.

Die Beigeladene hat sich mit Schreiben vom 11. April 2016 wie folgt geäußert. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da es der Klägerin an der erforderlichen Klagebefugnis fehle. Die Klägerin könne keine subjektiven Rechte aus § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG geltend machen. Die Klägerin sei vom personellen Schutzzweck der Vorschrift nicht umfasst. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Gewerkschaft sich unter Hinweis auf Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV gegen eine auf § 13 Abs. 2 Nr. 2a ArbZG gestützte Rechtsverordnung wenden könne (BVerwG, U.v. 26.11.2014 - 6 CN 1/13 - juris Rn. 15). Ob diese Rechtsprechung auf Einzelerlaubnisse nach § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG übertragbar sei, erscheine fraglich, hierauf komme es aber im Ergebnis nicht an. Die Klagebefugnis der Klägerin scheitere jedenfalls am sachlichen Schutzzweck der Vorschrift. Abstrakt-generelle Rechtsnormen hätten ebenso wie konkret-generelle Allgemeinverfügungen eine Breitenwirkung, die geeignet sei, das Grundgefüge des verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutzes zu verändern. Insoweit ein Wächteramt der Gewerkschaften anzuerkennen, könne mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass es bei der Breitenwirkung, die mit solchen generellen Regelungen verbunden seien, nicht fernliege, dass gewerkschaftliche Aktivitäten beeinträchtigt werden könnten. Fehle es an einer solchen Breitenwirkung, bedürfe es strengerer Anforderungen an die Darlegung der Möglichkeit der Verletzung konkreter Rechte der Klägerin durch die erteilte Bewilligung. Ein derartiger Vortrag fehle aber oder sei jedenfalls so unsubstantiiert, dass er nicht einmal den Anforderungen an das Vorliegen der Klagebefugnis genüge. Die Gefahr einer Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes bestehe mit Blick auf die Einzelbewilligung weder im Allgemeinen noch in dem hier zu entscheidenden Einzelfall. Zwar sei die Klägerin eine Gewerkschaft, die Mitglieder im Unternehmen der Beigeladenen habe und suche. Die Klägerin führe auch Streikmaßnahmen gegen die Beigeladene durch. Es sei jedoch weder dargelegt noch im Übrigen ansatzweise zu erkennen, weshalb die Klägerin durch die der Beigeladenen erteilte Bewilligung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein könne.

Ungeachtet dessen sei die Klage auch nicht begründet, da die Klägerin durch die Bewilligung auch tatsächlich nicht in unzumutbarer Weise in ihren Rechten beeinträchtigt werde. Die Bewilligung sei vielmehr rechtmäßig. Besondere Verhältnisse im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG lägen vor. Es bestehe ein saisonaler Spitzenbe 12 darf in der Weihnachtszeit, der eine Sonntagsarbeit rechtfertige. Auf die Frage, ob diese besonderen Verhältnisse vorhersehbar seien oder nicht, komme es nicht an. Kurz vor Weihnachten komme es vermehrt zu Bestellungen von Einzelartikeln, die in der artikelbezogenen Durchlaufzeit arbeitsintensiver seien. Hinzukomme, dass die Anzahl der Artikel, die arbeitsintensiv als Weihnachtsgeschenk zu verpacken seien, stark ansteige. Erfahrungsgemäß komme es in der Vorweihnachtszeit zu einer Steigerung von bis zu ca. 60% innerhalb von fünf Wochen. Dieser saisonale Spitzenbedarf bestehe nur während einer zeitlich klar begrenzten Zeitspanne von wenigen Wochen, es handle sich nicht um einen Dauerzustand. Die Beigeladene habe auch eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um die personellen Kapazitäten auszubauen. Es sei ihr aber nicht einmal in enger Kooperation mit der Agentur für Arbeit gelungen, weitere Arbeitskräfte einzustellen, da diese auf dem Arbeitsmarkt nicht zu finden seien. Von Oktober 2015 bis Dezember 2015 hätte die Beigeladene bis zu 2.000 zusätzliche Mitarbeiter für das Weihnachtsgeschäft einstellen wollen. Tatsächlich eingestellt werden konnten letztlich ca. 824 Mitarbeiter. So hätten 222 Aushilfen über eine Personalvermittlerfirma und Subunternehmer eingestellt werden können, die übrige Anzahl über den Pool der Arbeitsagentur. Die Beigeladene habe ab dem 23. November 2015 vom … Hauptbahnhof aus einen Shuttle-Service eingerichtet, um pendelnde Aushilfen in das Unternehmen der Klägerin zu bringen. Auch dies habe jedoch nicht den erhofften Erfolg, zusätzliche Arbeitsmärkte zu erschließen, gebracht. Betriebsintern seien Schichtmodelle geändert worden (Teilzeit, Elternschicht), Studenten seien an Universitäten und Fachhochschulen angesprochen worden, es sei auch Werbung in den Printmedien und im Radio geschaltet worden. Es werde darauf hingewiesen, dass sich das Geschäftsmodell der Beigeladenen in der Vorweihnachtszeit nicht ändere. Soweit zum Geschäftsmodell der Beigeladenen auch gehöre, unter bestimmten Voraussetzungen Ware noch am Tag der Bestellung zuzustellen, gelte dieses für das gesamte Jahr und nicht nur für die Weihnachtszeit. In Bezug auf das Vorliegen eines Schadens im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2b ArbZG sei festzustellen, dass an dessen Darlegung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürften, eine plausible Darlegung müsse insoweit ausreichen. Die Beigeladene habe sich insoweit in der Begründung des Antrages auf Erteilung der Ausnahmebewilligung ausführlich geäußert. Darüber hinaus führe eine Abwägung zwischen der verfassungsrechtlich geschützten Sonn- und Feiertagsruhe und dem Interesse der Beigeladenen an der Durchführung der Sonntagsarbeit nicht dazu, dass es an der Unverhältnismäßigkeit des Schadens fehle. Des Weiteren hat die Beigeladene ausgeführt, der Einkaufs-/Bestellvorgang einerseits und der Verkaufs-/Liefervorgang andererseits seien voneinander entkoppelt. Die Beigeladene als rechtlich selbstständiges Unternehmen sei nicht im stationären Einzelhandel, sondern unter Ausschluss von Publikumsverkehr tätig. Sie habe keinen Einfluss auf die Frage, ob und wann Kunden über das Internet ihre Bestellung tätigten. Für die Beigeladene stehe nicht das Interesse an einem Einkaufserlebnis oder an der Freizeitgestaltung der …-Kunden im Vordergrund, sondern vielmehr das Interesse, rechtzeitig liefern zu können. Das wiege gerade in der Vorweihnachtszeit besonders schwer. Da der Termin für das Weihnachtsfest unverrückbar feststehe, löse dieser in der Vorweihnachtszeit ein qualitativ ganz anderes Bedürfnis für den Erwerb von Waren aus, als das im übrigen Jahr der Fall sei. Mit diesen Interessen der Beigeladenen und der …-Kunden kollidiere das allgemeine Interesse an der Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe. Konkret betroffene Interessen oder gar subjektive Rechte der Klägerin seien insoweit aber nicht verletzt. Insbesondere seien keine Veranstaltungen der Klägerin behindert worden. Schließlich sei auch die Ermessensausübung des Beklagten nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 11. April 2016 ebenfalls nochmals ergänzend geäußert. Die zahlreichen Verfahren, die die Klägerin im Interesse der Durchsetzung des Sonn- und Feiertagsschutzes führe, belegten, dass es sich dabei um ein weit verbreitetes Phänomen handle, weshalb die Rechtsverletzung durch eine einzelne Genehmigung nicht als geringfügig eingestuft werden könne. Vielmehr sei insoweit die Gesamtbelastung der Klägerin durch Ausnahmebewilligungen maßgeblich. Im Übrigen bedürfe es keines weiteren Nachweises, dass die Klägerin in konkreten Streikaktionen beeinträchtigt werde. Vielmehr reiche insoweit die Möglichkeit aus, dass durch die Bewilligung der Sonntagsarbeit der Erfolg von Arbeitskampfmaßnahmen relativiert oder vereitelt werde. Vorliegend bedeute bereits die Erteilung der Bewilligung selbst für die Klägerin eine Schwächung ihrer Position im Arbeitskampf, da die Bewilligung der Beigeladenen ermögliche, die arbeitskampfbedingten Beeinträch tigungen durch Sonntagsarbeit abzufedern. Das stelle eine Besserstellung der Beigeladenen im Arbeitskampf und damit eine Verletzung der Neutralitätspflicht dar. Soweit die Beigeladene ein Geschäftsmodell verfolge, das dem Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe von vorneherein nicht ausreichend angepasst sei, könne sie sich zur Begründung eines Antrages auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht darauf berufen, es entstehe ein erheblicher Schaden dadurch, dass sie ihrem Geschäftsmodell nicht entsprechen könne. Es fehle auch an einer nachvollziehbaren Darlegung dahingehend, dass der Beigeladenen tatsächlich ein erheblicher Schaden drohe.

Am 14. April 2016 fand die mündliche Verhandlung vor Gericht statt.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zuletzt beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2015, Az.: …4-2015, rechtswidrig ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.

Der Klägerin fehlt es nicht an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie kann geltend machen, durch die angefochtene Ausnahmebewilligung in ihren Rechten verletzt zu sein.

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 a ArbZG konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten. Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist dabei auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam. Der objektiv-rechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist (Art. 139 WRV), ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind. Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern dient neben weiteren Grundrechten ebenso der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) die sich so effektiver wahrnehmen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 26.11.2014 - 6 CN 1/13 - juris Rn. 15).

Darüber hinaus bedarf es für die Klagebefugnis einer Betroffenheit in dem Tätigkeitsbereich der klagenden Gewerkschaft (BVerwG, U.v. 26.11.2014 - a.a.O. Rn. 17).

Diese zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 a ArbZG und damit zum Erlass von Sonntagsarbeit regelnden Rechtsverordnungen ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch in Bezug auf eine die Sonntagsarbeit regelnde Einzelbewilligung nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG anwendbar. In beiden Fällen liegt eine Rechtsbetroffenheit einer Gewerkschaft in ihrer Koalitionsfreiheit vor, so dass auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG insoweit als drittschützend anzusehen sind (Sächs. OVG, B.v. 11.12.2015; BayVGH, B.v. 17.12.2015 - 22 CS 15.2716 - vorausgehend VG Augsburg, B.v. 17.12.2015 - Au 5 S 15.1843).

Darüber hinaus ist auch die für die Klagebefugnis erforderliche Betroffenheit der Klägerin in ihrem Tätigkeitsbereich zu bejahen. Die Klägerin hat im Verfahren unwidersprochen vorgetragen, sie sei bei der Beigeladenen mit zahlreichen Beschäftigten vertreten und befinde sich mit dieser seit längerer Zeit in einer tariflichen Auseinandersetzung, bei der es um die Anwendung der zutreffenden tarifvertraglichen Regelungen auf die Arbeitsverhältnisse bei der Beigeladenen gehe. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen sei es seit längerem wiederholt zu Streiks bei der Beigeladenen gekommen. Auch für den Dezember 2015 habe die Klägerin zu Streiks aufgerufen. Eines weitergehenden Nachweises dafür, dass die Klägerin durch die bewilligte Sonntagsarbeit in konkreten Streikaktionen beeinträchtigt wird, bedarf es nach Ansicht des Gerichts für die Annahme einer Klagebefugnis nicht.

2. Die Klage ist begründet.

Der Bescheid der Regierung von … - Gewerbeaufsichtsamt - vom 15. Dezember 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr nicht beschäftigt werden.

Nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG kann abweichend von § 9 Abs. 1 ArbZG bewilligt werden, Arbeitnehmer an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr zu beschäftigen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG, auf die die Regierung von … - Gewerbeaufsichtsamt - die streitgegenständliche Ausnahmebewilligung gestützt hat, liegen nicht vor.

2.1 Die Darlegungen der Beigeladenen im Zusammenhang mit der Stellung des Antrages auf Bewilligung der Sonntagsarbeit bei der Regierung von … - Gewerbeaufsichtsamt - rechtfertigen auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nicht die Annahme besonderer Verhältnisse im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG für die Bewilligung von Sonntagsarbeit am 20. Dezember 2015 in dem beantragten Umfang.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es sich bei dem Vorweihnachtsgeschäft um ein für die Beigeladene jährliches und absehbares Ereignis handelt, auf das sie sich langfristig einstellen kann und muss.

Soweit § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Sonntagsarbeit das Vorliegen besonderer Verhältnisse bzw. die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Schadens fordert, werden dadurch auch die Anforderungen konkretisiert, die an die Bemühungen des Unternehmens zu stellen sind, Sonn- und Feiertagsarbeit zu vermeiden. Dabei darf sich das Unternehmen nicht auf solche Maßnahmen zur Vermeidung von Sonn- und Feiertagsarbeit beschränken, die mit dem von ihm frei gewählten Geschäftskonzept vereinbar sind. Das Unternehmen muss vielmehr auch und bereits im Zuge der Festlegung seines Geschäftskonzeptes dem Gewicht des Sonn- und Feiertagsschutzes angemessen Rechnung tragen. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse des Unternehmens und ein alltäglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse potentieller Besteller genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsrechtlich verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu rechtfertigen (vgl. OVG NRW, B.v. 18.12.2015 - 4 B 1465/15 - juris Rn. 24).

Die Beigeladene trägt vor, zu ihrem Geschäftsmodell gehöre es, ganzjährig, nicht nur in der Vorweihnachtszeit, unter bestimmten Voraussetzungen Ware noch am Tag der Bestellung zuzustellen. Dieser Aspekt des Geschäftsmodells mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Beigeladene, auch wenn sie nach ihren Angaben als rechtlich selbstständiges Unternehmen nicht selbst unmittelbar Vertragspartnerin der …-Kunden ist, gleichwohl deren Wunsch, zu jeder Tages- und Nachtzeit Waren bestellen zu können, die innerhalb kürzester Zeit nach Hause zugestellt werden, zu entsprechen versucht.

Das wirtschaftliche Umsatzinteresse der Beigeladenen einerseits und eine gesteigerte Erwartungshaltung der …-Kunden andererseits rechtfertigen jedoch grundsätzlich noch keine Ausnahmen von dem verfassungsrechtlich verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage.

Ungeachtet der Frage, ob das Geschäftsmodell der Beigeladenen insoweit abgesehen von der Vorweihnachtszeit ohne eine Sonn- und Feiertagsbeschäftigung der Mitarbeiter funktioniert oder nicht, muss der Schutz der Sonn- und Feiertage nicht bereits deshalb zurückstehen, weil sich Wünsche der …-Kunden nach dem Erwerb und der Lieferung von Weihnachtsgeschenken auf Grund der in der Vorweihnachtszeit stark ansteigenden Zahl der Bestellungen, die überdies arbeitsintensiv zu verpacken sind, nicht mehr spontan oder kurzfristig, sondern nur durch eine angemessen vorausschauende Planung sowohl der …-Kunden als auch der Beigeladenen realisieren lassen (OVG NRW, B.v. 18.12.2015 -a.a.O. - Rn. 20).

Die Beigeladene versucht mit ihrem Geschäftsmodell den Wunsch nach kürzesten Lieferfristen uneingeschränkt zu befriedigen. Andererseits dürfte die zum Geschäftsmodell gehörende Zusage kürzester Lieferfristen durch die Beigeladene durchaus auch ursächlich dafür sein, dass sich Kunden überhaupt für eine Bestellung bei … entscheiden. Soweit die Zusage kürzester Lieferfristen zum Geschäftsmodell gehört, dient dies einerseits dem eigenen Umsatzinteresse der Beigeladenen, befördert aber andererseits die Anspruchshaltung der …-Kunden weiter und trägt daher dem Schutz der Sonn- und Feiertage nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung (OVG NRW, B.v. 18.12.2015 - a.a.O. - Rn. 27). Die Beigeladene muss ihr Geschäftskonzept und ihre betriebliche Organisation auch in der besonders arbeitsintensiven Zeit kurz vor Weihnachten am grundgesetzlichen Sonntagsschutz ausrichten (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2015 - a.a.O. - Rn. 3).

Soweit die Beigeladene darlegt, sie habe trotz umfangreicher und intensiver Bemühungen keine ausreichende Anzahl Mitarbeiter für ein auf die Vorweihnachtszeit befristetes Arbeitsverhältnis gewinnen können, rechtfertigt dies im Ergebnis ebenfalls nicht die Annahme des Vorliegens besonderer Verhältnisse im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG. Selbst wenn man zu Gunsten der Beigeladenen unterstellt, dass diese rechtzeitig alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, zusätzliche Mitarbeiter für einen befristeten Zeitraum zu gewinnen, hat dies allein noch nicht zur Folge, dass für den Zeitraum des Vorweihnachtsgeschäftes besondere Umstände im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG anzunehmen sind. Ist die Beigeladene trotz der von ihr geschilderten Anstrengungen nicht in der Lage, den in der Vorweihnachtszeit bestehenden, zusätzlichen Bedarf an Arbeitskräften durch befristete Arbeitsverhältnisse aufzufangen, dürfte es sich dabei um einen Standortnachteil der Beigeladenen handeln, der daraus resultiert, dass sie mit dem Verteilerzentrum in … in einer Region mit einer konstant niedrigen Arbeitslosigkeit ansässig ist und gerade auch in dem hier einschlägigen Lohnsegment mit anderen Unternehmen wirtschaftlich konkurriert. Hinzu kommt, dass die Beigeladene nach ihren eigenen Angaben zwar unter dem gemeinsamen Dach des …-Konzerns, aber als rechtlich eigenständiges Unternehmen am 41 Standort … mit anderen rechtlich eigenständigen Verteilerzentren des Konzerns nicht nur deutschlandweit, sondern europaweit in Konkurrenz steht. Die Beigeladene hat selbst vorgetragen, dass „Rückstände“ bei der Auslieferung von Waren gegebenenfalls von anderen Standorten, die nicht zwingend in Deutschland ansässig sein müssten, übernommen und ausgeglichen werden müssten. Des Weiteren hat die Beigeladene vorgetragen, dass sie selbst als rechtlich selbstständiges Unternehmen gar keinen unmittelbaren rechtlichen Kontakt zum sog. Endkunden habe. Die Online-Bestellung laufe vielmehr über den …-Konzern, der dann entscheide, von welchem Standort aus die bestellte Ware an den Endkunden ausgeliefert werde. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist es also gar nicht sie selbst als am Standort … tätiges Unternehmen, das gegenüber dem Endkunden die Zusage kürzester Lieferzeiten gibt, sondern letztlich der …-Konzern. Dieser ist danach letztlich gefordert, die Auslieferung der bei ihm bestellten Waren über die einzelnen Verteilerzentren (auch wenn es sich dabei rechtlich um selbstständige Unternehmen handelt) so zu regeln bzw. organisieren, dass er die von ihm gegenüber dem Endkunden abgegebene Zusage, die bestellte Ware innerhalb kürzester Zeit auszuliefern, auch in der umsatz- und arbeitsintensiven Vorweihnachtszeit einhalten kann.

2.2 Darüber hinaus hat die Beigeladene auch nicht hinreichend nachgewiesen, dass die Bewilligung der Sonntagsarbeit gerade am 20. Dezember 2015 zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens im Sinne des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b Ar-bZG erforderlich ist, obwohl sie für dieses anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal letztlich die Beweislast trägt.

Die Beigeladene hat in ihrem Schreiben vom 11. April 2016 ausgeführt, sie hätte für den Zeitraum von Oktober 2015 bis Dezember 2015 bis zu 2000 zusätzliche Mitarbeiter für das gesamte Weihnachtsgeschäft einstellen wollen, habe trotz intensiver Bemühungen aber letztlich nur ca. 824 Mitarbeiter zusätzlich befristet einstellen können. Zudem seien Schichtmodelle (Teilzeit, Elternschicht) der vorhandenen Mitarbeiter geändert worden, um den erhöhten Bedarf im Vorweihnachtsgeschäft ausgleichen zu können. Angesichts des Zeitraums von mehreren Monaten, nämlich von Oktober bis Weihnachten, in dem der deutlich höhere Personalbedarf besteht, sowie im Hinblick auf die Anzahl des nach Angaben der Beigeladenen fehlenden Personals, ist nach dem Vortrag der Beigeladenen nicht ersichtlich, dass die Versagung einer Ausnahmebewilligung für bis zu 300 Mitarbeiter an lediglich einem Sonntag, nämlich dem 20. Dezember 2015, gerade bei der Beigeladenen zu einem unverhältnismäßigen Schaden führt. Dies gilt auch dann, wenn es sich dabei um das letzte Wochenende vor Weihnachten und damit das Wochenende des ganzen Jahres, an dem die meisten Bestellungen beim …-Konzern eingehen, handelt. Hinzu kommt, dass die Beigeladene auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 14. April 2016 noch keine konkreten Angaben dazu machen konnte, in welcher Höhe ihr nun tatsächlich dadurch, dass sie von der erteilten Ausnahmebewilligung für Sonntagsarbeit am 20. Dezember 2015 nicht Gebrauch machen konnte, ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.

2.3 Die Klägerin wird durch den rechtswidrigen Bescheid vom 15. Dezember 2015 auch in ihren Rechten verletzt. Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Bewilligung der Sonntagsarbeit eine konkrete Veranstaltung der Klägerin am selben Tage behindert oder gar verhindert hat, es ist vielmehr ausreichend, dass die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen durch Mitglieder vertreten und tätig ist und durch die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG im Einzelfall die Mindestanforderungen an den Sonn- und Feiertagsschutz, so wie sie sich aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergeben, unterschritten werden. Die Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich bereits unmittelbar aus der Rechtswidrigkeit der Bewilligung der Sonntagsarbeit und des damit verbundenen Verstoßes gegen das zu Gunsten der Klägerin zu wahrende Niveau im Hinblick auf den Sonntagsschutz und nicht erst aus einer etwa rechtswidrigen Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen gegen deren Willen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass die Beigeladene geltend macht, sie setze nur Mitarbeiter für die Sonntagsarbeit ein, die hiermit ausdrücklich einverstanden seien.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO.

Danach haben der Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Apr. 2016 - Au 5 K 15.1834

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Apr. 2016 - Au 5 K 15.1834

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Apr. 2016 - Au 5 K 15.1834 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 159


Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 140


Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Die Verfassung des Deutschen Reichs - WRV | Art 139


Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 9 Sonn- und Feiertagsruhe


(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. (2) In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht kann Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu sechs Stunden

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 13 Ermächtigung, Anordnung, Bewilligung


(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe 1. die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäft

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Apr. 2016 - Au 5 K 15.1834 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Apr. 2016 - Au 5 K 15.1834 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2015 - 22 CS 15.2716

bei uns veröffentlicht am 18.12.2015

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt. Gründe

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 18. Dez. 2015 - 4 B 1465/15

bei uns veröffentlicht am 18.12.2015

Tenor Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Dezember 2015 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 26. Nov. 2014 - 6 CN 1/13

bei uns veröffentlicht am 26.11.2014

Tatbestand 1 Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen Bestimmungen der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung.

Referenzen

(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe

1.
die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 sowie die dort zugelassenen Arbeiten näher bestimmen,
2.
über die Ausnahmen nach § 10 hinaus weitere Ausnahmen abweichend von § 9
a)
für Betriebe, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist,
b)
für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, deren Unterbrechung oder Aufschub
aa)
nach dem Stand der Technik ihrer Art nach nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist,
bb)
besondere Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer zur Folge hätte,
cc)
zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder der Energie- oder Wasserversorgung führen würde,
c)
aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung,
zulassen und die zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmen.

(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a keinen Gebrauch gemacht hat, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung entsprechende Bestimmungen erlassen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann

1.
feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist,
2.
abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen
a)
im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen,
b)
an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern,
c)
an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
und Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen.

(4) Die Aufsichtsbehörde soll abweichend von § 9 bewilligen, daß Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.

(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe

1.
die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 sowie die dort zugelassenen Arbeiten näher bestimmen,
2.
über die Ausnahmen nach § 10 hinaus weitere Ausnahmen abweichend von § 9
a)
für Betriebe, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist,
b)
für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, deren Unterbrechung oder Aufschub
aa)
nach dem Stand der Technik ihrer Art nach nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist,
bb)
besondere Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer zur Folge hätte,
cc)
zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder der Energie- oder Wasserversorgung führen würde,
c)
aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung,
zulassen und die zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmen.

(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a keinen Gebrauch gemacht hat, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung entsprechende Bestimmungen erlassen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann

1.
feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist,
2.
abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen
a)
im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen,
b)
an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern,
c)
an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
und Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen.

(4) Die Aufsichtsbehörde soll abweichend von § 9 bewilligen, daß Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.

(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern.

1. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin dürfte in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu bejahen sein (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2013 - 22 N 13.788, bestätigt durch BVerwG, U.v. 11.11.2015 - 8 CN 2.14, vgl. Presseerklärung des BVerwG Nr. 91/2015).

2. Es mag sein, dass besondere Verhältnisse auch bei saisonalem Spitzenbedarf zu bejahen sein könnten. Dies darf aber nicht dazu führen, dass am 4. Advent bei der Beigeladenen regelmäßig die Beschäftigung von Arbeitnehmern bewilligt wird, nur weil absehbar ist, dass am Arbeitsmarkt die gesuchten Aushilfen nicht verfügbar sind. Die Beigeladene muss ihre betriebliche Organisation und ihre Einwirkung auf die Kunden am grundgesetzlichen Sonntagsschutz ausrichten.

3. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass kein unverhältnismäßiger Schaden drohe, tritt die Beschwerde nicht mit schlüssigen Gegenargumenten entgegen. Das Verwaltungsgericht meint sinngemäß, der Beschäftigung von 300 Personen an einem einzigen Sonntag komme angesichts der Größe des Betriebs und der großen Zahl der Beschäftigten der Beigeladenen insofern keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dagegen bringt die Beschwerde nichts Substanzielles vor. Dass eventuell gerade durch das Verbot der Sonntagsbeschäftigung Verzögerungsschäden oder Kundenbeschwerden das einem Betrieb wie dem der Beigeladenen zumutbare Maß überschreiten würden, legt die Beschwerde nicht dar.

4. Eine Verletzung der Schutzpflicht des Staates im Hinblick auf die Ausübung der Grundrechte der Antragstellerin und damit auch eine Rechtsverletzung der Antragstellerin liegen nahe, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG nicht vorliegen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund bereits eingeleiteter Arbeitskampfmaßnahmen der Antragstellerin.

5. Die Rechtmäßigkeit der Freigabe der Öffnungszeiten von Verkaufsstellen am 4. Advent im benachbarten A. kann in diesem Beschwerdeverfahren nicht beurteilt werden. Die Vergleichbarkeit der Regelungsgegenstände ist nicht dargelegt.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG; wie Vorinstanz, wegen Vorwegnahme der Hauptsache.

(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe

1.
die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 sowie die dort zugelassenen Arbeiten näher bestimmen,
2.
über die Ausnahmen nach § 10 hinaus weitere Ausnahmen abweichend von § 9
a)
für Betriebe, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist,
b)
für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, deren Unterbrechung oder Aufschub
aa)
nach dem Stand der Technik ihrer Art nach nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist,
bb)
besondere Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer zur Folge hätte,
cc)
zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder der Energie- oder Wasserversorgung führen würde,
c)
aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung,
zulassen und die zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmen.

(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a keinen Gebrauch gemacht hat, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung entsprechende Bestimmungen erlassen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann

1.
feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist,
2.
abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen
a)
im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen,
b)
an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern,
c)
an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
und Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen.

(4) Die Aufsichtsbehörde soll abweichend von § 9 bewilligen, daß Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.

(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe

1.
die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 sowie die dort zugelassenen Arbeiten näher bestimmen,
2.
über die Ausnahmen nach § 10 hinaus weitere Ausnahmen abweichend von § 9
a)
für Betriebe, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist,
b)
für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, deren Unterbrechung oder Aufschub
aa)
nach dem Stand der Technik ihrer Art nach nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist,
bb)
besondere Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer zur Folge hätte,
cc)
zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder der Energie- oder Wasserversorgung führen würde,
c)
aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung,
zulassen und die zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmen.

(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a keinen Gebrauch gemacht hat, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung entsprechende Bestimmungen erlassen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann

1.
feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist,
2.
abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen
a)
im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen,
b)
an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern,
c)
an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
und Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen.

(4) Die Aufsichtsbehörde soll abweichend von § 9 bewilligen, daß Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.

(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen Bestimmungen der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung.

2

Gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 ArbZG erließ die Hessische Landesregierung am 12. Oktober 2011 die Verordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung - BedGewV), die im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 1. November 2011 bekannt gemacht wurde (GVBl I S. 664). Die Verordnung regelt, dass abweichend von dem generellen Verbot des § 9 Abs. 1 ArbZG an Sonn- und Feiertagen in bestimmten Bereichen mit je unterschiedlichen zeitlichen Beschränkungen Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen, soweit die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Zu diesen Bereichen gehören Videotheken und öffentliche Bibliotheken (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV), Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein und Betriebe des Großhandels mit Erzeugnissen dieser Betriebe (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV), Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels mit diesen Erzeugnissen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV), Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV), Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV) sowie Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV).

3

Die Antragstellerin zu 1, die ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, hat nach ihren Angaben in Hessen ca. 168 000 Mitglieder, von denen ca. 6 700 in Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sind. Der Antragsteller zu 2, das Evangelische Dekanat Darmstadt-Stadt, ist aus den 20 Evangelischen Kirchengemeinden im Gebiet der Stadt Darmstadt gebildet. Es gehört wie der Antragsteller zu 3, das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald, zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Der Antragsteller zu 3 ist aus insgesamt 40 Evangelischen Kirchengemeinden gebildet.

4

Die Antragstellerin zu 1 hat am 3. September 2012, die Antragsteller zu 2 und zu 3 haben am 29. Oktober 2012 beim Verwaltungsgerichtshof Normenkontrollanträge gegen die Bedarfsgewerbeverordnung eingereicht und beantragt, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 BedGewV für unwirksam zu erklären. Die Antragsteller zu 2 und 3 haben Genehmigungen der Kirchenverwaltung der Landeskirche jeweils vom 23. August 2013 zur Erhebung der Klage im Verwaltungsstreitverfahren nachgereicht. Die Antragsteller haben geltend gemacht: Die Verordnung sei in dem angegriffenen Umfang rechtswidrig. Insoweit lägen die Voraussetzungen für Ausnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht vor. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in diesen Bereichen diene nicht dazu, besondere Bedürfnisse in einem wesentlichen Teil der Bevölkerung zu decken, um dadurch erhebliche Schäden zu vermeiden.

5

Der Antragsgegner ist den Normenkontrollanträgen entgegengetreten und hat vorgetragen: Der Antrag der Antragstellerin zu 1 sei bereits unzulässig. Sie sei nicht antragsbefugt. Der Antrag sei unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften der Verordnung dienten der Vermeidung erheblicher Schäden, die darin lägen, dass Bedürfnisse der Bevölkerung, namentlich solche der Freizeitgestaltung und der saisonalen Versorgung mit Eis und Getränken, nicht befriedigt würden. Er habe sich insbesondere daran orientiert, dass sich seit dem Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes das Freizeit- und Verbraucherverhalten der Bevölkerung sowie die ökonomischen Rahmenbedingungen gravierend verändert hätten.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch das angefochtene Urteil die Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 BedGewV für unwirksam erklärt: Die Normenkontrollanträge seien zulässig. Die Antragstellerin zu 1 könne geltend machen, durch die angegriffene Verordnung in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV verletzt zu werden. Ob die Antragsteller zu 2 und zu 3 im Zeitpunkt ihrer Antragstellung berechtigt und fähig gewesen seien, ihre Rechte vor einem staatlichen Gericht ohne die nach der Dekanatssynodalordnung erforderliche Genehmigung der Kirchenleitung geltend zu machen, könne offenbleiben, weil die Kirchenleitung die erforderlichen Genehmigungen nachträglich erteilt habe. Die Normenkontrollanträge seien begründet. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Getränkeindustrie und -großhandel), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken für Roh- und Speiseeis sowie entsprechender Großhandel) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Callcenter) seien ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage ergangen. Der Verordnungsgeber habe hier im grundrechtsrelevanten Bereich wesentliche Grundentscheidungen getroffen, die nicht ihm zustünden, sondern dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten seien. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV zugunsten von Videotheken und öffentlichen Bibliotheken diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Die Nutzer dieser Einrichtungen könnten sich auf deren Schließung an Sonn- und Feiertagen einstellen, indem sie ihre Vorbereitungen für die Gestaltung dieser Tage schon am Samstag oder einem anderen arbeitsfreien Tag träfen. Auch die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV für Toto- und Lottogesellschaften diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Würden Gewinner und Gewinnquoten um einen Tag verzögert ermittelt und mitgeteilt, liege darin kein solcher Schaden. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV zugunsten des Buchmachergewerbes sei nicht hinreichend bestimmt. Nach der Begründung für die Bedarfsgewerbeverordnung habe diese Ausnahme offenbar nur Pferderennen erfassen sollen. Die Regelung sei jedoch nicht auf zertifizierte bzw. konzessionierte Buchmacher beschränkt, die ausschließlich Pferdewetten abschließen und vermitteln dürften.

7

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Antragsgegner sein Begehren weiter, die Normenkontrollanträge abzulehnen: Die Anträge seien unzulässig. Die Antragstellerin zu 1 sei nicht antragsbefugt. Es sei ausgeschlossen, dass sie durch die angegriffenen Vorschriften in eigenen Rechten, namentlich in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 140 GG, Art. 139 WRV verletzt werde. Der Sonn- und Feiertagsschutz nach diesen Bestimmungen sei nicht funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit angelegt. Den Antragstellern zu 2 und zu 3 fehle die Prozessführungsbefugnis. Ihnen seien kirchenrechtlich keine Aufgaben und damit korrespondierende Rechte zugewiesen, die sich auf den Sonntagsschutz bezögen. Bis zum Ablauf der Antragsfrist habe keine für die Antragstellung erforderliche Genehmigung der Kirchenleitung vorgelegen. Eine Heilung dieses Mangels durch eine nachträgliche Genehmigung scheide aus. Das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen, soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen habe, die Ausnahme zugunsten des Buchmachergewerbes in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt und deshalb unwirksam. Worin der Grund für die Unbestimmtheit liegen solle, sei nicht verständlich. In der Sache habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, die Ausnahmen in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 BedGewV verstießen gegen den Parlamentsvorbehalt. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG alles Wesentliche für die Beantwortung der Frage geregelt, wann Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz in Betracht kämen. Die Ausnahmen zugunsten der Videotheken, öffentlichen Bibliotheken und Lotto- und Totogesellschaften dienten der Vermeidung erheblicher Schäden für die Belange der Verbraucher.

8

Die Antragsteller wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen, namentlich ihre Ausführungen zu ihrer Antragsbefugnis.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses hebt hervor: Der Verwaltungsgerichtshof überdehne die Anforderungen, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergäben. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG alle abwägungserheblichen Gesichtspunkte sowie deren generelle Gewichtung klar benannt und damit alles Wesentliche für die Zulassung weiterer Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen selbst geregelt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Antragsgegners ist nur zum Teil begründet.

11

Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Normenkontrollanträge aller Antragsteller für zulässig gehalten. In der Sache ist das angefochtene Urteil mit Bundesrecht vereinbar, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Videotheken und öffentliche Bibliotheken) sowie § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV (Lotto- und Totogesellschaften) für ungültig erklärt hat. Das angefochtene Urteil verletzt aber Bundesrecht, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV (Buchmachergewerbe) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Dienstleistungsunternehmen zur Entgegennahme von Aufträgen, Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation - Callcenter) für ungültig erklärt hat. Hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV ist das Urteil jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Ob dies hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BedGewV ebenfalls zutrifft, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen. Dagegen erweist sich das angefochtene Urteil hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, ohne dass insoweit weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich wären.

12

1. Die Anträge sind zulässig.

13

a) Der Antragstellerin zu 1, der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, fehlt weder die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch das Rechtsschutzinteresse.

14

aa) Die Antragstellerin kann geltend machen, durch die angegriffenen Bestimmungen der Bedarfsgewerbeverordnung in ihren Rechten verletzt zu sein. Hierfür reicht ihr Vortrag aus, dass diese Bestimmungen mit der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I S. 1170) nicht vereinbar sind. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ist auch den Interessen von Vereinen und Gewerkschaften zu dienen bestimmt. Die dort geregelten Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung sind in diesem Sinne drittschützend. Die begünstigte Gewerkschaft kann sich darauf berufen, die Voraussetzungen für den Erlass der Rechtsverordnung hätten nicht vorgelegen und die Verordnung verstoße dadurch gegen eine auch sie schützende Rechtsnorm.

15

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <80 f.>). Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist dabei auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 83). Der objektivrechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist (Art. 139 WRV), ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 84). Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern dient neben weiteren Grundrechten ebenso der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so effektiver wahrnehmen lassen (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 82).

16

Rhythmisch wiederkehrende Tage der Arbeitsruhe und eine damit einhergehende regelmäßige Arbeitsruhe für alle fördern und erleichtern die Möglichkeit des Einzelnen, sich in einem Verein oder einer Koalition zu gemeinsamem Tun zusammenzufinden. Spiegelbildlich wird zugleich die Möglichkeit der Vereinigung selbst gefördert und erleichtert, ihren Zweck zu verwirklichen, der gerade in der Organisation von gemeinschaftlich wahrzunehmenden Interessen besteht. Wenn der Vereinigung abgeleitet aus der Vereinigungsfreiheit eine Antragsbefugnis zugebilligt wird, wird ihr mithin, anders als der Antragsgegner meint, nicht etwa erlaubt, die Rechte ihrer Mitglieder als eigene wahrzunehmen. Sie nimmt vielmehr ein Recht wahr, das ihr selbst als Vereinigung zusteht.

17

Zwar muss darüber hinaus die Vereinigung oder die Gewerkschaft durch die angegriffene Rechtsnorm in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen sein. Sie kann eine Rechtsnorm nicht angreifen, wenn deren Anwendung sich nicht negativ auf die Verwirklichung gerade ihrer Vereinigungsfreiheit auswirken kann. An dieser Einschränkung scheitert die Antragsbefugnis der Antragstellerin indes nicht. Die Bedarfsgewerbeverordnung gestaltet den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe im Dienstleistungsbereich aus, in dem die Antragstellerin tätig ist.

18

bb) Der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse.

19

Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses neben der Antragsbefugnis soll nur vermeiden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Maßgeblich ist, ob der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Norm seine Rechtsstellung verbessern kann (Urteil vom 23. April 2002 - BVerwG 4 CN 3.01 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156). Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Normen ein Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin unterbliebe.

20

b) Auch die Anträge der Antragsteller zu 2 und zu 3, der Evangelischen Dekanate Darmstadt-Stadt und Vorderer Odenwald, sind zulässig.

21

aa) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind antragsbefugt. Sie können ebenfalls geltend machen, die angegriffenen Normen verstießen gegen den auch für sie drittschützenden § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG, der auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag konkretisiert, der sich für sie aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergibt.

22

Entgegen den insoweit geäußerten Zweifeln des Antragsgegners sind die Dekanate nicht bloße übergeordnete Verwaltungsinstanzen oder Dachverbände, die an dem eigentlichen religiösen Auftrag nicht teilhaben. Sie sind vielmehr in ihrem Bereich Religionsgemeinschaften und Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach Art. 17 der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (Kirchenordnung - KO) in der Fassung vom 20. Februar 2010, Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ABl) 2010 S. 118, hat das Dekanat den Auftrag, das kirchliche Leben in der Region zu gestalten und so das Evangelium in seinem Bereich zu bezeugen. Es dient der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, der Förderung der Zusammenarbeit und dem missionarischen Wirken in der Welt. Das Dekanat trägt Verantwortung für die Entwicklung der kirchlichen Handlungsfelder in seinem Gebiet und fördert neue kirchliche Arbeit in seinem Gebiet.

23

bb) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind nach § 61 Nr. 1 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie sind juristische Personen in der Gestalt von Körperschaften des öffentlichen Rechts.

24

Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts festgestellt. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Kirchen in Hessen vom 10. Juni 1960 (GVBl I S. 54) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 dieses Vertrages sind die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach Art. 16 Satz 1 KO werden die Dekanate aus den Kirchengemeinden eines zusammengehörenden Gebietes gebildet. Hieraus hat der Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dass die Dekanate Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. An die Auslegung irrevisiblen Rechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht auch dann gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO gebunden, wenn das irrevisible Recht Normen der Verwaltungsprozessordnung ergänzt, welche von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen regeln (Urteil vom 1. Juli 1988 - BVerwG 4 C 15.85 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 69).

25

cc) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind prozessführungsbefugt.

26

Die Prozessführungsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen (also nicht als Vertreter eines anderen) den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht.

27

Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind befugt, über das von ihnen behauptete Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einen Prozess im eigenen Namen zu führen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass Beschlüsse des Dekanatssynodalvorstands über die Erhebung einer Klage vor einem staatlichen Gericht nach § 26 Abs. 3 Buchst. b der Dekanatssynodalordnung (DSO) vom 26. November 2003 (ABl 2004, 87) der Genehmigung durch die Kirchenverwaltung bedürfen und erst mit deren Erteilung wirksam werden. Die Vorschrift beschränkt nicht die Befugnis des Dekanatssynodalvorstands, das Dekanat nach außen wirksam zu vertreten. Diese Befugnis ist anderweit in § 24 DSO geregelt. Ebenso wie die weiteren Genehmigungsvorbehalte in § 26 Abs. 3 DSO räumt die Vorschrift der Kirchenverwaltung als Aufsichtsbehörde ein Kontrollrecht bei als wichtig angesehenen Vorgängen ein. Sie betrifft damit nur die interne Willensbildung. Das gerichtlich geltend gemachte Recht steht aber weiterhin allein den Antragstellern zu. Dass ihre interne Willensbildung vor Antragstellung an einem Mangel litt, nimmt ihnen nicht die Prozessführungsbefugnis.

28

Aus diesem Grund kann offenbleiben, ob eine Genehmigung, die erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erteilt wird, sich noch auf die Zulässigkeit des Antrags auswirken könnte oder ob dies ausgeschlossen ist, weil die Antragsfrist eine Ausschlussfrist ist.

29

2. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken zulässt. Insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.

30

a) Entgegen der Auffassung der Antragsteller folgt dies allerdings (weder hier noch bei den weiteren Bestimmungen der Verordnung) nicht bereits daraus, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG Ausnahmen nur für Betriebe zulasse, der Antragsgegner aber Ausnahmen für Bereiche zugelassen habe.

31

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt zum Erlass einer Rechtsverordnung und damit zum Erlass genereller Regelungen. Der Verordnungsgeber soll nicht für einzelne konkrete Betriebe Ausnahmen zulassen, sondern muss die Betriebe nach Branchen oder Tätigkeitsfeldern abstrakt umschreiben. Wenn er dabei von „Bereichen“ spricht, weicht er mit dieser Wortwahl nicht von der Ermächtigungsgrundlage ab.

32

b) Jedoch liegen die Voraussetzungen der Ermächtigung nicht vor. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 ArbZG können die Landesregierungen über die Ausnahmen in § 10 ArbZG hinaus durch Rechtsverordnung weitere Ausnahmen von dem Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zulassen, in denen eine solche Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist.

33

Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen ist nicht erforderlich, um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und anderenfalls eintretende erhebliche Schäden zu vermeiden.

34

aa) Es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen einerseits den Gründen, aus denen eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zugelassen werden darf, und andererseits den Schäden, deren Vermeidung die Zulassung einer Ausnahme dienen soll. Die Schäden bestehen darin, dass Bedürfnisse der Bevölkerung nur unzureichend befriedigt werden. Zu diesen Bedürfnissen gehören auch solche, welche die Möglichkeit betreffen, die Freizeit an Sonn- und Feiertagen nach eigenen Vorstellungen zu nutzen. Wird die Freizeitgestaltung jedenfalls für beachtliche Teile der Bevölkerung beeinträchtigt, kann dies einen Schaden darstellen, zu dessen Vermeidung eine Ausnahme zugelassen werden kann. Dass von der Ermächtigung (nur) zur Vermeidung erheblicher Schäden Gebrauch gemacht werden darf, steuert dabei ebenso wie die vorgeschriebene Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe die Anforderungen, die an Bedeutung und Gewicht des Bedürfnisses zu stellen sind, dessen sonst unterbleibende Befriedigung die Zulassung einer Ausnahme vom Beschäftigungsverbot rechtfertigen soll. Im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG „erforderlich“ ist die Befriedigung täglich oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung nur, wenn ihr Unterbleiben einen erheblichen Schaden darstellt. Insoweit hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei der Auswahl der Bedürfnisse eingeschränkt, deren Befriedigung eine Ausnahme rechtfertigen soll.

35

bb) Bedürfnisse der Bevölkerung, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten, sind insbesondere solche, die der Freizeitgestaltung dienen. Der Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Die Bürger sollen sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 85 f.).

36

Videotheken ermöglichen der Bevölkerung, die Freizeit zu gestalten, indem sie Bildträger, wie Videokassetten und DVD, aber auch Computerspiele vermieten. Sonn- und Feiertage bieten die nötige Zeit und Muße, um sich Filme eigener Wahl, also unabhängig vom jeweiligen Angebot der Lichtspieltheater und des Fernsehens, anzusehen. Jedoch ist es nicht erforderlich, Videotheken auch an Sonn- und Feiertagen offenzuhalten, damit dieses Bedürfnis befriedigt werden kann.

37

Bildträger, wie DVD, können ebenso wie Computerspiele werktags zum Gebrauch an Sonn- oder Feiertagen gemietet werden. Wer an Sonn- und Feiertagen eine DVD oder ein Computerspiel verwenden will, muss seinen Bedarf an einem der vorangehenden Werktage decken oder etwa von der Vorführung von Filmen an dem folgenden Sonntag oder Feiertag absehen (vgl. hierzu bereits: (Urteil vom 19. April 1988 - BVerwG 1 C 50.86 - BVerwGE 79, 236 <242>).

38

Der Verordnungsgeber kann zwar bei dem Ausgleich gegenläufiger Schutzgüter im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Es mag sein, dass es inzwischen in weiten Kreisen der Bevölkerung als ein Mangel empfunden wird, wenn der spontane Wunsch, sich einen bestimmten Film anzusehen, nicht sogleich erfüllt werden kann. Insbesondere über das Internet lassen sich solche Wünsche ohne Aufschub realisieren. Dadurch mag die Einstellung der Bevölkerung weithin geprägt sein, die eine sofortige Verfügbarkeit von Angeboten voraussetzt und erwartet (so im Ergebnis: SächsVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - Vf. 77-II-11 A - NVwZ-RR 2012, 873 <879>).

39

Ein alltäglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse potenzieller Kunden genügt jedoch grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu rechtfertigen. Er muss nicht allein deshalb zurückstehen, weil die Kunden ihren an Sonn- oder Feiertagen bestehenden Bedarf etwa an DVD-Filmen zwar an Werktagen decken könnten, ihn aber nicht an diesen Tagen, sondern aufgrund eines spontanen Entschlusses an Sonn- oder Feiertagen decken wollen. Es tritt unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe kein erheblicher Schaden im Sinne der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ein, wenn Wünsche nach einer bestimmten Freizeitgestaltung nur durch vorausschauende Planung realisiert werden können.

40

cc) Aus denselben Gründen ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in öffentlichen Bibliotheken nicht erforderlich, um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Für wissenschaftliche Präsenzbibliotheken gilt ohnedies eine Ausnahme bereits aufgrund von § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG.

41

3. Die Normenkontrollanträge sind ferner begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung zulässt. Auch insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.

42

Lotto- und Totospielen mag als Freizeitaktivität den Sonn- und Feiertagen zugeordnet werden können. Die Entgegennahme von Spielscheinen ist jedoch nicht erfasst. Abwicklung meint die Arbeiten nach der Ermittlung des Ergebnisses. Die Kabinettsvorlage begründet die Regelung damit, in der Bevölkerung bestehe ein dringendes Informationsbedürfnis für die zeitnahe Auswertung von Lotto- und Totoergebnissen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass ein Aufschub der Abwicklung des Spiels, also die Mitteilung des Ergebnisses einschließlich einer Gewinnquote, nicht auch auf die folgenden Werktage verschoben werden kann. Auch insoweit ist die sofortige Befriedigung des Informationsbedürfnisses nicht in einer Weise dringend, dass durch seinen Aufschub das Freizeitvergnügen erheblichen Schaden nimmt.

43

4. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (Callcentern) zulässt.

44

a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist diese Ausnahme allerdings nicht schon deshalb von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Mit dieser Begründung verletzt das angefochtene Urteil vielmehr Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

45

aa) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet wesentlich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“ (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251>).

46

bb) Gemessen hieran hatte nicht der (Bundes-)Gesetzgeber selbst zu entscheiden, ob für die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Callcentern eine Ausnahme zugelassen werden soll. Er durfte diese Entscheidung vielmehr dem Verordnungsgeber überlassen. Was für die Wahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes und die Schutzpflichten für dadurch konkretisierte Grundrechte wesentlich ist, hat der Gesetzgeber im Arbeitszeitgesetz geregelt. Er hat festgelegt, dass das Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen die Regel ist, eine solche Beschäftigung nur als Ausnahme zugelassen werden kann. Er hat in § 13 Abs. 1 ArbZG festgelegt, welche gegenläufigen Belange hinreichendes Gewicht haben, um eine Ausnahme zu rechtfertigen, in Nr. 2 Buchst. a die Befriedigung von täglichen oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretenden Bedürfnissen der Bevölkerung. Er hat hierzu weitere Voraussetzungen festgelegt, welche die Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes als Ausnahme sichern.

47

Auf die Zahl der Betroffenen allein kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist, ob das mit der Ausnahme verfolgte Ziel ein solches Gewicht hat, das auch die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen gerechtfertigt erscheint, und ob die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ihren Ausnahmecharakter behält. Die hierfür notwendigen Vorgaben hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber durch die begrenzenden Voraussetzungen der Ermächtigung gemacht.

48

cc) Unzutreffend ist die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Ermächtigung zu Gunsten der Landesregierung lasse nur Annahmen zu, durch welche einem Regelungsbedürfnis regionaler Art Rechnung getragen werden solle.

49

Zwar enthält die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 13 Abs. 2 ArbZG die Bemerkung, eine Landesverordnung komme insbesondere dann in Frage, wenn das Regelungsbedürfnis regionaler Art sei (BTDrucks 12/5888 S. 30). Schon diese Bemerkung bringt nicht zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber die Ermächtigung zu Gunsten der Landesregierungen auf Regelungsbedürfnisse regionaler Art hat begrenzen wollen. Erst recht hat eine solche Begrenzung im Normtext keinen Anhalt gefunden. Der Gesetzgeber hat in erster Linie die Bundesregierung zum Erlass der Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt und die Landesregierungen nur, soweit die Bundesregierung von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht. In diesem Fall können die Landesregierungen „entsprechende Bestimmungen“ erlassen. Daraus ergibt sich, dass die Regelungskompetenz der Landesregierungen inhaltlich nicht eingeschränkt ist, sondern sie ihnen in demselben Umfang übertragen wird, wie sie der Bundesregierung zusteht.

50

dd) Eine fehlende Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers kann ferner nicht daraus hergeleitet werden, dass dem Gesetzgeber - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - bei der Neufassung des Arbeitszeitgesetzes, jedenfalls bei späteren Änderungen dieses Gesetzes, bekannt war, dass Callcenter auch an Sonn- und Feiertagen auf unterschiedlichen - nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs: zweifelhaften - Grundlagen tätig waren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs trägt die Schlussfolgerung nicht, wenn der Gesetzgeber gleichwohl in den Katalog des § 10 ArbZG keine Ausnahme zu Gunsten von Callcentern aufgenommen habe, habe er damit zugleich die Wertung getroffen, insoweit überwiege der Sonntagsschutz die Belange der Betriebe und der Bevölkerung, die ihre Dienstleistungen nachfrage.

51

Dass der Gesetzgeber in möglicher Kenntnis der Verhältnisse Callcenter nicht mit einer eigenen gesetzlichen Ausnahme bedacht hat, stellt kein beredtes Schweigen dar. Der Gesetzgeber kann von einer gesetzlichen Regelung allein deshalb Abstand genommen haben, weil er die Regelung dieses Sachverhalts beispielsweise wegen dessen geringerer Bedeutung dem Verordnungsgeber überlassen wollte.

52

b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme sind nicht erfüllt. Weitere tatsächliche Feststellungen sind hierfür nicht erforderlich. Der Senat kann deshalb insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

53

§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV erfasst zum einen Dienstleistungsunternehmen, die als Dienstleister für andere Unternehmen per Telekommunikation Aufträge entgegennehmen, Auskünfte erteilen und beraten. Er erfasst zum anderen Dienstleistungsunternehmen, die durch eigene Beschäftigte bezogen auf ihre eigenen Dienstleistungen solche Leistungen anbieten. In beiden Fällen ist nicht weiter eingegrenzt, in welchen Branchen oder Tätigkeitsfeldern diese Leistungen sollen erbracht werden dürfen.

54

Mit diesem Inhalt ist die Norm mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar. Ob die engen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, lässt sich angesichts der Weite der Ausnahme und der damit einhergehenden mangelnden Voraussehbarkeit der erfassten Branchen und Tätigkeitsfelder nicht prüfen. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass der Betrieb von Callcentern gleichgültig in welcher Branche oder für welche Tätigkeitsfelder stets erforderlich ist, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

55

Unter den Branchen, für die Callcenter tätig sind, sind auch solche, bei denen eine Ausnahme vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist. Dazu gehört namentlich der Versandhandel, für den insbesondere der Antragsgegner aufgrund eines gewandelten Verbraucherverhaltens ein Bedürfnis der Bevölkerung an der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung an Sonn- und Feiertagen per Telekommunikation annehmen möchte. Zwar mag die Muße eines Sonn- und Feiertags vermehrt auch dazu genutzt werden, die Angebote des Versandhandels in Ruhe zu sichten und überlegte Kaufentscheidungen vorzubereiten. Jedoch ist die Erfüllung eines Erwerbswunsches durch Abgabe eines Auftrags, gegebenenfalls nach vorheriger Einholung zusätzlicher Auskünfte oder weiterer Beratung auch an den folgenden Werktagen ohne Weiteres möglich. Das Bedürfnis nach weiteren Auskünften, nach Beratung oder Erteilung eines Auftrags muss nicht sofort befriedigt werden. Diese Tätigkeiten sind eng der werktäglichen Geschäftigkeit und den alltäglichen Erwerbswünschen zuzurechnen. Ihr Aufschub ist hinzunehmen; eine erhebliche Einbuße des Freizeitwerts ist mit ihm nicht verbunden.

56

Allenfalls für einzelne Branchen mag es vorstellbar sein, dass angesichts eines gewandelten Verbraucherverhaltens oder aus anderen Gründen an Sonn- und Feiertagen ein Bedürfnis nach Entgegennahme von Aufträgen, nach Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation besteht, welches auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Callcentern als erforderlich erscheinen lässt. Mangels jeden Anhaltspunktes im Normtext ist es den Gerichten aber verwehrt, selbst einen eigenen Katalog zulässiger Felder für eine Betätigung von Callcentern an Sonn- und Feiertagen aufzustellen, um die Norm zumindest teilweise aufrechtzuerhalten. Soweit über Callcenter Dienste abgewickelt werden, die an Sonn- und Feiertagen erreichbar sein müssen, um sonst eintretende erhebliche Schäden an Rechtsgütern zu verhindern, bedarf es einer übergangsweisen Aufrechterhaltung der Norm nicht. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Notdiensten beschäftigt werden. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Sie erfasst alle Dienstleistungen und Tätigkeiten zur Hilfeleistung, wie Schlüsseldienste, Reparaturnotdienste und Sperrannahmedienste der Banken und Kreditkartenunternehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Dienste in den Unternehmen selbst oder über ausgelagerte Callcenter erreichbar sind.

57

5. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels zulässt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

58

a) Insoweit verletzt der Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen.

59

b) Das angefochtene Urteil erweist sich nicht schon deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, weil - wie die Antragsteller geltend gemacht haben - die Verordnung (insgesamt und deshalb auch bezogen auf diese Regelung) dem Abwägungsgebot nicht genügt und aus diesem Grund unabhängig davon ungültig ist, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die in Rede stehende Ausnahme vorgelegen haben.

60

Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann in der Regel nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden. Der parlamentarische Gesetzgeber leitet im Rahmen seiner Verordnungsermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Verordnungsgeber weiter. Mit der Rechtssetzung durch Verordnung sind vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen. Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt daher bei untergesetzlichen Normen eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche - wie hier - nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Mängeln im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (Urteil vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - BVerwGE 125, 384 Rn. 16).

61

c) Ob das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme nicht erfüllt sind, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht beurteilen. Insoweit muss die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

62

Auf der bisherigen Tatsachengrundlage lässt sich weder feststellen noch ausschließen, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels erforderlich ist, um tägliche oder an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

63

aa) Allerdings liegt auf der Hand, dass Getränke nicht erst an Sonn- und Feiertagen produziert werden und zur Verfügung stehen, um Bedürfnisse der Endverbraucher noch am selben Tag zu befriedigen. Soweit es um Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken und Schaumwein geht, kann nur die Tatbestandsvariante in Betracht kommen, dass die Beschäftigung der Arbeitnehmer (auch) an Sonn- und Feiertagen für die Befriedigung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG verlangt in dieser Variante („täglicher Bedarf“) nicht, dass durch die Beschäftigung an dem Sonntag ein Bedarf an demselben Sonntag befriedigt wird.

64

Dabei kann unterstellt werden, dass ein tägliches Bedürfnis an Brauereierzeugnissen und alkoholfreien Getränken vorhanden ist. Regelmäßig wird allerdings die Befriedigung dieses Bedürfnisses keine Produktion auch an Sonn- und Feiertagen erfordern, sondern durch den Ausstoß an Getränken an den übrigen Tagen gedeckt werden können. Soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b BedGewV eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nur in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober des Jahres zulässt, darf die Vorschrift ferner nicht dahin missverstanden werden, dass in dieser Zeit durchgängig an jedem Sonn- und Feiertag die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig ist. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme steht unter dem allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 1 BedGewV, dass die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Dies kann allenfalls in Spitzenzeiten der Nachfrage zutreffen, also insbesondere im Sommer bei länger anhaltenden Hitzeperioden, wenn etwa die Produktion aus den Zeiten geringerer Nachfrage und eine insoweit mögliche Lagerhaltung nicht mehr ausreicht, auch den jetzt erhöhten Bedarf zu decken, und die Kapazitäten der Getränkehersteller aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen nicht auf einen solchen Spitzenbedarf ausgerichtet sind. Sie könnten deshalb in derartigen Spitzenzeiten auf eine Produktion rund um die Woche angewiesen sein, um den dann täglich gegebenen erhöhten Bedarf auch (zeitversetzt zur Produktion) täglich decken zu können.

65

bb) Soweit die Ausnahme sich auf Betriebe des Großhandels bezieht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c BedGewV), kommt als Grundlage der Regelung nur die Tatbestandsalternative in Betracht, dass die Belieferung der Kundschaft zur Befriedigung von Bedürfnissen dient, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten.

66

Für die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse ist eine Ausnahme nicht erforderlich. Außerhalb der Sonn- und Feiertage werden die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Versorgung mit Getränken in erster Linie über Verkaufsstellen befriedigt. Für ihre Belieferung ist der Großhandel nicht auf die Sonn- und Feiertage angewiesen. Selbst ein größerer Absatz von Getränken am Wochenende kann durch eine Belieferung am frühen Montag ausgeglichen werden.

67

An Sonn- und Feiertagen treten Bedürfnisse der Bevölkerung an Erzeugnissen der Brauereien, an alkoholfreien (Erfrischungs-)Getränken und an Schaumwein besonders hervor in Restaurants, Ausflugslokalen und an diesen Tagen geöffneten Vergnügungsstätten. Restaurants können sich grundsätzlich an Werktagen ausreichend eindecken. Die Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG dient nicht dazu, Fehldispositionen einzelner Unternehmen auszugleichen (zutreffend: Richardi/Annuß, NZA 1999, 953 <956>). Dass eine Belieferung dieser Kunden des Großhandels an Sonn- und Feiertagen über den Ausgleich von Fehldispositionen hinaus erforderlich ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung dort zu befriedigen, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Auch insoweit ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich.

68

6. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie in Betrieben des Großhandels mit diesen Erzeugnissen zulässt, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden.

69

Auch insoweit verletzt der Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung dieser Ausnahme erfüllt sind und das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Insoweit muss die Sache aus den ebenfalls bereits dargelegten Gründen zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden.

70

7. Die Normenkontrollanträge sind unbegründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen zulässt. Insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG gedeckt.

71

a) Mit seiner gegenteiligen Annahme verletzt der Verwaltungsgerichtshof Bundesrecht.

72

aa) Entgegen der Rüge des Antragsgegners leidet das angefochtene Urteil insoweit nicht an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs genügen dem formalen Begründungserfordernis (zu ihm etwa: Beschluss vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1). Es ist erkennbar, mit welchen Überlegungen der Verwaltungsgerichtshof zu seiner Annahme gelangt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt. Er hat der Begründung des Entwurfs der Rechtsverordnung entnommen, der Verordnungsgeber habe mit dieser Norm eine Ausnahme zu Gunsten der Buchmacher auf Pferderennbahnen für Rennen an Sonn- und Feiertagen schaffen wollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Wortlaut der Norm eine so eingeschränkte Ausnahme aber nicht entnehmen können und deshalb gemeint, der Verordnungsgeber habe seinen Regelungswillen nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht. Aus diesen Überlegungen mag sich eine Unbestimmtheit der Norm nicht ergeben können. Das begründet aber keinen formalen Mangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO.

73

bb) Bundesrecht verletzt aber die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei nicht hinreichend bestimmt. Die Norm mag auslegungsbedürftig sein, sie ist aber auch auslegungsfähig.

74

Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV dürfen Arbeitnehmer im Buchmachergewerbe nicht schlechthin an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sondern nur zur Entgegennahme von Wetten für Veranstaltungen. Dabei kann es sich nur um solche Veranstaltungen handeln, die an diesem Tage stattfinden und für die sich deshalb aus anderen Vorschriften ergeben muss, dass sie an diesen Tagen etwa aus Gründen der Freizeitgestaltung der Bevölkerung auch stattfinden dürfen (hierzu: § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG). Ferner ergibt sich aus der Bezugnahme auf Veranstaltungen zugleich, dass die Wetten nur an der Stätte der Veranstaltung entgegen genommen werden dürfen. Erfasst werden damit insbesondere Rennsportveranstaltungen, etwa auf Pferderennbahnen.

75

b) In dieser Auslegung ist § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Bei der Annahme von Wetten für Veranstaltungen am Veranstaltungsort handelt es sich um einen spezifischen Sonn- und Feiertagsbedarf, der als Bestandteil des Freizeiterlebnisses aus der Situation geboren ist und, um nicht den Freizeitgenuss insgesamt zu gefährden, nur an Ort und Stelle befriedigt werden kann (zutreffend: Richardi/Annuß, a.a.O.).

(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe

1.
die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 sowie die dort zugelassenen Arbeiten näher bestimmen,
2.
über die Ausnahmen nach § 10 hinaus weitere Ausnahmen abweichend von § 9
a)
für Betriebe, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist,
b)
für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, deren Unterbrechung oder Aufschub
aa)
nach dem Stand der Technik ihrer Art nach nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist,
bb)
besondere Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer zur Folge hätte,
cc)
zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder der Energie- oder Wasserversorgung führen würde,
c)
aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung,
zulassen und die zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmen.

(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a keinen Gebrauch gemacht hat, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung entsprechende Bestimmungen erlassen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann

1.
feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist,
2.
abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen
a)
im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen,
b)
an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern,
c)
an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
und Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen.

(4) Die Aufsichtsbehörde soll abweichend von § 9 bewilligen, daß Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.

(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen Bestimmungen der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung.

2

Gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 ArbZG erließ die Hessische Landesregierung am 12. Oktober 2011 die Verordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung - BedGewV), die im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 1. November 2011 bekannt gemacht wurde (GVBl I S. 664). Die Verordnung regelt, dass abweichend von dem generellen Verbot des § 9 Abs. 1 ArbZG an Sonn- und Feiertagen in bestimmten Bereichen mit je unterschiedlichen zeitlichen Beschränkungen Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen, soweit die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Zu diesen Bereichen gehören Videotheken und öffentliche Bibliotheken (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV), Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein und Betriebe des Großhandels mit Erzeugnissen dieser Betriebe (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV), Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels mit diesen Erzeugnissen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV), Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV), Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV) sowie Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV).

3

Die Antragstellerin zu 1, die ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, hat nach ihren Angaben in Hessen ca. 168 000 Mitglieder, von denen ca. 6 700 in Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sind. Der Antragsteller zu 2, das Evangelische Dekanat Darmstadt-Stadt, ist aus den 20 Evangelischen Kirchengemeinden im Gebiet der Stadt Darmstadt gebildet. Es gehört wie der Antragsteller zu 3, das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald, zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Der Antragsteller zu 3 ist aus insgesamt 40 Evangelischen Kirchengemeinden gebildet.

4

Die Antragstellerin zu 1 hat am 3. September 2012, die Antragsteller zu 2 und zu 3 haben am 29. Oktober 2012 beim Verwaltungsgerichtshof Normenkontrollanträge gegen die Bedarfsgewerbeverordnung eingereicht und beantragt, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 BedGewV für unwirksam zu erklären. Die Antragsteller zu 2 und 3 haben Genehmigungen der Kirchenverwaltung der Landeskirche jeweils vom 23. August 2013 zur Erhebung der Klage im Verwaltungsstreitverfahren nachgereicht. Die Antragsteller haben geltend gemacht: Die Verordnung sei in dem angegriffenen Umfang rechtswidrig. Insoweit lägen die Voraussetzungen für Ausnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht vor. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in diesen Bereichen diene nicht dazu, besondere Bedürfnisse in einem wesentlichen Teil der Bevölkerung zu decken, um dadurch erhebliche Schäden zu vermeiden.

5

Der Antragsgegner ist den Normenkontrollanträgen entgegengetreten und hat vorgetragen: Der Antrag der Antragstellerin zu 1 sei bereits unzulässig. Sie sei nicht antragsbefugt. Der Antrag sei unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften der Verordnung dienten der Vermeidung erheblicher Schäden, die darin lägen, dass Bedürfnisse der Bevölkerung, namentlich solche der Freizeitgestaltung und der saisonalen Versorgung mit Eis und Getränken, nicht befriedigt würden. Er habe sich insbesondere daran orientiert, dass sich seit dem Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes das Freizeit- und Verbraucherverhalten der Bevölkerung sowie die ökonomischen Rahmenbedingungen gravierend verändert hätten.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch das angefochtene Urteil die Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 BedGewV für unwirksam erklärt: Die Normenkontrollanträge seien zulässig. Die Antragstellerin zu 1 könne geltend machen, durch die angegriffene Verordnung in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV verletzt zu werden. Ob die Antragsteller zu 2 und zu 3 im Zeitpunkt ihrer Antragstellung berechtigt und fähig gewesen seien, ihre Rechte vor einem staatlichen Gericht ohne die nach der Dekanatssynodalordnung erforderliche Genehmigung der Kirchenleitung geltend zu machen, könne offenbleiben, weil die Kirchenleitung die erforderlichen Genehmigungen nachträglich erteilt habe. Die Normenkontrollanträge seien begründet. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Getränkeindustrie und -großhandel), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken für Roh- und Speiseeis sowie entsprechender Großhandel) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Callcenter) seien ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage ergangen. Der Verordnungsgeber habe hier im grundrechtsrelevanten Bereich wesentliche Grundentscheidungen getroffen, die nicht ihm zustünden, sondern dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten seien. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV zugunsten von Videotheken und öffentlichen Bibliotheken diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Die Nutzer dieser Einrichtungen könnten sich auf deren Schließung an Sonn- und Feiertagen einstellen, indem sie ihre Vorbereitungen für die Gestaltung dieser Tage schon am Samstag oder einem anderen arbeitsfreien Tag träfen. Auch die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV für Toto- und Lottogesellschaften diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Würden Gewinner und Gewinnquoten um einen Tag verzögert ermittelt und mitgeteilt, liege darin kein solcher Schaden. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV zugunsten des Buchmachergewerbes sei nicht hinreichend bestimmt. Nach der Begründung für die Bedarfsgewerbeverordnung habe diese Ausnahme offenbar nur Pferderennen erfassen sollen. Die Regelung sei jedoch nicht auf zertifizierte bzw. konzessionierte Buchmacher beschränkt, die ausschließlich Pferdewetten abschließen und vermitteln dürften.

7

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Antragsgegner sein Begehren weiter, die Normenkontrollanträge abzulehnen: Die Anträge seien unzulässig. Die Antragstellerin zu 1 sei nicht antragsbefugt. Es sei ausgeschlossen, dass sie durch die angegriffenen Vorschriften in eigenen Rechten, namentlich in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 140 GG, Art. 139 WRV verletzt werde. Der Sonn- und Feiertagsschutz nach diesen Bestimmungen sei nicht funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit angelegt. Den Antragstellern zu 2 und zu 3 fehle die Prozessführungsbefugnis. Ihnen seien kirchenrechtlich keine Aufgaben und damit korrespondierende Rechte zugewiesen, die sich auf den Sonntagsschutz bezögen. Bis zum Ablauf der Antragsfrist habe keine für die Antragstellung erforderliche Genehmigung der Kirchenleitung vorgelegen. Eine Heilung dieses Mangels durch eine nachträgliche Genehmigung scheide aus. Das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen, soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen habe, die Ausnahme zugunsten des Buchmachergewerbes in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt und deshalb unwirksam. Worin der Grund für die Unbestimmtheit liegen solle, sei nicht verständlich. In der Sache habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, die Ausnahmen in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 BedGewV verstießen gegen den Parlamentsvorbehalt. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG alles Wesentliche für die Beantwortung der Frage geregelt, wann Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz in Betracht kämen. Die Ausnahmen zugunsten der Videotheken, öffentlichen Bibliotheken und Lotto- und Totogesellschaften dienten der Vermeidung erheblicher Schäden für die Belange der Verbraucher.

8

Die Antragsteller wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen, namentlich ihre Ausführungen zu ihrer Antragsbefugnis.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses hebt hervor: Der Verwaltungsgerichtshof überdehne die Anforderungen, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergäben. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG alle abwägungserheblichen Gesichtspunkte sowie deren generelle Gewichtung klar benannt und damit alles Wesentliche für die Zulassung weiterer Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen selbst geregelt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Antragsgegners ist nur zum Teil begründet.

11

Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Normenkontrollanträge aller Antragsteller für zulässig gehalten. In der Sache ist das angefochtene Urteil mit Bundesrecht vereinbar, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Videotheken und öffentliche Bibliotheken) sowie § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV (Lotto- und Totogesellschaften) für ungültig erklärt hat. Das angefochtene Urteil verletzt aber Bundesrecht, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV (Buchmachergewerbe) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Dienstleistungsunternehmen zur Entgegennahme von Aufträgen, Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation - Callcenter) für ungültig erklärt hat. Hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV ist das Urteil jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Ob dies hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BedGewV ebenfalls zutrifft, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen. Dagegen erweist sich das angefochtene Urteil hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, ohne dass insoweit weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich wären.

12

1. Die Anträge sind zulässig.

13

a) Der Antragstellerin zu 1, der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, fehlt weder die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch das Rechtsschutzinteresse.

14

aa) Die Antragstellerin kann geltend machen, durch die angegriffenen Bestimmungen der Bedarfsgewerbeverordnung in ihren Rechten verletzt zu sein. Hierfür reicht ihr Vortrag aus, dass diese Bestimmungen mit der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I S. 1170) nicht vereinbar sind. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ist auch den Interessen von Vereinen und Gewerkschaften zu dienen bestimmt. Die dort geregelten Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung sind in diesem Sinne drittschützend. Die begünstigte Gewerkschaft kann sich darauf berufen, die Voraussetzungen für den Erlass der Rechtsverordnung hätten nicht vorgelegen und die Verordnung verstoße dadurch gegen eine auch sie schützende Rechtsnorm.

15

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <80 f.>). Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist dabei auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 83). Der objektivrechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist (Art. 139 WRV), ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 84). Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern dient neben weiteren Grundrechten ebenso der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so effektiver wahrnehmen lassen (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 82).

16

Rhythmisch wiederkehrende Tage der Arbeitsruhe und eine damit einhergehende regelmäßige Arbeitsruhe für alle fördern und erleichtern die Möglichkeit des Einzelnen, sich in einem Verein oder einer Koalition zu gemeinsamem Tun zusammenzufinden. Spiegelbildlich wird zugleich die Möglichkeit der Vereinigung selbst gefördert und erleichtert, ihren Zweck zu verwirklichen, der gerade in der Organisation von gemeinschaftlich wahrzunehmenden Interessen besteht. Wenn der Vereinigung abgeleitet aus der Vereinigungsfreiheit eine Antragsbefugnis zugebilligt wird, wird ihr mithin, anders als der Antragsgegner meint, nicht etwa erlaubt, die Rechte ihrer Mitglieder als eigene wahrzunehmen. Sie nimmt vielmehr ein Recht wahr, das ihr selbst als Vereinigung zusteht.

17

Zwar muss darüber hinaus die Vereinigung oder die Gewerkschaft durch die angegriffene Rechtsnorm in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen sein. Sie kann eine Rechtsnorm nicht angreifen, wenn deren Anwendung sich nicht negativ auf die Verwirklichung gerade ihrer Vereinigungsfreiheit auswirken kann. An dieser Einschränkung scheitert die Antragsbefugnis der Antragstellerin indes nicht. Die Bedarfsgewerbeverordnung gestaltet den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe im Dienstleistungsbereich aus, in dem die Antragstellerin tätig ist.

18

bb) Der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse.

19

Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses neben der Antragsbefugnis soll nur vermeiden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Maßgeblich ist, ob der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Norm seine Rechtsstellung verbessern kann (Urteil vom 23. April 2002 - BVerwG 4 CN 3.01 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156). Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Normen ein Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin unterbliebe.

20

b) Auch die Anträge der Antragsteller zu 2 und zu 3, der Evangelischen Dekanate Darmstadt-Stadt und Vorderer Odenwald, sind zulässig.

21

aa) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind antragsbefugt. Sie können ebenfalls geltend machen, die angegriffenen Normen verstießen gegen den auch für sie drittschützenden § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG, der auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag konkretisiert, der sich für sie aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergibt.

22

Entgegen den insoweit geäußerten Zweifeln des Antragsgegners sind die Dekanate nicht bloße übergeordnete Verwaltungsinstanzen oder Dachverbände, die an dem eigentlichen religiösen Auftrag nicht teilhaben. Sie sind vielmehr in ihrem Bereich Religionsgemeinschaften und Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach Art. 17 der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (Kirchenordnung - KO) in der Fassung vom 20. Februar 2010, Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ABl) 2010 S. 118, hat das Dekanat den Auftrag, das kirchliche Leben in der Region zu gestalten und so das Evangelium in seinem Bereich zu bezeugen. Es dient der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, der Förderung der Zusammenarbeit und dem missionarischen Wirken in der Welt. Das Dekanat trägt Verantwortung für die Entwicklung der kirchlichen Handlungsfelder in seinem Gebiet und fördert neue kirchliche Arbeit in seinem Gebiet.

23

bb) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind nach § 61 Nr. 1 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie sind juristische Personen in der Gestalt von Körperschaften des öffentlichen Rechts.

24

Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts festgestellt. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Kirchen in Hessen vom 10. Juni 1960 (GVBl I S. 54) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 dieses Vertrages sind die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach Art. 16 Satz 1 KO werden die Dekanate aus den Kirchengemeinden eines zusammengehörenden Gebietes gebildet. Hieraus hat der Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dass die Dekanate Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. An die Auslegung irrevisiblen Rechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht auch dann gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO gebunden, wenn das irrevisible Recht Normen der Verwaltungsprozessordnung ergänzt, welche von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen regeln (Urteil vom 1. Juli 1988 - BVerwG 4 C 15.85 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 69).

25

cc) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind prozessführungsbefugt.

26

Die Prozessführungsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen (also nicht als Vertreter eines anderen) den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht.

27

Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind befugt, über das von ihnen behauptete Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einen Prozess im eigenen Namen zu führen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass Beschlüsse des Dekanatssynodalvorstands über die Erhebung einer Klage vor einem staatlichen Gericht nach § 26 Abs. 3 Buchst. b der Dekanatssynodalordnung (DSO) vom 26. November 2003 (ABl 2004, 87) der Genehmigung durch die Kirchenverwaltung bedürfen und erst mit deren Erteilung wirksam werden. Die Vorschrift beschränkt nicht die Befugnis des Dekanatssynodalvorstands, das Dekanat nach außen wirksam zu vertreten. Diese Befugnis ist anderweit in § 24 DSO geregelt. Ebenso wie die weiteren Genehmigungsvorbehalte in § 26 Abs. 3 DSO räumt die Vorschrift der Kirchenverwaltung als Aufsichtsbehörde ein Kontrollrecht bei als wichtig angesehenen Vorgängen ein. Sie betrifft damit nur die interne Willensbildung. Das gerichtlich geltend gemachte Recht steht aber weiterhin allein den Antragstellern zu. Dass ihre interne Willensbildung vor Antragstellung an einem Mangel litt, nimmt ihnen nicht die Prozessführungsbefugnis.

28

Aus diesem Grund kann offenbleiben, ob eine Genehmigung, die erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erteilt wird, sich noch auf die Zulässigkeit des Antrags auswirken könnte oder ob dies ausgeschlossen ist, weil die Antragsfrist eine Ausschlussfrist ist.

29

2. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken zulässt. Insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.

30

a) Entgegen der Auffassung der Antragsteller folgt dies allerdings (weder hier noch bei den weiteren Bestimmungen der Verordnung) nicht bereits daraus, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG Ausnahmen nur für Betriebe zulasse, der Antragsgegner aber Ausnahmen für Bereiche zugelassen habe.

31

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt zum Erlass einer Rechtsverordnung und damit zum Erlass genereller Regelungen. Der Verordnungsgeber soll nicht für einzelne konkrete Betriebe Ausnahmen zulassen, sondern muss die Betriebe nach Branchen oder Tätigkeitsfeldern abstrakt umschreiben. Wenn er dabei von „Bereichen“ spricht, weicht er mit dieser Wortwahl nicht von der Ermächtigungsgrundlage ab.

32

b) Jedoch liegen die Voraussetzungen der Ermächtigung nicht vor. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 ArbZG können die Landesregierungen über die Ausnahmen in § 10 ArbZG hinaus durch Rechtsverordnung weitere Ausnahmen von dem Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zulassen, in denen eine solche Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist.

33

Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen ist nicht erforderlich, um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und anderenfalls eintretende erhebliche Schäden zu vermeiden.

34

aa) Es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen einerseits den Gründen, aus denen eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zugelassen werden darf, und andererseits den Schäden, deren Vermeidung die Zulassung einer Ausnahme dienen soll. Die Schäden bestehen darin, dass Bedürfnisse der Bevölkerung nur unzureichend befriedigt werden. Zu diesen Bedürfnissen gehören auch solche, welche die Möglichkeit betreffen, die Freizeit an Sonn- und Feiertagen nach eigenen Vorstellungen zu nutzen. Wird die Freizeitgestaltung jedenfalls für beachtliche Teile der Bevölkerung beeinträchtigt, kann dies einen Schaden darstellen, zu dessen Vermeidung eine Ausnahme zugelassen werden kann. Dass von der Ermächtigung (nur) zur Vermeidung erheblicher Schäden Gebrauch gemacht werden darf, steuert dabei ebenso wie die vorgeschriebene Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe die Anforderungen, die an Bedeutung und Gewicht des Bedürfnisses zu stellen sind, dessen sonst unterbleibende Befriedigung die Zulassung einer Ausnahme vom Beschäftigungsverbot rechtfertigen soll. Im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG „erforderlich“ ist die Befriedigung täglich oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung nur, wenn ihr Unterbleiben einen erheblichen Schaden darstellt. Insoweit hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei der Auswahl der Bedürfnisse eingeschränkt, deren Befriedigung eine Ausnahme rechtfertigen soll.

35

bb) Bedürfnisse der Bevölkerung, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten, sind insbesondere solche, die der Freizeitgestaltung dienen. Der Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Die Bürger sollen sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 85 f.).

36

Videotheken ermöglichen der Bevölkerung, die Freizeit zu gestalten, indem sie Bildträger, wie Videokassetten und DVD, aber auch Computerspiele vermieten. Sonn- und Feiertage bieten die nötige Zeit und Muße, um sich Filme eigener Wahl, also unabhängig vom jeweiligen Angebot der Lichtspieltheater und des Fernsehens, anzusehen. Jedoch ist es nicht erforderlich, Videotheken auch an Sonn- und Feiertagen offenzuhalten, damit dieses Bedürfnis befriedigt werden kann.

37

Bildträger, wie DVD, können ebenso wie Computerspiele werktags zum Gebrauch an Sonn- oder Feiertagen gemietet werden. Wer an Sonn- und Feiertagen eine DVD oder ein Computerspiel verwenden will, muss seinen Bedarf an einem der vorangehenden Werktage decken oder etwa von der Vorführung von Filmen an dem folgenden Sonntag oder Feiertag absehen (vgl. hierzu bereits: (Urteil vom 19. April 1988 - BVerwG 1 C 50.86 - BVerwGE 79, 236 <242>).

38

Der Verordnungsgeber kann zwar bei dem Ausgleich gegenläufiger Schutzgüter im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Es mag sein, dass es inzwischen in weiten Kreisen der Bevölkerung als ein Mangel empfunden wird, wenn der spontane Wunsch, sich einen bestimmten Film anzusehen, nicht sogleich erfüllt werden kann. Insbesondere über das Internet lassen sich solche Wünsche ohne Aufschub realisieren. Dadurch mag die Einstellung der Bevölkerung weithin geprägt sein, die eine sofortige Verfügbarkeit von Angeboten voraussetzt und erwartet (so im Ergebnis: SächsVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - Vf. 77-II-11 A - NVwZ-RR 2012, 873 <879>).

39

Ein alltäglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse potenzieller Kunden genügt jedoch grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu rechtfertigen. Er muss nicht allein deshalb zurückstehen, weil die Kunden ihren an Sonn- oder Feiertagen bestehenden Bedarf etwa an DVD-Filmen zwar an Werktagen decken könnten, ihn aber nicht an diesen Tagen, sondern aufgrund eines spontanen Entschlusses an Sonn- oder Feiertagen decken wollen. Es tritt unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe kein erheblicher Schaden im Sinne der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ein, wenn Wünsche nach einer bestimmten Freizeitgestaltung nur durch vorausschauende Planung realisiert werden können.

40

cc) Aus denselben Gründen ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in öffentlichen Bibliotheken nicht erforderlich, um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Für wissenschaftliche Präsenzbibliotheken gilt ohnedies eine Ausnahme bereits aufgrund von § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG.

41

3. Die Normenkontrollanträge sind ferner begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung zulässt. Auch insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.

42

Lotto- und Totospielen mag als Freizeitaktivität den Sonn- und Feiertagen zugeordnet werden können. Die Entgegennahme von Spielscheinen ist jedoch nicht erfasst. Abwicklung meint die Arbeiten nach der Ermittlung des Ergebnisses. Die Kabinettsvorlage begründet die Regelung damit, in der Bevölkerung bestehe ein dringendes Informationsbedürfnis für die zeitnahe Auswertung von Lotto- und Totoergebnissen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass ein Aufschub der Abwicklung des Spiels, also die Mitteilung des Ergebnisses einschließlich einer Gewinnquote, nicht auch auf die folgenden Werktage verschoben werden kann. Auch insoweit ist die sofortige Befriedigung des Informationsbedürfnisses nicht in einer Weise dringend, dass durch seinen Aufschub das Freizeitvergnügen erheblichen Schaden nimmt.

43

4. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (Callcentern) zulässt.

44

a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist diese Ausnahme allerdings nicht schon deshalb von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Mit dieser Begründung verletzt das angefochtene Urteil vielmehr Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

45

aa) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet wesentlich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“ (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251>).

46

bb) Gemessen hieran hatte nicht der (Bundes-)Gesetzgeber selbst zu entscheiden, ob für die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Callcentern eine Ausnahme zugelassen werden soll. Er durfte diese Entscheidung vielmehr dem Verordnungsgeber überlassen. Was für die Wahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes und die Schutzpflichten für dadurch konkretisierte Grundrechte wesentlich ist, hat der Gesetzgeber im Arbeitszeitgesetz geregelt. Er hat festgelegt, dass das Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen die Regel ist, eine solche Beschäftigung nur als Ausnahme zugelassen werden kann. Er hat in § 13 Abs. 1 ArbZG festgelegt, welche gegenläufigen Belange hinreichendes Gewicht haben, um eine Ausnahme zu rechtfertigen, in Nr. 2 Buchst. a die Befriedigung von täglichen oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretenden Bedürfnissen der Bevölkerung. Er hat hierzu weitere Voraussetzungen festgelegt, welche die Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes als Ausnahme sichern.

47

Auf die Zahl der Betroffenen allein kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist, ob das mit der Ausnahme verfolgte Ziel ein solches Gewicht hat, das auch die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen gerechtfertigt erscheint, und ob die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ihren Ausnahmecharakter behält. Die hierfür notwendigen Vorgaben hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber durch die begrenzenden Voraussetzungen der Ermächtigung gemacht.

48

cc) Unzutreffend ist die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Ermächtigung zu Gunsten der Landesregierung lasse nur Annahmen zu, durch welche einem Regelungsbedürfnis regionaler Art Rechnung getragen werden solle.

49

Zwar enthält die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 13 Abs. 2 ArbZG die Bemerkung, eine Landesverordnung komme insbesondere dann in Frage, wenn das Regelungsbedürfnis regionaler Art sei (BTDrucks 12/5888 S. 30). Schon diese Bemerkung bringt nicht zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber die Ermächtigung zu Gunsten der Landesregierungen auf Regelungsbedürfnisse regionaler Art hat begrenzen wollen. Erst recht hat eine solche Begrenzung im Normtext keinen Anhalt gefunden. Der Gesetzgeber hat in erster Linie die Bundesregierung zum Erlass der Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt und die Landesregierungen nur, soweit die Bundesregierung von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht. In diesem Fall können die Landesregierungen „entsprechende Bestimmungen“ erlassen. Daraus ergibt sich, dass die Regelungskompetenz der Landesregierungen inhaltlich nicht eingeschränkt ist, sondern sie ihnen in demselben Umfang übertragen wird, wie sie der Bundesregierung zusteht.

50

dd) Eine fehlende Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers kann ferner nicht daraus hergeleitet werden, dass dem Gesetzgeber - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - bei der Neufassung des Arbeitszeitgesetzes, jedenfalls bei späteren Änderungen dieses Gesetzes, bekannt war, dass Callcenter auch an Sonn- und Feiertagen auf unterschiedlichen - nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs: zweifelhaften - Grundlagen tätig waren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs trägt die Schlussfolgerung nicht, wenn der Gesetzgeber gleichwohl in den Katalog des § 10 ArbZG keine Ausnahme zu Gunsten von Callcentern aufgenommen habe, habe er damit zugleich die Wertung getroffen, insoweit überwiege der Sonntagsschutz die Belange der Betriebe und der Bevölkerung, die ihre Dienstleistungen nachfrage.

51

Dass der Gesetzgeber in möglicher Kenntnis der Verhältnisse Callcenter nicht mit einer eigenen gesetzlichen Ausnahme bedacht hat, stellt kein beredtes Schweigen dar. Der Gesetzgeber kann von einer gesetzlichen Regelung allein deshalb Abstand genommen haben, weil er die Regelung dieses Sachverhalts beispielsweise wegen dessen geringerer Bedeutung dem Verordnungsgeber überlassen wollte.

52

b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme sind nicht erfüllt. Weitere tatsächliche Feststellungen sind hierfür nicht erforderlich. Der Senat kann deshalb insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

53

§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV erfasst zum einen Dienstleistungsunternehmen, die als Dienstleister für andere Unternehmen per Telekommunikation Aufträge entgegennehmen, Auskünfte erteilen und beraten. Er erfasst zum anderen Dienstleistungsunternehmen, die durch eigene Beschäftigte bezogen auf ihre eigenen Dienstleistungen solche Leistungen anbieten. In beiden Fällen ist nicht weiter eingegrenzt, in welchen Branchen oder Tätigkeitsfeldern diese Leistungen sollen erbracht werden dürfen.

54

Mit diesem Inhalt ist die Norm mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar. Ob die engen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, lässt sich angesichts der Weite der Ausnahme und der damit einhergehenden mangelnden Voraussehbarkeit der erfassten Branchen und Tätigkeitsfelder nicht prüfen. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass der Betrieb von Callcentern gleichgültig in welcher Branche oder für welche Tätigkeitsfelder stets erforderlich ist, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

55

Unter den Branchen, für die Callcenter tätig sind, sind auch solche, bei denen eine Ausnahme vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist. Dazu gehört namentlich der Versandhandel, für den insbesondere der Antragsgegner aufgrund eines gewandelten Verbraucherverhaltens ein Bedürfnis der Bevölkerung an der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung an Sonn- und Feiertagen per Telekommunikation annehmen möchte. Zwar mag die Muße eines Sonn- und Feiertags vermehrt auch dazu genutzt werden, die Angebote des Versandhandels in Ruhe zu sichten und überlegte Kaufentscheidungen vorzubereiten. Jedoch ist die Erfüllung eines Erwerbswunsches durch Abgabe eines Auftrags, gegebenenfalls nach vorheriger Einholung zusätzlicher Auskünfte oder weiterer Beratung auch an den folgenden Werktagen ohne Weiteres möglich. Das Bedürfnis nach weiteren Auskünften, nach Beratung oder Erteilung eines Auftrags muss nicht sofort befriedigt werden. Diese Tätigkeiten sind eng der werktäglichen Geschäftigkeit und den alltäglichen Erwerbswünschen zuzurechnen. Ihr Aufschub ist hinzunehmen; eine erhebliche Einbuße des Freizeitwerts ist mit ihm nicht verbunden.

56

Allenfalls für einzelne Branchen mag es vorstellbar sein, dass angesichts eines gewandelten Verbraucherverhaltens oder aus anderen Gründen an Sonn- und Feiertagen ein Bedürfnis nach Entgegennahme von Aufträgen, nach Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation besteht, welches auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Callcentern als erforderlich erscheinen lässt. Mangels jeden Anhaltspunktes im Normtext ist es den Gerichten aber verwehrt, selbst einen eigenen Katalog zulässiger Felder für eine Betätigung von Callcentern an Sonn- und Feiertagen aufzustellen, um die Norm zumindest teilweise aufrechtzuerhalten. Soweit über Callcenter Dienste abgewickelt werden, die an Sonn- und Feiertagen erreichbar sein müssen, um sonst eintretende erhebliche Schäden an Rechtsgütern zu verhindern, bedarf es einer übergangsweisen Aufrechterhaltung der Norm nicht. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Notdiensten beschäftigt werden. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Sie erfasst alle Dienstleistungen und Tätigkeiten zur Hilfeleistung, wie Schlüsseldienste, Reparaturnotdienste und Sperrannahmedienste der Banken und Kreditkartenunternehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Dienste in den Unternehmen selbst oder über ausgelagerte Callcenter erreichbar sind.

57

5. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels zulässt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

58

a) Insoweit verletzt der Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen.

59

b) Das angefochtene Urteil erweist sich nicht schon deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, weil - wie die Antragsteller geltend gemacht haben - die Verordnung (insgesamt und deshalb auch bezogen auf diese Regelung) dem Abwägungsgebot nicht genügt und aus diesem Grund unabhängig davon ungültig ist, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die in Rede stehende Ausnahme vorgelegen haben.

60

Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann in der Regel nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden. Der parlamentarische Gesetzgeber leitet im Rahmen seiner Verordnungsermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Verordnungsgeber weiter. Mit der Rechtssetzung durch Verordnung sind vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen. Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt daher bei untergesetzlichen Normen eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche - wie hier - nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Mängeln im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (Urteil vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - BVerwGE 125, 384 Rn. 16).

61

c) Ob das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme nicht erfüllt sind, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht beurteilen. Insoweit muss die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

62

Auf der bisherigen Tatsachengrundlage lässt sich weder feststellen noch ausschließen, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels erforderlich ist, um tägliche oder an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

63

aa) Allerdings liegt auf der Hand, dass Getränke nicht erst an Sonn- und Feiertagen produziert werden und zur Verfügung stehen, um Bedürfnisse der Endverbraucher noch am selben Tag zu befriedigen. Soweit es um Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken und Schaumwein geht, kann nur die Tatbestandsvariante in Betracht kommen, dass die Beschäftigung der Arbeitnehmer (auch) an Sonn- und Feiertagen für die Befriedigung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG verlangt in dieser Variante („täglicher Bedarf“) nicht, dass durch die Beschäftigung an dem Sonntag ein Bedarf an demselben Sonntag befriedigt wird.

64

Dabei kann unterstellt werden, dass ein tägliches Bedürfnis an Brauereierzeugnissen und alkoholfreien Getränken vorhanden ist. Regelmäßig wird allerdings die Befriedigung dieses Bedürfnisses keine Produktion auch an Sonn- und Feiertagen erfordern, sondern durch den Ausstoß an Getränken an den übrigen Tagen gedeckt werden können. Soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b BedGewV eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nur in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober des Jahres zulässt, darf die Vorschrift ferner nicht dahin missverstanden werden, dass in dieser Zeit durchgängig an jedem Sonn- und Feiertag die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig ist. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme steht unter dem allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 1 BedGewV, dass die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Dies kann allenfalls in Spitzenzeiten der Nachfrage zutreffen, also insbesondere im Sommer bei länger anhaltenden Hitzeperioden, wenn etwa die Produktion aus den Zeiten geringerer Nachfrage und eine insoweit mögliche Lagerhaltung nicht mehr ausreicht, auch den jetzt erhöhten Bedarf zu decken, und die Kapazitäten der Getränkehersteller aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen nicht auf einen solchen Spitzenbedarf ausgerichtet sind. Sie könnten deshalb in derartigen Spitzenzeiten auf eine Produktion rund um die Woche angewiesen sein, um den dann täglich gegebenen erhöhten Bedarf auch (zeitversetzt zur Produktion) täglich decken zu können.

65

bb) Soweit die Ausnahme sich auf Betriebe des Großhandels bezieht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c BedGewV), kommt als Grundlage der Regelung nur die Tatbestandsalternative in Betracht, dass die Belieferung der Kundschaft zur Befriedigung von Bedürfnissen dient, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten.

66

Für die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse ist eine Ausnahme nicht erforderlich. Außerhalb der Sonn- und Feiertage werden die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Versorgung mit Getränken in erster Linie über Verkaufsstellen befriedigt. Für ihre Belieferung ist der Großhandel nicht auf die Sonn- und Feiertage angewiesen. Selbst ein größerer Absatz von Getränken am Wochenende kann durch eine Belieferung am frühen Montag ausgeglichen werden.

67

An Sonn- und Feiertagen treten Bedürfnisse der Bevölkerung an Erzeugnissen der Brauereien, an alkoholfreien (Erfrischungs-)Getränken und an Schaumwein besonders hervor in Restaurants, Ausflugslokalen und an diesen Tagen geöffneten Vergnügungsstätten. Restaurants können sich grundsätzlich an Werktagen ausreichend eindecken. Die Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG dient nicht dazu, Fehldispositionen einzelner Unternehmen auszugleichen (zutreffend: Richardi/Annuß, NZA 1999, 953 <956>). Dass eine Belieferung dieser Kunden des Großhandels an Sonn- und Feiertagen über den Ausgleich von Fehldispositionen hinaus erforderlich ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung dort zu befriedigen, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Auch insoweit ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich.

68

6. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie in Betrieben des Großhandels mit diesen Erzeugnissen zulässt, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden.

69

Auch insoweit verletzt der Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung dieser Ausnahme erfüllt sind und das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Insoweit muss die Sache aus den ebenfalls bereits dargelegten Gründen zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden.

70

7. Die Normenkontrollanträge sind unbegründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen zulässt. Insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG gedeckt.

71

a) Mit seiner gegenteiligen Annahme verletzt der Verwaltungsgerichtshof Bundesrecht.

72

aa) Entgegen der Rüge des Antragsgegners leidet das angefochtene Urteil insoweit nicht an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs genügen dem formalen Begründungserfordernis (zu ihm etwa: Beschluss vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1). Es ist erkennbar, mit welchen Überlegungen der Verwaltungsgerichtshof zu seiner Annahme gelangt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt. Er hat der Begründung des Entwurfs der Rechtsverordnung entnommen, der Verordnungsgeber habe mit dieser Norm eine Ausnahme zu Gunsten der Buchmacher auf Pferderennbahnen für Rennen an Sonn- und Feiertagen schaffen wollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Wortlaut der Norm eine so eingeschränkte Ausnahme aber nicht entnehmen können und deshalb gemeint, der Verordnungsgeber habe seinen Regelungswillen nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht. Aus diesen Überlegungen mag sich eine Unbestimmtheit der Norm nicht ergeben können. Das begründet aber keinen formalen Mangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO.

73

bb) Bundesrecht verletzt aber die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei nicht hinreichend bestimmt. Die Norm mag auslegungsbedürftig sein, sie ist aber auch auslegungsfähig.

74

Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV dürfen Arbeitnehmer im Buchmachergewerbe nicht schlechthin an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sondern nur zur Entgegennahme von Wetten für Veranstaltungen. Dabei kann es sich nur um solche Veranstaltungen handeln, die an diesem Tage stattfinden und für die sich deshalb aus anderen Vorschriften ergeben muss, dass sie an diesen Tagen etwa aus Gründen der Freizeitgestaltung der Bevölkerung auch stattfinden dürfen (hierzu: § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG). Ferner ergibt sich aus der Bezugnahme auf Veranstaltungen zugleich, dass die Wetten nur an der Stätte der Veranstaltung entgegen genommen werden dürfen. Erfasst werden damit insbesondere Rennsportveranstaltungen, etwa auf Pferderennbahnen.

75

b) In dieser Auslegung ist § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Bei der Annahme von Wetten für Veranstaltungen am Veranstaltungsort handelt es sich um einen spezifischen Sonn- und Feiertagsbedarf, der als Bestandteil des Freizeiterlebnisses aus der Situation geboren ist und, um nicht den Freizeitgenuss insgesamt zu gefährden, nur an Ort und Stelle befriedigt werden kann (zutreffend: Richardi/Annuß, a.a.O.).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern.

1. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin dürfte in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu bejahen sein (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2013 - 22 N 13.788, bestätigt durch BVerwG, U.v. 11.11.2015 - 8 CN 2.14, vgl. Presseerklärung des BVerwG Nr. 91/2015).

2. Es mag sein, dass besondere Verhältnisse auch bei saisonalem Spitzenbedarf zu bejahen sein könnten. Dies darf aber nicht dazu führen, dass am 4. Advent bei der Beigeladenen regelmäßig die Beschäftigung von Arbeitnehmern bewilligt wird, nur weil absehbar ist, dass am Arbeitsmarkt die gesuchten Aushilfen nicht verfügbar sind. Die Beigeladene muss ihre betriebliche Organisation und ihre Einwirkung auf die Kunden am grundgesetzlichen Sonntagsschutz ausrichten.

3. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass kein unverhältnismäßiger Schaden drohe, tritt die Beschwerde nicht mit schlüssigen Gegenargumenten entgegen. Das Verwaltungsgericht meint sinngemäß, der Beschäftigung von 300 Personen an einem einzigen Sonntag komme angesichts der Größe des Betriebs und der großen Zahl der Beschäftigten der Beigeladenen insofern keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dagegen bringt die Beschwerde nichts Substanzielles vor. Dass eventuell gerade durch das Verbot der Sonntagsbeschäftigung Verzögerungsschäden oder Kundenbeschwerden das einem Betrieb wie dem der Beigeladenen zumutbare Maß überschreiten würden, legt die Beschwerde nicht dar.

4. Eine Verletzung der Schutzpflicht des Staates im Hinblick auf die Ausübung der Grundrechte der Antragstellerin und damit auch eine Rechtsverletzung der Antragstellerin liegen nahe, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b ArbZG nicht vorliegen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund bereits eingeleiteter Arbeitskampfmaßnahmen der Antragstellerin.

5. Die Rechtmäßigkeit der Freigabe der Öffnungszeiten von Verkaufsstellen am 4. Advent im benachbarten A. kann in diesem Beschwerdeverfahren nicht beurteilt werden. Die Vergleichbarkeit der Regelungsgegenstände ist nicht dargelegt.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG; wie Vorinstanz, wegen Vorwegnahme der Hauptsache.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.

(2) In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht kann Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruht.

(3) Für Kraftfahrer und Beifahrer kann der Beginn der 24stündigen Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu zwei Stunden vorverlegt werden.

Tenor

Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 EUR festgesetzt.


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Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.