Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456

published on 02/11/2016 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456
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Gericht

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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem der Beigeladenen der Umbau und die Sanierung eines bestehenden Wohn- und Geschäftshauses sowie der Anbau eines Treppenhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... gestattet wurde.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung .... Unmittelbar nördlich angrenzend befindet sich das Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ..., auf dem sich das streitgegenständliche Gebäude befindet.

Es handelt sich dabei um das historische Gasthaus „...“ in ... und stellte früher ein Baudenkmal im Sinne des Art. 1 DSchG dar. Es war zwischenzeitlich in die Denkmalliste eingetragen als „Gasthaus, zweigeschossiger Satteldachbau, mit Kugelaufsätzen, Eckquaderung und Giebelgesimsen im Kern wohl 17. Jahrhundert, Fassade 18. Jahrhundert“. Nunmehr wurde es jedoch wegen massiver Umbauarbeiten vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege als Einzeldenkmal aus der Denkmalliste gestrichen (Bl. 130-133 Verfahrensakte).

Das Gebäude befindet sich am nördlichen Rand der ummauerten Kernaltstadt von ... unmittelbar südlich des unteren Tors in einer für Gasthäuser typischen städtebaulichen Situation. Laut Aussage des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 17. August 2015 handelt es sich dabei um ein wichtiges bauhistorisches und stadtgeschichtliches Zeugnis für den Wiederaufbau der Stadt ... nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die Erhaltung des Denkmalbestands liege im Interesse der Allgemeinheit und sei aus denkmalfachlicher Sicht unverzichtbar. Aus der Stellungnahme geht hervor, dass zumindest die tragenden Zwischenwände und die Tragkonstruktion auf historischer Bausubstanz beruht, nicht jedoch das Innere des Gebäudes. Das Erdgeschoss ist durch moderne Einbauten, die im Zusammenhang mit der Nutzung als Gaststätte stehen, überformt. Laut Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 17. August 2015 sei eine denkmalgerechte Reparatur möglich und dringend erforderlich. So müsse etwa Ziel der statischen Sicherung der weitgehende Erhalt des Konstruktionsgefüges des Dachwerks des 17. Jahrhundert sein. Auf den Inhalt der Stellungnahme im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 55 bis 58 der Akten).

Mit Bauantrag vom 21. Januar 2015 beantragte die Beigeladene den Umbau und die Sanierung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses, des Weiteren den Anbau eines Treppenhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung .... Ein Abweichungsantrag nach Art. 63 Abs. 1 BayBO wurde dabei ausweislich der Planunterlagen nicht gestellt. Die anzubauende Treppe soll dabei westlich an das Gebäude angebaut werden. Sie soll im Ergebnis ein auskragendes Treppenhaus mit einer Gesamthöhe von 8,72 m darstellen. Die Breite der Treppe beträgt 2,74 m (vgl. Bl. 26 der Stammakte). Die Entfernung der Außenwand bzw. des Treppenhauses zum Grundstück des Klägers beträgt 1,80 m. Unmittelbar an dieser Grundstücksgrenze befindet sich auch das Gebäude des Klägers. Auf die Lichtbilder des Augenscheins wird Bezug genommen.

Mit Datum vom 22. Februar 2016 erteilte der Beklagte der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben. Darin wurde u. a. gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Abweichung von Art. 6 Abs. 5 und Abs. 6 BayBO zugelassen (Abstand des Treppenhauses nach Süden, vgl. Bl. 87 Gerichtsakte). In den Gründen des Bescheids wird u. a. ausgeführt, dass sich das Baugrundstück im unbeplanten Innerortsbereich von ... befinde. Die Umgebungsbebauung entspreche einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO. Bei dem Gebäude handele es sich um ein Einzelbaudenkmal, das in der Denkmalliste für den Landkreis ... eingetragen ist. Außerdem sei es Bestandteil des Denkmalensembles „Altstadt ...“. Im Verfahren sei das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege beteiligt worden. In seiner Stellungnahme vom 17. August 2015 habe es die Bedeutung des Gebäudes als Einzelbaudenkmal gewürdigt. Es handele sich um ein wichtiges stadtgeschichtliches Zeugnis für den Wiederaufbau von ... nach dem Dreißigjährigen Krieg. Für das Dachwerk liege eine dendrochronologische Untersuchung vor, die auf das Entstehungsjahr 1656 hinweise. Die Bauherrin habe im Zuge der Sanierung die Neuerrichtung des Dachstuhls beantragt, da dessen Zustand derart schadhaft sei, dass er dringend einer Überarbeitung bedürfe. Eine Untersuchung durch ein Ingenieurbüro habe ergeben, dass ca. 2/5 der Holzteile ersetzt werden müssten und über Stahlelemente mit dem Bestand zu ergänzen seien. In rechtlicher Hinsicht füge sich ein Treppenhausanbau in bauplanungsrechtlicher Hinsicht in die Umgebungsbebauung ein. Er nehme die gebotene Rücksicht, da auch die Nachbarbebauung dreigeschossig sei und das Vorhaben diesen Rahmen einhalte. Zudem liege der Anbau nördlich der dreigeschossigen Nachbarbebauung und weise gegenüber dem südlichen Nachbargrundstück lediglich eine Breite von 2,74 m auf. Eine einmauernde Wirkung trete dadurch nicht ein. Zudem würden die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO für die Zulassung der Abweichung wegen der Unterschreitung des Grenzabstandes des Treppenhauses nach Süden vorliegen. Das Baugrundstück befinde sich in der historischen Altstadt von .... Von sämtlichen Gebäuden in der näheren Umgebung würden deshalb die nach heutigem Recht erforderlichen Abstandsflächen nicht eingehalten. Die für die Zulassung der Abweichung erforderliche Atypik werde hierdurch gerechtfertigt. Der Schutzzweck der Abstandsvorschriften, nämlich die Wahrung einer ausreichenden Belichtung und Belüftung sowie eines ausreichenden Brandschutzes gegenüber der Bebauung auf dem betroffenen Nachbargrundstück werde aufgrund der geringen Breite des Anbaus, seiner Lage auf der Nordseite des Nachbargrundstücks sowie seiner Ausführung in öffnungsloser Massivbauweise nicht nachteilig beeinflusst. Die Abweichung habe daher zugelassen werden können.

Mit seiner am 24. März 2016 erhobenen Klage beantragt der Kläger,

den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamtes ... vom 22.2.2016 zugunsten der Frau ..., ...str. ..., ... (AZ: ...) betreffend das Bauvorhaben „Umbau und Sanierung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses; Anbau eines Treppenhauses, Bauort Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ...“ aufzuheben.

Die Baugenehmigung sei rechtswidrig. Die Entfernung des Treppenhauses zum Grundstück des Klägers betrage lediglich 1,8 m. Im Hinblick auf dieses, als eigenständiges Bauwerk zu wertendes Treppenhausgebäude, würden die Abstandsflächen des Art. 6 Abs. 4 BayBO nicht eingehalten. Soweit ersichtlich liege eine städtebauliche Satzung nach Art. 81 BayBO entsprechend Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Abs. 7 BayBO nicht vor. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 8 BayBO würden ersichtlich nicht vorliegen. Bei der Treppenhausanlage handele es sich um kein untergeordnetes Bauteil. Es trete zunächst mehr als 1,5 m von der Außenwand hervor, auch bestünde faktisch ein geringerer Abstand als Art. 6 Abs. 8 Ziffer 2 c) BayBO dies vorsehe. Auch die Voraussetzung des Art. 6 Abs. 9 BayBO liege ersichtlich nicht vor. Gründe, welche einen Dispens rechtfertigen würden, bestünden nicht. Zum einen sei die Höhe des Bauwerks mit 8,72 m drastisch und keinesfalls untergeordnet. Die nachbarlichen Belange seien auch im Hinblick auf Belichtung und Belüftung des Grundstücks des Klägers nicht gewahrt. Im Übrigen sei es jederzeit möglich und zumutbar, die Erschließung des Gebäudes über ein innenliegendes Treppenhaus vorzunehmen. Ungeachtet dessen gelte, dass auch unter städtebaulichen Gesichtspunkten die entsprechende Treppenhausanlage nicht hinzunehmen sei. Sofern die Treppenhausanlage errichtet werden würde, würde faktisch ein vorhandener Stellplatz wegfallen. Zudem würde durch den Ausbau des Objekts mit zwei Wohnungen ein zusätzlicher Stellplatzbedarf gegeben sein. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, wie sich die Belange des Denkmalschutzes mit der Errichtung einer entsprechenden Treppenhausanlage vereinbaren ließen. Die Voraussetzungen für eine Abweichung wegen Grenzabstandes - wie im angegriffenen Bescheid auf Seite 5 Ziffer 3 ausgeführt - würden hier nicht vorliegen. Zutreffend sei, dass sich das Objekt im Bereich der historischen Altstadt von ... befinde. Sofern - bezogen auf historische Bauten - die heutigen Abstandsvorschriften partiell nicht eingehalten seien, so sei dies in Bezug auf aktuelle Anbauten nicht relevant. Es liege bereits die für die Abweichung erforderliche Atypik nicht vor. Eine Erschließung der Geschosse sei nämlich auch über das Innengebäude möglich. In diesem Zusammenhang werde zudem auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Mai 1995 - Az. Au 5 S 95.439 - verwiesen. Der damalige Beschluss habe, bezogen auf eine ähnliche Sachkonstellation, die identischen Grundstücke betroffen.

Mit Schriftsatz vom 8. April 2016 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Baugrundstück und klägerisches Grundstück würden sich im Denkmalensemble der historischen Altstadt von ... befinden. In diesem Umfeld würden die nach heutigem Recht erforderlichen Abstandsflächen weitgehend nicht eingehalten, so auch bei den Gebäuden auf dem klägerischen wie auf dem Baugrundstück. Dieser Umstand stelle im Hinblick auf das geltende Abstandsflächenrecht eine Atypik dar, die bei abstandsflächenrelevanten Änderungen, wie hier, mangels entsprechenden Ortsrechts letztlich nur über das Instrument der Abweichung gelöst werden könne. Die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO für die Zulassung einer solchen Abweichung würden vorliegen. Für die Nachbarschaft wäre der vorhandene Zustand durch den Anbau des fraglichen Gebäudeteils abstandsflächenrechtlich nicht mehr als nur unwesentlich verschlechtert. Denn bei der Gestaltung und Situierung des klagegegenständlichen Gebäudeteils würde auch die gebotene Rücksicht genommen. Der Anbau sei mit 2,74 m Ansichtsbreite gegenüber dem klägerischen Grundstück sehr schmal. In der Höhe gehe er nicht über die hier vorherrschende Dreigeschossigkeit hinaus und nehme im Übrigen die südliche Gebäudeflucht des auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäudes auf. Andere Möglichkeiten zur Situierung des Treppenhauses auf dem Grundstück unter Einhaltung der Abstandsflächen seien im Vorfeld besprochen worden, aber zur Erhaltung vorhandener Stellplätze bzw. aus technischen Gründen nicht realisierbar. Die Abweichung habe daher zugelassen werden können.

Mit Email vom 2. Mai 2016 übermittelte der Bevollmächtigte des Klägers auf Bitte des Berichterstatters den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg (Au 5 S 95.439) vom 4. Mai 1995. In dieser Entscheidung setzt sich das Gericht mit der Bebauung der nordwestlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Fl.Nr. ..., ..., ... mit Reihenhäusern auseinander und sah im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Abweichung gemäß Art. 77 Abs. 1 BayBO (a. F.) nicht gegeben. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Die Beigeladene äußerte sich bisher nicht schriftsätzlich.

Am 29. Juli 2016 fand ein gerichtlicher Termin zum Augenschein statt.

Mit Mail vom 1. August 2016 an das Gericht übermittelte der Bevollmächtigte des Klägers einen Vergleich vom 4. August 1995, der im Verfahren 26 CS 95.1762 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof über die Bebauung auf den nordwestlichen Flurnummern mit Reihenhäusern geschlossen wurde.

Mit Schriftsatz vom 5. September 2016 nahm der Beklagte im Nachgang zum Ortstermin Stellung. Was die gerichtlichen Entscheidungen, die der Bevollmächtigte des Klägers vorlegte, bezüglich der Reihenhausbebauung westlich des Vorhabengrundstücks betreffe, sei auch dort Streitpunkt gewesen, ob Abweichungen der damals wie heute nicht eingehaltenen Abstandsflächen hätten zugelassen werden können. Die Vorhaben wiesen jedoch gravierende Unterschiede zum streitgegenständlichen Vorhaben auf. Gegenstand des damals verhandelten Bauvorhabens sei die vollständige Neubebauung eines unbebauten Grundstücks von normalem, rechteckigem Zuschnitt mit Reihenhäusern gewesen. Beim aktuellen Vorhaben stehe der Anbau eines Gebäudeteils inmitten, der eine rein funktionale Bedeutung besitze und im Hinblick auf seine Position am Grundstück an den Gebäudebestand gebunden sei. Anders als bei der Reihenhausbebauung stehe hier nicht die größtmögliche wirtschaftliche Ausnutzung des Grundstücks im Fokus, sondern die Nutzbarmachung einer vorhandenen und verwertbaren historischen Gebäudesubstanz unter Berücksichtigung heutiger Bedürfnisse. Hierzu solle die künftige Erschließung der in dem Gebäude vorgesehenen Nutzungseinheiten durch ein neu zu erstellendes Treppenhaus, dessen Lage auf dem Grundstück durch die baulichen Gegebenheiten (Zugang zum Gewölbekeller und zu den Fluren in den oberen Etagen) sowie auf dem Grundstück selbst (Anzahl, Lage und Nutzbarkeit der vorhandenen Stellplätze) vorgegeben und nicht beliebig variierbar sei, erfolgen. Der Umstand, dass das Bestandsgebäude aus einer Zeit stamme, in der Abstandsflächen nach heutigem Recht keine Rolle spielten, die erforderlichen Abstandsflächen deshalb nicht eingehalten seien und das Gebäude folglich nicht mehr beliebig mit den heutigen Regeln in Einklang gebracht werden könne, um es im Rahmen des Bestandes und der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz sinnvoll zu verwerten, begründe nach Auffassung des Beklagten die erforderliche Atypik, die Voraussetzung und gleichsam die erste Stufe einer zweistufigen Entscheidung bei der Anwendung der Abweichungsvorschrift des Art. 63 Abs. 1 BayBO sei. Diese Atypik habe wohl bei dem Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück, bei dem es damals darum ging, einen Neubau auf einer abstandsflächenrechtlich unbelasteten Fläche mit klassischem, nahezu rechteckigen Zuschnitt zu erstellen, gefehlt. Leitmotiv für die Entscheidung, hier Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften zuzulassen, sei damals wohl die vorhandene städtebauliche Situation im historischen und denkmalgeschützten Altstadtbereich von ... gewesen und der Gedanke, eine Neubebauung zu ermöglichen, die die Vorgaben der Umgebungsbebauung auf das historische Stadtbild aufnehme und so zu dessen Erhaltung beitrage. Für derartige Grundentscheidungen stünden allerdings ausreichend geeignete Instrumente, wie z. B. über entsprechendes Ortsrecht (Bebauungsplan, Gestaltungs-/Abstandsflächensatzung) zur Verfügung. Sie könnten nicht allein über bauordnungsrechtliche Einzelfallentscheidungen gelöst werden, die eine andere, nämlich in erster Linie sicherheitsrechtliche Zielrichtung haben. Daher seien die Fälle nicht vergleichbar.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 ergänzte der Bevollmächtigte des Klägers seinen Vortrag. Der Ortstermin habe ergeben, dass der Abstand des intendierten Treppenhauses 1,80 m zur Grundstücksgrenze des Klägers betrage. Die Gesamtlänge der Südseite des Gebäudes auf Fl.Nr. ... betrage derzeit ohne Anbau bereits 17 m. Die Treppenanlage werde den Bereich zwischen den Bestandsbauwerken auf dem Grundstück des Beigeladenen insgesamt ausfüllen. Eine zwingende Notwendigkeit der Treppenanlage sei nicht gegeben. Sowohl eine Binnenerschließung der oberen Stockwerke wie auch eine Rückversetzung des Anbaus seien möglich. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich auf dem Grundstück der Beigeladenen - unterhalb des Terrassenvorbaus - ein Stellplatz befinde, welcher sogar überdacht sei. Dieser würde durch das geplante Außentreppenhaus wegfallen. Konsequenz sei, dass kein einziger Stellplatz mehr vorhanden wäre. Festzuhalten sei ferner, dass wohl zwischen dem Gebäude des Klägers und der Beigeladenen ein historischer Kellerdurchgang vorhanden sei. Diesbezüglich müsste Denkmalschutz bestehen. Dieser würde wohl bei jetziger Planrealisierung zerstört werden bzw. wegfallen. Für die Anlieferung der Gaststätte sei die entsprechende Treppenhausanlage nicht notwendig. Zudem habe der Ortstermin gezeigt, dass die behauptete Atypik nicht vorliege. Vorliegend könne die Situation für die Beigeladene planerisch selbstredend nicht nur über die intendierte Außentreppenhauslösung in der jetzigen Situierung gelöst werden, sondern auch durch ein Innentreppenhaus oder eine Treppenhausanlage, welche die gültigen Abstandsvorschriften einhalte. Die Voraussetzungen für Art. 63 Abs. 1 BayBO lägen somit nicht vor. Die Situation werde sich - anders als vom Beklagten behauptet - für den Kläger durch den Anbau massiv verschlechtern.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg im Verfahren Au 5 S 95.439, welcher sich in der Gerichtsakte befindet.

Gründe

Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gegenstand des Verfahrens ist allein die vorgelegte und mit Bescheid vom 22. Februar 2016 genehmigte Planung des Vorhabens der Beigeladenen.

Nach Überzeugung der Kammer verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Rechte des Klägers, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren.

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20, 22).

Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 33). Dass eine solche Abweichung ausweislich der Bauantragsunterlagen nicht explizit beantragt wurde (Bl. 2 Bauantragsmappe), kann vorliegend jedoch nicht verhindern, dass der klagende Nachbar die Genehmigung einer Abweichung von der Einhaltung der gesetzlichen Regel-Abstandsfläche schon alleine kraft ihres Regelungsgehaltes angreifen können muss (vgl. jüngst BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 CS 16.1348 - juris Rn. 29).

1. Die Überprüfung der nachbarschützenden Vorschrift des Art. 6 BayBO ergibt, dass Abstandsflächen zulasten des Klägers nicht verletzt sind, weil jedenfalls diesbezüglich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorliegen. Der Kläger kann sich vorliegend insbesondere nicht auf eine Verletzung seiner Rechte durch die Gewährung einer Abweichung von Art. 6 Abs. 5 und Abs. 6 BayBO nach Art. 63 Abs. 1 BayBO berufen.

Denn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind gegeben. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird. Es müssen rechtlich erhebliche Umstände vorliegen, die das Vorhaben als einen atypischen Fall erscheinen lassen und die dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für einen atypischen Sachverhalt ist also, dass Gründe vorliegen, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

a) Die erforderliche Atypik für eine Abweichung als ersten Prüfungsschritt hält die Kammer im konkreten Fall für gegeben, bereits unabhängig davon, wie die systematische Einordnung der Problematik des hier in Frage kommenden Grundsatzes von Treu und Glauben in die Prüfsystematik im Rahmen der Prüfung der Abweichung vorgenommen wird (ein der Atypik vorrangiges Ausschlusskriterium für eine erfolgreiche Nachbarklage, ein nachrangiges Ausschlusskriterium oder Teil der Interessenabwägung im Rahmen der Abweichung, vgl. dazu jüngst BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 15-17):

aa) Die Besonderheit des Falles, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber dem Grundstück des Antragstellers rechtfertigt, ergibt sich aus der Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit über Jahrhunderten dicht bebauten Innenstadtrevier, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. In diesem halten - wenn überhaupt - nur verschwindend wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstücksgrenzen ein, was der Augenschein und die vorgelegten Katasterauszüge nachweisen. Jedwede bauliche Veränderung der bestehenden Anwesen ist in solchen Lagen geeignet, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 CS 16.1348 - juris Rn. 34; BayVGH, B.v. 4.8.2011, 2 CS 11.997 - juris Rn. 23) Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen. Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH vom 07.10.2010 Az. 2 B 09.328 - juris).

Vorliegend geht es um die Modernisierung durch Umbauten und Sanierung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses mit Anbau eines Treppenhauses. Die Beigeladene möchte das Gebäude, das sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung von ihren Eltern geerbt hat, wirtschaftlich nutzbar machen. Sie stimmte sich dabei eng mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ab (Bl. 50, 55 ff. Verfahrensakte), welche sich mit der vorgelegten Planung einverstanden erklärten. Kernforderung des Hauptkonservators Dr. ... war dabei, neben den vorgeschlagenen Auflagen für die Baugenehmigung möglichst weitere Eingriffe in die bauliche Substanz zu vermeiden (Bl. 58 Verfahrensakte). Eine Außentreppe wird dieser Forderung gerecht, da nur durch diesen ergänzenden Raum weitere Eingriffe in die Substanz verhindert werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass durch die zu beurteilende Planung in Gestalt der Baugenehmigung eine Weiterbenutzung des noch vorhandenen Stellplatzes ermöglicht wird, wie sich aus den Antragsunterlagen und den Einlassungen der Beigeladenen und des Beklagten ergibt. Die Beigeladene plant zudem durch das Treppenhaus die Erschließung des historischen Kellergewölbes im südlichen Teil des Vorhabengrundstücks, welches eine Lage des Treppenhauses an dieser Stelle notwendig macht. In der Zusammenschau aus Lage des Grundstücks im dicht bebauten Bereich und seinem Schnitt mit dem verfügbaren Raum leitet die Kammer daher vorliegend einen atypischen Sachverhalt ab.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des VG Augsburg vom 4. Mai 1995 (Az.: Au 5 S 95.439). Der dort entschiedene Fall betraf hauptsächlich die Bebauung der nordwestlich des Klägergrundstücks gelegenen Grundstücke Fl.Nr. ..., ... und ... mit einer Reihenhausanlage. Die erkennende Kammer lehnte damals die erforderliche Atypik für die nordwestlichen Grundstücke mit dem Argument ab, dass die genannten Grundstücke nicht für die beabsichtigte massive Bebauung geeignet seien. Zum Einen betrifft diese Entscheidung jedoch nicht das Grundstück der Beigeladenen bzw. die Modernisierung des dort schon seit Jahrhunderten bestehenden Gebäudes nordöstlich des Klägergrundstücks. Die Entscheidung erging zum Anderen auch nach Art. 77 Abs. 1 BayBO a. F. (Geltungszeitpunkt 1995), welcher damals von seinem Wortlaut anders gefasst war als der heutige Art. 63 BayBO. Die Entscheidung betraf ein Eilverfahren und beinhaltete nicht die weiterentwickelte Rechtsprechung in Bezug auf die Atypik sowie den Aspekt von Treu und Glauben bei eigener Überschreitung der Abstandsfläche (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris m. w. N.). Ferner geht es im zu entscheidenden Fall auch nicht um eine massive Neubebauung mit Reihenhäusern, sondern lediglich um den Anbau eines auskragenden Treppenhauses am Bestandsgebäude auf Fl.Nr. ....

b) Die Abweichung ist auch unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen vereinbar, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften, nämlich ausreichender Belichtung und Belüftung der Gebäude sowie Brandschutz und Wohnfrieden (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2016, Art. 63 Rn. 42), führt die Erteilung einer Abweichung nicht zu für den Kläger schlechthin untragbaren Verhältnissen. Zwar wird der Zweck des Abstandsflächenrechts regelmäßig nur dann erreicht, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden (hier 1 H, also 8,72 m, Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO, wobei das 16 m Privileg wegen der Wandlänge der Südseite des Grundstücks der Beigeladenen nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO nicht zur Anwendung gelangt). Mit einem Abstand von etwa 1,8 m zum auskragenden Treppenhaus findet tatsächlich eine Verschlechterung der bisherigen Situation für den Kläger statt, weil durch den Treppenhausanbau eine erhöhte Verschattung seiner nördlichen Gebäudewand zu erwarten ist. Zu berücksichtigen sind im Rahmen der Abwägung jedoch folgende Aspekte: Die betroffenen Fenster des Klägers befinden sich ohnehin auf der dunklen Nordseite seines Gebäudes. Soweit ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad zur Waagrechten nicht eingehalten werden kann (vgl. zu dieser früheren Anforderung Art. 6 Abs. 2 Satz 3, Abs. 7 BayBO in der bis 31.8.1982 geltenden Fassung), ist dies überwiegend auf die bis auf die Nordgrenze erfolgte bauliche Ausnutzung des Grundstücks des Klägers und nur teils auf das streitige Vorhaben zurückzuführen. Ein gewisser Lichteinfall bleibt von der nordwestlichen Seite (Bezugspunkt Nordwand des Klägergebäudes) erhalten, wie der Augenschein ergeben hat. Letztlich muss dies jedoch nicht entschieden werden, da nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 BayBO sogar fensterlose Küchen oder Kochnischen zulässig sind, wenn eine wirksame Lüftung gewährleistet ist.

Dem Brandschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass der angegriffene Bescheid unter Punkt 1.7. mit der Anzeige der vorgesehenen Nutzungsaufnahme des Gebäudes eine Bestätigung des Nachweiserstellers oder eines anderen Nachweisberechtigten im Sinne des Art. 62 Abs. 2 Satz 3 BayBO über die mit dem Brandschutznachweis übereinstimmende Bauausführung fordert.

Der Wohnfrieden wird dadurch gewahrt, dass der geplante Treppenhausanbau nach den Bauantragsunterlagen derart gestaltet ist, dass Einblicke in die Fenster des Klägers nicht möglich sind. Für den Kläger sind damit keine schlechthin untragbaren Verhältnisse zu befürchten.

3. Letztlich entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch der Umstand, dass der Kläger seinerseits die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen (Fl.Nr. ...) nicht einhält. Sein Gebäude, das nach den Erkenntnissen des Augenscheins und des Lageplans mindestens genauso hoch ist wie das geplante Treppenhaus, steht mit der gesamten Länge genau auf der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beigeladenen. In dieser Situation kann der Kläger billigerweise nicht verlangen, dass die Beigeladene auf dem Baugrundstück entsprechende Flächen freihält (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - NVwZ-RR 2015, 247 = juris Rn. 37 m. w. N.; VG München, B.v. 11.6.2015 - M 8 SN 15.1421 - juris Rn. 34 ff.: eine dennoch erhobene Rüge gegenüber einer „gleichgewichtigen“ Abweichung für das Neubauvorhaben verstieße gegen Treu und Glauben).

Das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 14.10.2014 - 4 B 51.14 - juris) hat bestätigt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung gilt. Eine konkrete Entscheidung zur Geltung im Abstandsflächenrecht sowie zur systematischen Einordnung hat das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis darauf, dass hier Landesrecht betroffen ist, nicht getroffen. Die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung wendet den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB auch im Rahmen des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts an. Dabei ist es unerheblich, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris; VGH SH, U.v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; NdsOVG, B.v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - NVwZ-RR 1999, 716; VGH BW, U.v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW 2003, 235; OVG NRW, B.v. 12.2.2010 - 7 B 1840/09 - juris; U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). Der Kläger kann sich demnach nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Gebäude bereits seit dem 18. Jahrhundert an dieser Stelle stehe.

a) Hinsichtlich der systematischen Einordnung des Grundsatzes von Treu und Glauben in das bauordnungsrechtliche Prüfprogramm lassen sich verschiedene Ansätze vertreten (hierzu BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 15 ff.). So könnte das Korrektiv des Grundsatzes von Treu und Glauben bereits grundsätzlich eine Berufung auf die Verletzung des Abstandsflächenrechts ausschließen, so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Abweichung nach Art 63 BayBO nicht weiter ankäme (so BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). In diesem Fall hätte die Kammer das Vorliegen der Atypik bereits dahinstehen lassen können und allein aus diesem Grund die Klage abweisen müssen.

b) Als zweite Variante wäre eine Prüfung des Korrektivs des Grundsatzes von Treu und Glauben als Ausschlusskriterium nach Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Abweichung denkbar (BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 16). Da die Kammer die nötige Atypik als gegeben erachtet (s.o.), wäre eine Prüfung der nachbarlichen Belange in diesem Fall nicht mehr in Frage gekommen.

c) Als dritte Variante käme in Betracht, die bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Abstandsflächenrecht vorauszusetzende wechselseitige Verletzung der Abstandsflächen im Rahmen der nach Art. 63 BayBO zu treffenden Interessenabwägung einfließen zu lassen (BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 16). Nach dieser Lösungsvariante ist zu berücksichtigen, dass der Anteil des seitens des Klägers auf das Baugrundstück entfallenden Abstandsfläche größer als die vom Baugrundstück fallende Abstandsfläche des auskragenden Treppenhauses ist, weil sein Gebäude unmittelbar an der Grenze steht, das geplante Treppenhaus jedoch noch einen Mindestabstand von etwa 1,8 m aufweist. Es handelt sich damit um eine mindestens gleichgewichtige Verletzung bezüglich des Umfangs des Abstandsflächenverstoßes seitens des Klägers, welche nach Treu und Glauben die Berufung auf einen Abstandsflächenverstoß der Beigeladenen ausschließt.

Insoweit bestätigt sich (auch in dieser dritten Variante) das vorgefundene Abwägungsergebnis im Rahmen der Prüfung der nachbarlichen Belange mit dem Schutzzweck der jeweiligen Anforderungen.

Damit war nach allen denkbaren Varianten eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten durch die Gewähr einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 5 und 6 BayBO ausgeschlossen.

4. Das Vorhaben fügt sich auch nach der Art seiner Nutzung nach unbestritten gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die maßgebliche nähere Umgebung ein, wie der Augenschein ergeben hat. Es ist insbesondere nicht rücksichtslos.

Bei Wohnbauvorhaben ist eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen, wenn sich das Vorhaben nach seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - BayVBl 1999, 568 = juris Ls 2 und Rn. 6, zweigeschossiges Sechsfamilienhaus neben Flachdachbungalow). Ob das Rücksichtnahmegebot verletzt ist, hängt nicht davon ab, ob die landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten sind (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - a. a. O. Ls 1 und Rn. 3). Maßgeblich erscheint hier allein die Frage, ob durch das Bauvorhaben eine „erdrückende Wirkung“ gegenüber der nördlichen Gebäudewand des Klägers erzeugt wird. Die zu der Problematik einer „erdrückenden Wirkung“ veröffentlichte Rechtsprechung (Überblick bei Troidl, BauR 2008, 1829) macht deutlich, dass die Situation auf dem Grundstück des Klägers noch nicht durch jene Unzumutbarkeit geprägt ist, die im Einzelfall eine solche Annahme gerechtfertigt hat. Die Hauptkriterien für die Beurteilung einer „erdrückenden Wirkung“ sind die Höhe des Vorhabens, seine Länge und die Distanz, hilfsweise das Erscheinungsbild des Vorhabens (vgl. Troidl, BauR 2008, 1829 (1843)). Nach herkömmlicher Rechtsprechung hat eine bauliche Anlage erdrückende Wirkung zudem nur dann, wenn sie wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, in dem sie diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe der „erdrückenden“ Anlage aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls - und ggf. trotz Wahrung der erforderlichen Abstandsflächen - derart übermächtig ist, dass das - erdrückte - Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2015 - 2 NE 15.1612; OVG NW, B.v. 10.1.2013 - 2 B 1216/12. NE juris Rn. 21). Für die Annahme einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist aber grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Gerade an letzterem scheitert vorliegend eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme, da die Höhe des Treppenhauses mit 8,72 m jedenfalls nicht die Größe des Gebäudes auf dem Grundstück des Klägers überschreitet. Zudem ist die Treppe selbst lediglich 2,74 m breit und riegelt die Nordwand damit nicht vollkommen ab.

Vorliegend kann somit in der Zusammenschau von keiner Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ausgegangen werden.

5. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Kosten der Beigeladenen waren hiervon wegen §§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO auszunehmen, da sie mangels Antragstellung auch kein Risiko eigener Kostentragungspflicht übernommen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 162 Rn. 23).

6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf 7.
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Annotations

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.