Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 26. Juni 2017 - Au 5 S 17.456

published on 26/06/2017 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 26. Juni 2017 - Au 5 S 17.456
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Gericht

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Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine von der Antragsgegnerin erlassene Nutzungsuntersagung.

Die Antragsgegnerin hat auf dem Grundstück Fl.Nr. …15 der Gemarkung ... mit Bescheid vom 13. März 1980 die Erstellung eines Büro- und Lagergebäudes mit zwei Wohnungen im ersten Obergeschoss genehmigt. Die Baugenehmigung enthält unter anderem die Auflage B.21, nach der die beiden Wohnungen gemäß § 8 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) für den Betriebsinhaber, Betriebsleiter bzw. Auf-sichts- oder Bereitschaftspersonen bestimmt sein müssen.

Mit Formblatt vom 23. Juni 1982 wurde bei der Antragsgegnerin ein Antrag auf eine Nutzungsänderung zu einem „Privat-Club“, der der Ausübung der Prostitution dient, gestellt. Der mit dem Bauantrag vorgelegte Bauplan ist mit „Plan zur Erstellung eines Clubs mit Wohnung“ überschrieben und stellt lediglich den bislang als Bürogebäude genutzten Teil des Gebäudes im Erdgeschoss dar.

Mit Bescheid vom 17. Januar 1983 hat die Antragsgegnerin die Nutzungsänderung für einen „Privat-Club“ erteilt. Der vom Antragsteller eingereichte Bauplan wurde mit einem Genehmigungsvermerk versehen und zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht. Die Baugenehmigung enthält unter den Auflagen zum Brandschutz eine Nr. B.1, in der festgestellt wird, dass die ursprünglich als Büroräume vorgesehenen Räumlichkeiten nun zu Clubräumen umfunktioniert werden.

In der Bauakte der Antragsgegnerin befinden sich zwei Bauvollendungsanzeigen vom jeweils 6. September 1984 mit unterschiedlichen Angaben. In einer Bauvollendungsanzeige wird das Bauvorhaben als „Umstellung eines Lager- und Bürogebäudes mit zwei Wohnungen“ bezeichnet und werden in der entsprechenden Rubrik 14 Wohnräume, zwei Wohnungen sowie eine Wohnfläche von 255,40 qm und eine gewerbliche Nutzfläche von 1.743,15 qm aufgeführt. In der anderen Bauvollendungsanzeige wird das Bauvorhaben mit „Nutzungsänderung (Privat-Club)“ bezeichnet. In dieser Bauvollendungsanzeige sind die Rubriken Quadratmeter Wohnfläche, Quadratmeter gewerbliche Nutzfläche, Wohnungen, Wohnräume ausgestrichen.

Im Zusammenhang mit einem Wohngeldantrag hat die zuständige Stelle bei der Antragsgegnerin das Bauordnungsamt der Antragsgegnerin am 4. November 1986 darauf hingewiesen, es sei klärungsbedürftig, ob die beiden im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnungen tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt würden. Das Bauordnungsamt antwortete darauf am 13. Januar 1987, dass sich der Wohngeldantragsteller nicht mehr gemeldet habe, so dass eine weitere Bearbeitung nicht erfolgen könne.

Am 14. Juni 2002 trat der Bebauungsplan Nr. ... „Östlich der ... Straße“ der Antragsgegnerin in Kraft, in dessen Umgriff auch das streitgegenständliche Grundstück liegt. Der Bebauungsplan setzt für den Bereich des streitgegenständlichen Grundstückes ein Gewerbegebiet im Sinne des § 8 BauNVO fest. Zulässig sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Gewerbebetriebe aller Art. Ausnahmsweise können nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 der textlichen Festsetzungen Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind, zugelassen werden. Ebenfalls ausnahmsweise zugelassen werden können nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes unter bestimmten Voraussetzungen Einzelhandelsnutzungen. Alle 5 übrigen nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes ausgeschlossen.

Am 24. Juli 2015 trat für den Bereich, in dem das streitgegenständliche Grundstück liegt, der Änderungsplan zum Bebauungsplan Nr. ... in Kraft. In § 4 der textlichen Festsetzungen des Änderungsplanes wird § 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes um einen Absatz 3 ergänzt, nach dem Bordelle, bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution nicht zulässig sind. Nach § 5 der textlichen Festsetzungen des Änderungsplans gelten alle übrigen Bestimmungen des Bebauungsplanes unverändert fort.

Am 22. Februar 2017 führte die Kriminalpolizeiinspektion ... in den Räumlichkeiten auf dem Grundstück Fl.Nr. …15 eine Überprüfung durch. Dabei wurde festgestellt, dass die nördliche Wohnung im ersten Obergeschoss des Gebäudes als sog. Terminwohnung zur Ausübung der Prostitution genutzt wird. Die südliche Wohnung im ersten Obergeschoss des Gebäudes wird nach den bei der Überprüfung getroffenen Feststellungen von jeweils in kurzen Zeiträumen wechselnden bis zu drei Prostituierten zu Wohnzwecken genutzt. In der südlichen Wohnung finden nach den Feststellungen der Kriminalpolizei keine prostitutionsähnlichen Handlungen statt, die Ausübung der Prostitution findet ausschließlich in der nördlichen Wohnung statt.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass nach ihr vorliegenden Informationen im ersten Obergeschoss des Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. …15 der Prostitution nachgegangen werde, ohne dass hierfür eine baurechtliche Genehmigung vorliege. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Ausübung der Prostitution spätestens mit Ablauf des 8. Januar 2017 zu unterbinden.

Mit Bescheid vom 1. März 2017, Gz.,, untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, im streitgegenständlichen Anwesen ab dem 27. März 2017 die nördliche Wohnung für die gewerbliche Nutzung der Prostitution (Wohnungsprostitution oder 8 Terminwohnung) nutzen zu lassen (Nr. 1a des Tenors des Bescheides) sowie im ersten Obergeschoss des streitgegenständlichen Anwesens ab dem 27. März 2017 die südliche Wohnung für eine wohnähnliche Nutzung, die nicht der genehmigten Nutzung für einen Betriebsinhaber, Betriebsleiter bzw. Aufsichts- oder Bereitschaftsperson, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet ist, zu nutzen bzw. nutzen zu lassen (Nr. 1b des Tenors des Bescheides). Die vier Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstückes wurden verpflichtet, die in Nr. 1a des Tenors des Bescheides auferlegte Verpflichtung, die gewerbliche Nutzung in der nördlichen Wohnung zu Zwecken der Prostitution zu unterlassen, ab dem 27. März 2017 zu dulden (Nr. 2a des Tenors des Bescheides) sowie die in Nr. 1b des Tenors des Bescheides auferlegte Verpflichtung, die südliche Wohnung für eine wohnähnliche Nutzung zu nutzen bzw. nutzen zu lassen, zu unterlassen, ab dem 27. März 2017 zu dulden (Nr. 2b des Tenors des Bescheides). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Tenors des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3 des Tenors des Bescheids). Für den Fall der Zuwiderhandlung der Antragstellerin gegen die unter Nr. 1 des Bescheides verfügten Nutzungsuntersagungen wurde in Bezug auf die Nr. 1a des Tenors des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR (Nr. 4a des Tenors des Bescheides) und in Bezug auf die Nr. 1b des Tenors des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR (Nr. 4b des Tenors des Bescheides) angedroht. Für den Fall, dass die Miteigentümer der in Nr. 2 des Tenors des Bescheides festgelegten Duldungspflicht zuwiderhandelten, wurde in Bezug auf Nr. 2a des Tenors des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von je 1.000,- EUR (Nr. 5a des Tenors des Bescheides) und in Bezug auf Nr. 2b des Tenors des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von je 1.000,- EUR (Nr. 5b des Tenors des Bescheides) angedroht. In Nr. 6 des Tenors des Bescheides wurde festgesetzt, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat und für die Duldungsverpflichtung keine Kosten erhoben werden.

Zur Begründung hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nutzung der nördlichen Wohnung zu Zwecken der gewerblichen Prostitutionsausübung nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig sei. Die Nutzung der südlichen Wohnung durch die Prostituierten, die in der nördlichen Wohnung der Prostitution nachgingen, als private Wohnung sei ebenfalls nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig. Die Nutzungen wichen von den erteilten Baugenehmigungen ab bzw. seien von diesen nicht gedeckt und stünden im Widerspruch zu den maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplanes. Die Antragstellerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, trete gegenüber den Prostituierten und der Antragsgegnerin als Betreiberin bzw. verantwortlich Handelnde auf. Die Antragstellerin habe daher im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens als Handlungsstörerin und Adressatin der Nut-zungsuntersagungen herangezogen werden können. Infolge der in kurzen Zeiträumen wechselnden Prostituierten in den Wohnungen im ersten Obergeschoss sei deren Heranziehung nicht sachgerecht. Die angeordneten Nutzungsuntersagungen seien auch im Übrigen ermessensgerecht, insbesondere verhältnismäßig, da kein anderes, insbesondere milderes Mittel zur Verfügung stehe, die baurechtswidrige Nutzung zu verhindern. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei geboten, da diese regelmäßig in besonderem öffentlichen Interesse liege und eine weitere illegale Nutzung und eine damit verbundene Vorbildwirkung und Verfestigung baurechtswidriger Zustände innerhalb des Plangebiets verhindert werden solle. Die mit der Ausübung der Prostitution in der einen Wohnung verbundene wohnähnliche Nutzung in der anderen Wohnung könne insoweit nicht isoliert betrachtet werden. Die Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstückes hätten die getroffenen Anordnungen zu dulden. Die Androhung der Zwangsgelder sei gerechtfertigt, da nur dann davon ausgegangen werden könne, dass den Anordnungen des Bescheides nachgekommen werde.

Der Bescheid wurde der Antragstellerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 3. März 2017 zugestellt.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 23. März 2017, eingegangen bei Gericht per Fernkopie am 23. März 2017, unter dem Aktenzeichen Au 5 K 17.455 Klage erhoben und mit Schreiben vom 24. Mai 2017 beantragt, die Nrn. 1, 4 und 6 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 1. März 2017 aufzuheben.

Mit Schreiben vom 24. März 2017, eingegangen bei Gericht am 27. März 2017, hat die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 21. April 2017 beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung ihres Antrages hat die Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 21. April 2017 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung lägen vor, da die Ausübung der Prostitution in der nördlichen Wohnung im ersten Obergeschoss und der wohnähnlichen Nutzung in der südlichen Wohnung im ersten Obergeschoss nicht von der genehmigten Nutzung gedeckt sei. Sie sei genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig. Im Übrigen wurde auf die Ausführungen im Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. April 2017 Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat ihre Klage bzw. ihren Antrag mit Schreiben vom 1. Juni 2017 im Wesentlichen wie folgt begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nut-zungsuntersagung lägen nicht vor. Der Bescheid vom 17. Januar 1983, mit dem die Nutzungsänderung zu einem „Privat-Club“ genehmigt worden sei, umfasse auch eine Bordellnutzung in den beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes. In dem genehmigten Bauplan, der als „Plan zur Erstellung eines Clubs mit Wohnung“ bezeichnet sei, sei explizit nur noch von einer Wohnung und nicht mehr von zwei Wohnungen die Rede. Schon daraus werde ersichtlich, dass lediglich noch eine der beiden Wohnungen der Wohnnutzung dienen sollte, während die zweite Wohnung zu Prostitutionszwecken gedacht gewesen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die nördliche Wohnung für gewerbliche Nutzung zu Prostitutionszwecken vorgesehen gewesen sei, während die südliche Wohnung als Wohnung für den Betriebsinhaber, Betriebsleiter bzw. Aufsichts- und Bereitschaftspersonen bestimmt gewesen sei. Die beiden Wohnungen würden seit dem Jahr 1983 bis heute auch tatsächlich so genutzt. Ungeachtet dessen ergebe sich aus zahlreichen behördlichen Überprüfung vor Ort, Aktenvermerken und behördlichen Schreiben, dass der Antragsgegnerin die tatsächlich ausgeübte Nutzung in den beiden Wohnungen von Anfang an bekannt 19 war, ohne dass sie in den letzten 35 Jahren Anlass zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gesehen habe. Bereits aufgrund dieses Verhaltens der Antragsgegnerin in den vergangenen Jahren liege ungeachtet der materiellen Rechtmäßigkeit der Nutzung kein öffentliches Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nutzungsuntersagung vor.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Akten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Kläger ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Anordnung des Sofortvollzuges erging in formell rechtmäßiger Weise. Die Antragsgegnerin hat der Begründungspflicht für die Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend Rechnung getragen.

Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. An den Inhalt dieser Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es müssen aber die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2008 - 20 CS 08.421 - juris Rn. 20).

Diesen Vorgaben wird der Bescheid gerecht, soweit die Antragsgegnerin zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges ausführt, sie befürchte für den Fall der Fortführung der rechtswidrigen Nutzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens eine Verfestigung baurechtswidriger Zustände innerhalb des Plangebiets und, dass die weitere Nutzung im direkten Umfeld zu Bezugsfällen und einer nachhaltigen Störung des Gebiets führe, wobei die gleichzeitig mit der bordell 24 artigen Nutzung verbundene wohnähnliche Nutzung nicht isoliert betrachtet werden könne.

2. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei abzuwägen zwischen dem von der Behörde verfolgten Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entscheidung und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Maßgeblich sind hierbei in erster Linie die Erfolgsaussichten der erhobenen Anfechtungsklage.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der Bescheid der Antragsgegnerin ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

2.1 Rechtsgrundlage der Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehende Nutzung untersagen. Dabei genügt grundsätzlich schon die formelle Illegalität, also die Nutzung der Anlage ohne die gesetzlich erforderlich Baugenehmigung. Die Nutzungsuntersagung hat, insoweit einer Baueinstellung entsprechend, die Funktion, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen; es muss daher in der Regel nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Ausnahmsweise ist die Nut-zungsuntersagung allerdings unverhältnismäßig, wenn die ungenehmigte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.2011 - 2 B 11.353 - BayVBl 2012, 86; BayVGH, U.v. 16.2.2015 - 1 B 13.648 - NVwZ-RR 2015, 607; BayVGH, B.v. 23.4.2015 - 15 ZB 13.2378 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 2 ZB 15.61 - juris Rn. 3).

2.1.1 Die in den beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes ausgeübten Nutzungen, sowohl die Nutzung der nördlichen Wohnung als sog. Terminwohnung, als auch die Nutzung der südlichen Wohnung zu Wohnzwecken sind formell rechtswidrig.

Die in den beiden Wohnungen ausgeübten Nutzungen stellen eine im Vergleich zu der genehmigten Nutzung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar.

Eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung liegt vor, wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen dergestalt unterscheidet, dass die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens bzw. der geänderten Nutzung nach anderen baurechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist, als die bislang ausgeübte Nutzung. In planungsrechtlicher Hinsicht ist eine Nutzungsänderung danach dann anzunehmen, wenn die rechtliche Qualität der bisherigen Nutzung so verändert wird, dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt, wenn also die Variationsbreite der bisherigen Nutzung verlassen wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Änderung die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange berühren kann.

Das ist vorliegend der Fall.

Die Baugenehmigung vom 13. März 1980, mit der die Erstellung eines Büro-und Lagergebäudes mit zwei Wohnungen im ersten Obergeschoss genehmigt worden ist, wurde ausdrücklich unter der Auflage erteilt, dass die beiden Wohnungen nur durch den Betriebsinhaber oder Betriebsleiter bzw. Aufsichts- oder Bereitschaftspersonen zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen. Bei der als sog. Terminwohnung zur Ausübung der Prostitution genutzten nördlichen Wohnung handelt es sich um eine gewerbliche Nutzung. Ein Bordell oder bordellartiger Betrieb stellt einen Gewerbebetrieb dar. Das gilt selbst dann, wenn die Prostitution mit einer Wohnnutzung in denselben Räumen verbunden ist, der sog. Wohnungsprostitution (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.1995 - 4 B 137/95 30 juris Rn. 3). Das gilt erst recht für sog. Terminwohnungen, in denen die Räume ausschließlich zur Ausübung der Prostitution, nicht aber zu Wohnzwecken, genutzt werden (BayVGH, B.v. 16.5.2008 - 9 ZB 07.3221 - juris Rn. 7).

Die derzeitige Nutzung der nördlichen Wohnung als sog. Terminwohnung ist daher nicht von der am 13. März 1980 erteilten Baugenehmigung abgedeckt.

Die südliche der beiden Wohnungen wird nach den Angaben der Antragstellerin von den bis zu drei Prostituierten, die in der sog. Terminwohnung der Prostitution nachgehen, meist nur einige Wochen ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt.

Auch diese Nutzung ist allerdings nicht von der Legalisierungswirkung der Baugenehmigung vom 13. März 1980 umfasst, die eine Wohnnutzung ausdrücklich nur für den Betriebsinhaber, Betriebsleiter bzw. Aufsichts- oder Bereitschaftspersonen zulässt. Zu diesem Personenkreis gehören die derzeitigen Nutzer der Wohnung augenscheinlich nicht.

Die derzeitige Nutzung der beiden Wohnungen ist auch nicht von der Baugenehmigung vom 17. Januar 1983 abgedeckt. In dem Bescheid ist das Bauvorhaben als „Nutzungsänderung (Privat-Club)“ bezeichnet. Eine Begründung, der entnommen werden könnte, auf welche Räumlichkeiten des bestehenden Gebäudes sich die Nutzungsänderung konkret bezieht, enthält der Bescheid nicht. In den Akten befindet sich auch kein dem Bescheid zugrunde gelegter förmlicher Bauantrag, dem entnommen werden könnte, auf welche Räumlichkeiten sich die Genehmigung der Nutzungsänderung bezieht. Inhalt und Umfang der Nutzungsänderungsgenehmigung sind daher im Wege der Auslegung zu ermitteln. Danach bezieht sich die in dem Bescheid vom 17. Januar 1983 genehmigte Nutzungsänderung ausschließlich auf die Büroräume im Erdgeschoss des Gebäudes. Der Inhalt der Baugenehmigung vom 17. Januar 1983 ergibt sich hinreichend konkret aus dem vom damaligen Bauherrn eingereichten und mit einem Genehmigungsvermerk versehenen Bauplan „Grund 36 riss EG“, in dem die Umnutzung der Büroräume im Erdgeschoss des Gebäudes hin zu einer bordellartigen Nutzung (Clubraum mit Bar, Sauna, Zimmer 1, Zimmer 2, Zimmer 3) dargestellt ist. Ein Eingabeplan für die beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes befindet sich nicht bei den Bauakten. Dass das erste Obergeschoss mit den Wohnungen nicht von der Genehmigung der Nutzungsänderung vom 17. Januar 1983 umfasst war, ergibt sich darüber hinaus auch daraus, dass in der Bauvollendungsanzeige vom 6. September 1984 die beiden Wohnungen mit einer Wohnfläche von 255,40 m2 ausdrücklich separat neben der gewerblichen Nutzfläche von 1.743,15 m2 aufgeführt sind.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Genehmigung der Nutzungsänderung vom 17. Januar 1983 nur das Erdgeschoss des Gebäudes zum Gegenstand hatte und die Nutzung der beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss nicht von den Baugenehmigungen abgedeckt ist.

Die Antragstellerin kann der Nutzungsuntersagung auch weder eine behördliche Zusicherung, von einer Nutzungsuntersagung abzusehen, noch eine Duldungsverfügung der Antragsgegnerin entgegenhalten.

Auf eine behördliche Zusicherung, keine bauordnungsrechtlichen Eingriffsmaßnahmen durchzuführen, kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht berufen, weil sie nicht substantiiert vorgetragen hat, dass eine solche Zusicherung, die wegen Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG in Schriftform vorliegen müsste, ihr oder einem Rechtsvorgänger bzw. einer Rechtsvorgängerin gegenüber erlassen wurde. Eine solche Zusage findet sich auch nicht in den vorgelegten Akten. Eine lediglich tatsächliche langjährige Duldung bewirkt, ungeachtet der Frage, ob eine solche im vorliegenden Fall zu bejahen ist, die Rechtsfolgen des Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG nicht (BayVGH, B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 33).

Ungeachtet der Frage, ob eine solche im vorliegenden Fall vorliegt, kann allein durch eine faktische behördliche Duldung, also ein Nichteinschreiten trotz behördlicher Kenntnis der Nutzung, selbst wenn sie über längere Zeit erfolgt ist, eine illegale bauliche Anlage nicht legal werden bzw. ein bestehender Widerspruch einer Nutzung zum öffentlichen Recht nicht aufgelöst werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 33).

Die Befugnis, eine formell illegale Nutzung zu untersagen, kann auch nicht verwirkt werden. Das folgt schon daraus, dass nur Rechte, nicht aber Pflichten, hier die behördliche Pflicht, für rechtmäßige Zustände zu sorgen, verwirkt werden können (BayVGH, B.v. 15.9.2006 - 15 ZB 06.2065 - juris Rn. 5 m.w.N.).

Eine längere faktische Duldung kann ausschließlich im Rahmen des behördlichen Ermessens, also auf der Rechtsfolgenseite, relevant sein, wobei auch insofern im Vergleich zu ausdrücklichen Duldungszusagen ein allenfalls verminderter Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 33).

2.1.2 Die Antragsgegnerin hat das ihr im Rahmen des Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumte Ermessen unter Berücksichtigung des nach § 114 Satz 1 VwGO insoweit eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfangs ordnungsgemäß ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

Das der Antragsgegnerin eingeräumte Eingriffsermessen wird in erster Linie entsprechend dem mit der Befugnisnorm verfolgten Ziel, rechtmäßige Zustände herzustellen, durch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt. Die Bauaufsichtsbehörde muss in einer Weise vorgehen, mit der die ihr obliegende Aufgabe, für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen, möglichst effektiv erfüllt wird. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor, muss im Regelfall daher nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (sog. intendiertes Ermessen; BayVGH, B.v. 19.5.2016 - 15 CS 16.300 -juris Rn. 37 m.w.N.). Allerdings dürfen insbesondere mit Blick auf das Übermaßverbot keine Besonderheiten vorliegen, die ausnahmsweise ein Absehen von der Untersagung erfordern. Eine formell rechtswidrige Nutzung darf daher grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist bzw. unter Bestandsschutz steht. Eine offensichtlich materiell rechtmäßige Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher vergeblich nach Art. 76 Satz 3 BayBO aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen, wäre unverhältnismäßig (BayVGH, B.v. 19.5.2016 - 15 CS 16.300 - juris Rn. 21 m.w.N.)

Eine Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung wegen offensichtlicher materieller Genehmigungsfähigkeit der aktuell ausgeübten Nutzung in den beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes liegt ersichtlich nicht vor. Der Nutzung der nördlichen Wohnung als sog. Terminwohnung steht der am 24. Juli 2015 in Kraft getretene Änderungsplan zum Bebauungsplan Nr. ... entgegen, in dessen § 4 der textlichen Festsetzungen der § 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr.... vom 14. Juni 2002 dahingehend ergänzt wird, dass in dem Bereich des Plangebietes, in dem auch das streitgegenständliche Grundstück liegt, Bordelle, bordellartige Betriebe, Wohnungsprostitution und damit auch die Nutzung als sog. Terminwohnung nicht zulässig sind. Auch die Nutzung der südlichen Wohnung im ersten Oberge-schoss zu Wohnzwecken ist nicht offensichtlich materiell genehmigungsfähig, da der Teil des Plangebietes, in dem das streitgegenständliche Baugrundstück liegt, nach § 3 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr.... vom 14. Juni 2002 als Gewerbegebiet festgesetzt ist und nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 der textlichen Festsetzung des Bebauungsplanes Wohnungen nur ausnahmsweise für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet sind, zugelassen werden können.

Auch die faktische Duldung einer rechtswidrigen baulichen Anlage über längere Zeiträume hinweg im Sinne des schlichten Unterlassens eines bauaufsicht-lichen Einschreitens trotz Kenntnis der Bauaufsichtsbehörde führt nicht ohne weiteres zur Unverhältnismäßigkeit eines späteren Erlasses einer Nutzungs-untersagungsanordnung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde aufgrund des Hinzutretens besonderer Umstände einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BayVGH, B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 35).

Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen ist nicht davon auszugehen, dass die Bauaufsichtsbehörde durch positives Tun einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Der handschriftliche Vermerk der Bauaufsichtsbehörde vom 20. April 1983, nach dem die Nutzungsänderung zu diesem Zeitpunkt ausgeführt war, gibt keinen Hinweis auf eine baurechtswidrige Nutzung der Wohnungen im ersten Obergeschoss. Soweit sich die Antragstellerin insoweit auf ein Schreiben des Amtes für Wohnungswesen der Antragsgegnerin vom 4. November 1986 an das Bauordnungsamt der Antragsgegnerin beruft, in dem das Amt für Wohnungswesen im Zusammenhang mit einem Wohngeldantrag Zweifel daran äußert, ob bei den beiden Wohnungen von einer „regulären Wohnraumnutzung“ ausgegangen werden könne und um entsprechende Auskunft seitens des Bauordnungsamtes gebeten wird, lässt sich der Antwort des Bauordnungsamtes lediglich entnehmen, dass dieses keine weitergehende Prüfung vorgenommen hat. Im Übrigen wurde dieser behördeninterne Austausch nach außen hin nicht bekannt, so dass bereits deshalb kein Vertrauenstatbestand zugunsten Dritter entstehen konnte. Dem Gericht wurden auch keinerlei Unterlagen vorgelegt, die darauf hinwiesen, dass die Bauaufsichtsbehörde in den Räumlichkeiten aus eigenem Entschluss oder nach Hinweisen anderer Behörden bzw. Dritter vor Ort bauaufsichtliche Kontrollen durchgeführt hat. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass in den letzten 35 Jahren zahlreiche Kontrollen vor Ort durchgeführt worden seien, bei denen die Nutzung der Wohnungen im ersten Obergeschoss nie beanstandet worden sei, mag dies durchaus zutreffend sein. Mangels entsprechender Vermerke 47 und ähnlicher Unterlagen in der Bauakte handelte es sich dabei aber wohl nicht um Baukontrollen durch die Bauaufsichtsbehörde, sondern vermutlich durch die Polizei bzw. andere Behörden wie z.B. das Gesundheitsamt. Einen besonderen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die in den Wohnungen ausgeübte Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig sei oder jedenfalls nicht bauaufsichtlich beanstandet werde, kann die Antragstellerin daraus aber nicht ableiten. Eine jahrelange tatsächliche Duldung, die es ausschlösse, eine Nut-zungsuntersagung ermessensfehlerfrei allein auf die formelle Illegalität zu stützen, ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Es kann nach der Aktenlage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht davon ausgegangen werden, dass die formell illegale Nutzung der beiden Wohnungen über Jahrzehnte unter den Augen der Bauaufsicht unbeanstandet geblieben ist.

Aber selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass der Erlass einer Nutzungsuntersagung für eine bereits über Jahrzehnte ausgeübte Nutzung über die im Rahmen des intendierten Ermessens erforderliche Ermessensausübung hinausgehende, weitere Ermessenserwägungen verlangte, erweist sich die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung vorliegend nicht als ermessensfehlerhaft. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass am 24. Juli 2015 eine Änderungsplanung zu dem Bebauungsplan Nr. ... vom 14. Juni 2002 in Kraft getreten ist, die Bordelle, bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution in dem festgesetzten Gewerbegebiet, in dessen Umgriff auch das streitgegenständliche Grundstück liegt, ausdrücklich ausschließt. In der Begründung des Änderungsplans hat die Antragsgegnerin hierzu ausgeführt, dass diese Nutzungen in dem Bereich an der Nahtstelle zur ... Straße ausgeschlossen werden sollen, um die angrenzende Wohnbebauung vor den vom Rotlichtmilieu ausgehenden Nachteilen und Belästigungen zu schützen. Die bestehenden Bordelle und bordellartigen Nutzungen würden zudem im Zusammenwirken mit den weiteren in großer Anzahl beantragten Etablissements durch eine unverhältnismäßige Häufung von Betrieben des Rotlichtmilieus zu einem drohenden Qualitätsverlust im Sinne eines Funktionsverlustes als klassisches Gewerbegebiet führen. Auf diese planungsrechtlichen Festsetzungen hat die Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 1. März 2017 zur Begründung der Nutzungsuntersagung ausdrücklich hingewiesen. Selbst wenn man im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, dass eine, wenngleich illegale, aber über Jahrzehnte ausgeübte Nutzung untersagt wird, forderte, dass im Rahmen der Nutzungsuntersagung über die geringen Anforderungen an die Ermessensausübung im Rahmen des intendierten Ermessens hinaus in dem Nut-zungsuntersagungsbescheid berücksichtigt und nachvollziehbar dargelegt wird, warum jedenfalls nunmehr bauordnungsrechtliche Maßnahmen getroffen werden, hat die Antragsgegnerin dem Rechnung getragen und in dem Bescheid vom 1. März 2017 sich nicht auf die Feststellung der formellen Illegalität beschränkt, sondern ihre Entscheidung im Rahmen des von ihr erkannten Ermessens auch mit der materiellen Rechtslage unter Bezugnahme auf die Festsetzungen des Änderungsplans vom 24. Juli 2015 und die materielle Rechtslage seit dem Inkrafttreten dieses Planes begründet. Sie ist damit über den gewöhnlichen Prüfungsumfang bei einer Nutzungsuntersagung hinausgegangen und hat die Nutzungsuntersagung jedenfalls ergänzend auch mit der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Nutzung begründet.

2.2 Die Antragsgegnerin konnte auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Antragstellerin als Adressatin der Untersagungsverfügung heranziehen.

Mangels spezialgesetzlicher Regelungen in der Bayerischen Bauordnung ist für die Störerauswahl auf die allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere auf Art. 9 LStVG, zurückzugreifen. Art. 9 LStVG unterscheidet zwischen dem Handlungsstörer, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG, und dem Zustandsstö-rer, Art. 9 Abs. 2 LStVG. Handlungsstörer ist derjenige, dessen Verhalten die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache oder einer Immobilie, deren Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist.

Bei einer Mehrheit von Störern hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Gesetzliche Richtschnur für die fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens unter mehreren Störern sind die Umstände des Einzelfalles, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch das Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Handlungsstörer durch seine Tätigkeit mehr zur Störung der Rechtsordnung beiträgt als etwa der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer wird es dabei regelmäßig sachgerecht sein, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen (BayVGH, B.v. 28.5.2001 - 1 ZB 01.664 - juris Rn. 5).

Danach ist die Antragstellerin als Mieterin der beiden Wohnungen zumindest als mittelbare Handlungsstörerin verantwortlich im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Sind die beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes räumlich und funktional Teil des von ihr im Erdgeschoss des Gebäudes betriebenen bordellartigen Betriebes, ist sie selbst als Mieterin unmittelbare Handlungsstörerin. Vermietet sie die beiden Wohnungen als Hauptmieterin mit kurzfristigen Mietverträgen an einen ständig wechselnden Kreis von Prostituierten, die dann für den Zeitraum des Mietverhältnisses als Untermieter in der nördlichen Wohnung selbständig der Prostitution nachgehen bzw. in der südlichen Wohnung wohnen, ist sie als Hauptmieterin zumindest mittelbare Hand-lungsstörerin.

Ihre Verhaltensverantwortlichkeit folgt daraus, dass sie mit der Überlassung der Wohnungen an die diese unmittelbar nutzenden Frauen die Gefahrenschwelle zur Verwirklichung des Tatbestandes einer baurechtswidrigen Nutzung fortwährend überschreitet. Der Antragstellerin kommt auch ein maßgeblicher steuernder Einfluss insofern zu, als sie die baurechtswidrige Nutzung angesichts der allenfalls kurzfristigen Mietverhältnisse auch in entsprechend kurzer Zeit beenden kann.

Unter Berücksichtigung des Gebots der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Nut-zungsuntersagung vorliegend an die Antragstellerin als Hauptmieterin gerichtet 53 hat. So wie bei häufig wechselnden oder unklaren Nutzungsverhältnissen gegebenenfalls auch eine Nutzungsuntersagung gegenüber dem Eigentümer rechtmäßig erfolgen kann, weil in erster Linie der Eigentümer in der Lage ist, die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft zu beseitigen, so ist es vorliegend in erster Linie die Antragstellerin als Hauptmieterin, die die baurechtswidrige Nutzung beenden kann. Die Antragstellerin schließt die kurzfristigen Verträge mit ihren Untermieterinnen und kann am schnellsten und effektivsten für die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände sorgen.

2.3 Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es einer Duldungsanordnung an die Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstückes, mit denen die Antragstellerin den Mietvertrag abgeschlossen hat, nicht bedarf. Die Nut-zungsuntersagung zielt auf ein schlichtes Unterlassen, neben der die Anordnung einer Duldung weder erforderlich noch möglich ist, denn der Grundstückseigentümer kann den Mieter ohnehin nicht daran hindern, die Anordnung zu befolgen (BayVGH, U.v. 16.2.2015 - 1 B 13.649 - juris Rn. 18).

3. Die in der Nr. 4a bzw. der Nr. 4b des Tenors des Bescheides jeweils erlassene Zwangsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung in Nr. 1a des Tenors des Bescheides bzw. in Nr. 1b des Tenors des Bescheides findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG.

Die Androhung der Zwangsgelder in Nr. 4a bzw. 4b des Tenors des Bescheides ist hinreichend bestimmt. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4a des Tenors des Bescheides ist ausdrücklich der Verpflichtung in Nr. 1a des Tenors des Bescheides, die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4b des Tenors des Bescheides ist ausdrücklich der Verpflichtung in Nr. 1b des Tenors des Bescheides zugeordnet. Die Androhungen sind so formuliert, dass für die Antragstellerin hinreichend klar wird, unter welchen Voraussetzungen ein Zwangsgeld fällig wird.

Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15 und höchstens 50.000 EUR. Dabei soll das Zwangsgeld nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen. Das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen ist dabei nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 BayVwZVG nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin bemisst sich vorliegend ganz wesentlich nach den sich aus der Vermietung ergebenden Mieteinnahmen. Danach erweist sich das angedrohte Zwangsgeld auch in der Höhe als angemessen und nicht unverhältnismäßig.

Die der Antragstellerin gesetzte Frist für die Einstellung der Nutzung von etwas weniger als vier Wochen erscheint als angemessen. Die Antragstellerin hat dem Gericht keine Mietverträge vorgelegt, die belegen würden, dass die Antragstellerin die beiden Wohnungen längerfristig untervermietet hat. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte kann daher davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin das Unterlassen der baurechtswidrigen Nutzung der beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes auch gegenüber eventuell vorhandenen Untermieterinnen fristgerecht durchsetzen kann.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 9.4 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin hat das Gericht dabei auf den Zeitraum eines Jahres abgestellt. Für die nördliche, zur Ausübung der Prostitution genutzte Wohnung, hat das Gericht ein wirtschaftliches Interesse von 2.000,- EUR pro Monat und damit 24.000,- EUR im Jahr angesetzt. Für die südliche, zu Wohnzwecken genutzte Wohnung hat das Gericht ein wirtschaftliches Interesse von 500,- EUR pro Monat und damit 6.000,- EUR pro Jahr angesetzt. Der daraus abgeleitete Streitwert von 30.000,- EUR war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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published on 23/04/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
published on 19/05/2016 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.
published on 28/12/2016 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
published on 16/02/2015 00:00

Tenor I. Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I. des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. Oktober 2012 wie folgt gefasst wird: „I. Der Bescheid des Landratsamts B.-T. vom 3. Mai 2012
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Annotations

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.