Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Juli 2016 - AN 9 K 14.01599
Tenor
1. Der Bescheid der Stadt ...
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage die Verpflichtung der Beklagten, gegenüber den Beigeladenen einen Rückbaubescheid hinsichtlich deren seitlichen Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung (Wohnraumerweiterung) an der direkten Grundstücksgrenze zur Klägerin zu erlassen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. ..., Gemarkung ..., das mit einem Reihenmittelhaus bebaut ist. Das direkt angrenzende Reihenendhaus ... auf dem Grundstück FlNr. ..., wird von den Beigeladenen bewohnt. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1, der als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet und in den planerischen Festsetzungen eine Reihenhausbebauung mit einer Baugrenze, die ca. 5 m südlich der geplanten und errichteten Gebäude verläuft, festsetzt. Nach § 7 Abs. 4 der Bebauungsplansatzung dürfen Einfriedungen entlang privater Grundstücksgrenzen eine Höhe von 1,5 m aufweisen. Abgrenzungen in Form von Spanndraht, Maschengewebe oder Holzmaterial dürfen 1,5 m nicht überschreiten. Einfriedungen entlang öffentlicher Flächen sind in einer maximalen Höhe von 1,0 m zulässig.
Im Mai 2013 errichteten die Beigeladenen an der Grundstücksgrenze zwischen den beiden benachbarten, aneinander grenzenden Terrassen eine Betonmauer mit einer Höhe von 1,8 m auf dem betonierten Terrassenfundament, auf die ein hölzerner Rahmen mit 1,25 m Höhe und Plexiglasverkleidung aufgebracht wurde. Zusammen mit einer Dachkonstruktion über der Terrasse entstand dadurch ein Anbau mit einer Breite von ca. 5,6 m und einer Tiefe von ca. 3,6 m, wobei die Überdachung selbst mit einer Tiefe von ca. 4,3 m darüber hinausragt. Der Anbau weist am Haus eine Höhe von über 3 m auf, am südlichen Ende eine Höhe von 2,3 m (1,7 m Mauer und Aufbau von 0,6 m mit Plexiglas). Die Dachkonstruktion wurde mit Holzbalken, Plexiglas und Blechen verbaut. Zur Einhausung der Terrasse erstreckt sich die grenzständige Mauer L-förmig um das Terrassengelände.
Am
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Auf erneutes Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Gegenüber den Beigeladenen teilte die Beklagte mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Der Klägerbevollmächtigte wandte sich mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Am
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom
die Beklagte zu verpflichten, gegen die Beigeladenen einen Rückbaubescheid hinsichtlich des Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung an der Grundstücksgrenze zu der Klägerin zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen zu. Im Kern gehe es um einen schwelenden Nachbarschaftsstreit mit einer Vielzahl von zwischen den Parteien streitigen Punkten. Seitens der Beklagten sei von Anfang an der Versuch unternommen worden, auf eine einvernehmliche Regelung zwischen den Parteien hinzuwirken. Nach Auffassung der Beklagten sei auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein eine Besprechung der gesamten nachbarrechtlichen Problematik geeignet, eine nachhaltige Befriedung der Angelegenheit herbeizuführen.
Entgegen der Ausführungen im Klageschriftsatz bestehe für die streitgegenständlichen Grundstücke ein Bebauungsplan. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Eine Ermessensreduzierung sei nur dann anzunehmen, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter für Leben und Gesundheit drohten oder sonst unzumutbare Belästigungen abzuwehren seien (mit Verweis auf BayVGH
- 9 ZB 07.497). Allein der Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften führe für sich gesehen noch nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null und zu einer Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten. Es werde nicht verkannt, dass die Verpflichtung zum bauaufsichtlichen Einschreiten auch dann bejaht werde, wenn ein erhebliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen vorliege, wie z. B. bei einer massiven Verletzung der Abstandsflächen (mit Verweis auf Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 491). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe eine solche Konstellation im Falle einer Überschreitung der Abstandsflächen auf einer Gesamtlänge von rund 19 m einer Außenwand für einen zweigeschossigen Anbau angenommen. Angesichts des vorliegenden Umfangs der Beeinträchtigung könne von einer solchen Konstellation hier nicht ausgegangen werden. Zu berücksichtigen sei, dass vorliegend das streitgegenständliche Grundstück sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befinde und sich der Anbau noch im Bereich der im Bebauungsplan vorgesehenen Baugrenzen halte. Zudem müsse vorliegend davon ausgegangen werden, dass hier allenfalls ein Teilrückbau in Betracht komme. Gerade die Frage des Umfangs eines notwendigen Rückbaus solle jedoch zwingend unter Einbeziehung der Nachbarn und der weiteren nachbarstreitigen Probleme besprochen werden.
Die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass es sich um einen seit Jahren schwelenden Nachbarrechtsstreit mit einer Vielzahl von Differenzen handele. Auch der Bevollmächtigte der Beigeladenen habe sich an den Klägerbevollmächtigten wegen nachbarrechtlicher Verstöße gewandt (errichtete Box im Vorgarten seitens der Klägerin, Holzablagerungen der Klägerin im Grenzbereich sowie überragende Sträucher und Bäume). Vor Realisierung der Baumaßnahme hätten die Beigeladenen gegenüber der Beklagten um Auskunft gebeten, ob die Baumaßnahme durchgeführt werden dürfe. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 28. Mai 2013 geantwortet, dass keine Genehmigung erforderlich sei und die entsprechenden Arbeiten durchgeführt werden könnten. Aus dem geführten Schriftverkehr ergebe sich, dass die Beklagte stets versucht habe, zwischen den Parteien zu vermitteln, wobei insbesondere das an sich widersprüchliche Verhalten der Stadt ... im Zusammenhang mit der Durchführung der nunmehr monierten Bauarbeiten geklärt werden sollte. Die Voraussetzung für eine Untätigkeitsklage lägen nicht ansatzweise vor. Die Klägerin wolle vielmehr die Stadt ... für sich instrumentalisieren und einen Bescheid erzwingen, der ihr im Rahmen der schwelenden Nachbarstreitigkeiten Oberwasser geben solle.
Die Maße und die Bauausführung, wie sie in der Klagebegründung beschrieben seien, entsprächen nicht der Richtigkeit. Die weitere Bauausführung hätten die Beigeladenen mit der Stadt ... abgesprochen und von dieser „grünes Licht“ erhalten. Die streitgegenständliche Baumaßnahme sei wie sie durchgeführt worden sei, nicht genehmigungspflichtig.
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
Mit Bescheid vom
Mit Schreiben vom
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
Das Gericht hat am
Mit Beschlüssen vom
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom
Nachdem die Klägerin die Durchführung eines Mediationsverfahrens nicht mehr gewünscht hat, haben die Beteiligten das Mediationsverfahren für gescheitert erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verfahrensakten verwiesen.
Gründe
Das Verfahren konnte aufgrund des übereinstimmenden Einverständnisses der Beteiligten
ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die ursprünglich statthaft als Untätigkeitsklage erhobene Klage ist nach Einbeziehung des ablehnenden Bescheides vom
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist grundsätzlich derjenige der mündlichen Verhandlung.
Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist, dass der Nachbar durch die bauliche Anlage in seinen Rechten verletzt wird, was einen Verstoß der Anlage gegen nachbarschützende Vorschriften erfordert und infolgedessen die Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gegen die Anlage berechtigt, weil der Tatbestand der Befugnisnorm und die Eingriffsschranken beachtet sind (vgl. BayVGH, B. v. 28.8.2015 - 9 ZB 13.1876 - juris Rn. 13;
Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten kann sich aus Art. 76 Satz 1 BayBO ergeben. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von baulichen Anlagen anordnen, die in Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Ausübung dieser Befugnis steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (Art. 40 BayVwVfG). Ein Nachbar, der durch eine rechtswidrig errichtete Anlage in seinen Rechten verletzt wird, hat gegenüber der Behörde grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung. Ein Rechtsanspruch auf Einschreiten steht ihm dann zu, wenn das Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu seinen Gunsten auf Null reduziert ist (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11). Wäre das Ermessen stets schon bei vorliegender Tatbestandsvoraussetzung von Art. 76 Satz 1 BayBO, d. h. bei formeller und materieller Illegalität der baulichen Anlage zugunsten des Nachbarn auf Null reduziert, würde die gesetzgeberische Ausgestaltung als Ermessensnorm leerlaufen (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011, a. a. O.). Die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten eines bauaufsichtlichen Einschreitens ist auch bei einer Verletzung nachbarschützender Normen von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig. Eine solche Ermessensreduzierung wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, wenn die von der rechtswidrigen baulichen Anlage ausgehenden Beeinträchtigung des Nachbarn einen erheblichen Grad erreicht und die Abwägung mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergibt (vgl. BayVGH, B. v. 29.3.2011 - 15 ZB 09.412 - juris Rn. 3).
Ein Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten erfordert dabei zum einen, dass sie durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt wird, zum anderen, dass das Ermessen der Beklagten sowohl hinsichtlich des „Ob“ (Entschließungsermessen) als auch des „Wie“ (Auswahlermessen) des Einschreitens auf Null reduziert ist. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null - wie vorliegend - nicht vor, besteht lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11).
Im vorliegenden Fall stellt sich der streitgegenständliche Terrassenanbau mangels Baugenehmigung in formeller Hinsicht als baurechtswidrig dar; wegen Verstoßes gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach Art. 6 BayBO erweist sich der Anbau auch in materieller Hinsicht als baurechtswidrig und verletzt insoweit nachbarschützende Normen (vgl. nachfolgend 1.). Der Bauaufsichtsbehörde kommt gleichwohl hinsichtlich des Einschreitens ein Entschließungs- und Auswahlermessen zu; mangels Gravität der beeinträchtigten Nachbarrechte ist das Ermessen jedoch insoweit nicht auf Null reduziert, als die Nachbarrechtsverletzung allein durch eine Beseitigung der baulichen Anlage ausgeräumt werden könnte (vgl. nachfolgend 2.).
1.
Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 2. Februar 2016 erweist sich insoweit als rechtswidrig, als die bauliche Anlage der Beigeladenen nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht baurechtswidrig ist und dadurch die Klägerin in eigenen Rechten verletzt.
Der von den Beigeladenen errichtete Terrassenanbau ist in formeller Hinsicht baurechtswidrig, da das Vorhaben baugenehmigungspflichtig ist und ohne Baugenehmigung errichtet wurde (Art. 55 Abs. 1 BayBO). Eine Genehmigungsfreiheit des Vorhabens nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 g) BayBO als Terrassenüberdachung mit einer Fläche bis zu 30 qm und einer Tiefe bis zu 3 m ist unter Berücksichtigung der seitlichen Aufbauten nicht gegeben. Vielmehr ist bei der streitgegenständlichen Terrassenüberdachung verbunden mit den seitlichen Aufbauten von einer baulichen Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung auszugehen. Der Anbau stellt sich gemäß § 2 Abs. 2 BayBO als selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlage dar, die von Menschen betreten werden kann. Auch eine Verfahrensfreiheit als Grenzmauer nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO ist unter Berücksichtigung dessen, dass die seitlichen Aufbauten sich als untrennbarer Teil des Terrassenanbaus, mithin als einheitliche, selbstständige bauliche Anlage darstellen, nicht gegeben. Schließlich könnte es sich beim Terrassenanbau im Hinblick auf die dadurch bezweckten Nutzungsmöglichkeiten gerade angesichts der Überdachung und der teilweisen Seitenwände um eine Erweiterung des Wohnhauses handeln, die genehmigungspflichtig wäre.
Die bauliche Anlage erweist sich wegen Verstoßes gegen das nachbarschützende bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht auch als materiell baurechtswidrig.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von oberirdischen Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Zu den planungsrechtlichen Vorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO gehört zwar auch die Festsetzung einer Baulinie nach § 23 Abs. 2 BauNVO. Dagegen sind die Vorschriften über die Baugrenzen für Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO insoweit ohne Belang, als diesen Vorschriften eine unmittelbare Anknüpfung an die jeweilige Grundstücksgrenze fehlt. Bauplanungsrechtliche Festsetzungen über Baugrenzen betreffen lediglich die überbaubaren Flächen der Grundstücke und lassen dabei die Frage offen, ob an die Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder darf. Baugrenzen nehmen auf den Abstand eines Gebäudes zur Grundstücksgrenze nur indirekt Einfluss. Reicht eine Baugrenze bis an die Grundstücksgrenze heran, so bedeutet dies, dass wegen des Abstandsflächenrechts diese Fläche womöglich nicht vollständig überbaut werden kann (vgl. Dohm/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand 01/2016, Art. 6 Rn. 49).
Entgegen der Auffassung der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 2. Februar 2016 treten die Abstandsflächenvorschriften nicht hinter die Festsetzungen bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche in einem Bebauungsplan zurück (vgl. VGH BW, B. v. 10.4.1995 - 3 S 608/95
Eine abweichende planungsrechtliche Vorschrift ergibt sich auch nicht aus der im Bebauungsplan festgesetzten offenen Bauweise als Hausgruppe gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft allein die Anordnung der Gebäude auf dem Baugrundstück im Verhältnis zu den seitlichen Grenzen der Nachbargrundstücke. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Doppelhaus im Sinne von § 22 Abs. 2
BauNVO eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer baulichen Einheit zusammengefügt werden (vgl. BVerwG, U. v. 24.2.2000 - 4 C 12.98 -
BVerwGE 110, 355; U. v. 19.3.2015 - 4 C 12.14
Eine solche Deckungsgleichheit bzw. die Wahrung der baulichen Einheit der Hausgruppe ist bei dem streitgegenständlichen Anbau nicht mehr gegeben. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten durch Bescheid vom 2. Februar 2016 erweist sich daher insoweit als rechtswidrig, als die Beklagte von einer bauplanungsrechtlichen Dispensierung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ausgegangen ist.
Die von der Klägerin angegriffene bauliche Anlage der Beigeladenen stellt sich somit sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht als baurechtswidrig dar. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf erneute ermessensgerechte Entscheidung nach Art. 76 Satz 1 BayBO.
2.
Darüber hinaus sind die klägerischen Nachbarrechte durch den fehlenden Grenzabstand nicht so gravierend beeinträchtigt, dass nur eine Beseitigung in Form eines Rückbaus in Betracht kommen kann.
Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des bauaufsichtlichen Einschreitens in Form einer Rückbauverpflichtung ist nur dann anzunehmen, wenn eine besondere Intensität der Störung oder der Gefährdung nachbargeschützter Rechtsgüter gegeben ist, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonst unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (vgl. BayVGH, B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 07.497 - juris). Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn durch die Gewährung von Ausnahmen oder Befreiungen bzw. Abweichungen auf andere Art und Weise als durch eine Beseitigungsanordnung rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (vgl. BayVGH, B. v. 21.5.2001 - 1 ZB 00.3206 - juris). Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist dann auszugehen, wenn von der rechtswidrigen Nutzung Beeinträchtigungen ausgehen, die einen erheblichen Grad erreichen, und wenn die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Darüber hinaus bedeutet eine Verpflichtung zum Einschreiten hinsichtlich des Entschließungsermessens nicht zwangsläufig, dass die Verletzung der Nachbarrechte allein durch eine Vollbeseitigung der inmitten stehenden Anlage ausgeräumt werden könnte; vielmehr stehen der Behörde im Rahmen des Auswahlermessens durchaus Handlungsalternativen, wie beispielsweise die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags und gegebenenfalls einer Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften offen (vgl. BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 22 ZB 05.2608 - juris). Dies gilt umso mehr, als ein Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten immer nur soweit gehen kann, wie die Rechtsverletzung wirkt.
Hinsichtlich der Gravität der Beeinträchtigungen ist vorliegend trotz der langen Untätigkeit der Beklagten zu berücksichtigen, dass die bisher auf dem Grundstück der Klägerin bestehende Trennwand zwischen den Terrassen sowie die darüber liegenden Balkone bereits bislang eine Verschattungswirkung für die Klägerin ergeben haben. Unmittelbar neben dem grenzständischen Anbau befindet sich der Kellerabgang auf dem Grundstück der Klägerin, auf den sich im Wesentlichen die Verschattungswirkung erstreckt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass durch den streitgegenständlichen Anbau keine reine Südseite verschattet wird. Darüber hinaus könnte sich möglicherweise eine Genehmigungsfähigkeit im Wege der Abweichung insoweit ergeben, als eine zu fordernde Atypik gegebenenfalls dann angenommen werden könnte, wenn sich in der Reihenhauszeile bzw. im Plangebiet bereits entsprechende Terrassenüberdachungen bzw. -anbauten finden würden (vgl. VG Ansbach, U. v. 7.9.2015 - AN 9 K 15.00573 - juris Rn. 57).
Nachdem die Behörde vorliegend kein Ermessen ausgeübt hat, da sie von materieller Baurechtmäßigkeit der baulichen Anlage ausging, und die Beeinträchtigung nachbarlicher Rechte keine solche Gravität aufweist, dass nur im Wege der Beseitigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten, hat die Klägerin vorliegend keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten auf Erlass eines Rückbaubescheids, sondern lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
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Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder |
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schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
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einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
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schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Juli 2016 - AN 9 K 14.01599
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Juli 2016 - AN 9 K 14.01599
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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Juli 2016 - AN 9 K 14.01599 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 2 und 3 als Gesamtschuldner und die Klägerin zu 1 je zur Hälfte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg
Nr. 1 des Bescheids der Beklagten vom
II.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Beklagte und der Beigeladene tragen jeweils ein Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostengläubiger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostenschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.
(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.
(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 9 K 15.00573
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
9. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 0920
Hauptpunkte:
Terrassenüberdachung
Reihenhaus
Befreiung, Abweichung
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
1. ...
2. ...
zu 1 und 2 wohnhaft: ...
- Kläger -
zu 1 und 2 bevollmächtigt: ... Rechtsanwaltskanzlei
...gegen
... vertreten durch: Landratsamt ...
- Beklagter -
beigeladen: ...
wegen Baurechts
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 9. Kammer,
durch die Einzelrichterin Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Kroh aufgrund mündlicher Verhandlung vom
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Reihenmittelhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. ..., Gemarkung ... Der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach
Im Dezember 2014 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Wiedererrichtung einer Terrassenüberdachung unter Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen sowie einer Befreiung.
Mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 26. Februar 2015 wurde dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung erteilt unter einer Abweichung wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... der Gemarkung ... und einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „... Nr. ...“ wegen abweichender Dachform (Flachdach statt Satteldach mit einer Dachneigung von 30 bis 40 Grad).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, unzumutbare Beeinträchtigungen und damit eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme seien für die Nachbarn wegen der erteilten Befreiung vorliegend nicht gegeben. Die Befreiung führe zu keiner Verschlechterung der bauplanungsrechtlichen Situation der Nachbarschaft.
Auch die erteilte Abweichung verletze die Nachbarn nicht in ihren Rechten. Auf den Fl.Nr. ... bis ... der Gemarkung ... befinde sich eine Reihenhausanlage, bestehend aus fünf Reihenhäusern. Jedes dieser Reihenhäuser habe an der Südseite Terrassenüberdachungen, die sich über die gesamte jeweilige Grundstücksbreite erstrecken würden. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück sei bereits mit Bescheid vom 27. Juni 2002 eine Baugenehmigung für eine Terrassenüberdachung an gleicher Stelle in den Abmessungen 4,97 m x 4,30 m erteilt worden. Die Überdachung habe sich bereits damals über die gesamte Grundstücksbreite erstreckt. Ebenso stelle sich die Situation auf den benachbarten Grundstücken dar. Auf Fl.Nr. ... und ... sei mit Bescheid vom 5. Dezember 2001 jeweils eine Baugenehmigung für die Errichtung von Terrassenüberdachungen erteilt worden. Die sich auf den nachbarlichen Grundstücken befindlichen Überdachungen hätten eine ähnliche Tiefe und Höhe wie die streitgegenständliche. Der Beigeladene habe eigenen Angaben zufolge im Oktober 2013 die genehmigte Terrassenüberdachung in Holzkonstruktion durch eine Terrassenüberdachung in Aluminium-Profilkonstruktion mit Glasdach ersetzt. Gleichzeitig sei die Tiefe der Überdachung von 4,30 m auf 4,50 m erhöht worden. Die Abweichung von den Abstandsflächen habe für den Neubau erteilt werden können, da keine Beeinträchtigung der abstandsflächenrelevanten Belange durch den Austausch der Terrassenüberdachung ersichtlich sei. Die neue Überdachung stelle keine wesentliche Verschlechterung für die nachbarliche Situation im Vergleich zur vorhergehenden Situation dar, zumal sich die Bebauungssituation links und rechts des beantragten Bauvorhabens nahezu identisch darstelle.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 2. April 2015 ließen die Kläger Klage erheben und Antrag nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO stellen, welcher mit Beschluss vom 3. Juni 2015 abgelehnt wurde.
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, das Bauvorhaben sei materiell nicht genehmigungsfähig. Die Kläger hätten Bedenken, ob die Brandschutzvorschriften eingehalten worden seien und bezweifelten, dass eine Bestätigung darüber eingeholt worden sei, dass das Vorhaben den brandschutzrechtlichen Anforderungen entspreche.
Auf der Terrasse des Beigeladenen gebe es Holzmöbel, echte Teppiche sowie Nippes und Krempel. Feuer finde dort reichlich Nahrung und könne sehr schnell auf das benachbarte Haus der Kläger übergreifen. Es dränge sich auf, dass der Bescheid seitens der Behörden nicht mit erforderlicher Sorgfalt erlassen und die Sachlage nicht hinreichend geprüft worden sei.
Ferner scheine die behördliche Genehmigung der Errichtung des Vorhabens nachzueilen. Das Terrassendach sei bereits Mitte November 2013 errichtet worden. Bereits mit Schreiben vom 28. November 2013 sei von den Klägern beim Landratsamt ... der Mangel der erforderlichen Baugenehmigung gerügt worden und insbesondere auf die Einhaltung der Brandschutzvorschriften hingewiesen worden. Die Terrasse habe nie ein Satteldach gehabt. Dies sei technisch auch überhaupt nicht ausführbar, weil sich über der Terrasse ein Balkon befinde. Als ursprünglicher Schwarzbau sei es ein Flachdach ohne erkennbare Neigung gewesen, jetzt stelle es ein Flachdach mit einer deutlichen Neigung dar.
Die Änderung der Ausführung dürfte auch genehmigungspflichtig sein, eine Genehmigung liege offensichtlich nicht vor.
Auch seien die Angaben des Beigeladenen zu den Baugrenzen, insbesondere hinsichtlich der Abstandsflächen, nicht korrekt. Das Bauwerk liege nicht innerhalb der Baugrenzen. Dem Bauherrn sei bekannt, dass bereits ein Überbau auf dem Grundstück der Kläger bestehe. Eine amtliche Grenzwiederherstellung am 10. Oktober 2014 mit Erneuerung der verschwundenen Grenzmarkierungen habe deutlich gemacht, dass ein Überbau von mindestens 8 cm auf dem Grundstück der Kläger vorliege. Eine Feinvermessung sei beauftragt, habe aber witterungsbedingt noch nicht durchgeführt werden können. Die Kläger würden durch den Überbau und durch das Terrassendach belästigt und in der Nutzung ihres Eigentums eingeschränkt. Eine Stütze des Terrassendachs des Beigeladenen dürfte sich sogar auf dem Grundstück der Kläger befinden.
Es wird beantragt,
die Baugenehmigung vom 26. Februar 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Die erforderliche Befreiung wegen der abweichenden Dachform habe erteilt werden können, da diese städtebaulich vertretbar sei, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.
Die Abweichung von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts sei zuzulassen gewesen, da sie unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.
Soweit klägerseits gerügt werde, dass das Vorhaben außerhalb der Baugrenzen liege, so sei dies nicht zutreffend.
Die Vorschriften des Brandschutzes seien im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht Gegenstand des Prüfprogramms der Bauaufsichtsbehörde. Es obliege dem Bauherrn sicherzustellen, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften eingehalten würden. Die Einhaltung des Art. 28 BayBO sei vom Bauherrn und Entwurfsverfasser mit bei am Landratsamt... am 5. Februar 2015 eingegangenem Schreiben bestätigt worden.
Aus den Antragsunterlagen gehe nicht hervor, dass durch das Vorhaben ein Überbau des Nachbargrundstücks verwirklicht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten, wegen der mündlichen Verhandlung auf deren Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand vorliegender Klage ist die dem Beigeladenen durch den Beklagten mit Bescheid vom 26. Februar 2015 erteilte Baugenehmigung zur Wiedererrichtung einer Terrassenüberdachung auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ...
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z. B. BVerwG
Vorliegend ist festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Kläger durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht gegeben ist.
Die Kläger werden durch das streitgegenständliche Vorhaben weder in ihnen Drittschutz gewährenden planungsrechtlichen Vorschriften verletzt (siehe unten 1.), noch können sie erfolgreich die Verletzung einer Nachbarschutz vermittelnden bauordnungsrechtlichen Vorschrift rügen (siehe dazu unten 2.).
1. Die Verletzung einer drittschützenden planungsrechtlichen Vorschrift durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist im vorliegenden Fall zu verneinen.
a) Entgegen der Auffassung der Kläger überschreitet das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht die im einschlägigen Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen.
b) Die erteilte Befreiung von der Dachform für die streitgegenständliche Terrassenüberdachung war bereits nicht erforderlich und geht deshalb mangels Vorliegens eines einer derartigen Befreiung bedürfenden Vorhabens ins Leere.
Der hier einschlägige Bebauungsplan regelt in Ziff. 7 der textlichen Festsetzungen für Hauptgebäude als Dachform „Satteldach“ mit von der Zahl der Vollgeschosse abhängigen unterschiedlichen Dachneigungen.
Für Nebengebäude, Nebenanlagen und Garagen wird in Ziff. 8 des Bebauungsplanes als Dachform „Pultdach“ mit Dachneigungen von 6 bis 10 Grad festgesetzt.
Für eine Terrassenüberdachung, die wie im vorliegenden Fall innerhalb einer als Reihenhausbebauung festgesetzten Hausgruppe (vgl. § 22 BauNVO) realisiert werden soll, greift diese die Dachform des Hauptgebäudes betreffende Bebauungsplanfestsetzung Nr.... erkennbar nicht ein.
Im Hinblick auf Größe und Ausgestaltung der Terrassenüberdachung sowie der Terrasse selbst, ist vorliegend wohl auch nicht von einer „untergeordneten Nebenanlage“ im Sinn des § 14 Abs. 1 BauNVO auszugehen (vgl. z. B. OVG Schleswig
c) Auch bei - unterstellter - Befreiungsbedürftigkeit nach Ziff. 2 und/oder 7 oder 8 des Bebauungsplanes würden die Kläger nicht in dem hier allein als Nachbarschutz vermittelnd in Betracht kommenden Gebot der Rücksichtsnahme verletzt.
Grundsätzlich ist im Hinblick auf den im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB vermittelten Nachbarschutz zu unterscheiden, ob von einer drittschützenden oder einer nicht drittschützenden Bebauungsplanfestsetzung befreit wurde.
Handelt es sich um eine Befreiung von einer drittschützenden Festsetzung, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB, bei Erteilung einer Befreiung von einer nicht drittschützenden Festsetzung hat der Nachbar nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung seiner Interessen unter Zugrundelegung der für das Rücksichtnahmegebot entwickelten Maßstäbe.
Vorliegend wurde von einer Festsetzung hinsichtlich der Dachform befreit bzw. eine Befreiung von der im Bebauungsplan hinsichtlich Nebenanlagen enthaltenen Festsetzungen nicht erteilt.
Durch derartige Festsetzungen werden die Planbetroffenen nicht in gleicher Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden, wie dies das Bundesverwaltungsgericht für die die Art der baulichen Nutzung betreffenden Festsetzungen angenommen hat (vgl. dazu BVerwG
Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen den Nachbarn verletzt, ist nach den Maßstäben des dem - bei einer inmitten stehenden örtlichen Bauvorschrift entsprechend anwendbaren (Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO) - § 31 Abs. 2 BauGB zu entnehmenden Gebots der Rücksichtsnahme zu beantworten (vgl. BVerwG
Maßgebend sind demnach die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was billigerweise beiden Seiten zumutbar oder unzumutbar ist. Bloße Lästigkeiten lösen einen Schutzanspruch nicht aus; erforderlich ist eine qualifizierte Störung (vgl. BVerwG
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist festzustellen, dass unzumutbare Beeinträchtigungen für die Kläger nicht gegeben sind.
Auch den durch das streitgegenständliche Bauvorhaben verwirklichten Größen- und Lageverhältnissen ist nach Auffassung des Gerichtes nichts für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit des Beigeladenenvorhabens gegenüber dem klägerischen Grundstück zu entnehmen. Eine solche Wirkung eines Bauvorhabens kann nur dann vorliegen, wenn ein durch seine Ausmaße und Gestaltung als außerordentlich zu qualifizierender Baukörper den Bewohnern des Nachbargrundstücks den Eindruck des „Eingemauertseins“ vermittelt (vgl. z. B. BVerwG
Unter Zugrundelegung der genehmigten Pläne und bei Berücksichtigung des Umstandes, dass sich auf dem Klägergrundstück eine Terrassenüberdachung in etwa gleichem Umfange befindet, ist eine derartige Rücksichtslosigkeit des Beigeladenenvorhabens gegenüber dem Klägergrundstück zu verneinen.
c) Überdies könnten sich die Kläger selbst bei Annahme eines Drittschutzes der hier inmitten stehenden Bebauungsplanfestsetzungen bzw. bei - unterstellter - Rücksichtslosigkeit der streitgegenständlichen Terrassenüberdachung nicht darauf berufen.
Vergleichbar der in der Rechtsprechung geklärten Situation zum bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht, wonach ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine derartige abstandsflächenrechtliche Verletzung durch das benachbarte Bauvorhaben nicht rügen kann, wenn die jeweiligen Verletzungen in etwa gleich schwer wiegen und keine schlechthin untragbaren Verhältnisse entstehen (vgl. z. B. BayVGH
Betroffene Nachbarn können Verstöße gegen drittschützende planungsrechtliche Vorschriften grundsätzlich dann nicht geltend machen, wenn sie selbst qualitativ und quantitativ in etwa gleichem Umfange von eben diesen Vorschriften abgewichen sind.
Nur in einem nach diesen Maßstäben über die Gleichgewichtigkeit der Rechtsverletzung hinausgehenden Umfange ist das auf gegenseitigen Ausgleich angelegte nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis gestört.
Beim Vergleich der wechselseitigen Rechtsverletzungen ist - wie dies auch im Bereich des Bauordnungsrechts anerkannt ist, vgl. BayVGH
Gemessen an diesen Grundsätzen ist den Klägern die Berufung auf eine Verletzung ihrer öffentlich-rechtlich geschützten, im Bauplanungsrecht wurzelnden Rechte durch die vorliegend inmitten stehende Terrassenüberdachung verwehrt, denn auch auf ihrem Grundstück befindet sich eine die gesamte Hausbreite umfassende Terrassenüberdachung in etwa vergleichbarem Ausmaße wie die streitgegenständliche auf dem Beigeladenengrundstück.
2. Die Kläger können sich auch nicht erfolgreich auf eine Verletzung bauordnungsrechtlicher drittschützender Vorschriften berufen.
a) So kommt eine Verletzung durch die dem Beigeladenen erteilte Abweichung wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze zum Klägergrundstück hin möglicherweise schon im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht in Betracht.
Dies mag jedoch dahinstehen, denn die erteilte Abweichung - ihre Erforderlichkeit unterstellt - verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zweckes der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO, vereinbart sind.
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„Dies bei Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften voraus, dass eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung vorliegt. Der Zweck des Abstandsflächenrechts, der in erster Linie darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, wird regelmäßig nur dann erreicht, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Eine Abweichung wird daher (nur) zugelassen werden, wenn die für sie sprechenden Gründe so viel Gewicht haben, dass die Anforderungen des Abstandsflächenrechts auch dann ausnahmsweise noch als angemessen berücksichtigt angesehen werden können, wenn sie nur eingeschränkt zum Zuge kommen (BayVGH, Urteil vom 15.12.2008, Az. 22 B 07.143 < juris >;
Neben dieser „Atypik“ ist weitere Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einer Abweichung die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung der nachbarlichen Interessen. Damit verlangt das Gesetz - vergleichbar den Anforderungen beim bauplanungsrechtlichen Rücksichtsnahmegebot - eine Abwägung der für das Vorhaben sprechenden Gründe mit den nachbarlichen Belangen.
Eine die Abweichung rechtfertigende Atypik ist vorliegend in der besonderen Situation der Festsetzung einer Reihenhausbebauung zu sehen und dem Umstand, dass sich schon bisher auf dem Beigeladenengrundstück und den anderen Grundstücken dieser Reihenhauszeile über die gesamte Hausbreite angelegte Terrassen mit entsprechenden Überdachungen befunden haben/befinden.
Jedwede z. B. durch altersbedingten Verschleiß nötig werdende Ersetzung dieser Überdachungen würde quasi zwangsläufig eine Abstandsflächenüberschreitung auslösen; dieser für alle in jener Reihenhauszeile vorhandenen Terrassenüberdachungen vergleichbarer Sachverhalt gebietet es, die im Rahmen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO erforderliche Atypik anzunehmen (vgl. z. B. BayVGH
Auch die seitens des Beklagten vorgenommene Abwägung bei der Entscheidung über die Abweichungserteilung ist nicht zu beanstanden.
So sind keine Interessen der Kläger erkennbar, die im Rahmen der Abwägung die Erteilung einer Abweichung von vorneherein ausschließen würden.
Insbesondere berücksichtigt der Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffenderweise auch, dass sich die Bebauungssituation auf den dem Baugrundstück benachbarten Grundstücken und damit auch auf dem Klägergrundstück nahezu identisch mit der auf dem Beigeladenengrundstück darstellt und eine Beeinträchtigung der vom Abstandsflächenrecht geschützten Belange durch den vorliegend vorgenommenen Austausch der in ähnlichem Ausmaße auf dem Beigeladenengrundstück seit langem vorhandenen Überdachung nicht ersichtlich ist.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der sich auf dem Klägergrundstück befindlichen, der streitgegenständlichen Überdachung unter abstandsflächenrechtlich relevanten Gesichtspunkten vergleichbaren Terrassenüberdachung eine Berufung auf einen möglichen Abstandsflächenverstoß durch das Beigeladenenvorhaben schon aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, ausscheidet (vgl. dazu oben 1. zur planungsrechtlichen Situation).
b) Die Kläger können sich auch nicht erfolgreich auf eine Verletzung brandschutzrechtlicher Vorschriften berufen.
Im vorliegend durchgeführten vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO gehört der Brandschutz nicht zum Prüfungsumfang und wird daher nicht vom Regelungsgehalt und der Feststellungswirkung der erteilten Baugenehmigung umfasst. Eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger durch die angefochtene Baugenehmigung wegen angeblicher Nichteinhaltung der nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gehörenden Vorschriften des Brandschutzes kommt deshalb nicht in Betracht (vgl. zum Prüfungsumfang im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren z. B. BayVGH
c) Auch der klägerseits behauptete teilweise Überbau führt nicht zum Klageerfolg.
Nach § 68 Abs. 4 BayBO wird die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt. Der Gesetzgeber sieht es demnach nicht als Aufgabe der Baugenehmigungsbehörde an, private Rechtsbeziehungen, wie etwa die Zulässigkeit eines Grenzüberbaus, zu prüfen. Die zivilrechtliche Realisierbarkeit eines Vorhabens fällt alleine in den Risikobereich des Bauherrn mit der Folge, dass der Nachbar hieraus keine Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung herleiten kann.
Vorliegend bewirkt die streitgegenständliche Genehmigung deshalb hinsichtlich des behaupteten Überbaus durch einen der Überdachungspfosten keine Verkürzung der privaten Abwehrrechte der Kläger gegen einen möglichen Grenzüberbau und verletzt diese daher auch nicht in ihren Eigentumsrechten (vgl. z. B. BayVGH
Die Klage war demnach abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
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in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.