Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Juli 2016 - AN 9 K 14.01599

published on 27/07/2016 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Juli 2016 - AN 9 K 14.01599
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Gericht

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Tenor

1. Der Bescheid der Stadt ... vom 2. Februar 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf Erlass eines Rückbaubescheides hinsichtlich der Terrassenüberdachung und des Terrassenaufbaus der Beigeladenen an der Grundstücksgrenze zur Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage die Verpflichtung der Beklagten, gegenüber den Beigeladenen einen Rückbaubescheid hinsichtlich deren seitlichen Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung (Wohnraumerweiterung) an der direkten Grundstücksgrenze zur Klägerin zu erlassen.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. ..., Gemarkung ..., das mit einem Reihenmittelhaus bebaut ist. Das direkt angrenzende Reihenendhaus ... auf dem Grundstück FlNr. ..., wird von den Beigeladenen bewohnt. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1, der als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet und in den planerischen Festsetzungen eine Reihenhausbebauung mit einer Baugrenze, die ca. 5 m südlich der geplanten und errichteten Gebäude verläuft, festsetzt. Nach § 7 Abs. 4 der Bebauungsplansatzung dürfen Einfriedungen entlang privater Grundstücksgrenzen eine Höhe von 1,5 m aufweisen. Abgrenzungen in Form von Spanndraht, Maschengewebe oder Holzmaterial dürfen 1,5 m nicht überschreiten. Einfriedungen entlang öffentlicher Flächen sind in einer maximalen Höhe von 1,0 m zulässig.

Im Mai 2013 errichteten die Beigeladenen an der Grundstücksgrenze zwischen den beiden benachbarten, aneinander grenzenden Terrassen eine Betonmauer mit einer Höhe von 1,8 m auf dem betonierten Terrassenfundament, auf die ein hölzerner Rahmen mit 1,25 m Höhe und Plexiglasverkleidung aufgebracht wurde. Zusammen mit einer Dachkonstruktion über der Terrasse entstand dadurch ein Anbau mit einer Breite von ca. 5,6 m und einer Tiefe von ca. 3,6 m, wobei die Überdachung selbst mit einer Tiefe von ca. 4,3 m darüber hinausragt. Der Anbau weist am Haus eine Höhe von über 3 m auf, am südlichen Ende eine Höhe von 2,3 m (1,7 m Mauer und Aufbau von 0,6 m mit Plexiglas). Die Dachkonstruktion wurde mit Holzbalken, Plexiglas und Blechen verbaut. Zur Einhausung der Terrasse erstreckt sich die grenzständige Mauer L-förmig um das Terrassengelände.

Am 6. Mai 2013 wandte sich die Klägerin wegen der durch die Baumaßnahme verursachten Verschattung ihrer Terrasse an die Bauordnungsbehörde der Beklagten.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2013 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, dass hinsichtlich ihres Antrages zur Errichtung einer Terrassentrennwand und einer Terrassenüberdachung gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1g bzw. Nr. 7a BayBO keine Genehmigung erforderlich sei, da die jeweiligen Höchstmaße laut den Angaben der Beigeladenen eingehalten würden. Demnach dürfe die Terrassentrennwand nur entlang der Terrasse mit einer maximalen Höhe von 2 m ausgeführt werden. Die Überdachung dürfe eine maximale Größe von 30 qm bei einer maximalen Tiefe von 3 m nicht überschreiten. Dem Nachbargrundstück dürfe kein Niederschlagswasser zugeleitet werden.

Mit Schreiben vom 26. August 2013 wandte sich der Klägerbevollmächtigte an die Beklagte mit der Bitte um Mitteilung, wie das Bauamt zu der Maßnahme der Beigeladenen stehe und ob von Seiten der Beklagten ein Einschreiten zu erwarten sei.

Auf erneutes Schreiben vom 23. September 2013, das unbeantwortet blieb, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 an den Oberbürgermeister der Beklagten. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 wandte sich der Klägerbevollmächtigte erneut an die Beklagte, wonach bei einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister Hartl klargestellt worden sei, dass es sich bei der Terrasseneinhausung bzw. -überdachung wohl um einen Schwarzbau handele. Dies sei mit nichts zu beschönigen oder zu kaschieren, so dass letztendlich rein rechtlich nur ein konsequenter Rückbau in Betracht komme. Es sei nicht nur das Dach abzunehmen, sondern auch die von dem Nachbarn angebrachte Mauer in der Gestalt, wie sie gebaut wurde, zu entfernen. Um eine klare Aussage dahingehend, ob die Stadt für einen Rückbau sorgen werde oder nicht, werde gebeten.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2014 teilte die Beklagte dem Klägerbevollmächtigten mit, dass es sich bei der Terrassenüberdachung der Beigeladenen um ein nicht genehmigtes und ohne nachbarliche Zustimmung auch nicht genehmigungsfähiges Bauvorhaben handele. Deswegen werde die Stadt ... auf einen teilweisen Rückbau hinwirken. Seitens der Stadt ... könne jedoch lediglich gefordert werden, dass die Terrassenüberdachung und die dadurch entstehende Gebäudeerweiterung den Mindestabstand von 3 m zum Nachbargrundstück einhalte. In diesem Fall sei sie auch mit einer Tiefe von 4 m ohne Zustimmung der Nachbarn genehmigungsfähig. Die bestehende Mauer sei nach Auffassung der Beklagten nicht zu beanstanden, da sie nicht höher als 2 m gemessen ab dem Baugrundstück sei.

Gegenüber den Beigeladenen teilte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Januar 2014 mit, dass auf dem Grundstück der Beigeladenen eine rechtswidrige Grenzbebauung festgestellt worden sei. Es handele sich um eine Terrassenüberdachung aufgesetzt auf eine Grenzwand. Diese baulichen Anlagen bildeten ihrem Wesen nach einen neuen Gebäudeteil. Nach dem gesamten Erscheinungsbild handele es sich um eine Wohnraumerweiterung, so dass nicht mehr von verfahrensfreien Bauteilen gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1g bzw. 7a BayBO ausgegangen werden könne. Diese Gebäudeerweiterung sei ohne Erteilung einer Genehmigung errichtet worden und ohne Zustimmung des Nachbarn auch nicht genehmigungsfähig, da insbesondere die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen nicht eingehalten würden. Auch bei Reihenhäusern müssten Gebäudeteile, die wesentlich über den einheitlichen Reihenhausbaukörper hinausgingen, die erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück einhalten. Eine Abweichung von dieser Vorschrift könne nur mit Zustimmung des Nachbarn erteilt werden. Zur Erteilung einer Genehmigung für die Gebäudeerweiterung sei eine Einigung mit den Nachbarn zwingend erforderlich. Nur mit Zustimmung des Nachbarn könne die Stadt ... eine Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben erteilen. Soweit keine Einigung erzielt werden könne, sei der Teil der Terrassenüberdachung, der den Mindestabstand zur Grenze von 3 m nicht einhalte, zu beseitigen. Den Beigeladenen wurde eine Äußerungsfrist bis zum 21. Februar 2014 gesetzt.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, bei der grenzständigen Mauer handele es sich um eine ortsunübliche Sichtschutzeinrichtung, die nicht genehmigungsfähig sei. Die Mauer stehe nur auf einer 50 cm breiten und ca. 15 cm starken Betonplatte. Armierungen seien nicht vorhanden. Es bestehe somit die erhebliche Gefahr, dass die Mauer umstürzen könne. Eine ausreichende Standfestigkeit sei nicht nachgewiesen.

Der Klägerbevollmächtigte wandte sich mit Schreiben vom 3. Juli 2014 erneut an den Oberbürgermeister der Beklagten mit der Bitte auf einen Bescheid hinzuwirken. Es sei in keiner Weise zu verstehen, dass sich das Verfahren nun nahezu ein Jahr lang hinziehe, ohne dass es zu einer Entscheidung komme.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2014 bekräftigte der Oberbürgermeister der Beklagten die grundsätzliche Priorität einer gütlichen Einigung. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 bekräftigte auch der Beigeladenenvertreter sein Interesse an einer gütlichen Einigung.

Am 2. Oktober 2014 hat die Klägerin durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Oktober 2014 Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, südlich der Reihenhausbebauung habe sich in der Vergangenheit zwischen sämtlichen Grundstücken bislang lediglich ein Trenn-/Sichtschutz aus Holz befunden. Dies sei ortsüblich und seit mindestens 30 Jahren so angebracht. Die Bebauung der Beigeladenen füge sich nicht in das Erscheinungsbild ein und bewirke eine erhebliche Beschattung für das klägerische Grundstück. Auf den umfangreichen Schriftwechsel sei bis heute keine adäquate Antwort seitens der Beklagten erfolgt. Die Klägerin verfolge bauaufsichtliches Einschreiten gegen einen unmittelbar an der Grenze errichteten Anbau. Der Ermessensspielraum der Behörde sei auf Null reduziert. Es handele sich im vorliegenden Fall um einen materiell erheblich ins Gewicht fallenden Verstoß und eine spürbar nachhaltige Beeinträchtigung der Klägerin. Es sei zwischenzeitlich ein Zeitraum von nahezu 1,5 Jahren vergangen, in dem die Behörde nicht tätig geworden sei. Die Mindestabstandsfläche von 3 m nach Art. 6 Abs. 5 BayBO werde nicht eingehalten. Eine Ausnahme von den Abstandsflächen liege nur insoweit vor, als Abstandsflächen aufgrund der baulichen Art, insbesondere der Reihenhausbebauung, anderweitig zu berücksichtigen seien. Dies sei hier zwar gegeben, jedoch nur bezogen auf die Wohnhäuser. Sämtliche Anbauten, soweit diese getätigt würden, fielen unter entsprechende Abstandsregelungen. Auch sei gerade im Bereich der Reihenhausbebauung von besonderen gestalterischen Voraussetzungen und Einwirkungen auf den Nachbarn auszugehen, da typischerweise hier im Verhältnis zu freistehenden Einfamilienhäusern aufgrund der schmalen Grundstücksbreiten von ca. 6 m sich entsprechend extreme Auswirkungen auf den Nachbarn ergäben. Die Terrassenbreite betrage letztlich nur 6 m. Die Klägerin habe somit nahezu keine Ausweichmöglichkeit, um dem durch die Baumaßnahmen geschaffenen Schatten und Sichtwall durch die Nachbarn zu entgehen. Es handele sich somit um eine wesentliche Beeinträchtigung auf der klägerischen Terrasse. Es handele sich letztendlich nahezu um eine Einhausung der eigenen Terrasse, die nicht hinnehmbar sei und dem nachbarlichen Rücksichtnahmegebot widerspreche. Auch sei die Grenzmauer in der Art und Weise errichtet, dass die Mauer, die den Treppenabgang der Klägerin stütze, von dieser nun nicht mehr entfernt bzw. gewartet oder repariert werden könne, da die Mauer des Nachbarn über diese Mauer hinausrage und sich letztlich an dem Fundament der Mauer der Klägerin abstütze. Gemessen vom ehemaligen Niveau der Terrasse ohne die Erhöhung durch das Betonfundament von ca. 15 cm bis 20 cm ergebe sich eine Höhe der Mauer nebst Dachkonstruktionsaufbau von weit mehr als 2 m. Auch diese wäre als Grenzbebauung somit genehmigungspflichtig. Die Beklagte habe bei ihrem bisherigen Vorgehen in keiner Weise die Belange der Klägerin und die besondere Situation durch die Reihenhausbebauung und die erhöhte Rücksichtnahmepflicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2014,

die Beklagte zu verpflichten, gegen die Beigeladenen einen Rückbaubescheid hinsichtlich des Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung an der Grundstücksgrenze zu der Klägerin zu erlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen zu. Im Kern gehe es um einen schwelenden Nachbarschaftsstreit mit einer Vielzahl von zwischen den Parteien streitigen Punkten. Seitens der Beklagten sei von Anfang an der Versuch unternommen worden, auf eine einvernehmliche Regelung zwischen den Parteien hinzuwirken. Nach Auffassung der Beklagten sei auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein eine Besprechung der gesamten nachbarrechtlichen Problematik geeignet, eine nachhaltige Befriedung der Angelegenheit herbeizuführen.

Entgegen der Ausführungen im Klageschriftsatz bestehe für die streitgegenständlichen Grundstücke ein Bebauungsplan. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Eine Ermessensreduzierung sei nur dann anzunehmen, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter für Leben und Gesundheit drohten oder sonst unzumutbare Belästigungen abzuwehren seien (mit Verweis auf BayVGH v. 18.6.2008

- 9 ZB 07.497). Allein der Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften führe für sich gesehen noch nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null und zu einer Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten. Es werde nicht verkannt, dass die Verpflichtung zum bauaufsichtlichen Einschreiten auch dann bejaht werde, wenn ein erhebliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen vorliege, wie z. B. bei einer massiven Verletzung der Abstandsflächen (mit Verweis auf Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 491). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe eine solche Konstellation im Falle einer Überschreitung der Abstandsflächen auf einer Gesamtlänge von rund 19 m einer Außenwand für einen zweigeschossigen Anbau angenommen. Angesichts des vorliegenden Umfangs der Beeinträchtigung könne von einer solchen Konstellation hier nicht ausgegangen werden. Zu berücksichtigen sei, dass vorliegend das streitgegenständliche Grundstück sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befinde und sich der Anbau noch im Bereich der im Bebauungsplan vorgesehenen Baugrenzen halte. Zudem müsse vorliegend davon ausgegangen werden, dass hier allenfalls ein Teilrückbau in Betracht komme. Gerade die Frage des Umfangs eines notwendigen Rückbaus solle jedoch zwingend unter Einbeziehung der Nachbarn und der weiteren nachbarstreitigen Probleme besprochen werden.

Die Beigeladenen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass es sich um einen seit Jahren schwelenden Nachbarrechtsstreit mit einer Vielzahl von Differenzen handele. Auch der Bevollmächtigte der Beigeladenen habe sich an den Klägerbevollmächtigten wegen nachbarrechtlicher Verstöße gewandt (errichtete Box im Vorgarten seitens der Klägerin, Holzablagerungen der Klägerin im Grenzbereich sowie überragende Sträucher und Bäume). Vor Realisierung der Baumaßnahme hätten die Beigeladenen gegenüber der Beklagten um Auskunft gebeten, ob die Baumaßnahme durchgeführt werden dürfe. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 28. Mai 2013 geantwortet, dass keine Genehmigung erforderlich sei und die entsprechenden Arbeiten durchgeführt werden könnten. Aus dem geführten Schriftverkehr ergebe sich, dass die Beklagte stets versucht habe, zwischen den Parteien zu vermitteln, wobei insbesondere das an sich widersprüchliche Verhalten der Stadt ... im Zusammenhang mit der Durchführung der nunmehr monierten Bauarbeiten geklärt werden sollte. Die Voraussetzung für eine Untätigkeitsklage lägen nicht ansatzweise vor. Die Klägerin wolle vielmehr die Stadt ... für sich instrumentalisieren und einen Bescheid erzwingen, der ihr im Rahmen der schwelenden Nachbarstreitigkeiten Oberwasser geben solle.

Die Maße und die Bauausführung, wie sie in der Klagebegründung beschrieben seien, entsprächen nicht der Richtigkeit. Die weitere Bauausführung hätten die Beigeladenen mit der Stadt ... abgesprochen und von dieser „grünes Licht“ erhalten. Die streitgegenständliche Baumaßnahme sei wie sie durchgeführt worden sei, nicht genehmigungspflichtig.

Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2015 führte die Beklagte ergänzend aus, ein Anspruch auf Erlass einer Baubeseitigungsanordnung gemäß Art. 76 BayBO bestehe nicht. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO seien Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden dürfe. Insofern werde deutlich, dass die Bestimmung des Abstandsflächenrechts bei planungsrechtlicher Gestattung zum Grenzanbau nachrangig seien. Durch die Festsetzung der Baugrenzen werde zugelassen, dass bei einer Reihenhausbebauung einzelne Elemente an die seitliche Grundstücksgrenze angebaut werden dürften. In der Zulassung dieses Grenzanbaus im Inneren der Hausgruppe liege die entscheidende Bedeutung der Aufnahme der Reihenhausbebauung in die offene Bauweise (mit Verweis auf Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 44). Anerkannt sei ferner, dass bei Bestehen eines Bebauungsplans für Doppelhäuser bzw. Hausgruppen die Abstandsflächen bzw. die Zulässigkeit eines versetzten Anbaus durch die überbaubare Grundstücksfläche und die vorgegebene Höhenentwicklung gesteuert werde (mit Verweis auf Simon/Busse, Art. 6 Rn. 53). Bei den Regelungen im Bebauungsplan unter § 7 handele es sich um Normierungen zur Gestaltung der Außenanlagen. Es gehe hier nicht um die Regelung einer nach den Baugrenzen und der überbaubaren Grundstücksfläche zulässigen Grenzbebauung. Mangels materieller Illegalität bestehe mithin kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten.

Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2015 verweist der Klägerbevollmächtigte darauf, dass als Trennung zwischen den benachbarten Terrassen ursprünglich zwischen den Parteien ein Holzsichtschutzzaun in einer Höhe von 1,8 m und einer Länge von 3,6 m auf dem Betonteil aufgebracht worden sei, der die Treppe im Abgang zum hinteren Eingang des Hauses an der Terrasse abstütze. Ausweislich des Bebauungsplans dürfe eine Grenzbebauung, ein Zaun oder ähnliches maximal 1,5 m hoch sein. Die aufgebrachte Konstruktion erstrecke sich über eine Tiefe von 4,2 m und habe an dem einen Ende zum Garten hin eine Höhe von mindestens 2 m sowie am anderen Ende an der Hausfassade eine Höhe von 3,4 m. Es liege mithin eine massive Beeinträchtigung vor. Auch sei zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die zugelassene Grenzbebauung von 9 m gemäß BayBO die Reihenhäuser bereits eine Tiefe von 11 m hätten, die dazugehörige Garage nochmals 5 m betrage und somit bereits eine Grenzbebauung von 16 m vorliege. Dies im Hinblick auf eine Grundstücksgröße von ca. 240 qm. Die Untätigkeit der Beklagten sei nicht verständlich, zumal klägerseits eindeutig zum Ausdruck gebracht worden sei, dass eine einvernehmliche Regelung nicht gewünscht werde.

Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2016 führt die Beklagte ergänzend aus, vorliegend trete ein untergeordneter Anbau zur Hausgruppe hinzu, der nur dazu diene, die Terrasse längere Zeit im Jahr nutzen zu können. Deshalb würden die engeren Wechselbeziehungen des nachbarlichen Austauschverhältnisses gerade nicht einseitig aufgehoben, sondern die harmonische Beziehung der Gebäude bleibe bestehen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch die Umgebungsbebauung. Zwar befänden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans selbst keine vergleichbaren Fälle. Bei einer Betrachtung des gesamten Wohngebietes fänden sich vergleichbare Beispiele mit ähnlichen Vor- und Rücksprüngen innerhalb von Hausgruppen. Die Vergleichsbeispiele zeigten, dass eine Abgrenzung in vergleichbaren Gebäudekonstellationen nicht unüblich sei und auch überwiegend nicht als störend wahrgenommen werde. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Beseitigungsanordnung lägen daher nicht vor.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin ein bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen wegen des errichteten Terrassenanbaus ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, ein Erlass auf die beanspruchte Beseitigungsanordnung bestehe nicht, da die bauliche Anlage zwar formell baurechtswidrig sei, da sie ohne erforderliche Baugenehmigung errichtet worden sei, der Anbau jedoch materiell rechtmäßig sei. Der Anbau halte sich innerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplans. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht werde nicht beeinträchtigt. Zwar sei das Abstandsflächenrecht vorliegend nicht eingehalten, da der Anbau auf der Grenze errichtet worden sei. Dies sei auch nicht mehr durch die Bauweise als Reihenhaus gerechtfertigt. Reihenhäuser seien dadurch gekennzeichnet, dass sie wechselseitig ohne Grenzabstände errichtet werden und dadurch eine Schicksalsgemeinschaft eingingen. Somit müsse jeder Reihenhauseigentümer die Grenzbebauung des Nachbarn dulden. Dies gelte aber nur, soweit die Grenzbebauung wechselseitig in gleichem bzw. vergleichbarem Umfang erfolge. Dabei seien geringfügige Vor- und Rücksprünge bzw. Staffelungen zulässig. Der neu errichtete Anbau überschreite diesen Rahmen, da an den übrigen Häusern nach wie vor nur Terrassen und allenfalls Sichtschutzzäune aus Holz vorhanden seien. Diese Überschreitung durch die vorhandene Bebauung vorgegebenen Rahmens werde jedoch durch Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO legitimiert, der explizit den Vorrang von bauplanungsrechtlichen Regelungen vor dem Abstandsflächenrecht festsetze. Weil sich der Anbau innerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplans befinde, sei die Außenwand in dieser Länge noch von der städtebaulichen Satzung zugelassen. Somit sei der Anbau noch als von der Schicksalsgemeinschaft der Reihenhausbebauung umfasst anzusehen und ohne Einhaltung von Abstandsflächen zulässig. Dafür spreche auch, dass der Anbau den Rahmen nur maßvoll überschreite. Auch unter Hinzutreten des Anbaus handele es sich noch um eine bauliche Einheit und damit eine Hausgruppe, weil der Anbau nur untergeordnet sei. Er sei lediglich erdgeschossig mit Flachdach und zudem nicht als Massivbau, sondern nur als teilweise geschlossene Holzkonstruktion ausgeführt und diene lediglich dazu, die Terrasse längere Zeit im Jahr nutzbar zu machen. Die engen Wechselbeziehungen des nachbarlichen Austauschverhältnisses würden dadurch gerade nicht einseitig aufgehoben, sondern die harmonische Beziehung der Gebäude bleibe bestehen. Auf Vergleichsfälle im angrenzenden Wohngebiet wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2016 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, die als Untätigkeitsklage erhobene Klage als Verpflichtungsklage fortzuführen. Es sei nicht zutreffend, dass die Terrasse lediglich nur 5,6 m breit sei. Die Anwesen seien sämtlich 6 m breit, daher sei auch der Anbau 6 m breit. Auch sei der Anbau nicht wie von der Beklagten ausgeführt 3,6 m tief. Vielmehr weise der Anbau eine Tiefe von 4 m auf. Mit dem Dachüberstand ergäben sich sogar 4,3 m. Soweit die Beklagte bereits selbst feststelle, dass eine formell rechtswidrige Baumaßnahme vorliege, sei gerade das Ermessen insoweit reduziert, als dass ein Einschreiten der Beklagten erforderlich und notwendig sei. Aus dem Bebauungsplan ergebe sich, dass eine Grenzbebauung, ein Zaun oder ähnliches maximal 1,5 m hoch sein dürfe. Gestattet sei der bislang bestehende Sichtschutzzaun gewesen, der jedoch eine Länge von 3,6 m und eine Höhe von 1,8 m hatte. Dieser habe insbesondere, da der derzeitige Erweiterungsbau zur Seite der Klägerin hin noch nicht einmal verputzt sei, gestalterisch ein deutlich anderes Bild ergeben. Auch das angebliche Vorliegen eines Baufensters reiche vorliegend nicht aus. Die nachbarschützende Vorschrift im Hinblick auf die Grenzbebauung verlange dennoch ein Abstandhalten von mindestens 3 m zur Grenze. Die Schicksalsgemeinschaft der Reihenhäuser decke nicht eigenmächtige Erweiterungen. Gerade bei einer Reihenhausbebauung gälten andere erhöhte Anforderungen an das gegenseitige Rücksichtnahmegebot, da man extrem eng aufeinander sitze. Die Überschreitung der vorhandenen Bebauung werde nicht durch Art. 6 Abs. 3 BayBO legitimiert. Die Baugrenze selbst sei im Hinblick auf die Begründung des Bebauungsplans lediglich dafür gedacht gewesen, dass in diesem Bereich die Reihenhäuser selbst gebaut würden, nicht jedoch irgendwelche einseitigen Anbauten. Der streitgegenständliche Anbau überschreite nicht nur maßvoll, sondern extrem, er sei nicht untergeordnet, sondern springe deutlich massiv hervor. Die von der Beklagten angeführten Beispiele seien nicht vergleichbar.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 25. Februar 2016,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 2016 zu verpflichten, gegen die Beigeladenen einen Rückbaubescheid hinsichtlich des Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung an der Grundstücksgrenze zu der Klägerin zu erlassen.

Das Gericht hat am 4. Mai 2016 durch den beauftragten Richter Beweis durch die Einnahme eines Augenscheins erhoben. Auf die Ergebnisse des Augenscheins wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift und die gefertigten Lichtbilder verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2016 wird auf die Niederschrift verwiesen.

Mit Beschlüssen vom 2. Oktober 2014 und vom 5. April 2016 wurden die Beigeladenen zum Verfahren beigeladen.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2016 übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens zur Durchführung eines Mediationsverfahrens beantragt. Für den Fall eines Scheiterns der Mediation haben die Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Nachdem die Klägerin die Durchführung eines Mediationsverfahrens nicht mehr gewünscht hat, haben die Beteiligten das Mediationsverfahren für gescheitert erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verfahrensakten verwiesen.

Gründe

Das Verfahren konnte aufgrund des übereinstimmenden Einverständnisses der Beteiligten

ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die ursprünglich statthaft als Untätigkeitsklage erhobene Klage ist nach Einbeziehung des ablehnenden Bescheides vom 2. Februar 2016 als Versagungsgegenklage zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Die Ablehnung eines Einschreitens durch Erlass einer Rückbauverpflichtung gegenüber den Beigeladenen durch Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2016 erweist sich zwar als rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mangels Ermessensreduzierung auf Null hat die Klägerin gleichwohl keinen Anspruch auf Erlass eines Rückbaubescheides durch die Beklagte gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung an der Grundstücksgrenze. Die Klägerin kann jedoch wegen der Rechtswidrigkeit der Ablehnung mit Bescheid vom 2. Februar 2016 eine nochmalige Entscheidung über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist grundsätzlich derjenige der mündlichen Verhandlung.

Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist, dass der Nachbar durch die bauliche Anlage in seinen Rechten verletzt wird, was einen Verstoß der Anlage gegen nachbarschützende Vorschriften erfordert und infolgedessen die Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gegen die Anlage berechtigt, weil der Tatbestand der Befugnisnorm und die Eingriffsschranken beachtet sind (vgl. BayVGH, B. v. 28.8.2015 - 9 ZB 13.1876 - juris Rn. 13; U. v. 4.12.2014 - 15 B 12.1450 - juris Rn. 22).

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten kann sich aus Art. 76 Satz 1 BayBO ergeben. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von baulichen Anlagen anordnen, die in Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Ausübung dieser Befugnis steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (Art. 40 BayVwVfG). Ein Nachbar, der durch eine rechtswidrig errichtete Anlage in seinen Rechten verletzt wird, hat gegenüber der Behörde grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung. Ein Rechtsanspruch auf Einschreiten steht ihm dann zu, wenn das Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu seinen Gunsten auf Null reduziert ist (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11). Wäre das Ermessen stets schon bei vorliegender Tatbestandsvoraussetzung von Art. 76 Satz 1 BayBO, d. h. bei formeller und materieller Illegalität der baulichen Anlage zugunsten des Nachbarn auf Null reduziert, würde die gesetzgeberische Ausgestaltung als Ermessensnorm leerlaufen (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011, a. a. O.). Die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten eines bauaufsichtlichen Einschreitens ist auch bei einer Verletzung nachbarschützender Normen von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig. Eine solche Ermessensreduzierung wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, wenn die von der rechtswidrigen baulichen Anlage ausgehenden Beeinträchtigung des Nachbarn einen erheblichen Grad erreicht und die Abwägung mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergibt (vgl. BayVGH, B. v. 29.3.2011 - 15 ZB 09.412 - juris Rn. 3).

Ein Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten erfordert dabei zum einen, dass sie durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt wird, zum anderen, dass das Ermessen der Beklagten sowohl hinsichtlich des „Ob“ (Entschließungsermessen) als auch des „Wie“ (Auswahlermessen) des Einschreitens auf Null reduziert ist. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null - wie vorliegend - nicht vor, besteht lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11).

Im vorliegenden Fall stellt sich der streitgegenständliche Terrassenanbau mangels Baugenehmigung in formeller Hinsicht als baurechtswidrig dar; wegen Verstoßes gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach Art. 6 BayBO erweist sich der Anbau auch in materieller Hinsicht als baurechtswidrig und verletzt insoweit nachbarschützende Normen (vgl. nachfolgend 1.). Der Bauaufsichtsbehörde kommt gleichwohl hinsichtlich des Einschreitens ein Entschließungs- und Auswahlermessen zu; mangels Gravität der beeinträchtigten Nachbarrechte ist das Ermessen jedoch insoweit nicht auf Null reduziert, als die Nachbarrechtsverletzung allein durch eine Beseitigung der baulichen Anlage ausgeräumt werden könnte (vgl. nachfolgend 2.).

1.

Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 2. Februar 2016 erweist sich insoweit als rechtswidrig, als die bauliche Anlage der Beigeladenen nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht baurechtswidrig ist und dadurch die Klägerin in eigenen Rechten verletzt.

Der von den Beigeladenen errichtete Terrassenanbau ist in formeller Hinsicht baurechtswidrig, da das Vorhaben baugenehmigungspflichtig ist und ohne Baugenehmigung errichtet wurde (Art. 55 Abs. 1 BayBO). Eine Genehmigungsfreiheit des Vorhabens nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 g) BayBO als Terrassenüberdachung mit einer Fläche bis zu 30 qm und einer Tiefe bis zu 3 m ist unter Berücksichtigung der seitlichen Aufbauten nicht gegeben. Vielmehr ist bei der streitgegenständlichen Terrassenüberdachung verbunden mit den seitlichen Aufbauten von einer baulichen Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung auszugehen. Der Anbau stellt sich gemäß § 2 Abs. 2 BayBO als selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlage dar, die von Menschen betreten werden kann. Auch eine Verfahrensfreiheit als Grenzmauer nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO ist unter Berücksichtigung dessen, dass die seitlichen Aufbauten sich als untrennbarer Teil des Terrassenanbaus, mithin als einheitliche, selbstständige bauliche Anlage darstellen, nicht gegeben. Schließlich könnte es sich beim Terrassenanbau im Hinblick auf die dadurch bezweckten Nutzungsmöglichkeiten gerade angesichts der Überdachung und der teilweisen Seitenwände um eine Erweiterung des Wohnhauses handeln, die genehmigungspflichtig wäre.

Die bauliche Anlage erweist sich wegen Verstoßes gegen das nachbarschützende bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht auch als materiell baurechtswidrig.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von oberirdischen Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Zu den planungsrechtlichen Vorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO gehört zwar auch die Festsetzung einer Baulinie nach § 23 Abs. 2 BauNVO. Dagegen sind die Vorschriften über die Baugrenzen für Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO insoweit ohne Belang, als diesen Vorschriften eine unmittelbare Anknüpfung an die jeweilige Grundstücksgrenze fehlt. Bauplanungsrechtliche Festsetzungen über Baugrenzen betreffen lediglich die überbaubaren Flächen der Grundstücke und lassen dabei die Frage offen, ob an die Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder darf. Baugrenzen nehmen auf den Abstand eines Gebäudes zur Grundstücksgrenze nur indirekt Einfluss. Reicht eine Baugrenze bis an die Grundstücksgrenze heran, so bedeutet dies, dass wegen des Abstandsflächenrechts diese Fläche womöglich nicht vollständig überbaut werden kann (vgl. Dohm/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand 01/2016, Art. 6 Rn. 49).

Entgegen der Auffassung der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 2. Februar 2016 treten die Abstandsflächenvorschriften nicht hinter die Festsetzungen bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche in einem Bebauungsplan zurück (vgl. VGH BW, B. v. 10.4.1995 - 3 S 608/95 - juris Rn. 5). Da die Baugrenze lediglich eine äußerste Grenze bestimmt, die nicht überschritten werden darf, ein Zurücktreten hinter diese aber erlaubt (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO), werden dadurch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nicht berührt und sind weiter zu beachten (vgl. VGH BW, B. v. 10.4.1995, a. a. O.).

Eine abweichende planungsrechtliche Vorschrift ergibt sich auch nicht aus der im Bebauungsplan festgesetzten offenen Bauweise als Hausgruppe gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft allein die Anordnung der Gebäude auf dem Baugrundstück im Verhältnis zu den seitlichen Grenzen der Nachbargrundstücke. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Doppelhaus im Sinne von § 22 Abs. 2

BauNVO eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer baulichen Einheit zusammengefügt werden (vgl. BVerwG, U. v. 24.2.2000 - 4 C 12.98 -

BVerwGE 110, 355; U. v. 19.3.2015 - 4 C 12.14 - BayVBl. 2015, 642; B. v. 14.9.2015 - 4 B 16.15 - juris). Dabei ist das Erfordernis der baulichen Einheit nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Die Frage, ob sich ein Anbau an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch innerhalb der baulichen Einheit bewegt, beurteilt sich allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes verfolgt wird (vgl. BayVGH, B. v. 5.1.2016 - 1 ZB 15.606 - juris Rn. 8). Zwar mag die Terrasse als Teil des Hauptbaukörpers die Doppelhausqualität nicht in Frage stellen, so dass sie nach § 22 Abs. 2 BauNVO an der Grundstücksgrenze errichtet werden darf (vgl. BayVGH, B. v. 5.1.2016, a. a. O.). Gleichwohl handelt es sich vorliegend aufgrund der seitlichen Aufbauten und der Terrassenüberdachung um eine bauliche Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung, die sich nicht im Rahmen des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Abstandsflächen hält, sondern vielmehr den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt. Der harmonische Gesamtkörper der Hausgruppe als bauliche Einheit wird bei einem solchen Anbau mit einer Tiefe von 4 m wohl nicht mehr gewahrt. Die streitgegenständliche Terrassenüberdachung mit ihren seitlichen Aufbauten ist somit eine abstandsflächenpflichtige Anlage gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, da sie, wie ausgeführt, Gebäudequalität aufweist. Das Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze kann nur auf Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden werden. Die Zulässigkeit einer Grenzbebauung setzt daher den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundstückseigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein; die enge Wechselbeziehung erfordert, dass die Einzelgebäude im Wesentlichen deckungsgleich aneinander gebaut sein müssen (vgl. VG München, U. v. 19.11.2012 - M 8 K 11.5706 - juris Rn. 48).

Eine solche Deckungsgleichheit bzw. die Wahrung der baulichen Einheit der Hausgruppe ist bei dem streitgegenständlichen Anbau nicht mehr gegeben. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten durch Bescheid vom 2. Februar 2016 erweist sich daher insoweit als rechtswidrig, als die Beklagte von einer bauplanungsrechtlichen Dispensierung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ausgegangen ist.

Die von der Klägerin angegriffene bauliche Anlage der Beigeladenen stellt sich somit sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht als baurechtswidrig dar. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf erneute ermessensgerechte Entscheidung nach Art. 76 Satz 1 BayBO.

2.

Darüber hinaus sind die klägerischen Nachbarrechte durch den fehlenden Grenzabstand nicht so gravierend beeinträchtigt, dass nur eine Beseitigung in Form eines Rückbaus in Betracht kommen kann.

Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des bauaufsichtlichen Einschreitens in Form einer Rückbauverpflichtung ist nur dann anzunehmen, wenn eine besondere Intensität der Störung oder der Gefährdung nachbargeschützter Rechtsgüter gegeben ist, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonst unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (vgl. BayVGH, B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 07.497 - juris). Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn durch die Gewährung von Ausnahmen oder Befreiungen bzw. Abweichungen auf andere Art und Weise als durch eine Beseitigungsanordnung rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (vgl. BayVGH, B. v. 21.5.2001 - 1 ZB 00.3206 - juris). Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist dann auszugehen, wenn von der rechtswidrigen Nutzung Beeinträchtigungen ausgehen, die einen erheblichen Grad erreichen, und wenn die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Darüber hinaus bedeutet eine Verpflichtung zum Einschreiten hinsichtlich des Entschließungsermessens nicht zwangsläufig, dass die Verletzung der Nachbarrechte allein durch eine Vollbeseitigung der inmitten stehenden Anlage ausgeräumt werden könnte; vielmehr stehen der Behörde im Rahmen des Auswahlermessens durchaus Handlungsalternativen, wie beispielsweise die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags und gegebenenfalls einer Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften offen (vgl. BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 22 ZB 05.2608 - juris). Dies gilt umso mehr, als ein Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten immer nur soweit gehen kann, wie die Rechtsverletzung wirkt.

Hinsichtlich der Gravität der Beeinträchtigungen ist vorliegend trotz der langen Untätigkeit der Beklagten zu berücksichtigen, dass die bisher auf dem Grundstück der Klägerin bestehende Trennwand zwischen den Terrassen sowie die darüber liegenden Balkone bereits bislang eine Verschattungswirkung für die Klägerin ergeben haben. Unmittelbar neben dem grenzständischen Anbau befindet sich der Kellerabgang auf dem Grundstück der Klägerin, auf den sich im Wesentlichen die Verschattungswirkung erstreckt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass durch den streitgegenständlichen Anbau keine reine Südseite verschattet wird. Darüber hinaus könnte sich möglicherweise eine Genehmigungsfähigkeit im Wege der Abweichung insoweit ergeben, als eine zu fordernde Atypik gegebenenfalls dann angenommen werden könnte, wenn sich in der Reihenhauszeile bzw. im Plangebiet bereits entsprechende Terrassenüberdachungen bzw. -anbauten finden würden (vgl. VG Ansbach, U. v. 7.9.2015 - AN 9 K 15.00573 - juris Rn. 57).

Nachdem die Behörde vorliegend kein Ermessen ausgeübt hat, da sie von materieller Baurechtmäßigkeit der baulichen Anlage ausging, und die Beeinträchtigung nachbarlicher Rechte keine solche Gravität aufweist, dass nur im Wege der Beseitigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten, hat die Klägerin vorliegend keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten auf Erlass eines Rückbaubescheids, sondern lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift:

Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift:

Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach:

Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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Tenor I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt. II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 2 und 3 als Gesamtschuldner und die Klägerin zu 1 je zur Hälfte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlic
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Annotations

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.