Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 23. Feb. 2017 - AN 5 K 15.01676

published on 23/02/2017 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 23. Feb. 2017 - AN 5 K 15.01676
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die durch die Beklagte mit der Erwägung, es bestehe Gefahr, er werde sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen, verfügte Einziehung seines Reisepasses.

Der Kläger war mehrere Jahre als selbständiger Immobilienvermittler tätig und ist mit Frau …, die ebenso, wie deren Tochter …, thailändische Staatsangehörige ist, verheiratet. Aus der Ehe ist der am … geborene Sohn …, der deutscher Staatsangehöriger ist, hervorgegangen.

Der Kläger ist Miteigentümer (Anteil: ½) des Grundstückes …, …, Ortsteil …, welches als Grünland („Schrebergarten“) beschrieben wird und mit Garagen und einem Wellblechschuppen bebaut ist.

Der Kläger ist wie folgt vorbestraft:

1. Amtsgericht …, Strafbefehl vom 14. Juni 2004: Geldstrafe 120 Tagessätze zu je 40,00 EUR wegen Betrugs in drei Fällen;

2. Amtsgericht …, Urteil vom 23. Mai 2005: acht Monate Freiheitsstrafe wegen Betrugs und Urkundenfälschung, zur Bewährung ausgesetzt, Strafe erlassen mit Wirkung vom 13. Juni 2008;

3. Landgericht …, Urteil vom 6. März 2014: 2 Jahre Freiheitsstrafe wegen Betrugs in sechs Fällen, zur Bewährung ausgesetzt, Bewährungszeit drei Jahre.

Nach den Erkenntnissen des Finanzamtes … erzielte der Kläger im Zeitraum von 2003 bis 2012 in der Summe nicht erklärte Bruttoeinnahmen in Höhe ca. 880.000,00 EUR. Diese wurden zum Teil auf die Konten der Ehefrau des Klägers überwiesen, zum Teil in Bar eingezahlt, seien aber dem Kläger zuzurechnen. Nach Angaben der Fahndungsprüferin seien fortlaufend größere Abhebungen vorgenommen worden und im Zeitraum von 2007 bis 2012 - belegt durch entsprechende Rechnungen - jährlich, zum Teil mehrmals, Flüge von … bzw. … nach … über … getätigt worden.

Weder im Rahmen der Fahndungsprüfung noch im Vollstreckungsverfahren seien größere Bargeldbestände vorgefunden worden. Kontopfändungen seien erfolglos gewesen. Es werde somit vermutet, dass große Mengen Bargeld nach Thailand verbracht worden seien. Belege über Baukosten in Thailand in Höhe von insgesamt umgerechnet ca. 65.500,00 EUR seien sichergestellt worden.

Gegenüber der Steuerfahndung gab der Kläger an, seine Ehefrau stamme in Thailand aus einer wohlhabenden Familie und sei dort auf … an einem Hotel und an drei Restaurants beteiligt.

Mit Schreiben vom 16. April 2015 beantragte das Finanzamt … bei der Beklagten, dem Kläger ausgestellte Pässe gemäß § 7 PassG zu beschränken bzw. einzuziehen. Der Kläger habe derzeit vollstreckbare Steuerrückstände in Höhe von 404.733,48 EUR. Weiterhin seien ca. 135.000,00 EUR Gewerbesteuer bei der Stadt … offen. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung reise der mit einer thailändischen Staatsangehörigen verheiratete Kläger regelmäßig nach Asien, um größere Bargeldsummen dorthin zu verbringen. Da er im November 2014 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei und bei Hinzukommen einer weiteren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung mit einer Haftstrafe zu rechnen sei, stehe zu befürchten, dass er sich zukünftig möglicherweise auch der Strafvollstreckung entziehen könnte.

Einer von der Beklagten bei ihrem Kassen- und Steueramt eingeholten Auskunft vom 28. April 2015 nach beliefen sich die Gewerbesteuerrückstände des Klägers dort auf 134.402,28 EUR.

Über die genannten Beträge wurden Steuerbescheide gegen den Kläger erlassen, die unstreitig vollstreckbar sind. Einsprüche gegen die Steuerbescheide wurden am 4. August 2015 zurückgewiesen. Die gegen die Einspruchsentscheidungen am 3. September 2015 zum Finanzgericht … erhobenen Klagen nahm der Kläger am 16. Februar 2016 (Umsatzsteuer 2003-2012) bzw. am 1. Juli 2016 (Einkommens- und Gewerbesteuer 2003-2012) zurück.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2015 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Einziehung seines deutschen Reisepasses … an.

Mit Schreiben vom 3. August 2015 bestellten sich die anderweitigen Bevollmächtigten des Klägers bei der Beklagten und führten zur Anhörung aus, wegen der behaupteten Steuerrückstände sei gegen den Kläger Anklage vor dem Amtsgericht … erhoben worden. Der Kläger wehre sich vehement gegen die Behauptung, er habe die in der Anklage genannten Steuern hinterzogen. In den Veranlagungszeiträumen 2006 bis 2012 habe er Vermittlungen von Wohnungsverkäufen durchgeführt und hierfür Provisionszahlungen erhalten. Zahlreiche Kunden hätten von diesen Provisionen wieder Rückzahlungen bekommen.

Mit Bescheid vom 28. August 2015 zog die Beklagte unter Ziffer 1. den Reisepass … gemäß § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG ein, versagte unter Ziffer 2. die Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG, forderte unter Ziffer 3. die Rückgabe des Reisepasses bis zum 7. September 2015 an die Beklagte, drohte unter Ziffer 4. für den Fall, dass der Reisepass nicht bis zum 7. September 2015 zurückgegeben werde, unmittelbaren Zwang hinsichtlich der Herausgabe an und erklärte unter Ziffer 5. die Anordnungen unter den Ziffern 1., 2., 3. und 4. für sofort vollziehbar.

Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger sei mit einer thailändischen Staatsangehörigen verheiratet, er habe Grundbesitz in Thailand, es lägen Erkenntnisse vor, wonach er sich nach Thailand absetzen wolle, um sich den steuerlichen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Steuerschulden von weit mehr als 500.000,00 EUR begründeten schon für sich genommen die Annahme eines subjektiven Steuerfluchtwillens. Weiter lasse der Kläger es an jeglichen Bemühungen fehlen, die Steuerschulden zu reduzieren oder sonst eine Klärung mit den Steuerbehörden herbeizuführen. Darüber hinaus sei er mit einer thailändischen Staatsangehörigen verheiratet und solle in Thailand Grundbesitz haben. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung reise er regelmäßig nach Asien, um größere Bargeldsummen dorthin zu bringen. Da er im November 2014 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden sei und bei Hinzukommen einer weiteren Verurteilung mit einer Haftstrafe rechnen müsste, bestehe der begründete Verdacht, dass er sich durch eine Ausreise nach Thailand sowohl der Strafverfolgung als auch der Begleichung der Steuerschuld entziehen könnte. Die Passversagung bzw. der Entzug des Passes sei auch nicht unverhältnismäßig. Weder handele es sich um Bagatellverstöße noch um geringfügige Verstöße gegen die steuerlichen Verpflichtungen. Eine Zwangsgeldandrohung sei auf Grund der Steuerschulden in keinem Fall zielführend, es sei daher erforderlich, unmittelbaren Zwang anzuordnen.

Mit Schreiben vom 2. September 2015 erklärten die anderweitigen Bevollmächtigten des Klägers für diesen, dass der Kläger über den einzuziehenden Pass nicht verfüge. Es werde vermutet, dass der Reisepass von der Staatsanwaltschaft … sichergestellt worden sei. Auf Anfrage der Beklagten vom 8. September 2015 beim Amtsgericht …, welches diese an die Staatsanwaltschaft … weitergeleitet hatte, erklärte die Staatsanwaltschaft … mit Schreiben vom 15. September 2015, dass der Pass nicht unter den sichergestellten Unterlagen sei. Mit Schreiben vom 16. September 2015 teilte die Beklagte den anderweitigen Bevollmächtigten des Klägers mit, dass der am 3. April 2013 ausgestellte Pass nicht unter den von der Staatsanwaltschaft … am 20. Februar 2013 sichergestellten Unterlagen sein könne und auch nicht sei.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten Klage erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2015 in den Ziffern 1. bis 4. aufzuheben.

Zur Begründung führten die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus, es seien keine Tatsachen nachvollziehbar dargetan, die die Annahme, der Kläger wolle sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen, begründeten. Die Steuerbescheide seien nicht rechtskräftig. Vielmehr sei Klage beim Finanzgericht … erhoben worden, was zeige, dass sich der Kläger einem rechtsstaatlichen Verfahren in Deutschland stellen wolle. Die Höhe der Steuerforderungen selbst sei keine zwingende Tatsache, aus der allein die Annahme begründet werde, dass sich der Kläger seiner steuerlichen Verpflichtung entziehen wolle. Es müssten weitere Tatsachen hinzukommen. Auch die Tatsache der Verehelichung mit einer ausländischen Staatsangehörigen allein begründe keine Tatsache, aus der sich ergebe, dass der Kläger sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen wolle. Der Kläger sei nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland erwerbstätig und beabsichtige, diese Erwerbstätigkeit weiter in der Bundesrepublik Deutschland auszuüben. Entgegen der ins Blaue hinein aufgestellten Behauptung verfüge der Kläger über keinen Grundbesitz in Thailand. Hier sei der Bescheid schon in sich selbst widersprüchlich. Tatsache sei, dass der Erwerb von Grundbesitz in Thailand für Ausländer rechtlich nicht möglich sei. Tatsachen, die dafür sprächen, dass der Kläger in nächster Zeit nach Thailand ausreisen wolle, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Richtig sei, dass der Kläger wegen einer Steuerstraftat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist, deren Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Dies bedeute, dass das erkennende Gericht eine positive Sozialprognose habe bejahen müssen.

Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag beantragten die Prozessbevollmächtigen des Klägers, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei rechtswidrig.

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2015 erwiderte die Beklagte und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Steuerfluchtwille im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG könne sich bereits aus hohen Steuerschulden ergeben. Die diesen Schulden zugrundeliegenden Steuerbescheide müssten lediglich vollstreckbar, aber noch nicht bestandskräftig sein. Die nach der Rechtsprechung für die Annahme eines Steuerfluchtwillens maßgebliche Erheblichkeitsschwelle sei im Fall des Klägers mit Steuerschulden von mehr als 500.000,00 EUR eindeutig überschritten. Die Ehe mit einer Thailänderin und die regelmäßigen Reisen nach Asien vermögen für sich allein genommen eine Passversagung noch nicht zu begründen. Im Zusammenhang mit den Steuerschulden des Klägers seien diese Beziehungen des Klägers als zusätzliches Indiz für den Steuerfluchtwillen zu sehen. Dies gelte umso mehr, als der Kläger nicht in Abrede stelle, größere Bargeldsummen nach Asien zu verbringen. Der Grundbesitz in Thailand sei nur erwähnt und sei nicht entscheidungserheblich. Die günstige Sozialprognose aus der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers sei nicht mehr aktuell. Die Angaben des Klägers über das angebliche Abhandenkommen des zurückzugebenden Reisepasses seien nicht glaubwürdig.

Am 3. November 2015 beantragte die Ehefrau des Klägers für den gemeinsamen Sohn einen Reisepass. Dabei gab sie an, sie wolle im Dezember mit dem Sohn nach Thailand reisen.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2015 nahmen die Prozessbevollmächtigten des Klägers ergänzend Stellung und führten unter Vorlage diverser Unterlagen aus, die Aufstellung der Steuerrückstände des Finanzamtes … für die Zeit ab 2003 könnte nicht richtig sein, weil teilweise von einer Gesamtschuld des Klägers und seiner Frau ausgegangen werde, wobei die Eheschließung erst am … 2004 erfolgt sei. Es seien bereits eine Vielzahl von Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden. Insbesondere seien Sachpfändungen erfolgt und auf dem Grundstück …, … eine Zwangssicherungshypothek über einen Betrag von 203.906,22 EUR eingetragen worden. Ein erheblicher Teil der Steuerforderungen sei beigetrieben oder zumindest gesichert, so dass keinesfalls von einer Steuerverbindlichkeit in Höhe von 404.733,48 EUR ausgegangen werden könne. Der Kläger verfüge über keinen Grundbesitz in Thailand, was dieser selbst eidesstattlich versicherte. Weiter hätten die Besuche und Reisen nach Thailand bis auf einen Fall nur Ferienreisen betroffen. Geldtransaktionen nach Thailand habe der Kläger nicht veranlasst. Steuerschulden gegenüber dem evangelisch-lutherischen Kirchensteueramt bestünden nicht. Richtig sei, dass die Familie über die Weihnachtsfeiertage nach Thailand reisen wolle.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2015 legte die Beklagte unter Hinweis darauf, dass noch 130.000 EUR Gewerbesteuerrückstände hinzukämen, ein Schreiben des Finanzamtes … vor, aus dem sich insbesondere ergibt, dass sich die Steuerrückstände des Klägers auf 425.597,38 EUR belaufen, wovon seine Ehefrau aus Einkommenssteuerrückständen für 233.857,90 EUR gesamtschuldnerisch hafte. Der Fehler, dass die Ehefrau für Einkommenssteuer aus 2003 in Anspruch genommen worden sei, sei korrigiert. Richtig sei, dass eine Zwangshypothek über 203.906,22 EUR auf dem dem Kläger gehörenden Hälfteanteil des Grundstücks eingetragen sei. Das gesamte Grundstück sei aber nur ca. 80.000 EUR wert. Der aus der Verwertung gepfändeter Gegenstände erwartbare Erlös stehe nicht im Verhältnis zu den gesamten Rückständen. Wenn der Kläger kein Grundvermögen in Thailand besitze, stelle sich die Frage, warum er Baukosten für ein Haus dort bezahlt habe. Der Kläger und seine Frau hätten sich hier in Widersprüche verstrickt. Der eidesstattlichen Versicherung des wegen Urkundenfälschung und Betrugs vorbestraften Klägers sei nur eingeschränkt Bedeutung zuzumessen. In der Vermögensaufstellung vom 27. Mai 2014 sei das Grundstück in … nicht enthalten. Nachweise, dass Bargeld nach Thailand verbracht worden sei, könnten aus der Natur der Sache nicht vorgelegt werden. Es liege aber der dringende Verdacht vor, dass Gelder zur Vereitelung der Vollstreckung ins Ausland verbracht worden seien. Die unversteuerten Einnahmen seien abgehoben worden, größere Bargeldbestände seien nicht gefunden worden, aber regelmäßig Flüge nach Thailand getätigt worden. Zur Verwendung der Beträge habe sich der Kläger nicht geäußert. Es sei unwahrscheinlich, dass der Kläger nach Deutschland zurückkehren würde, wenn ihm die Ausreise ermöglicht werde. Außer einem kaum werthaltigen Grundstück und der Mietkaution hinterlasse er nichts.

Mit Schriftsatz vom 20. November 2015 wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass das Finanzamt …nun Fehler eingeräumt habe. Den unterstellten Grundstückswert bestreite er mit Nichtwissen. Zudem legte er eidesstattliche Versicherungen des Klägers, seiner Ehefrau und deren Tochter vor, aus denen sich ergibt, dass der Kläger über keinen Grundbesitz in Thailand verfüge, weder er noch seine Ehefrau an Hotels oder Restaurants in Thailand beteiligt sei, er anlässlich seiner Ferienreisen keinerlei Bargeldtransfers dorthin vorgenommen habe und keinerlei Überweisungen für Baukosten für ein Haus in Thailand von Deutschland nach Thailand veranlasst habe. Die vorgefundenen Belege beträfen Baukosten, die von der Mutter der Ehefrau des Klägers bezahlt worden seien. Die Ehefrau und ihre Mutter seien Eigentümerinnen eines Hausgrundstücks auf … Für Weihnachten/Neujahr 2015/16 sei eine gemeinsame Reise nach Thailand geplant, nach der die Rückkehr nach Deutschland beabsichtigt sei.

Mit Beschluss vom 24. November 2015 lehnte die Kammer den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (AN 5 S. 15.01675). Die dagegen am 14. Dezember 2015 eingelegte Beschwerde nahmen die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 zurück. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellte das Verfahren daraufhin mit Beschluss vom 29. Dezember 2015 ein (5 CS 15.2760).

Mit Urteil vom 7. Juli 2016 des Amtsgerichts … wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 380 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt. Die Strafverfolgung wurde dabei nach den §§ 154 Abs. 1, 154a Abs. 1 und 2 StPO auf die Verkürzung der Umsatzsteuer durch den Kläger um 52.057,00 EUR für von ihm im Rahmen seiner Tätigkeit als selbständiger Wohnungsvermittler erhaltene Provisionszahlungen in den Jahren 2007 und 2009 beschränkt. Im Rahmen einer Verständigung gemäß § 257c StPO räumte der Kläger den ihm vorgeworfenen Sachverhalt ein.

Mit Schreiben seiner anderweitigen Bevollmächtigten vom 29. August 2016 ließ der Kläger bei der Beklagten beantragen, ihm einen neuen Pass zu erteilen. Der Kläger müsse nicht mehr mit einem Widerruf der Aussetzung der zweijährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom November 2014 rechnen. Das Finanzamt sei durch eine Grundschuld in Höhe von ca. 220.000,00 EUR abgesichert. Diese Grundschuld sei auf einem im Miteigentum des Klägers stehenden Grundstück eingetragen. Das Finanzamt habe erwähnt, dass die Vollstreckungsabteilung im Augenblick kein Interesse daran habe, dieses Grundstück zu verwerten, weil aufgrund der aktuellen steigenden Grundstückspreise man mit einem höheren Ertrag rechne, falls noch abgewartet werde. Einerseits verwerte man hier Vermögen nicht und versage dann aber andererseits eine Zustimmung zur Passerteilung. Dies sei rechtsmissbräuchlich.

Auf Bitte der Beklagten vom 7. September 2016 nahm das Finanzamt … daraufhin mit Schreiben vom 20. September 2016 ausführlich Stellung und führte insbesondere aus, seit Ergehen des streitgegenständlichen Bescheids sei ein Durchsuchungsbeschluss beantragt worden, da der Kläger die Durchsuchung seiner Räume verweigert habe. Die Durchsuchung sei mit mehreren Sachpfändungen am 16. März 2016 durchgeführt worden. Seitdem seien keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden, weil die Vollstreckungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft worden seien. Die Ergebnisse mehrerer Durchsuchungen seien jeweils den Sozialbehörden wegen Verdachts auf Erschleichung von Leistungen mitgeteilt worden. Die Steuerrückstände betrügen derzeit 454.954,38 EUR, nicht wie vom Bevollmächtigten des Klägers angegeben nur 48.996,38 EUR. Sowohl dem Kläger als auch seinem Rechtsanwalt sei bekannt, dass die Höhe der Steuerrückstände unabhängig vom Strafverfahren sei. Die zugrunde liegenden Steuerbescheide beruhten auf den Kalkulationen der Steuerfahndung, da der Kläger pflichtwidrig keine Steuererklärungen abgegeben habe. Gegen die Steuerbescheide sei Einspruch eingelegt worden. Nach den ergangenen Einspruchsentscheidungen sei Klage beim Finanzgericht erhoben worden. Die Klagen bezüglich der Umsatzsteuer 2003-2012 sei vom Vollstreckungsschuldner in der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016 zurückgenommen worden. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2003-2012 und Gewerbesteuer 2003-2012 sei eine Klagerücknahme mit Schreiben vom 1. Juli 2016 erfolgt. Folglich seien die Steuerrückstände unanfechtbar bestandskräftig festgesetzt. Unzutreffend sei, dass die Finanzbehörden aus wirtschaftlichen Gründen (Spekulation auf steigende Immobilienpreise) von einer Verwertung des halben Grundstücks in … absehen würden. Das gesamte Grundstück habe einen Verkehrswert von ca. 60-80.000 EUR. Aufgrund der eingetragenen Sicherungshypothek liege das bei einer Zwangsversteigerung maßgebliche geringste Gebot (ca. 204.000 EUR) wesentlich über dem Verkehrswert, so dass sich kein Bieter finden werde. Des Weiteren sei eine Verwertung nicht möglich. Es stehe dem Kläger selbstverständlich frei, seinen Anteil zu veräußern und dem Finanzamt einen angemessenen Vorschlag zur Erteilung einer Löschungsbewilligung zu unterbreiten. Mit der Sicherungshypothek seien die damaligen Steuerrückstände hälftig abgesichert worden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe aufgrund der Gefährdung des Steueranspruchs dringender Handlungsbedarf bestanden, so dass ohne ausführlichere Ermittlungen zum Verkehrswert eine Eintragung erfolgen habe müssen. Im Nachgang habe sich bestätigt, dass die Eile angemessen gewesen sei, da der Kläger noch im Dezember 2014 versucht habe, seinen Anteil am Grundstück an den weiteren Miteigentümer - seinen Großonkel - zu veräußern. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG enthalte drei Teilvoraussetzungen: ein vollziehbarer, nicht offensichtlich rechtswidriger Steuerbescheid; die durch den Pass ermöglichte Ausreise müsse objektiv dazu führen, dass die Durchsetzung des Steueranspruchs vereitelt werde; zwischen der Ausreise und der Absicht der Nichterfüllung seiner steuerlichen Pflichten müsse ein kausaler Zusammenhang bestehen. Es sei anzumerken, dass die Steuerrückstände in Höhe von derzeit weit mehr als 400.000 EUR für sich genommen schon einen Steuerfluchtwillen begründeten. Der Steuerschuldner habe mehrmals hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Unwahrheit gesagt. So habe er in der Vermögensauskunft vom 27. Mai 2015 an Eides statt angegeben, kein Grundvermögen zu haben, obwohl er noch im Dezember 2014 versucht gehabt habe, seinen Hälfteanteil am Grundstück in … zu veräußern. Weiterhin habe der Kläger bei Durchsuchungen angegeben, über keine Garage zu verfügen - wohl wissend, dass sich darin der pfändbare Mercedes, welchen er benutze, befinde. Hinsichtlich des Grundstücks in Thailand seien widersprüchliche Angaben zum Eigentum gemacht worden. Mal habe es der Ehefrau gehört, dann wieder der Mutter der Ehefrau. Weiterhin habe der Kläger wiederholt angegeben, dass die Vorwürfe der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft nicht zuträfen. Später habe er für die Altjahre eine Immobilienmaklertätigkeit und die Steuerhinterziehung eingeräumt. Da in Deutschland nur geringe Vermögenswerte haben sichergestellt werden können, sei der Verbleib der erzielten Einnahmen ungeklärt. Bis heute habe der Kläger weder Steuererklärungen eingereicht, noch erklärt, was mit den Einnahmen aus der Steuerhinterziehung und den unerklärten Bargeldzuflüssen geschehen sei. Für die Finanzbehörden sei offensichtlich, dass ein Großteil der Einnahmen in das Ausland verbracht worden sei. Nach Auffassung des Finanzamts … erscheine ein Festhalten an einer Passversagung förderlich, die Bereitschaft des Steuerpflichtigen zur Tilgung seiner Steuerrückstände zu erhöhen, denn eine Ausreise würde es dem Kläger ermöglichen, ohne weitere Konsequenzen in Zukunft über die beiseite geschafften Beträge und hinterzogenen Steuern in Thailand zu verfügen. Die Passversagung erscheine weiterhin notwendig, da der Schuldner in der Vergangenheit sein gesamtes Vermögen bereits größtenteils erfolgreich in das Ausland verbracht habe (siehe Barabhebungen und regelmäßige Flüge nach Thailand / Baukosten Haus in Thailand, ungeklärte Mittelverwendung, keinerlei Mitwirkung bei der Offenlegung der Vermögensverhältnisse, gezieltes Verschweigen von Vermögen an Eides statt) und ihm folglich zum erfolgreichen „Abschluss“ lediglich die eigene Ausreise fehle. Die Passversagung erscheine angesichts der erheblichen Steuerrückstände und der erfolglosen Ausschöpfung sämtlicher weiterer weniger einschneidenden Vollstreckungsmaßnahmen als letztes Mittel angemessen und verhältnismäßig.

Mit Schreiben vom 28. September 2016 hörte die Beklagte den Kläger zur Absicht an, den Antrag auf Erteilung eines Reisepasses abzulehnen.

Mit Schreiben seiner anderweitigen Bevollmächtigten vom 20. Oktober 2016 ließ der Kläger hierzu vortragen, der Kläger werde sich in den nächsten Tagen mit dem Finanzamt in Verbindung setzen. Er wolle versuchen, eine Einigung herbeizuführen, dass er künftig wieder arbeiten könne, um dann die Steuerschulden in Raten begleichen zu können. Das Finanzamt wäre mit einer Zwangssicherungshypothek ohnehin umgehend in der Lage, einen Großteil der Steuerschulden einnehmen zu können. Wenn aber das Finanzamt jetzt auf dem Immobilienmarkt spekuliere, könne dies nicht zu Lasten des Steuerschuldners gehen.

Einer E-Mail des Kassen- und Steueramtes der Beklagten vom 25. Oktober 2016 nach bestehen seit 20. Mai 2015 titulierte Gewerbesteuerforderungen gegen den Kläger in Höhe von 136.616,93 EUR zuzüglich 1% Säumniszuschläge ab 10. Juni 2015 bis 9. November 2016 aus 100.400,00 EUR. Der Kläger beziehe Arbeitslosengeld II in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Sohn. Er besitze kein eigenes Konto, die Leistungen aus dem Jobcenter liefen über das Konto seiner Ehefrau. Einziges Vermögen sei die Hälfte eines Garagengrundstücks im Amtsgerichtsbezirk … Mit einem Abbau der Steuerrückstände werde unabhängig von einer Passerteilung bzw. -versagung nicht gerechnet. Erfahrungsgemäß endeten vergleichbare Fälle in einem Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung oder in einer Niederschlagung der Forderungen.

Am 8. November 2016 sprach der Kläger beim Finanzamt … vor, legte seine derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dar und führte dabei aus, er gehe derzeit nicht davon aus, dass ein geeigneter Kaufinteressent für seinen Anteil am Grundstück vorhanden sei. Einmalzahlungen auf die Steuerschulden seien dem Kläger nach seiner Auskunft nicht möglich. Er beabsichtige zwar eine gewerbliche Tätigkeit „Immobilienvermittlung“ aufzunehmen. Eine dann eventuell mögliche Ratenzahlung werde aber nach Einschätzung des Finanzamts … kaum zu einer deutlichen Reduzierung der Steuerrückstände innerhalb der nächsten Monate führen.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2017 teilte die Beklagte nach telefonischer Rücksprache mit dem Finanzamt … mit, am maßgeblichen Sachverhalt habe sich nichts wesentlich geändert. Die Rückstände beim Finanzamt beliefen sich aktuell auf 473.043,88 EUR.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 23. Februar 2017 führte der Kläger insbesondere aus, er beziehe aktuell Arbeitslosengeld II. Nach einem Schreiben des Finanzamtes … vom 20. September 2016 betrügen die Steuerrückstände über 450.000,00 EUR, es fielen pro Monat 5.416,00 EUR Zinsen an. Steuern in dieser Höhe habe er nicht hinterzogen. Die Klagen beim Finanzgericht habe er auf Druck des Finanzamtes im Rahmen des Strafverfahrens zurücknehmen müssen. Er sei regelrecht erpresst worden. Nur durch die Klagerücknahme sei der Deal beim Strafgericht zustande gekommen. In ein paar Jahren würden seine Schulden 1 Million EUR und mehr betragen. Er werde diese Schulden nie zurückzahlen können. Durch die Passproblematik sei er in der Lebensqualität und Reisemöglichkeit enorm eingeschränkt. Es bestehe keine Fluchtgefahr. Der Staat würde eher profitieren, wenn er flüchten würde, da dann das Arbeitslosengeld II nicht mehr ausbezahlt werden müsste. Der Vertreter der Beklagten führte insbesondere aus, entscheidend sei im vorliegenden Fall in erster Linie die Höhe der Steuerschulden, die durch die Klagerücknahme bestandskräftig feststehe. Beim Kläger sei letztlich eine ernsthafte Zusammenarbeit und Kooperation mit dem Finanzamt nicht festzustellen. Es sei nach wie vor unklar, wohin diese hohen Geldsummen verschwunden seien. Hinzu komme, dass der Kläger bei entsprechenden Aufstellungen das Grundstück und eine Garage verschwiegen habe. Auch nach Auffassung der Beklagten werde der Kläger irgendwann wieder einen Pass erhalten; dies aber nur, wenn die Zusammenarbeit mit dem Finanzamt erfolge oder sich die Angelegenheit mit dem Finanzamt irgendwie erledige.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte,

unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 28. August 2015 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen Reisepass zu erteilen.

Der Vertreter der Beklagten beantragte,

Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die über die mündliche Verhandlung gefertigte Niederschrift verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung eines Reisepasses.

Zu Recht hat die Beklagte unter Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids dem Kläger seinen Reisepass entzogen, unter Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids die Rückgabe des Reisepasses gefordert sowie unter Ziffer 4. des streitgegenständlichen Bescheids unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung der Herausgabepflicht angedroht. Insoweit ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die auf § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG gestützte Entziehung des dem Kläger ausgestellten Reisepasses … unter Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig.

Nach § 8 PassG kann ein Pass entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sich u.a. seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Behördenentscheidung, weil Umstände, die der Passbehörde nicht bekannt waren oder - weil sie in der Zukunft liegen - nicht bekannt sein konnten, auch nicht Gegenstand der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung gewesen sein konnten (OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 2.10.2014 - OVG 5 B 9.13 - juris Rn. 38 zum insoweit vergleichbaren Entzug eines Passes nach § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG; a. A. OVG NRW, U.v. 4.5.2015 - 19 A 2097/14 - juris Rn. 23, das die nach Auffassung der Kammer einmalige Passentziehung mit einer räumlichen Beschränkung, welche Dauerwirkung hat, gleichsetzt und dabei verkennt, dass nach einer Passentziehung grundsätzlich ein neuer Pass ausgestellt werden kann).

In objektiver Hinsicht setzt § 8 PassG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG voraus, dass sich aus vollziehbaren Steuerbescheiden, die nicht offensichtlich rechtswidrig sind, ergibt, dass erhebliche Steuerrückstände bestehen (vgl. VG Berlin, B.v. 27.8.2014 - 23 L 410.14 - juris Rn. 20; OVG NRW, B.v. 2.1.1996 - 25 B 3037/95 - juris Rn. 2). Nicht erforderlich ist, dass die Steuerbescheide auch bereits bestands- oder gar rechtskräftig wären (vgl. OVG NRW, B.v. 2.1.1996 - 25 B 3037/95 - juris Rn. 2; OVG Bremen, B.v. 25.1.2013 - 1 B 297/12 - juris Rn. 4). Die Voraussetzung erheblicher Steuerrückstände aus vollziehbaren und nicht offensichtlich rechtswidrigen Steuerbescheiden war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses erfüllt. Aufgrund der zwischenzeitlich durch den Kläger dem Finanzgericht gegenüber erklärten Klagerücknahmen gegen die hier zugrundeliegenden Steuerbescheide sind die hier gegebenen Steuerrückstände darüber hinaus nunmehr sogar bestandskräftig, so dass an der Höhe der damaligen Steuerrückstände keine Zweifel bestehen.

Unstreitig war zwischen den Beteiligten hier bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des hier streitgegenständlichen Bescheides, dass der Kläger aus vollstreckbaren Steuerbescheiden Rückstände gegenüber dem Freistaat Bayern aus Steuern und öffentlichen Abgaben in einer Gesamthöhe von 404.733,48 EUR sowie gegenüber der Beklagten aus Gewerbesteuer in Höhe von 134.402,28 EUR hatte. Dass der Kläger erfolglos im Wege des Einspruchs gegen diese Steuerbescheide vorgegangen ist, änderte an den bestehenden und vollstreckbaren Steuerrückständen ebenso wenig wie der Umstand, dass der Kläger (zwischenzeitlich zurückgenommene) Klagen gegen die Einspruchsbescheide zum Finanzgericht … erhoben hatte. Die vom Kläger vorgebrachten Einwände führen auch nicht dazu, dass von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der gegen den Kläger erlassenen Steuerbescheide auszugehen wäre. Zwar ist davon auszugehen, dass das Finanzamt ursprünglich irrtümlich auch die Ehefrau des Klägers gesamtschuldnerisch für Einkommensteuer aus dem Jahr 2003 herangezogen hat, was schon wegen der erst 2004 erfolgten Eheschließung wohl rechtswidrig war. Jedoch hat das Finanzamt dies zum einen zwischenzeitlich korrigiert. Zum anderen ist der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers ursprünglich zu diesen Einkommensteuerbeträgen als Gesamtschuldnerin neben dem Kläger herangezogen werden sollte, ohne Auswirkung darauf, dass der Kläger selbst rechtmäßig zu diesen Beträgen herangezogen wurde. Auch der weitere Vortrag des Klägers, die ihm vom Finanzamt als Einkommen zugerechneten Provisionszahlungen seien zum Teil an die Käufer der von ihm vermittelten Immobilien zurückgeflossen, führt nicht zur Annahme der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Steuerbescheide. Der Kläger hat nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung seit dem Steuerjahr 2006 keine einzige Steuererklärung abgegeben und hat nunmehr selbst die von ihm ursprünglich angestrengten finanzgerichtlichen Klagen zurückgenommen und dadurch die Bestandskraft der festgesetzten Steuerrückstände selbst herbeigeführt. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nun ausführt, er sei im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens vom Finanzamt regelrecht erpresst worden, die finanzgerichtlichen Klagen zurückzunehmen, kann dies ebenso wenig dazu führen, dass von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Steuerbescheide auszugehen wäre. Vielmehr sind, worauf das Finanzamt … zutreffend hingewiesen hat, die strafrechtliche Verfolgung einer Steuerhinterziehung und die finanzgerichtliche Klärung der Höhe der Steuerforderungen unabhängig voneinander zu sehen. Zudem geht die Kammer mit dem Finanzamt … davon aus, dass der Kläger durch die Beschränkung der Strafverfolgung aufgrund der erfolgten Verständigung ein für ihn insbesondere im Hinblick auf den im Raum stehenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts … vom 6. März 2014 günstiges Ergebnis erzielt hat. Zudem wird die Darstellung des Klägers, nach der das Finanzamt maßgeblichen Einfluss auf die Verständigung gehabt haben soll, bereits dadurch in Zweifel gezogen, dass zwar die Verständigung, nicht aber die Anwesenheit eines Vertreters des Finanzamtes in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht … protokolliert wurde. Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers führen auch die bislang erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen nicht dazu, dass nicht mehr von Steuerrückständen im oben genannten Sinn, die als objektive Grundlage einer Passentziehung herangezogen werden können, auszugehen wäre. Denn die geltend gemachten Vollstreckungsmaßnahmen decken die bestehenden vollstreckbaren Steuerrückstände nur zu einem geringen Teil ab, so dass von einer Beitreibung oder jedenfalls Sicherung eines erheblichen Teils der Rückstände entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht die Rede sein kann. Dies gilt angesichts der erheblichen Rückstände für die erfolgten Sachpfändungen einiger weniger Gegenstände (1 TV-Gerät, 1 Flasche Dom Perignon, 1 Espressomaschine, 3 Tennisschläger), ohne dass dies weiterer Begründung bedarf. Dies gilt auch hinsichtlich der Eintragung einer Sicherungshypothek hinsichtlich des dem Kläger gehörenden Anteils des Grundstücks in … über einen Betrag von 203.906,22 EUR aus Einkommens- und Umsatzsteuer aus den Jahren 2005 bis 2007. Dabei kann offen bleiben, ob von dem vom Finanzamt … angegebenen Wert von nur etwa 40.000 EUR auszugehen ist, oder ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesen Wert des dem Kläger gehörenden Grundstücksanteils mit Nichtwissen bestreiten können. Denn in jedem Fall ist nur etwa höchstens die Hälfte der insgesamt bestehenden Steuerrückstände des Klägers gegenüber dem Freistaat durch diese Hypothek gesichert. Ungesichert bleiben zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses weitere gut 200.000 EUR Steuerrückstände gegenüber dem Freistaat, die bis zur mündlichen Verhandlung noch weiter angewachsen sind, sowie die Rückstände gegenüber der Beklagten aus Gewebesteuer in Höhe von etwa 135.000 EUR.

In subjektiver Hinsicht erfordert der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PassG ferner einen Steuerfluchtwillen, der voraussetzt, dass das gesamte Verhalten des Passinhabers und sonstige objektive Umstände den Schluss rechtfertigen, dass sich der Passinhaber mit Hilfe des in Rede stehenden Ausweisdokuments ins Ausland absetzen will, um sich auf diese Weise seinen steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen. Erforderlich ist hier ein Kausalzusammenhang zwischen den Steuerschulden des Passinhabers einerseits und seinem Auslandsaufenthalt andererseits (vgl. zum Ganzen: OVG NRW, B.v. 2.1.1996 - 25 B 3037/95 - juris Rn. 5). Ein solcher Wille lässt sich nur anhand von Indizien feststellen. Dabei ist das gesamte Verhalten des Passbewerbers zu würdigen. Ein maßgebliches Indiz ist dabei eine beträchtliche Höhe der Steuerschulden (vgl. OVG Bremen, B.v. 25.1.2013 - 1 B 297/12 - juris Rn. 5). Ein Steuerfluchtwille ergibt sich dabei bereits aus der erheblichen Höhe der Steuerrückstände (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 11.9.2007 - OVG 5 S. 56.07 - juris Rn. 11: Steuerrückstände von 228.000 EUR als „maßgebliches Indiz“). Angesichts der hier in Rede stehenden, noch weit höheren Beträge lässt sich der Steuerfluchtwille des Klägers bereits allein aus den bestehenden unstreitigen Steuerrückständen herleiten (vgl. VG Berlin, B.v. 27.8.2014 - 23 L 410.14 - juris Rn. 23 m.w.N. aus der Rechtsprechung mit weiteren zum Teil erheblich unter den hier in Rede stehenden Beträgen).

Darüber hinaus treten hier zudem weitere Indizien, die für einen Steuerfluchtwillen des Klägers sprechen, hinzu.

Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist der Umstand, dass der Kläger mit einer thailändischen Staatsangehörigen, die jedenfalls Miteigentümerin eines Hausgrundstücks in Thailand ist, wie sich aus ihrer eidesstattlichen Erklärung vom 19. November 2015 ergibt, ein weiteres Indiz, das vorliegend für einen Steuerfluchtwillen spricht. Zwar ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers zuzugeben, dass allein der Umstand, dass der Kläger mit einer thailändischen Staatsangehörigen verheiratet ist, kein Umstand ist, der einen Steuerfluchtwillen begründen kann. Das räumt auch die Beklagte ein. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers verkennen jedoch, dass auch die Beklagte nicht aus dieser Ehe auf den Steuerfluchtwillen geschlossen hat, sondern vielmehr die auch durch diese Ehe begründeten Verbindungen des Klägers nach Thailand als ein zusätzliches Indiz zu den erheblichen Steuerrückständen des Klägers herangezogen hat. Da auf einen solchen subjektiven Steuerfluchtwillen ohnehin, wie ausgeführt, nur auf Grund von Indizien geschlossen werden kann, kann auch eine solche Ehe, zumal wenn, wie hier, der ausländische Ehepartner (Mit-)Eigentümer einer Immobilie ist, so dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Steuerschuldner im Ausland mit einer gewissen Infrastruktur rechnen kann, bzw. dort nicht „bei Null anfangen“ müsste, als ein Indiz zur Plausibilisierung eines solchen Steuerfluchtwillens herangezogen werden. Auch wenn die Kammer davon ausgeht, dass der Kläger selbst nicht Eigentümer von Immobilien in Thailand ist, so hat seine Ehefrau ihrer eigenen eidesstattlichen Erklärung vom 19. November 2015 nach jedenfalls Miteigentum an einem Hausgrundstück. Daher und aufgrund der beim Kläger sichergestellten Belege für Baukosten, ist davon auszugehen, dass dem Kläger und seiner Familie dieses Hausgrundstück zur Nutzung zur Verfügung steht. Zwar behauptet der Kläger, die Baukosten seien von seiner Schwiegermutter bezahlt worden. Dies erscheint jedoch angesichts des Umstandes, dass die Belege beim Kläger in Deutschland gefunden worden sind, unglaubhaft. Zu dieser von der Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 24. November 2015 vertretenen Ansicht hat der Kläger auch nichts weiter vorgetragen, wodurch etwa erklärt worden wäre, warum sich die Belege beim Kläger befunden haben. Daher geht die Kammer weiterhin davon aus, dass sich der Kläger zumindest in erheblicher Weise an den Kosten des Hausgrundstücks beteiligt hat, was erwarten lässt, dass sich für ihn daraus, auch unterhalb der Schwelle eines Miteigentums, Nutzungsrechte ergeben. Angesichts dessen kommt es entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht darauf an, ob der Kläger selbst über Grundbesitz in Thailand verfügt. Auch wenn den Prozessbevollmächtigten des Klägers zuzugeben ist, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2015 hinsichtlich des Grundbesitzes des Klägers selbst uneindeutig ist, stellt auch die Beklagte nicht maßgeblich auf einen eigenen Grundbesitz des Klägers ab. Schließlich sind auch die über die in Thailand bestehende Wohnmöglichkeit hinaus bestehende Verwurzelung der Ehefrau in Thailand und ihre Beziehungen dorthin weitere Indizien für einen Steuerfluchtwillen des Klägers. Nach den Angaben des Klägers stammt sie aus einer wohlhabenden Familie. Auch wenn der Kläger zu den wirtschaftlichen Aktivitäten seiner Ehefrau in Thailand widersprüchliche Angaben gemacht hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger in Thailand über seine Ehefrau und deren Familie auf eine gewisse soziale und wirtschaftliche Infrastruktur treffen würde, die ihm ein Absetzen nach Thailand, um sich seinen steuerlichen Verpflichtungen in Deutschland zu entziehen, erleichtern würde.

Weiter spricht vorliegend für einen subjektiven Steuerfluchtwillen des Klägers, dass entgegen dem Eindruck, der wohl mit der eidesstattlichen Erklärung des Klägers vom 19. November 2015 erweckt werden soll, davon auszugehen ist, dass der Kläger in den vergangenen Jahren erhebliche Geldsummen nach Thailand verbracht hat. Nach den Ermittlungsergebnissen der Steuerfahndung hat der Kläger bei Gelegenheit diverser Reisen nach Thailand größere Summen an Bargeld dorthin verbracht. Gestützt wird dieses Ergebnis einerseits dadurch, dass größere Bargeldabhebungen belegt sind, aber beim Kläger kein Bargeld festgestellt werden konnte. Beim Kläger sichergestellt werden konnten dagegen Belege über umfangreiches Baumaterial, welches in Thailand erworben wurde. Dies wird auch nicht durch die eidesstattlichen Erklärungen erschüttert. Zwar erklärt der Kläger selbst, er habe anlässlich seiner Ferienreisen keinerlei Bargeldtransfers nach Thailand vorgenommen. Damit sind Bargeldtransfers bei Gelegenheit anderer als Ferienreisen nicht ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss ergibt sich auch nicht aus der eidesstattlichen Erklärung der Ehefrau des Klägers vom 19. November 2015, die nur die gemeinsamen Reisen als Ferienreisen angibt, so dass die Reisen, die der Kläger mit seiner Stieftochter unternommen hat (etwa am 25.7.2006, 1.8.2009, 23.12.2011), schon nicht erfasst sind. Eine andere Erklärung zum Verbleib der abgehobenen Summen hat der Kläger, worauf auch das Finanzamt … hinweist, bis heute nicht vorgetragen. Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger erhebliche Bargeldsummen nach Thailand verbracht hat, was zum einen die Annahme, dass er dort auf eine gewisse Infrastruktur bauen kann, weiter stützt und zum anderen bedeutet, dass er sein in Deutschland verfügbares Vermögen in einem beträchtlichen Umfang vermindert hat (zur Vermögensminderung als weiterem Indiz für einen Steuerfluchtwillen vgl. OVG Bremen, B.v. 25.1.2013 - 1 B 297/12 - juris Rn. 6).

Ein weiteres Indiz, das zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses für einen Steuerfluchtwillen des Klägers sprach, war, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, dass der Kläger im Falle einer weiteren Verurteilung durch das Amtsgericht … im gegen ihn wegen Steuerhinterziehung geführten Strafverfahren zu einer Freiheitsstrafe und des sodann zu erwartenden Widerrufs der Aussetzung der zweijährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts … vom 6. März 2014 mit längerer Haft rechnen musste. Die Aussicht, möglicherweise eine solche Haftstrafe verbüßen zu müssen, ließ den Gedanken, dass sich der Kläger ins Ausland absetzen wollen könnte, plausibel erscheinen. Auch wenn das Amtsgericht … den Kläger nunmehr mit seinem Urteil vom 7. Juli 2016 lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt hat, so dass mit einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nun nicht mehr zu rechnen ist und somit derzeit nicht von einem zu vollziehenden Freiheitsentzug gegenüber dem Kläger auszugehen ist, steht diese spätere Entwicklung der mit dem streitgegenständlichen Bescheid verfügten Passentziehung nicht entgegen, auch wenn dieser Umstand im Rahmen einer Neuerteilung eines Passes anders zu bewerten ist.

Weiter sprach für einen Steuerfluchtwillen des Klägers zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses, dass für seinen Sohn ein Reisepass beantragt worden ist, wobei angegeben wurde, dass die Ehefrau des Klägers mit dem Sohn des Klägers nach Thailand reisen möchte. Entgegen dem ursprünglichen Vortrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärte der Kläger später auch selbst, dass er selbst ebenfalls beabsichtigte, nach Thailand zu reisen. Somit war bereits von konkreten Reisevorbereitungen auszugehen. Dass der Kläger weiter erklärte, er beabsichtige, wieder nach Deutschland zurückzukehren, konnte nach den obigen Ausführungen kein Gewicht haben.

Schließlich war auch eine Kausalität zwischen den erheblichen Steuerrückständen und einem zu erwartenden nicht nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt anzunehmen. Es war davon auszugehen, dass der Kläger es vorziehen würde, in Thailand, wo er nach dem Vorstehenden mit einer gewissen sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur rechnen konnte, seinen dauerhaften Aufenthalt zu nehmen, anstatt nach Deutschland zurückzukehren, wo er sich den Forderungen des Finanzamtes, seine erheblichen Steuerrückstände zu begleichen oder wenigstens zu reduzieren, ausgesetzt sah und ihn (aus damaliger Sicht) möglicherweise eine längere Haftstrafe erwartete.

Die Entziehung des Passes des Klägers war auch nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere nicht unverhältnismäßig. Die Maßnahme war geeignet, den mit § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG bezweckten Rechtsgüterschutz, die Sicherstellung der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen zum Wohle der Allgemeinheit, zu fördern. Die infolge der durch die Passentziehung herbeigeführten Einschränkungen der Reisefreiheit des Klägers war aus damaliger Sicht geeignet, die Erfüllung seiner Steuerschuld zu fördern und ist dies auch noch heute. Die Maßnahme war insbesondere vor dem Hintergrund der dem Kläger grundsätzlich zustehenden, grundrechtlich verbürgten Ausreisefreiheit auch im Übrigen verhältnismäßig und ist dies auch noch. Maßgeblich ist hierbei zum einen die enorme Höhe der Steuerrückstände, wobei festzuhalten ist, dass hier nicht die Höhe des Steuerschadens, der Gegenstand des Strafverfahrens gewesen ist, zugrunde zu legen ist, sondern, wie das Finanzamt …zutreffend ausgeführt hat, die Höhe der insgesamt nicht entrichteten Steuer. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass eine Passentziehung grundsätzlich unverhältnismäßig sein kann, wenn unter keinen Umständen zu erwarten ist, dass die Passentziehung dazu beiträgt, den Steuerschuldner zu Zahlungen auf seine Steuerschuld zu bewegen. Zwar bezieht der Kläger Leistungen nach dem SGB II und lebt mit seiner Ehefrau in Bedarfsgemeinschaft, so dass zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses wie auch gegenwärtig Zahlungen nicht wahrscheinlich sind. Die Möglichkeiten des Klägers jedenfalls zu einer Reduzierung seiner Steuerrückstände beizutragen sind jedoch - entgegen der Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung - nicht ausgeschöpft. Zum einen kann der Kläger, was er im Übrigen bereits angekündigt, bisher jedoch offenbar nicht umgesetzt hat, wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, um so Einkünfte zu erzielen, mit denen er Zahlungen auf die Steuerschuld leisten kann. Einer diesbezüglichen Einigung mit dem Finanzamt bedarf es, entgegen der Darstellung des Klägers nicht, es sei denn er wollte ihm nicht zustehende Vergünstigungen wie Steuernachlässe zur Bedingung der Aufnahme irgendwelcher Bemühungen machen. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Kläger offenbar jegliche Erwerbsbemühungen eingestellt hat, seit das Finanzamt gegen ihn vorgegangen ist. Zum anderen hat das Finanzamt … zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem Kläger unbenommen ist, eine Verwertung seines Hälfteanteils des Grundstücks in … zu betreiben, um mit dem Erlös einen Teil seiner Steuerschuld abzutragen. Schließlich geht die Kammer, wie bereits ausgeführt, mit der Beklagten und dem Finanzamt … davon aus, dass der Kläger erhebliche Geldsummen ins Ausland geschafft hat. Weiter geht die Kammer auf dieser Grundlage davon aus, dass diese Geldströme, zu deren Aufklärung der Kläger, der auch, worauf das Finanzamt … ebenfalls hingewiesen hat, anderweitig Vermögensbestandteile bewusst verschwiegen hat, nichts beigetragen hat, umkehrbar sind, so dass damit dem Kläger noch erhebliche Möglichkeiten verbleiben, Zahlungen zur Reduzierung seiner Steuerrückstände zu leisten. Dem schützenswerten Interesse des Klägers daran, sich im Inland ordnungsgemäß auszuweisen, ist im Übrigen durch den ihm verbleibenden Personalausweis Rechnung getragen.

Ist die Entziehung des Reisepasses des Klägers nach dem Vorstehenden rechtmäßig, so gilt dies auch für die Anordnung der Rückgabe, der der Kläger bis heute trotz der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung nicht nachgekommen ist, sowie für die Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Herausgabepflicht. Zu Recht geht die Beklagte hierbei davon aus, dass sonstige zulässige Zwangsmittel, insbesondere die Androhung eines Zwangsgeldes, keinen zweckentsprechenden Erfolg erwarten lassen oder ungeeignet sind (Art. 34 Satz 1 BayVwZVG).

Soweit sich die Klage auf Ziffer 2. des angefochtenen Bescheids mit dem Ziel bezieht, unter ihrer Aufhebung die Beklagte zur Ausstellung eines neuen Reisepasses zu verpflichten, ist die Klage ebenfalls zulässig, aber ebenfalls nicht begründet, denn der Kläger hat zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die Ausstellung eines neuen Reisepasses.

Die Beklagte hat unter Ziffer 2. die Ausstellung einer Reisepasses gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG zu Recht versagt.

Die Passversagung ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der hierfür erforderliche Antrag nachgeholt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG). Denn ein Pass wird zwar nach § 6 Abs. 1 Satz 1 PassG nur auf Antrag ausgestellt und ein solcher Antrag lag zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht vor. Die anderweitigen Bevollmächtigten des Klägers haben jedoch mit Schreiben vom 29. August 2016 zwischenzeitlich für diesen bei der Beklagten die Ausstellung eines neuen Passes beantragt. Damit liegt zwar eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift vor (Art. 22 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG), die jedoch nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG unbeachtlich ist, weil, wie von dieser Norm vorausgesetzt, der Antrag nachträglich gestellt worden ist. Dies war nach Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich.

Die Passversagung ist auch materiell rechtmäßig. Denn dem Kläger ist der beantragte Pass nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG zwingend zu versagen, ohne dass der Beklagten hierbei Ermessen zukäme, weil Tatsachen die Annahme begründen, dass sich der Kläger seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will. Hierzu kann im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zur Passentziehung verwiesen werden. Ergänzend ist nur auszuführen, dass auch zum im Hinblick auf die Passversagung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sowohl hinreichend Tatsachen vorliegen, die die Annahme eines Steuerfluchtwillens begründen, als auch weiterhin von einer Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in dem Sinne, dass kein Verstoß gegen das Übermaßverbot besteht, auszugehen ist.

Die objektiven Steuerrückstände sind inzwischen aufgrund der Rücknahme der finanzgerichtlichen Klagen durch den Kläger nicht nur, wie erforderlich, vollstreckbar und nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern bestandskräftig. Maßgebliches Indiz für den subjektiven Steuerfluchtwillen ist die enorme Höhe der hier gegebenen, seit Bescheiderlass weiter angewachsenen Rückstände (vgl. hierzu insbesondere OVG Berlin-Brandenburg, B.v.11.9.2007 - OVG 5 S. 56.07 - juris Rn. 11; OVG Bremen, B.v. 25.1.2013 - 1 B 297/12 - juris Rn. 5; VG Berlin, B.v. 27.8.2014 - 23 L 410.14 - juris Rn. 23). Darüber hinaus bestehen als weitere Indizien, die für den Steuerfluchtwillen sprechen, die Verbindungen des Klägers nach Thailand, wie oben ausgeführt, unverändert fort. Auch bis heute hat der Kläger die Geldtransfers nach Thailand, durch die er sein in Deutschland verfügbares Vermögen, das dem Zugriff der Finanzverwaltung unterläge, in beträchtlichem Umfang vermindert hat (vgl. hierzu OVG Bremen, B.v. 25.1.2013 1 B 297/12 - juris Rn. 6), nicht aufgeklärt. In Deutschland verbliebene Vermögensbestandteile hat der Kläger wiederholt in Vermögensaufstellungen verschwiegen, was ebenfalls darauf hindeutet, dass er nicht bereit ist, dem Fiskus von „seinem Geld“ etwas abzugeben. Dass der Kläger tatsächlich nach Thailand ausreisen will, hat er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, indem er sich über die ihm nun fehlende Reisemöglichkeit zu den Verwandten seiner Frau beklagte. Zwar leugnete er eine Fluchtgefahr, kokettierte aber zugleich damit, dass der Staat im Falle seiner Flucht aufgrund der dann nicht mehr auszuzahlenden Leistungen nach dem SGB II sparen würde, was darauf schließen lässt, dass der Kläger eine Flucht „durchgerechnet“, jedenfalls in Betracht gezogen hat. Dass dem Kläger wohl ein Widerruf der Aussetzung zur Bewährung der gegen ihn mit Urteil des Landgerichts … vom 6. März 2014 verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht mehr droht, fällt all dem gegenüber nicht ins Gewicht. Angesichts der enormen Steuerrückstände, der bislang völlig fehlenden Bemühungen des Klägers, der trotz gegenteiliger Ankündigungen eine Erwerbstätigkeit nicht wieder aufgenommen hat und auch bislang den Verbleib der Gelder nicht nachvollziehbar erklärt hat, seine Steuerrückstände auch nur ansatzweise zu reduzieren, und der auch durch die bisher entgegen der sofort vollziehbaren Anordnung nicht erfolgten Rückgabe seines Passes an die Beklagte dokumentierten nicht bestehenden Kooperationsbereitschaft des Klägers steht der Passversagung auch das Übermaßverbot nicht entgegen.

Nach all dem war die Klage vollumfänglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 04/05/2015 00:00

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungs
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Annotations

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.