Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 18. Juni 2015 - AN 5 K 14.00392

published on 18/06/2015 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 18. Juni 2015 - AN 5 K 14.00392
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der am …1993 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und reiste im August 2010 zu seiner hier lebenden Mutter ein. Am 2. September 2010 wurde ihm eine Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU ausgestellt.

Strafrechtlich ist der Kläger im Bundesgebiet wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Amtsgericht … - Schöffengericht - Urteil vom 25. Mai 2011, rechtskräftig seit 20. Oktober 2011. Verurteilung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

2. Amtsgericht … - Urteil vom 25. Januar 2012, Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und unerlaubten Besitzes eines verbotenen Gegenstandes sowie wegen Diebstahls und Hehlerei zu einer Jugendstrafe von neun Monaten unter Einbeziehung der Entscheidung vom 25. Mai 2011, ... und ...

3. Amtsgericht … - Jugendschöffengericht - Urteil vom 24. Oktober 2012, rechtskräftig seit 1. November 2012. Verurteilung wegen Diebstahls in fünf Fällen, dabei in zwei Fällen in Mittäterschaft und in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, weiterhin wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren drei Monaten.

Aus den strafrechtlichen Verurteilungen ergibt sich im Wesentlichen, dass der Kläger in Polen zunächst bei den leiblichen Eltern in schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen ist. Bereits im Jahr 2006 verließ die Mutter den alkoholkranken Vater des Klägers und reiste nach Deutschland. Der Kläger und die kleinere Schwester blieben zunächst beim Vater in Polen, verließen diesen ebenfalls und reisten, nachdem sie zunächst für sechs Monate innerhalb Polens offenbar getrennt vom Vater gelebt hatten, im Sommer 2010 ins Bundesgebiet ein. Der Kläger hat nach den Ausführungen der Strafurteile in Polen die Schule abgebrochen, ist auch dort offenbar strafrechtlich in Erscheinung getreten und sollte von einem Familienhelfer ausgehend in ein Erziehungsheim geschickt werden. In Deutschland besuchte der Kläger in … im Herbst 2010 ohne nennenswerten Erfolg eine Sprachschule und lebte bis zu seiner Inhaftierung mit der jüngeren Schwester bei der Mutter und deren jetzigen Lebensgefährten. Die Schwester kam bereits 2010 in ein Heim, weil das Zusammenleben mit der Mutter nicht funktioniert hat. Ab Januar 2011 war der Kläger ohne Beschäftigung. Seine Zielvorstellung, Tätowierer zu werden, eine Sprachenschule zu besuchen und evtl. den Beruf eines Elektrikers zu ergreifen, verfolgte der Kläger danach nicht weiter. Bis Juni 2012 war der Kläger offensichtlich für einen gewissen Zeitraum als Bauhelfer mit einem monatlichen Gehalt von … EUR tätig.

Mit Schreiben der Beklagten vom 19. Februar 2013 wurde der Kläger zur beabsichtigten Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt i.S.d. § 6 FreizügG/EU sowie zur beabsichtigten Abschiebungsandrohung angehört. Der Kläger sei zuletzt zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren drei Monaten verurteilt worden. Er habe es zu keiner Zeit geschafft, sich wirtschaftlich und sozial zu integrieren. Innerhalb seines kurzen Aufenthaltes sei er bereits viermal zur erheblichen Jugendstrafen verurteilt worden. Aufgrund seines persönlichen Verhaltens sei es gerechtfertigt und erforderlich, um weitere Straftaten durch den Kläger zu verhindern, die entsprechende Maßnahme zu verfügen.

Hierzu ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. Dezember 2013 unter Verweis auf Art. 27 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 im Wesentlichen vortragen, dass von der Ausländerbehörde eine individuelle Prognose zu erstellen sei. Diese könne nicht ersetzt werden durch die Urteilsbegründung im Strafurteil. Notwendige Gutachten seien bislang nicht erstellt worden.

Mit Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2013 wurde der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von fünf Jahren ab Ausreise festgestellt (Ziffer I). Die Abschiebung nach Polen binnen einen Monats nach Eintritt der Ausreisepflicht wurde angedroht und für den Fall der Klageerhebung wurde die Abschiebung einen Monat nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Verfügung angedroht (Ziffer II). Für den Fall, dass die Abschiebung aus der Haft nicht möglich ist, wurde dem Kläger die Abschiebung binnen einer Frist von einem Monat nach Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt angedroht.

Wegen des weiteren Inhalts des Bescheides wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.

Dieser Bescheid wurde am 13. Februar 2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen ließ der Kläger mit Schriftsatz seines früheren Bevollmächtigten vom 13. März 2014, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Klage erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den hohen Stellenwert der Freizügigkeit verwiesen. Gemessen an der Rechtsprechung des EuGH (Az.: C -145/09) seien die hier zugrunde gelegten strafrechtlichen Verurteilungen keine ausreichende Grundlage für den angegriffenen Bescheid.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.

Die Regierung von Mittelfranken beteiligte sich am Verfahren als Vertreter des öffentlichen Interesses und verwies auf die vier Verurteilungen wegen Gewalt- und Einbruchsdelikten, teilweise auch als Bandendelikte. Die Rückfallgeschwindigkeit des Klägers sei bisher enorm gewesen. Die Strafgerichte hätten dem Kläger erhebliche schädliche Neigungen bescheinigt. Er sei bereits im Heimatland straffällig gewesen. Er sei Bewährungsversager, gewaltbereit und skrupellos. Es liege auf der Hand, dass von ihm weiterhin eine hohe konkrete Gefahr von rohen Körperverletzungs- und Raubdelikten ausgehe. Auch die Befristung auf fünf Jahre sei nicht zu beanstanden.

Mit Beschluss des Amtsgerichtes … vom 25. August 2014 wurde ein Antrag des Klägers, seine Entlassung zum 17. September 2014 anzuordnen und die Restjugendstrafe zur Bewährung auszusetzen, abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Behördenakte und der Gerichtsakte sowie auf die über die mündliche Verhandlung gefertigte Niederschrift.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2013, mit dem der Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von fünf Jahren ab der Ausreise festgestellt wurde und dem Kläger unter Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise spätestens innerhalb eines Monats nach Eintritt der Ausreisepflicht bzw. nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Verfügung bzw. nach der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt die Abschiebung - in erster Linie nach Polen - angedroht wurde, ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU aus Gründen der öffentlichen Ordnung festgestellt werden. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU genügt die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich alleine nicht, um die Verlustfeststellung zu begründen. Es dürfen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU nur im Bundeszentralregister nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Entscheidung über die Verlustfeststellung sind nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU darüber hinaus insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsland zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Beurteilung des angefochtenen Bescheids und der angeführten Voraussetzungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 - juris; BayVGH, Beschluss vom 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris).

Für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erforderlich und ausschlaggebend sind nach den dargestellten Grundsätzen die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Bewertung des persönlichen Verhaltens des Freizügigkeitsberechtigten und die insoweit anzustellende aktuelle Gefährdungsprognose. Dabei steht es den Ausländerbehörden und Gerichten nicht frei, von einem früheren Verhalten ohne weiteres auf eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu schließen. Auf der anderen Seite besagt das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung nicht, dass eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinn des deutschen Polizeirechts vorliegen müsste, die voraussetzt, dass der Eintritt den Schaden sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist (VG Bayreuth, Urteil vom 11.12.2012 - B 1 K 11.401 - juris). Es verlangt vielmehr eine hinreichende - unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu differenzierende - Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 45 Abs. 3 AEUV beeinträchtigen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die von der Beklagen getroffene Verlustfeststellung nicht zu beanstanden.

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Es liegt eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Der Kläger ist im Bundesgebiet erheblich straffällig geworden. Dass von einer Gefährlichkeit auch für die Zukunft auszugehen ist, bestätigt letztlich auch der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagtenvertreter übergebene Beschluss des Amtsgerichts … vom 27. Januar 2015, mit dem der Antrag des Klägers auf Entlassung und Aussetzung der Restjugendstrafe zur Bewährung abgelehnt wurde. Darin wird unter Angabe einzelner Vorkommnisse abschließend festgestellt, dass weiterhin angesichts des Verhaltens des Klägers in Haft nicht davon ausgegangen werden könne, dass er sich bei einer Entlassung straffrei führen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände liegen nach Überzeugung des Gerichts stichhaltige Gründe der öffentlichen Sicherheit i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU vor.

Die Verurteilungen zu Freiheitsstrafen und das Vorliegen von Gründen der öffentlichen Sicherheit führen allerdings, wie bereits dargelegt, nicht automatisch zum Verlust des Rechts auf Freizügigkeit. Vielmehr muss eine Ermessensentscheidung getroffen werden, bei der die Vorgaben des Abs. 2 und 3 des § 6 FreizügG/EU zu beachten sind. Diesen Vorgaben wird die Entscheidung der Beklagten im Einzelnen gerecht. Die Beklagte ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass ihr das Ermessen gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU eröffnet ist. Die von der Beklagten im Einzelnen vorgenommenen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden und die Entscheidung ist insgesamt auch mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vereinbar.

Zu Recht hat die Beklagte das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthalts des Klägers höher gewichtet als dessen Interesse, weiterhin im Bundesgebiet leben zu dürfen.

Die Ausreiseaufforderung in Ziffer II und III des Bescheides wurde mit einer angemessenen Fristsetzung verbunden und entspricht ebenso wie die Abschiebungsandrohung den von der Beklagten dazu genannten Vorschriften.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die in Ziffer I des Bescheides durch die Beklagte erfolgte Befristung der Wirkungen der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland und einer eventuellen Abschiebung auf die Dauer von fünf Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung des Klägers. Die Fristsetzung, die auf § 7 Abs. 2 FreizügG/EU beruht, erscheint dem Gericht aus den im Bescheid genannten Gründen angemessen und verhältnismäßig.

Im Übrigen folgt die Kammer in Anwendung von §§ 117 Abs. 5 VwGO den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheids und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Gründe ab.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.