Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Dez. 2015 - AN 14 S 15.50477
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die am ... 1974 in ... geborene Antragstellerin ist ukrainische Staatsangehörige.
Nach eigenen Angaben reiste sie am
Nach den Erkenntnissen des Bundesamts (Eurodac-Treffer) lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO). Am 7. August 2015 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an die Republik Lettland. Die lettischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 20. August 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO.
Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gab die Antragstellerin an, dass sie in keinen anderen Dublin-Staat überstellt werden wolle. Als Grund gegen die Überstellung nach Lettland gab sie an, sie befürchte, dort von ihrem Mann getrennt zu werden. Außerdem gab sie an, sie leide an Rückenschmerzen und Migräne und legte hierzu einen Notaufnahmebericht des Krankenhauses ... vom 9. September 2015 vor. Ausweislich dieses Berichts wurden bei ihr eine Spondylolisthese und ein Iliosakralgelenk-Syndrom diagnostiziert. Als Therapie wurden Krankengymnastik, Kraftübungen und orale Scherzmedikationen empfohlen (Medikation Tramal, Ibuprofen, Pantozo).
Mit Bescheid vom
Auch der Asylantrag ihres Ehemannes, Herrn ..., wurde mit Bescheid des Bundesamts vom
Die Antragstellerin hat am
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Der Bescheid vom
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere fristgerechte, Antrag ist unbegründet.
1.
Der Antrag ist zulässig. Er ist statthaft, da die Klage gegen die Abschiebungsanordnung gemäß § 75 Abs. 1 AsylG und § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Auch ist er innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bei Gericht eingegangen.
2.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Falle des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG ganz oder teilweise anordnen. Es nimmt dabei unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 75 Abs. 1 AsylG für den Sofortvollzug eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Abschiebungsanordnung vor. Maßgebend hierfür sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt eine Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, und wird die Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben, so tritt das öffentliche Interesse zurück, da es kein schutzwürdiges Interesse am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes geben kann.
Die Interessenabwägung fällt hier zulasten der Antragstellerin aus, da ihre Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der mit ihr angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 2015 ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Die Antragsgegnerin hat den Asylantrag der Antragstellerin zu Recht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1 des Bescheids vom
Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
Die lettischen Behörden haben dem - fristgerecht binnen 3 Monaten nach der Asylantragstellung (vgl. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO) gestellten - Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin vom
Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin III-VO. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Daran fehlt es hier.
Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.03.2014 - 10 B 614 10 B 6/14 m. w. N. - juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, Rs. C-411/10
Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.
Solche systemischen Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen aber erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dabei muss sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben, die systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 2514 10 B 25/14 - juris). Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher systemischen Mängel im lettischen Asylsystem. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 2. Oktober 2015 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen. Auch die Antragstellerin selbst hat im vorliegenden Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass sie Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Lettland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Es ist deshalb entsprechend dem Konzept der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass in der Republik Lettland die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (vgl. auch VG Gelsenkirchen, U. v. 10.3.2015 - 6a K 5401/14.A - juris;
Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken. Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen lassen sich dem vom European Migration Network (EMM) zusammengestellten Bericht „The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States“ aus dem Jahre 2014 entnehmen. Der „Latvia 2013 Human Rights Report“ des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor) bestätigt, dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist. Die knappen Informationen von Amnesty International im „Länderreport Lettland“ für das Jahr 2013 über gewisse Probleme hinsichtlich der Information der Asylbewerber über das Asylverfahren genügen nicht, um zur Feststellung „systemischer Mängel“ zu führen (so VG Gelsenkirchen, U. v. 10.3.2015 - 6a K 5401/14.A - juris;
Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zugunsten der Antragstellerin ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2.
Auch die im Bescheid vom
Nach § 34a AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn feststeht, dass sie auch durchgeführt werden kann, ohne dass es hierzu einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedürfte (§ 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG). Die Abschiebung kann vorliegend durchgeführt werden, da ihr insbesondere keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegenstehen. Derartige Abschiebungshindernisse sind von der Antragstellerin nicht substantiiert geltend gemacht worden. Die von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen enthalten keine Aussage darüber, warum die bei ihr diagnostizierten Krankheiten einer Abschiebung nach Lettland entgegenstehen sollten. Die vorgeschlagene Therapie in Form von Krankengymnastik und oraler Einnahme von Schmerzmedikamenten ist auch in Lettland möglich. Eine Reise- bzw. Transportunfähigkeit ist damit nicht substantiiert vorgetragen.
Der Antrag ist daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Dez. 2015 - AN 14 S 15.50477
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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:
- 1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2, - 2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:
- 1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2, - 2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Gründe
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I.
- 1
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Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
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II.
- 2
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
- 3
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1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."
- 4
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Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
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Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.
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2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.
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Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).
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An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
2Der am 3. April 1975 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger christlich-orthodoxen Glaubens. Er ist ledig.
3Am 23. Mai 2012 reiste der Kläger erstmals in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag. Das Asylverfahren wurde mit Bescheid vom 18. September 2012 eingestellt, nachdem der Kläger seinen Asylantrag zurückgenommen hatte. Der Kläger kehrte dann offenbar in sein Heimatland zurück.
4Am 12. September 2014 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik ein und stellte am 15. September 2014 einen weiteren Asylantrag. Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger an, er wolle nicht in einen anderen Dublin-Mitgliedstaat überstellt werden; Gründe dafür nannte er nicht. Ferner gab er an, er sei mit dem Flugzeug von Tiflis unmittelbar nach Düsseldorf geflogen. In einem an demselben Tag ausgefüllten Fragebogen gab der Kläger allerdings an, er habe sich von 2012 bis 2013 wieder in Georgien aufgehalten. Nach Deutschland sei er mit der Fähre von Schweden aus eingereist.
5Der Abgleich mit der EURODAC-Datenbank ergab, dass der Kläger bereits in sieben europäischen Staaten als Asylbewerber registriert worden war, zuletzt in Schweden.
6Am 17. Oktober 2014 wandte die Beklagte sich an die schwedischen Behörden und ersuchte um die Übernahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“), da der Kläger ausweislich der EURODAC-Datenbank am 19. März 2014 in Schweden um Asyl nachgesucht habe. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2014 lehnte das Swedish Migration Board die Rückübernahme des Klägers mit der Begründung ab, der Kläger habe zwar in Schweden um Asyl nachgesucht, die Republik Lettland habe indes auf Ersuchen der schwedischen Behörden am 13. Mai 2014 der Rückübernahme zugestimmt und damit die Zuständigkeit Lettlands für den Kläger bestätigt. Der Überstellung nach Lettland habe der Kläger sich durch Untertauchen entzogen.
7Am 6. November 2014 wandte die Beklagte sich an die lettischen Behörden und ersuchte um die Übernahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“), da der Kläger ausweislich der EURODAC-Datenbank am 14. August 2013 in Lettland um Asyl nachgesucht habe. Mit Schreiben vom 11. November 2014 stimmte die Republik Lettland der Rückübernahme zu.
8Mit Bescheid vom 11. November 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Lettland für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar. Der Bescheid wurde dem Kläger frühestens am 18. November 2014 bekannt gegeben.
9Am 2. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt: In dem Bescheid werde nicht angegeben, wann er in Lettland einen Asylantrag gestellt und wie lange er sich dort aufgehalten habe. Dies sei aber für die Frage des anwendbaren Rechts von Bedeutung. Nach den Angaben in dem Ersuchen an die Republik Lettland sei der dortige Antrag am 14. August 2013 gestellt worden. Damit gelte für ihn die Dublin II-Verordnung.
10Der Kläger beantragt (schriftsätzlich sinngemäß),
11den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2014 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
13die Klage abzuweisen.
14Sie bezieht sich im Übrigen zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus: Da der Asylantrag in der Bundesrepublik im Jahre 2014 gestellt worden sei, sei die Dublin III-Verordnung auf den Sachverhalt anwendbar.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind.
18Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19Die Entscheidung des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt.
20Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
21Vorliegend ist nach der – aus den vom Bundesamt genannten Gründen auf den Fall anwendbaren – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da der Kläger ausweislich der EURODAC-Datenbank in Lettland den ersten Asylantrag nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in das Heimatland gestellt hat, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 und Art. 7 ff. der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 den Kläger wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Lettland mit Schreiben an das Bundesamt vom 11. November 2014 auch anerkannt. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung ernsthaft in Frage stellen könnten. Seine pauschale Angabe bei der Anhörung, er sei am 12. September 2014 unmittelbar von Tiflis nach Düsseldorf geflogen, kann insoweit nicht genügen. Denn angesichts der Mitteilung der schwedischen Behörden, der zufolge der Kläger dort im Sommer 2014 untergetaucht ist, erscheint eine Einreise im September 2014 unmittelbar aus Georgien sehr unwahrscheinlich. Hätte der Kläger in sein Heimatland zurückkehren wollen, so hätte er sich auch nicht dem Zugriff der schwedischen und lettischen Behörden entziehen müssen. Zudem fehlt es für die Behauptung, der Kläger sei mit dem Flugzeug aus Tiflis eingereist, an Belegen. Vor allem aber hat der Kläger in dem am 15. September 2014 ausgefüllten Fragebogen des Bundesamtes angegeben, er sei mit der Fähre von Schweden aus nach Deutschland eingereist. Diese Angabe widerspricht der Behauptung, die Einreise sei mit dem Flugzeug von Georgien aus erfolgt, und sie passt wesentlich besser zu den oben angeführten Erkenntnissen über den Aufenthalt des Klägers in Schweden.
22Die Beklagte ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Lettland in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
23Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
24Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Republik Lettland sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der vom European Migration Network (EMM) zusammengestellte Bericht „The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States“ aus dem Jahre 2014. Dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist, bestätigt der „Latvia 2013 Human Rights Report“ des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor). Gewisse Probleme, auf die Amnesty International im Jahre 2013 (Länderreport Lettland) in Bezug auf die Information der Asylbewerber über das Asylverfahren hingewiesen hat, werden den Kläger weniger treffen, weil zumindest der von Amnesty International ausgemachte Mangel an Übersetzern für den Kläger, welcher der (in Lettland nach wie vor verbreiteten) russischen Sprache mächtig ist, weniger problematisch ist. Für die Feststellung „systemischer Mängel“ genügen die knappen Informationen von Amnesty International in dem Länderreport jedenfalls nicht.
25Sonstige Umstände, aufgrund derer die Beklagte zu Gunsten des Klägers ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 29. August 1980 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger christlich-orthodoxen Glaubens. Er ist verheiratet; seine Ehefrau hält sich in H. auf.
3Im Juni 2014 verließ der Kläger H. und begab sich zunächst über Weißrussland nach Lettland, wo er einen Asylantrag stellte. Am 3. August 2014 reiste er in die Bundesrepublik ein und stellte hier am 11. August 2014 einen weiteren Asylantrag.
4Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11 August 2014 gab der Kläger an, er habe Angst davor, nach Lettland zurückzugehen, da er dort höchstwahrscheinlich in Abschiebehaft käme, um dann nach H. abgeschoben zu werden.
5Am 8. Oktober 2014 wandte die Beklagte sich an die lettischen Behörden und ersuchte um die Übernahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“). Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 stimmte die Republik Lettland der Rücküberstellung zu.
6Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Lettland für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar. Der Bescheid wurde dem Kläger am 23. Oktober 2014 mit Postzustellungsauftrag zugestellt.
7Am 18. November 2014 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt: Er befürchte bei einer Rückkehr nach Lettland Nachteile.
8Zudem hat der Kläger um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht, ohne diesen Antrag näher zu begründen.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
12die Klage abzuweisen.
13Sie macht die Unzulässigkeit der Klage geltend und bezieht sich im Übrigen zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
14Die Kammer hat einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 (6a L 1802/14.A) abgelehnt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.
18Unzulässig ist die Klage, weil sie verspätet erhoben worden ist. Die Klage gegen eine Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist gemäß § 74 Abs. 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Vorliegend ist der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Oktober 2014 ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23. Oktober 2014 zugestellt worden. Die Klage hätte daher bis zum 6. November 2014 bei Gericht eingehen müssen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Tatsächlich ist sie aber erst am 18. November 2014 eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) kommt trotz des entsprechenden Antrags des Klägers nicht in Betracht, weil ein Wiedereinsetzungsgrund weder vorgetragen noch ersichtlich ist.
19Die Klage ist überdies auch unbegründet. Die Entscheidung des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Kammer hat dazu in ihrem Beschluss vom 16. Dezember 2014 (6a L 1802/14) betreffend das Eilverfahren des Klägers ausgeführt:
20„Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
21Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da der Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in Lettland den ersten Asylantrag gestellt hat und aus Lettland in das Bundesgebiet eingereist ist, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 den Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Lettland mit Schreiben an das Bundesamt vom 20. Oktober 2014 auch anerkannt. Der Antragsteller hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
22Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Lettland in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
23Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
24Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Republik Lettland sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der vom European Migration Network (EMM) zusammengestellte Bericht „The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States“ aus dem Jahre 2014. Dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist, bestätigt der „Latvia 2013 Human Rights Report“ des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor). Gewisse Probleme, auf die Amnesty International im Jahre 2013 (Länderreport Lettland) in Bezug auf die Information der Asylbewerber über das Asylverfahren hingewiesen hat, werden den Antragsteller weniger treffen, weil zumindest der von Amnesty International ausgemachte Mangel an Übersetzern den Antragsteller, welcher der (in Lettland nach wie vor verbreiteten) russischen Sprache mächtig ist, weniger treffen wird. Für die Feststellung „systemischer Mängel“ genügen die knappen Informationen von Amnesty International in dem Länderreport jedenfalls nicht.
25Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten des Antragstellers ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
26An diesen Überlegungen hält die Kammer fest. Der Kläger ist ihnen auch nicht entgegen getreten. Soweit der Kläger im Verwaltungsverfahren pauschal angeführt hat, er habe Angst, in Lettland in Abschiebehaft genommen zu werden, ist festzustellen, dass die Inhaftierung eines Asylbewerbers nach den unionsrechtlichen Standards im Einzelfall durchaus zulässig sein kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 8 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen). Die vom Kläger in den Raum gestellte Möglichkeit der Inhaftierung ist daher nicht ohne Weiteres geeignet, „systemische Schwachstellen“ des lettischen Asylsystems zu belegen.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der 1971 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger christlich-orthodoxen Glaubens. Er reiste nach seinen Angaben im Juli 2014 aus Georgien aus und hielt sich u.a. für vier Monate in Lettland auf. Im November 2014 reiste er in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Zur Begründung führte er aus, er habe zuletzt in Tiflis gelebt, wo seine Eltern und zwei Brüder noch wohnten. Er habe sich für die Partei der nationalen Bewegung eingesetzt und sei mehrfach deswegen bedroht worden. Als die Wahl verloren worden waren, hätte man die führende Leute der Partei festgenommen. Die Polizei, denen er den Vorfall geschildert habe, hätten ihm mitgeteilt, dass sie nichts weiter für die tun könnten, da er keine Namen der Person nennen könne, die ihn bedroht hätten. Unter diesen Umständen habe er für sich keine andere Möglichkeit gesehen, das Land zu verlassen und im Juli 2014 auszuweisen. Noch im Mai 2014 haben man ihn bedroht offizielles Mitglied der Partei der nationalen Bewegung sei nicht gewesen. Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2012 habe er keine Sozialleistung vom Staat mehr erhalten, er wisse auch nicht wie er bis zur Ausreise es geschafft habe, zu überleben. Essen habe er durch Unterstützung von Verwandten und Bekannten erhalten. Er habe bereits in Lettland einen Asylantrag gestellt.
3Nachdem die Beklagte am 26. Januar 2015 Lettland um Übernahme des Asylverfahrens als so genanntes Dublin-Verfahren gebeten hatte, akzeptierte der lettische Staat mit Schreiben vom 3. Februar 2015 die Rückübernahme des Klägers.
4Mit Bescheid vom 4. Februar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an.
5Der Kläger hat am 10. April 2014 Klage erhoben und ausgeführt, er habe gesundheitliche Probleme. Er leide an Hepatitis und Suchtproblemen.
6Er beantragt sinngemäß,
7den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2015 aufzuheben.
8Die Beklagte hat schriftsätzlich um Klageabweisung gebeten.
9Die Kammer hat mit Beschluss vom 4. Mai 2015 (1 L 343/15.A) den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Akte des Verfahrens VG Aachen 1 L 343/15.A Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Eine Entscheidung ergeht trotz Ausbleibens der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese ordnungsgemäß unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden sind.
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 4. Februar 2015 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt.
15Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
16Vorliegend ist nach der - aus den vom Bundesamt genannten Gründen auf den Fall anwendbaren - Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.
17Die Kammer hat bereits im Verfahren gleichen Rubrums 1 L 343/15.A mit Beschluss vom 4. Mai 2015 ausgeführt:
18"Die Zuständigkeit Lettlands für das Asylverfahren des Antragstellers beruht auf Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO i.V.m. Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin III-VO, weil der Antragsteller nach Stellung eines Asylantrags in Lettland einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt hat. Lettland hat sich mit Schreiben vom 3. Februar 2015 zur Rücknahme des Antragstellers bereit erklärt.
19Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin III-VO. Eine Voraussetzung für den Übergang der Zuständigkeit ist danach, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Daran fehlt es hier.
20Der Antragsteller selbst hat im vorliegenden Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass in Lettland systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die die Annahme der konkreten Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta dort nahelegen könnten.
21Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im lettischen Asylsystem. Es ist entsprechend dem Konzept der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass in Lettland die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.
22Vgl. hierzu VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. Februar 2015 - 6a L 187/15 -, juris.
23Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der vom European Migration Network (EMM) zusammengestellte Bericht "The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States" aus dem Jahre 2014. Dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist, bestätigt der "Latvia 2013 Human Rights Report" des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor). Auf gewisse Probleme hinsichtlich der Information der Asylbewerber über das Asylverfahren hat Amnesty International im Jahre 2013 (Länderreport Lettland) hingewiesen. Für die Feststellung "systemischer Mängel" genügen die knappen Informationen von Amnesty International jedoch nicht.
24Die Abschiebung kann ferner auch durchgeführt werden. Ihr stehen keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, die das Bundesamt im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG mit zu prüfen hat, und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach Erlass der Abschiebungsanordnung entstanden sind.
25Vgl. die ständige Rechtsprechung des OVG NRW, u.a. Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060 -, juris.
26Solche Abschiebungshindernisse sind vom Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht worden. Der bloße Vortrag, er habe Suchtprobleme und leide an Hepatitis C, könne aber aus Zeitgründen keine ärztlichen Bescheinigungen vorlegen, ist insoweit nicht ausreichend, sondern erscheint als bloße Schutzbehauptung. Wenn dem Antragsteller bekannt ist, dass er an Hepatitis leidet, dann muss er auch über ärztliche Unterlagen zu seiner Erkrankung verfügen, um seinen Vortrag zu belegen. Entsprechende Unterlagen wurden seit der Antragstellung am 10. April 2015 nicht zu den Akten gereicht. Warum die angeblichen Suchtprobleme einer Abschiebung nach Lettland entgegen stehen sollen, ist nicht ersichtlich."
27An diesen Ausführungen wird nach erneuter Überprüfung und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung festgehalten.
28Vgl. zur Überstellung von georgischen Staatsangehörigen nach Lettland VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. März 2015 - 6a K 5401/14.A -, juris.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 3. April 1975 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger christlich-orthodoxen Glaubens. Er ist ledig.
3Am 23. Mai 2012 reiste der Kläger erstmals in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag. Das Asylverfahren wurde mit Bescheid vom 18. September 2012 eingestellt, nachdem der Kläger seinen Asylantrag zurückgenommen hatte. Der Kläger kehrte dann offenbar in sein Heimatland zurück.
4Am 12. September 2014 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik ein und stellte am 15. September 2014 einen weiteren Asylantrag. Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger an, er wolle nicht in einen anderen Dublin-Mitgliedstaat überstellt werden; Gründe dafür nannte er nicht. Ferner gab er an, er sei mit dem Flugzeug von Tiflis unmittelbar nach Düsseldorf geflogen. In einem an demselben Tag ausgefüllten Fragebogen gab der Kläger allerdings an, er habe sich von 2012 bis 2013 wieder in Georgien aufgehalten. Nach Deutschland sei er mit der Fähre von Schweden aus eingereist.
5Der Abgleich mit der EURODAC-Datenbank ergab, dass der Kläger bereits in sieben europäischen Staaten als Asylbewerber registriert worden war, zuletzt in Schweden.
6Am 17. Oktober 2014 wandte die Beklagte sich an die schwedischen Behörden und ersuchte um die Übernahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“), da der Kläger ausweislich der EURODAC-Datenbank am 19. März 2014 in Schweden um Asyl nachgesucht habe. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2014 lehnte das Swedish Migration Board die Rückübernahme des Klägers mit der Begründung ab, der Kläger habe zwar in Schweden um Asyl nachgesucht, die Republik Lettland habe indes auf Ersuchen der schwedischen Behörden am 13. Mai 2014 der Rückübernahme zugestimmt und damit die Zuständigkeit Lettlands für den Kläger bestätigt. Der Überstellung nach Lettland habe der Kläger sich durch Untertauchen entzogen.
7Am 6. November 2014 wandte die Beklagte sich an die lettischen Behörden und ersuchte um die Übernahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“), da der Kläger ausweislich der EURODAC-Datenbank am 14. August 2013 in Lettland um Asyl nachgesucht habe. Mit Schreiben vom 11. November 2014 stimmte die Republik Lettland der Rückübernahme zu.
8Mit Bescheid vom 11. November 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Lettland für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar. Der Bescheid wurde dem Kläger frühestens am 18. November 2014 bekannt gegeben.
9Am 2. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt: In dem Bescheid werde nicht angegeben, wann er in Lettland einen Asylantrag gestellt und wie lange er sich dort aufgehalten habe. Dies sei aber für die Frage des anwendbaren Rechts von Bedeutung. Nach den Angaben in dem Ersuchen an die Republik Lettland sei der dortige Antrag am 14. August 2013 gestellt worden. Damit gelte für ihn die Dublin II-Verordnung.
10Der Kläger beantragt (schriftsätzlich sinngemäß),
11den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2014 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
13die Klage abzuweisen.
14Sie bezieht sich im Übrigen zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus: Da der Asylantrag in der Bundesrepublik im Jahre 2014 gestellt worden sei, sei die Dublin III-Verordnung auf den Sachverhalt anwendbar.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind.
18Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19Die Entscheidung des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt.
20Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
21Vorliegend ist nach der – aus den vom Bundesamt genannten Gründen auf den Fall anwendbaren – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da der Kläger ausweislich der EURODAC-Datenbank in Lettland den ersten Asylantrag nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in das Heimatland gestellt hat, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 und Art. 7 ff. der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 den Kläger wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Lettland mit Schreiben an das Bundesamt vom 11. November 2014 auch anerkannt. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung ernsthaft in Frage stellen könnten. Seine pauschale Angabe bei der Anhörung, er sei am 12. September 2014 unmittelbar von Tiflis nach Düsseldorf geflogen, kann insoweit nicht genügen. Denn angesichts der Mitteilung der schwedischen Behörden, der zufolge der Kläger dort im Sommer 2014 untergetaucht ist, erscheint eine Einreise im September 2014 unmittelbar aus Georgien sehr unwahrscheinlich. Hätte der Kläger in sein Heimatland zurückkehren wollen, so hätte er sich auch nicht dem Zugriff der schwedischen und lettischen Behörden entziehen müssen. Zudem fehlt es für die Behauptung, der Kläger sei mit dem Flugzeug aus Tiflis eingereist, an Belegen. Vor allem aber hat der Kläger in dem am 15. September 2014 ausgefüllten Fragebogen des Bundesamtes angegeben, er sei mit der Fähre von Schweden aus nach Deutschland eingereist. Diese Angabe widerspricht der Behauptung, die Einreise sei mit dem Flugzeug von Georgien aus erfolgt, und sie passt wesentlich besser zu den oben angeführten Erkenntnissen über den Aufenthalt des Klägers in Schweden.
22Die Beklagte ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Lettland in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
23Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
24Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Republik Lettland sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der vom European Migration Network (EMM) zusammengestellte Bericht „The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States“ aus dem Jahre 2014. Dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist, bestätigt der „Latvia 2013 Human Rights Report“ des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor). Gewisse Probleme, auf die Amnesty International im Jahre 2013 (Länderreport Lettland) in Bezug auf die Information der Asylbewerber über das Asylverfahren hingewiesen hat, werden den Kläger weniger treffen, weil zumindest der von Amnesty International ausgemachte Mangel an Übersetzern für den Kläger, welcher der (in Lettland nach wie vor verbreiteten) russischen Sprache mächtig ist, weniger problematisch ist. Für die Feststellung „systemischer Mängel“ genügen die knappen Informationen von Amnesty International in dem Länderreport jedenfalls nicht.
25Sonstige Umstände, aufgrund derer die Beklagte zu Gunsten des Klägers ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 29. August 1980 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger christlich-orthodoxen Glaubens. Er ist verheiratet; seine Ehefrau hält sich in H. auf.
3Im Juni 2014 verließ der Kläger H. und begab sich zunächst über Weißrussland nach Lettland, wo er einen Asylantrag stellte. Am 3. August 2014 reiste er in die Bundesrepublik ein und stellte hier am 11. August 2014 einen weiteren Asylantrag.
4Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11 August 2014 gab der Kläger an, er habe Angst davor, nach Lettland zurückzugehen, da er dort höchstwahrscheinlich in Abschiebehaft käme, um dann nach H. abgeschoben zu werden.
5Am 8. Oktober 2014 wandte die Beklagte sich an die lettischen Behörden und ersuchte um die Übernahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“). Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 stimmte die Republik Lettland der Rücküberstellung zu.
6Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Lettland für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar. Der Bescheid wurde dem Kläger am 23. Oktober 2014 mit Postzustellungsauftrag zugestellt.
7Am 18. November 2014 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt: Er befürchte bei einer Rückkehr nach Lettland Nachteile.
8Zudem hat der Kläger um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht, ohne diesen Antrag näher zu begründen.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
12die Klage abzuweisen.
13Sie macht die Unzulässigkeit der Klage geltend und bezieht sich im Übrigen zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
14Die Kammer hat einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 (6a L 1802/14.A) abgelehnt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.
18Unzulässig ist die Klage, weil sie verspätet erhoben worden ist. Die Klage gegen eine Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist gemäß § 74 Abs. 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Vorliegend ist der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Oktober 2014 ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23. Oktober 2014 zugestellt worden. Die Klage hätte daher bis zum 6. November 2014 bei Gericht eingehen müssen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Tatsächlich ist sie aber erst am 18. November 2014 eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) kommt trotz des entsprechenden Antrags des Klägers nicht in Betracht, weil ein Wiedereinsetzungsgrund weder vorgetragen noch ersichtlich ist.
19Die Klage ist überdies auch unbegründet. Die Entscheidung des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Kammer hat dazu in ihrem Beschluss vom 16. Dezember 2014 (6a L 1802/14) betreffend das Eilverfahren des Klägers ausgeführt:
20„Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
21Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da der Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in Lettland den ersten Asylantrag gestellt hat und aus Lettland in das Bundesgebiet eingereist ist, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 den Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Lettland mit Schreiben an das Bundesamt vom 20. Oktober 2014 auch anerkannt. Der Antragsteller hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
22Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Lettland in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
23Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
24Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Republik Lettland sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der vom European Migration Network (EMM) zusammengestellte Bericht „The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States“ aus dem Jahre 2014. Dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist, bestätigt der „Latvia 2013 Human Rights Report“ des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor). Gewisse Probleme, auf die Amnesty International im Jahre 2013 (Länderreport Lettland) in Bezug auf die Information der Asylbewerber über das Asylverfahren hingewiesen hat, werden den Antragsteller weniger treffen, weil zumindest der von Amnesty International ausgemachte Mangel an Übersetzern den Antragsteller, welcher der (in Lettland nach wie vor verbreiteten) russischen Sprache mächtig ist, weniger treffen wird. Für die Feststellung „systemischer Mängel“ genügen die knappen Informationen von Amnesty International in dem Länderreport jedenfalls nicht.
25Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten des Antragstellers ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
26An diesen Überlegungen hält die Kammer fest. Der Kläger ist ihnen auch nicht entgegen getreten. Soweit der Kläger im Verwaltungsverfahren pauschal angeführt hat, er habe Angst, in Lettland in Abschiebehaft genommen zu werden, ist festzustellen, dass die Inhaftierung eines Asylbewerbers nach den unionsrechtlichen Standards im Einzelfall durchaus zulässig sein kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 8 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen). Die vom Kläger in den Raum gestellte Möglichkeit der Inhaftierung ist daher nicht ohne Weiteres geeignet, „systemische Schwachstellen“ des lettischen Asylsystems zu belegen.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der 1971 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger christlich-orthodoxen Glaubens. Er reiste nach seinen Angaben im Juli 2014 aus Georgien aus und hielt sich u.a. für vier Monate in Lettland auf. Im November 2014 reiste er in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Zur Begründung führte er aus, er habe zuletzt in Tiflis gelebt, wo seine Eltern und zwei Brüder noch wohnten. Er habe sich für die Partei der nationalen Bewegung eingesetzt und sei mehrfach deswegen bedroht worden. Als die Wahl verloren worden waren, hätte man die führende Leute der Partei festgenommen. Die Polizei, denen er den Vorfall geschildert habe, hätten ihm mitgeteilt, dass sie nichts weiter für die tun könnten, da er keine Namen der Person nennen könne, die ihn bedroht hätten. Unter diesen Umständen habe er für sich keine andere Möglichkeit gesehen, das Land zu verlassen und im Juli 2014 auszuweisen. Noch im Mai 2014 haben man ihn bedroht offizielles Mitglied der Partei der nationalen Bewegung sei nicht gewesen. Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2012 habe er keine Sozialleistung vom Staat mehr erhalten, er wisse auch nicht wie er bis zur Ausreise es geschafft habe, zu überleben. Essen habe er durch Unterstützung von Verwandten und Bekannten erhalten. Er habe bereits in Lettland einen Asylantrag gestellt.
3Nachdem die Beklagte am 26. Januar 2015 Lettland um Übernahme des Asylverfahrens als so genanntes Dublin-Verfahren gebeten hatte, akzeptierte der lettische Staat mit Schreiben vom 3. Februar 2015 die Rückübernahme des Klägers.
4Mit Bescheid vom 4. Februar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an.
5Der Kläger hat am 10. April 2014 Klage erhoben und ausgeführt, er habe gesundheitliche Probleme. Er leide an Hepatitis und Suchtproblemen.
6Er beantragt sinngemäß,
7den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2015 aufzuheben.
8Die Beklagte hat schriftsätzlich um Klageabweisung gebeten.
9Die Kammer hat mit Beschluss vom 4. Mai 2015 (1 L 343/15.A) den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Akte des Verfahrens VG Aachen 1 L 343/15.A Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Eine Entscheidung ergeht trotz Ausbleibens der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese ordnungsgemäß unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden sind.
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 4. Februar 2015 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt.
15Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
16Vorliegend ist nach der - aus den vom Bundesamt genannten Gründen auf den Fall anwendbaren - Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.
17Die Kammer hat bereits im Verfahren gleichen Rubrums 1 L 343/15.A mit Beschluss vom 4. Mai 2015 ausgeführt:
18"Die Zuständigkeit Lettlands für das Asylverfahren des Antragstellers beruht auf Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO i.V.m. Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin III-VO, weil der Antragsteller nach Stellung eines Asylantrags in Lettland einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt hat. Lettland hat sich mit Schreiben vom 3. Februar 2015 zur Rücknahme des Antragstellers bereit erklärt.
19Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin III-VO. Eine Voraussetzung für den Übergang der Zuständigkeit ist danach, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Daran fehlt es hier.
20Der Antragsteller selbst hat im vorliegenden Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass in Lettland systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die die Annahme der konkreten Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta dort nahelegen könnten.
21Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im lettischen Asylsystem. Es ist entsprechend dem Konzept der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass in Lettland die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.
22Vgl. hierzu VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. Februar 2015 - 6a L 187/15 -, juris.
23Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der vom European Migration Network (EMM) zusammengestellte Bericht "The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States" aus dem Jahre 2014. Dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist, bestätigt der "Latvia 2013 Human Rights Report" des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor). Auf gewisse Probleme hinsichtlich der Information der Asylbewerber über das Asylverfahren hat Amnesty International im Jahre 2013 (Länderreport Lettland) hingewiesen. Für die Feststellung "systemischer Mängel" genügen die knappen Informationen von Amnesty International jedoch nicht.
24Die Abschiebung kann ferner auch durchgeführt werden. Ihr stehen keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, die das Bundesamt im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG mit zu prüfen hat, und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach Erlass der Abschiebungsanordnung entstanden sind.
25Vgl. die ständige Rechtsprechung des OVG NRW, u.a. Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060 -, juris.
26Solche Abschiebungshindernisse sind vom Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht worden. Der bloße Vortrag, er habe Suchtprobleme und leide an Hepatitis C, könne aber aus Zeitgründen keine ärztlichen Bescheinigungen vorlegen, ist insoweit nicht ausreichend, sondern erscheint als bloße Schutzbehauptung. Wenn dem Antragsteller bekannt ist, dass er an Hepatitis leidet, dann muss er auch über ärztliche Unterlagen zu seiner Erkrankung verfügen, um seinen Vortrag zu belegen. Entsprechende Unterlagen wurden seit der Antragstellung am 10. April 2015 nicht zu den Akten gereicht. Warum die angeblichen Suchtprobleme einer Abschiebung nach Lettland entgegen stehen sollen, ist nicht ersichtlich."
27An diesen Ausführungen wird nach erneuter Überprüfung und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung festgehalten.
28Vgl. zur Überstellung von georgischen Staatsangehörigen nach Lettland VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. März 2015 - 6a K 5401/14.A -, juris.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.