Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist albanischer Staatsangehöriger. Er war nach zwei erfolglosen Asylverfahren in den Jahren 1999 und 2005 mit seiner Familie im Februar 2014 in das Bundesgebiet eingereist und hatte einen Asylantrag gestellt. Diesen hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 01. April 2014 abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage hatte der Kläger am 15. Juli 2014 zurückgenommen (Aktenzeichen 1 K 727/14.A).
3Am 5. Februar 2015 beantragte der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens in Bezug auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zur Begründung machte er unter Vorlage eines fachärztlichen Attests der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der N. gGmbH vom 11. Dezember 2014 geltend, an paranoider Schizophrenie erkrankt zu sein.
4Mit Bescheid vom 01. August 2016 stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen.
5Der Kläger hat am 24. August 2016 Klage erhoben. Zur Begründung hat er mehrere ärztliche Atteste und Schreiben vorgelegt. Er beantragt,
6die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 01. August 2016 zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens vorliegen.
7Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung beruft sie sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die Kammer konnte entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Sie wurde unter Hinweis auf die Möglichkeit geladen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen ergehen könne (§ 102 Abs. 2 VwGO).
13Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 01. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
14Zwar sind die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 71 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vor. Dies hat das Bundesamt zu Recht festgestellt. Daher sieht die Kammer insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Allerdings liegen keine Abschiebungsverbote gemäß der §§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vor.
151.) § 60 Abs. 5 AufenthG greift ein, wenn sich die Unzulässigkeit der Abschiebung aus der Anwendung der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Im vorliegenden Fall bestehen aber keine Anhaltspunkte, dass dem Kläger in Albanien Menschenrechtsverletzungen im Sinne der EMRK drohen könnten.
162.) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Albanien.
17Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die drohende Rechtsgutsverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein.
18Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.07.2014 - 19 B 12.1073 -, juris Rn. 97; Nds.OVG, Urteil vom 10.11.2011 - 8 LB 108/10 -, juris Rn. 28; VG Aachen, Urteil vom 11.02.2015 – 7 K 720/14.A – juris Rn. 55; VG Ansbach, Urteil vom 21.01.2015 - AN 9 K 13.30394 -, juris Rn. 26 m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2014 - 17 K 6765/14.A -, juris Rn. 5 m.w.N.
19Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als individuelle Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustufen.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15; BayVGH, Beschluss vom 21.09.2016 – 10 C 16.1164 –, juris Rn. 13.
21Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein. Die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der ab dem 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet.
22Vgl. BayVGH, Beschluss vom 21.09.2016 – 10 C 16.1164 –, juris Rn. 13; Nds.OVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 –, juris Rn. 4.
23Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 6 Satz 1 AufenthG darstellen.
24Vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.
25Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 C 1.02 –, juris Rn. 9; BayVGH, Beschluss vom 21.09.2016 – 10 C 16.1164 –, juris Rn. 13.
27Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist demgemäß nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem Niveau in Deutschland nicht entspricht.
28Vgl. VG München, Beschluss vom 09.09.2016 – M 10 S 16.30802 –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2016 – 17 L 2574/16.A –, juris Rn. 51; VG Arnsberg, Beschluss vom 23.02.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 64 m.w.N. Zur Rechtslage vor Änderung des § 60 Abs. 7 AufenthG OVG NRW, Beschluss vom 05.08.2004 - 13 A 2160/04.A -, juris Rn. 5.
29Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Heimatland eintreten wird.
30Vgl. Nds.OVG, Urteil vom 10.11.2011 – 8 LB 108/10 –, juris m.w.N.
31Gemessen an diesen Kriterien kann eine Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht wegen einer Erkrankung des Klägers angenommen werden.
32Eine psychische Erkrankung kann aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste und Bescheinigungen nicht zweifelhaft sein. Auffällig ist freilich, dass allein die behandelnde Psychiaterin, die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. von der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der N. gGmbH von einer paranoiden Schizophrenie u.a. ausgeht (vgl. fachärztliche Atteste vom 11. Dezember 2014 und vom 30. Juni 2016). Demgegenüber gehen sowohl der Amtsarzt des Kreises F. , Facharzt für Psychiatrie L1. , in seiner psychiatrischen Stellungnahme vom 18. Dezember 2014 als auch der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in seinem Attest vom 26. September 2014 im Schwerpunkt von einer depressiven Erkrankung aus. Diese Diagnose konnte indes von dem Arzt für Innere Medizin und für psychotherapeutische Medizin Dr. H. nicht verifiziert werden. Er selbst hat in seiner fachärztlichen gutachterlichen Stellungnahme vom 30. September 2016 eine Psychose angenommen. Eine Störung dieser bzw. der von der behandelnden Psychiaterin angenommenen Art kann nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln aber auch in Albanien behandelt werden:
33Die medizinische Versorgung in Albanien ist in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos. Komplizierte Behandlungen können in Tirana und anderen großen Städten durchgeführt werden. Die Medikamentenversorgung ist problemlos. Örtliche Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment an gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute – HII –) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten entsprechende Medikamenten-Zuzahlungen zu leisten.
34Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 16. August 2016 (Stand: Mai 2016), Seite 13 f.; IOM - International Organization for Migration, Information on Return and Reintegration in the Countries of Origin - IRRICO: Albania von Juli 2016; Deutsche Botschaft Tirana, Auskunft an VG Aachen vom 17. Februar 2015; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft an VG Aachen vom 02. Dezember 2015, Seiten 7 und 10.
35Diese Grundsätze gelten auch für psychische Erkrankungen.
36Vgl. VG München, Urteil vom 22.08.2016 - M 2 K 15.31150 -, juris Rn. 22; VG München, Beschluss vom 30.06.2016 - M 16 S 16.31393 -, juris Rn. 30; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2016 – 17 L 2574/16.A –, juris Rn. 67.
37Insbesondere sind die zur Behandlung psychischer Erkrankungen verwendeten Medikamente in Albanien regelmäßig erhältlich.
38vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Tirana, Auskunft vom 29. März 2013 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, Seite 6; aus der Rechtsprechung VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2016 – 17 L 2574/16.A –, juris Rn. 67 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 18.07.2016 – 17 L 1782/16.A –, juris Rn. 41 m.w.N.
39Auch die dem Kläger konkret verschriebenen Medikamente sind nach den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid, denen der Kläger nicht entgegengetreten ist, in Albanien verfügbar. Er kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Medikamente für ihn nicht finanzierbar seien. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger als Arbeitsloser nach entsprechender Registrierung zu den vollständig versicherten Personengruppen zu zählen ist.
40Sind somit die erforderlichen Medikamente allgemein und auch für den Kläger verfügbar, ist ein wesentlicher Bestandteil der gegenwärtigen Behandlung des Klägers gewährleistet. Nach dem fachärztlichen Attest der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der N. GmbH vom 30. Juni 2016 - Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. I. - findet derzeit eine psychotherapeutische Behandlung nicht statt, weil der Kläger nicht psychotherapiefähig ist. Aus diesem Grund beschränkt sich die Behandlung auf psychiatrische Konsultationen regelmäßig alle 5 Wochen für eine Dauer von etwa 30 Minuten. Die Tochter des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung in etwa gleich von einem Arztbesuch alle 1 bis 2 Monate gesprochen. Die Kammer verkennt zwar nicht, dass der Amtsarzt des Kreises F. , Facharzt für Psychiatrie L1. , in seiner psychiatrischen Stellungnahme vom 30. September 2014 ausgeführt hat, die Voraussetzungen für eine stationäre psychiatrische Behandlung seien gegeben, zumindest aber wäre eine engmaschige ambulante Behandlung erforderlich. Maßgeblich ist indes allein, dass faktisch der Kläger nicht stationär psychiatrisch behandelt worden ist und wird und dass er auch nicht engmaschig ambulant betreut wird. Es spricht angesichts der Erkenntnislage nichts dafür, dass eine eher weitmaschige Behandlung nicht auch im Heimatland des Klägers möglich wäre. So sind insbesondere in Tirana Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen.
41Vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Tirana, Auskunft vom 01. Juni 2012 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; aus der Rechtsprechung VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2016 – 17 L 2574/16.A –, juris Rn. 67 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 18.07.2016 – 17 L 1782/16.A –, juris Rn. 41 m.w.N.
42Zudem sind neben gut ausgestatteten Privatkliniken, die für den Kläger finanziell freilich nicht erreichbar sein dürften, in Albanien auch Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten.
43Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, Seite 7 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 - 17 L 410/16.A. -, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 - 17 K 6384/16.A -.
44Darüber hinaus steht Patienten mit psychischen Erkrankungen grundsätzlich das Recht zu, kostenlos in ein allgemeines Krankenhaus eingewiesen oder ambulant behandelt zu werden.
45Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Behandlung von Epilepsie und Depressionen, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 02. Dezember 2015, Seite 11.
46Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass die von dem Arzt für Innere Medizin und für Psychotherapeutische Medizin Dr. H. in seiner fachärztlichen gutachtlichen Stellungnahme vom 30. September 2016 geforderte "fachärztliche regelmäßig überwachte Behandlung" auch in Albanien möglich ist. Dass sie daran scheitern würde, dass der Kläger erforderliche private Zuzahlungen leisten müsste, ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Viele Patienten geben dem ärztlichen Personal von sich aus Geld, weil sie durch tief sitzendes Misstrauen gegenüber dem Establishment das Gefühl haben, sonst nicht die bestmögliche Behandlung zu erhalten.
47Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 16. August 2016 (Stand: Mai 2016), Seite 13; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Tirana, Auskunft vom 15. März 2016 an VG Gießen.
48Selbst für den Fall, dass der Standard einer Behandlung in Albanien hinter dem hiesigen zurückbliebe, genügte dies nicht, um von einer konkreten, d.h. alsbald eintretenden und erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Klägerin zu 1) auszugehen. Denn die Gewährung von Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Die Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2005 - 11 A 4518/02.A -, juris Rn. 23; VG Aachen, Beschluss vom 30.10.2015 - 6 L 807/15.A , juris Rn. 40.
50Soweit Dr. H. auf das Problem des Abbruchs der "haltgebenden" Beziehung des Klägers zu seiner hiesigen Psychiaterin hinweist, muss der Aspekt im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben. Denn krankheitsbedingte Gefahren, die sich allein als Folge des Abschiebungsvorgangs bzw. wegen des Verlassens des Bundesgebietes, nicht aber wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ergeben können, begründen kein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und sind deshalb nicht vom Bundesamt im Asylverfahren, sondern als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen.
51Vgl. BVerwG, BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - BVerwG 9 C 8.99 -, juris Rn. 13 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 06.12.2011 – 10 B 23/11 –, juris Rn. 8; BayVGH, Urteil vom 08.03.2012 – 13a B 10.30172 – juris Rn. 25; Nds.OVG, Urteil vom 28.06.2011 – OVG 8 LB 221.09 –, juris Rn. 28; VG München, Urteil vom 27.08.2015 – M 2 K 14.30925 –, juris Rn. 19; VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2015 – 7 K 617.14 A –, juris Rn. 57.
52Nichts anderes gilt für die übrigen in der Stellungnahme von Dr. H. genannten „unterstützenden Umweltfaktoren“.
53Die zunächst vom Amtsarzt des Kreises F. , Facharzt für Psychiatrie L1. , in seiner psychiatrischen Stellungnahme vom 18. Dezember 2014 getroffene Aussage, dass der Kläger nicht eigenständig leben könne – zustimmend aufgegriffen von Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 30. September 2016 –, rechtfertigt die Annahme eines Abschiebungsverbots i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ebenfalls nicht. Der Kläger kann auch hier in Deutschland nicht eigenständig leben, sondern ist auf fremde Hilfe angewiesen. Sie wird ganz überwiegend von seiner Ehefrau und seiner Tochter geleistet. Nach einer Rückkehr in ihr Heimatland gemeinsam mit dem Kläger werden sie ihn auch dort betreuen können. Überdies leben weitere (enge) Familienangehörige in Albanien.
54Für Rückkehrer nach Albanien besteht überdies nicht aufgrund der wirtschaftlichen Lage allgemein eine Extremsituation, in der Gefahr für Leib und Leben droht.
55Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 AsylVfG vom 16. August 2016 (Stand: Mai 2016), Seite 13; aus der Rechtsprechung VG München, Beschluss vom 03.05.2016 – M 16 S 16.30497 –, juris Rn. 14; VG Hamburg, Beschluss vom 14.04.2016 – 2 AE 1426/16 –, juris Rn. 24; VG Regensburg, Urteil vom 30.06.2015 – RO 6 K 15.30516 –, juris; VG Aachen, Urteil vom 16.10.2014 – 1 K 1201/14.A –, juris.
56Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Albanien vom 16. August 2016 ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gesichert. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen, zu denen auch Familien mit keinem oder geringen Einkommen gehören, Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.000,-- ALL (ca. 21,-- Euro) und für Familienoberhäupter von 8.000,-- ALL (ca. 57,-- Euro) sowie einem Invalidengeld von 9.900,-- ALL (ca. 70,-- Euro) bewegen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich im sozialen Bereich.
57Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 AsylVfG vom 16. August 2016 (Stand: Mai 2016), Seite 13.
58Daneben kann der Kläger auf die Unterstützung seiner Familie bauen. Generell kommt in Albanien insbesondere im ländlichen Bereich der Großfamilie – nach wie vor – die Aufgabe zu, Familienmitglieder in Not aufzufangen.
59Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Albanien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 AsylVfG vom 16. August 2016 (Stand: Mai 2016), Seite 13.
60Stichhaltige Gründe für die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in Albanien sind daher nicht anzunehmen.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A
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Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen beginnend mit dem Berufungsverfahren 19 B 07.2762 trägt der Kläger.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Die Antragstellung des Klägers ist sachgerecht, weil die Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 die behördliche Entscheidung enthält, die Ausweisung zu vollziehen, und diese Entscheidung durch seine Haftentlassung am 3. Februar 2013 nicht gegenstandslos geworden ist. Bei Bescheiden, die - wie der Bescheid vom 27. Februar 2006 in Nrn. II und III - sowohl von einer Abschiebung aus der Haft heraus als auch von einer Abschiebung nach Fristsetzung sprechen, liegt diese Vollzugsentscheidung trotz des gegenteiligen äußeren Erscheinungsbildes des Bescheides nur einmal vor. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (st. Rspr. des BVerwG, U. v. 27.6.2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222, und vom 2.9.1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, U. v. 26.8.1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 133 Rn. 7, 9). Der Kläger konnte dem Bescheid vernünftigerweise nicht entnehmen, die Beklagte wolle ihn wegen der Ausweisung zweimal abschieben. Die Behörde wollte durch die Aufspaltung in zwei Tenor-Nummern (die Nrn. II und III ihres Bescheides vom 27. Februar 2006) ersichtlich nur den unterschiedlichen Detailregelungen Rechnung tragen, die § 59 AufenthG für die Abschiebung von Ausländern in Freiheit und von Ausländern in Haft enthält, weil bei dem Bescheidserlass noch nicht absehbar war, welche dieser beiden Detailregelungen anzuwenden sein würde. Nachdem die Behörde ihre Entscheidung, die Ausweisung zu vollziehen, bereits durch Nr. II des Bescheides bekannt gegeben hatte, beschränkte die später vom Verwaltungsgericht rechtskräftig aufgehobene Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - wie auch ihre Einleitung deutlich macht („Sollte Ihre Abschiebung während Ihrer Inhaftierung nicht möglich sein und Sie daher aus der JVA entlassen werden….“) - lediglich die Gültigkeit des Zusatzes „unmittelbar aus der Haft heraus“ in Nr. II des Bescheides auf die Haftzeit und fügte der Abschiebungsandrohung die im Falle eines Aufenthalts des Ausländers in Freiheit gebotene Frist für eine freiwillige Ausreise hinzu (der Umstand, dass in Nr. II des Bescheides die Entscheidung bereits getroffen war, den Kläger nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung abzuschieben, dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sich in der Nr. III des Bescheides nicht erneut die Wendung „nach Unanfechtbarkeit dieser Ausweisungsverfügung“ findet; zur Unabhängigkeit der grundlegenden Entscheidung zum Vollzug der Ausreisepflicht von der Regelung der Ausreisefrist vgl. Hailbronner, AuslR, § 59 AufenthG, Rn. 80,85 ff., Funke-Kaiser in GK AufenthG, Stand 3/2012, § 59 AufenthG Rn. 204 ff., 223, 226 ff. sowie Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 59 Rn. 13, 23, 25, 63 jeweils mit Rspr.-Nachw.; Aspekte einer solchen Abstraktion der Entscheidung, die Ausreisepflicht durchzusetzen, ergeben sich auch aus § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG sowie aus dem Umstand, dass die Androhung der Abschiebung aus der Haft lediglich einen in Abs. 5 geregelten Unterfall der als solche in § 59 AufenthG geregelten Abschiebungsandrohung darstellt). Demzufolge ist die Abschiebungsandrohung vom 21. Dezember 2012, die ebenfalls ausdrücklich nur für den Fall Geltung beansprucht, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich war, dahingehend auszulegen, dass die Beklagte mit ihr den in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bereits grundsätzlich verfügten Vollzug der Ausreisepflicht des Klägers lediglich für die Zeit nach der Haftentlassung regeln und mit der dann erforderlichen Fristsetzung versehen wollte. Nachdem die Verfügung in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bei der Haftentlassung des Klägers bereits durch den Bescheid vom 21. Dezember 2012 - nicht anders als vorher durch Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - neugefasst gewesen ist, ist zu diesem Zeitpunkt nicht die Androhung der Abschiebung durch Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 gegenstandslos geworden, sondern lediglich der dortige Zusatz „unmittelbar aus der Haft heraus“.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist weiterhin ein Duldungsbegehren. Der Kläger macht geltend, in Folge der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen werde es zu einer zusätzlichen wesentlichen Beschädigung seiner Gesundheit zum einen schon im Rahmen der Abschiebung selbst kommen - was zutreffendenfalls eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (mit der Folge eines Duldungsanspruchs) darstellen würde, weil Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer Abschiebung mit solchen Folgen entgegensteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 7 und B. v. 10.7.2003 - 11 S 2622/02 - juris Rn. 16; vgl. auch AVwV AufenthG Nr. 60a.2.1.1.2.2) - und zum anderen auch nach der Abschiebung (vor allem wegen einer Unerreichbarkeit der in seiner gesundheitlichen Situation erforderlichen ärztlichen und medikamentösen Behandlung) - was zutreffendenfalls eine erhebliche konkrete Gefahr für die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genannten existenziellen Rechtsgüter darstellen würde (zu den Voraussetzungen dieser Bestimmung im einzelnen vgl. B vor I.). Aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt zwar zunächst nur ein Abschiebungsverbot betreffend einen bestimmten Zielstaat und nicht unmittelbar ein Duldungsanspruch, weil grundsätzlich Abschiebungen nicht nur in das Heimatland des Ausländers möglich sind und die streitgegenständliche Ankündigung der Abschiebung auch nicht nur die Russische Föderation benennt; nachdem jedoch kein anderer aufnahmebereiter oder aufnahmeverpflichteter Staat ersichtlich ist, würde ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu einem Duldungsanspruch führen.
Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch seinen Beschluss vom 13. März 2009 (1 B 20.08) den Beschluss des Senats vom 3. September 2008 (19 B 07.2762) nur insoweit aufgehoben, als dieser Beschluss die Anfechtung der Abschiebungsandrohung (Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006) und damit auch die von dieser Vollzugsentscheidung abhängigen Duldungsbegehren betrifft. Soweit durch diesen Beschluss die Berufung des Klägers gegen den Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist, durch den die Ausweisungsentscheidung selbst bestätigt worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht die Senatsentscheidung vom 3. September 2008 aufrechterhalten. Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist somit seit dem 13. März 2009 bestandskräftig.
Der Kläger wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in der Lage sein, seinen gesamten Existenzbedarf zu verdienen.
Sollte es nach der Abschiebung zu einer produktivpsychotischen Episode aufgrund Nichteinnahme des Neuroleptikums kommen (was nach allem unwahrscheinlich ist), könnten sich daraus bereits deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht ergeben, weil die Abschiebung zwar der Episode zeitlich vorangegangen, nicht aber ihre wesentliche Ursache wäre.
Sollte der Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - das Neuroleptikum nach der Abschiebung eigenverantwortlich absetzen und es in der Folge zu einer produktivpsychotischen Episode kommen, wären die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht erfüllt, weil (worauf die Beklagte in Nr. 2 lit. a ihres Schriftsatzes vom 14.1.2014 hinweist) die Wahnvorstellungen, die solche Episoden des Klägers kennzeichnen, noch keine Gesundheitsverschlechterung des in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebenen Schweregrades darstellen und weil Weiterungen, die diesen Schweregrad erreichen, nicht beachtlich wahrscheinlich sind. Die (wenn auch kleinen, vgl. das Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001) psychiatrisch relevanten Ursachenanteile an der Gewalttat vom 7. Februar 2001 bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Kläger (vgl. dessen Schriftsatz vom 13.5.2011 im Verfahren 1 C 3/11) als eine solche Weiterung, weil diese Gewalttat zu einem langjährigen Freiheitsverlust geführt hat und weil derartige Taten wegen des Notwehrrechts des Geschädigten mit einem hohen Risiko auch für den Täter verbunden sind. Die Mehrzahl der objektiv festgestellten produktivpsychotischen Episoden (mehrere Anfang der 90er Jahre in Russland und eine im Jahr 1998 im Bundesgebiet, überwiegend mit Misshandlung der Eltern) hat aber weder anhaltende noch schwerwiegende Folgen für den Kläger gehabt; er ist hier jeweils lediglich der medizinischen Behandlung zugeführt worden, soweit dies erforderlich war. Die vom Kläger angegebenen Wahnvorstellungen während einzelner Phasen der Strafhaft sind allesamt von selbst wieder abgeklungen.
Sollte dem Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - aus Krankheitsgründen oder aus einem anderen Grund die Sicherung des Lebensunterhalts nicht möglich sein, kann er mit Unterstützung von verschiedenen Seiten rechnen, so dass die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geregelte Situation nicht eintreten wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
T a t b e s t a n d
2Die am 00. 0000. 1996 in B. B1. geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige. Sie reiste über Griechenland und Frankreich zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und beantragte am 29. Oktober 2013 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
3Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 20. Februar 2014 gab die Klägerin an, sie habe bis einen Monat vor ihrer Ausreise Anfang September 2011 in B. B1. gewohnt, und zwar mit ihren Eltern und Geschwistern. Dann habe sie in dem Stadtteil H. B2. mit ihrem Freund U. C. zusammen gewohnt. Sie seien nicht verheiratet gewesen. Zu ihren Asylgründen gab die Klägerin an, ihre Eltern seien Muslime. Ihr Freund sei aber ein Christ gewesen. Deshalb habe es Schwierigkeiten mit ihren Eltern gegeben. Sie hätten einen Krieg gegeneinander geführt. Sie sei seit einem Jahr vor ihrer Ausreise mit ihrem Freund zusammen gewesen. Sie hätten sich in der Schule kennengelernt. Er habe Musikaufführungen gemacht, er sei Sänger gewesen. Nachdem sie sich kennengelernt hätten, seien sie etwa einen Monat später ein Paar gewesen. Sie hätten sich versteckt. Für sie sei es eigentlich unmöglich gewesen, sich mit einem Mann zu treffen. Sie hätten dann versucht, dass man sie nicht zusammen in der Öffentlichkeit sehe. Sie hätten sich heimlich getroffen. Sie habe etwa ein paar Stunden in der Schule geschwänzt und habe sich heimlich mit ihm getroffen. Meistens seien sie bei ihm zu Hause gewesen. Eines Tages habe ihr Bruder eine Kreuzkette an ihr entdeckt. Seitdem habe er sie beobachtet. Dies sei ungefähr im Mai 2011 gewesen. Auf Frage zu ihrer Ausreise im September 2011 gab die Klägerin an, sie sei als Christ getauft worden. Ihre Familie habe das mitbekommen. Bei ihnen sei es so, dass man in den Himmel komme, wenn man als Moslem einen Christen töte. Sie habe sich am 29. Mai 2011 taufen lassen, und zwar in der Kirche F. N. in B. B1. . Es handele sich um die koptisch-orthodoxe Kirche. Sie habe den Glauben sehr gemocht. Er habe sie sehr beeindruckt. Sie habe viel Wichtiges in diesem Glauben gefunden. Ihr habe alles gefallen, die Bibel, die Feiertage, die Fastenzeit, im Allgemeinen alles. Zu dem Entschluss zur Konversion sei sie durch ihren Freund gekommen. Er habe ihr viel über den christlichen Glauben erzählt und sie überzeugt. Sie habe dann viele Probleme bekommen, insbesondere mit ihrem Bruder. Sie sei an ihrem Bein verbrannt worden. Es war so, dass er sie habe töten wollen. Ihr Bruder habe es den Eltern erzählt. Ihr Bruder habe sie beobachtet und verfolgt. Auf Nachfrage, wie genau ihr Bruder mitbekommen habe, dass sie sich habe taufen lassen, gab die Klägerin an, die Leute hätten es ihm erzählt. Es hätten sie viele Leute gesehen. Viele Freunde ihres Bruders hätten die Taufe mitbekommen. Die Schwierigkeiten mit ihrem Bruder hätten begonnen, nachdem er die Kreuzkette gesehen und erfahren habe, dass sie getauft worden sei. Er habe es etwa einen Monat nach ihrer Taufe erfahren. Als ihr Bruder es erfahren habe, habe es viele, viele Probleme gegeben. Er habe versucht, sie von allen ihren Aktivitäten abzuhalten, und ihr verboten, in die Schule zu gehen. Er habe gesagt, dass er zuerst sie und dann sich selbst töten wolle. Nachdem er ihr Bein verbrannt habe, sei sie von zu Hause weg. Auf Nachfrage führte sie aus, der Vorfall habe sich die etwa 3-4 Tage vor ihrer Ausreise – korrigiert – etwa 15 Tage vor ihrem Weggang von zu Hause ereignet. Er habe Wasser gekocht und es ihr dann über ihr rechtes Bein geschüttet. Ihr Bruder rede viel. Er habe gesagt, dass sie einen Jungen geliebt habe, der Christ gewesen sei. Die Familie habe dann entschieden, dass sie getötet werden solle. Auf Vorhalt, dass das Tragen einer Kette nicht bedeute, dass man einen Freund habe, erwiderte die Klägerin, die Leute hätten sie gesehen. Etwa drei Tage, bevor sie das Haus verlassen habe, habe die Familie beschlossen, dass sie getötet werden solle. Sie sei im Haus in einer Kammer gefesselt worden. Sie habe dann viele Probleme erlebt. Sie sei von ihrem Bruder geschlagen worden. Ihr sei das Essen verweigert worden. Sie sei auch gezwungen worden, Pfeffer zu inhalieren. Hauptsächlich sei das von ihrem Bruder ausgegangen. Ihr Vater sei froh gewesen, dass ihr Bruder sie quäle. Die ganze Familie sei froh darüber gewesen. Auf Frage, wie sie das Haus habe verlassen können, gab die Klägerin an, sie sei durch das Fenster gestiegen und zu ihrem Freund gegangen. Auf Nachfrage: Normalerweise hätten sie die Wohnung zugeschlossen. Es sei nachts gewesen, als sie geflohen sei. Sie sei dann aus dem Fenster gesprungen. Auf Vorhalt, dass sie zuvor berichtet habe, in einer Kammer gefesselt gewesen zu sein: Sie sei nur tagsüber gefesselt gewesen, nachts nicht mehr. Außerdem sei ihr Bein durch die Verbrennung angeschwollen gewesen. Daher hätten sie sie nachts nicht mehr gefesselt. Auf Frage, ob in dem Monat, den sie bei ihrem Freund verbracht habe, noch etwas geschehen sei, gab sie an, es sei eine sehr schwierige Zeit für sie gewesen. Sie erinnere sich auch nicht mehr an alles. Ihre Familienmitglieder seien nicht aufgetaucht.
4Ergänzend legte sie die Schreiben der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik S. B3. – Dr. N1. T. – vom 04. Oktober 2013 und vom 20. Dezember 2013 vor.
5Mit Bescheid vom 04. April 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den subsidiären Schutzstatus ab und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Es forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihr die Abschiebung nach Äthiopien an.
6Die Klägerin hat am 12. April 2014 Klage erhoben. Sie trägt unter Vorlage einer kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik S. B3. – Dr. N1. T. – vom 29. April 2014 gegenüber dem Jugendamt der Stadt B3. vor, dass sie an einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren depressiven Episode leide. Weiter führt sie aus, am Tag ihrer Taufe habe sie das bei der Anhörung erwähnte Kreuz erhalten. Im Familienkreis habe sie versucht, das Kreuz zu verbergen. Es sei ihr aber sehr wichtig gewesen, sie habe es immer getragen. Sie habe sich Schals umgewickelt, damit man es nicht habe sehen können. Einmal, als sie sich ausgezogen habe, habe ihr Bruder dieses Kreuz gesehen. Ihr Bruder habe sie angebrüllt und sie geschlagen. Die Mutter habe gefragt, woher sie das Kreuz habe. Sie habe das Haus nicht verlassen dürfen und sei in ein Zimmer gesperrt worden. Der Bruder habe gerüchtweise schon von dem Kontakt zu Herrn C. gehört und gesagt, jetzt wisse er, dass etwas Wahres daran sei. Er habe den Freund auch schon mit Namen gekannt. Als der Vater nach Hause gekommen sei, habe er gesagt, dass sie eine Schande sei. Er habe auf sie eingeschlagen. Sie sei später durch das Fenster zu ihrem Freund geflohen, sei dort aber nur kurz geblieben. Anschließend habe er sie zu seiner Tante nach B4. H1. gebracht.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 04. April 2014 zu verpflichten, ihr gemäß § 3 AsylVfG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
9hilfsweise,
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 04. April 2014 zu verpflichten, ihr subsidiären internationalen Schutz gemäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
11hilfsweise,
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 04. April 2014 zu verpflichten festzustellen, dass in ihrer Person ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Äthiopien vorliegt.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Herrn U. C. betreffenden beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgang, Gerichtsakte VG Münster zu 9 K 911/14.A) Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die Kammer kann entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (vgl. § 102 Abs. 1 VwGO).
19Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 04. April 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20Die Klägerin hat nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG (nachfolgend I.). Zudem liegen in ihrer Person weder Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG (II.) noch die Voraussetzungen eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (III.).
21I.
22Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in ihrer Person.
23Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 b Abs. 1 AsylVfG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
24Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3 a Abs. 2 AsylVfG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
25Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 22.12 -, juris Rn. 19 m.w.N.
27Diese Anforderungen gelten auch für den Fall, dass die Verfolgung nicht von dem Staat, sondern von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht. Nach § 3 c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
28Nach diesen Kriterien kann eine Verfolgung aufgrund asylrelevanter Merkmale nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, wegen Zugehörigkeit zu einer Religion, nämlich dem Christentum, von ihrer Familie bedroht worden zu sein. Die Voraussetzungen gemäß § 3 c AsylVfG, diese Verfolgung durch private Akteure dem äthiopischen Staat zurechnen zu können, sind allerdings nicht gegeben. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der äthiopische Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Äthiopien ist mehrheitlich christlich geprägt. Seine Verfassung enthält das Grundrecht der Religionsfreiheit. Ungeachtet vielschichtiger Spannungen inter- und intrareligiöser Art sieht sich Äthiopien als Modell für interreligiöse Toleranz und Verständigung.
29Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 08. April 2014, S. 9; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien - Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, S. 14: Muslime als religiöse Minderheit.
30Berichtet wird mitunter von Übergriffen gegen bzw. Diskriminierungen von Muslimen.
31Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 08 April 2014, S. 9; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien - Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2014, S. 14: Muslime als religiöse Minderheit.
32Dass aber die äthiopischen Behörden nicht bereit oder willens sind, gegen Repressionen von muslimischer Seite vorzugehen, kann auf dieser Grundlage nicht angenommen werden. Die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Auskunft des Immigration and Refugee Board of Canada vom 14. Dezember 2011 rechtfertigt keine abweichende Sicht der Dinge. Denn in der Auskunft geht es vornehmlich um die Rolle der Frau und - u.a. - häusliche Gewalt gegen Frauen und deren Schutzmöglichkeiten. Das ist kategorial nicht mit der hier in Rede stehenden Verfolgung aus religiösen Gründen zu vergleichen.
33Es kommt hinzu, dass die Klägerin die Verfolgung durch ihre Familie nicht glaubhaft gemacht hat. Die Zweifel an ihrem Vorbringen betreffen sowohl den behaupteten Übertritt zum Christentum als auch die aufgrunddessen einsetzende Bedrohung bzw. Verfolgung durch ihre Familie.
34Was den eigentlichen Akt des Übertritts betrifft, hat sich die Klägerin auf die Aussage beschränkt, sie sei am 29. Mai 2011 in der koptisch-orthodoxen Kirche F. N. in B. B1. getauft worden. Weitere Einzelheiten hat sie dagegen nicht mitgeteilt. Zur Begründung ihrer Klage hat sie lediglich ergänzend vorgetragen, sie habe anlässlich der Taufe die Halskette mit dem Kreuz erhalten.
35Darüberhinaus steht das von ihr angegebene Datum der Taufe nicht in Einklang mit den Angaben ihres Freundes U. C. anlässlich seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 19. September 2013. Er hat bekundet, die Klägerin sei im Jahre 2010 konvertiert. Diesen bereits im Bescheid des Bundesamtes aufgezeigten Widerspruch hat sie nicht aufgelöst.
36Das Vorbringen der Klägerin ist auch deswegen unglaubhaft, weil sie ihre Motivation für die Hinwendung zum Christentum nur unzureichend beschrieben hat. Hierzu hat sie bei der Anhörung vor dem Bundesamt bekundet, zu dem Entschluss zur Konversion sei sie durch ihren Freund gekommen; Er habe ihr viel über den christlichen Glauben erzählt und sie überzeugt. Das ist lediglich im Ansatz nachvollziehbar. Vage und unsubstantiiert ist dagegen ihre Aussage zum Inhalt des Glaubens aus ihrer Sicht: Sie habe den Glauben sehr gemocht; er habe sie sehr beeindruckt. Sie habe viel Wichtiges in diesem Glauben gefunden; ihr habe alles gefallen, die Bibel, die Feiertage, die Fastenzeit, im Allgemeinen alles. Überdies ist gerade in der speziellen Konstellation einer Abwendung vom Islam zu erwarten, dass sich der Betreffende damit auseinandersetzt, was es bedeutet, Christ zu sein, zumal da ihr, wie ihr Verhalten nach der behaupteten Taufe belegt, klar war, dass diese von ihrer Familie zumindest nicht gebilligt würde. Von einer solchen inneren Auseinandersetzung hat die Klägerin nichts mitgeteilt.
37Ihr Vorbringen gewährt desweiteren kein klares Bild dazu, wie die Familie von dem Glaubensübertritt erfahren haben soll. So hat sie bei der Anhörung vor dem Bundesamt zunächst bekundet, ihr Bruder habe ihre Halskette mit einem Kreuz entdeckt und sie seither beobachtet. Später hat sie dagegen erklärt, viele Freunde ihres Bruders hätten die Taufe mitbekommen und ihm davon berichtet; er habe es dann den Eltern mitgeteilt. Demgegenüber hat sie zur Begründung der Klage schriftsätzlich vortragen lassen, ihr Bruder habe ihre Halskette mit einem Kreuz entdeckt; ihre Mutter sei dabei gewesen. Wenn letzteres aber zutreffen sollte, hätte für den Bruder keine Veranlassung bestanden, die Eltern zu informieren.
38Es ist auch nicht nachzuvollziehen, dass sich die Klägern ihrem eigenen Vortrag zufolge öffentlich hat taufen lassen, obwohl sie und ihr Freund sich nach Möglichkeit nur heimlich getroffen haben wollen.
39Zweifel sind auch an dem Datum anzumelden, zu dem der Bruder die Halskette mit Kreuz entdeckt haben soll. Hierzu hat die Klägerin zunächst erklärt, dies sei „ungefähr im Mai 2011“ gewesen. Mit der späteren Aussage, der Bruder habe es ca. einen Monat nach der Taufe erfahren, ist das nicht in Einklang zu bringen. Denn die Taufe soll am 29. Mai 2011 gewesen sein.
40Desweiteren hat sie bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, ihr Bruder habe ihr verboten, in die Schule zu gehen. Im Gegensatz dazu hat sie zur Klagebegründung vortragen lassen, ihr sei nach Entdeckung ihrer Halskette verboten worden, das Haus zu verlassen, und sie sei in ein Zimmer gesperrt worden. Warum für den Bruder eine Veranlassung bestanden haben soll, ihr konkret den Besuch der Schule zu untersagen, wenn sie doch schon generell das Haus nicht verlassen durfte und sogar in ein Zimmer gesperrt worden sein soll, erschließt sich nicht.
41Der Eindruck, dass die Klägerin von nicht selbst Erlebtem erzählt, wird ferner dadurch bestärkt, dass sie zu den den Problemen, die sie letztlich zur Flucht veranlasst haben sollen, konkret die Übergriffe des Bruders, durchweg nur vage Angaben gemacht hat.
42Schließlich ist auch die Flucht nicht glaubhaft geschildert. So hat sie bei der Anhörung vor dem Bundesamt zunächst angegeben, sie sei in einer Kammer gefesselt worden. Später hat sie erklärt, sie sei nur tagsüber gefesselt gewesen, so dass sie nachts aus dem Fenster habe fliehen können. Sollte die Klägerin tatsächlich von einem Familienangehörigen gefesselt worden sein, so dürfte diese Maßnahme zum Ziel gehabt haben zu verhindern, dass sie flieht. Dann aber macht es, auch wenn man die angebliche Verbrennung des Beins berücksichtigt, ersichtlich keinen Sinn, dass die Fesselung nur für einen Teil des Tages vorgenommen und zumal dann aufgehoben wird – nämlich nachts –, wenn ein unbemerktes Verlassen des Hauses am ehesten möglich sein dürfte.
43Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat die Klägerin ferner bekundet, in B. B1. habe sie bis einen Monat vor ihrer Ausreise Anfang September 2011 bei ihren Eltern gelebt, danach in dem Stadtteil H. B2. zusammen mit ihrem Freund. Im Klageverfahren hat sie dagegen erklärt, sie sei nur kurz bei ihrem Freund geblieben; er habe sie zu seiner Tante nach B4. H1. gebracht. Warum sie davon nicht bereits bei der Anhörung vor dem Bundesamt berichtet hat, ist unklar.
44Schließlich ist zu konstatieren, dass das Vorbringen der Klägerin in zahlreichen (weiteren) Punkten von den Angaben ihres Freundes U. C. erheblich abweicht. So hat er erklärt, sie hätten im September 2010 traditionell geheiratet, wohingegen die Klägerin die Frage, ob sie verheiratet seien, bei der Anhörung vor dem Bundesamt ausdrücklich verneint hat. Weiter hat U. C. angegeben, ihre Eltern hätten sie aus dem Haus geworfen. Das passt nicht zu ihrer Aussage, die Familie habe beschlossen sie zu töten bzw. dass ihr Bruder gedroht habe, erst sie und dann sich zu töten. Schließlich hat U. C. angegeben, ihr Bruder sei mit einer Gruppe anderer zu seinem Haus gekommen; außerdem sei er zwei Tage inhaftiert gewesen. Davon hat die Klägerin demgegenüber nichts berichtet, obwohl die Frage nach Geschehnissen in dem Monat, in dem sie bei ihrem Freund gewohnt haben will, durchaus Anlass geboten hätte. Im Gegenteil hat sie ausgesagt, ihre Familienangehörigen seien nicht aufgetaucht.
45Nach alledem kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass die Klägerin von etwas wirklich Erlebtem berichtet hat. Dieses Fazit gilt auch vor dem Hintergrund der Aussage des Leitenden Psychologen Dr. N1. T. der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik S. B3. vom 05. August 2014. Darin heißt es, dass das Aussageverhalten der Klägerin sicherlich zum Teil durch die belastenden Ereignisse begründet sei. Vorrangiger Grund für möglicherweise widersprüchliche Angaben sei jedoch, dass sie große Schwierigkeiten habe, sich verständlich zu machen, wenn sie sich in einer Situation unsicher fühle. Das mag eine mögliche Erklärung sein. Allerdings ist sie nicht zwingend die einzig denkbare. Folglich kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin, würde sie ihre Aussage in einer Situation machen können, die sie nicht verunsichert, zu einem substantiierten und im Wesentlichen widerspruchsfreien Vortrag in der Lage wäre. Soweit der Leitende Psychologe auf widersprüchliche Aussagen abstellt, ist dem entgegenzuhalten: Das Vorbringen der Klägerin erweist sich nicht nur als widersprüchlich, sondern enthält vielmehr zahlreiche massive Widersprüche, und zwar nicht nur in Bezug auf ihre eigenen Angaben, sondern auch in Bezug auf die Aussagen ihres Freundes U. C. . Überdies sind ihre Angaben durchweg unsubstantiiert und detailarm.
46II.
47Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG – zuvor Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ‑ sind ebenfalls nicht gegeben. Dies hat bereits das Bundesamt zu Recht festgestellt. Daher sieht die Kammer insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
48III.
49Die Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.
501.) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten als unzulässig erweist. Ausschließlich zu prüfen sind auch in diesem Rahmen nur etwaige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Das darin enthaltene Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung entspricht allerdings inhaltlich vollständig dem in § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG enthaltenen Grund für die Gewährung von subsidiären Schutz und ist bereits dort zu prüfen; insoweit hat § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK keine eigenständige Bedeutung mehr. In Ausnahmefällen kann sich ein Abschiebungsverbot aus Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) ergeben, etwa dann, wenn im Zielstaat der Abschiebung eine Verurteilung unter krasser Missachtung der in Art. 6 EMRK normierten rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze droht. Auch kann Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) ein Abschiebungsverbot analog zum Asylrechtsschutz begründen.
51Vgl. etwa VGH BW, Urteil vom 13.12.2012 - A 2 S 1995/12 -, juris Rn. 15; Nds. OVG, Beschluss vom 12. Juli 2010 - 8 LA 154/10 -, juris Rn. 14 f. m.w.N.
52Hier ist indes nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall der Klägerin ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Auch insofern sieht die Kammer von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
532.) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
54a) Eine solche Gefahr kann insbesondere nicht deshalb angenommen werden, weil die Klägerin an einer Erkrankung leidet, die behandlungsbedürftig ist, aber in Äthiopien nicht behandelt werden könnte.
55Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des ausreisepflichtigen Ausländers nach Abschiebung in seinen Heimatstaat verschlimmert, kann allerdings grundsätzlich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand alsbald nach einer Rückkehr in das Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil der Ausländer dort nur unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden hat und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1997 – 9 C 58.96 –, juris Rn. 9; Nds.OVG, Beschluss vom 22.10.2014 – 8 LA 129/14 –, juris Rn. 31; BayVGH, Beschluss vom 18.09.2014 – 13a ZB 14.3002 –, juris Rn. 10; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26.09.2014 – 6a K 1327/14.A –, juris Rn. 29.
57Allerdings muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den im Heimatstand vorhandenen Versorgungsstand im Gesundheitswesen verweisen lassen. Denn § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG garantiert auch für chronisch Erkrankte keinen Anspruch auf "optimale Behandlung" einer Erkrankung oder auf Teilhabe an dem medizinischen Standard in Deutschland. Der Abschiebungsschutz soll den Ausländer vielmehr vor einer alsbaldigen wesentlichen oder lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Heimatland bewahren, wenn eine bestehende Krankheit im Zielland wegen mangelnder Ressourcen – faktisch und/oder finanziell – nicht hinreichend behandelt werden kann.
58Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30.10.2006 – 13 A 2820/04.A –, juris Rn. 58; BayVGH, Urteil vom 16.05.2006 – 9 B 03.31193 –, juris Rn. 32; VG Bayreuth, Urteil vom 01.09.2014 – B 3 K 14.30195 –, juris Rn. 39 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08.05.2014 – 17 K 2504/13.A –, juris Rn. 40.
59Für die Bestimmung der "Gefahr" gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die drohende Rechtsgutsverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein.
60Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.07.2014 - 19 B 12.1073 -, juris Rn. 97; Nds. OVG, Urteil vom 10.11.2011 – 8 LB 108/10 –, juris Rn. 28; VG Ansbach, Urteil vom 21.01.2015 – AN 9 K 13.30394 –, juris Rn. 26 m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2014 – 17 K 6765/14.A –, juris Rn. 5 m.w.N.;
61Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich ein Abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen.
62Trotz der bestehenden Amtsermittlungspflicht ergibt sich aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO die Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, was in besonderem Maße für Umstände gilt, die, wie etwa eine Erkrankung, in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
63Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer Erkrankung an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) genügen die vorgelegten ärztlichen Berichte vom 04. Oktober 2013 und vom 20. Dezember 2013 sowie die Stellungnahme vom 29. April 2014 nicht.
64Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer PTBS nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er seine Stellungnahme unterbreitet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt.
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.08.2011 - 10 B 13/11 und 10 PKH 10 PKH 11/11 -, juris Rn. 4.
66Gleichwohl ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder einer fachlichen Stellungnahme nicht blindlings, sondern nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruht.
67Gemäß der International Classification of Diseases (ICD-10:F43.1) entsteht eine Posttraumatische Belastungsstörung als Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde." Ein traumatisches Ereignis/Erlebnis ist damit zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung; ohne das Vorliegen eines Traumas kann die Diagnose einer einer solchen Beeinträchtigung folglich nicht gestellt werden. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber dem Begutachtenden nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Der objektive Ereignisaspekt ist nämlich nicht Gegenstand der gutachtlichen (ärztlichen) Untersuchung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Allein mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war.
68Vgl. BayVGH, Beschluss vom 15.12.2010 - 9 ZB 10.30376 -, juris Rn. 3; VG Regensburg, Urteil vom 07.10.2014 – RN 5 K 14.30525 –, juris.
69Nach diesen Kriterien kann eine Posttraumatische Belastungsstörung nicht angenommen werden. Denn die Klägerin hat – wie bereits oben dargelegt – ein traumatisierendes Geschehen nicht glaubhaft gemacht. Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Blick auf die schon angesprochenen Schreiben des Leitenden Psychologen Dr. N1. T. angezeigt. Er übernimmt nämlich augenscheinlich die Sachverhaltsangaben der Klägerin mehr oder weniger ungeprüft und überprüft sie nicht auf ihren Wahrheitsgehalt. Eine Auseinandersetzung mit ihrem massiv widersprüchlichen und durchweg unsubstantiierten Vorbringen im Asylverfahren ist nicht erfolgt. Besonders deutlich wird das angesichts ihrer Aussage zum Umgang der Familie mit ihr. So heißt es in dem Schreiben vom 04. Oktober 2013, die Familie hätte sie verstoßen. In dem Schreiben vom 20. Dezember 2013 wird diese Aussage übernommen. In klarem Gegensatz dazu wird in dem Schreiben vom 29. April 2014 ausgeführt, die Familie hätte sie gegen ihren Willen festgehalten. Hier laufen die Aussagen der Klägerin augenscheinlich diametral auseinander, ohne dass dies plausibel erklärt wird.
70Auf dieser Grundlage ist auch die Gefahr einer Retraumatisierung im Fall der Rückkehr nach Äthiopien nicht als beachtlich wahrscheinlich anzunehmen.
71Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass der Klägerin eine schwere depressive Episode bescheinigt worden ist. Erhebliche Gefahren für Leib oder Leben treten bei Depressionen nicht zwangsläufig ein, wenn die Behandlung nicht fortgeführt wird. Die vorgelegten ärztlichen Schreiben lassen nicht erkennen, dass der Klägerin solche Gefahren drohen, wenn eine therapeutische Behandlung nicht fortgeführt wird.
72Dafür spricht zunächst, dass der Umfang der ärztlichen Behandlung in Deutschland bislang gering ist. Er beschränkt sich auf eine monatlich einmalige Behandlung. Nach den ärztlichen Schreiben ist nicht anzunehmen, dass die Klägerin auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen ist. So heißt es in dem Schreiben vom 04. Oktober 2013, sie lehne eine medikamentöse Behandlung ab, weil sie Angst vor Medikamenten habe. Deswegen wird ärztlicherseits die Möglichkeit einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung auch als "sehr gering" eingestuft. Auch in dem Schreiben vom 20. Dezember 2013 wird ausgeführt, dass die Klägerin eine antidepressive Pharmakotherapie abgelehnt habe, "auch" weil sie derzeit noch ihren Sohn stille. Dies ist auch der Grund, der in dem Schreiben vom 29. April 2014 dafür angegeben worden ist, dass eine medikamentöse Behandlung zwar erwogen, aber zunächst jedoch ausgesetzt worden ist.
73Es kommt hinzu, dass nach den vorgelegten ärztlichen Schreiben eine ärztliche Behandlung gar nicht als zwingend geboten angesehen wird. In dem Schreiben vom 04. Oktober 2013 wird ausgeführt: „Vorrangig erscheint uns eine Zusammenführung mit ihrem Freund, der im Münsterland lebe; von dieser Maßnahme erwarten wir eine viel deutlichere Stabilisierung, als dies durch eine psychiatrische Behandlung geschehen könnte.“ In Übereinstimmung damit heißt es in dem Schreiben vom 20. Dezember 2013, dass sich die Klägerin immer dann gut gestimmt zeige, wenn ihr Freund zu Besuch gewesen sei; sie sei aktuell insbesondere dadurch belastet, dass sie nur wenig Kontakt zu ihrem Freund habe. Daraus wird dann die Schlussfolgerung gezogen: „Insofern ist eine jugendpsychiatrische Behandlung sekundär, während eine möglichst zügige Familienzusammenführung die primäre Maßnahme zur Stabilisierung der Patientin ist.“ Empfohlen wird eine „Familien“zusammenführung auch in der Stellungnahme vom 29. April 2014. Erneut wird hier darauf hingewiesen, dass sich die Stimmung der Klägerin immer dann verbessere, wenn ihr Freund in B3. zu Besuch sei; insoweit zeige sich eine „Stimmungsstabilisierung“. Diese Ausführungen lassen zwei Schlussfolgerungen zu: Der Freund ist – wie von dem Leitenden Psychologen dargelegt – für das Wohlbefinden und die Stimmung der Klägerin wesentlich wichtiger ist als eine ärztliche Behandlung. Anhaltspunkte dafür, dass das in Äthiopien anders sein könnte, bestehen nicht. Folglich ist die Relevanz einer Behandlung im Heimatland ebenso gering einzuordnen. Es wird vielmehr – wie jetzt – entscheidend sein, ob ihre Freund bei ihr sein wird. Das führt zu der zweiten Überlegung: Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin ist jedenfalls dann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, wenn sie mit ihrem Freund in ihr Heimatland zurückkehrt. Dass er allein hierbliebe, er sich mithin von der Frau trennen würde, von der er sogar behauptet hat, mit ihr verheiratet zu sein, und mit der er zwei kleine Kinder hat, ist nicht anzunehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm eine Rückkehr nach Äthiopien verwehrt sein könnte. Zum einen hat er seine Flucht damit begründet, dass er Schwierigkeiten mit der Familie der Klägerin nach deren Übertritt zum Christentum bekommen habe. Die Kammer hat allerdings, wie dargelegt, die Schilderung der Klägerin als nicht glaubhaft bewertet. Allein folgerichtig ist dann die Annahme, dass sich der Freund nicht auf die behauptete Verfolgung der Klägerin berufen kann. Zum anderen ist ungeachtet der Rechtsfrage, welche Staatsangehörigkeit der Freund besitzt, die äthiopische oder die eritreische, maßgeblich darauf abzustellen, dass er noch im Jahr seiner Geburt im Jahre 1990 das Gebiet des heutigen Eritrea verlassen und seither in Äthiopien gelebt hat, so dass nichts dafür spricht, dass er das nicht auch weiterhin könnte.
74Soweit in dem Schreiben der S. Uniklinik B3. vom 05. August 2014 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt wird, ein Behandlungsabbruch hätte "das Fortbestehen und ggf. die Zunahme dieser Störung" – gemeint sind die Posttraumatische Belastungsstörung und die schwere depressive Episode – zur Folge, spricht diese Aussage nicht für die Annahme, dass der Klägerin im Falle der Rückkehr nach Äthiopien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erhebliche Gefahren für Leib oder Leben drohen. Hinsichtlich der Posttraumatischen Belastungsstörung folgt dies bereits daraus, dass nach den obigen Ausführungen nicht angenommen werden kann, dass eine solche wirklich vorliegt. Was die schwere depressive Episode anbelangt, so ist zu konstatieren, dass der Leitende Psychologe Dr. T. nicht von einer Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands ausgeht, sondern davon spricht, dass ein Behandlungsabbruch „ggf.“ die Zunahme dieser Störung zur Folge hat. Mit „ggf.“ kennzeichnet er die Zunahme der Störung, dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, als möglich. Dass er auf diese Weise seine Aussage einschränkt, was angesichts des notwendig prognostischen Elements bei der Einschätzung des Verlaufs einer Erkrankung auch nachvollziehbar erscheint, erhellt auch daraus, dass er im Gegensatz dazu das zuerst erwähnte Fortbestehen der Störung – ohne einschränkenden Zusatz – als gegeben annimmt.
75Die von Dr. N1. T. befürchtete suizidale Krise im Falle einer drohenden Abschiebung – vgl. sein Schreiben vom 05. August 2014 – stellt ein sog. inländisches Abschiebungshindernis dar, das im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keine Berücksichtigung findet. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind. Gefahren, die sich allein als Folge oder im Zusammenhang mit der Abschiebung ergeben, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes, sondern sind von der Ausländerbehörde im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen,
76vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 ‑ 1 C 1.02 -, juris Rn. 9; BayVGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21; OVG NRW, Urteil vom 18.01.2013 - 19 A 591/09.A -, juris Rn. 56; VG Ansbach, Urteil vom 10.02.2015 – AN 4 K 13.31104 –, juris Rn. 19; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26.09.2014 – 6a K 1327/14.A –, juris Rn. 62.
77Angesichts dessen drängt sich die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung durch das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht auf.
78b) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die allgemeine wirtschaftlich schwierige Lage in Äthiopien berufen.
79Die Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
80Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, juris (ständige Rechtsprechung).
81Dass hier eine solche extreme Gefahrenlage besteht, in der der Asylbewerber "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde” und die sich alsbald nach der Rückkehr realisiert,
82Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 38 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung,
83ist aus der Sicht der Kammer nicht anzunehmen. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sie in Äthiopien nicht auf die Unterstützung ihrer Großfamilie oder der des Freundes wird zählen können.
84Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung (Ziffer 4 des Bescheides) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken (§§ 34, 38 AsylVfG).
85Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Tenor
1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit seiner Klage unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom
Der Kläger, geb. ..., ist Staatsangehöriger K.s und hat mit seinen Alias-Personalien einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gestellt. Der Asylantrag wurde vom Verwaltungsgericht Magdeburg mit
Am ... 2012 beantragte der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... 2012 beim Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 ff. AufenthG. Bei einer ärztlichen Überprüfung sei festgestellt worden, dass der Kläger an einer chronischen Hepatitis B leide. Da nach dessen Angaben beide Eltern an dieser Erkrankung gestorben seien, sei im Hinblick auf die offenbar bestehende erbliche Vorbelastung ohne intensive ärztliche Behandlung im Heimatland mit einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands und möglicherweise auch mit dem Tod zu rechnen. Der Antragsteller würde die notwendige Behandlung in K. auch nicht erhalten, zumindest sei diese für ihn nicht finanzierbar. Darüber hinaus sei er auch schwer depressiv, was zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Effektive und medizinisch-psychologische Begleitung für selbstmordgefährdete Personen sei in K. nicht erhältlich bzw. nicht finanzierbar. Deswegen drohe auch hinsichtlich der diagnostizierten Hypertonie im Fall einer Rückkehr Lebensgefahr.
Zum Nachweis der bestehenden Gesundheitssituation des Klägers wurden damals zwei Atteste des Internisten Dr. ...
Mit Bescheid vom
Zwar seien etwa 20% der Bevölkerung K.s an Hepatitis B erkrankt und gebe es in K. kein national wirksames Behandlungsprogramm für Hepatitis B. Insoweit verweist das Bundesamt auf die Auskunft der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 5. September 2005 bezüglich einer Behandlung von Hepatitis B in Y. (K.). Dort heißt es, die Behandlung kann zwar durchgeführt werden, hänge aber primär von den finanziellen Mitteln ab. Eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung seit dieser Auskunft ist nicht ersichtlich. Allerdings sei für den Kläger auch im Fall einer Nichtbehandlung der bei ihm vorliegenden Hepatitis-B-Infektion keine alsbaldige konkrete Gesundheitsverschlechterung erkennbar, da nach dem Attest vom 12. Oktober 2012 noch keine Behandlungsindikation gegeben sei. Der behandelnde Internist habe selbst ausgeführt, dass sich „die Fragen zu Prognose und Behandlungsindikation deshalb nicht beantworten lassen“. Im Übrigen sei eine Hepatitis B eine Infektionserkrankung und beruhe nicht auf einer genetischen Vorbelastung. Die Beklagte führt in ihrem Bescheid weiter aus, die Erkrankung einer im Attest vom 19. Oktober 2012 diagnostizierten Depression sei nicht substantiiert dargelegt, da nicht ausgeführt werde, wie sich diese äußere und wie diese konkret behandelt werde. Das gleiche gelte für den „aktuell“ stark erhöhten Bluthochdruck, der dem Attest vom 28. Februar zugrunde liege, und der noch nicht medikamentös eingestellt gewesen sei. Der Bluthochdruck sei nach Ansicht der Beklagten ohne weiteres behandelbar. Der Kläger könne sich zudem einen kleinen Medikamentenvorrat hier verordnen lassen und in seine Heimat mitnehmen, bis er dort einen Arzt seiner Wahl aufgesucht habe.
Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, die Kosten für eine entsprechende Behandlung zu finanzieren bzw. es beachtlich wahrscheinlich ist, dass seine Familie ihn insoweit unterstützen könne. Mit Hilfe seiner hier zusätzlich erworbenen Sprachkenntnisse sei er beachtlich wahrscheinlich in der Lage, sich bei Rückkehr eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu suchen bzw. ggf. auf die Hilfe seiner Familie zurückzugreifen und weiter auf der Farm auszuhelfen, was ihm das Existenzminimum und die Kosten für die Behandlung und Medikamente sichern werde.
Der Kläger hat am 20. Juni 2013 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben lassen. Der Bescheid des Bundesamts vom 31. Mai 2013 sei rechtswidrig, da ein Abschiebungsverbot aus medizinischen Gründen festzustellen sei. Zur näheren Begründung werde Bezug auf das klägerische Vorbringen im Verwaltungsverfahren genommen. Dort habe der Kläger ausreichend substantiiert glaubhaft gemacht und belegt, dass er aufgrund seiner Erkrankungen im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland erheblichen und konkreten Gefahren für seine existentiellen Grundrechte auf Gesundheit und Leben ausgesetzt wäre. In K. drohe binnen kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der bei ihm festgestellten Krankheiten. Die Beklagte unterstelle fälschlicherweise und ohne Heranziehung entsprechender Quellen, dass Behandlungsmöglichkeiten für den Kläger in K. bestünden. Zweifelhaft sei bereits, ob die notwendige qualifizierte ärztliche Behandlung und die notwendigen Medikamente erreichbar seien. Jedenfalls wäre eine solche Behandlung und Medikation für den Kläger mangels freien Zugangs zum Gesundheitswesen nicht finanzierbar. Der Kläger selbst werde in dem erforderlichen kurzfristigen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit finden, die ihm die Finanzierung der Behandlungskosten ermöglichen würde. Die wirtschaftliche Situation in K. sei katastrophal und der Kläger verfüge aufgrund des langen Aufenthalts in Deutschland nicht über die notwendigen Beziehungen, die erforderlich seien, überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden. Abgesehen davon verfüge er über keine Berufsausbildung und keine Berufserfahrungen. Selbst auf Hilfe und Unterstützung der Familie könne er nicht zurückgreifen, da seine Eltern nicht mehr leben und er keinen Kontakt zu sonstigen Verwandten habe.
Im weiteren Verfahren legte der Kläger weitere Atteste des Herrn Dr. med. ...
- Bocoprolol CT 5 mg Tabletten (2 x täglich)
- Baraclude 0,5 mg Tabletten (1 x täglich)
- Candesartan ABbZ comp 8 mg/12.5 (2 x täglich)
- Amlo 5 (1 x täglich).
Der Klägervertreter weist in seinem Schreiben vom
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Zur Begründung verweist sie auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom
Mit Beschluss vom 17. November 2014
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr diesbezügliches Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
1. Da der Kläger vorliegend ausschließlich Krankheitsgründe als Prüfungsmaßstab zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote geltend macht, kommt allein ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, die diesem alsbald nach seiner Rückkehr in die Heimat droht (vgl. BVerwG, U. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris;
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann sich daraus ergeben, dass die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet, in seinem Heimatstaat besteht, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind (BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - Rn. 9 bei juris). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Zuständen (vgl. BVerwG
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können aber auch dann vorliegen, wenn im Herkunftsland zwar geeignete Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die für den betreffenden Rückkehrer aber im Einzelfall aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9; BayVGH
Dies ist hier der Fall. Das Gericht ist nach den vorliegenden medizinischen Feststellungen, die von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr binnen kurzer Zeit einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Das aktuelle fachärztliche Attest von Herrn Dr. med. ... vom 10. November 2014 belegt, dass der Kläger nach wie vor an einer chronischen Virushepatitis B und an arterieller Hypertonie leidet und deshalb weiterhin medikamentöser Behandlung bedarf. Ohne die Einnahme der in dem Medikamenteneinnahmeplan aufgeführten Medikamente ist mit einer wesentlichen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes zu rechnen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen wird der Kläger bei seiner Rückkehr nach K. finanziell nicht in der Lage sein, sich die dauerhafte und spezielle Behandlung der bei ihm diagnostizierten Krankheiten im erforderlichen Umfang zu leisten. Der Klägervertreter hat plausibel dargelegt, dass die vom Kläger nach seinem Therapieplan einzunehmenden Medikamenten relativ teuer sind.
Wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom
Die Nichtbehandlung der Hepatitis B-Erkrankung würde zu einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen, so dass eine Abschiebung des Klägers nach K. für ihn gravierende nachteilige, ihm nicht zumutbare Folgen hätte.
Unter zusammenfassender Betrachtung aller relevanten Umstände und Aspekte, insbesondere in Anbetracht der Erkenntnisse zur medizinischen Versorgungslage in K. sowie des durch die ärztlichen Berichte dokumentierten, von der Beklagtenseite nicht bestrittenen Krankheitsbilds des Klägers, hält das Gericht im vorliegenden Einzelfall eine weitere Sachaufklärung nicht für erforderlich.
Das Gericht ist unter Zugrundelegung all dieser Kriterien zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Es besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach K. aufgrund der dort vorhandenen Verhältnisse erheblich verschlechtern wird.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Dier Antragsteller tragen gesamtverbindlich die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom
Dier Antragsteller haben durch ihren Bevollmächtigten am 18. April 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.30801). Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin zu 2) sei schwerwiegend an Hepatitis C erkrankt. Hierzu wurden ärztliche Stellungnahmen von Dr. med. ... vom 11. und
II.
Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom
Die Antragsteller haben im Eilverfahren keine maßgeblichen Gründe vorgetragen, die die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Bescheid in Frage stellen könnten.
Auch unter Berücksichtigung der nun vorgelegten aktuellen ärztlichen Berichte in Bezug auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2) bestehen derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei ihr die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - juris). Eine Gefahr ist „erheblich", wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U. v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. z. B. VG Arnsberg, B. v. 23.2.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 64 m. w. N.).
Mit der ab dem
Den aktuell vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Antragstellerin zu 2) im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland eine derartige erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht. So wurde darin festgestellt, dass bei der Antragstellerin zu 2) eine chronische Hepatitis C vorliegt, welche optimal mit „Harvoni (Sovosbuvir plus Ledipasvir)“ mit Kosten i. H. v. 44.000 €, alternativ mit „3-D-Schema von der Firma AbbVie“ mit Kosten i. H. v. 56.000 € behandelbar wäre. Allerdings sei auch eine frühere Therapieform „(duale Therapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin)“ möglich, wenn die neuen Substanzen nicht zur Verfügung stünden; diese Therapie werde in Deutschland wegen der neueren Behandlungsforme allerdings im Prinzip verlassen. Die Prognose mit der Harvoni-Therapie sei als hervorragend einzuschätzen. Ohne Therapie sei die langfristige Prognose der Patientin mehr als ungünstig einzuschätzen, es bestehe wegen der deutlich erhöhten Leberwerte ein hohes Risiko für die Entwicklung von Lebercirrhose und Leberkrebs.
Hieraus ergeben sich jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung bei ihr vorliegt, die im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht behandelbar wäre und sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. So steht in Albanien grundsätzlich eine in asylrechtlicher Hinsicht ausreichende Möglichkeit zur Behandlung von Erkrankungen zur Verfügung (vgl. insbesondere Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) - im Folgenden Lagebericht - S. 13 f.). Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos. Gleichwohl müssen Patienten in der Regel erhebliche Zuzahlungen leisten (sog. out-of-pocket-Zahlungen; informelle Zahlungen an das medizinische Fachpersonal). Die Versorgung mit Medikamenten stellt nach Auskunft des Auswärtigen Amtes kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten. Teure Medikamente oder solche für außergewöhnliche Krankheiten gehen zulasten des Patienten (Lagebericht, S. 13).
Zwar könnte die Antragstellerin zu 2) bei einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet wohl eine bessere gesundheitliche Versorgung, insbesondere mit den neuesten (und teuren) Medikamenten, erlangen. Wie in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch auch nunmehr ausdrücklich klargestellt ist, ist - wie bereits ausgeführt - nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewährleistet nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern „nur“, dass sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung nicht aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung oder aufgrund individuell eingeschränkten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten in dem Zielstaat alsbald und in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Ein Ausländer muss sich auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. auch OVG NW, B. v. 27.7.2006 - 18 B 586/06;
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 26. Juli 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 8704/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist zulässig.
6Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
7Der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung kommt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) keine aufschiebende Wirkung zu, weil kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG, sondern ein Fall des § 38 Abs. 2 AsylG gegeben ist.
8II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
9Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
10Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller.
11Die Klage wird hinsichtlich des von den Antragstellern im Hauptsacheverfahren primär verfolgten Rechtsschutzzieles, der Aufhebung der Abschiebungsandrohung nebst einwöchiger Ausreisefrist und der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), voraussichtlich erfolglos bleiben. Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung und die darin gesetzte Ausreisefrist von einer Woche, gegen deren Vollziehung allein sich der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zulässigerweise richten kann,
12vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 21. Januar 2016 – AN 3 S 15.31315 –, juris Rn. 16; VG Ansbach, Beschluss vom 23. Mai 2016 – AN 3 S 16.30449 –, juris Rn. 16,
13erweisen sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis als rechtmäßig.
141. Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung ist vorliegend § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und nicht § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Unerheblich ist insoweit, dass das Bundesamt die Abschiebungsandrohung auf § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG gestützt hat. Da es sich bei der Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer einwöchigen Ausreisefrist um einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt handelt,
15vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34, Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 16. August 1977 – I C 15.76 ‑, juris Rn. 28 ff.,
16geht es bei dessen Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit hin allein darum, ob die getroffene Regelung im geltenden Recht eine Grundlage findet. Bei dieser Prüfung sind die Verwaltungsgerichte angesichts des den Verwaltungsgerichtsprozess kennzeichnenden Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) weder auf den von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt noch auf die von ihr herangezogenen Rechtsgrundlagen beschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie bei einer Abschiebungsandrohung,
17vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34, Rn. 3,
18um eine gebundene Entscheidung handelt, die der Behörde kein Ermessen einräumt,
19vgl. zu diesem Aspekt OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Dezember 2013 ‑ 20 B 643/13 –, n.v., m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2015 – 17 K 529/14 –, juris Rn. 42; VG Minden, Urteil vom 21. Mai 2014 – 11 K 3593/13 –, juris Rn. 21; VG Minden, Urteil vom 21. Mai 2014 ‑ 11 K 1711/13 –, juris Rn. 20.
20Bei dem Schriftsatz der Antragsteller vom 4. Januar 2016, mit welchem sie ihren Asylantrag vom 4. Februar 2015 auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG „beschränkt“ und zum Ausdruck gebracht haben, keine Asylgründe „geltend“ zu machen, handelt es sich unter Berücksichtigung der auch im Verwaltungsrecht anzuwendenden allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
21vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 2016 – 3 B 23.15 –, juris Rn. 6,
22nach dem objektiven Erklärungsgehalt um eine Rücknahme des Asylantrages im Sinne von § 32 AsylG. Denn ein Asylantrag kann nach der gesetzlichen Konzeption des § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, nicht jedoch weitergehend „beschränkt“ werden. Da mit jedem Asylantrag gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz – GG –) sowie internationaler Schutz (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AsylG) beantragt wird, handelt es sich folglich bei der von den Antragstellern erklärten „Beschränkung“ ihres Asylantrages auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG der Sache nach um eine Rücknahme des Asylantrages im Sinne von § 32 AsylG. Haben die Antragsteller demnach mit Schriftsatz vom 4. Januar 2016 ihren Asylantrag vor der Entscheidung des Bundesamtes gemäß § 32 AsylG zurückgenommen, ist Maßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der erlassenen Abschiebungsandrohung allein § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und nicht § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
232. Unter Zugrundelegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabes ist die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist rechtmäßig. Der Erlass der Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer einwöchigen Ausreisefrist ist gemäß § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ebenfalls rechtmäßig.
24a. Das Bundesamt und nicht – wie die Antragsteller meinen – die Ausländerbehörde war für die Entscheidung über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sachlich zuständig. Dies folgt unmittelbar aus § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, wonach dem Bundesamt nach Stellung eines Asylantrages auch die Entscheidung darüber obliegt, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Demgemäß wurde die sachliche Zuständigkeit des Bundesamtes hinsichtlich der Entscheidung über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote durch den am 4. Februar 2015 von den Antragstellern gestellten Asylantrag (vgl. § 13 Abs. 1 AsylG) begründet.
25Die Zuständigkeit des Bundesamtes ist auch nicht wieder entfallen, nachdem die Antragsteller ihren Asylantrag durch Schriftsatz vom 4. Januar 2016 auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG „beschränkt“ und zum Ausdruck gebracht haben, keine Asylgründe „geltend“ zu machen. Denn unabhängig davon, dass ein Asylantrag kraft der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, nicht jedoch weitergehend beschränkt werden kann, wird durch § 13 Abs. 2 Satz 4 AsylG ausdrücklich festgelegt, dass auch im Falle der Beschränkung eines Asylantrages, die Regelung des § 24 Abs. 2 AsylG, wonach das Bundesamt über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote zu entscheiden hat, unberührt bleibt. Dessen ungeachtet handelt es sich bei der von den Antragstellern schriftsätzlich erklärten „Beschränkung“ ihres Asylantrages – wie bereits ausgeführt – in der Sache um eine Rücknahme des Asylantrages gemäß § 32 AsylG. Eine derartige Antragsrücknahme lässt aber gleichfalls nicht die Zuständigkeit des Bundesamtes für die Entscheidung über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entfallen. Denn nach § 32 AsylG trifft das Bundesamt auch im Fall der Antragsrücknahme eine Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
26b. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Albanien bestehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht.
27aa. Den Antragstellern droht wegen des von ihnen geltend gemachten Blutrachekonfliktes in Albanien weder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
28(1.) Ungeachtet der Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragsteller kann selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrages das Bestehen einer Blutfehde mit einer anderen Familie nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache,
29vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, juris Rn. 16; VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2015 – 17 L 3499/15.A –, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –, n.v.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 10.
30Eine solche Konstellation ist indes mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) im Jahr 2000 ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) zuvor kein Mitglied der Familie desjenigen umgebracht hat, der ihn getötet hat, sondern der Bruder selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behaupteten Bedrohungen der Antragsteller durch den seinerzeitigen Täter bzw. Mitglieder der Familie des seinerzeitigen Täters beruhen demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellen sich als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar,
31vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, juris Rn. 16.
32Von einer Blutfehde im Sinne des Kanuns könnte nur gesprochen werden, wenn der Antragsteller zu 1) beabsichtigte, den Tod seines Bruders zu rächen und demgemäß den Totschläger seines Bruders umzubringen. Eine derartige Absicht hegt der Antragsteller zu 1) ausweislich seines Vorbringens aber ausdrücklich nicht.
33Fehlt es damit am Bestehen einer Blutfehde im Sinne des Kanuns bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern in Albanien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht.
34(2.) Selbst wenn jedoch zugunsten der Antragsteller das Vorliegen einer Blutfehde unterstellt würde, führte dies gleichfalls nicht zur Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
35Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote scheidet schon deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die albanischen Sicherheitsbehörden trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig sind, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rates war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u.a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Damit hat der albanische Staat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
36vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 17 ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
37Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
38vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
39Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
40vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 28; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
41Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
42vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 30; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18.
43Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Antragsteller bei der Polizei von vornherein aussichtslos wäre. Etwas Abweichendes haben sie auch nicht vorgetragen. Insbesondere haben sie nicht dargelegt, dass in der Vergangenheit seitens der albanischen Polizei ein von ihnen gestelltes Schutzersuchen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Ganz im Gegenteil haben sie ausdrücklich angegeben, dass der Totschläger des Bruders des Antragstellers zu 1) von der Staatsanwaltschaft angeklagt und durch ein Gericht in Abwesenheit verurteilt wurde.
44Darüber hinaus ist anzumerken, dass es den Antragstellern im Rahmen einer zu ihren Gunsten unterstellten Blutracheproblematik möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten, um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen,
45vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 35 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 13 f.
46Dessen ungeachtet ist die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote auch deswegen ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller – bei Wahrunterstellung ihres Vortrages – auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige unmenschlichen Behandlung bzw. eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abwenden,
47vgl. zu diesem Aspekt: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63, 80; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 ‑ 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 19, 22; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 38, 43; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
48bb. Für die Antragsteller zu 2) und 4) besteht hinsichtlich Albaniens auch mit Blick auf die von ihnen geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
49(1.) Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen,
50vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –.
51Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
52vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A –.
53Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
54(2.) Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf die Antragsteller zu 2) und 4) nicht erfüllt.
55Soweit unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen vom 13. Januar 2016 (Dr. med. N. I. , Arzt für Allgemeinmedizin) und vom 3. Februar 2016 (B. Q. , Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie) geltend gemacht wird, die Antragstellerin zu 2) leide an Diabetes mellitus Typ I und der Antragsteller zu 4) leide darüber hinaus an elektivem Mutismus (emotional bedingte psychische Störung, bei der die sprachliche Kommunikation stark beeinträchtigt ist), ist nicht ersichtlich, dass den Antragstellern zu 2) und 4) infolge der vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben in Gestalt einer wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG droht.
56Dessen ungeachtet könnten zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, medizinisch notwendige Behandlungen der Antragsteller zu 2) und 4) infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch in Albanien vorgenommen werden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine erhebliche bzw. lebensbedrohliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Nach der derzeitigen Erkenntnislage können die geltend gemachten Erkrankungen in Albanien behandelt werden,
57vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A ‑, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A –.
58Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
59vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A ‑, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
60Die Antragsteller zu 2) und 4) gehören als Arbeitslose bzw. Minderjährige zu den in Albanien vollständig versicherten Personengruppen. Selbst die zur Behandlung psychischer Erkrankungen verwendeten Medikamente sind in Albanien regelmäßig erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen,
61vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. ‑, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A ‑.
62Dem Antragsteller zu 4) wäre zumindest in Teilen Albaniens im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG auch eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen,
63vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑,
64Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten,
65vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 7 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A ‑,
66und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden,
67vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 ‑ 17 L 410/16.A. ‑, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –.
68Zwar müssen in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden,
69vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
70Da den Antragstellern zu 2) und 4) die daraus resultierende Beeinträchtigung jedoch nicht individuell drohte, bliebe ihnen die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt. Denn hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
71vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
72c. Schließlich begegnet auch die Abschiebungsandrohung nebst der darin gesetzten Ausreisefrist von einer Woche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
73Zwar hat das Bundesamt, nachdem die Antragsteller ihren Asylantrag durch Schriftsatz vom 4. Januar 2016 gemäß § 32 AsylG zurückgenommen haben, durch Bescheid vom 7. Juni 2016 zu Unrecht in der Sache über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Ziffer 1), die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG (Ziffer 2) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (Ziffer 3) entschieden und hinsichtlich der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine auf § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG gestützte Offensichtlichkeitsentscheidung getroffen. Denn diesbezüglich hätte das Bundesamt nicht mehr in der Sache entscheiden dürfen, sondern gemäß § 32 AsylG deklaratorisch feststellen müssen, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Die in Ziffer 1 bis 3 des Bescheides vom 7. Juni 2016 wegen vorheriger Antragsrücknahme fehlerhaft getroffene Sachentscheidung berührt jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 5 des Bescheides vom 7. Juni 2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung. Insoweit folgt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nebst einwöchiger Ausreisefrist jedoch nicht wie im Bescheid angegeben aus § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG, sondern aus § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Wird nämlich – wie hier – festgestellt, dass keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist nicht nur in Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet (vgl. § 36 Abs. 1 AsylG), sondern auch in Fällen der Rücknahme des Asylantrages (vgl. § 38 Abs. 2 AsylG) eine Woche.
74III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
75Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
76Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I. , I1. , wird abgelehnt.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Prozesskostenhilfeantrag hat keinen Erfolg. Nach § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil das einstweilige Rechtsschutzverfahren, wie sich aus den Gründen zu II. ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und im Übrigen die erforderlichen Formularanträge und Belege nicht vorgelegt worden sind.
4II.
5Der - sinngemäße - Antrag der Antragsteller,
6die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 500/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Januar 2016 unter Ziffer 5 enthaltene Abschiebungsandrohung sowie gegen die unter Ziffern 6 und 7 verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbote anzuordnen,
7hat keinen Erfolg.
8Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung ist der Antrag zulässig - insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt -, er ist jedoch unbegründet.
9Nach § 75 AsylG hat die Anfechtungsklage gegen die vom Bundesamt ausgesprochene Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung. Zwar kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Das setzt aber nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes voraus. Solchen ernstlichen Zweifeln unterliegt die unter Ziffer 5 des mit der Klage angegriffenen Bescheides vom 25. Januar 2016 verfügte Abschiebungsandrohung nicht.
10Rechtsgrundlage für die erlassene Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind die §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. den §§ 59 und 60 Abs. 10 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Danach erlässt das Bundesamt die Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche, wenn der Asylantrag und der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Ausländers als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden und er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Bundesamt ist in der angegriffenen Entscheidung - auf die entsprechend § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird - zu Recht davon ausgegangen, dass die Asylanträge der Antragsteller offensichtlich unbegründet sind und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen. Dies erweist sich auch im gegenwärtigen, für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt - vgl. § 77 Abs. 1 AsylG - als rechtsfehlerfrei.
11Die Voraussetzungen für die Asylanerkennung gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bzw. § 3 Abs. 1 und 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft greifen offensichtlich nicht zugunsten der Antragsteller ein. Gemäß § 29a Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, d.h. u.a. einem Staat gemäß § 29a Abs. 2 i.V.m. Anlage II AsylG stammt, es sei denn, die von ihm angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
12Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragsteller stammen aus Albanien und mithin einem sicheren Herkunftsstaat nach den vorbezeichneten Bestimmungen in deren maßgeblicher Fassung zum jetzigen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
13Das Vorbringen der Antragsteller begründet nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal des Asylbewerbers gründet. Dabei kann er seine Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in allgemeinen Verhältnissen hat. Die Vermutung ist aber erst ausgeräumt, wenn der Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vorträgt. Dieser Vortrag muss vor dem Hintergrund der Feststellung des Gesetzgebers, dass in dem jeweiligen Staat im Allgemeinen keine politische Verfolgung stattfindet, der Erkenntnisse der Behörden und Gerichte zu den allgemeinen Verhältnissen des Staates und der Glaubwürdigkeit des Antragstellers glaubhaft sein. Zur Substantiierung trägt insoweit bei, wenn der Asylbewerber die Beweismittel vorlegt oder benennt, die nach den Umständen von ihm erwartet werden können.
14Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 14. Mai 1996
15- 2 BvR 1507, 1508/93 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 94, 115.
16Die Antragsteller haben mit ihrem Vorbringen diese Vermutung nicht ausräumen können. Der Antragsteller zu 1. hat sich in der Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Mai 2014 dahingehend eingelassen, im Gegensatz zu seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 2., sei er Angehöriger der Roma. Aus diesem Grund sei die Familie seiner Ehefrau mit der Hochzeit, die im Jahr 2002 stattgefunden habe, nicht einverstanden gewesen. Er sei bedroht, bespuckt und geschlagen worden. Zudem sei der Bruder seiner Ehefrau eineinhalb Monate vor der Ausreise aus dem Gefängnis entlassen worden. Dieser habe während seines Gefängnisaufenthalts seine Freunde zu ihm, dem Antragsteller zu 1., geschickt. Diese hätten dann das Haus umstellt und gesagt, er, der Antragsteller zu 1., solle seine Ehefrau verlassen, ansonsten würden die gemeinsamen Kinder vor dessen Augen verbrannt. Die Antragstellerin zu 2. hat in der Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Mai 2014 mitgeteilt, ihre Eltern seien wegen der unterschiedlichen Volkszugehörigkeiten nicht mit der Hochzeit einverstanden gewesen. Zudem habe ihr Bruder sie durch seine Freunde bedrohen lassen. Er habe angekündigt, ihre, der Antragstellerin zu 2., Kinder umzubringen.
17Aus diesem Vorbringen folgt offensichtlich keine politische Verfolgung. Denn das Vorbringen ist augenscheinlich unglaubhaft. Die Schilderungen erschöpfen sich in Gänze in den bezeichneten Behauptungen und sind damit vage, oberflächlich sowie unsubstantiiert geblieben. Die Angaben der Antragsteller zu 1. und 2. zur vermeintlichen Bedrohungslage sind derart detailarm, dass sie nicht geeignet sind, ein auch nur ansatzweise nachvollziehbares Bild eines realen Geschehensablaufs zu vermitteln. Insbesondere hinsichtlich der für die Ausreise aus Albanien (vermeintlich) ursächlich gewesenen, vom Bruder der Antragstellerin zu 2. ausgehenden Gefahr haben die Antragsteller zu 1. und 2. weitgehend auf die Schilderung situationstypischer Details verzichtet und die angeblichen Vorfälle stattdessen auf einzelne Kernfakten reduziert, so dass allenfalls ein Handlungsgerüst, aber kein kohärenter Geschehensablauf erkennbar ist.
18Unbeschadet des Umstandes, dass das Vorbringen der Antragsteller offensichtlich unglaubhaft ist, hätten sie selbst dann, wenn unterstellt würde, ihre Schilderungen seien glaubhaft, offensichtlich weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch einen solchen auf Anerkennung als Asylberechtigte.
19Von einer asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich bedeutsamen „Verfolgung“ kann nur ausgegangen werden, wenn die Furcht des Asylsuchenden begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU (zuvor: Richtlinie 2004/83/EG) geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist
20vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - (juris)
21und ihm gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen, so dass der davon Betroffene gezwungen ist, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es hingegen regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsstaat zu erleiden hat, etwa in Folge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen.
22Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 13. November 2013 - 8 A 2228/07.A - und vom 2. Juli 2013 - 8 A 2632/06.A - (jeweils juris und www.nrwe.de).
23Danach muss auch eine kriminelle Verfolgung an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 - 1 A 1139/13.A - und Beschluss vom 28. März 2014 - 13 A 1305/13.A - (jeweils juris und www.nrwe.de).
25An einer solchen Anknüpfung fehlt es hier offensichtlich, denn nach dem Vorbringen der Antragsteller drohte ihnen allenfalls, Opfer kriminellen Unrechts zu werden.
26Ungeachtet dessen könnte den Antragstellern selbst dann, wenn ihre Schilderungen eine politische Verfolgung umschreiben würden, die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Für den Fall einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ist diese allein dann relevant, wenn u.a. der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG). Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Natur sein (§ 3d Abs. 2 Satz 1 AsylG). Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn u.a. der Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG).
27Es ist nicht ersichtlich, dass in Albanien kein staatlicher Schutz vor Verfolgung geboten wird. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen,
28vgl. dazu: Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015) vom 10. Juni 2015,
29die in der - das Herkunftsland Albanien betreffenden - verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
30vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 11 A 334/14.A - (www.nrwe.de und juris); Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Beschluss vom 28. Oktober 2015 - 17 L 2938/15.A - (www.nrwe.de und juris)
31Zustimmung gefunden haben, ist zwar in Albanien das Tätigwerden staatlicher Organe - auch der Polizei und Justiz - nicht in der Form effektiv, wie es etwa in den Ländern der Europäischen Union zu erwarten wäre. Indessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass gegen kriminelles Unrecht kein staatlicher Schutz zu erlangen wäre. Im Übrigen haben die Antragsteller nicht einmal erwähnt, um polizeilichen Schutz nachgesucht zu haben.
32Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern subsidiärer Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren ist, liegen nicht vor.
33Ferner ist nicht ersichtlich, dass der Abschiebung der Antragsteller nach Albanien Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen.
34Auch der von der Antragstellerin zu 2. geltend gemachte Umstand, sie leide an verschiedenen Erkrankungen, führt zu keiner anderen Bewertung.
35Für den Fall einer Erkrankung sind die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dann erfüllt, wenn sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind. Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss dabei zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen; das wäre dann der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
36vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab: BVerwG, Beschluss vom 22. März 2012
37- 1 C 3.11 - (juris) und Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.15 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2007, 254 sowie OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 - 13 A 1201/12.A - (www.nrwe.de und juris).
38Ob eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt, bedarf der - Mindestanforderungen erfüllenden - Darlegung durch den jeweiligen Antragsteller.
39Besondere Voraussetzungen gelten für die Darlegung psychischer Erkrankungen. So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass zur Substantiierung eines Vorbringens einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung - sowie auch eines entsprechenden Beweisantrages - angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes und seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests gehört. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
40Vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2012 - 10 B 21.12 - (juris) und Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2008, 330.
41Diesen Mindestanforderungen, die auch für die Darlegung und Glaubhaftmachung anderer psychischer Erkrankungen mit Behandlungsbedarf gelten,
42vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, DVBl. 2015, 118 sowie VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 5. Juni 2015 - 13 L 1253/15.A - und vom 7. April 2015 - 13 L 742/15.A - (jeweils www.nrwe.de und juris),
43genügen die von der Antragstellerin zu 2. eingereichten ärztlichen Stellungnahmen nicht.
44Ausweislich des fachärztlichen Attests des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Herrn Dr. med. N. , vom 25. November 2015 leidet die Antragstellerin zu 2. an einer rezidivierenden Episode einer reaktiven Depression (F33.8G), einem depressiven Adaptationssyndrom (F43.2G) und einer nichtorganischen Hyposomnie (F51.0G). In dem fachärztlichen Attest wird u.a. Folgendes festgestellt:
45„Anamnese (nur auszugsweise):
46Psych. Belastungen, Symptomatik / Problematik bzw. psych. Befinden: Psych. Belastung, denn: Sie hat erhebliche familiäre Probleme. Sie hat Probleme mit ihrem Bruder, ihrem Vater und ihrer Mutter. Ihr Ehemann gehört zu den Roma, ihr Bruder und ihre Familie haben ihn deshalb nie richtig akzeptiert. Ihr Bruder drohte ihr deshalb früher, sie zu schlagen. Sie muss sich um die Versorgung ihrer 3 schulpflichtigen Kinder kümmern. Sie ist seit Frühjahr 2013 in Deutschland. Oft Schlafstörungen. Rez. starke Deprimiertheit. BA: Sie ist ALO. Zum Teil auch rezidivierende Ängste. Gedrückte Stimmung, innere Unruhe. Mangelnde Fähigkeit zur pos. emotionalen Reaktion, Stimmungstiefs. Bisherige psych. Medikation: DIAZEPAM ca. 9mg/Tag.
47Therapie: Supportive / beratende Krisenintervention und Thematisierung konstruktiver Kognitionen. Psych. Medikation: Wie besprochen. CITALOPRAM 30 MG FTA (1/2 bis 1,-,-,-).
48Aufgrund einer ausgeprägten depressiven Symptomatik ist die o.g. Patientin aktuell und im absehbaren Zeitraum nicht reisefähig und es ist eine gezielte fachärztliche psychopharmakologische medikamentöse Therapie erforderlich und indiziert.“
49Erhebliche Zweifel an dem Aussagegehalt des fachärztlichen Attests bestehen schon deshalb, da in diesem Kernfakten - wie zum Beispiel Ein- und Ausreisedaten – unzutreffend angegeben sind. Die Antragstellerin zu 2. befindet sich nicht seit dem Frühjahr 2013 in Deutschland. Sie ist vielmehr erst am 24. April 2014 aus Albanien ausgereist. Im Übrigen ist es wenig plausibel, dass eine beratende bzw. supportive Krisenintervention stattfinden soll. Es ist nicht ersichtlich, wie diese Art der Behandlung, die im Wesentlichen in Form einer Gesprächstherapie durchgeführt wird,
50vgl. im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Krisenintervention,
51bei der vorhandenen Sprachbarriere erfolgen kann, da die Antragstellerin nach eigenen Angaben lediglich über albanische Sprachkenntnisse verfügt. Darüber hinaus wird das fachärztliche Attest den von der Rechtsprechung aufgestellten Mindestanforderungen nicht ansatzweise gerecht. Es fehlt an nachvollziehbaren Angaben dazu, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt worden ist. Im Übrigen wird nicht erläutert, ob die von der Antragstellerin zu 2. geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde auch bestätigt werden. Ferner wird nicht dargelegt, seit wann und wie häufig sich die Antragstellerin zu 2. in ärztlicher Behandlung befunden hat.
52Soweit in dem fachärztlichen Attest schließlich ausgeführt wird, die Antragstellerin sei nicht reisefähig, ist dies rechtlich ohne Belang, da es sich insofern (allein) um ein inländisches Vollstreckungshindernis handelt, das von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen ist.
53Vgl. dazu: OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2006 - 18 B 586/06 - (www.nrwe.de und juris).
54Die weitere fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Herrn Dr. med. N. , vom 1. Februar 2016, ausweislich der die Antragstellerin zu 2. (weiterhin) an einer rezidivierenden Episode einer reaktiven Depression (F33.8G), einem depressiven Adaptationssyndrom (F43.2G) und einer nichtorganischen Hyposomnie (F51.0G) leidet, erfüllt die vorgenannten Anforderungen ebenfalls nicht. In der aktuellen fachärztlichen Bescheinigung wird u.a. ausgeführt:
55„Anamnese (nur auszugsweise):
56Psych. Belastungen, Symptomatik / Problematik bzw. psych. Befinden: Psych. Belastung, denn: Sie hat erhebliche familiäre Probleme. Sie hat Probleme mit ihrem Bruder, ihrem Vater und ihrer Mutter. Ihr Ehemann gehört zu den Roma, ihr Bruder und ihre Familie haben ihn deshalb nie richtig akzeptiert. Ihr Bruder drohte ihr deshalb früher, sie zu schlagen. Sie muss sich um die Versorgung ihrer 3 schulpflichtigen Kinder kümmern. In dem Heim, in dem sie wohnt, sind oft starke Lärmbelästigungen. Sie ist seit Frühjahr 2013 in Deutschland. Oft Schlafstörungen. Rez. starke Deprimiertheit. BA: Sie ist ALO. Zum Teil auch rezidivierende Ängste. Gedrückte Stimmung, innere Unruhe. Mangelnde Fähigkeit zur pos. emotionalen Reaktion, Stimmungstiefs. Bisherige psych. Medikation: DIAZEPAM ca. 9mg/Tag.
57Therapie: Supportive / beratende Krisenintervention und Thematisierung konstruktiver Kognitionen. Psych. Medikation: Wie besprochen. Trimipramin 25 mg (-,-,-, 1 bis 3).
58Aufgrund einer ausgeprägten depressiven Symptomatik ist die o.g. Patientin aktuell und im absehbaren Zeitraum nicht reisefähig und es ist eine gezielte fachärztliche psychopharmakologische medikamentöse Therapie erforderlich und indiziert.“
59Die fehlende Aussagekraft des fachärztlichen Attests ergibt sich bereits daraus, dass dieses bis auf zwei - durch Unterstreichungen hervorgehobene - Ausnahmen mit der ersten fachärztlichen Bescheinigung wortlautidentisch ist. Mithin leidet auch die aktuelle fachärztliche Stellungnahme an den vorgenannten inhaltlichen Mängeln.
60Darüber hinaus deckt der Vergleich der beiden fachärztlichen Stellungnahmen weitere Plausibilitätsdefizite auf. Ausweislich der Stellungnahme vom 25. November 2015 bestand die „bisherige psych. Medikation“ in der Gabe von Diazepam. Diese Medikation wurde dann (wohl) auf Citalopram umgestellt. Dennoch führte auch die Stellungnahme vom 1. Februar 2016 aus, die „bisherige psych. Medikation“ bestehe in der Verabreichung von Diazepam.
61Selbst wenn die Antragstellerin zu 2. an einer rezidivierenden Episode einer reaktiven Depression (F33.8G), einem depressiven Adaptationssyndrom (F43.2G) und einer nichtorganischen Hyposomnie (F51.0G) leiden sollte, rechtfertigte dies nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die dann notwendige medizinische Versorgung der Antragstellerin zu 2. in Albanien wäre für diese erlangbar.
62Die medizinische Versorgung in Albanien ist grundsätzlich gesichert. Auch wenn die Ausstattung und Hygiene medizinischer Einrichtungen zu wünschen übrig lässt, sind Ärzte gut ausgebildet. Komplizierte Behandlungen können in Tirana und den größeren Städten durchgeführt werden. Die Medikamentenversorgung stellt kein Problem dar.
63Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015) vom 10. Juni 2015.
64Insbesondere Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten sind in ganz Albanien verfügbar.
65Vgl. Amtliche Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tirana an das Bundesamt vom 29. März 2013.
66Auch die Finanzierung der Medikamente ist gesichert. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt die anfallenden Kosten.
67Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015) vom 10. Juni 2015.
68Die Behandelbarkeit der Erkrankungen im Heimatland wird auch nicht durch das Vorbringen der Antragstellerin zu 2. im gerichtlichen Verfahren in Frage gestellt. Danach soll eine ärztliche Behandlung in Albanien nicht möglich sein, da die familiären Auseinandersetzungen unmittelbar nach der Einreise wieder beginnen würden und die Antragstellerin zu 2. dann erneut in die Situation geriete, die Auslöser für die aktuellen Erkrankungen gewesen sei. Im Übrigen seien die jetzigen Symptome bereits in Albanien aufgetreten, hätten dort jedoch nicht behandelt werden können. Dieser Vortrag übersieht zunächst, dass die Antragstellerin zu 2. während der Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Mai 2014 weder erwähnt hat, dass sie an einer psychischen Erkrankung leidet, noch, dass sie vergebens versucht hätte, eine adäquate Behandlung in Albanien zu erhalten. Vielmehr hat sich die Antragstellerin zu 2. dahingehend eingelassen, ihr gehe es gesundheitlich gut. Damit einhergehend hat die Antragstellerin zu 2. auch nicht unmittelbar nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen Facharzt aufgesucht, sondern erst - im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat - ca. 21 Monate später. Letztlich folgt auch aus den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen nicht ansatzweise, dass eine Behandlung der Antragstellerin zu 2. in Albanien ausscheidet.
69Falls das Vorbringen der Antragstellerin zu 2. dahingehend verstanden werden soll, die ärztliche Versorgung im Bundesgebiet sei qualitativ hochwertiger als diejenige in Albanien, ist darauf hinzuweisen, dass der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu dient, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht.
70Vgl. dazu: OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Juli 2006 - 18 B 586/06 - und vom 14. Juni 2005 - 11 A 4518/02.A - (jeweils www.nrwe.de und juris).
71Soweit die Antragstellerin zu 2. schließlich ausweislich der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin, Herrn Dr. med. T. , vom 25. August 2015 an Fibromyalgie, Migräne und Schlaflosigkeit leidet, ist dies rechtlich ohne Relevanz, da die Bescheinigung knapp sechs Monate alt und mithin nicht mehr aktuell ist. Damit einhergehend hat sich die Antragstellerin zu 2. im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr auf diese physischen Leiden berufen, sondern ihren Vortrag auf das Vorliegen psychischer Erkrankungen beschränkt.
72Soweit sich der Eilantrag gegen die Einreise- und Aufenthaltsverbote aus Ziffern 6 und 7 des angegriffenen Bescheides richtet, ist er - ungeachtet der Fragen, ob ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist und ob jeweils das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (§ 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) - jedenfalls unbegründet.
73Dies gilt zunächst für die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG. Das Bundesamt hat ausweislich der Begründung des Bescheides richtig erkannt, dass ihm mit Blick auf die Frage, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet wird, Ermessen eröffnet ist. In die Ermessenserwägungen hat das Bundesamt zutreffend eingestellt, ob zu Gunsten der Antragsteller schutzwürdige Belange zu berücksichtigen sind. Da solche Umstände weder von den Antragstellern vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, durfte das Bundesamt das Einreise- und Aufenthaltsverbot in rechtmäßiger Weise anordnen.
74Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate weist ebenfalls keine Ermessensfehler auf. Die Bemessung der Frist auf 10 Monate steht im Einklang mit § 11 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Im Übrigen hat das Bundesamt alle insofern in die Ermessensentscheidung einzustellenden Umstände berücksichtigt. Auch die Antragsteller haben nicht konkret vorgetragen, welche Umstände das Bundesamt unberücksichtigt gelassen hat.
75Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots aus § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf 30 Monate ist ebenfalls rechtmäßig, da sie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entspricht. Die Antragsteller haben keine Umstände benannt, nach denen eine kürzere Befristung in Betracht käme.
76Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO.
77Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.
78Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Das Verfahren wird hinsichtlich des Klägers zu1) in vollem Umfang und hinsichtlich der Klägerin zu 2) insoweit eingestellt, als die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, zur Anerkennung als Asylberechtigte, zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes sowie zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufentG beantragt worden war.
II.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
III.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger fünf Sechstel und die Beklagte ein Sechstel.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die 1989 und 1995 geborenen und verheirateten Kläger sind Staatsangehörige von Albanien. Sie reisten nach eigenen Angaben am
Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab; zugleich wurden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint und die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen aufgefordert. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 11 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Gegen den am
Mit Schriftsatz vom
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2015
Mit Schriftsatz vom
Zur mündlichen Verhandlung vom
Am
Mit Beschluss vom 26. Februar 2016
Vom 15. bis 17. April 2016 befand sich die inzwischen in der sechsten Woche schwangere Klägerin zu 2) erneut in stationär-psychiatrischer Behandlung. In dem fachärztlichen Bericht wird als Diagnose wiederum Paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0) und eine Schizoaffektive Störung angegeben.
Mit Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Bundesamtsakte verwiesen.
Gründe
Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Beklagte generell und die Klägerseite mit Schriftsatz vom
Soweit die Klage mit Schriftsatz vom
Im Übrigen, also soweit noch die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beantragt wurde, ist die Klage zulässig und begründet.
Die Klägerin zu 2) hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung, dass bei ihr die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens vorliegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 - Az. 9 C 58.96 - juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 - 13a B 10.30172 - juris). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, etwa weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.). Bei einen krankheitsbedingtem Abschiebungshindernis sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) die mit Wirkung vom 17. März 2016 in § 60 Abs. 7 AufenthG eingefügten Sätze 2 bis 4 zu beachten. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, wobei es nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, und eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vorliegt, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Im Fall der Klägerin sind die Voraussetzungen für ein solches krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben. Sie leidet zur Überzeugung des Gerichts, die vor allem auf den von den Fachärzten für Psychiatrie des …-Klinikums … beruht, in dem die Klägerin zweimal stationär behandelt wurde, an einer schweren Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, die dringend behandlungsbedürftig ist. Der Eindruck, den das Verhalten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 gemacht hat, entspricht voll der einhelligen Diagnose der Fachärzte. Zwar können psychische Erkrankungen im Prinzip auch in Albanien behandelt werden, aber sowohl die Behandlungsmöglichkeiten als auch der Zugang zu den relativ wenigen Einrichtungen ist stark eingeschränkt und, zumal für mittellose Personen, kaum erreichbar (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, 3.2.2013, S. 5 f.). Allgemein ist den Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass Patienten in der Praxis erhebliche Zuzahlungen leisten müssen, da Ärzte und Pflegepersonal nur geringe Gehälter erhalten; das Gesundheitswesen ist hochgradig korruptionsbelastet, Bestechungsgelder werden verlangt und gezahlt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Albanien, Aktuelle Lage, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtslage, Oktober 2015, S. 13; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Albanien, Std. Mai 2015, S. 13). Es ist mithin davon auszugehen, dass auch die Klägerin, wenn sie in Albanien überhaupt einen Behandlungsplatz finden könnte, Zuzahlungen leisten müsste. Im Einzelfall der Klägerin hat das Gericht keine Zweifel, dass sie die erforderliche Behandlung ihrer schweren psychischen Erkrankung in Albanien nicht erlangen kann, zumal bei ihr eine in Albanien grundsätzlich mögliche medikamentöse Behandlung nicht ausreichen würde, um eine erhebliche Verschlechterung oder einen Suizid abzuwenden. Sie ist arbeitsunfähig und kann auch von ihrem zwar gesunden und arbeitsfähigen, aber arbeitslosen und von Gläubigern seines Vaters bedrängten Ehemann keine Finanzierung der dringend erforderlichen Therapie erwarten. Von ihrer eigenen Familie kann sie erst recht keine Unterstützung erhoffen, vielmehr ist deren Verhalten nach den glaubhaften Angaben der Klägerseite zumindest mitursächlich für die schlechte Verfassung der Klägerin.
Nach alldem war die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens vorliegen und der Bescheid vom 12. August 2015 in den Nrn. 4 und 5 aufzuheben ist, soweit er dem entgegensteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für ... (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragstellerin ist albanische Staatsangehörige. Sie reiste zusammen mit ihren Eltern nach eigenen Angaben erstmals am
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am
Mit Bescheid vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Sie habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Belästigungen oder Drohungen durch eine dritte Person seien kein Verfolgungsschicksal, das diese Regelvermutung widerlegen würde. Es sei ein Vorfall gewesen, der sich im privaten Bereich zugetragen habe. Auch wäre der Antragstellerin zuzumuten gewesen, deswegen Hilfe der Sicherheitsbehörden in Anspruch zu nehmen. Es sei jedoch erst gar nicht der Versuch gemacht worden, die Polizei einzuschalten. Notfalls hätte man sich auch in einen anderen Landesteil begeben können. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe der Antragstellerin auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter, am 14. Juni 2016 zur Niederschrift Klage mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom
Zudem beantragte sie,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung nahm die Antragstellerin auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug. Sie werde in ihrer Heimat von einem Jungen „gestalkt“. Sie hätten keine ruhige Minute und so viel Angst. Die Antragstellerin leide an Depressionen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.31392 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - InfAuslR 1993, 196).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach - dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden - § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG - ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat - als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Die Antragstellerin stammt aus einem sicheren Herkunftsstaat. Albanien ist als solcher im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zum AsylG gelistet. Gegen die Einstufung der Republik Albanien als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B.v. 22.12.2015 33 L 357.15 A - juris).
Der Asylantrag ist somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Vortrag der Antragsteller nicht die Anforderungen zur Erschütterung der Regelvermutung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG erfüllt. Die Antragstellerin hat sich darauf berufen, dass sie von einem Jungen belästigt und bedroht worden sei. Probleme mit dem Staat, der Polizei oder anderen Behörden haben sie und ihre Eltern nicht angegeben.
Aus diesem Vorbringen ergeben sich schon im Ansatz ganz offensichtlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei der Antragstellerin eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG vorliegen könnte.
Zudem erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) - im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamts, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 - 11 A 334/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG München, B.v. 10.09.2015 - M 2 S 15.31175; VG München, B.v. 4.2.2016 - M 11 S 15.31693; VG München, B.v. 14.01.2016 - M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B.v. 1.2.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 18ff;
Ferner ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden - Bedrohung durch einen nichtstaatlichen Dritten - ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Die Antragstellerin könnte jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte sie mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen könnten, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U.v. 12.03.2015 - 6 K 8197/14.A - juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B.v. 23.11.2015 - 17 L 3729/15.A - juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B.v. 14.10.2015 - 17 L 3111/15. A - juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U.v. 10.4.2015 - 5 A 1688/14 - juris; VG München, B.v. 3.2.2016 - M 5 S 15.31520 - UA S. 7; Gerichtsbescheid
Dementsprechend scheidet auch die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 bereits aus diesen Gründen aus (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. §§ 3d und 3e AsylG).
Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) liegen ebenfalls nicht vor.
Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht.
Für die Annahme einer derartigen drohenden konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehen im Fall der Antragstellerin keine hinreichenden Anhaltspunkte, zumal ihr auch - wie dargestellt - eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 18.2.2015 - RO 6 K 14.30903 - juris Rn. 26).
Dis gilt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Depression. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann auch einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8). Dies kann auch der Fall sein, wenn der betroffene Ausländer eine grundsätzlich mögliche medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u.a - juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 64 m. w. N.). Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Da keinerlei ärztliche Belege vorgelegt wurden, ergeben sich bei der Antragstellerin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im dargestellten Sinne vorliegen könnte. Zudem ist davon auszugehen, dass die Behandlung und auch der Zugang zu ihr für die geltend gemachte psychische Erkrankung in Albanien ebenfalls zureichend sichergestellt wäre (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 1.02.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 26ff.;
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin im Falle einer Rückkehr nach Albanien in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnten, dass ausnahmsweise in ihrem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 - 26 sowie Rn. 38).
Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 26. Juli 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 8704/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist zulässig.
6Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
7Der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung kommt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) keine aufschiebende Wirkung zu, weil kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG, sondern ein Fall des § 38 Abs. 2 AsylG gegeben ist.
8II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
9Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
10Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller.
11Die Klage wird hinsichtlich des von den Antragstellern im Hauptsacheverfahren primär verfolgten Rechtsschutzzieles, der Aufhebung der Abschiebungsandrohung nebst einwöchiger Ausreisefrist und der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), voraussichtlich erfolglos bleiben. Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung und die darin gesetzte Ausreisefrist von einer Woche, gegen deren Vollziehung allein sich der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zulässigerweise richten kann,
12vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 21. Januar 2016 – AN 3 S 15.31315 –, juris Rn. 16; VG Ansbach, Beschluss vom 23. Mai 2016 – AN 3 S 16.30449 –, juris Rn. 16,
13erweisen sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis als rechtmäßig.
141. Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung ist vorliegend § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und nicht § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Unerheblich ist insoweit, dass das Bundesamt die Abschiebungsandrohung auf § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG gestützt hat. Da es sich bei der Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer einwöchigen Ausreisefrist um einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt handelt,
15vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34, Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 16. August 1977 – I C 15.76 ‑, juris Rn. 28 ff.,
16geht es bei dessen Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit hin allein darum, ob die getroffene Regelung im geltenden Recht eine Grundlage findet. Bei dieser Prüfung sind die Verwaltungsgerichte angesichts des den Verwaltungsgerichtsprozess kennzeichnenden Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) weder auf den von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt noch auf die von ihr herangezogenen Rechtsgrundlagen beschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie bei einer Abschiebungsandrohung,
17vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34, Rn. 3,
18um eine gebundene Entscheidung handelt, die der Behörde kein Ermessen einräumt,
19vgl. zu diesem Aspekt OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Dezember 2013 ‑ 20 B 643/13 –, n.v., m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2015 – 17 K 529/14 –, juris Rn. 42; VG Minden, Urteil vom 21. Mai 2014 – 11 K 3593/13 –, juris Rn. 21; VG Minden, Urteil vom 21. Mai 2014 ‑ 11 K 1711/13 –, juris Rn. 20.
20Bei dem Schriftsatz der Antragsteller vom 4. Januar 2016, mit welchem sie ihren Asylantrag vom 4. Februar 2015 auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG „beschränkt“ und zum Ausdruck gebracht haben, keine Asylgründe „geltend“ zu machen, handelt es sich unter Berücksichtigung der auch im Verwaltungsrecht anzuwendenden allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
21vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 2016 – 3 B 23.15 –, juris Rn. 6,
22nach dem objektiven Erklärungsgehalt um eine Rücknahme des Asylantrages im Sinne von § 32 AsylG. Denn ein Asylantrag kann nach der gesetzlichen Konzeption des § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, nicht jedoch weitergehend „beschränkt“ werden. Da mit jedem Asylantrag gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz – GG –) sowie internationaler Schutz (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AsylG) beantragt wird, handelt es sich folglich bei der von den Antragstellern erklärten „Beschränkung“ ihres Asylantrages auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG der Sache nach um eine Rücknahme des Asylantrages im Sinne von § 32 AsylG. Haben die Antragsteller demnach mit Schriftsatz vom 4. Januar 2016 ihren Asylantrag vor der Entscheidung des Bundesamtes gemäß § 32 AsylG zurückgenommen, ist Maßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der erlassenen Abschiebungsandrohung allein § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und nicht § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
232. Unter Zugrundelegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabes ist die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist rechtmäßig. Der Erlass der Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer einwöchigen Ausreisefrist ist gemäß § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ebenfalls rechtmäßig.
24a. Das Bundesamt und nicht – wie die Antragsteller meinen – die Ausländerbehörde war für die Entscheidung über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sachlich zuständig. Dies folgt unmittelbar aus § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, wonach dem Bundesamt nach Stellung eines Asylantrages auch die Entscheidung darüber obliegt, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Demgemäß wurde die sachliche Zuständigkeit des Bundesamtes hinsichtlich der Entscheidung über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote durch den am 4. Februar 2015 von den Antragstellern gestellten Asylantrag (vgl. § 13 Abs. 1 AsylG) begründet.
25Die Zuständigkeit des Bundesamtes ist auch nicht wieder entfallen, nachdem die Antragsteller ihren Asylantrag durch Schriftsatz vom 4. Januar 2016 auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG „beschränkt“ und zum Ausdruck gebracht haben, keine Asylgründe „geltend“ zu machen. Denn unabhängig davon, dass ein Asylantrag kraft der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, nicht jedoch weitergehend beschränkt werden kann, wird durch § 13 Abs. 2 Satz 4 AsylG ausdrücklich festgelegt, dass auch im Falle der Beschränkung eines Asylantrages, die Regelung des § 24 Abs. 2 AsylG, wonach das Bundesamt über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote zu entscheiden hat, unberührt bleibt. Dessen ungeachtet handelt es sich bei der von den Antragstellern schriftsätzlich erklärten „Beschränkung“ ihres Asylantrages – wie bereits ausgeführt – in der Sache um eine Rücknahme des Asylantrages gemäß § 32 AsylG. Eine derartige Antragsrücknahme lässt aber gleichfalls nicht die Zuständigkeit des Bundesamtes für die Entscheidung über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entfallen. Denn nach § 32 AsylG trifft das Bundesamt auch im Fall der Antragsrücknahme eine Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
26b. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Albanien bestehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht.
27aa. Den Antragstellern droht wegen des von ihnen geltend gemachten Blutrachekonfliktes in Albanien weder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
28(1.) Ungeachtet der Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragsteller kann selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrages das Bestehen einer Blutfehde mit einer anderen Familie nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache,
29vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, juris Rn. 16; VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2015 – 17 L 3499/15.A –, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –, n.v.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 10.
30Eine solche Konstellation ist indes mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) im Jahr 2000 ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) zuvor kein Mitglied der Familie desjenigen umgebracht hat, der ihn getötet hat, sondern der Bruder selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behaupteten Bedrohungen der Antragsteller durch den seinerzeitigen Täter bzw. Mitglieder der Familie des seinerzeitigen Täters beruhen demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellen sich als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar,
31vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, juris Rn. 16.
32Von einer Blutfehde im Sinne des Kanuns könnte nur gesprochen werden, wenn der Antragsteller zu 1) beabsichtigte, den Tod seines Bruders zu rächen und demgemäß den Totschläger seines Bruders umzubringen. Eine derartige Absicht hegt der Antragsteller zu 1) ausweislich seines Vorbringens aber ausdrücklich nicht.
33Fehlt es damit am Bestehen einer Blutfehde im Sinne des Kanuns bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern in Albanien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht.
34(2.) Selbst wenn jedoch zugunsten der Antragsteller das Vorliegen einer Blutfehde unterstellt würde, führte dies gleichfalls nicht zur Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
35Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote scheidet schon deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die albanischen Sicherheitsbehörden trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig sind, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rates war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u.a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Damit hat der albanische Staat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
36vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 17 ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
37Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
38vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
39Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
40vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 28; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
41Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
42vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 30; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18.
43Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Antragsteller bei der Polizei von vornherein aussichtslos wäre. Etwas Abweichendes haben sie auch nicht vorgetragen. Insbesondere haben sie nicht dargelegt, dass in der Vergangenheit seitens der albanischen Polizei ein von ihnen gestelltes Schutzersuchen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Ganz im Gegenteil haben sie ausdrücklich angegeben, dass der Totschläger des Bruders des Antragstellers zu 1) von der Staatsanwaltschaft angeklagt und durch ein Gericht in Abwesenheit verurteilt wurde.
44Darüber hinaus ist anzumerken, dass es den Antragstellern im Rahmen einer zu ihren Gunsten unterstellten Blutracheproblematik möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten, um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen,
45vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 35 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 13 f.
46Dessen ungeachtet ist die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote auch deswegen ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller – bei Wahrunterstellung ihres Vortrages – auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige unmenschlichen Behandlung bzw. eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abwenden,
47vgl. zu diesem Aspekt: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63, 80; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 ‑ 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 19, 22; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 38, 43; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
48bb. Für die Antragsteller zu 2) und 4) besteht hinsichtlich Albaniens auch mit Blick auf die von ihnen geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
49(1.) Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen,
50vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –.
51Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
52vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A –.
53Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
54(2.) Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf die Antragsteller zu 2) und 4) nicht erfüllt.
55Soweit unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen vom 13. Januar 2016 (Dr. med. N. I. , Arzt für Allgemeinmedizin) und vom 3. Februar 2016 (B. Q. , Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie) geltend gemacht wird, die Antragstellerin zu 2) leide an Diabetes mellitus Typ I und der Antragsteller zu 4) leide darüber hinaus an elektivem Mutismus (emotional bedingte psychische Störung, bei der die sprachliche Kommunikation stark beeinträchtigt ist), ist nicht ersichtlich, dass den Antragstellern zu 2) und 4) infolge der vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben in Gestalt einer wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG droht.
56Dessen ungeachtet könnten zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, medizinisch notwendige Behandlungen der Antragsteller zu 2) und 4) infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch in Albanien vorgenommen werden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine erhebliche bzw. lebensbedrohliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Nach der derzeitigen Erkenntnislage können die geltend gemachten Erkrankungen in Albanien behandelt werden,
57vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A ‑, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A –.
58Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
59vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A ‑, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
60Die Antragsteller zu 2) und 4) gehören als Arbeitslose bzw. Minderjährige zu den in Albanien vollständig versicherten Personengruppen. Selbst die zur Behandlung psychischer Erkrankungen verwendeten Medikamente sind in Albanien regelmäßig erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen,
61vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. ‑, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A ‑.
62Dem Antragsteller zu 4) wäre zumindest in Teilen Albaniens im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG auch eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen,
63vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑,
64Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten,
65vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 7 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A ‑,
66und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden,
67vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 ‑ 17 L 410/16.A. ‑, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –.
68Zwar müssen in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden,
69vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
70Da den Antragstellern zu 2) und 4) die daraus resultierende Beeinträchtigung jedoch nicht individuell drohte, bliebe ihnen die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt. Denn hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
71vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
72c. Schließlich begegnet auch die Abschiebungsandrohung nebst der darin gesetzten Ausreisefrist von einer Woche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
73Zwar hat das Bundesamt, nachdem die Antragsteller ihren Asylantrag durch Schriftsatz vom 4. Januar 2016 gemäß § 32 AsylG zurückgenommen haben, durch Bescheid vom 7. Juni 2016 zu Unrecht in der Sache über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Ziffer 1), die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG (Ziffer 2) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (Ziffer 3) entschieden und hinsichtlich der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine auf § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG gestützte Offensichtlichkeitsentscheidung getroffen. Denn diesbezüglich hätte das Bundesamt nicht mehr in der Sache entscheiden dürfen, sondern gemäß § 32 AsylG deklaratorisch feststellen müssen, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Die in Ziffer 1 bis 3 des Bescheides vom 7. Juni 2016 wegen vorheriger Antragsrücknahme fehlerhaft getroffene Sachentscheidung berührt jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 5 des Bescheides vom 7. Juni 2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung. Insoweit folgt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nebst einwöchiger Ausreisefrist jedoch nicht wie im Bescheid angegeben aus § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG, sondern aus § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Wird nämlich – wie hier – festgestellt, dass keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist nicht nur in Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet (vgl. § 36 Abs. 1 AsylG), sondern auch in Fällen der Rücknahme des Asylantrages (vgl. § 38 Abs. 2 AsylG) eine Woche.
74III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
75Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
76Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 25. Mai 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6781/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. Mai 2016 unter Ziffer 5. enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist unbegründet.
6Gem. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) darf die Aussetzung der Abschiebung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angegriffene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält,
7vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99.
8Daran fehlt es hier. An dem Bescheid des Bundesamtes vom 9. Mai 2016 bestehen keine solchen Zweifel. Die Antragsteller haben in dem für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG, auf Asylanerkennung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), Zuerkennung subsidiären Schutzes i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG oder Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch die Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet gem. § 29a Abs. 1 AsylG und die Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung gem. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG sind gerechtfertigt. Die Antragsteller stammen aus Albanien, einem sicheren Herkunftsstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG. Tatsachen oder Beweismittel dafür, dass den Antragstellern abweichend von der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat politische Verfolgung droht, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen oder beigebracht. Zur weiteren Begründung wird auf die tragenden Feststellungen und die im Wesentlichen zutreffende Begründung des Bescheides verwiesen, denen das Gericht folgt und deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absieht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
9II. Lediglich ergänzend wird Folgendes angemerkt:
101. Einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG steht – auch den Vortrag der Antragsteller als wahr unterstellt und angenommen, bei den Übergriffen der muslimischen Nachbarn auf die Antragsteller wegen des christlichen Glaubens der Antragsteller und der Homosexualität der mittlerweile in Frankreich lebenden Söhne bzw. der Brüder der Antragsteller handele es sich um eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG – schon entgegen, dass es sich bei den die Antragsteller angreifenden muslimischen Nachbarn um nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 3c Nr. 3 AsylG handelt. Von solchen nichtstattlichen Akteuren kann eine Verfolgung gem. § 3c Nr. 3 AsylG nur ausgehen, sofern die in den Nr. 1. und 2. genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen sind die staatlichen Sicherheitsbehörden (§ 3c Nr. 1 AsylG) in Albanien jedoch trotz nach wie vor bestehender Defizite generell schutzfähig und -willig,
11vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 24 ff.
12Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen der Antragsteller zu 1. und 2., wonach sie mehrfach Anzeige erstattet hätten, sich hieraus aber nichts ergeben habe. Denn die Antragsteller führen auch aus, niemals die Namen der ihnen bekannten Täter gegenüber der Polizei erwähnt zu haben. Hierdurch haben sie selbst die Arbeit der Polizei unnötig erschwert.
13Schließlich stünde die Möglichkeit der Antragsteller, internen Schutz in Albanien zu erlangen, einer Flüchtlingsanerkennung entgegen. Gem. § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Nach den dem Gericht vorliegenden Auskünften besteht in Albanien eine durch die Verfassung geschützte Religionsfreiheit und finden keine religiös motivierten Konflikte staatlicherseits oder zwischen verschiedenen religiösen Gruppen statt,
14vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 8.
15Zudem ist durch die Verlegung des Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens ein Leben in gewisser Anonymität möglich und könnte eine etwaige Verfolgung abgewendet werden,
16vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 38 ff.
17Vor diesem Hintergrund wäre es auch den Antragstellern möglich gewesen, sich in andere Teile des Landes zu begeben, in denen nicht wie in ihrem Heimatdorf N. nur 3% Christen mit einer muslimische Mehrheit leben. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Antragsteller zu 2. einräumt, es gebe auch christliche Gegenden in Albanien und die Antragstellerin zu 1. ausführt, sie hätten ihr altes Dorf C. im Wesentlichen nur deshalb verlassen, weil der Schulweg für die Kinder und der Weg zu einer christlichen Kirche zu weit gewesen seien, sie ansonsten aber eine feste Gemeinschaft gehabt hätten.
182. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gem. Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor, weil sie nach eigenen Angaben mit einem Kleinbus über den Landweg von Albanien nach Deutschland und damit über sichere Drittstaaten im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind.
193. Aus den unter Ziffer 1. bezeichneten Gründen haben die Antragsteller auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihnen drohte in Albanien ein ernsthafter Schaden im Sinne des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
204. Aus denselben Gründen bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch aufgrund der gesundheitlichen Probleme der Antragsteller ergibt sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
21Hiernach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen,
22vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
23Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
24vgl. schon OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91f.
25Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
26Hiervon ausgehend droht den Antragstellern bei einer Rückkehr nach Albanien keine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
27a. Die Einwendungen der Antragstellerin zu 3. zu ihrer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit sind hier rechtsunerheblich. Durch die Antragsgegnerin werden lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und keine inlandsbezogene und sonstige tatsächliche Vollstreckungshindernisse geprüft,
28vgl. schon BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 – 9 C 12/99 –, juris Rn. 14 m.w.N.
29b. Die psychischen Probleme der Antragsteller in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sind schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
30Zur Substantiierung eines Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand hat, gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen,
31vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 15.
32Diesen Anforderungen werden die vorgelegten Bescheinigungen nicht gerecht.
33Die Bescheinigung der Diplom Sozialpädagogin J. I. vom 5. Februar 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. stammt schon nicht von einem Facharzt; zudem enthält sie nur die Ankündigung, die Antragstellerin habe sich zu Abklärung an das Posttraumatische Zentrum Krefeld gewandt, um ein fachärztliches Attest noch erstellen zu lassen. Gleiches gilt für die inhaltlich übereinstimmenden Bescheinigungen der Diplom Sozialpädagogin J. I. vom 5. Februar 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. und des Antragstellers zu 2. Die weitere Stellungnahme der Diplom Sozialpädagogin J. I. hinsichtlich der gesamten Familie enthält – unabhängig von der Tatsache, dass auch sie nicht von einem Facharzt verfasst wurde, – lediglich eine Zusammenfassung der Verfolgungsgeschichte der Familie.
34Auch die Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren B. G. vom 11. Februar 2016 stammt schon nicht von Facharzt für psychische Erkrankungen; auch enthält sie lediglich eine Diagnose, ohne nachvollziehbar anzugeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt.
35Die Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychologie Dr. med. N1. vom 12. Februar 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. stammt zwar von einem entsprechenden Facharzt, enthält jedoch lediglich eine Diagnose, ohne nachvollziehbar anzugeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass sich die Antragstellerin erst am 12. Februar 2016 erstmals dort vorgestellt hat und weitere Termine noch folgen sollen.
36Schließlich enthält die Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychologie Dr. med. N1. vom 15. April 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. erneut lediglich eine Diagnose und ergänzend eine Empfehlung für die weitere Behandlung. Wieder fehlen nachvollziehbare Angaben dazu, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Auch ergibt sich aus der Bescheinigung nicht, weshalb die Antragsteller bereits am 4. April 2015 aus Albanien ausreisten, sich die Antragstellerin zu 3. jedoch erst fast ein Jahr später am 12. Februar 2016 erstmals in die fachärztliche Behandlung begab und ihre Eltern bei der Anhörung gegenüber dem Bundesamt lediglich von Fieberschüben sowie körperlichen Einschränkungen berichteten, die in Albanien bereits medizinisch behandelt worden seien.
37c. Selbst unterstellt, die Antragsteller litten – wie in den Bescheinigungen ausgeführt – an einer PTBS, begründete dies keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
38Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist eine medizinische Versorgung in Albanien in staatlichen Krankenhäusern grundsätzlich kostenlos gewährleistet, sind die Ärzte im Regelfall gut ausgebildet und kompliziertere Behandlungen zumindest in Tirana möglich,
39vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13.
40Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden,
41vgl. Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.
42Die Versorgung mit Medikamenten ist in Albanien grundsätzlich gewährleistet, insbesondere gängige Medikamente können aus der Europäischen Union importiert werden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten,
43vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 f.
44Die Antragsteller zu 1. und 2. gehörten damit selbst als Arbeitslose zu den in Albanien vollständig versicherten Personengruppen. Gleiches gälte für die Antragstellerin zu 3. als Minderjährige. Die Antragsteller erhalten ausweislich der Bescheinigungen derzeit keine Medikation. Selbst wenn diese notwendig werden sollte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche in Albanien angesichts der generell gewährleisteten Medikamentenversorgung dort nicht möglich wäre. Insbesondere zur Behandlung von PTBS verwendete Medikamente sind regelmäßig erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen,
45vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6,
46Auch wäre den Antragstellern zumindest in Teilen Albaniens i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen,
47vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2,
48Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten,
49vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 7 f.,
50und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden,
51vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13.
52d. Zutreffend ist schließlich, dass in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden müssen,
53vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5.
54Da den Antragstellern die daraus resultierende Beeinträchtigung jedoch nicht individuell drohte, bliebe ihnen die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt. Hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
55vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60.
56Dass die finanziellen Mittel für solche Zuzahlungen zudem notfalls aufgebracht werden könnten, ist nach dem Vortrag der Antragsteller auch nicht ausgeschlossen. Hiernach besitzen die Antragsteller in Albanien sowohl 10.000 m² Land als auch eine Wohnung. Auch führt der Antragsteller zu 2. aus, sämtliche Tiere vor der Ausreise verkauft zu haben, dementsprechend also aus dem Verkauf über finanzielle Mittel zu verfügen. Hinzu kommt die Rente der Antragstellerin zu 2., deren Auszahlung nach dem positiven Urteil des Verwaltungsgerichts gegenüber dem Versicherungsträger vollstreckt werden könnte.
575. Die Antragsteller können unabhängig davon auch nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (AsylVf-RL) die aufschiebende Wirkung ihrer Klage ableiten. Denn die Antragsgegnerin hat das sich hieraus ergebende verfahrensrechtliche Bleiberecht in zulässiger Weise gemäß Art. 46 Abs. 6 AsylVf-RL eingeschränkt. Diese Vorschrift gestattet den Mitgliedstaaten, das durch Art. 46 Abs. 5 AsylVf-RL eingeräumte Bleiberecht in Fällen der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz unter den in lit. a) bis d) aufgeführten Fällen zu beenden und verpflichtet sie gleichzeitig – wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen – ein gerichtliches Antragsverfahren auf Verschaffung eines solchen Bleiberechts einzuräumen. Hiervon hat der nationale Gesetzgeber durch Beschränkung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 75 Abs. 1, 36 AsylG und die Möglichkeit des Eilrechtsschutzantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) Gebrauch gemacht. Die Beschränkung des Bleiberechts ist nach der Verfahrensrichtlinie für die hier allein in Betracht zu ziehende Variante der Ablehnung nach Art. 46 Abs. 6 a) AsylVf-RL zulässig, wenn ein Antrag entweder im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 AsylVf-RL als offensichtlich unbegründet (1. Alt.) oder nach Prüfung gemäß Artikel 31 Abs. 8 AsylVf-RL als unbegründet betrachtet wird (2. Alt.), es sei denn, diese Entscheidungen sind auf die in Art. 31 Abs. 8 h) AsylVf-RL aufgeführten Umstände (illegale Einreise) gestützt. Art. 32 Abs. 2 AsylVf-RL ermächtigt die Mitgliedstaaten, unbegründete Anträge, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 RL AsylVf-RL aufgeführten Umstände gegeben ist, als offensichtlich unbegründet zu betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
58Mit diesen Vorgaben ist die Entscheidung des Bundesamtes, das im angefochtenen Bescheid die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und die Gewährung subsidiären Schutzes als einfach unbegründet abgelehnt hat, vereinbar. Die Verfahrensrichtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL die Möglichkeit zur Durchführung eines beschleunigten Prüfungsverfahrens. Liegen die Voraussetzungen von Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL vor, steht es den Mitgliedstaaten je nach Ausgestaltung ihres nationalen Rechtsrahmens frei, den Antrag auf internationalen Schutz entweder als offensichtlich unbegründet oder als einfach unbegründet abzulehnen. Dabei sind, wie die Verknüpfung „oder“ in Art. 46 Abs. 6 a) AsylVf-RL zeigt, beide Entscheidungsmodalitäten für die Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren gleichwertig. Welchen Weg das nationale Recht wählt, ist nach Unionsrecht unbeachtlich, zumal die materiellen Anforderungen insoweit stets auf das identische Prüfprogramm – die Anforderungen des Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL – hinauslaufen. Für das beschleunigte Verfahren erforderlich, aber auch hinreichend ist, wenn das nationale Recht sicherstellt, dass vor Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz geprüft und festgestellt worden ist, dass eine der Fallgruppen des Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL gegeben ist.
59Wegen dieser im Hinblick auf den Prüfungsumfang bestehenden Gleichwertigkeit beider Alternativen in Art. 46 Abs. 6 a) AsylVf-RL ist es nach Unionsrecht unschädlich und daher auch von vorzitierter Norm gedeckt, wenn nationales Recht bezüglich des Bestandteils der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einmal den Weg über die 1. Alternative eröffnet und die Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ vorschreibt (§§ 29a, 36 Abs. 1 AsylG) und zum anderen bezüglich des subsidiären Schutzes den Weg über die 2. Alternative ermöglicht. Dies gilt auch, weil über § 34 Abs. 1 AsylG beide Bestandteile des Antrags auf internationalen Schutz (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz) eine in Bezug auf die Aufenthaltsbeendigung im beschleunigten Verfahren untrennbare Einheit darstellen. Denn § 29a Abs. 1 AsylG führt nicht alleine in das beschleunigte Verfahren. Vielmehr legt § 36 Abs. 1 AsylG die Länge der Ausreisefrist fest und bildet somit einen Bestandteil des Regelungskomplexes der Abschiebungsandrohung (§ 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 AufenthG), die ihrerseits eine Ausreisepflicht voraussetzt (§§ 67 Abs. 1 Nr. 4, 75 Abs. 1 AsylG, 50 AufenthG). Deshalb müssen, um nach nationalem Recht § 36 AsylG anwenden zu können, die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG vorliegen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AsylG kann eine Abschiebungsandrohung aber nur dann erlassen werden, wenn dem Ausländer auch kein subsidiärer Schutz gewährt wird. Damit hat der nationale Gesetzgeber den Weg ins beschleunigte Verfahren normativ dann eröffnet, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt und sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf beide Bestandteile letztlich abgelehnt worden ist (wobei nur die Ablehnung bezüglich der Flüchtlingseigenschaft in qualifizierter Form als offensichtlich unbegründet erfolgen muss). Berücksichtigt man ferner, dass Art. 288 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Verbindlichkeit der Richtlinie nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels vorgibt, den Mitgliedstaaten jedoch die Wahl der Form und der Mittel überlässt, ist die Annahme einer wie auch immer gearteten „Sperrwirkung“ der 1. Alternative von Art. 46 Abs. 6 a) i.V.m. Art. 32 Abs. 2 AsylVf-RL nicht tragend. Für das Unionsrecht stellt allein die formale Einheitlichkeit der Tenorierung beider Aspekte des Antrags auf internationalen Schutz als „offensichtlich unbegründet“ gegenüber dem hier streitgegenständlichen Tenor keinen rechtlichen Mehrwert dar,
60vgl. so auch bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 17 L 361/16.A –, juris Rn. 26 ff., VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 6 L 4047/15.A -, juris Rn. 13 ff.
61Im Falle der Antragsteller ist Art. 31 Abs. 8 b) AsylVf-RL gegeben, da die Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie kommen. Den von Art. 36, 37 AsylVf-RL i.V.m. Anhang I zur AsylVf-RL an die Bestimmung des sicheren Herkunftsstaates gestellten Anforderungen wird durch die in § 29a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG vorgenommene Bestimmung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat Genüge getan.
626. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller nach § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
63Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ordnungsgemäß angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
64vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38.
65Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 4 und 5 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat hier dieses ihm zustehende Ermessen mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist für Erstfälle liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich.
667. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gegen die Antragsteller auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist ebenso nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage hätten, sind weder ersichtlich noch wurden sie sonst vorgetragen. Ermessensfehler hinsichtlich der Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller zu berücksichtigende schutzwürdige Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben. Dies ist – auch unter Verweis auf die Ausführungen unter Ziffer 6. – nicht zu beanstanden.
67III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
68Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
69Mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Verfahrens betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe diesbezüglich abzulehnen, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung.
70Der Beschluss ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 26. Juli 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 8704/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist zulässig.
6Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
7Der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung kommt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) keine aufschiebende Wirkung zu, weil kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG, sondern ein Fall des § 38 Abs. 2 AsylG gegeben ist.
8II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
9Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
10Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller.
11Die Klage wird hinsichtlich des von den Antragstellern im Hauptsacheverfahren primär verfolgten Rechtsschutzzieles, der Aufhebung der Abschiebungsandrohung nebst einwöchiger Ausreisefrist und der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), voraussichtlich erfolglos bleiben. Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung und die darin gesetzte Ausreisefrist von einer Woche, gegen deren Vollziehung allein sich der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zulässigerweise richten kann,
12vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 21. Januar 2016 – AN 3 S 15.31315 –, juris Rn. 16; VG Ansbach, Beschluss vom 23. Mai 2016 – AN 3 S 16.30449 –, juris Rn. 16,
13erweisen sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis als rechtmäßig.
141. Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung ist vorliegend § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und nicht § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Unerheblich ist insoweit, dass das Bundesamt die Abschiebungsandrohung auf § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG gestützt hat. Da es sich bei der Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer einwöchigen Ausreisefrist um einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt handelt,
15vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34, Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 16. August 1977 – I C 15.76 ‑, juris Rn. 28 ff.,
16geht es bei dessen Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit hin allein darum, ob die getroffene Regelung im geltenden Recht eine Grundlage findet. Bei dieser Prüfung sind die Verwaltungsgerichte angesichts des den Verwaltungsgerichtsprozess kennzeichnenden Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) weder auf den von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt noch auf die von ihr herangezogenen Rechtsgrundlagen beschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie bei einer Abschiebungsandrohung,
17vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34, Rn. 3,
18um eine gebundene Entscheidung handelt, die der Behörde kein Ermessen einräumt,
19vgl. zu diesem Aspekt OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Dezember 2013 ‑ 20 B 643/13 –, n.v., m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2015 – 17 K 529/14 –, juris Rn. 42; VG Minden, Urteil vom 21. Mai 2014 – 11 K 3593/13 –, juris Rn. 21; VG Minden, Urteil vom 21. Mai 2014 ‑ 11 K 1711/13 –, juris Rn. 20.
20Bei dem Schriftsatz der Antragsteller vom 4. Januar 2016, mit welchem sie ihren Asylantrag vom 4. Februar 2015 auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG „beschränkt“ und zum Ausdruck gebracht haben, keine Asylgründe „geltend“ zu machen, handelt es sich unter Berücksichtigung der auch im Verwaltungsrecht anzuwendenden allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
21vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 2016 – 3 B 23.15 –, juris Rn. 6,
22nach dem objektiven Erklärungsgehalt um eine Rücknahme des Asylantrages im Sinne von § 32 AsylG. Denn ein Asylantrag kann nach der gesetzlichen Konzeption des § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, nicht jedoch weitergehend „beschränkt“ werden. Da mit jedem Asylantrag gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz – GG –) sowie internationaler Schutz (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AsylG) beantragt wird, handelt es sich folglich bei der von den Antragstellern erklärten „Beschränkung“ ihres Asylantrages auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG der Sache nach um eine Rücknahme des Asylantrages im Sinne von § 32 AsylG. Haben die Antragsteller demnach mit Schriftsatz vom 4. Januar 2016 ihren Asylantrag vor der Entscheidung des Bundesamtes gemäß § 32 AsylG zurückgenommen, ist Maßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der erlassenen Abschiebungsandrohung allein § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und nicht § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
232. Unter Zugrundelegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabes ist die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 7. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist rechtmäßig. Der Erlass der Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer einwöchigen Ausreisefrist ist gemäß § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ebenfalls rechtmäßig.
24a. Das Bundesamt und nicht – wie die Antragsteller meinen – die Ausländerbehörde war für die Entscheidung über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sachlich zuständig. Dies folgt unmittelbar aus § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, wonach dem Bundesamt nach Stellung eines Asylantrages auch die Entscheidung darüber obliegt, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Demgemäß wurde die sachliche Zuständigkeit des Bundesamtes hinsichtlich der Entscheidung über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote durch den am 4. Februar 2015 von den Antragstellern gestellten Asylantrag (vgl. § 13 Abs. 1 AsylG) begründet.
25Die Zuständigkeit des Bundesamtes ist auch nicht wieder entfallen, nachdem die Antragsteller ihren Asylantrag durch Schriftsatz vom 4. Januar 2016 auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG „beschränkt“ und zum Ausdruck gebracht haben, keine Asylgründe „geltend“ zu machen. Denn unabhängig davon, dass ein Asylantrag kraft der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylG nur auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, nicht jedoch weitergehend beschränkt werden kann, wird durch § 13 Abs. 2 Satz 4 AsylG ausdrücklich festgelegt, dass auch im Falle der Beschränkung eines Asylantrages, die Regelung des § 24 Abs. 2 AsylG, wonach das Bundesamt über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote zu entscheiden hat, unberührt bleibt. Dessen ungeachtet handelt es sich bei der von den Antragstellern schriftsätzlich erklärten „Beschränkung“ ihres Asylantrages – wie bereits ausgeführt – in der Sache um eine Rücknahme des Asylantrages gemäß § 32 AsylG. Eine derartige Antragsrücknahme lässt aber gleichfalls nicht die Zuständigkeit des Bundesamtes für die Entscheidung über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entfallen. Denn nach § 32 AsylG trifft das Bundesamt auch im Fall der Antragsrücknahme eine Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
26b. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Albanien bestehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht.
27aa. Den Antragstellern droht wegen des von ihnen geltend gemachten Blutrachekonfliktes in Albanien weder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
28(1.) Ungeachtet der Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragsteller kann selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrages das Bestehen einer Blutfehde mit einer anderen Familie nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache,
29vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, juris Rn. 16; VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2015 – 17 L 3499/15.A –, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –, n.v.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 10.
30Eine solche Konstellation ist indes mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) im Jahr 2000 ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) zuvor kein Mitglied der Familie desjenigen umgebracht hat, der ihn getötet hat, sondern der Bruder selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behaupteten Bedrohungen der Antragsteller durch den seinerzeitigen Täter bzw. Mitglieder der Familie des seinerzeitigen Täters beruhen demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellen sich als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar,
31vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, juris Rn. 16.
32Von einer Blutfehde im Sinne des Kanuns könnte nur gesprochen werden, wenn der Antragsteller zu 1) beabsichtigte, den Tod seines Bruders zu rächen und demgemäß den Totschläger seines Bruders umzubringen. Eine derartige Absicht hegt der Antragsteller zu 1) ausweislich seines Vorbringens aber ausdrücklich nicht.
33Fehlt es damit am Bestehen einer Blutfehde im Sinne des Kanuns bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern in Albanien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht.
34(2.) Selbst wenn jedoch zugunsten der Antragsteller das Vorliegen einer Blutfehde unterstellt würde, führte dies gleichfalls nicht zur Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
35Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote scheidet schon deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die albanischen Sicherheitsbehörden trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig sind, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rates war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u.a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Damit hat der albanische Staat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
36vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 17 ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
37Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
38vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
39Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
40vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 28; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 16. August 2016).
41Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
42vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 30; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18.
43Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Antragsteller bei der Polizei von vornherein aussichtslos wäre. Etwas Abweichendes haben sie auch nicht vorgetragen. Insbesondere haben sie nicht dargelegt, dass in der Vergangenheit seitens der albanischen Polizei ein von ihnen gestelltes Schutzersuchen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Ganz im Gegenteil haben sie ausdrücklich angegeben, dass der Totschläger des Bruders des Antragstellers zu 1) von der Staatsanwaltschaft angeklagt und durch ein Gericht in Abwesenheit verurteilt wurde.
44Darüber hinaus ist anzumerken, dass es den Antragstellern im Rahmen einer zu ihren Gunsten unterstellten Blutracheproblematik möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten, um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen,
45vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 35 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 13 f.
46Dessen ungeachtet ist die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote auch deswegen ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller – bei Wahrunterstellung ihres Vortrages – auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige unmenschlichen Behandlung bzw. eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abwenden,
47vgl. zu diesem Aspekt: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63, 80; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 ‑ 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 19, 22; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 38, 43; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
48bb. Für die Antragsteller zu 2) und 4) besteht hinsichtlich Albaniens auch mit Blick auf die von ihnen geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
49(1.) Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen,
50vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –.
51Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
52vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A –.
53Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
54(2.) Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf die Antragsteller zu 2) und 4) nicht erfüllt.
55Soweit unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen vom 13. Januar 2016 (Dr. med. N. I. , Arzt für Allgemeinmedizin) und vom 3. Februar 2016 (B. Q. , Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie) geltend gemacht wird, die Antragstellerin zu 2) leide an Diabetes mellitus Typ I und der Antragsteller zu 4) leide darüber hinaus an elektivem Mutismus (emotional bedingte psychische Störung, bei der die sprachliche Kommunikation stark beeinträchtigt ist), ist nicht ersichtlich, dass den Antragstellern zu 2) und 4) infolge der vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben in Gestalt einer wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG droht.
56Dessen ungeachtet könnten zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, medizinisch notwendige Behandlungen der Antragsteller zu 2) und 4) infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch in Albanien vorgenommen werden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine erhebliche bzw. lebensbedrohliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Nach der derzeitigen Erkenntnislage können die geltend gemachten Erkrankungen in Albanien behandelt werden,
57vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A ‑, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A –.
58Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
59vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A ‑, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
60Die Antragsteller zu 2) und 4) gehören als Arbeitslose bzw. Minderjährige zu den in Albanien vollständig versicherten Personengruppen. Selbst die zur Behandlung psychischer Erkrankungen verwendeten Medikamente sind in Albanien regelmäßig erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen,
61vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. ‑, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A ‑.
62Dem Antragsteller zu 4) wäre zumindest in Teilen Albaniens im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG auch eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen,
63vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑,
64Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten,
65vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 7 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A ‑,
66und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden,
67vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 ‑ 17 L 410/16.A. ‑, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 – 17 K 6384/16.A –.
68Zwar müssen in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden,
69vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
70Da den Antragstellern zu 2) und 4) die daraus resultierende Beeinträchtigung jedoch nicht individuell drohte, bliebe ihnen die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt. Denn hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
71vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2016 ‑ 17 K 6384/16.A ‑.
72c. Schließlich begegnet auch die Abschiebungsandrohung nebst der darin gesetzten Ausreisefrist von einer Woche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
73Zwar hat das Bundesamt, nachdem die Antragsteller ihren Asylantrag durch Schriftsatz vom 4. Januar 2016 gemäß § 32 AsylG zurückgenommen haben, durch Bescheid vom 7. Juni 2016 zu Unrecht in der Sache über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Ziffer 1), die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG (Ziffer 2) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (Ziffer 3) entschieden und hinsichtlich der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine auf § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG gestützte Offensichtlichkeitsentscheidung getroffen. Denn diesbezüglich hätte das Bundesamt nicht mehr in der Sache entscheiden dürfen, sondern gemäß § 32 AsylG deklaratorisch feststellen müssen, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Die in Ziffer 1 bis 3 des Bescheides vom 7. Juni 2016 wegen vorheriger Antragsrücknahme fehlerhaft getroffene Sachentscheidung berührt jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 5 des Bescheides vom 7. Juni 2016 enthaltenen Abschiebungsandrohung. Insoweit folgt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nebst einwöchiger Ausreisefrist jedoch nicht wie im Bescheid angegeben aus § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG, sondern aus § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Wird nämlich – wie hier – festgestellt, dass keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist nicht nur in Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet (vgl. § 36 Abs. 1 AsylG), sondern auch in Fällen der Rücknahme des Asylantrages (vgl. § 38 Abs. 2 AsylG) eine Woche.
74III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
75Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
76Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 25. Mai 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6781/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. Mai 2016 unter Ziffer 5. enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist unbegründet.
6Gem. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) darf die Aussetzung der Abschiebung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angegriffene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält,
7vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99.
8Daran fehlt es hier. An dem Bescheid des Bundesamtes vom 9. Mai 2016 bestehen keine solchen Zweifel. Die Antragsteller haben in dem für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG, auf Asylanerkennung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), Zuerkennung subsidiären Schutzes i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG oder Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch die Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet gem. § 29a Abs. 1 AsylG und die Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung gem. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG sind gerechtfertigt. Die Antragsteller stammen aus Albanien, einem sicheren Herkunftsstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG. Tatsachen oder Beweismittel dafür, dass den Antragstellern abweichend von der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat politische Verfolgung droht, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen oder beigebracht. Zur weiteren Begründung wird auf die tragenden Feststellungen und die im Wesentlichen zutreffende Begründung des Bescheides verwiesen, denen das Gericht folgt und deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absieht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
9II. Lediglich ergänzend wird Folgendes angemerkt:
101. Einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG steht – auch den Vortrag der Antragsteller als wahr unterstellt und angenommen, bei den Übergriffen der muslimischen Nachbarn auf die Antragsteller wegen des christlichen Glaubens der Antragsteller und der Homosexualität der mittlerweile in Frankreich lebenden Söhne bzw. der Brüder der Antragsteller handele es sich um eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG – schon entgegen, dass es sich bei den die Antragsteller angreifenden muslimischen Nachbarn um nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 3c Nr. 3 AsylG handelt. Von solchen nichtstattlichen Akteuren kann eine Verfolgung gem. § 3c Nr. 3 AsylG nur ausgehen, sofern die in den Nr. 1. und 2. genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen sind die staatlichen Sicherheitsbehörden (§ 3c Nr. 1 AsylG) in Albanien jedoch trotz nach wie vor bestehender Defizite generell schutzfähig und -willig,
11vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 24 ff.
12Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen der Antragsteller zu 1. und 2., wonach sie mehrfach Anzeige erstattet hätten, sich hieraus aber nichts ergeben habe. Denn die Antragsteller führen auch aus, niemals die Namen der ihnen bekannten Täter gegenüber der Polizei erwähnt zu haben. Hierdurch haben sie selbst die Arbeit der Polizei unnötig erschwert.
13Schließlich stünde die Möglichkeit der Antragsteller, internen Schutz in Albanien zu erlangen, einer Flüchtlingsanerkennung entgegen. Gem. § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Nach den dem Gericht vorliegenden Auskünften besteht in Albanien eine durch die Verfassung geschützte Religionsfreiheit und finden keine religiös motivierten Konflikte staatlicherseits oder zwischen verschiedenen religiösen Gruppen statt,
14vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 8.
15Zudem ist durch die Verlegung des Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens ein Leben in gewisser Anonymität möglich und könnte eine etwaige Verfolgung abgewendet werden,
16vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 38 ff.
17Vor diesem Hintergrund wäre es auch den Antragstellern möglich gewesen, sich in andere Teile des Landes zu begeben, in denen nicht wie in ihrem Heimatdorf N. nur 3% Christen mit einer muslimische Mehrheit leben. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Antragsteller zu 2. einräumt, es gebe auch christliche Gegenden in Albanien und die Antragstellerin zu 1. ausführt, sie hätten ihr altes Dorf C. im Wesentlichen nur deshalb verlassen, weil der Schulweg für die Kinder und der Weg zu einer christlichen Kirche zu weit gewesen seien, sie ansonsten aber eine feste Gemeinschaft gehabt hätten.
182. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gem. Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor, weil sie nach eigenen Angaben mit einem Kleinbus über den Landweg von Albanien nach Deutschland und damit über sichere Drittstaaten im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind.
193. Aus den unter Ziffer 1. bezeichneten Gründen haben die Antragsteller auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihnen drohte in Albanien ein ernsthafter Schaden im Sinne des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
204. Aus denselben Gründen bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch aufgrund der gesundheitlichen Probleme der Antragsteller ergibt sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
21Hiernach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen,
22vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
23Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
24vgl. schon OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91f.
25Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
26Hiervon ausgehend droht den Antragstellern bei einer Rückkehr nach Albanien keine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
27a. Die Einwendungen der Antragstellerin zu 3. zu ihrer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit sind hier rechtsunerheblich. Durch die Antragsgegnerin werden lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und keine inlandsbezogene und sonstige tatsächliche Vollstreckungshindernisse geprüft,
28vgl. schon BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 – 9 C 12/99 –, juris Rn. 14 m.w.N.
29b. Die psychischen Probleme der Antragsteller in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sind schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
30Zur Substantiierung eines Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand hat, gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen,
31vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 15.
32Diesen Anforderungen werden die vorgelegten Bescheinigungen nicht gerecht.
33Die Bescheinigung der Diplom Sozialpädagogin J. I. vom 5. Februar 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. stammt schon nicht von einem Facharzt; zudem enthält sie nur die Ankündigung, die Antragstellerin habe sich zu Abklärung an das Posttraumatische Zentrum Krefeld gewandt, um ein fachärztliches Attest noch erstellen zu lassen. Gleiches gilt für die inhaltlich übereinstimmenden Bescheinigungen der Diplom Sozialpädagogin J. I. vom 5. Februar 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. und des Antragstellers zu 2. Die weitere Stellungnahme der Diplom Sozialpädagogin J. I. hinsichtlich der gesamten Familie enthält – unabhängig von der Tatsache, dass auch sie nicht von einem Facharzt verfasst wurde, – lediglich eine Zusammenfassung der Verfolgungsgeschichte der Familie.
34Auch die Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren B. G. vom 11. Februar 2016 stammt schon nicht von Facharzt für psychische Erkrankungen; auch enthält sie lediglich eine Diagnose, ohne nachvollziehbar anzugeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt.
35Die Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychologie Dr. med. N1. vom 12. Februar 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. stammt zwar von einem entsprechenden Facharzt, enthält jedoch lediglich eine Diagnose, ohne nachvollziehbar anzugeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass sich die Antragstellerin erst am 12. Februar 2016 erstmals dort vorgestellt hat und weitere Termine noch folgen sollen.
36Schließlich enthält die Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ -psychologie Dr. med. N1. vom 15. April 2016 hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. erneut lediglich eine Diagnose und ergänzend eine Empfehlung für die weitere Behandlung. Wieder fehlen nachvollziehbare Angaben dazu, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Auch ergibt sich aus der Bescheinigung nicht, weshalb die Antragsteller bereits am 4. April 2015 aus Albanien ausreisten, sich die Antragstellerin zu 3. jedoch erst fast ein Jahr später am 12. Februar 2016 erstmals in die fachärztliche Behandlung begab und ihre Eltern bei der Anhörung gegenüber dem Bundesamt lediglich von Fieberschüben sowie körperlichen Einschränkungen berichteten, die in Albanien bereits medizinisch behandelt worden seien.
37c. Selbst unterstellt, die Antragsteller litten – wie in den Bescheinigungen ausgeführt – an einer PTBS, begründete dies keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
38Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist eine medizinische Versorgung in Albanien in staatlichen Krankenhäusern grundsätzlich kostenlos gewährleistet, sind die Ärzte im Regelfall gut ausgebildet und kompliziertere Behandlungen zumindest in Tirana möglich,
39vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13.
40Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden,
41vgl. Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.
42Die Versorgung mit Medikamenten ist in Albanien grundsätzlich gewährleistet, insbesondere gängige Medikamente können aus der Europäischen Union importiert werden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten,
43vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 f.
44Die Antragsteller zu 1. und 2. gehörten damit selbst als Arbeitslose zu den in Albanien vollständig versicherten Personengruppen. Gleiches gälte für die Antragstellerin zu 3. als Minderjährige. Die Antragsteller erhalten ausweislich der Bescheinigungen derzeit keine Medikation. Selbst wenn diese notwendig werden sollte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche in Albanien angesichts der generell gewährleisteten Medikamentenversorgung dort nicht möglich wäre. Insbesondere zur Behandlung von PTBS verwendete Medikamente sind regelmäßig erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen,
45vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6,
46Auch wäre den Antragstellern zumindest in Teilen Albaniens i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen,
47vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2,
48Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten,
49vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 7 f.,
50und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden,
51vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13.
52d. Zutreffend ist schließlich, dass in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden müssen,
53vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5.
54Da den Antragstellern die daraus resultierende Beeinträchtigung jedoch nicht individuell drohte, bliebe ihnen die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt. Hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
55vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60.
56Dass die finanziellen Mittel für solche Zuzahlungen zudem notfalls aufgebracht werden könnten, ist nach dem Vortrag der Antragsteller auch nicht ausgeschlossen. Hiernach besitzen die Antragsteller in Albanien sowohl 10.000 m² Land als auch eine Wohnung. Auch führt der Antragsteller zu 2. aus, sämtliche Tiere vor der Ausreise verkauft zu haben, dementsprechend also aus dem Verkauf über finanzielle Mittel zu verfügen. Hinzu kommt die Rente der Antragstellerin zu 2., deren Auszahlung nach dem positiven Urteil des Verwaltungsgerichts gegenüber dem Versicherungsträger vollstreckt werden könnte.
575. Die Antragsteller können unabhängig davon auch nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (AsylVf-RL) die aufschiebende Wirkung ihrer Klage ableiten. Denn die Antragsgegnerin hat das sich hieraus ergebende verfahrensrechtliche Bleiberecht in zulässiger Weise gemäß Art. 46 Abs. 6 AsylVf-RL eingeschränkt. Diese Vorschrift gestattet den Mitgliedstaaten, das durch Art. 46 Abs. 5 AsylVf-RL eingeräumte Bleiberecht in Fällen der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz unter den in lit. a) bis d) aufgeführten Fällen zu beenden und verpflichtet sie gleichzeitig – wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen – ein gerichtliches Antragsverfahren auf Verschaffung eines solchen Bleiberechts einzuräumen. Hiervon hat der nationale Gesetzgeber durch Beschränkung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 75 Abs. 1, 36 AsylG und die Möglichkeit des Eilrechtsschutzantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) Gebrauch gemacht. Die Beschränkung des Bleiberechts ist nach der Verfahrensrichtlinie für die hier allein in Betracht zu ziehende Variante der Ablehnung nach Art. 46 Abs. 6 a) AsylVf-RL zulässig, wenn ein Antrag entweder im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 AsylVf-RL als offensichtlich unbegründet (1. Alt.) oder nach Prüfung gemäß Artikel 31 Abs. 8 AsylVf-RL als unbegründet betrachtet wird (2. Alt.), es sei denn, diese Entscheidungen sind auf die in Art. 31 Abs. 8 h) AsylVf-RL aufgeführten Umstände (illegale Einreise) gestützt. Art. 32 Abs. 2 AsylVf-RL ermächtigt die Mitgliedstaaten, unbegründete Anträge, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 RL AsylVf-RL aufgeführten Umstände gegeben ist, als offensichtlich unbegründet zu betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
58Mit diesen Vorgaben ist die Entscheidung des Bundesamtes, das im angefochtenen Bescheid die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und die Gewährung subsidiären Schutzes als einfach unbegründet abgelehnt hat, vereinbar. Die Verfahrensrichtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL die Möglichkeit zur Durchführung eines beschleunigten Prüfungsverfahrens. Liegen die Voraussetzungen von Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL vor, steht es den Mitgliedstaaten je nach Ausgestaltung ihres nationalen Rechtsrahmens frei, den Antrag auf internationalen Schutz entweder als offensichtlich unbegründet oder als einfach unbegründet abzulehnen. Dabei sind, wie die Verknüpfung „oder“ in Art. 46 Abs. 6 a) AsylVf-RL zeigt, beide Entscheidungsmodalitäten für die Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren gleichwertig. Welchen Weg das nationale Recht wählt, ist nach Unionsrecht unbeachtlich, zumal die materiellen Anforderungen insoweit stets auf das identische Prüfprogramm – die Anforderungen des Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL – hinauslaufen. Für das beschleunigte Verfahren erforderlich, aber auch hinreichend ist, wenn das nationale Recht sicherstellt, dass vor Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz geprüft und festgestellt worden ist, dass eine der Fallgruppen des Art. 31 Abs. 8 AsylVf-RL gegeben ist.
59Wegen dieser im Hinblick auf den Prüfungsumfang bestehenden Gleichwertigkeit beider Alternativen in Art. 46 Abs. 6 a) AsylVf-RL ist es nach Unionsrecht unschädlich und daher auch von vorzitierter Norm gedeckt, wenn nationales Recht bezüglich des Bestandteils der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einmal den Weg über die 1. Alternative eröffnet und die Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ vorschreibt (§§ 29a, 36 Abs. 1 AsylG) und zum anderen bezüglich des subsidiären Schutzes den Weg über die 2. Alternative ermöglicht. Dies gilt auch, weil über § 34 Abs. 1 AsylG beide Bestandteile des Antrags auf internationalen Schutz (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz) eine in Bezug auf die Aufenthaltsbeendigung im beschleunigten Verfahren untrennbare Einheit darstellen. Denn § 29a Abs. 1 AsylG führt nicht alleine in das beschleunigte Verfahren. Vielmehr legt § 36 Abs. 1 AsylG die Länge der Ausreisefrist fest und bildet somit einen Bestandteil des Regelungskomplexes der Abschiebungsandrohung (§ 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 AufenthG), die ihrerseits eine Ausreisepflicht voraussetzt (§§ 67 Abs. 1 Nr. 4, 75 Abs. 1 AsylG, 50 AufenthG). Deshalb müssen, um nach nationalem Recht § 36 AsylG anwenden zu können, die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG vorliegen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AsylG kann eine Abschiebungsandrohung aber nur dann erlassen werden, wenn dem Ausländer auch kein subsidiärer Schutz gewährt wird. Damit hat der nationale Gesetzgeber den Weg ins beschleunigte Verfahren normativ dann eröffnet, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt und sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf beide Bestandteile letztlich abgelehnt worden ist (wobei nur die Ablehnung bezüglich der Flüchtlingseigenschaft in qualifizierter Form als offensichtlich unbegründet erfolgen muss). Berücksichtigt man ferner, dass Art. 288 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Verbindlichkeit der Richtlinie nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels vorgibt, den Mitgliedstaaten jedoch die Wahl der Form und der Mittel überlässt, ist die Annahme einer wie auch immer gearteten „Sperrwirkung“ der 1. Alternative von Art. 46 Abs. 6 a) i.V.m. Art. 32 Abs. 2 AsylVf-RL nicht tragend. Für das Unionsrecht stellt allein die formale Einheitlichkeit der Tenorierung beider Aspekte des Antrags auf internationalen Schutz als „offensichtlich unbegründet“ gegenüber dem hier streitgegenständlichen Tenor keinen rechtlichen Mehrwert dar,
60vgl. so auch bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 17 L 361/16.A –, juris Rn. 26 ff., VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 6 L 4047/15.A -, juris Rn. 13 ff.
61Im Falle der Antragsteller ist Art. 31 Abs. 8 b) AsylVf-RL gegeben, da die Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie kommen. Den von Art. 36, 37 AsylVf-RL i.V.m. Anhang I zur AsylVf-RL an die Bestimmung des sicheren Herkunftsstaates gestellten Anforderungen wird durch die in § 29a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG vorgenommene Bestimmung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat Genüge getan.
626. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller nach § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
63Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ordnungsgemäß angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
64vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38.
65Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 4 und 5 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat hier dieses ihm zustehende Ermessen mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist für Erstfälle liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich.
667. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gegen die Antragsteller auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist ebenso nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage hätten, sind weder ersichtlich noch wurden sie sonst vorgetragen. Ermessensfehler hinsichtlich der Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller zu berücksichtigende schutzwürdige Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben. Dies ist – auch unter Verweis auf die Ausführungen unter Ziffer 6. – nicht zu beanstanden.
67III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
68Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
69Mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Verfahrens betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe diesbezüglich abzulehnen, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung.
70Der Beschluss ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2Das Gericht kann trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beklagte mit der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
3Die Klage vom 6. Mai 2016 mit den Anträgen,
4die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. April 2016 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
5hilfsweise,
6die Beklagte zu verpflichten, den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
7die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen,
8hat keinen Erfolg.
9I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
10Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
11Die Kläger haben in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) noch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) i.V.m. § 51 VwVfG. Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. April 2016, mit welchem die Durchführung weiterer Asylverfahren sowie die Abänderung des Bescheides des Bundesamtes vom 14. April 2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt wurde, ist rechtmäßig.
12Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 15. April 2016 und sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
131. Die Beklagte ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt sind.
14a. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist vom Bundesamt auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens u.a. voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) und die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird,
15vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 –, juris Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 25. November 2008 – 10 C 25.07 –, juris Rn. 11.
16Eine Änderung der Sachlage gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG ist anzunehmen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder aber die das persönliche Schicksal des Antragstellers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für ihn günstigere Entscheidung möglich erscheint. Eine Änderung ist grundsätzlich erst dann anzunehmen, wenn eine qualitativ neue Bewertung angezeigt und möglich erscheint,
17vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5758/12.A –, juris Rn. 29; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5615/12.A –, juris Rn. 27.
18Eine Änderung der Rechtslage gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG kann durch eine Gesetzesänderung sowie unter Umständen durch eine mit Bindungswirkung gemäß § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ausgestattete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eintreten. Änderungen der Rechtsprechung stehen einer Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG nicht gleich. Dies gilt auch für Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren,
19vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 1 C 26.08 –, juris Rn. 16; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5758/12.A –, juris Rn. 31; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5615/12.A –, juris Rn. 29.
20Vom Vorliegen eines neuen Beweismittels gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist auszugehen, wenn es während des vorangegangenen Verfahrens entweder noch nicht existierte oder dem Antragsteller nicht bekannt oder von ihm ohne Verschulden nicht beizubringen war,
21vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5758/12.A –, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5615/12.A –, juris Rn. 31.
22Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG können freilich nur dann Berücksichtigung finden, wenn der Antragsteller ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG) und der Antrag binnen drei Monaten, beginnend mit dem Tage an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, gestellt worden ist (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
23Der Prüfung des Folgeantrages sind nur solche Wiederaufgreifensgründe zugrunde zu legen auf die sich der jeweilige Antragsteller auch berufen hat. Denn weder das Bundesamt noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe zugrunde zu legen,
24vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 – 10 C 13.09 –, juris Rn. 28.
25b. Nach Maßgabe dieser Kriterien haben die Kläger einen Wiederaufgreifensgrund und die Geeignetheit desselben hinsichtlich einer für sie günstigeren Entscheidung schon nicht schlüssig dargelegt.
26aa. Den von den Klägern vorgelegten Bescheinigungen der Republik Albanien – Dorfrat Berishe vom 10. April 2015 sowie der Republik Albanien – Blutrache Versöhnungskommission, Niederlassung Tropoja vom 20. April 2015, kann schon keine Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG entnommen werden, weil darin im Kern dasselbe Verfolgungsschicksal (Bedrohungen der Kläger durch die Familie der Klägerin zu 2)) aufgeführt wird, auf welches sich die Kläger bereits im Erstverfahren berufen haben. Aus diesem Grund ist der Inhalt dieser Bescheinigungen nicht geeignet, eine für die Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen.
27bb. Darüber hinaus sind die Bescheinigungen vom 10. April 2015 und 20. April 2015 auch nicht als neue Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG anzusehen, weil sie ‑ wie vorstehend ausgeführt – lediglich das bereits im Erstverfahren geltend gemachte Verfolgungsschicksal wiedergeben und deswegen zu keiner für die Kläger günstigeren Entscheidung führen können.
28cc. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen haben sich die Kläger auch nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 3 VwVfG auf einen Wiederaufgreifensgrund berufen.
29Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 3 VwVfG muss der Asylfolgeantrag binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Ausreichend für die Annahme des Fristbeginns im Sinne von § 51 Abs. 3 VwVfG ist die auf sicherer Grundlage beruhende positive Kenntnis des Betroffenen von den maßgeblichen Tatsachen. Nicht erforderlich ist demgegenüber die zutreffende rechtliche Einordnung der bekannten Tatsachen, also die Erkenntnis, dass diese einen Wiederaufnahmegrund ergeben,
30vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 14 K 5615/12.A –, juris Rn. 47.
31Nach Maßgabe dieser Kriterien ist davon auszugehen, dass die Kläger seit dem 10. bzw. 20. April 2015 – dem jeweiligen Ausstellungsdatum – positive Kenntnis von den auf ihre Initiative hin ausgestellten Bescheinigungen der Republik Albanien hatten. Damit hätten sich die Kläger innerhalb von drei Monaten gerechnet ab dem 10. bzw. 20. April 2015, mithin bis zum 10. bzw. 20. Juli 2015, auf die Wiederaufgreifensgründe des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2 VwVfG berufen müssen. Sie haben jedoch erstmals mit Stellung ihres Asylfolgeantrages am 7. September 2015 und damit ersichtlich nach Ablauf der maßgeblichen Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG sinngemäß Wiederaufgreifensgründe gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2 VwVfG geltend gemacht.
322. Die Beklagte ist im Ergebnis ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass bezogen auf die im Folgeverfahren erstmals geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu 2) die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 51 VwVfG nicht vorliegen.
33a. Bei einem Wiederaufgreifensantrag hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat das Bundesamt zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, ob also die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG gewahrt ist, ein Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 VwVfG hinreichend geltend gemacht worden ist und der Ausländer ohne grobes Verschulden außerstande war, diesen Grund bereits in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die Behörde das Verfahren wiederaufzugreifen und eine neue Entscheidung in der Sache zu treffen. Liegen die Voraussetzungen dagegen nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung,
34vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 – 9 C 41.99 –, juris Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2001 – 9 B 475.00 –, juris Rn. 5, jeweils zu § 53 AuslG a.F.
35b. Nach Maßgabe dieser Grundsätze besteht hier kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich des Bestehens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG.
36Zwar ist durch die geltend gemachten psychischen Erkrankungen der Klägerin zu 2) bezogen auf ihre Person grundsätzlich eine Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG eingetreten und handelt es sich bei den hierzu vorgelegten ärztlichen bzw. psychologischen Attesten vom 19. Oktober 2015 (Dipl.-Psych. S. F. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie), 4. April 2016 (Dipl.-Psych. M. T. de T1. , Psychologische Psychotherapeutin), 18. April 2016 (Dr. W. Q. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie) und 27. Juni 2016 (Dipl.-Psych. M. T. de T1. , Psychologische Psychotherapeutin) um neue Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Allerdings hat die Klägerin zu 2) im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren lediglich auf den Inhalt dieser Atteste Bezug genommen, jedoch nicht schlüssig dargelegt, ob und inwieweit die in den Attesten genannten Umstände geeignet sind, eine für sie hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG günstigere Entscheidung herbeizuführen,
37vgl. zu dem Erfordernis der schlüssigen Darlegung: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 ‑ 10 C 23.12 –, juris Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 25. November 2008 – 10 C 25.07 –, juris Rn. 11,
38Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch der Kläger auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bzw. § 49 Abs. 1 VwVfG.
39Da den Klägern insoweit nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zukommt, ist die gerichtliche Prüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Etwaige Ermessensfehler sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts der Tatsache, dass dem Vorbringen der Kläger keine konkrete Anhaltspunkte zu entnehmen sind, aus denen ein Vorliegen von Abschiebungsverboten resultieren könnte, lässt die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes keine Ermessensfehler erkennen. Das Bundesamt hat das ihm im Hinblick auf die allgemeinen Vorschriften zustehende Ermessen ausdrücklich erkannt, eine ablehnende Ermessensentscheidung getroffen und diese im Wesentlichen damit begründet, selbst bei Berücksichtigung der von der Klägerin zu 2) eingereichten ärztlichen bzw. psychologischen Atteste könnten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festgestellt werden.
40c. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt sind, bezogen auf die geltend gemachten gesundheitlichen Probleme der Klägerin zu 2) auch in der Sache keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines – hier einzig in Betracht kommenden – Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich sind.
41aa. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das heißt, es muss aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohen,
42vgl. hierzu bereits BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
43Es ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Asylbewerber muss sich daher grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
44vgl. hierzu bereits OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.
45Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
46bb. Hiervon ausgehend droht der Klägerin zu 2) aufgrund der von ihr geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen (Posttraumatische Belastungsstörung, Depression, Suizidgedanken, Angst und depressive Störung gemischt, psychosomatische Störungen) bei einer Rückkehr nach Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben in Gestalt einer wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
47Die von der Klägerin zu 2) vorgelegten ärztlichen bzw. psychologischen Atteste vom 19. Oktober 2015 (Dipl.-Psych. S. F. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie), 4. April 2016 (Dipl.-Psych. M. T. de T1. , Psychologische Psychotherapeutin), 18. April 2016 (Dr. W. Q. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie) und 27. Juni 2016 (Dipl.-Psych. M. T. de T1. , Psychologische Psychotherapeutin) genügen insbesondere schon nicht den Anforderungen zur Substantiierung des Vorliegens einer behandlungsbedürften Posttraumatischen Belastungsstörung. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie seiner vielfältigen Symptome bedarf es insoweit regelmäßig der Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist,
48vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 –, juris Rn. 15.
49Dies zugrunde gelegt, lassen die von der Klägerin zu 2) vorgelegten Atteste den Schluss auf das Bestehen einer (schweren) psychischen Erkrankung nicht zu. Sie nennen lediglich die Diagnosen ohne Benennung ausreichender Befundtatsachen und vorgenommener Untersuchungen. Es fehlen hinreichend konkrete Angaben dazu, seit wann und wie häufig sich die Klägerin zu 2) in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihr geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren geben die Atteste keinen hinreichenden Aufschluss über den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie).
50Selbst wenn jedoch zugunsten der Klägerin zu 2) unterstellt wird, sie leide – wie in den Attesten ausgeführt – an einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie weiteren depressiven Erkrankungen, begründete dies keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
51Denn zum einen kann den vorgelegten Attesten nicht ansatzweise entnommen werden, der Klägerin zu 2) drohte im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche bzw. lebensbedrohliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes. Ganz im Gegenteil wird in dem ärztlichen bzw. psychologischen Attest vom 19. Oktober 2015 (Dipl.-Psych. S. F. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie) eine Psychotherapie im Heimatland in der Muttersprache ausdrücklich als genesungsfördernd angesehen und befürwortet. Zum anderen ist eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allein deshalb nicht zu erwarten, weil die im ärztlichen bzw. psychologischen Attest vom 19. Oktober 2015 (Dipl.-Psych. S. F. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie) empfohlenen Therapien (traumatherapeutisch orientierte Psychotherapie in der Muttersprache sowie niedrig dosierte medikamentöse Therapie) nach der derzeitigen Erkenntnislage auch in Albanien vorgenommen werden können,
52vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 ‑ 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 18.
53Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
54vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 20.
55Die Klägerin zu 2) gehört jedenfalls als Arbeitslose zu den in Albanien vollständig versicherten Personengruppen. Die zur Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung und depressiver Erkrankungen verwendeten Medikamente sind in Albanien regelmäßig erhältlich und die Kosten hierfür werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen,
56vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 29. März 2013, Frage 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.
57Auch wäre der Klägerin zu 2) zumindest in Teilen Albaniens im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG eine Psychotherapie möglich. Insbesondere in Tirana sind Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen,
58vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.,
59Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten,
60vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 7 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.
61und gut ausgestattete Privatkliniken vorhanden,
62vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 ‑ 17 L 410/16.A. –, n.v.
63Zwar müssen in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden,
64vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.
65Da der Klägerin zu 2) die daraus resultierende Beeinträchtigung jedoch nicht individuell drohte, bliebe ihr die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG versagt. Denn hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
66vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2016 – 17 L 410/16.A. –, n.v.
67II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
68Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
69Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der gegen das auf zehn Monate befristet angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (Ziffer 6 des Bescheides vom 15. September 2015) gerichteten Klage (Az. 6 K 1730/15.A) wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller zu 80% und die Antragsgegnerin zu 20%.
1
G r ü n d e:
2Der - sinngemäß gestellte - Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1730/15.A erhobenen Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 15. September 2015 enthaltene Ausreiseauf-forderung und Abschiebungsandrohung sowie das auf zehn Monate befristet angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 16 Monate anzuordnen,
4hat teilweise Erfolg.
5Er ist teilweise zulässig und im zulässigen Umfang teilweise begründet.
6Er ist zunächst zulässig, soweit er sich auf die gegen die in dem Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie auf das auf zehn Monate befristet angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot bezieht. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht Aachen gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 83c, der durch Art. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, in Kraft getreten am 24. Oktober 2015, neu in das Asylverfahrensgesetz, nunmehr umbenannt in Asylgesetz - AsylG -, eingefügt wurde, örtlich zuständig. Dem stehen auch nicht § 83 S. 1 VwGO, § 17 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - entgegen, denen zufolge der Grundsatz der sog. "perpetuatio fori" auch für die örtliche Zuständigkeit gilt, diese also durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird. Denn danach kann nur die bei Rechtshängigkeit bestehende örtliche Zuständigkeit nicht nachträglich entfallen. Ergeben sich umgekehrt aber nach Eintritt der Rechtshängigkeit bei zunächst bestehender örtlicher Unzuständigkeit nachträglich erst die die Zuständigkeit begründenden Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art, kann eine solche Veränderung noch zugunsten der örtlichen Zuständigkeit berücksichtigt werden.
7Vgl. Kissel/Mayer in: Kissel/Mayer GVG, Kommentar, 8. Auflage, § 17 Rn. 10; Kraft in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 13. Auflage, § 52 Rn. 7.
8Dies ist vorliegend der Fall.
9Der Antrag ist jedoch unzulässig, soweit er sich auf die gegen die Befristung gemäß § 11 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - gerichtete Klage bezieht. Den Antragstellern fehlt insoweit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn sie sind durch die Befristung nicht beschwert. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 36 Monate ist ein die Antragsteller begünstigender Verwaltungsakt, da ohne diese Befristung das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gilt. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit angeordnet, hätte dies zur Folge dass für die Antragsteller wieder das unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG gelten und die Antragsteller hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes schlechter gestellt wären.
10Der Antrag ist im zulässigen Umfang teilweise begründet.
11Er ist begründet, soweit er sich auf das auf zehn Monate befristet angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG bezieht. Bei der im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Interesse des Betroffenen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt insoweit das Aussetzungsinteresse der Antragsteller, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen und an dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.
12Nach § 11 Abs. 7 AufenthG a.F. konnte ein solches Einreise- und Aufenthaltsverbot nur gegen einen Ausländer angeordnet werden, dessen Asylantrag nach § 29a Abs. 1 AsylVfG a.F. (nunmehr AsylG) bestandskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, bei dem das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt. Die Entscheidung des Bundesamtes nach § 29a Abs. 1 AsylVfG a.F. war hier zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG aber noch nicht bestandskräftig.
13Das Bundesamt durfte die Anordnung und Befristung auch nicht unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag stellen. Denn die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG ist ein belastender Verwaltungsakt, so dass die angeordnete Bedingung nicht an § 36 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -, sondern an § 36 Abs. 2 VwVfG zu messen ist. Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Insbesondere sind bei belastenden Verwaltungsakten Nebenbestimmungen, die - wie hier - allein der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts dienen, grundsätzlich unzulässig. Dies gilt besonders deshalb, weil es sich vorliegend um eine Ermessensentscheidung des Bundesamtes handelt. Eine solche Ermessensentscheidung kann - insbesondere beim Entschließungsermessen - unter Berücksichtigung aller für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Umstände grundsätzlich erst dann getroffen werden, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für das behördliche Einschreiten erfüllt sind.
14Vgl. auch Verwaltungsgericht - VG - Oldenburg, Beschluss vom 22. September 2015 - 7 B 3487/15 -, juris Rn. 13.
15Die Anordnung in Ziffer 6. des angefochtenen Bescheides ist daher rechtswidrig. Daran ändert auch nichts, dass durch Art. 3 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, in Kraft getreten am 24. Oktober 2015, die Regelung des § 11 Abs. 7 AufenthG um den Passus "das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam" ergänzt wurde sowie das Tatbestandsmerkmal "bestandskräftig" aus dessen Satz 1 gestrichen wurde und danach eine Verbindung der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 7 AufenthG mit dem Asylbescheid nunmehr zulässig ist.
16Vgl. ausdrücklich BT-Drucks. 18/6185, S. 66.
17Denn zwar ist gemäß §§ 83c, 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG bei Streitigkeiten der vorliegenden Art durch das Gericht grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, so dass grundsätzlich das geltende (neue) Recht zugrunde zu legen ist. Dies besagt aber nicht, dass der Vorschrift bezüglich neu eingeführter Bestimmungen zu der Frage, ob das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit dem Asylbescheid bereits verbunden werden darf, eine Rückwirkung über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens hinaus zuzumessen wäre. Vielmehr handelt es sich um eine zukunftsbezogene Regelung. Hätte der Gesetzgeber eine rückwirkende Geltung der in Rede stehenden Vorschrift beabsichtigt, so hätte es einer entsprechenden Übergangsvorschrift bedurft. Diese fehlt indessen.
18Vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21/04 -, juris Rn. 41 f.; Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteil vom 4. April 2006 - 9 A 3590/05.A -, juris Rn. 86 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Januar 2007 - 16 K 4578/05.A -, juris Rn. 39 (alle bezüglich der Fristenbestimmung des § 73 Abs. 2a AsylVfG a.F.).
19Ist danach für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die alte Fassung des § 11 Abs. 7 AufenthG zugrunde zu legen, war die Verbindung mit dem Asylbescheid rechtswidrig. Dem Aussetzungsantrag ist daher insoweit stattzugeben.
20Im Übrigen ist der Antrag jedoch unbegründet.
21Bei der im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Interesse des Betroffenen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt insoweit nämlich vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Entscheidung, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht bestehen, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Zu Recht hat das Bundesamt die Antragsteller zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert.
22Gemäß §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG ist der Ausländer zur Ausreise innerhalb einer Frist von einer Woche verpflichtet, wenn das Bundesamt seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und wenn er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. In diesem Falle erlässt das Bundesamt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 des AufenthG eine Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche. Diese Voraussetzungen liegen bei den Antragstellern vor. Sie besitzen keinen Aufenthaltstitel und das Bundesamt hat ihre Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Weiter hat das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorlägen.
23Aus § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG folgt jedoch, dass der auf Schutz vor Abschiebung gerichtete Antrag des Asylsuchenden auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes immer dann Erfolg haben und sein Aufenthalt gemäß § 37 Abs. 2 AsylG jedenfalls bis zur unanfechtbaren Ablehnung seines Asylbegehrens gestattet werden muss, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, insbesondere wenn sich der Asylantrag im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abweichend von der Einschätzung des Bundesamtes nicht als offensichtlich unbegründet darstellt. Das Gericht hat bei der Prüfung, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes ernstlichen Zweifeln begegnet, alle ihm bekannten Rechtsgrundlagen zu berücksichtigen und ist nicht allein auf die Prüfung der vom Bundesamt angeführten Offensichtlichkeitskriterien beschränkt.
24Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) ist gemäß § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung droht. Hinsichtlich des Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG gilt, dass bei einem Ausländer, der aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, die gesetzliche Vermutung besteht, dass ihm dort keine Verfolgung droht.
25Die Republik Serbien, aus der die Antragsteller stammen, ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß des am 6. November 2014 in Kraft getretenen Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitszugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31.Oktober 2014 (GBl. I S. 1649), § 29 a Abs. 2 AsylG in Verbindung mit der Anlage II zum Asylgesetz ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG. Verfassungsrechtliche oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat hat das Gericht nicht. Aus den dem Gericht zur Verfügung stehenden aktuellen Erkenntnisquellen lässt sich nicht herleiten, dass hierbei der gesetzgeberische Spielraum überschritten worden wäre.
26Vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - VGH Mannheim -, Urteil vom 24. Juni 2015 - A 6 S 1259/14 -, juris Rn. 19; VG Berlin, Urteil vom 25. März 2015 - 7 K 602.14 A -, juris Rn. 14; VG Hamburg, Beschluss vom 6. März 2015 - 5 AE 270/15 -, juris Rn. 4; VG Bayreuth, Beschluss vom 13. Februar 2015 - B 3 S 15.30041 -, juris Rn. 17; VG Aachen, Beschluss vom 3. Februar 2015 - 9 L 680/14.A -, juris Rn. 9; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 19a L 94/15.A -, juris Rn. 4; VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2015 - VG 7 K 546.15 A -, juris Rn. 19 ff.
27Die Antragsteller haben keine Anhaltspunkte im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG i.V.m. § 29a Abs. 1 2. Halbsatz AsylVfG glaubhaft gemacht, die die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung im konkreten Einzelfall rechtfertigen könnten.
28Zunächst ist nicht ersichtlich, wieso die Antragsteller, die sich im Wesentlichen darauf berufen, aus Angst vor den Bedrohungen durch einen serbischen Geldeintreiber geflohen zu sein, nicht primär versucht haben, den Schutz des serbischen Staates in Anspruch zu nehmen. Zum anderen haben sie ihre Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden auch nicht glaubhaft gemacht. Die Schilderung der angeblichen Verfolgungsgeschichte der Antragsteller ist vage und detailarm und in zentralen Bereichen widersprüchlich. Sie waren nicht in der Lage konkrete Vorkommnisse und detailliert bestimmte Abläufe zu beschreiben, die ihnen angeblich widerfahren sind. Wenig nachvollziehbar ist, dass die Antragstellerin zu 2. auf die Frage, wie viele Sachen ihr Mann von dem geliehenen Geld (1.600,-- €) gekauft habe, nur mit "so Mengen halt" antwortete und keine genaueren Angaben zur - auch nur groben - Anzahl der Taschen oder Kisten machen konnte, obwohl die Sachen nach ihren eigenen Angaben in dem von ihnen bewohnten Zimmer im Haus gelagert wurden und gewissermaßen als Auslöser der Probleme mit den Gläubigern, von deren Geld sie gekauft wurden, im Fokus der Aufmerksamkeit während der letzten Monate der Familie in ihrem Heimatland gestanden haben dürften. Auch hat der Antragsteller zu 1. lediglich von mündlichen Bedrohungen durch seine Gläubiger und auch erst bei dem letzten Besuch vor der Ausreise am 10. Mai 2015 gesprochen, während die Antragstellerin zu 2. angab, ihr Mann sei jedes Mal malträtiert, insbesondere geschlagen worden und auch zwei der Kinder, die zur Schule gegangen seien, seien malträtiert worden. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, wieso der Antragsteller zu 1. als unmittelbar von den Schlägen Betroffener diese Angriffe sowie die auf seine Kinder bei seiner Anhörung nicht erwähnt haben sollte. Insgesamt handelt es sich bei dem Vortrag nicht um eine lückenlose Schilderung der in die Sphäre der Antragsteller fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse. Vielmehr ist die Schilderung der Antragsteller in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich.
29vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379.
30Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht zur weiteren Begründung sowie hinsichtlich der geltend gemachten Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes, die es insgesamt für zutreffend hält (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
31Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit kann auch darin bestehen, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlechtert. Für die Bestimmung der "Gefahr" gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist "erheblich", wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Heimatland eintreten wird.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 - 9 C 48/96 -, InfAuslR 1998, 125; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10. November 2011 ‑ 8 LB 108/10 -, juris Rn. 32 ff.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 ‑ 13a ZB 10.30283 -, juris Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - 9 A 3642/06.A -, NRWE Rn. 78; jeweils m.w.N.
33Die der Antragstellerin zu 2. attestierten Erkrankungen (Generalisierte Angststörung, Anpassungsstörungen, Kontaktanlässe mit Bezug auf die soziale Umgebung) rechtfertigen, ihr Vorliegen unterstellt, nicht die Annahme, dass sich ihr Gesundheitszustand bei einer Rückkehr nach Serbien alsbald wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zu 2. die notwendige medizinische Versorgung der ihr attestierten Leiden nicht auch in Serbien erhalten kann.
34Das gesamte Gebiet Serbiens ist durch ein Netz von öffentlichen medizinischen Anstalten (klinischen Zentren, medizinischen Zentren, allgemeinen Polikliniken, fachärztlichen Ambulanzen) abgedeckt. Daneben gibt es private ärztliche Praxen. Das öffentliche Gesundheitssystem leidet noch immer unter einem Mangel an Mitteln und Investitionen, bietet jedoch allen Bürgern eine medizinische Basisversorgung. Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien aufgrund fehlender Ausrüstung grundsätzlich nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Ausgebildetes medizinisches Personal ist vorhanden. Auch die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Insgesamt hat sich die Medikamentenversorgung erheblich verbessert. Kliniken, Apotheken und Privatpersonen können grundsätzlich jedes in Serbien zugelassene Medikament aus dem Ausland bestellen und einführen, was im Einzelfall einige Tage dauern kann.
35Vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 15 ff.
36Psychische Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, Traumata oder posttraumatische Belastungsstörungen sind in Serbien grundsätzlich behandelbar. Sie werden aufgrund des dort vorherrschenden medizinischen Ansatzes vorwiegend medikamentös behandelt,
37vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 17,
38was ausweislich des vorgelegten ärztlichen Attestes des Dipl.-Psych. P., vom 13. August 2015 der derzeitigen Behandlung der Antragstellerin zu 2. in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Es besteht zudem die Möglichkeit anderer Therapieformen, wenn auch in begrenztem Umfang.
39Vgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 17.
40Selbst für den Fall, dass der Standard einer Behandlung in Serbien hinter dem hiesigen zurückbleibt, genügt dies nicht, um von einer konkreten, d.h. alsbald eintretenden und erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin zu 2. auszugehen. Denn die Gewährung von Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 7 AufenthG dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Die Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 11 A 4518/02.A -, NRWE Rn. 23.
42Nach alldem hat die Klage auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung keine Aussicht auf Erfolg. Sie war durch das Bundesamt zu erlassen, weil die Antragsteller weder als Asylberechtigte anerkannt noch ihnen die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz subsidiärer Schutz zuerkannt wurden, Abschiebungsverbote nicht festgestellt wurden und sie keine Aufenthaltsgenehmigung besitzen (§ 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG). Die gesetzte Ausreisefrist ergibt sich aus § 36 Abs. 1 AufenthG, weil der Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Der Antrag war insoweit daher abzulehnen.
43Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
44Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit beantragt worden war, die Beklagte unter Aufhebung von Ziff. 1 - 3 des Bescheides vom ... August 2014 zur Gewährung von internationalem Schutz zu verpflichten.
II.
Der Bescheid vom ... August 2014 wird in Ziff. 4 und 5 insoweit aufgehoben, als ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowina verneint und die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina angedroht wird.
Die Beklagte wird zu der Feststellung verpflichtet, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowina vorliegen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin ¾, die Beklagte 1/4 zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die am ... November 1995 geborene ledige Klägerin ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, bosnischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Sie reiste nach eigenen Angaben am 02. Juni 2013 aus Österreich kommend nach Deutschland ein und beantragte am 19. Juni 2013 Asyl. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt ... (Bundesamt) am 13. Januar 2014 gab sie im Wesentlichen an: Ihr tunesischer Vater, zu dessen Familie sie keine Beziehung habe, sei früh verstorben. Ihre bosnische Mutter habe dann einen Bosnier geheiratet und neben ihren zwei Kindern aus der Beziehung mit dem Tunesier weitere acht Kinder bekommen. Im Jahr 2012 sei ihr Stiefvater nach Wien gefahren, im Jahr 2013 sei sie mit ihrer Mutter, ihrem vollbürtigen Bruder und ihren acht Halbgeschwistern nachgereist. Sie und ihr Bruder seien vom Stiefvater sehr schlecht behandelt, beschimpft und ausgenutzt worden. Er habe sie mit einem ihr unbekannten Araber verheiraten wollen. Ihr Bruder sei dann nach Bosnien zurückgekehrt, sie selbst sei nach einem neunmonatigen Aufenthalt in Österreich nach ... gefahren. Diese Reise sei von einem pakistanischen Staatsangehörigen organisiert worden, der sich als Asylbewerber in Deutschland aufhält und mit dem sie von einem ihr nicht näher bekannten islamischen Geistlichen getraut worden sei. Sie sei nicht länger in Österreich geblieben, weil sie nicht bei ihrer Familie bzw. ihrem Stiefvater bleiben und stattdessen mit ihrem Ehemann zusammen leben wollte. Auf die Frage nach den Gründen für ihren Asylantrag und nach Tatsachen, die eine Furcht vor politischer Verfolgung begründen könnten, verwies die Klägerin wiederum auf die Schwierigkeiten mit ihrem Stiefvater. In Österreich habe sie ihn nicht anzeigen können, weil es dann noch größere Probleme gegeben hätte, und in Bosnien wäre eine Strafanzeige im Sande verlaufen.
Am 01. April 2014 wurde die Klägerin von einem Kind entbunden, dessen Vater ihr pakistanischer Lebensgefährte ist.
Mit Bescheid vom ... August 2014, zugestellt am 09. August 2014, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziff. 1 und 2); es erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziff. 3), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziff. 4) und forderte die Klägerin unter Androhung der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina oder einen anderen zu ihrer Einreise bereiten oder zu ihrer Rückübernahme verpflichteten Staat auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Ziff. 5).
Mit Schreiben vom 14. August 2014, eingegangen am gleichen Tag, erhob die Klägerin „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom ... August 2014.
Am 22. August 2014 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... August 2014 zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie - hilfsweise - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und - weiter hilfsweise - das Vorliegen der Voraussetzungen für Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Zuletzt wurde mit Schriftsatz vom 17. August 2015 die Klage dahingehend beschränkt, dass der Bescheid vom ... August 2015 in Ziff. 4 und 5 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, dass bei der Klägerin Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich von Bosnien-Herzegowina vorliegen.
Der gleichzeitig mit Klageerhebung gestellte Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, wurde mit
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2014 wies die Klägerseite darauf hin, dass nach Auskunft einer Verwandten der Klägerin der inzwischen nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrte Stiefvater die Klägerin wegen der von ihm nicht akzeptierten Verbindung mit dem pakistanischen Lebensgefährten erneut massiv bedroht habe.
Die mündliche Verhandlung vom 03. Februar 2015, zu der die Klägerin wegen gerichtsbekannter Störungen des Eisenbahnverkehrs nicht erscheinen konnte, wurde vertagt.
Mit Schriftsatz vom 17. August 2015 legte die Klägerseite die ausführliche Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie der ... Klinik GmbH in ... vom 31. Juli 2015 vor. Danach leidet die Klägerin an einer schweren depressiven Episode (ICD 10: F 32.2) und einer posttraumatischen Belastungsstörung vom Typ II (ICD 10: F 43.1). Bei der Patientin seien nicht nur die Kriterien für diese Krankheiten erfüllt, die Ausprägung des psycho-pathologischen Befundes und die psychiatrische Vorgeschichte würden eine klare Indikation für eine kontinuierliche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung darstellen. Ohne ausreichende Behandlung sei davon auszugehen, dass sich das Befinden der Patientin noch weiter verschlechtere, das Suizidrisiko sei - bei bereits stattgehabtem Suizidversuch in der jüngsten Vorgeschichte - insbesondere angesichts einer Rückkehr nach Bosnien und der Trennung der Familie als sehr hoch einzustufen. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung mit deutlich eingeschränkter Belastbarkeit sei bei der Klägerin von einer erhöhten Gefahr der Zunahme der Krankheitsbelastung auszugehen; bei einer Rückführung nach Bosnien sei mit Sicherheit von einer Dekompensation mit akuter Eigengefährdung auszugehen. Ein Behandlungsabbruch sei aus medizinischer Sicht nicht vertretbar.
Auf eine mündliche Verhandlung hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 17. August 2015, die Beklagtenseite (generell) mit Schreiben vom 24. Juni 2015 verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Gründe
Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden.
Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO insoweit einzustellen, als der ursprüngliche Klageantrag vom 22. August 2014 mit Schriftsatz vom 17. August 2015 nicht aufrechterhalten wurde.
Soweit mit dem zuletzt gestellten Klageantrag die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom ... August 2014 zu der Feststellung verpflichtet werden soll, dass bei der Klägerin ein Abschiebungshindernis hinsichtlich Bosnien-Herzegowina vorliegt, hat die zulässige Klage Erfolg.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr. BVerwG, U. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - juris; BayVGH, U. v. 08.03.2012 - 13a B 10.30172 - juris). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 08.03.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.).
Daran gemessen sind im Fall der Klägerin die Voraussetzungen für ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben:
Die Klägerin leidet zur Überzeugung des Gerichts an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und an einer schweren depressiven Episode (ICD: F43.1 und F32.2). Dies ergibt sich aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2015.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS besondere Anforderungen. Gefordert wird die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden, aktuellen fachärztlichen Attests (BVerwG, B. v. 26.07.2012 - 10 B 21/12 - juris Rn. 7 m. w. N.; BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15). Dies gilt hinsichtlich eines Beweisantrags und erst recht für die Frage, ob vorgelegte Unterlagen ein ausreichender Nachweis für eine PTBS sein können. Diese besonderen Anforderungen sind im Fall der Klägerin erfüllt: Mit der ausführlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2015 liegt ein aktuelles ärztliches Attest vor, das von dem, die Klägerin untersuchenden und behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erstellt wurde und dem sich nachvollziehbar entnehmen lässt, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wird und wie sich die Krankheit im konkreten Fall der Klägerin darstellt. Das Attest enthält auch Angaben über die Ursachen und die Schwere der Erkrankung, den Behandlungsbeginn, den bisherigen Verlauf, die erforderliche Behandlung sowie die Folgen, falls eine Behandlung unterbleiben würde. Die fachärztliche Stellungnahme vom 31. Juli 2015 bestätigt im Übrigen auch den von einer Dipl.-Psychologin erstellten Bericht vom 11. September 2013.
Insgesamt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin bei einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina ganz erheblich, wenn nicht gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, wie in der fachärztlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2015 nachvollziehbar ausgeführt wird. Zwar ist auch in Bosnien-Herzegowina eine Behandlung psychischer Erkrankungen ansatzweise möglich (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 11.11.2014, S. 17). Im besonderen Fall der Klägerin könnte jedoch die dringend erforderliche psychotherapeutische Behandlung dort aller Voraussicht nach nicht durchgeführt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer sozialen Stellung, ohne finanzielle Mittel und ohne Rückhalt ihrer Familie in absehbarer Zeit praktisch keinen Zugang zu den ohnehin kaum vorhanden Therapieplätzen haben würde.
Nach alledem war der Klage hinsichtlich eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG stattzugeben.
Im Übrigen - also soweit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG und Abschiebungsverbote hinsichtlich anderer Staaten (also nicht hinsichtlich von Bosnien-Herzegowina) verneint und die Abschiebung in einen anderen, zur Aufnahme der Klägerin bereiten oder zu ihrer Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht wurde, war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung: § 167 Abs. 2 VWO i. V. m. §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er am
In seiner Anhörung gab der Antragsteller an, er habe mit einem Freund ein Wettgeschäft betrieben, dieses aber auf Wunsch des Vermieters aufgeben müssen. Er sei auch Profifußballer in der zweiten albanischen Liga gewesen. Nachdem ihm sein Verein gekündigt habe, habe er keine Einnahmen mehr gehabt und sein Sportstudium abbrechen müssen. Er sei nach Deutschland gekommen, um seine Profikarriere fortzusetzen und damit sein Studium zu finanzieren. Bei einer Rückkehr nach Albanien hätte er weder Geld noch Arbeit.
Mit Bescheid vom
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen vor dem Bundesamt Bezug genommen.
Das Bundesamt legte die Behördenakten vor; ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.30496 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG). Ernstliche Zweifel i. S. d. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG liegen nur vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris). Dabei ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich die Abweisung der Klage bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - juris Rn. 15).
Im vorliegenden Fall bestehen an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel. Das Gericht folgt daher den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend bleibt auszuführen, dass Albanien als sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zu § 29a AsylG gelistet ist. Gegen diese Einstufung bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B. v. 22.12.2015 - 33 L 357.15 A - juris). Gemäß § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Der Antragsteller hat sich lediglich auf fehlende Geldmittel und Arbeitslosigkeit, mithin also auf wirtschaftliche Gründe berufen. Ein solches Vorbringen vermag aber die Regelvermutung des § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG nicht zu erschüttern. Zwar geht das Gericht davon aus, dass die allgemeine wirtschaftliche Situation in Albanien tatsächlich schlecht ist und sich die wirtschaftliche Lage vieler Albaner aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und anderer Faktoren als schwierig darstellt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist aber gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe. Grundnahrungsmittel werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich im sozialen Bereich (vgl. Lagebericht des Auswärtige Amtes vom 10. Juni 2015, S. 12 f.).
Somit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
...
Tenor
Der Antrag vom 1. April 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 1425/16, gegen die Abschiebungsandrohungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Gründe
I.
- 1
Der in der Antragsschrift formulierte Antrag, „die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen“ wird nach dem verfolgten Rechtsschutzziel gemäß §§ 88, 121 Abs. 1 VwGO dahingehend ausgelegt, dass die Antragsteller nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, 2 A 1425/16, begehren, soweit sie sich als Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 19. Januar 2016 unter Ziffer 5 enthaltene Abschiebungsandrohungen richtet. Der sachdienlich ausgelegte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beschränkt sich auf die Abschiebungsandrohungen (hierzu unter 1.) und zielt auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (hierzu unter 2.). Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erstreckt sich nicht auf die behördliche Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (hierzu unter 3.) oder die behördliche Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (hierzu unter 4.).
- 2
1. (Prinzipaler) Gegenstand des fachgerichtlichen Eilverfahrens ist allein die aufenthaltsbeendende Maßnahme, beschränkt auf die Frage ihrer sofortigen Vollziehbarkeit; die sofortige Beendigung des Aufenthalts eines Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die (qualifizierte) Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge; Anknüpfungspunkt der fachgerichtlichen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss daher (inzident) die Frage sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, ohne dass deshalb die Ablehnung der Schutzanträge unter Ziffern 1 bis 4 des Bescheids selbst zum Verfahrensgegenstand werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, juris Rn. 93). Nur soweit die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung davon abhängt, dass die Behörde eine Einzelfallentscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots getroffen hat, ist auch dieser Umstand inzident zu prüfen.
- 3
2. Sachdienlich ausgelegt zielt der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ab. Ein Antrag, analog § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung festzustellen, die der Klage bereits ohne besondere gerichtliche oder behördliche Anordnung aufgrund der einschlägigen Rechtsnormen zukäme, ist deshalb nicht sachdienlich, weil die Abschiebungsandrohungen gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbar sind. Der Anwendung des § 75 Abs. 1 AsylG steht keine unmittelbar geltende Bestimmung der Europäischen Union entgegen. Insbesondere ist Art. 45 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des Internationalen Schutzes (Neufassung) (ABl. Nr. L 180/60 v. 29.6.2013. S. 60 – Verfahrensrichtlinie) im Fall der Ablehnung eines Asylantrags eines Antragstellers aus dem sicheren Herkunftsstaat nicht unmittelbar anwendbar und folgt daraus im Rechtsverhältnis zum jeweiligen Antragsteller kein verfahrensrechtliches Bleiberecht (a.A. VG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.2016, 7 L 4154/15.A, juris Rn. 17 ff.). Denn es verbleibt nach Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich des Mittels bei der Anwendung des mitgliedstaatlichen Rechts, da der antragsgegnerische Mitgliedstaat diese Richtlinie insoweit vollständig umgesetzt hat. Zwar muss das nationale Recht nach der auch zeitlich anwendbaren Richtlinie 2013/32/EU während des Hauptsacheverfahren grundsätzlich ein verfahrensrechtliches Bleiberecht ohne besondere gerichtliche Entscheidung gewähren (hierzu unter a.), doch ist dieses Bleiberecht während des Hauptsacheverfahrens vorliegend nach dem nationalen Recht in Übereinstimmung mit den unionalen Vorgaben ausnahmsweise ausgeschlossen (hierzu unter b.).
- 4
a. Die Richtlinie 2013/32/EU findet in zeitlicher Hinsicht Anwendung, da die Antragsteller ihren Antrag auf internationalen Schutz am 10. November 2015 und damit nicht vor dem in Art. 52 UAbs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU genannten Stichtag 20. Juli 2015 gestellt haben. Unbeschadet des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU gestatten die Mitgliedstaaten nach Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf. Eine Erfüllung der Vorgaben des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU folgt nicht bereits daraus, dass gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG die Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung, d.h. vor der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, nicht zulässig ist. Im Einzelnen:
- 5
Es ist bereits zweifelhaft, ob während des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ein vom Unionsrecht gefordertes Bleiberecht nach nationalem Recht besteht. Denn solange das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch nicht entschieden hat, ist die Abschiebungsandrohung nach § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbar, so dass die durch § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG begründete Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG als erloschen gilt. Erst mit einer stattgebenden Entscheidung des Gerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entfällt die sofortige Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung rückwirkend, so dass der Erlöschenstatbestand des § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG vorläufig als nicht erfüllt gilt.
- 6
Zumindest ist als wirksamer Rechtsbehelf i.S.d. Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU nicht der nach dem nationalen Recht der Antragsgegnerin zu stellende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, sondern die Klage zu verstehen (insoweit auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.2016, 7 L 4154/15.A, juris Rn. 21 ff.). Dass das Bleiberecht nach dem Grundsatz des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU nicht nur bis zu einer gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht, geht im Umkehrschluss aus der Ausnahmeregelung des Art. 46 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU hervor. Danach gestatten die Mitgliedstaaten dem Antragsteller, bis zur Entscheidung in dem Verfahren (u.a.) nach Art. 46 Abs. 6 Richtlinie 2013/32/EU darüber, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, im Hoheitsgebiet zu verbleiben. Die in Bezug genommene, dem Grundsatz des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU vorrangige Bestimmung des Art. 46 Abs. 6 Richtlinie 2013/32/EU sieht vor, dass in den dort genannten Fällen das Gericht befugt ist, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden und wenn in diesen Fällen das Recht auf Verbleib in dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist.
- 7
b. Doch liegt zulasten der Antragsteller eben ein in Art. 46 Abs. 6 Richtlinie 2013/32/EU benannter Fall vor, in dem in Übereinstimmung mit den Vorgaben des unionalen Rechts das nationale Recht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG nur durch gerichtliche Entscheidung auf gesonderten Antrag des Antragstellers hin ein Bleiberecht für die Dauer des Hauptsacheverfahrens vorsieht. Es ist der in Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Alt. 1 Richtlinie 2013/32/EU benannte Fall einer Entscheidung gegeben, einen Antrag auf internationalen Schutz im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU als offensichtlich unbegründet zu betrachten, ohne dass die Entscheidung auf die in Art. 31 Abs. 8 Buchst. h Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände gestützt wird. Nach Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU können im Falle von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände gegeben ist, die Mitgliedstaaten einen Antrag ferner als offensichtlich unbegründet betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Abstrakt ist dann, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, ein in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU – außerhalb dessen Buchst. h – aufgeführter Umstand gegeben (hierzu unter aa.), für den in den nationalen Rechtsvorschriften des antragsgegnerischen Mitgliedstaats vorgesehen ist, den Antrag auf internationalen Schutz als offensichtlich unbegründet zu betrachten (hierzu unter bb.). Konkret kommen die Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat (hierzu unter cc.) und sind ihre Anträge auf internationalen Schutz nach dem nationalen Recht als offensichtlich unbegründet zu betrachten (hierzu unter dd.).
- 8
aa. Dass der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie kommt, ist ein in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführter Umstand. Unerheblich ist, ob der antragsgegnerische Mitgliedstaat nach seinem nationalen Recht von der durch diese Bestimmung eingeräumten Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens im Einzelfall Gebrauch gemacht hat. Ein beschleunigtes Verfahren dürfte nur ein solches i.S.d. § 30a AsylG sein (eingefügt durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.2016, BGBl. I S. 390, ausdrücklich unter Bezugnahme auf Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU der Gesetzentwurf BT-Drs. 18/7538, S. 12, 16). Darauf kommt es aber nicht an. Denn Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Alt. 1 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU knüpft lediglich an die im Katalog des Art. 31 Abs. 8 Buchst. a bis g und i bis j Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände tatbestandlich an, ohne jedoch vorauszusetzen, dass die Mitgliedstaaten von der durch Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU als Rechtsfolge eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II der Richtlinie 2013/32/EU beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Art. 43 Richtlinie 2013/32/EU durchgeführt wird. Diese Auslegung folgt zum einen daraus, dass Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU an die in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU „aufgeführten Umstände“ anknüpft, während Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Alt. 2 Richtlinie 2013/32/EU, den „Fall einer Entscheidung … nach Prüfung gemäß“ Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU in Bezug nimmt. Zum anderen folgt diese Auslegung daraus, dass Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU den Fall einer Entscheidung nach Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU nicht als Unterart des Fall einer Entscheidung nach Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU behandelt, sondern gleichrangig als alternativ zu erfüllende Tatbestandsvariante daneben setzt.
- 9
bb. In Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 8 Buchst. b. Richtlinie 2013/32/EU hat der antragsgegnerische Mitgliedstaat in seinen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz insbesondere bereits dann als offensichtlich unbegründet zu betrachten, wenn der Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt. Dies folgt aus § 29a Abs. 1 AsylG. Gemäß dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Nach dem Tatbestand des § 29a Abs. 1 AsylG setzt die Qualifizierung eines unbegründeten Asylantrags als offensichtlich unbegründet damit nur voraus, dass die Vermutung, es fehle an einer für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 Abs. 1 GG vorausgesetzten politischen Verfolgung, nicht widerlegt ist. Gleichwohl verweist die Rechtsfolge des § 29a Abs. 1 AsylG darauf, dass „der Asylantrag“, d.h. mangels Differenzierung: der Asylantrag insgesamt, als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Begrifflich umfasst „der Asylantrag“ gemäß § 13 Abs. 1, Abs. 2 AsylG nicht nur das Ersuchen um Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG, sondern auch das Ersuchen um internationalen Schutz i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AsylG und i.S.d. damit übereinstimmenden Definition des Art. 2 Buchst. i i.V.m. Buchst. j und k Richtlinie 2013/32/EU. Sofern der durch § 13 Abs. 1, Abs. 2 AsylG definierte Asylantrag unbegründet ist, d.h. weder eine Anerkennung als Asylberechtigter noch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch subsidiärer Schutz zu gewähren ist, und die Qualifikation des § 29a Abs. 1 AsylG hinzutritt, betrachtet das nationale Recht mithin den Antrag auf internationalen Schutz als offensichtlich unbegründet. Die Qualifikation tritt im Einzelfall nach dem nationalen Recht bereits dann hinzu, wenn das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Offensichtlichkeitsausspruch auf die Unbegründetheit des Antrags als Asylberechtigter beschränkt und sich insoweit auf § 29a Abs. 1 AsylG stützt. Die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz als unbegründet ist in diesem Fall nach nationalem Recht gemäß § 29a Abs. 1 AsylG auch ohne einheitlichen Offensichtlichkeitsausspruch als offensichtlich unbegründet zu betrachten. Denn nach dem nationalen Recht erstreckt sich die Offensichtlichkeit stets auf den Asylantrag als Ganzes und schließt der Asylantrag den Antrag auf internationalen Schutz ein.
- 10
Das nationale Konzept sicherer Herkunftsstaaten ist in seiner Ausgestaltung mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.1.2016, 6 L 4047/15.A, Rn. 23 ff.). Zwar bleibt zugunsten der Antragsteller die im nationalen Recht vorgesehene Rechtsfolge einer Einordnung als sicherer Herkunftsstaat hinter der Rechtsfolge zurück, die nach dem Unionsrecht an eine solche Einordnung geknüpft werden dürfte. Das nationale Konzept des sicheren Herkunftsstaats verzichtet bezüglich des subsidiären Schutzes auf eine widerlegbare Vermutung und verlangt stattdessen eine Vollprüfung des § 4 Abs. 1 AsylG (VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 27). Es handelt sich um ein nach Art. 5 Richtlinie 2013/32/EU für den Antragsteller zulässige günstigere Bestimmung. Die Vollprüfung stellt mindestens in dem Maße, wie es eine Vermutungsregelung gewährleisten würde, sicher, dass der Herkunftsstaat in Übereinstimmung mit Art. 36 Richtlinie 2013/32/EU nach individueller Prüfung für einen bestimmten Antragsteller als sicherer Herkunftsstaat betrachtet wird (VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 27).
- 11
cc. Die Antragsteller kommen aus einem sicheren Herkunftsstaat. Die im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegende gesetzliche Bestimmung Albaniens zum sicheren Herkunftsstaat in Anlage II zu § 29a AsylG durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (v. 20.10.2015, BGBl. I S. 1722). genügt den Vorgaben des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG. Danach können durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Nach Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird. Für den Gesetzgeber besteht hinsichtlich der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat ein Entscheidungsspielraum, der überschritten ist, wenn er sich nicht von guten Gründen hat leiten lassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1507/93, BVerfGE 94, 115, juris Rn. 87). Diese Grenze hat der Gesetzgeber im Hinblick auf Albanien nicht überschritten. Im Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (BT-Drs. 18/6185 v. 29.9.2015, S. 25, 37 ff.) gestützt insbesondere auf die Berichterstattung des Auswärtigen Amtes nachvollziehbar dargelegt, dass trotz noch vorhandener Defizite als gewährleistet betrachtet werden kann, dass in Albanien generell weder asylrelevante Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen Konfliktes drohen. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes (v. 10.6.2015 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015) gibt es immer wieder Fälle von Gewalt und teilweise schweren Misshandlungen seitens oder im Verantwortungsbereich der Polizei (S. 11) und kommt es in Einzelfällen zu Repressionen privater Dritter (S. 10), es besteht jedoch ein demokratisches System (S. 5) und es finden keine systematischen Menschenrechtsverletzungen statt (S. 6). Davon ausgehend davon oblag es dem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, Fälle einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung als Ausnahmen zu betrachten und Albanien gleichwohl als sicheren Herkunftsstaat einzustufen, ohne damit eine individuelle Prüfung auszuschließen.
- 12
Die Bestimmung Albaniens zum sicheren Herkunftsstaat genügt ferner den Vorgaben des Art. 37 Richtlinie 2013/32/EU. Danach können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehalten oder erlassen, aufgrund derer sie im Einklang mit Anhang I Richtlinie 2013/32/EU sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Nach Anhang I Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung i.S.d. Art. 9 Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind. Im Fall Albaniens sind nach dem Vorstehenden diese Gefährdungen im Allgemeinen nicht zu erwarten.
- 13
dd. Die Anträge der Antragsteller auf internationalen Schutz sind nach dem nationalen Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt zu betrachten. Zwar hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im angefochtenen Bescheid (unter Ziffer 2 und Ziffer 1) als „offensichtlich unbegründet“ nur die Ablehnung der Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zum Ausdruck gebracht. Doch wird nach dem nationalen Recht der Asylantrag i.S.d. § 13 Abs. 1, Abs. 2 AsylG und der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet betrachtet, sofern die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist (s.o. bb.).
- 14
3. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist ausgehend von der Antragsschrift und der Interessenlage der Antragsteller nicht dahingehend auszulegen, dass er sich prinzipal auch gegen die von der Antragsgegnerin im Bescheid unter Ziffer 7 nach § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG getroffene Entscheidung richtet, das aus § 11 Abs. 1 AufenthG folgende gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen. Vorläufiger Rechtsschutz wäre im Hinblick auf die behördliche Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu suchen, denn die aufschiebende Wirkung einer Klage vermittelt nur vorläufigen Rechtsschutz der vor einer Beeinträchtigung durch den Verwaltungsakt bestehenden Rechtspositionen, statuiert oder erweitert solche aber nicht (dazu OVG Münster, Beschl. v. 12.6.2014, 12 A 38/13, juris Rn. 3). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dem Antrag nach der Interessenlage der Antragsteller nicht zu entnehmen, da vor der Durchführung der Abschiebung kein Anhaltspunkt für den nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsgrund bestünde. Nichts anderes ergibt sich wegen der am 24. Oktober 2015 ohne Übergangsregelung in Kraft getretenen Vorschrift des § 36 Abs. 3 Satz 10 AsylG. Diese Vorschrift enthält ein Fristerfordernis für Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Abs. 2 AufenthG, entbindet aber nicht von den allgemeinen Voraussetzungen, unter denen ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg haben kann. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift in dem hier nicht vorliegenden Fall verfassungskonform auszulegen ist oder mit höherrangigem Recht unvereinbar ist, dass erstmals nach Ablauf der Antragsfrist das Erfordernis einer dringlichen Regelung eintritt.
- 15
4. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist schließlich nicht dahingehend auszulegen, dass er sich prinzipal auch gegen die von der Antragsgegnerin im Bescheid unter Ziffer 6 nach § 11 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG getroffene Anordnung und Befristung eines behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots von 10 Monaten ab dem Tag der Ausreise richtet. Vorläufigen Rechtsschutzes bedarf es nicht, da die Anordnung gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erst mit der Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam wird.
II.
- 16
Der Antrag vom 1. April 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 1425/16, gegen die Abschiebungsandrohungen der Antragsgegnerin im Bescheid vom 19. Januar 2015 anzuordnen, ist zulässig (hierzu unter 1.), aber unbegründet (hierzu unter 2.).
- 17
1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hinsichtlich der gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohungen nach § 34 Abs. 1 AsylG statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Denn die gemäß §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG geltende Antrags- und Klagefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids ist durch die am 1. April 2016 bei Gericht eingegangene kombinierte Antrags- und Klageschrift gewahrt. Ein Bekanntgabedatum ist in der Asylakte nicht dokumentiert.
- 18
2. Der Antrag ist nicht begründet. Dies folgt aus der erforderlichen Abwägung unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung und des privaten Interesses der Antragsteller, dass ihr das vorläufige Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über ihre Asylanträge nicht zu Unrecht entzogen wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 19.6.1990, 2 BvR 369/90, InfAuslR 1991, 81, juris Rn. 20). Dabei darf das Gericht gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der auf der Grundlage der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG wegen offensichtlicher Unbegründetheit des Asylantrags erlassenen Abschiebungsandrohung nur dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Damit lassen der Verfassungs- und Gesetzgeber das vorläufige Bleiberecht nicht erst dann entfallen, wenn das Verwaltungsgericht sich von der Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils des Bundesamts überzeugt hat, sondern schon dann, wenn es an der Richtigkeit dieser Entscheidung keine ernstlichen Zweifel hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, Rn. 88). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG dann, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, a.a.O, Rn. 99).
- 19
Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Rechtsgrundlage für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG durch die Antragsgegnerin ist § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 36 Abs. 1, 29a AsylG. Dabei hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes insbesondere die Offensichtlichkeit der Ablehnung des Asylantrags zu prüfen (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, a.a.O., juris Rn. 94). Die Voraussetzungen zum Erlass der Abschiebungsandrohung liegen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG vor, da die Antragsteller nicht als Asylberechtigte anzuerkennen sind und ihnen nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (hierzu unter a.), ihnen kein subsidiärer Schutz zusteht und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (hierzu unter b.) und sie keinen Aufenthaltstitel besitzen (hierzu unter c.). Die Bestimmung der Ausreisefrist und des Zielstaats der Abschiebung entsprechen ausgehend davon, dass der Offensichtlichkeitsausspruch gerechtfertigt ist, den Vorgaben (hierzu unter d.). Wegen der vorgenommenen behördlichen Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohungen (hierzu unter e.).
- 20
a. Die Antragsteller sind nicht nach Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen ist nicht nach § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Sie haben bereits nicht geltend gemacht, politisch verfolgt oder aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb ihres Herkunftslandes Albanien zu befinden.
- 21
b. Die Antragsteller können auch keinen subsidiären Schutz beanspruchen, da nicht nach § 4 Abs. 1 AsylG stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht sind, dass ihnen in ihrem Heimatland ein ernsthafter Schaden (Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) droht. Ebenso ergibt sich nicht nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Anwendung von Art. 3 EMRK (Verbot der Folter, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung), dass die Abschiebung unzulässig wäre. Auch besteht für die Antragsteller nicht nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Rückkehr in ihr Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.
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Zum einen besteht für Rückkehrer nach Albanien aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht allgemein eine Extremsituation, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (VG Hamburg, Beschl. v. 13.11.2015, 2 AE 5675/15; vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 6.10.2015, 2 AE 5221/15; Beschl. v. 18.8.2015, 21 AE 4017/15; Beschl. v. 10.8.2015, 15 AE 4179/15 zur Verneinung einer extremen Gefährdungslage im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Nach dem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage des Auswärtigen Amtes in Albanien (v. 10.6.2015, Stand: Mai 2015) ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gesichert. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen, zu denen auch Familien mit keinem oder geringen Einkommen gehören, Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.000,-- ALL (ca. 21,-- Euro) und für Familienoberhäupter von 8.000,-- ALL (ca. 57,-- Euro) sowie einem Invalidengeld von 9.900,-- ALL (ca. 70,-- Euro) bewegen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert.
- 23
Zum anderen sind auch unter Berücksichtigung der von den Antragstellern vorgebrachten individuellen Umstände weder stichhaltige Gründe für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gegeben noch sieht sich die Antragstellerin bei Rückkehr nach Albanien einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Im Einzelnen:
- 24
Der 1971 geborene Antragsteller zu 1 und die 1980 geborene Antragstellerin zu 2 sind verheiratet und Eltern des 2000 geborenen Antragstellers zu 3 und der 2002 geborenen Antragstellerin zu 4. Sie sind albanischer Staatsangehörigkeit, albanischer Volkzugehörigkeit und albanischer Herkunft und haben in ihrem Heimatland bis zu Ihrer Ausreise im August 2015 gelebt.
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Der Antragsteller zu 1 hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 24. November 2015 angegeben, er habe 17 Jahre lang schwarz als Taxifahrer gearbeitet. Seine Ehefrau leide an Neurodermitis und habe am ganzen Körper Flecken, weshalb er auch „Schwierigkeiten“ mit seinen Eltern gehabt habe, weil er „sozusagen eine Kranke Frau genommen habe“. Sein Sohn leide an der gleichen Krankheit. Mit seinen Eltern habe er keine Probleme mehr gehabt, aber der Sohn sei „in der Schule und von seinen Freunden“ gehänselt worden. Deswegen habe er, der Antragsteller zu 1, oft „Streit und Stress mit anderen Menschen“ gehabt. Er habe gedacht, dass Deutschland ein freies Land sei und man „hier auch frei leben [könne], egal welche Krankheiten man [habe]“. Die Nachfrage nach einem bestimmten Grund, aus dem er mit seiner Familie gerade im August 2015 das Land verlassen habe, hat er verneint und lediglich ergänzt, der einzige Grund sei gewesen, dass er jetzt gedacht habe „bloß weg von hier“.
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Die Antragstellerin zu 2 hat bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 24. November 2015 angegeben, zunächst als Näherin und dann in einer Schuhfabrik gearbeitet zu haben. Der Grund warum die Familie Albanien verlassen habe, sei, dass sie und ihr Sohn mit einer Erkrankung geboren worden seien, mit der sie sich in Albanien nicht frei und auch nicht wohlfühlten. Sie habe ihr ganzes Leben darunter gelitten. Sie, die Eltern, seien sehr in Sorge wegen ihres Sohnes. Der Sohn sei von einigen gehänselt worden, von anderen sei er „Späßen ausgesetzt“ gewesen. Es habe auch Fälle gegeben, die zum „Konflikt“ geworden seien. Deshalb hätten sie, die Eltern, Angst, dass irgendwann die Lage eskaliere.
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Davon ausgehend ist es für das Gericht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 3 Belästigungen und Beeinträchtigungen im sozialen Leben wegen ihrer Hautkrankheit ausgesetzt waren und sind. Es ist aber bereits kein spezifischer Landesbezug erkennbar, aus denen die Rückkehr nach Albanien für die Antragstellerin zu 2 und den Antragsteller zu 3 zu einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit führen könnte. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.d.F. des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.2016, BGBl. I S. 390) nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Vor dem Hintergrund, dass alle Antragsteller in der Vergangenheit unbeschadet in Albanien gelebt haben, haben die Antragstellerin zu 2 selbst und für den minderjährigen Antragsteller zu 3 seine ihn vertretenden Eltern nicht im Einzelnen und nachvollziehbar dargelegt, dass bei einer Rückkehr nach Albanien „Streit und Stress mit anderen Menschen“ oder „Konflikte“ in der Zukunft zu einer konkreten Gefährdungslage zu eskalieren drohen.
- 28
c. Einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG besitzen die Antragsteller nicht.
- 29
d. Die Bezeichnung Albaniens als Staat, in den abgeschoben werden soll, entspricht § 59 Abs. 2 AufenthG. Die in der Aufforderung zur Ausreise benannte Ausreisefrist von einer Woche entspricht § 36 Abs. 1 AsylG, da der Asylantrag gemäß § 29a Abs. 1 AsylG gemäß insgesamt offensichtlich unbegründet ist. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Offensichtlichkeitsausspruch ist ausreichend (s.o. I. 2. b. bb.).
- 30
e. Soweit die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung von einer nach § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG getroffenen behördlichen Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots abhängt, bestehen auch insoweit keine Bedenken.
- 31
Zwar ist nach Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 der die Mitgliedstaaten nach Ablauf der Umsetzungsfrist bindenden Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. Nr. L 348 v. 24.12.2008, S. 98) im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festzusetzen, so dass jedenfalls eine Abschiebung ohne eine zuvor getroffene Befristungsentscheidung unzulässig ist (EuGH, Urt. v. 19.9.2013, C-297/12, NJW 2014, 527, juris Rn. 34; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.1.2015, 8 ME 136/14, juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.3.2014, OVG 12 S 113/13, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.12.2012, 11 S 2303/12, ESVGH 63, 159, juris Rn. 8). Doch hat die Antragsgegnerin diesem Erfordernis bereits zugleich mit der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung unter Ziffer 5 des Bescheids Genüge getan, indem sie unter Ziffer 6 durch behördliche Einzelfallentscheidung das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet und auf diese Weise auch vor der Abschiebung ermöglicht hat, einen wirksamen Rechtsbehelf i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG einzulegen. Dagegen berührt der Umstand, dass die Klage wegen der getroffenen Befristungsentscheidung noch anhängig und über die Länge der Befristung noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist, die Rechtmäßigkeit der angedrohten Abschiebung nicht (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.3.2014, a.a.O., Rn. 22; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.12.2012, a.a.O., Rn. 11). Die Rechtmäßigkeit der durch das Bundesamt ausgesprochenen Abschiebungsandrohung hängt im Allgemeinen nicht davon ab, ob der Antragsteller eine kürzere als die behördlich bereits zugesprochene Befristung des nach der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG kraft Gesetzes geltenden Einreise- und Aufenthaltsverbots beanspruchen kann. Eine Ausnahme davon wäre allenfalls dann nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu machen, wenn die Antragsteller Anspruch auf eine Befristung auf null hätte. Davon ist nach den gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG beachtlichen Umständen in dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht auszugehen.
III.
- 32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der 1989 geborene Kläger ist Staatsangehöriger Albaniens und albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach seinen Angaben im März 2014 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 1. April 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
3In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 3. April 2014 gab er an, dass er aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist sei. Er habe in Albanien keine Arbeit und kein Einkommen. Die Ausreise habe 400 Euro gekostet. Das Geld habe er sich von einem Verwandten geliehen.
4Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 11. Juni 2014, zugestellt am 24. Juni 2014, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass die Voraussetzungen für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Albanien angedroht.
5Der Kläger hat am 27. Juni 2014 Klage erhoben. Seine Anhörung vor dem Bundesamt sei unvollständig wiedergegeben worden und er habe sich teilweise auch nicht getraut, vollständige Angaben zu machen. Er sei homosexuell, was ihm in seinem Heimatland erhebliche Nachteile einbringe, wenn dies öffentlich werde. Auch seiner Familie gegenüber habe er seine sexuelle Orientierung verheimlicht, sie habe aber kurz vor der Flucht hiervon erfahren. Sein Vater habe gedroht, ihn umzubringen.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 11. Juni 2014 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,
8hilfsweise,
9die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheids zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
10weiter hilfsweise,
11die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheids zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
12Die Beklagte hat schriftsätzlich Klageabweisung beantragt. Zur Begründung beruft sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
13Das Gericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren gleichen Rubrums 1 L 436/14.A mit Beschluss vom 3. Juli 2014 abgelehnt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verfahrens 1 L 436/14.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland wurden in das Verfahren eingeführt.
14Entscheidungsgründe:
15Über den Rechtsstreit konnte nach § 102 VwGO aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2014 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden form- und fristgerecht geladen; in der Ladung wurde ferner auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen eines Beteiligten ergehen könne.
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 11. Juni 2014 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
18Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG, zudem liegen in seiner Person keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG oder nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vor.
19Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft richtet sich nach § 3 Abs. 1 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
20Der Anwendungsbereich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, nunmehr nach § 3 Abs. 1 AsylVfG) ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. ‑, BVerfGE 80, 315.
22Allerdings geht der Flüchtlingsschutz teilweise über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. So begründen - nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylVfG - auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3c Nr. 3 AsylVfG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist.
23Nach § 3c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
24Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft - wie auch bei der des subsidiären Schutzes - der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr.
25Vgl. zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 10 C 7/11 -, juris, sowie OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 ‑ 8 A 4063/06.A -, juris, m.w.N.
26Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten wird vielmehr in Art. 4 Abs. 4 der QualRL eine tatsächliche Vermutung normiert, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden.
27Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11/09 -, juris, und vom 27. April 2010 - 10 C 5/09 -, InfAuslR 2010, 410.
28Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
29Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QualRL kommt zur Anwendung, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der erlittenen Verfolgung bzw. dem erlittenen Schaden und der befürchteten Verfolgung bzw. dem befürchteten Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QualRL erstreckt.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - 9 A 3642/06.A -, juris, m.w.N.
31Aus den in Art. 4 QualRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Es ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigen werden.
32Vgl. zu Art. 16a GG BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, und vom 3. August 1990 - 9 B 45.90 -, InfAuslR 1990, 344.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger seine Heimat nicht aufgrund individueller politischer Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG und § 3 Abs. 1 AsylVfG verlassen.
34Das Gericht lässt offen, ob die vom Kläger geschilderte Bedrohung durch seinen Vater glaubhaft ist. Er hatte diese in der Anhörung vor dem Bundesamt nicht angegeben und ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Der albanische Staat ist zumindest zu angemessen Schutz vor Gewaltdelikten bereit und in der Lage, worauf der Kläger sich verweisen lassen muss. Die angebliche Bedrohung durch seinen Vater droht überdies auch nicht landesweit, sodass er sich ihr innerhalb Albaniens entziehen könnte.
35Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, § 3 Abs. 1 AsylVfG geltend machen.
36Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen vom hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 3c Nr. 3 AsylVfG (früher § 60 Abs. 1 Satz 4c) AufenthG) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist.
37Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. August 2010 - A 2 S 1134/10 -, juris; BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237.
38Nach diesen Maßstäben unterliegt der Kläger keiner Gruppenverfolgung auf Grund seiner Homosexualität.
39Zwar ist in der albanischen Gesellschaft die Akzeptanz von Homosexuellen, Transvestiten oder transsexuellen Personen sehr gering. Der albanische Staat setzt Homosexuelle, Transvestiten oder transsexuelle Personen jedoch keinen Diskriminierungen aus. Einzelfällen von Übergriffen sind dem Büro des Ombudsmannes, den die Bürger bei Menschenrechtsverletzungen anrufen können, nicht bekannt.
40Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage der Republik Albanien (Stand: Oktober 2013) vom 16. Dezember 2013.
41Nachdem noch im Jahr 2012 der Verteidigungsminister Albaniens geäußert hatte, dass die Organisatoren einer geplanten LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Trans) Parade geschlagen werden sollten, traf sich im April 2013 der damalige Premierminister Albaniens Sali Berisha öffentlich mit LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Trans) Aktivisten und bekräftigte seine Unterstützung für ihre Rechte und Einbeziehung in die Gesellschaft. Einen Monat später bekundete auch der damalige Oppositionsführer und heutige Premierminister Albaniens Edi Rama seine Unterstützung.
42Vgl. US Department of State, Albania 2013, Human Rights Report, S. 23; Vereinigtes Königreich, Operational Guidance Note Albania vom 12. Dezember 2013, S. 30.
43Die ILGA-Europe (International lesbian, gay, bisexual, trans and intersex association) berichtete der EU-Kommission für den Zeitraum Oktober 2012 bis April 2013, dass in Albanien Homo- und Transphobie weiter verbreitet blieben, gleichzeitig aber Fortschritte bei der Anerkennung und des Schutzes von Homosexuellen bestehen würden.
44Vgl. ILGA-Europe's written submission to the European Commission's 2013 Progress Report on Albania vom 17. Mai 2013.
45Es existieren auch mehrere Organisationen (Aleanca LGBT, Pink Embassy, Pro LGBT) in Albanien, die sich für die Rechte von Homosexuellen und die Erhöhung deren gesellschaftlicher Akzeptanz einsetzen. Die Pink Embassy hat im Mai 2014 die erste "LGBT-Pride" in Albanien durchgeführt, einem Umzug in Tirana, der von Journalisten und Polizisten begleitet wurde.
46Vgl. Pink Embassy, 1st ever LGBT Pride held in Albania, www.pinkembassy.al.
47Homosexuelle sind demnach in Albanien von staatlicher Seite aus keiner Verfolgung ausgesetzt. Der albanische Staat ist zudem zu angemessenen Schutz vor privaten Angreifern bereit, wie exemplarisch der Schutz der LGBT-Parade zeigt. Die noch vorhandenen Diskriminierungen Homosexueller in der albanischen Gesellschaft erreichen nicht das asyl- und flüchtlingsrelevante Niveau.
48Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG. Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich.
49Vgl. zum Verhältnis des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes gegenüber dem sonstigen nationalen Abschiebungsschutz BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10/09 -, InfAuslR 2010, 458; OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - 9 A 3642/06.A -, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. August 2010 - A 2 S 1134/10 -, a.a.O.
50Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG, der hinsichtlich der unionsrechtlichen subsidiären Schutzgewährung nach § 4 AsylVfG hier alleine in Betracht kommt, liegen nicht vor. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist einem Ausländer subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn ihm als Zivilperson in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Eine solche Gefahr besteht in Mazedonien offensichtlich nicht.
51Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
52Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (- EMRK -, BGBl 1952 II 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus Systematik als auch Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet etwa aus Art. 8 EMRK, ziehen hingegen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG nach sich. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Der sachliche Regelungsbereich des nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist weitgehend identisch mit dem des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG, ohne dass das unionsrechtliche Abschiebungsverbot den nationalen Abschiebungsschutz als lex specialis verdrängt.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15/12 -, BVerwGE 146, 12 = juris, Rn. 34; OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Juli 2014 - 9 LB 2/13 -, juris, Rn. 17.
54In Ausnahmefällen kann sich ein Abschiebungsverbot zudem aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) ergeben, etwa dann, wenn im Zielstaat der Abschiebung eine Verurteilung unter krasser Missachtung der in Art. 6 EMRK normierten rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze droht. Auch kann Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) ein Abschiebungsverbot analog zum Asylrechtsschutz begründen. Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) wirkt demgegenüber - jedenfalls soweit es um das Zusammenleben im Bundesgebiet geht - grundsätzlich nicht zielstaatsbezogen. Der Schutz der Familie im Lichte des Art. 8 EMRK oder auch des Art. 6 GG im Falle einer Trennung begründet demgemäß regelmäßig allenfalls ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis - auch soweit es sich um trennungsbedingte Gefahren im Zielstaat handelt - für dessen Prüfung die Ausländerbehörde zuständig ist
55Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 - A 2 S 1995/12 -, AuAS 2013, 118 = juris, Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Juli 2010 - 8 LA 154/10 -, AuAS 2010, 244 = juris, Rn. 10.
56Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner neueren Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidungspraxis des EGMR dabei davon aus, dass Gefährdungen für ein Menschenrecht der EMRK auch von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehen können.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13/12 -, BVerwGE 147, 8 = juris, Rn. 25 unter Ausgabe der früheren Rechtsprechung BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 - 9 C 38.96 - zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris.
58Ausgehend davon ist vorliegend nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Soweit durch Art. 8 EMRK auch der Schutz der sexuellen Orientierung geschützt ist und zugleich insofern eine zielstaatsbezogene Wirkung der Vorschrift angenommen wird, ist aufgrund der vorstehenden Ausführungen nicht von einer Verfolgung Homosexueller auszugehen.
59Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
60Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
61Die vom Kläger geschilderte Bedrohung durch seinen Vater begründet keine Gefahr in diesem Sinne. Staatsangehörige vor nach nationalem Recht strafbaren Übergriffen Dritter auf seinem Staatsgebiet zu schützen, ist die Aufgabe des jeweiligen Staates. Gegen kriminelle Übergriffe ist deshalb Schutz durch die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte des Heimatlandes zu suchen. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bestünde nur dann, wenn der albanische Staat nicht willens oder nicht in der Lage wäre, den Schutzpflichten gegenüber seinen Bürgern nachzukommen. Dafür ist nichts ersichtlich.
62Vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc Lagebericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Oktober 2013) vom 16. Dezember 2013.
63Es ist überdies auch nicht ersichtlich, dass die geltend gemachte Bedrohung durch seinen Vater dem Kläger landesweit drohen würde. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann nicht gewährt werden, wenn der Ausländer sich der Gefahr durch Ausweichen in ein sicheres Gebiet seines Heimatlandes entziehen kann.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15/12 -, BVerwGE 146, 12 = juris, Rn. 38.
65Die wirtschaftliche Lage des Klägers begründet ebenfalls kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
66Zwar geht das Gericht davon aus, dass die allgemeine wirtschaftliche Situation in Albanien schlecht ist und sich die wirtschaftliche Lage vieler Albaner aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und anderer Faktoren als schwierig darstellt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist indes gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe durch sozialen Pflegedienst oder Geldbeträge, zu deren Höhe keine genauen Zahlungsbeträge vorliegen, die aber zumindest zur Deckung des Nahrungsmittelbedarfs ausreichen. Die Existenzsicherung ist somit möglich.
67Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Oktober 2013) vom 16. Dezember 2013; VG Braunschweig, Beschluss vom 23. April 2013 - 6 B 82/13 -, juris.
68Der Kläger kann ein Abschiebungsverbot auch nicht in verfassungskonformer Anwendung der § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG wegen einer extremen Gefahrenlage in Albanien verlangen.
69§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen befunden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG, verletzen würde. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
70Wann danach allgemeine Gefahren aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist dann erreicht, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24/10 -, NVwZ 2012, 451; OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - 9 A 3642/06.A -, juris.
72Eine allgemeine Gefahrenlage in diesem Sinne besteht in Albanien offensichtlich nicht.
73Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.