Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A

ECLI:ECLI:DE:VGAC:2016:1107.7K2010.16A.00
bei uns veröffentlicht am07.11.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.


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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä
Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

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Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 07. Nov. 2016 - 7 K 2010/16.A zitiert 16 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Aug. 2015 - M 2 K 14.30925

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Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit beantragt worden war, die Beklagte unter Aufhebung von Ziff. 1 - 3 des Bescheides vom ... August 2014 zur Gewährung von internationalem Schutz zu verpflichten. II. Der Bescheid

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Juli 2014 - 19 B 12.1073

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Jan. 2015 - AN 9 K 13.30394

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen beginnend mit dem Berufungsverfahren 19 B 07.2762 trägt der Kläger.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Der ... in St. Petersburg geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger jüdischen Glaubens. Nachdem ihm und seiner Familie im Februar 1995 die Aufnahme in das Bundesgebiet als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zugesagt worden war, reiste der Kläger im September 1997 mit einem Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt am 14. Oktober 1997 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 23. Oktober 1997 wurde ihm eine Bescheinigung ausgestellt, wonach er Flüchtling im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (Kontingentflüchtlingsgesetz - HumHAG) sei.

Der Kläger wurde im Dezember 2003 wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Die Strafkammer hat § 21 StGB angewendet, weil eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (Steuerungsfähigkeit) aufgrund der beim Kläger vorliegenden undifferenzierten Schizophrenie nicht ausgeschlossen werden könne.

Angehört wegen einer beabsichtigten Ausweisung machte der Kläger geltend, er sei herzkrank (Mitral- und Aortenklappenersatz) und erhalte in der Russischen Föderation keine angemessene medizinische Behandlung.

Die Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 27. Februar 2006 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. I) und ordnete seine Abschiebung (frühestens eine Woche nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung) unmittelbar aus der Haft heraus in die Russische Föderation oder in einen anderen übernahmebereiten oder übernahmeverpflichteten Staat an (Nr. II). Für den Fall, dass seine Abschiebung während der Inhaftierung nicht möglich sein und er aus der JVA entlassen werden sollte, wurde der Kläger aufgefordert, das Bundesgebiet binnen einer Woche nach Haftentlassung zu verlassen, andernfalls ihm die Abschiebung (mit dem bereits bezeichneten Ziel) angedroht wurde (Nr. III).

2. Das Verwaltungsgericht hob durch Urteil vom 30. Januar 2007 (Az. AN 19 K 06.1116) die Abschiebungsandrohung nach Haftentlassung binnen Wochenfrist (Nr. III des Bescheids) auf und wies die Klage im Übrigen ab. Mit Beschluss vom 3. September 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Az. 19 B 07.2762). Zwar genössen jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion in entsprechender Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes Ausweisungsschutz gemäß Art. 33 GFK/§ 60 Abs. 1 AufenthG. Wegen der vom Kläger ausgehenden konkreten (Wiederholungs-)Gefahr greife dieses Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG/Art. 33 Abs. 2 GFK jedoch nicht.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. März 2009 (BVerwG 1 B 20.08) die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der Anordnung der Abschiebung aus der Haft (Nr. II des Bescheids) aufgehoben und den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen; hinsichtlich der Ausweisung (Nr. I des Bescheids) hat es die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 die Anordnung der Abschiebung aus der Haft (Nr. II des Bescheids) und insoweit auch das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben (Az. 19 B 09.824). Er ist davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 9. Januar 1991 die Rechtsstellung eines Kontingentflüchtlings entsprechend § 1 Abs. 1 HumHAG genieße und sich auch ohne Vorliegen eines Verfolgungsschicksals auf das Abschiebungsverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK/§ 60 Abs. 1 AufenthG berufen könne. Der besondere ausländerrechtliche Status sei auch mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 nicht entfallen. § 60 Abs. 8 AufenthG stehe dem nicht mehr entgegen, denn seit er ein Neuroleptikum einnehme, bestehe bei ihm nach dem Ergebnis des fachpsychiatrischen Gutachtens keine konkrete Wiederholungsgefahr. Darüber hinaus greife auch das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar stünden die vom Kläger benötigten Medikamente und Behandlungsmaßnahmen auch in der Russischen Föderation zur Verfügung. Die dort übliche kostenlose medizinische Behandlung entspreche aber nicht dem nach einer Herzklappenoperation erforderlichen Standard. Der Kläger benötige nach Auskunft der Botschaft monatlich 400 € für die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen, 110 € für die Lebenshaltung sowie 400 € für eine bescheidene Einzimmerwohnung am Stadtrand von St. Petersburg. Diese Summe könne er krankheitsbedingt nicht erarbeiten.

Auf die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revisionen der Beklagten und der Landesanwaltschaft hin hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 22. März 2012 (Az. 1 C 3/11) den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Dezember 2010 aufgehoben. Es hat festgestellt, dass sich jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes wegen ihrer Aufnahme in das Bundesgebiet nicht auf das Abschiebungsverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK/§ 60 Abs. 1 AufenthG berufen können; für eine Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes auf sie habe der Gesetzgeber keinen Bedarf mehr gesehen. Außerdem hat das Bundesverwaltungsrecht festgestellt, der Verwaltungsgerichtshof habe seiner Gefahrenprognose im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unzutreffende Beurteilungsmaßstäbe zugrunde gelegt. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Beweisaufnahme nur auf die Diagnose der Krankheiten des Klägers sowie deren Behandelbarkeit in der Russischen Föderation (einschließlich verfügbarer Medikation) fokussiert. Dem auf diesen tatsächlichen Feststellungen aufbauenden, für das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zentralen Beweisthema, nämlich dem Krankheitsverlauf bei Rückkehr bzw. Abschiebung in das Herkunftsland ohne medizinische Betreuung bzw. bei vom Kläger nur teilweise finanzierbarer Behandlung und Medikation, sei er nicht nachgegangen. Des Weiteren habe der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung, ob die in den medizinischen Fachgutachten genannten Behandlungen und Medikamente erforderlich sind, den medizinischen Gutachtern überlassen. Diese hätten ihrer Wertung jedoch den in Deutschland üblichen medizinischen Standard zugrunde gelegt und sich - mangels entsprechender Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs - nicht am Maßstab einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung orientiert. Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner finanziellen Bedarfsberechnung für den Kläger monatliche Wohnkosten „für eine bescheidene 1-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Sankt Petersburg“ in Höhe von 400 € angesetzt. Dieses Unterbringungsniveau, das der Verwaltungsgerichtshof selbst dem Auswärtigen Amt vorgegeben habe, verfehle den strengen Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage der vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen tatsächlichen Feststellungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht abschließend zu entscheiden vermochte, hat es die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

4. Im Hinblick auf die bevorstehende Entlassung des Klägers aus der Strafhaft hat ihn die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von sieben Tagen nach der Haftentlassung zu verlassen, wenn seine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich sein sollte, andernfalls ihm die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen Staat angedroht werde, in den er einreisen dürfe bzw. der zu seiner Übernahme verpflichtet sei. Der Kläger hat diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht angefochten; eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung ist bislang nicht ergangen.

Im fortgeführten Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Auffassung, zu seiner Rechtsstellung als jüdischer Zuwanderer gehöre das Refoulement-Verbot des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 33 Abs. 1 GFK, sowie die Auffassung, die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Die Änderung der genannten Rechtsstellung durch das AufenthG sei mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht in Einklang zu bringen, weswegen das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen sei. Im Übrigen dürfe er im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht nach Russland abgeschoben werden. Bereits die Abschiebung selbst werde wegen seiner psychiatrischen und kardiologischen Beeinträchtigungen zu einer wesentlichen Verschlechterung seiner Gesundheit führen. Diese sowie die orthopädischen Beeinträchtigungen hätten sich in den letzten Jahren verstärkt, weshalb eine aktuelle arbeitsmedizinische Begutachtung erforderlich sei. Um eine wesentliche Verschlimmerung seiner schizophrenen Erkrankung zu verhindern und die Einnahme der insoweit erforderlichen Medikamente zu gewährleisten, sei er auf ein stabilisierendes soziales Umfeld angewiesen, das nur im Bundesgebiet vorhanden sei. Hierzu zähle unter anderem seine Mutter. Verwandte, die ihn unterstützen würden, habe er weder im Bundesgebiet noch in Russland. Eine Betreuung, wie sie im Bundesgebiet für ihn errichtet worden ist, gebe es in Russland nicht. Wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei er nicht erwerbsfähig; er könne nur in einer geschützten Umgebung für geistig Behinderte tätig sein. Daher könne er in Russland weder eine Unterkunft, die seinen Bedürfnissen als geistig Behinderter entspricht (keine Gemeinschaftswohnung) und kostengünstig ist, noch seinen allgemeinen Lebensbedarf oder die Aufwendungen für die Erhaltung seines Gesundheitszustandes finanzieren. Kostenlose Leistungen durch das staatliche Gesundheitssystem in Russland werde er nicht erhalten. Der Kläger zieht die Fachkompetenz der Vertrauensärzte der deutschen Botschaft in Moskau in Zweifel, die sich zum staatlichen Gesundheitssystem geäußert haben. Die Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems setzten überdies bürokratische Verfahren voraus, deren positives Ergebnis nicht gewährleistet sei und deren Abschluss er wegen seines Gesundheitszustandes nicht abwarten könne. Auch könne er die Zuzahlungen, die im staatlichen Gesundheitssystem gefordert werden, und die Aufwendungen für die von ihm benötigten Medikamente nicht erbringen. Die Beklagte berücksichtige bei ihrer Berechnung nur einen Teil der von ihm tatsächlich benötigten Medikamente und sonstigen auf ihn zukommenden Aufwendungen. Allein die Kosten der ärztlichen Behandlungen betrügen pro Monat 300 €. Unterstützung werde er weder durch das russische Rückkehrprogramm noch durch staatliche Arbeitslosen-, Wohnungslosen-, Erwerbsunfähigkeits- oder sonstige Sozial-Hilfen noch durch Verwandte in Russland oder Deutschland erhalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Januar 2007 insoweit abzuändern, dass der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2006 hinsichtlich Ziffer 2 einschließlich der nachträglichen Setzung einer Ausreisefrist durch die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 aufgehoben wird,

hilfsweise,

dem Kläger eine Duldung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie vertritt die Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe rechtskräftig entschieden, dass das Refoulement-Verbot des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 33 Abs. 1 GFK nicht zur Rechtsstellung des Klägers als jüdischer Zuwanderer gehört. Auf die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG komme es daher nicht an. Eine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohe dem Kläger in Russland nicht. Der Kläger sei erwerbsfähig. Er sei zum Funkingenieur ausgebildet und auch noch nach dem Ausbruch seiner schizophrenen Erkrankung erwerbstätig gewesen. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Verschlechterung seiner Gesundheit in den letzten Jahren lägen nicht vor. Die Residualsymptomatik, die der Kläger außerhalb produktivpsychotischer Episoden aufweist, sei nicht mit wesentlichen Einschränkungen verbunden. Schizophrene Episoden seien weder bei einer Abschiebung noch alsbald danach wahrscheinlich. Auf die soziale Situation des Klägers im Bundesgebiet komme es für die Frage des Ausbruchs einer solchen Episode nicht entscheidend an. Die Beklagte verweist insoweit unter anderem auf das Alter der Mutter des Klägers und geht davon aus, dass der Kläger ein russisch geprägtes Umfeld bevorzugt sowie Verwandte in Russland hat, über die er unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht keine Auskunft gebe. Der Kläger werde in der Zeit alsbald nach einer Abschiebung nach Russland seinen Lebensunterhalt einschließlich der Aufwendungen verdienen können, die ihm im Rahmen der staatlichen Gesundheitsversorgung verbleiben. Der Kläger könne eine Unterkunft finden, die deutlich weniger als diejenigen 400 € pro Monat koste, von denen der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 22. Dezember 2010 ausgegangen ist. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers bedingten nicht, dass er das Wohnungsangebot nur eingeschränkt nutzen könne. Die Kosten, die für die Erhaltung seiner Gesundheit erforderlich sind und ihm verbleiben, könne er aufgrund seiner Erwerbstätigkeit tragen. Der Kläger gehe hier von zu hohen Kosten aus, weil er nicht berücksichtige, dass es nur auf den Zeitraum alsbald nach der Abschiebung ankomme, dass ärztliche Behandlungen zu Marktpreisen (außerhalb des staatlichen Gesundheitssystems) nicht erforderlich seien und dass er das Medikament Zyprexa zur Erhaltung seines Gesundheitszustandes in der Zeit alsbald nach der Abschiebung nicht benötige. Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, notfalls könne der Kläger - neben der Unterstützung durch Familienmitglieder in Deutschland und Verwandte in Russland - auf verschiedene Formen staatlicher Unterstützung in Russland zurückgreifen. Schließlich hat die Beklagte dem Kläger zugesichert, ihm einen Betrag von 5.000 € mitzugeben, den er nach eigenem Ermessen für Medikamente oder sonstige Bedürfnisse verwenden kann.

Die Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag.

Sie vertritt die Auffassung, der Kläger lasse die Wirkung der Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht und den Umfang der Bindungswirkung des Revisionsurteils unberücksichtigt, wenn er weiterhin die Rechtsansicht geltend macht, die Rechtsstellung des Klägers umfasse das Refoulementverbot, und den Verwaltungsgerichtshof wegen der gegenteiligen Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auffordert. Die Landesanwaltschaft teilt die Auffassung der Beklagten hinsichtlich der vom Bundesverwaltungsgericht für den vorliegenden Fall näher bestimmten Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Gründe

A) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag - die Abschiebungsandrohung in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 sowie die durch den Bescheid vom 21. Dezember 2012 (kurz vor dem Ende der Strafhaft des Klägers) beigefügte Frist für eine freiwillige Ausreise. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2012, die aufgrund dessen Rechtsbehelfsbelehrung vom Kläger sicherheitshalber zum Verwaltungsgericht erhoben worden ist (AN 6 K 13.00220), ist wegen der Rechtshängigkeit dieses Bescheids im hiesigen Berufsberufungsverfahren unzulässig (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG).

I.

Die Antragstellung des Klägers ist sachgerecht, weil die Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 die behördliche Entscheidung enthält, die Ausweisung zu vollziehen, und diese Entscheidung durch seine Haftentlassung am 3. Februar 2013 nicht gegenstandslos geworden ist. Bei Bescheiden, die - wie der Bescheid vom 27. Februar 2006 in Nrn. II und III - sowohl von einer Abschiebung aus der Haft heraus als auch von einer Abschiebung nach Fristsetzung sprechen, liegt diese Vollzugsentscheidung trotz des gegenteiligen äußeren Erscheinungsbildes des Bescheides nur einmal vor. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (st. Rspr. des BVerwG, U. v. 27.6.2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222, und vom 2.9.1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, U. v. 26.8.1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 133 Rn. 7, 9). Der Kläger konnte dem Bescheid vernünftigerweise nicht entnehmen, die Beklagte wolle ihn wegen der Ausweisung zweimal abschieben. Die Behörde wollte durch die Aufspaltung in zwei Tenor-Nummern (die Nrn. II und III ihres Bescheides vom 27. Februar 2006) ersichtlich nur den unterschiedlichen Detailregelungen Rechnung tragen, die § 59 AufenthG für die Abschiebung von Ausländern in Freiheit und von Ausländern in Haft enthält, weil bei dem Bescheidserlass noch nicht absehbar war, welche dieser beiden Detailregelungen anzuwenden sein würde. Nachdem die Behörde ihre Entscheidung, die Ausweisung zu vollziehen, bereits durch Nr. II des Bescheides bekannt gegeben hatte, beschränkte die später vom Verwaltungsgericht rechtskräftig aufgehobene Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - wie auch ihre Einleitung deutlich macht („Sollte Ihre Abschiebung während Ihrer Inhaftierung nicht möglich sein und Sie daher aus der JVA entlassen werden….“) - lediglich die Gültigkeit des Zusatzes „unmittelbar aus der Haft heraus“ in Nr. II des Bescheides auf die Haftzeit und fügte der Abschiebungsandrohung die im Falle eines Aufenthalts des Ausländers in Freiheit gebotene Frist für eine freiwillige Ausreise hinzu (der Umstand, dass in Nr. II des Bescheides die Entscheidung bereits getroffen war, den Kläger nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung abzuschieben, dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sich in der Nr. III des Bescheides nicht erneut die Wendung „nach Unanfechtbarkeit dieser Ausweisungsverfügung“ findet; zur Unabhängigkeit der grundlegenden Entscheidung zum Vollzug der Ausreisepflicht von der Regelung der Ausreisefrist vgl. Hailbronner, AuslR, § 59 AufenthG, Rn. 80,85 ff., Funke-Kaiser in GK AufenthG, Stand 3/2012, § 59 AufenthG Rn. 204 ff., 223, 226 ff. sowie Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 59 Rn. 13, 23, 25, 63 jeweils mit Rspr.-Nachw.; Aspekte einer solchen Abstraktion der Entscheidung, die Ausreisepflicht durchzusetzen, ergeben sich auch aus § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG sowie aus dem Umstand, dass die Androhung der Abschiebung aus der Haft lediglich einen in Abs. 5 geregelten Unterfall der als solche in § 59 AufenthG geregelten Abschiebungsandrohung darstellt). Demzufolge ist die Abschiebungsandrohung vom 21. Dezember 2012, die ebenfalls ausdrücklich nur für den Fall Geltung beansprucht, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich war, dahingehend auszulegen, dass die Beklagte mit ihr den in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bereits grundsätzlich verfügten Vollzug der Ausreisepflicht des Klägers lediglich für die Zeit nach der Haftentlassung regeln und mit der dann erforderlichen Fristsetzung versehen wollte. Nachdem die Verfügung in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bei der Haftentlassung des Klägers bereits durch den Bescheid vom 21. Dezember 2012 - nicht anders als vorher durch Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - neugefasst gewesen ist, ist zu diesem Zeitpunkt nicht die Androhung der Abschiebung durch Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 gegenstandslos geworden, sondern lediglich der dortige Zusatz „unmittelbar aus der Haft heraus“.

II.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist weiterhin ein Duldungsbegehren. Der Kläger macht geltend, in Folge der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen werde es zu einer zusätzlichen wesentlichen Beschädigung seiner Gesundheit zum einen schon im Rahmen der Abschiebung selbst kommen - was zutreffendenfalls eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (mit der Folge eines Duldungsanspruchs) darstellen würde, weil Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer Abschiebung mit solchen Folgen entgegensteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 7 und B. v. 10.7.2003 - 11 S 2622/02 - juris Rn. 16; vgl. auch AVwV AufenthG Nr. 60a.2.1.1.2.2) - und zum anderen auch nach der Abschiebung (vor allem wegen einer Unerreichbarkeit der in seiner gesundheitlichen Situation erforderlichen ärztlichen und medikamentösen Behandlung) - was zutreffendenfalls eine erhebliche konkrete Gefahr für die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genannten existenziellen Rechtsgüter darstellen würde (zu den Voraussetzungen dieser Bestimmung im einzelnen vgl. B vor I.). Aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt zwar zunächst nur ein Abschiebungsverbot betreffend einen bestimmten Zielstaat und nicht unmittelbar ein Duldungsanspruch, weil grundsätzlich Abschiebungen nicht nur in das Heimatland des Ausländers möglich sind und die streitgegenständliche Ankündigung der Abschiebung auch nicht nur die Russische Föderation benennt; nachdem jedoch kein anderer aufnahmebereiter oder aufnahmeverpflichteter Staat ersichtlich ist, würde ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu einem Duldungsanspruch führen.

Ein Duldungsbegehren, das auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und/oder auf § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gestützt ist, kann nicht im Rahmen der Anfechtung der Abschiebungsandrohung geltend gemacht werden, denn die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bleibt der Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zufolge von solchen Abschiebungsverboten unberührt. Der Kläger hat daher zu Recht zusätzlich (sinngemäß) einen Verpflichtungsantrag gestellt, und zwar hilfsweise, weil das Duldungsbegehren als Antrag auf Aussetzung der Abschiebung voraussetzt, dass der Kläger mit seinem Anfechtungsbegehren gegen die Vollzugsregelung selbst (vgl. I.) unterliegt. Die beiden erwähnten Duldungsbegehren haben von Anfang an im Mittelpunkt des Klägervorbringens betreffend den Vollzug der Ausweisung gestanden. Daher schadet es nicht, dass der Kläger erst jetzt die Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bei seiner Antragstellung berücksichtigt hat.

III.

Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch seinen Beschluss vom 13. März 2009 (1 B 20.08) den Beschluss des Senats vom 3. September 2008 (19 B 07.2762) nur insoweit aufgehoben, als dieser Beschluss die Anfechtung der Abschiebungsandrohung (Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006) und damit auch die von dieser Vollzugsentscheidung abhängigen Duldungsbegehren betrifft. Soweit durch diesen Beschluss die Berufung des Klägers gegen den Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist, durch den die Ausweisungsentscheidung selbst bestätigt worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht die Senatsentscheidung vom 3. September 2008 aufrechterhalten. Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist somit seit dem 13. März 2009 bestandskräftig.

B) Nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens, in dem die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 13. März 2009 und in seinem Urteil vom 22. März 2012 entwickelte rechtliche Beurteilung zu beachten ist, hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Klage gegen die Abschiebungsandrohung (versehen mit der Wendung „aus der Haft heraus“, vgl. Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006) abgewiesen und auch die geltend gemachten Duldungsgründe nicht anerkannt. Der Vollzug der Ausweisungsverfügung (nunmehr in Form des Bescheides vom 21.12.2012, durch den der Abschiebungsandrohung eine Frist zur freiwilligen Ausreise beigefügt worden ist) ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (auf den es bei der Überprüfung einer Abschiebungsandrohung wie der vorliegenden ankommt, vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 1 C 3/11 - Abschnitt II.1 der Gründe) rechtmäßig; zu einer wesentlichen Verschlechterung der Gesundheit des Klägers wird es mit Wahrscheinlichkeit weder während des Abschiebungsvorganges noch alsbald nach der Abschiebung in die Russischen Föderation kommen. Die Berufung gegen den noch nicht rechtskräftigen (also den Vollzug der Ausweisung betreffenden) Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung, die Ausreise zu vollziehen (Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006 in Gestalt des Bescheides v. 21.12.2012), ist rechtmäßig.

Die Problematik, die zur Aufhebung einer Abschiebungsandrohung ähnlich der nun am 21. Dezember 2012 erlassenen (Abschiebungsandrohung in Nr. III des Bescheides vom 27.2.2006 für den Fall des Ablaufs einer Ausreisefrist, die nicht von der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung abhängig ist) durch das insoweit rechtskräftig gewordene verwaltungsgerichtliche Urteil vom 30. Januar 2007 geführt hat, besteht nicht mehr. Während die Ausweisung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 zum Zeitpunkt des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht vollziehbar gewesen ist und die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG daher zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen haben, liegen diese Voraussetzungen nunmehr vor, weil die Ausweisung durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2009 (1 B 20.08) bestandskräftig geworden ist (vgl. oben). Auch sonst liegen die in §§ 58 Abs. 1, 59 AufenthG genannten Voraussetzungen vor. Ein Fall, in dem die Vollzugsregelung gegenstandslos geworden ist, weil dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht erteilt worden ist, liegt nicht vor. Der Kläger hat nach der Ausweisung kein Aufenthaltsrecht mehr erworben.

Eine Rechtsstellung, die das Refoulement-Verbot (§ 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 33 Abs. 1 GFK) umfasst und - mit Blick auf die Vorschrift des § 25 Abs. 2 AufenthG - nicht nur ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, das die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung unberührt lässt, begründen würde, genießt der Kläger dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 (Az. 1 C 3.11 - Nr. II.1 und 2 der Gründe) zufolge nicht. Der Kläger hätte gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde erheben können, hat es aber nicht getan. Im hiesigen Verfahren müssen seine verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der Vorschrift des § 144 Abs. 6 VwGO ohne Erfolg bleiben. Auf die Frage, ob die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG vorliegen, kommt es daher nicht an.

Der Kläger hat auch nicht den Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung (Duldung), der im Mittelpunkt seines Vorbringens steht.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Gesundheit des Klägers durch den Abschiebungsvorgang selbst wesentlich beeinträchtigt werden wird; eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) liegt daher nicht vor. Nachdem der Kläger die Verhältnisse in den Vordergrund stellt, die ihn in Russland erwarten, sowie die deswegen von ihm befürchteten (nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu beurteilenden, vgl. unten) gesundheitlichen Beeinträchtigungen, und im Rahmen dieser Ausführungen auch Beeinträchtigungen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bereits durch den Abschiebungsvorgang selbst geltend macht, geht auch der Senat auf das letztgenannte Vorbringen im Rahmen seiner Ausführungen zu den im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein.

Die anhand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 und dessen übriger Rechtsprechung zu prüfenden Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für ein Verbot der Abschiebung des Klägers nach Russland sind ebenfalls nicht erkennbar. Dort besteht für den Kläger mit Wahrscheinlichkeit keine erhebliche und konkrete (also: alsbald eintretende) Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit im Sinne dieser Bestimmung. Der Kläger hat kein Asylverfahren durchgeführt, so dass diese Prüfung im ausländerrechtlichen Verfahren vorzunehmen ist (vgl. § 24 Abs. 2 AsylVfG).

Der Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist anzuwenden, weil der Gesundheitszustand des Klägers Besonderheiten aufweist, die in vergleichbarer Weise nicht bei einer Vielzahl seiner Landsleute zu finden sind. Nachdem nur eine individuelle Gefahr in Betracht kommt, besteht kein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG und greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht (BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 1 C 3/11; vgl. auch U. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - BVerwGE 127,33 Rn. 15 f.).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer landesweit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen besteht eine solche Gefahr dann, wenn der Ausländer bei der gebotenen, grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise ein Leben zu erwarten hätte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt oder wenn er nichts anderes zu erwarten hätte als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (BVerwG, B. v. 31.7.2002 - 1 B 128.02 - InfAuslR 2002,455, und v. 21.5.2003 - 1 B 298.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270). Mit Blick auf den vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die für die Anwendung der Vorschrift von ihm entwickelten Grundsätze in seiner Entscheidung vom 22. März 2012 (1 C 3/11) zusammengefasst. Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr kann sich im Einzelfall daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine notwendige und an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich, zum Beispiel aus finanziellen Gründen, nicht erlangen kann (U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66 zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990). In Fällen einer Erkrankung eher singulären Charakters, wie sie hier vorliegt, sind die Voraussetzungen des genannten Abschiebungsverbots erfüllt, wenn sich die Krankheit des Betroffenen mangels (ausreichender) Behandlung im Abschiebungszielstaat verschlimmert und sich dadurch der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (B. v. 14.5.2006 - 1 B 118.05 - Buchholz 402.240 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 16 m. w. N.). Konkret ist die Gefahr, wenn diese Verschlechterung alsbald nach der Abschiebung des Betroffenen einträte (BVerwG, U. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383/387).

Mit dem Begriff „alsbald“ ist einerseits kein in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, U. v. 27.4.1998 - 9 C 13.97 - InfAuslR 1998,409), andererseits aber auch keine sofortige, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebungszielstaat eintretende Entwicklung (BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137,326). Für die alsbaldige Verschlechterung muss eine beachtliche Wahrscheinlichkeit sprechen (BVerwG, U. v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99,329,330 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG); dies ergibt sich bereits aus dem Gefahrbegriff (BVerwG, U. v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - BVerwGE 71, 180, Juris Rn. 17). Es müssen begründete Anhaltspunkte für die Gefahr vorliegen (BVerfG, B. v. 31.5.1994 - 2 BvR 1193/93 - NJW 1994, 2883, Juris Rn. 13). Eine zukünftige Entwicklung ist dann beachtlich wahrscheinlich, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für die Entwicklung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, U. v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89,162). Hieraus ergibt sich, dass der Kläger im Schriftsatz vom 29. Januar 2014 zu Recht davon ausgeht, eine vage Hoffnung auf Existenzsicherung lasse eine bestehende Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht entfallen. Hieraus ergibt sich aber auch, dass seine Annahme ohne Grundlage ist, eine alsbaldige wesentliche Verschlechterung der Gesundheit müsse ausgeschlossen sein und es seien staatliche Garantien insoweit erforderlich.

Eine konkrete Gefahr der beschriebenen Art besteht nicht, wenn eine erwerbsfähige Person durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt (einschließlich einer Heilbehandlung, durch die einer wesentlichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlimmerung einer vorhandenen Krankheit vorgebeugt wird) unbedingt Notwendige erlangen kann. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ stattfinden. Der Verweis auf eine entwürdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch Beteiligung an Straftaten im Rahmen „mafiöser“ Strukturen - ist dagegen nicht zumutbar (BVerwG, B. v. 17.5.2006 - 1 B 100/05 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 328; vgl. auch U. vom 1.2.2007 - 1 C 24.06 - InfAuslR 2007,211).

Der Kläger wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in der Lage sein, seinen derzeitigen Gesundheitszustand zu erhalten und seinen allgemeinen sowie medizinischen Existenzbedarf zu verdienen, so dass eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht besteht, und ihm droht - wie insbesondere auf S. 21 und S. 51 dargelegt ist - auch im Rahmen der Abschiebung selbst keine Beeinträchtigung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (I.). In dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich der Kläger nach der Abschiebung zu einem Verzicht auf das Medikament Zyprexa entschließen sollte mit der Folge einer produktivpsychotischen Episode, könnten sich daraus bereits deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht ergeben, weil die Abschiebung nicht die wesentliche Ursache der Episode wäre (II.). Die Voraussetzungen der genannten Bestimmung wären dann zusätzlich auch deshalb nicht gegeben, weil eine produktivpsychotische Episode mit Wahrscheinlichkeit keine existenzgefährdenden Folgen hätte (III.). In dem nicht wahrscheinlichen Fall eines Scheiterns des Klägers bei der Sicherung des Lebensunterhalts steht ihm hinreichende Unterstützung von verschiedenen Seiten zur Verfügung (IV.).

I.

Der Kläger wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in der Lage sein, seinen gesamten Existenzbedarf zu verdienen.

Der Kläger ist arbeitswillig und kann Tätigkeiten ausführen, die ihn körperlich nur leicht belasten (1.). Seine schizophrene Erkrankung steht einer solchen Tätigkeit im Ergebnis nicht entgegen (2.). Er wird in St. Petersburg mit Wahrscheinlichkeit Einkünfte aus einer qualifizierten Tätigkeit erzielen, durch die er seinen Lebensunterhalt einschließlich des Teils der medizinischen Aufwendungen bestreiten kann, der vom kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem in Russland nicht getragen wird (3.).

1. Der Kläger, der am ... sein 48. Lebensjahr vollendet hat, ist arbeitswillig und zu einer geistig anspruchsvollen Beschäftigung sowohl in dem von ihm erlernten technischen Bereich als auch in kaufmännischen Bereichen in der Lage (zur psychiatrischen Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers, die einer solchen Beschäftigung nicht entgegensteht, vgl. 2.).

Der Kläger hat bei mehreren Gelegenheiten (gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Dr. W. - vgl. die Gutachten vom 12.11.2009 und vom 23.8.2013 - sowie gegenüber seinem Betreuer - vgl. den Betreuerbericht vom 1.12.2013) starkes Interesse an einer Erwerbstätigkeit geäußert.

Der Kläger weist zwar orthopädische Beeinträchtigungen auf und insbesondere eine kardiologische Problematik (nach dem Ersatz von Herzklappen im November 1998). Dem arbeits- und sozialmedizinischen Fachgutachten des Prof. D. vom 19. April 2010 zufolge kann der Kläger aber Tätigkeiten vollschichtig ausführen, die mit einer leichten körperlichen Belastung verbunden sind, wie sie auch im Alltag vorkommen. Tatsächlich hat der Kläger in der Haft, also zu einer Zeit, in der diese Problematik bereits bestanden hat, Arbeit geleistet. Obwohl es sich hierbei um eine eher körperlich als geistig anspruchsvolle Beschäftigung gehandelt hat (Maschinenarbeit), ist weder den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen noch den Äußerungen des Klägers etwas dafür zu entnehmen, dass er hierdurch überlastet worden oder aus sonstigen Gründen hierzu unfähig gewesen ist (vgl. hierzu auch B.I.2.c,aa am Ende).

Eine Erwerbsfähigkeiten relevante Änderung ist seit der arbeits- und sozialmedizinischen Begutachtung vom 19. April 2010 nicht eingetreten. Der Kläger macht zwar eine Verschlechterung seiner orthopädischen Gesundheitssituation geltend (Schriftsatz vom 16. Mai 2014). Dem Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes vom 14. Januar 2014, auf den sich der Kläger beruft (und den er nicht weiter angefochten hat), ist aber zu entnehmen (vgl. S. 3), dass sich der auf der orthopädischen Problematik beruhende Teil der bescheinigten Behinderung seit dem Jahr 1999 gerade nicht wesentlich verändert hat; die vom Kläger hervorgehobene Erhöhung des Gesamt-GdB beruht ausschließlich auf einer veränderten Bewertung der psychiatrischen Problematik (vgl. B.I.2.c, vor aa). Diese behördliche Beurteilung ist auf aktuelle Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Orthopäden (vom 25. März 2013 und vom 1. Juli 2013) sowie auf deren Bewertung durch den versorgungsärztlichen Dienst gestützt. Auch im kardiologischen Bereich ist eine Erwerbsfähigkeiten relevante Änderung nicht eingetreten. Dem kardiologischen Gutachten vom 8. April 2013 zufolge hat die Ergometrie keinen wesentlichen Unterschied gegenüber der Messung ergeben, die in dem (im arbeitsmedizinischen Gutachten berücksichtigten) kardiologischen Gutachten vom 9. Februar 2010 mitgeteilt wird. Auch der Grad der Aortenklappeninsuffizienz ist derselbe geblieben. Die bluthochdruckbedingte Herzwandverdickung hat sich leicht zurückgebildet. Das Vorhofflimmern hat sich dem Gutachten vom 8. April 2013 zufolge zwar etabliert. Es ist aber schon seit dem Herzklappenersatz im November 1998 Bestandteil des Symptomatik des Klägers (vgl. den Klinikbericht vom 2.2.1999, Bl. 9 der Schwb-Akte) und auch in der kardiologischen Begutachtung vom 9. Februar 2010 (S. 2 unten) berücksichtigt worden, der zufolge die körperliche Belastbarkeit für leichte Alltagstätigkeiten als ausreichend anzusehen ist und der Kläger bei mittelschweren körperlichen Belastungen durch seine Herzerkrankung limitiert ist. Auch das arbeitsmedizinische Gutachten vom 19. April 2010 bezieht daher das Vorhofflimmern mit ein (vgl. S. 4 oben), wenn es körperlich leichte Tätigkeiten (z. B. Bürotätigkeiten im erlernten Beruf als Ingenieur) vollschichtig für möglich hält (S. 16). Das Fortbestehen dieser Belastbarkeit ergibt sich auch daraus, dass im kardiologischen Gutachten vom 8. April 2013 keine Einschränkung der Belastbarkeitsfeststellung im Gutachten vom 9. Februar 2010 vorgenommen wird, sowie aus der schwerpunktmäßigen Einordnung der Herzproblematik durch das Gutachten vom 8. April 2013 in das Stadium II der NYHA-Klassifikation (Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit). Der Kläger selbst hilft dem psychiatrischen Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2013 zufolge seit seiner Haftentlassung im Haushalt seiner nunmehr 78 -jährigen Mutter (eine Notwendigkeit zusätzlicher externer Hilfen wird nicht erwähnt), und bezeichnet dem Betreuerbericht vom 1. Dezember 2013 zufolge seinen gesundheitlichen Zustand selbst als „gut“. Schließlich setzt der Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes vom 21. Januar 2014, dem das vom Senat eingeholte Gutachten des Kardiologen Dr. H. vom 8. April 2013 (Bl. 57 der Schwb-Akte) sowie dessen gleichsinnige Stellungnahme vom 21. August 2013 (Bl. 71 der Schwb-Akte) zugrunde liegt und der vom Kläger nicht angefochten worden ist, die Einzel-GdB für die kardiologischen Beeinträchtigungen des Klägers mit dem Wert 50 fest, der bereits im bisher geltenden Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 11. Oktober 1999 (vorgelegt im Verfahren 19 B 07.2762) festgelegt gewesen ist. In der Begründung des Bescheides vom 21. Januar 2014 wird ausgeführt, es liege kein Herzschaden mit Beeinträchtigung der Herzleistung schon bei leichter alltäglicher Belastung vor und ein höherer GdB für das Herzleiden lasse sich nicht begründen. Bei dieser Sachlage fehlt es an hinreichenden nichtpsychiatrischen Anhaltspunkten für die mit Beweisantrag Nr. 3 beantragte Einholung eines ergänzenden arbeitsmedizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers keine Erwerbsfähigkeit besteht (zur Nichteinholung eines Gutachtens betreffend eine Erwerbsunfähigkeit aus psychiatrischen Gründen vgl. B.I.2.c, bb vor aaa).

2. Der Kläger wird durch seine schizophrene Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit weder an der Sicherung seines Lebensunterhalts gehindert werden noch auf sonstige Weise in Existenznot geraten. Das Medikament Zyprexa (Olanzapin) verhindert produktivpsychotische Episoden, und zwar auch bei der Abschiebung selbst, bei der das Episodenrisiko ohnehin gering ist (a). Es besteht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger nach der Abschiebung dieses Medikament absetzen wird (b). Die vom Medikament nicht unterbundene Residualsymptomatik bringt keine wesentlichen Einschränkungen mit sich und hindert den Kläger daher ebenfalls nicht an der Sicherung seines Lebensunterhalts (c).

a) Bei Einnahme des Medikamentes Zyprexa drohen dem Kläger keine produktivpsychotischen Episoden der schizophrenen Erkrankung, so dass es dann bei der Residualproblematik verbleibt.

Der Kläger leidet an einer schizophrenen Erkrankung. Zwar haben die Gutachter über deren diagnostische Einordnung keine abschließende Einigung erzielt. Dr. W. geht in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2001 und in seinen späteren Äußerungen von einer undifferenzierten Schizophrenie aus, während Dr. G. in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 von einem Residualsyndrom nach schizophrenen Psychosen auf der Grundlage einer paranoiden Schizophrenie ausgeht. Jedoch handelt es sich bei dieser Divergenz lediglich um eine Wertungsfrage bezüglich der (von den Gutachtern übereinstimmend festgestellten) Symptome (vgl. Dr. W. im Gutachten vom 12.11.2009, S. 35, bzw. um eine unbedeutende Problematik von nicht ausschlaggebendem Belang, vgl. S. 39). Die schizophrene Erkrankung äußert sich (neuroleptisch unbehandelt) in produktivpsychotischen Episoden mit wahnhaften Gedanken, aus denen sich in Einzelfällen aggressive Handlungen unterschiedlichen Ausmaßes ergeben. Außerhalb solcher Episoden äußert sich die schizophrene Erkrankung (mit und ohne Neuroleptikabehandlung) in einem Residuum, das aus verschiedenen wenig ausgeprägten und unauffälligen Symptomen wie Antriebseinschränkung, Affektivitätsbesonderheiten und Besonderheiten des formalen Denkablaufs besteht.

Dem Kläger drohen keine produktivpsychotischen Episoden, wenn er das Neuroleptikum Zyprexa einnimmt. Der Angabe des Klägers vom 17. März 2010 sowie den gutachtlichen Äußerungen des Dr. W. vom 27. Mai 2010 und vom 23. August 2013 zufolge wird der Kläger seit März 2010 mit Zyprexa behandelt. Der Kläger hat seitdem keine wahnhaften Gedanken mehr. Der Stellungnahme desselben Gutachters vom 20. Juli 2010 zufolge (Ergänzung zur Stellungnahme vom 27. Mai 2010) wird durch die Einnahme dieses Medikaments die Rezidivgefahr soweit reduziert, dass von einer „bloßen - gleichsam entfernten - Möglichkeit“ gesprochen werden kann. Auch aus der Stellungnahme vom 23. August 2013 ergibt sich, dass produktivpsychotische Episoden nicht auftreten, ihre Auftretenswahrscheinlichkeit jedenfalls unter 50% liegt, wenn der Kläger das Medikament Zyprexa einnimmt. Der Gutachter geht hier davon aus, die Wiederauftretenswahrscheinlichkeit neuerlicher Krankheitsschübe nehme bei einem Wegfall der Neuroleptikabehandlung auf über 50% zu. Bereits in seiner Äußerung vom 12. November 2009 hat Dr. W. die Neuroleptikabehandlung als die wichtigste Rehabilitations- und Vorbeugungsmaßnahme eingeschätzt; im Hintergrund seiner damaligen Äußerungen zur Wiederholungsgefahr steht das damalige Fehlen einer solchen Behandlung. In seiner Äußerung vom 23. August 2013 geht der Gutachter zwar davon aus, eine Abschiebung bedinge eine deutliche Zunahme des Risikos eines neuerlichen psychotischen Schubs; auch hiermit bringt er jedoch nicht die Erwartung eines produktivpsychotischen Schubs trotz neuroleptischer Behandlung zum Ausdruck. Der Gutachter gibt diese Prognose ausdrücklich „unter Würdigung der aktuell gegebenen Behandlungscompliance“ ab, geht also deshalb von einer Risikozunahme nach der Abschiebung aus, weil er annimmt, der Kläger werde dann das Neuroleptikum weglassen. Diese Annahme beruht darauf, dass der Gutachter die Einnahme der Medikation auf eine entsprechende Motivation durch die „soziale Situation“ des Klägers im Bundesgebiet zurückführt und von der Abschiebung die Beendigung dieser „sozialen Situation“ - und damit der Medikationseinnahme - erwartet (zur Unrichtigkeit der gutachterlichen Annahme, in Russland habe der Kläger keine gleichwertige „soziale Situation“ zu erwarten, vgl. B.I.2.b). Die Auffassung des Gutachters, dass keine Gefahr einer paranoidpsychotischen Episode besteht, solange der Kläger Zyprexa einnimmt, ergibt sich auch aus der weiteren Ausführung im Gutachten vom 23. August 2013 (am Ende), eine alsbaldige Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei zu erwarten, wenn dieser in seiner Heimat deutlich schlechtere soziale Rahmenbedingungen vorfinde „und er darüber hinaus keine Medikation mehr“ akzeptiere. Der Gutachter Dr. G. bringt die ausschlaggebende Wirkung von Zyprexa zum Ausdruck, indem er in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 feststellt, dass das Delinquenzrisiko durch die Schizophrenie um ein Mehrfaches erhöht wird und das Fehlen einer kontinuierlichen psychiatrischen Behandlung sich prognostisch besonders ungünstig auswirkt.

Dem Kläger droht auch bei der Abschiebung selbst keine solche Episode; es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch im Falle einer solchen Episode eine erhebliche Gesundheitsverschlechterung, die den Tatbestand des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt, noch nicht wahrscheinlich wäre (vgl. B.III). In keinem der vorliegenden Gutachten wird der Abschiebungsvorgang selbst als Auslöser einer solchen Gefahr bezeichnet. Die allgemeine Annahme des Dr. W. im Gutachten vom 12. November 2009, soziale und emotionale Belastungen seien von besonderer Relevanz, begründet nicht die Wahrscheinlichkeit einer durch den Abschiebungsvorgang selbst hervorgerufenen produktivpsychotischen Episode. Der Gutachter gründet diese Annahme auf allgemeine Kenntnisse über Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises sowie auf eine Verallgemeinerung der Umstände der bisherigen produktivpsychotischen Episoden des Klägers. Bei genauer Betrachtung ist festzustellen, dass sich alle ärztlich festgestellten produktivpsychotischen Episoden des Klägers in Zeiträumen ohne neuroleptische Behandlung und im Zusammenhang mit intensiven Konflikten im privaten Bereich entwickelt haben, nämlich ganz überwiegend im Zusammenhang mit Familienkonflikten (vgl. nachfolgend lit. b) und einmal im Vorfeld der Tat vom 7. Februar 2001, als der Kläger von einem Geschäftspartner unter extremen und sukzessive sich steigernden Druck gesetzt worden ist. Dr. G spricht in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 von Belastungen durch Auseinandersetzungen mit seinem sozialen Umfeld. Adressat staatlicher Gewalt ist der Kläger mehrfach gewesen (und zwar ohne neuroleptische Behandlung), ohne dass objektive Anhaltspunkte für eine produktivpsychotische Episode oder auch nur für eine (abwehrende) heftige Gemütsbewegung zu Tage getreten sind. Er ist in Untersuchungshaft genommen worden, einem intensiven Ermittlungsverfahren und zweimal mehrtägigen Verhandlungen und Verurteilungen durch das Strafgericht - jeweils mit anschließendem Revisionsverfahren - ausgesetzt gewesen (dem rechtskräftig gewordenen Strafurteil vom 18.12.2003 ist das durch Urteil des BGH vom 12.2.2003 - 1 StR 403/02, BGHSt. 48,207 - aufgehobene Strafurteil des Landgerichts N. vom 15.3.2002 - 5 Ks 103 Js 358/01 - vorausgegangen), ist im Strafvollzug viele Male verschubt und einmal diszipliniert worden. Seinen eigenen Angaben zufolge hat der Kläger während des Strafvollzugs bisweilen wahnhafte Gedanken gehabt (vor allem zu Anfang des Strafvollzugs, als er Probleme mit russischen Mitgefangenen hatte). Er ist mit dieser Wahnproblematik aber zurechtgekommen und sie ist wieder verschwunden; zu einem auffälligen Verhalten des Klägers oder sonstigen Weiterungen hat sie nicht geführt. Bei dieser Sachlage fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass durch den behördlichen Vollzug der Abschiebung eine produktivpsychotische Episode ausgelöst wird (zumal durch Begleitpersonen die Einnahme der neuroleptischen Medikation gewährleistet werden kann) oder auch nur eine extreme Aufregung. Die Frage einer ungewöhnlichen kardiologischen Belastung infolge des Abschiebungsvorgangs stellt sich nach allem nicht. Auch unabhängig von der Frage der seelischen Sondersituation ist mit einer solchen Belastung aufgrund des Abschiebungsvorgangs nicht zu rechnen (vgl. Nr. B.I.3 lit. b, S. 51).

b) Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Kläger nach der Abschiebung das Medikament Zyprexa absetzen wird mit der Folge, dass produktivpsychotische Episoden mit etwaigen Weiterungen möglich werden.

Dr. W. hält es in seinem Gutachten vom 23. August 2013 zwar für wahrscheinlich, dass der Kläger nach der Abschiebung eine produktivpsychotische Episode entwickelt. Diese Prognose beruht jedoch nicht auf den besonderen fachärztlichen Kenntnissen des Gutachters. Sie beruht auf einer unzutreffenden tatsächlichen Annahme und ist daher unrichtig. Zu dieser vom Gutachten abweichenden Feststellung ist der Senat befugt, da ein Gutachten stets nur Grundlage der Überzeugungsbildung sein kann und diese selbst Aufgabe des Gerichts ist. Will das Gericht eine Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung erlaubt, ob es das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat (st. Rspr., vgl. u. a. BGH, U. v. 22.4.1975 - VI ZR 50/74 - NJW 1975,1463, und v. 13.9.2001 - 3 StR 333/01 - NStZ-RR 2002,259; vgl. auch Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, insb. Rn. 4 u. 7). Der Gutachter meint, die gegenwärtige „soziale Situation“ im Bundesgebiet sei geeignet, den Kläger zur Medikamenteneinnahme zu motivieren, werde jedoch nach der Abschiebung in gleichwertiger Weise nicht mehr bestehen, so dass er auf die Medikation verzichten und dadurch Episoden und deren Weiterungen auslösen werde. Die Beklagte vertritt demgegenüber insbesondere mit ihren detaillierten Ausführungen im Schriftsatz vom 14. Januar 2014 zu Recht die Auffassung, dass die tatsächliche Annahme des Gutachters, nach der Abschiebung werde eine der derzeitigen Situation im Bundesgebiet gleichwertige „soziale Situation“ nicht mehr bestehen, unzutreffend und eine fortlaufende Einnahme des Medikamentes Zyprexa in Russland nicht weniger wahrscheinlich als in Deutschland ist.

Der Gutachter bezeichnet als „soziale Situation“ (später als „soziale Komponente“), die die Einnahme des neuroleptischen Medikaments durch den Kläger begünstige, die Motivation „aktuell vor allem durch die Mutter und durch die Bewährungshilfe (gemeint: durch die Führungsaufsicht); dazu gehört auch ein Arzt, dem - was bei der gegenwärtigen Ärztin der Fall ist - der Kläger vertraut, so dass er die verordnete Medikation akzeptiert“. Aufgrund des Vorschlags des Gutachters Dr. G., eine Betreuung des Klägers herbeizuführen, ist auch die im Oktober 2010 errichtete Betreuung als motivierender Faktor (Teil der „sozialen Situation“) in Betracht zu ziehen.

Jedoch kann der Kläger einen Arzt, zu dem er ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann, auch in Russland finden. Der Kläger hat zu der Ärztin Frau M. im Klinikum N. in kürzester Zeit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut; sie spricht fließend Russisch; seine Hausärztin in der Zeit nach der Übersiedlung ins Bundesgebiet sprach ebenfalls fließend Russisch (vgl. Bl. 159 der Ausländerakten). Dies spricht dafür, dass dem Kläger der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses wesentlich dadurch erleichtert wird, dass die Kommunikation in seiner Muttersprache stattfindet. Den vorliegenden Betreuungsberichten sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die im Bundesgebiet bestellten Betreuer tatsächlich einen erheblichen Beitrag zur kontinuierlichen Einnahme der neuroleptischen Medikation geleistet haben; dies verwundert nicht, nachdem sie ihn nur sporadisch besuchen und keine Haushaltsgemeinschaft mit ihm haben. Eine Zwangsbehandlung kann der Betreuer nach übereinstimmender Auffassung aller beteiligten Gutachter ohnehin nicht herbeiführen (vgl. Nr. II). Im Übrigen ist die staatliche Unterstützung für Personen, die eigene Angelegenheiten eigenständig nicht hinreichend erledigen können, die der Kläger im Bundesgebiet in Form der Betreuung erhält, entgegen der unsubstantiierten Behauptung des Klägers auch im russischen Rechtssystem vorgesehen. Das russische Zivilgesetzbuch, das dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch angenähert ist, regelt die Rechtsinstitute der Vormundschaft, der Pflegschaft und der Betreuung (Nußberger, Einführung in das russische Recht, München 2010, JuS-Schriftenreihe, insbesondere S. 121 ff. und 199/200). Für die Annahme, das Verfahren über die Errichtung des einschlägigen Rechtsinstituts über den Kläger werde selbst dann längere Zeit in Anspruch nehmen, wenn ein Notfall vorliegt, fehlt es an sachlichen Anhaltspunkten; nicht anders als im Bundesgebiet besteht auch in Russland die Notwendigkeit, Fälle zu bewältigen, in denen die Gefahr einer geistigen Erkrankung oder die geistige Erkrankung selbst akut ist. Die Errichtung einer Betreuung in Russland kann zudem schon jetzt vorbereitet werden, beispielsweise kann der Kläger mit Hilfe seiner in medizinischer Hinsicht sachkundigen Mutter (Neurochirurgin) und des hiesigen Betreuers die russische Botschaft (zur Weiterleitung an die zuständige russische Stelle) auf seine bevorstehende Abschiebung hinweisen und über seine (gutachterlich dokumentierte) Problematik informieren. Entgegen der Auffassung des Gutachters kommt der Mutter des Klägers hinsichtlich der Medikamenteneinnahme keine wesentliche unterstützende Bedeutung zu. Sie ist 78 Jahre alt (am ... geboren) und zu 80% schwerbehindert. Angesichts dessen ist auch fraglich, wie lange sie noch versuchen kann, auf den Kläger einzuwirken. Zum anderen hat sie (von der Haftzeit abgesehen) stets entweder mit ihm zusammen oder in seiner Nähe gewohnt, jedoch weder verhindern können, dass der Kläger nach seinen Aufenthalten in einem psychiatrischen Krankenhaus in den Jahren 1990 (27.1. bis 15.2., vgl. S. 21 des Strafurteils) und 1991 (5.2. bis 5.3., a. a. O.) jeweils die Medikation wieder abgesetzt hat, noch bewirken können, dass er auf die produktivpsychotischen Episoden in den Jahren 1992 und 1998 hin ein Neuroleptikum eingenommen hat. Der Betreuungsbericht vom 5. Juni 2013 deutet darauf hin, dass der Kläger etwa ein Vierteljahr nach seiner Haftentlassung und Übersiedlung zu seiner Mutter erneut eigenständig die Medikation abgesetzt hat. Die tatsächlichen Umstände der Mehrzahl der bisherigen produktivpsychotischen Episoden des Klägers deuten sogar darauf hin, dass die Mutter des Klägers für diesen ein erhebliches Risiko darstellt, selbst wenn ihre Anwesenheit für ihn mit wirtschaftlichen und auch einzelnen persönlichen Vorteilen verbunden ist. Die Mutter des Klägers besitzt ein dominantes Wesen (Strafurteil vom 18.12.2003 S. 4; Angaben von Frau Dr. E. Zufolge dem Gutachten des Dr. N. vom 19.10.1998, Bl. 159 der Ausländerakten); das vom Versorgungsamt eingeholte Gutachten vom 7. September 1999 spricht von einer pathologischen Mutterbeziehung; der Kläger selbst hat seine Mutter zufolge dem Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 als den „Chef“ zuhause bezeichnet. Familiäre Spannungen, die in Handgreiflichkeiten des Klägers vor allem gegen sie gemündet haben, haben im Mittelpunkt der Mehrzahl der bisherigen produktivpsychotischen Episoden gestanden (vgl. u. a. das Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001 und das Attest des Klinikums N. vom 6.2.2013). Der Kläger ist der Auffassung, seine Eltern hätten seine Schwestern ihm vorgezogen (vgl. das Gutachten des Dr. N. vom 13.10.1998 sowie die Stellungnahme des Dr. We. vom 12.11.1998 und das Attest des Klinikums N. vom 6.2.2013). Dr. G. 2009 erörtert in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 die Möglichkeit eines Zuzugs des Klägers zu seiner Mutter nach der Haftentlassung, befürwortet aber einen solchen Zuzug wegen des Risikos familiärer Auseinandersetzungen für die Auslösung produktivpsychotischer Episoden letztlich nicht. Die im Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2013 angesprochene Führungsaufsicht („Bewährungshilfe“) vermag die Neuroleptika-Einnahme ebenfalls nicht nachhaltig zu gewährleisten. Auflagenverstöße (vorliegend: ein Weglassen des Neuroleptikums) sind zwar strafbewehrt. In der strafgerichtlichen Praxis beschränkt sich die Ahndung aber - anders als bei einem Verstoß gegen Bewährungsauflagen - auf Geldstrafen. Darüber hinaus endet die Führungsaufsicht in wenigen Jahren. Weiterhin spricht viel dafür, dass der Kläger seine Kontaktschwierigkeiten in Russland wesentlich leichter als in Deutschland überwinden und auf diese Weise ein stützendes soziales Umfeld aufbauen kann. Der Kläger ist in Sankt Petersburg aufgewachsen, hat dort seine Sozialisation erfahren und seine Schul- und Berufsausbildung absolviert. Er hat dort (psychiatrisch erkrankt, jedoch überwiegend unbehandelt) mehrere Jahre gearbeitet und als Selbstständiger erfolgreich Kontakte geknüpft (vgl. Nr. B.I.2 lit. c, bb, bbb, aaaa). Der Kläger hat zwar in den 16 Jahren seines Aufenthalts im Bundesgebiet die deutsche Sprache besser gelernt; er hat aber immer noch gewisse Verständigungsschwierigkeiten, wie der Dolmetschereinsatz in der Verhandlung des Betreuungsgerichts vom 14. Oktober 2010 und mehrere Bemerkungen im Gutachten Dr. W. vom 23. August 2013 belegen. Seine Kontakte und Geschäftstätigkeiten im Bundesgebiet sind wenig integrationsförderlich gewesen. Sie haben - wie vor allem dem Strafurteil vom 18. Dezember 2003 zu entnehmen ist - überwiegend exilrussischen Charakter gehabt. Wie eben erwähnt bevorzugt der Kläger russischsprachige Ärzte und vermag schnell ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen. Wie seine beiden Reisen wenige Wochen vor der Tat vom 7. Februar 2001 belegen, verfügt der Kläger über Kontakte in Russland. Angesichts des Akteninhalts und der vorliegenden Angaben hat der Senat davon auszugehen, dass der Kläger auch Verwandte in Sankt Petersburg hat. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Kontaktaufnahme zu seinen Verwandten den Kläger so stark belasten könnte, dass eine alsbaldige wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu befürchten wäre, bestehen nicht (vgl. IV.). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger etwa 25.000 € Schulden und aufgrund dessen die eidesstattliche Versicherung vor einem Gerichtsvollzieher nach § 802c Abs. 3 ZPO abgegeben hat. Bei Erwerbsanstrengungen im Bundesgebiet wäre der Kläger hierdurch von vornherein stark seelisch (vgl. Dr. G. im Gutachten vom 21.7.2009) und materiell belastet. Ein Wohnsitzwechsel nach Russland würde die Problematik praktisch erledigen, weil deutsche Gerichtsentscheidungen in Russland nicht vollstreckt werden.

c) Der Kläger weist außerhalb produktivpsychotischer Episoden eine Residualsymptomatik auf, die auch durch Neuroleptika nicht zu beseitigen ist. Sie hindert den Kläger aber weder daran, seinen Lebensunterhalt in Russland zu sichern, noch beeinträchtigt sie sein Leben im Übrigen wesentlich. Aus der Tatsache, dass die psychiatrische Einzel-GdB im bestandskräftig gewordenen Bescheid des Landesversorgungsamtes vom 21. Januar 2014 auf 50 festgelegt worden ist, während sie 20 im vorher geltenden Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 11. Oktober 1999 (vorgelegt im Verfahren 19 B 07.2762) betragen hat, ergibt sich nichts anderes. Mit der im Bescheid vom 11. Oktober 1999 bewerteten seelischen Störung hat das Versorgungsamt die im Gutachten vom 7. September 1999 (Bl. 27 der Schwb-Akte) gestellte Diagnose einer depressiven Neurose bei selbstunsicherer Persönlichkeit und pathologischer Mutterbeziehung umgesetzt. Die Erhöhung der psychiatrischen Einzel-GdB (mit der Folge einer Erhöhung der Gesamt-GdB) durch den Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2014 beruht darauf, dass das Versorgungsamt im Widerspruchsverfahren das vom Betreuungsgericht eingeholte psychiatrische Gutachten vom 26. August 2013 beigezogen und auf dieser Grundlage (mit den Worten „Residualzustand nach seelischer Krankheit“) erstmals berücksichtigt hat, dass der seelischen Störung eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis zugrunde liegt. Nachdem sich aus den vorliegenden psychiatrischen Gutachten - das Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2013 eingeschlossen - ergibt, dass die Residualsymptomatik keine wesentliche Einschränkung des Klägers bedingt (aa), und nachdem auch die Erwerbsbiografie des Klägers keine Anhaltspunkte für eine negative Erwerbsprognose liefert (bb), fehlt es auch im Bereich der seelischen Gesundheit an hinreichenden Anhaltspunkte für eine Einholung des mit Beweisantrag Nr. 3 begehrten ergänzenden arbeitsmedizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers keine Erwerbsfähigkeit besteht (zum Fehlen nichtpsychiatrischer Anhaltspunkte für die Einholung eines derartigen Gutachtens vgl. B.I.1.).

aa) Die Tatsache, dass die Residualsymptomatik den Kläger nicht wesentlich beeinträchtigt, ergibt sich zunächst daraus, dass Dr. W. in seinem Gutachten vom 23. August 2013 weder schwerwiegende psychopathologische Auffälligkeiten noch eine wesentliche Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit des Klägers feststellt, der seit März 2010 mit Zyprexa behandelt wird; ein geringgradiges Antriebsdefizit zieht er lediglich in Betracht. Dr. W. führt aus, die noch vorhandenen Einschränkungen der Denkabläufe seien nicht eindeutig; der Gutachter meint, der Eindruck solcher Einschränkungen könne auch aufgrund des unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes oder infolge von Verständnisschwierigkeiten entstanden sein. Dies ist nachvollziehbar, nachdem die Residualsymptomatik schon in den früheren Gutachten, bei deren Erstellung der Kläger neuroleptisch noch unbehandelt gewesen ist, als unauffällig und nicht ausgeprägt beschrieben worden ist. In seinem Gutachten vom 12. November 2009 hat Dr. W. der Residualsymptomatik insbesondere eine Einschränkung des Antriebs, Besonderheiten der Affektivität sowie Besonderheiten des formalen Denkablaufs zugeordnet (wie Weitschweifigkeit und Redebeiträge, die an gestellten Fragen vorbeigehen) und diese Symptomatik als nicht ausgeprägt, geringgradig und nach außen nicht auffallend bewertet. Bei seiner Erörterung der zwischen den Gutachtern umstrittenen Frage, wie die übereinstimmend festgestellten Symptome diagnostisch einzuordnen sind, hebt Dr. W. noch einmal die Geringgradigkeit dieser Symptome besonders hervor und verweist darauf, dass sie auch in der JVA - trotz des engen sozialen Zusammenlebens dort - nicht aufgefallen sind (die in der JVA tätigen Ärzte sind noch im Frühjahr 2010 davon ausgegangen, dass der Kläger in psychiatrischer Hinsicht nicht behandlungsbedürftig ist, vgl. die Klägerschriftsätze vom 12.2.2010 und vom 17.3.2010 im Verfahren 19 B 09.824; auch den JVA-Berichten über den Strafvollzug ist nichts für ungewöhnliche Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Klägers zu entnehmen, vgl. etwa den JVA-Bericht vom 19.1.2006, Bl. 301 der Ausländerakte). In diesem Sinn hatte sich Dr. W. auch schon im Gutachten vom 18. Oktober 2001 geäußert. Auch der Gutachter Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 von „diskreten“ Einschränkungen gesprochen, ähnlich das Attest des Klinikums N. vom 6. Februar 2013, in dem der psychische Zustand des Klägers als stabil bezeichnet wird. Dem psychiatrischen Gutachten B. vom 26. August 2013, das im Betreuungsverfahren eingeholt und auch im Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes zugrunde gelegt worden ist, ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Residualsymptomatik nur mit geringgradigen Einschränkungen verbunden ist; u. a. vermerkt der Gutachter, der Kläger habe trotz der Sprachbarriere auch die schwierigste Frage der (testweise gestellten) Unterschiedsfragen verschiedenen Schwierigkeitsgrades beantwortet. Die Betreuung in den Bereichen der Gesundheitsfürsorge und der Aufenthaltsbestimmung wurde weiterhin für erforderlich gehalten wegen der eventuellen Notwendigkeit, den Kläger der nervenärztlichen Heilbehandlung zuzuführen und über seine Unterbringung zu entscheiden, die dem übrigen Gutachtensinhalt zufolge nur bei einem Verzicht auf die Neuroleptikabehandlung eintreten kann. Die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern wurde dem jeweiligen Betreuer des Klägers, der noch immer mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen hat (vgl. u. a. den Bericht des Führungsaufsehers vom 23.5.2013 in der Betreuungsakte), insbesondere deshalb übertragen, weil Anträge auf Rente, Altersversorgung, Sozialhilfe sowie auf Integrationshilfen nach der Haftentlassung im Raum gestanden haben. Bei diesen Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten handelt es sich um komplexe Vorgänge, bei denen regelmäßig auch Personen fachlicher Unterstützung bedürfen, die im Bundesgebiet aufgewachsen sind, die deutsche Sprache vollständig beherrschen und keine psychiatrische Beeinträchtigung aufweisen. Eine Darlegung, welche Teile gerade der Residualsymptomatik einer sachgerechten Erledigung dieser Angelegenheiten entgegenstehen, ist den Betreuungsgutachten nicht zu entnehmen. Die von allen Gutachtern festgestellte Geringgradigkeit dieser Symptomatik spricht gegen eine solche Ursächlichkeit. Die Gutachter aus nichtpsychiatrischen Fachgebieten (Kardiologe, Orthopäde, Arbeitsmediziner) referieren umfangreiche anamnestische Angaben des Klägers ohne jede Andeutung von Kommunikationsschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten. Die Unauffälligkeit der Residualsymptomatik wird schließlich auch durch die Berichte der ihm bestellten Betreuer bestätigt. Die Betreuer erwähnen derartige Symptome nicht, sondern legen dar, der Kläger sei im Umgang sehr angenehm, er führe sich sehr gut und sei kooperativ (Betreuerbericht vom 4.11.2013); er mache einen stabilen Eindruck, sei ruhig, angenehm und zuverlässig (Betreuerbericht vom 1.12.2013). Insgesamt ist den im Betreuungsverfahren eingeholten Stellungnahmen und gefassten Beschlüssen nichts für eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit des Klägers zu entnehmen.

Der Umstand, dass der Kläger in der Haft nur kurzzeitig als Arbeiter eingesetzt worden ist, liefert keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Residualsymptomatik stehe einer erfolgreichen Erwerbstätigkeit des Klägers in Russland entgegen.

Den Mitteilungen des Klägers, der die Arbeit mit Werkzeugmaschinen für die Zeit nach der Haftentlassung in Erwägung gezogen hat, ist zu entnehmen, dass er nicht als einer der stärksten Leistungsträger eingeschätzt worden ist, die auch bei kleiner Auftragslage eingesetzt werden, sondern als einer der (grundsätzlich durchaus verwendbaren) Mitarbeiter, die erst eingesetzt werden, wenn der JVA-Betrieb größere Auftragsvolumina abzuarbeiten hat (vgl. die im Gutachten des Dr. W. vom 12.11.2009 - zu Nr. 4 - wiedergegebenen Angaben des Klägers). Es kommt in Betracht, dass diese betriebsseitige Einschätzung auf persönlichen Eigenschaften ohne Bezug zu gesundheitlichen Einschränkungen beruht (wie wohl bei dem größten Teil der Erwerbstätigen, die nicht zur stärksten Leistungsgruppe gehören). In Betracht zu ziehen ist aber auch die Möglichkeit, dass diese Einschätzung die betriebsseitige Umschreibung desjenigen Teils der Residualsymptomatik darstellt, der von den Gutachtern mit den Begriffen „Antriebsdefizit“ und „Verlangsamung“ bezeichnet worden ist. In jedem Fall läuft die betriebsseitige Einschätzung weder auf eine fehlende Erwerbsfähigkeit noch auf eine wesentlich geminderte Erwerbsfähigkeit hinaus und bestätigt damit, dass die Residualsymptomatik mit keinen wesentlichen Einschränkungen des Klägers verbunden ist. Nachdem die Arbeitslosigkeit in Russland und insbesondere in Zentren wie St. Petersburg niedrig ist (vgl. B.I.3 lit. a, aa), ist es wahrscheinlich, dass auch der Kläger einen solchen Arbeitsplatz finden würde.

Im Übrigen ist es zwar nachvollziehbar, wenn der Kläger die Arbeit in der Justizvollzugsanstalt in den Vordergrund stellt, nachdem es sich hierbei um seine letzte Arbeitserfahrung handelt. Seinem Fähigkeitenprofil entspricht jedoch nicht die ihm im JVA-Betrieb abgeforderte, eher die Körperkraft beanspruchende Serienarbeit, sondern eine Tätigkeit in technischen und/oder kaufmännischen Bereichen, in denen es nicht auf eine schnellstmögliche Abarbeitung von Stückzahlen ankommt (vgl. B.I.1) und diesbezügliche Defizite daher - wie auch an den erfolgreichen Geschäften des Klägers in Russland und Deutschland ersichtlich (vgl. B.I.2. lit. c, bb, bbb, aaaa) - keine Rolle spielen.

bb) Die Gutachter Dr. G. und Dr. W. haben dem Kläger eine überwiegend negative Erwerbsprognose gestellt. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 ausgeführt, für die Zeit nach einer möglichen Entlassung sei wieder mit den seit Anfang der 90er Jahre bestehenden Schwierigkeiten zu rechnen, sich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren; auch Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 12. November 2009 die Auffassung vertreten, es werde dem Kläger wahrscheinlich schwerfallen, einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 23. August 2013 nimmt Dr. W zwar keine Bewertung der Erwerbsbiografie des Klägers mehr vor; er geht jedoch hier auf das Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 detailliert ein und nimmt die selbst erstellte Begutachtung vom 12. November 2009 in Bezug, ohne hinsichtlich dieses Aspekts eine neue Sichtweise zu entwickeln. Die negative Erwerbsprognose der Gutachter bezieht sich in erster Linie auf ein Erwerbsleben im Bundesgebiet, denn diese Gutachten sind überwiegend nicht zur gegenwärtigen Fragestellung erstattet worden (das Gutachten des Dr. G. vom 21.7.2009 zur Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung; das Gutachten Dr. W. vom 12.11.2009 zu den tatsächlichen Ausweisungsvoraussetzungen). Der Senat geht aber davon aus, dass Gründe, die ein Scheitern des Klägers im deutschen Erwerbsleben begründen würden, auch ein Scheitern im russischen Erwerbsleben herbeiführen würden.

Die Äußerungen der beiden Gutachter rechtfertigen aber nicht die Erwartung eines Fehlschlags des Klägers bei Erwerbsbemühungen. Die Gründe, die der negativen Erwartung der Gutachter zugrunde liegen, sind - anders als die psychiatrischen Grundlagen (Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, produktivpsychotische Episoden in bestimmten Fällen bei fehlender Neuroleptikabehandlung, Residualproblematik) - nicht fachmedizinischer, sondern tatsächlicher Natur, denn sie sind der Erwerbsbiografie des Klägers während bestehender psychiatrischer Erkrankung entnommen. Die Auswertung aller vorhandenen Informationen über diese Erwerbsbiografie ergibt, dass deren negative Bewertung durch die Gutachter, die insoweit über deutlich weniger Informationen als das Gericht verfügt haben, nicht bzw. nicht mehr zutrifft. Der Senat ist daher zu der Feststellung in der Lage, dass die Erwerbsprognose nicht negativ, sondern positiv ist. Seit März 2010 drohen dem Kläger infolge der Medikation mit Zyprexa keine produktivpsychotischen Episoden mehr (aaa). Die Erwerbsbiografie des Klägers ist von den psychiatrischen Gutachtern Dr. G. und Dr. W. auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage negativ bewertet worden; tatsächlich liefert sie aber keine Anhaltspunkte für eine negative Erwerbsprognose (bbb). Nachdem sich die Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers in psychiatrischer Hinsicht anhand der medizinischen Feststellungen in den vorliegenden psychiatrischen Gutachten in Verbindung mit der (zutreffend ermittelten) Erwerbsbiografie des Klägers beantworten lässt und im Ergebnis zu bejahen ist, war den diesbezüglichen Beweisanträgen (Nrn. 1 lit. b, 2 lit. e < soweit er eine Arbeitsstelle betrifft > und 3 sowie dem letzten in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag) nicht nachzukommen.

aaa) Die Äußerungen betreffend einen Misserfolg des Klägers am Arbeitsmarkt sowohl in dem Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 als auch in dem Gutachten des Dr. W. vom 12. November 2009 gründen wesentlich auf dem Umstand, dass der Kläger im Jahr 2009 neuroleptisch noch unbehandelt gewesen ist (dem Gutachten vom 12.11.2009 zufolge eine solche Behandlung auch abgelehnt hat) und den Gutachtern über kürzlich erlebte Wahnvorstellungen berichtet hat. Zwar haben diese Wahnvorstellungen in der JVA nicht zu Weiterungen geführt; sie sind von Außenstehenden nicht einmal bemerkt worden. Nachdem sie jedoch prägendes Kennzeichen produktivpsychotischer Episoden des Klägers sind, ist es nachvollziehbar, wenn die Gutachter davon ausgehen, dass ihr Auftreten im Rahmen einer Arbeitssuche oder im Rahmen einer Erwerbstätigkeit des Klägers erwerbsgefährdende Auswirkungen haben könnte, und die neuroleptische Behandlung für unabdingbar halten. Jedoch nimmt der Kläger seit nunmehr vier Jahren ein Neuroleptikum ein. Die neuroleptische Unbehandeltheit, die für die negative Erwartung der Gutachter betreffend die Erwerbschancen des Klägers (auch) maßgeblich gewesen ist, trifft somit nicht mehr zu. Seit dem Beginn dieser Medikamentierung im Bundesgebiet gibt es keine Anzeichen mehr für Wahnvorstellungen und Episoden. In seiner gutachterlichen Äußerung vom 23. August 2013 bezeichnet Dr. W. die Symptomatik als deutlich gebessert. Betreffend die Erwerbschancen des Klägers äußert er nur noch „Skepsis“, die er mit „der vorliegenden Erkrankung und nach wie vor bestehenden Einschränkungen im Hinblick auf die Antriebsleistung sowie Besonderheiten des formalen Denkablaufs“ begründet. Diese Residualsymptomatik hat der Gutachter jedoch in derselben Äußerung als jedenfalls nicht schwerwiegend, nur geringgradig und nicht wesentlich bewertet; sie stellt keine ausreichende Grundlage für eine negative Erwerbsprognose dar (vgl. B.I.2 lit. c, aa).

bbb) Die Gutachter Dr. G. und Dr. W. begründen ihre pessimistischen Erwerbsprognosen darüber hinaus nicht mit spezifisch psychiatrischen Feststellungen, sondern mit der Erwerbsbiografie des Klägers bis zu seiner Inhaftierung. Dies ist im Ansatz nachvollziehbar, denn im Falle solcher Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit in früheren Phasen der Grunderkrankung wären vergleichbare Beeinträchtigungen auch in Zukunft zu erwarten. Die Einschätzung der Gutachter ist aber dennoch unzutreffend. Sie steht zum einen in Widerspruch zu deren eigener Feststellung einer Residualsymptomatik ohne wesentliche Einschränkungen (vgl. B.I.2 lit. c, aa). Zum anderen beruht sie auf unzutreffenden Tatsachenannahmen. Dr. G. meint in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 der Erwerbsbiografie des Klägers einen deutlichen Leistungseinbruch entnehmen zu können, und erklärt diesen Leistungseinbruch mit der schizophrenen Erkrankung des Klägers. Die Beklagte kommt jedoch zu einer anderen Bewertung der Erwerbsbiografie des Klägers; sie vertritt die Auffassung, eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychiatrischen Erkrankung sei nicht ersichtlich (Schriftsätze vom 23.8.2012 und vom 27.3.2014). Diese Auffassung ist zutreffend. Dr. G. geht zu Unrecht von einem deutlichen Nachlassen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers aus (aaaa). Die gleichgeartete Annahme des Gutachters Dr. W. in seiner Äußerung vom 12. November 2009 ist ebenfalls ohne Grundlage (bbbb). Daher hat der Senat im Ergebnis nicht von einer eingeschränkten beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers auszugehen; er hat nur die übrige Residualsymptomatik zugrunde zu legen, die keine wesentlichen Einschränkungen des Klägers beinhaltet.

aaaa) Dr. G geht in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 davon aus, dass es dem Kläger zwar gelungen sei, die Schule problemlos zu durchlaufen und die Ausbildung zum Funkingenieur erfolgreich abzuschließen, und dass er dann eine Stelle in einem Produktionsunternehmen für Radios gehabt habe, diese aber aufgrund der Krankheit nach nur eineinhalb Jahren verloren habe und dann in Russland und später auch in Deutschland es nicht vermocht habe, eine seiner verschiedenen Geschäftsideen erfolgreich umzusetzen und mit selbstständigen Tätigkeiten sein Geld zu verdienen (an anderer Stelle: dass es ihm nach der erstmaligen stationären Behandlung psychotischer Symptome - in zeitlichem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust - weder in Russland noch später in Deutschland gelungen ist, beruflich wieder Fuß zu fassen und an die im Rahmen der schulischen Laufbahn zu Tage getretene Leistungsfähigkeit anzuknüpfen). Dr. G. ist ersichtlich der Auffassung, dass ein Leistungsbild des Klägers, das sich in gleichartiger Weise sowohl bei der Angestelltentätigkeit des Klägers in Russland als auch während seiner Selbstständigkeit dort sowie während seiner Videofilmgeschäfte in Deutschland abzeichnet, einen verlässlichen Schluss auf die Erwerbsfähigkeit nach der Haftentlassung zulässt. Die von Dr. G. angenommene grundsätzliche Wende der Erwerbsbiografie ins Negative zu Beginn der 90er Jahre hat aber nicht stattgefunden. Der Kläger ist zwar möglicherweise durch produktivpsychotische Episoden in seinem Erwerbsleben beeinträchtigt worden, außerhalb dieser Episoden aber geschäftlich erfolgreich gewesen. Ein einheitliches (und damit verlässliches) Leistungsbild während verschiedener Phasen der Erwerbstätigkeit ab dem Beginn der 90er Jahre liegt vor; es ist jedoch nicht negativ, sondern eher positiv.

Der Kläger hat Anfang des Jahres 1990 eine produktivpsychotische Episode erlitten; den vom Strafgericht ausgewerteten Krankenunterlagen aus Russland zufolge ist er vom 27. Januar 1990 bis zum 15. Februar 1990 in einem psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt worden (die Mutter des Klägers - zitiert im Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001 - hat dessen Psychiatrieaufenthalte nur grob und jeweils ein Jahr später datiert, seinen ersten Psychiatrieaufenthalt also auf das Jahr 1991). Dem Arbeitsbuch des Klägers zufolge (Bl. 113 der Akte des Verwaltungsgerichts) hat diese Episode nicht zu einer Beendigung seiner Tätigkeit als Ingenieur für Fertigungstechnik geführt; hierzu ist es erst etwa ein Jahr später gekommen, nämlich am 5. Februar 1991. Die Angabe des Klägers gegenüber Dr. G., er habe die Stelle als Funkingenieur in einem Produktionsbetrieb für Radios nach eineinhalb Jahren verloren, spricht zwar für eine Zuordnung des Vorgangs zum Jahr 1990; für die Richtigkeit des im Arbeitsbuch vermerkten Datums spricht jedoch, dass es mit dem Tag identisch ist, an dem der Kläger den vom Strafgericht ausgewerteten medizinischen Unterlagen zufolge erneut wegen einer Episode in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden ist. Die von Dr. G. interpretierten anamnestischen Angaben des Klägers sind auch im Übrigen fragwürdig und drücken ganz überwiegend subjektives Empfinden aus; eine Darstellung der konkreten Gründe für die Beendigung der (dem Arbeitsbuch zufolge) etwa zweieinhalbjährigen Angestelltentätigkeit enthalten sie nicht. Dem Attest der Institutsambulanz des Klinikums N. vom 6. Februar 2013 zufolge hat der Kläger dort angegeben, seine Ingenieurstelle selbst gekündigt zu haben; ebenso hat sich der Kläger bei der Anamnese im Rahmen des Gutachtens des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 geäußert. Das Attest vom 6. Februar 2013 enthält auch Angaben des Klägers, die die Beendigung der Angestelltentätigkeit in einen Zusammenhang mit einer Erpressung im beruflichen Umfeld stellen sowie (allerdings unter Nennung des Jahres 1990) eine produktivpsychotische Episode des Klägers beschreiben. Dem Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 zufolge hat der Kläger eine der produktivpsychotischen Episoden dahingehend detailliert, „dass man in Russland einmal versucht habe, ihn zu erpressen“. Im Strafurteil vom 18. Dezember 2003 (Seite 5) wird ebenfalls eine der produktivpsychotischen Episoden (das Strafurteil spricht von Episoden „in den Jahren 1990/1991“) auf eine Erpressung des Klägers zurückgeführt. Schließlich hat die Mutter des Klägers dem Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 zufolge eine produktivpsychotische Episode darauf zurückgeführt, dass er wegen „der Perestroika“ arbeitslos geworden sei; sie hat damit auf die Teilliberalisierung und teilweise Beseitigung der sozialistischen Wirtschaftsordnung Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre Bezug genommen, die - wie allgemein bekannt - gerade zu Beginn der 90er Jahre einen regelrechten Verfall der russischen Wirtschaft zur Folge gehabt hat. Für die von der Mutter des Klägers angegebene Begründung für die Beendigung der Angestelltentätigkeit des Klägers könnte nicht nur diese zeitgeschichtliche Übereinstimmung, sondern auch der Umstand sprechen, dass es sich bei dem Radiohersteller um einen Staatsbetrieb gehandelt hat (Angabe des Klägers laut dem Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001). Demzufolge sind als Gründe für die (möglicherweise durch Kündigung im Vorfeld einer Entlassung erfolgte) Beendigung der Angestelltentätigkeit des Klägers der allgemeine Verfall der russischen Wirtschaft Anfang der 90er Jahre, strafrechtliche Vorgänge im Umfeld des Klägers oder/und eine produktivpsychotische Episode in Betracht zu ziehen. Für eine Verursachung durch die Residualsymptomatik liegen keine tragfähigen Anhaltspunkte vor. Weder der Kläger noch seine Mutter hat den Arbeitsplatzverlust in einen Zusammenhang mit einer Antriebseinschränkung oder mit einer der anderen diskreten Beeinträchtigungen gestellt, die der Kläger außerhalb von Episoden aufweist.

Die Annahme im Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009, dem Kläger sei nach der Beendigung seiner Arbeit für den Radiohersteller (auch in Russland) eine erfolgreiche Erwerbstätigkeit nicht mehr gelungen, verfügt über keine hinreichende Grundlage; zahlreiche Anhaltspunkte sprechen gegen sie.

Es spricht nichts dafür, dass der Kläger nach seiner Entlassung aus der Klinik am 5. März 1991 im Erwerbsleben nur eingeschränkt leistungsfähig gewesen ist. Der Kläger ist seinem Arbeitsbuch zufolge vom 1. April 1991 bis zum 1. August 1993 als Fachmann für Warenkunde und vom 1. September 1993 bis zum 1. Dezember 1996 als Vorarbeiter („Polier“) eines Bau- und Montagebereichs beschäftigt gewesen. Der Kläger selbst hat allerdings bei der Anamneseerhebung durch Dr. G. von einer anderweitigen Angestelltentätigkeit in Russland nichts berichtet. Bei anderen Gelegenheiten hat er nur sehr allgemein von einer kaufmännischen Tätigkeit bei verschiedenen Firmen gesprochen (Strafurteil vom 18.12.2003, Seite 4; Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001). In die Erwerbstätigkeit als Fachmann für Warenkunde fällt die weitere produktivpsychotische Episode im Jahr 1992, die nur ambulant behandelt worden ist (vgl. das Gutachten des Dr. G. vom 21.7.2009) und offensichtlich keine Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis gehabt hat. Dem Vorbringen des Klägers und seiner Mutter sowie den sonstigen insoweit aussagekräftigen Unterlagen (insbesondere dem Arbeitsbuch) ist nichts dafür zu entnehmen, dass die Erwerbstätigkeit des Klägers in diesen insgesamt etwa fünfeinhalb Jahren durch die Residualsymptomatik nachteilig beeinflusst worden wäre.

Anschließend (vielleicht auch schon als Nebenbeschäftigung in der letzten Zeit seiner Angestelltentätigkeit) ist der Kläger selbstständig erwerbstätig gewesen. Dr. G. nimmt in seinem Gutachten vom 21. Juli 2009 an, es sei dem Kläger nicht gelungen, eine seiner verschiedenen Geschäftsideen erfolgreich umzusetzen und mit einer selbstständigen Tätigkeit sein Geld zu verdienen. Jedoch deutet die Angabe des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. N. (Gutachten vom 13.10.1998 auf die produktivpsychotische Episode vom Frühjahr 1998 hin), er habe Videofilme (Spielfilme, Dokumentar- und Kriegsfilme) landesweit verkauft, auf einen erfolgreichen Verlauf dieser gewerblichen Tätigkeit hin. Hierfür sprechen auch die im Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 zitierten (später durch Ausführungen seiner Mutter bestätigten) Angaben des Klägers, denen der Gutachter entnimmt, dass es dem Kläger gelungen ist, stabile Rahmenbedingungen für seine selbstständige Tätigkeit herzustellen (vgl. auch die inhaltsgleiche Äußerung des Gutachters Dr. W. in der Hauptverhandlung, wiedergegeben auf S. 65 des Strafurteils vom 18.12.2003), sowie die Angaben seiner Mutter, denen zufolge der Kläger hohe Erwartungen hinsichtlich des Gewinns hatte, den sein Cousin mit dem vom Kläger aufgebauten Geschäft (dem Cousin im Rahmen der Ausreise übergeben) erzielen sollte. Den Angaben des Klägers bei seiner Untersuchung in der Institutsambulanz des Klinikums N. (Attest vom 6.2.13) ist zu entnehmen, dass er durch seine selbstständige Tätigkeit in Russland mehr verdient hat als vorher als Ingenieur. Auch bei seiner Befragung durch den Gutachter Dr. W. im Vorfeld des Gutachtens vom 18. Oktober 2001 hat der Kläger seine berufliche Veränderung mit „finanziellen Interessen“ begründet. Die Angaben des Klägers gegenüber Dr. G. betreffend eine krankheitsbedingte Verlangsamung seiner selbstständigen Tätigkeit sind keine geeignete Grundlage für die von Dr. G. vorgenommene Bewertung. Der Kläger hat ansonsten einen solchen Zusammenhang nicht hergestellt. Zufolge des Gutachtens des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 hat der Kläger damals dem Gutachter mitgeteilt, es seien die Medikamente gewesen, die ihn langsam gemacht hätten. Dem Gutachten des Dr. W. vom 12. November 2009 zufolge hat der Kläger wenige Monate nach seiner Begutachtung durch Dr. G. erneut angegeben, dass er den Eindruck habe, unter Medikamenten verlangsamt zu sein; im gleichen Sinn hatte sich in der nichtöffentlichen Sitzung des Betreuungsgerichts vom 14. Oktober 2010 geäußert, in der ein Russisch-Dolmetscher zugegen gewesen ist (Bl. 156 der Betreuungsakte), gegenüber dem Neurologen Dr. B. (vgl. dessen Stellungnahme vom 22.8.1012) und bei der Befragung durch Dr. W. im Vorfeld des Gutachtens vom 23. August 2013. Der Umstand, dass der Kläger bei seinen anamnestischen Angaben gegenüber Dr. G. emotional teilweise stark bewegt, teilweise nivelliert und teilweise dissoziiert gewesen ist (vgl. insbesondere S. 11 und 28 des Gutachtens) und seine vorausgegangene mehrjährige Angestelltentätigkeit in den 90er Jahren (dokumentiert in dem Arbeitsbuch, das er im verwaltungsrechtlichen Verfahren selbst vorgelegt hat) ganz überwiegend vernachlässigt hat, sprechen dafür, dass die Angaben des damals neuroleptisch noch nicht behandelten und an einer Strafrestaussetzung zur Bewährung interessierten Klägers wenig verlässlich sind. Es kommt hinzu, dass der Gutachtensinhalt auf Verständigungsschwierigkeiten bei der Erhebung der Anamnese durch Dr. G. hindeutet. Auf S. 45 des Gutachtens gibt der Gutachter die Mitteilung der JVA wieder, mangelnde Sprachkenntnisse des Klägers hätten einer Gewalttherapie entgegengestanden; der Gutachter setzt dieser Mitteilung keinen gegenteiligen Eindruck entgegen, sondern bestätigt sie mittelbar durch Benennen weiterer Hinderungsgründe für eine Gewalttherapie. Die Exploration hat offensichtlich teilweise in russischer und teilweise in deutscher Sprache statt gefunden: einerseits wurde wegen der „nicht ausreichenden Sprachkenntnisse des Probanden“ ein Dolmetscher für die russische Sprache hinzugezogen (vgl. S 2/3), andererseits die „oberfränkische Sprachfärbung“ des Klägers vermerkt (S. 12). Nicht nur die von Dr. G. zitierten Angaben zum geringen Geschäftserfolg stehen in einem auffälligen Widerspruch zu Angaben des Klägers, die dieser bei anderen Gelegenheiten gemacht hat. In den Mittelpunkt der Beschreibung seiner Geschäftstätigkeit in Russland hat der Kläger mehrfach Videofilme gestellt (vgl. insbesondere das Strafurteil vom 18.12.2003 Seite 4); diese scheinen im Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 in keiner Weise auf.

Nach seiner Übersiedlung in das Bundesgebiet im Herbst 1997 hat der Kläger die deutsche Sprache nicht schulmäßig erlernt; er ging zunächst keiner Erwerbstätigkeit nach und erhielt Sozialhilfe (S. 5 des Strafurteils). In diese Zeit fällt die produktivpsychotische Episode vom Frühjahr 1998, die gutachterlich festgehalten, jedoch nicht medikamentös behandelt worden und wieder abgeklungen ist.

Der Kläger hat dann in der Zeit vor der Straftat vom 7. Februar 2001 einen Handel mit illegal vervielfältigten russischsprachigen CDs und Videos aufgebaut. Dem Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 zufolge hat der Kläger bei der Gutachtensanamnese insoweit lediglich angegeben, die Geschäfte seien „zunächst“ nicht gut gelaufen, so dass er von Sozialhilfe habe leben müssen. Zur Entwicklung der Geschäfte nach dieser wenig erfolgreichen (wie bei Geschäftseröffnung nicht vollkommen ungewöhnlich) Anfangsphase ist dem Gutachten nichts zu entnehmen. Das Strafurteil vom 18. Dezember 2003 (zur st. Rspr. des BVerwG betreffend die Geltung strafgerichtlicher Feststellungen im Ausweisungsverfahren vgl. B. v. 24.2.1998 InfAuslR 1998,221) stellt jedoch fest, der Handel habe ein größeres Ausmaß erreicht (S. 31); es spricht von einem florierenden Geschäft (S. 32), durch das der Kläger erhebliche Gewinne erzielt habe (S. 57), und bewertet diesen Handel auf der Grundlage des Marktwerts des in der Wohnung des Klägers gefundenen Materials und des Umfangs der von ihm getätigten Geldgeschäfte (Strafurteil S. 8 ff. und S. 30 ff.) als „äußerst lukrativ“ (Seiten 3 und 29 des Strafurteils). Aus den Feststellungen des Strafgerichts in diesem Zusammenhang ergibt sich eine erhebliche Geschäftstüchtigkeit des Klägers (beispielsweise hat er demzufolge noch wenige Wochen vor der Straftat vom 7.2.2001 zwei Reisen nach Russland zum Zweck des CD- und Video-Handels unternommen). Aufgrund des geschäftlichen Erfolges, der auch deshalb plausibel ist, weil sich der Kläger dabei in einem Bereich bewegt hat, der ihm sprachlich und fachlich vertraut gewesen ist, hat der Kläger geplant - zusammen mit seinem späteren Opfer, das gut Deutsch sprach und im Umgang mit Behörden erfahren war -, den CD- und Videohandel offiziell und in größerem Stil (und nicht mehr nur mit illegalem Material, sondern auch mit legalem) von einem angemieteten Ladenlokal aus zu betreiben. Dem Gutachten des Dr. W. vom 18. Oktober 2001 und dem Strafurteil vom 18. Dezember 2003 zufolge war eine konkrete Lokalität bereits in die engere Wahl gezogen worden.

bbbb) Die Ausführung des Dr. W. im Gutachten vom 12. November 2009, dem Kläger sei es im Vorfeld der Inhaftierung nicht gelungen „eine stabile berufliche Situation herzustellen“, beruht nicht auf eigenen Feststellungen oder fachlichen Erkenntnissen des Gutachters. Mit dieser Ausführung übernimmt Dr. W. lediglich die gleichsinnige Annahme des Dr. G. im Gutachten vom 21. Juli 2009, ohne sich fundiert eine eigene Überzeugung zu bilden.

In seinem Gutachten vom 18. Oktober 2001 und in seiner Erläuterung dieses Gutachtens vor dem Strafgericht (vgl. S. 65 des Strafurteils vom 18.12.2003) hatte Dr. W. noch angegeben, die Erkrankung habe das Leben des Klägers nicht sehr beeinträchtigt; er habe sein Studium (Hochfrequenztechnik, Diplom im Jahr 1988) abschließen können und (nach der Angestelltentätigkeit bei einem Radiohersteller) einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen können, wobei er stabile Rahmenbedingungen hergestellt habe. Trotz der Residualsymptomatik sei der Verlauf symptomarm gewesen; nach den Episoden Anfang der 90er Jahre sei der Gesundheitszustand des Klägers gebessert gewesen und lange Zeit stabil geblieben; der Kläger habe trotz fehlender Medikation einer beruflichen Tätigkeit nachgehen können. In seinem Gutachten vom 12. November 2009, bei dessen Abfassung ihm das Gutachten des Dr. G. vom 21. Juli 2009 vorgelegen hat, bewertet Dr. W. nunmehr die bisherige Erwerbstätigkeit des Klägers entgegengesetzt, legt seine Gründe für seine Meinungsänderung jedoch nicht dar. Dr. W. nimmt zwar Bezug auf sein Gutachten vom 18. Oktober 2001 und fügt sogar einen mehrseitigen Auszug daraus in sein neues Gutachten ein, jedoch nicht den Abschnitt betreffend den symptomarmen Verlauf nach den Episoden Anfang der 90er Jahre; mit diesem Abschnitt setzt er sich auch nicht inhaltlich auseinander. Die ergänzende Anamnese, die Dr. W. Im Vorfeld seines Gutachtens vom 12. November 2009 erhoben hat, erstreckt sich nicht auf die Erwerbsbiografie (vgl. S. 25 ff.). Aus all dem ergibt sich, dass der Gutachter Dr. W. mit der Ausführung im Gutachten vom 12. November 2009, dem Kläger sei es im Vorfeld der Inhaftierung nicht gelungen „eine stabile berufliche Situation herzustellen“, die gleichsinnige Bewertung in dem kurz vorher erstellten Gutachten des Dr. G. übernommen hat, ohne diese Bewertung im Hinblick auf ihre Grundlagen und die eigene frühere (entgegengesetzte) Bewertung kritisch zu würdigen und zu hinterfragen.

3. Aufgrund seiner Erwerbsfähigkeit wird der Kläger seinen Lebensbedarf einschließlich der auf ihn fallenden Gesundheitsaufwendungen finanzieren können.

Nach den vorliegenden Informationen wird der Kläger deutlich mehr verdienen als die in der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 genannten Beschäftigten im Durchschnitt. Es spricht Überwiegendes für eine entsprechende qualifizierte Beschäftigung; es sind aber auch keine Gründe ersichtlich, die einer Selbstständigkeit des Klägers in einer der ihm bereits bekannten Branchen oder in einer anderen (jedenfalls legalen) Branche mit einem verfügbaren Gewinn entgegenstehen, der solchen Arbeitseinkünften vergleichbar ist. Bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger seinen existenziellen Bedarf (den medizinischen eingeschlossen) nach der Rückkehr nach Russland mit Wahrscheinlichkeit decken können wird, geht der Senat hinsichtlich Einkommen, allgemeinem Existenzminimum und Wohnungskosten zunächst von den Beträgen aus, die bei einer Rückkehr im Jahr 2010 hätten zugrunde gelegt werden müssen, weil die Botschaft entsprechende Angaben im Jahr 2010 geliefert hat (a). Dem Ergebnis dieser Bilanz stellt der Senat die alsbald nach der Übersiedlung erforderlichen Gesundheitsaufwendungen gegenüber, für die die Botschaft erst vor kurzem noch Informationen geliefert hat (b). Die Gegenüberstellung von Beträgen aus dem Jahr 2010 und von aktuellen Beträgen ist möglich, weil Informationen über die Entwicklung des Realeinkommens, zu dem die bei lit. a erörterten Beträge gehören, Gegenstand des Verfahrens sind (c).

a) Das monatliche Nettoeinkommen einer Person mit den Fähigkeiten des Klägers liegt - bezogen auf das Jahr 2010 - deutlich über 16.100 R (aa), so dass nach Abzug des Existenzminimums 2010 von 4481,2 R (bb) und Wohnungskosten 2010 von weniger als 8148 R (cc) ein Betrag von deutlich über 3465 R verbleibt. Dieser Betrag, der für Gesundheitsaufwendungen eingesetzt werden kann, entsprach im Jahr 2010 etwa 85 €.

aa) Die wirtschaftliche Situation in Russland ist wesentlich günstiger als bei der Übersiedlung des Klägers ins Bundesgebiet im Jahr 1997. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Realeinkünfte der russischen Bevölkerung im Durchschnitt mehr als verdoppelt; der unterhalb der Armutsgrenze lebende Bevölkerungsanteil hat sich halbiert. Aufgrund der Wirtschaftskrise vor wenigen Jahren ist die Arbeitslosigkeit zwar erheblich angestiegen und hat im Februar 2009 einen Höchststand von 9,4% erreicht (vgl. Auswärtiges Amt, Länderinformation zur Russischen Föderation, Stand März 2011, vorgelegt von der Klägerseite zusammen mit der Revisionserwiderung vom 3.5.2011 im Verfahren BVerwG 1 C 3.11). Nunmehr ist sie aber wieder auf das Niveau vor der Wirtschaftskrise zurückgegangen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.6.2013, Abschnitt IV.1.1); sie liegt derzeit Russland unter 6%, im zentralen Föderalbezirk mit Sankt Petersburg wenig über 3% (Germany Trade & Invest - Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland -, Lohn und Lohnnebenkosten in Russland, April 2012, S. 7/8). Dies bedeutet, dass in St. Petersburg faktisch Vollbeschäftigung herrscht, also sogar ungelernte Kräfte einen Arbeitsplatz finden.

Für eine erfolgreiche Existenzgründung des Klägers in Sankt Petersburg spricht, dass er hier mehr als 30 Jahre lang gelebt hat, so dass ihm die örtlichen Grundstrukturen bekannt sind. Er hat zudem Verwandte in Sankt Petersburg (vgl. IV.), die ihn bei der Stellensuche oder sonstigen Existenzgründung unterstützen können. Solche Bemühungen sind ihm mithilfe der vielfältigen Telekommunikationsmöglichkeiten auch jetzt schon möglich. Der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 zufolge können sich von Arbeitslosigkeit Betroffene in Sankt Petersburg darüber hinaus beim Arbeitsamt melden, das bei der Arbeitssuche behilflich ist, bei Bedarf Umschulungen bezahlt und in dieser Zeit die Kranken, Renten- und Sozialversicherung übernimmt. Die Beweisanträge Nr. 2 lit. c und d sind nicht geeignet, diese Auskunft in Frage zu stellen (vgl. IV.).

Zusätzliche Hilfe kann der Kläger auf der Grundlage des staatlichen Programms zur Unterstützung im Ausland lebender Personen russischer Sprache erhalten, die auf das Territorium der Russischen Föderation zurückkehren wollen („Programm Landsleute“). Dieses zum 1. Juni 2007 in Kraft getretene Förderprogramm soll der sinkenden Bevölkerungszahl in Russland entgegenwirken; Rückkehrwilligen werden ein Arbeitsplatz und Unterstützung bei der Wohnungssuche zugesichert (http://www.russland.ru/schlagzeilen/morenews.php?iditem=55450 und http://www.ornispress.de/hindernislauffuerrueckkehrer.1208.0.html). Zwar scheinen diese Zusicherungen nicht immer effektiv zu sein; die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Existenzgründung des Klägers wird jedoch durch das Rückkehrerprogramm weiter erhöht. Durch eine Antragstellung vom Bundesgebiet aus kann der Kläger zu einer beschleunigten Aufnahme in das Rückkehrerprogramm beitragen. Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Umstände des Klägers Ausschlussgründe darstellen könnten, liegen nicht vor. Die erklärte Rückübernahmebereitschaft der russischen Behörden spricht gegen ein russisches Interesse, die Reintegration des Klägers zu erschweren.

Aufgrund der Tatsache, dass dem Kläger infolge seiner krankheitsbedingten Einschränkungen nur leichte Tätigkeiten zuzumuten sind, hat der Senat mit Schreiben vom 24. August 2010 im Verfahren 19 B 09.824 bei der Botschaft nach dem Durchschnittsverdienst einer Bürokraft in Sankt Petersburg gefragt und von dort die Monatsverdienste von Ladenverkäufern, Callcenter-Mitarbeitern, Dispatchern, Buchhaltern und Kellnern mitgeteilt erhalten (Stellungnahme der Botschaft vom 26.11.2010). Jedoch spricht mehr für eine erheblich qualifiziertere Tätigkeit des Klägers. Der Kläger ist nach gutachterlicher Beurteilung überdurchschnittlich intelligent, hat im Jahr 1988 an einer russischen Hochschule für Hochfrequenztechnik die Ausbildung zum Rundfunk- und Fernsehingenieur mit dem Diplom abgeschlossen hat und in diesem Beruf auch schon gearbeitet. Der Kläger ist zwar seit vielen Jahren nicht mehr als Ingenieur tätig gewesen und kann deshalb nicht übergangslos eine solche Beschäftigung erneut ausüben. Seine akademische Ausbildung spricht jedoch dafür, dass er über ein vertieftes Grundwissen sowie über die Fähigkeit verfügt, sich in Neuentwicklungen einzuarbeiten. Diese selbstständige Fortbildungsfähigkeit ergibt sich auch aus den Akten (vgl. die Angaben des Klägers in der Sitzung des Betreuungsgerichts vom 14.10.2010 sowie das Attest des Klinikums N. vom 6.2.2013). Das arbeits- und sozialmedizinische Gutachten des Prof. D. vom 19. April 2010 hält eine Tätigkeit im erlernten Beruf als Ingenieur für denkbar. Ihrer Äußerung vom 27. Juli 2010 zufolge geht auch die deutsche Botschaft in Moskau davon aus, dass der Kläger seine Vorbildung als Ingenieur auf dem russischen Arbeitsmarkt verwerten kann. Selbst wenn der Kläger die Befähigung eines kontinuierlich beschäftigten Ingenieurs nicht erreichen sollte, wird er deutlich qualifizierter verwendet werden können als in den im Wesentlichen nur angelernten Tätigkeiten, die die deutsche Botschaft am 26. November 2010 angeführt hat. Seine kaufmännischen Fähigkeiten hat der Kläger schon vor der Übersiedlung ins Bundesgebiet unter Beweis gestellt, sowohl als Arbeitnehmer als auch als Selbstständiger; in Deutschland ist er geschäftlich (wenn auch illegal) ebenfalls erfolgreich gewesen (vgl. B.I.2 lit. c, bb, bbb). Bei diesen Fähigkeiten handelt es sich im Wesentlichen um persönliche Eigenschaften, auf die der Zeitablauf keine oder viel geringere Auswirkungen hat als auf Fachwissen.

Der monatliche Durchschnittsverdienst in den von der Botschaft am 26. November 2010 genannten Tätigkeiten hat damals bei etwa 18.500 Rubel gelegen (die Botschaft hat Monatsverdienste zwischen 14.000 und 23.000 Rubel genannt). Der in Russland von ortsansässigen Arbeitnehmern zu zahlende Einkommensteuersatz liegt bei 13% (zu Sozialversicherungsbeiträgen werden russische Arbeitnehmer nicht herangezogen, vgl. S. 5 und 7 der bereits zitierten Broschüre der Germany Trade & Invest: Lohn und Lohnnebenkosten in Russland) so dass der Netto-Durchschnittsverdienst im Jahr 2010 bei etwa 16.100 R gelegen hat. Es liegt auf der Hand, dass ein russischer Staatsangehöriger, der - wie der Kläger - zum einen unternehmerische Fähigkeiten und Geschäftstüchtigkeit besitzt (die er sowohl selbstständig als auch unselbstständig einsetzen kann) und zum anderen zu einer selbstständigen Aktualisierung veralteten Ingenieurwissens befähigt ist, deutlich mehr verdienen kann.

bb) Der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 zufolge hat damals der monatliche Mindestbedarf für Lebenshaltungskosten (Wohnung ausgenommen) nach dem russischen Sozialhilfegesetz bei 4481,2 Rubel gelegen.

cc) Hinsichtlich seiner Unterkunft ist der Kläger nicht bereits dann existenzgefährdet, wenn ihm kein abgeschlossenes 1-Zimmer-Apartment zur Verfügung steht (BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 1 C 3.11). Die deutsche Botschaft in Moskau hat in ihrer Stellungnahme vom 8. November 2013 mitgeteilt, sie könne die Frage nach kostengünstigeren Unterkunftsmöglichkeiten für den Kläger nicht konkret beantworten; in St. Petersburg bestehe aber die Möglichkeit, Makler, Zeitungsinserate und Internet zu nutzen und in einem Einzelzimmer oder in einer Wohngemeinschaft unterzukommen. Demzufolge gibt es kostengünstige Unterkunftsmöglichkeiten für Alleinstehende in Sankt Petersburg. Angesichts des Erfahrungswissens und der Nachforschungsmöglichkeiten der Botschaft stellt dies eine für die Prognose verwertbare Information dar.

Nur beispielhaft weist der Senat darauf hin, dass dem Internet, auf das die Botschaft unter anderem verwiesen hat, zu entnehmen ist, dass in St. Petersburg, wo der größte Teil der Bevölkerung in bescheidenen, weitgehend von der früheren Wohnraumbewirtschaftung geprägten Verhältnissen wohnt, noch immer eine traditionelle Form der Wohngemeinschaft sehr verbreitet ist („Kommunalka“), bei der sich mehrere Parteien eine Wohnung in der Weise teilen, dass ein Teil (Zimmer) den privaten Lebensbereich bildet, die Sanitär- und Kücheneinrichtungen aber gemeinsam genutzt werden. Der im Schriftsatz vom 16. Mai 2014 zitierten Veröffentlichung „Die Hauptstadt der Kommunalkas“ (Bauwelt 24.10) zufolge leben auf diese Weise noch mehr als eine halbe Million St. Petersburger, was gegen eine Begrenztheit auf besonders problematische Bevölkerungsgruppen spricht. Die städtischen Pläne, die Kommunalkas durch moderne Wohnformen zu ersetzen, kommen seit Jahrzehnten nicht voran (vgl. die im Schriftsatz vom 16.5.2014 zitierte Internet-Veröffentlichung „Petersburg wird seine Kommunalkas nicht los“) und sind daher für die Zeit alsbald nach der Abschiebung unerheblich.

Den Beweisanträgen auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass eine zwangsweise Unterkunft in einer sog. „Kommunalka“ oder in einer anderen Form von Gemeinschaftsunterkunft zu einer alsbaldigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers führen würde (Beweisantrag Nr. 1 lit a), sowie zum Beweis dafür, dass der Kläger, soweit er nicht mehr bei seiner Mutter bleiben kann, auf eine Unterkunft in beschützter Umgebung für geistig behinderte Erwachsene angewiesen ist (Beweisantrag Nr. 1 lit. c), konnte aus mehreren Gründen nicht Rechnung getragen werden. Der Beweisantrag Nr. 1 lit. a ist zunächst nicht erheblich, weil der Kläger weder nur in Gemeinschaftsunterkünften unterkommen kann noch zu einer speziellen Unterkunft („zwangsweisen Unterkunft“) genötigt ist. Darüber hinaus sind beide Beweisanträge unsubstantiiert, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger von einer auf ihn zugeschnittenen Wohnform nicht nur profitieren würde, sondern auf einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit oder gar auf eine Unterkunft für geistig behinderte Erwachsene zur Vermeidung einer Gesundheitsverschlechterung tatsächlich angewiesen und unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung ist. In St. Petersburg lebt noch mehr als eine halbe Million Menschen in Kommunalkas (Bauwelt 24/2010 als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 16.5.2014; die im selben Schriftsatz in Bezug genommene Internet-Veröffentlichung von Russland-Aktuell spricht von 744.000 Personen oder 15% der Stadtbevölkerung). Aus dieser Zahl ergibt sich, dass in Kommunalkas alle persönlichen Eigenschaften und nicht etwa nur randständige Persönlichkeiten anzutreffen sind. Das Attest der Institutsambulanz des Klinikums N. vom 6. Februar 2013, das von einem „ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit“ spricht, stellt keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Kläger auf einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit angewiesen, also unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung ist. Das Attest ist erstellt worden, als sich der drei Tage vorher aus der JVA entlassene und nun zur Wohnungnahme in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtete (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Art. 1 AufnG; § 1 Abs. 1 AsylbLG) Kläger erstmals in der psychiatrischen Institutsambulanz des Klinikums vorgestellt hat. Aufgrund des Attests ist eine Befreiung von dieser Verpflichtung ausgesprochen worden (vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.6.2013 vorgelegten Unterlagen). Das Attest ist somit zur Stützung des Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft erstellt worden, in der alleinstehende Männer nicht selten in Mehrbettzimmern untergebracht sind. Der Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt dem Attest nicht zugrunde. Die Verfasser des Attests nehmen keinen Bezug auf Akten oder Gutachten. Das Attest ist ausschließlich anhand der vielfach sehr subjektiven Angaben des Klägers und seiner Mutter verfasst worden (vgl. etwa die Darstellung der Straftat vom 7.2.2001). Das Klinikum berücksichtigt bei dem Verfassen des Attests lediglich die Pauschalität der ausländerrechtlichen Zielsetzungen, auf denen die Wohnungnahmeverpflichtung beruht, den Umstand, dass der Kläger psychiatrisch beeinträchtigt ist, sowie die sich bei oberflächlicher Betrachtung aufdrängende Möglichkeit des Wohnens bei der Mutter. Das Konfliktpotenzial der Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Mutter scheint zwar andeutungsweise in der Anamnese auf; die abschließende Stellungnahme des Klinikums zum Befreiungsantrag würdigt jedoch ausschließlich die positiven Aspekte dieser Beziehung. Eine differenzierte Abwägung, inwieweit der Kläger in einer Gemeinschaftsunterkunft leben kann, insbesondere wenn eine andere Unterkunftsmöglichkeiten nicht besteht, und eine Berücksichtigung eines konkreten Maßes der Gemeinschaftlichkeit (die bis zum Schlafraum reichen kann, sich aber auch - wie in der traditionellen Kommunalka in Sankt Petersburg - auf die Küchen- und Badeinrichtungen beschränken kann) ist dem Attest nicht zu entnehmen. Die medizinische Begründung („schwere psychotische Erkrankung mit einer bekannt niedrigen Reizschwelle“) lässt sowohl die Tatsache außer acht, dass der Kläger - neuroleptisch unbehandelt und dennoch ohne Entwicklung einer produktivpsychotischen Episode - neun Jahre unter Strafgefangenen verbracht hat (insgesamt zwölf Jahre), unter denen nach seiner eigenen Angabe (Klägerschriftsatz vom 29.2.2008 im Verfahren 19 B 07.2762) Gewalt herrscht, als auch den durch die Behandlung mit Zyprexa erreichten Gesundheitszustand. Das Attest enthält auch keine differenzierte Erwägung zur Frage, in welchem Zeitraum (unter welchen Umständen) die Entstehung einer produktivpsychotischen Episode im Falle des Fehlens eines ruhigen isolierten Wohnraums mit einer Rückzugsmöglichkeit zu erwarten wäre. Nachdem der Kläger nicht aus Gesundheitsgründen auf eine Unterkunft in beschützter Umgebung für geistig behinderte Erwachsene angewiesen ist, ist die Frage unerheblich, ob dem Kläger in der Russischen Föderation eine solche Wohnsituation zur Verfügung steht, und war der hierzu gestellte Beweisantrag Nr. 2 lit. e (Alternative 2) abzulehnen.

Auch die Möglichkeit, dass der Kläger jedenfalls in der ersten Zeit bei Verwandten unterkommt und durch diese (auch schon vor der Übersiedlung) bei der Wohnungssuche unterstützt wird (vgl. Nr. IV) ist realistisch, zumal der Kläger bislang nicht dargelegt hat, wie seine Eltern über die Wohnung verfügt haben, die sie infolge der Übersiedlung ins Bundesgebiet aufgegeben haben, und eine Überlassung an Verwandte naheliegt.

Ein russischer Staatsangehöriger, der - wie der Kläger - in Sankt Petersburg geboren ist und russischsprachige Websites auswerten kann, konnte im Jahr 2010 nach der Überzeugung des Senats eine bescheidene Unterkunft für deutlich weniger als 200 € pro Monat finden. Dies ergibt sich daraus, dass angesichts der von der Botschaft genannten Verdienstmöglichkeiten einerseits und der Aufwendungen für die allgemeine Lebenshaltung andererseits für einen wesentlichen Teil der Bevölkerung nur solche Unterkunftskosten noch tragbar sind. Auf der Basis des in der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 mitgeteilten Währungsverhältnisses - 4481,2 Rubel für etwa 110 Euro - entspricht der Betrag von 200 € einem Betrag von etwa 8148 R. Einem Wohnqualitäts-Vergleich der in alten und abgewohnten Gebäuden gelegenen Kommunalkas mit der abgeschlossenen 1-Zimmer-Wohnung zum Mietpreis von 400 €, die über eigene Sanitär- und Kücheneinrichtungen verfügt und Gegenstand der Auskunft der deutschen Botschaft vom 26. November 2010 ist, spricht ebenfalls für diese Schätzung der Kosten einer bescheidenen Unterkunft.

Möglicherweise kann der Kläger eine noch günstigere Unterkunft finden, da einerseits seine Registrierung in Sankt Petersburg zu erwarten ist und er dann Zugang zu staatlich geförderten Wohnungen hat (vgl. nachfolgend lit. b) und andererseits das „Programm Landsleute“ Unterstützung auch insoweit bietet (vgl. IV.). Da aber offen ist, ob der Kläger eines dieser beiden Fördersysteme alsbald nutzen kann, lässt der Senat die Möglichkeit einer öffentlich geförderten Wohnung unberücksichtigt.

b) Der Kläger wird mit Wahrscheinlichkeit für seine Gesundheit nicht mehr als 95 €/Monat aufwenden müssen.

Der Kläger kann damit rechnen, in die kostenlose staatliche Gesundheitsfürsorge aufgenommen zu werden.

Die kostenlose medizinische Versorgung ist von der Registrierung abhängig. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt; die Registrierung erfolgt bei Vorlage des Inlandspasses und Nachweis von Wohnraum (zum Registrierungssystem vgl. Nr. IV.2 des Lageberichts vom 10.6.2013 sowie Nußberger a. a. O. S. 102). Der Kläger kann das Recht auf kostenlose medizinische Versorgung in St. Petersburg geltend machen, denn es ist davon auszugehen, dass er hier eine Wohnsitzregistrierung erhalten wird. Der Ort der Registrierung aus dem Ausland zurückkehrender russischer Staatsangehöriger ist in aller Regel der letzte Wohnort, an dem sie vor ihrer Ausreise registriert waren (Botschaftsstellungnahme vom 27.7.2010). Der Kläger ist in St. Petersburg (Leningrad) geboren, aufgewachsen und war vor seiner Übersiedlung ins Bundesgebiet hier registriert (vgl. die Übersetzung des Passes vom 15.4.1982, Blatt 4 der Ausländerakte, sowie den Reisepass vom 14.1.1994, Blatt 18 der Ausländerakte sowie Schwb-Akte Bl. 3). Es bestehen keine Zweifel daran, dass die russischen Behörden hieran anknüpfen werden; die russische Zusage, den Kläger zurückzunehmen (vgl. den Beklagtenschriftsatz vom 7.1.2013) deutet darauf hin, dass diese Anknüpfung bereits erfolgt ist. Somit ist nicht zu erwarten, dass ihm die Ausstellung eines Inlandspasses in Sankt Petersburg verweigert wird, wie dies bei Personen vorkommt, die vorher an einem anderen Ort in der Russischen Föderation (insbesondere in Tschetschenien) registriert gewesen sind (vgl. den Lagebericht vom 10.6.2013 a. a. O.). Auch den für die Registrierung erforderlichen Wohnraumnachweis wird der Kläger führen können (vgl. B.I.3 lit. a, cc). Daher ist der Beweisantrag Nr. 2 lit. f (auf Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass sich der Kläger in der Russischen Föderation nicht registrieren lassen kann, ohne ausreichenden Wohnraum nachzuweisen) unerheblich.

Die Botschaft ist hinreichend sachkundig hinsichtlich der erteilten Auskünfte. Die Botschaft hat sich nicht zur gesundheitlichen Situation des Klägers geäußert, wofür es besonderer ärztlicher Fachkenntnis bedurft hätte (die sich ein Vertrauensarzt durch die konsiliarische Einschaltung eines entsprechenden Facharztes beschaffen könnte). Die Voraussetzungen und Leistungen der Krankenversorgung, beispielsweise die Verfügbarkeit und die Kosten von Medikamenten, können von jeder russischsprachigen Person festgestellt werden. Über seine Kontakte in Russland, über das Internet und mit Hilfe seiner als Neurochirurgin tätig gewesenen Mutter und deren Heimatkontakte ist dies auch dem Kläger möglich. Die von der Botschaft übermittelten Informationen können daher nicht durch einen Hinweis auf die Grenzen einer ärztlichen Ausbildung in Zweifel gezogen werden, sondern nur durch die substantiierte Darlegung, die Tatsachen lägen anders als in der Botschaftsäußerung dargestellt. Dies ist nicht geschehen, so dass der Senat die Botschaftsangaben zugrunde zulegen hat.

Zwar erhält dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2013 (S. 26) zufolge die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung keine kostenfreie medizinische Versorgung. Jedoch bedeutet dies nicht, dass dieser Bevölkerungsteil medizinisch unversorgt bleibt, denn zum einen finanzieren die Arbeitgeber nunmehr eine leistungsfähige Krankenversicherung (vgl. S. 5 und 7 der bereits zitierten Broschüre der Germany Trade & Invest: Lohn und Lohnnebenkosten in Russland) und zum anderen können Empfänger höherer Gehälter ihre Gesundheitsaufwendungen selbst erbringen. Diese Anmerkung im Lagebericht ist somit kein Anhaltspunkt für eine Unbrauchbarkeit der kostenlosen Gesundheitsfürsorge.

Ein herzkranker Patient, der in der Russischen Föderation in den Genuss einer möglichst kostenfreien Behandlung und Medikation kommen will, muss nach der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 (auf der Grundlage von Auskünften eines Vertrauensarztes) eine Invalidität beantragen. Anschließend muss er sich persönlich einer medizinischen Kommission stellen, die den Grad der Beeinträchtigung feststellt. Unabhängig von dem Ergebnis der Kommission muss sich der Patient im Anschluss beim Bezirkskardiologen vorstellen, der den notwendigen Umfang der kostenlosen medizinischen Betreuung bestimmt und auch die Verschreibung der kostenfreien Substanzen festlegt. Die ärztlichen Unterlagen aus Deutschland können bei der Vorstellung vor einer medizinischen Kommission beigebracht werden. Eine Weiterbehandlung und Nachsorge des Klägers ist grundsätzlich unter anderem in der Föderalen Klinik Nr. 2 in Sankt Petersburg gewährleistet.

Der Botschaftsäußerung vom 8. November 2013 zufolge kann zwar von der Botschaft keine Stellungnahme abgegeben werden, in welchem Umfang der Kläger einen Anspruch auf kostenlose medizinische Behandlung und Bezug von Medikamenten hätte, weil dies erst aufgrund der erwähnten persönlichen Vorstellung und Einzelfallprüfung festgelegt wird. An der Aufnahme des Klägers in die kostenlose staatliche Gesundheitsversorgung als solche äußert die Botschaft keine Zweifel. Nicht zuletzt wegen der detaillierten Gutachten, mit denen der Kläger seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen belegen kann, hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass das von der Botschaft beschriebene russische Prüfungs- und Diagnoseverfahren zu einer sachgerechten Behandlung des Klägers auf dem Niveau des staatlichen russischen Gesundheitssystems führen wird. In Sankt Petersburg sind das Wissen und die technischen Möglichkeiten auch für anspruchsvolle Behandlungen vorhanden und ist die Versorgung mit Medikamenten gut (Lagebericht vom 10.6.2013, Nr. IV.1.2.).

Der Senat hat auch davon auszugehen, dass die Einleitung der kardiologischen Behandlung im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems zeitgerecht erfolgt. Da sich Herzkrankheiten schnell lebensbedrohlich entwickeln können, hätte ein Gesundheitssystem, das für solche besonderen Fälle keine notfallmäßige (also ein akribisches Begutachtungsverfahren nicht erfordernde) Versorgung vorsieht, nicht nur einen niedrigeren Standard als im Bundesgebiet, sondern wäre insoweit wertlos. Im Übrigen steht eine dringliche, mit Verzögerungen unvereinbare Behandlung des Klägers nicht an, so dass der Kläger nicht sofort nach der Übersiedlung auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems angewiesen ist. Schließlich hat die Beklagte zugesichert, dem Kläger vor der Ausreise oder Abschiebung einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 € zu übergeben, so dass er zunächst existenzgesichert ist einschließlich der Möglichkeit, die benötigten Medikamente für die erste Zeit nach eigenem Ermessen entweder (nach Rezeptierung durch die ihn behandelnden Ärzte) mitzunehmen oder nach der Ankunft in Russland zu erwerben (vgl. IV.). Auch die in der ersten Zeit erforderlichen (kostengünstigen, vgl. unten) Kontrolluntersuchungen (Rezeptausstellungen eingeschlossen) kann der Kläger auf diese Weise finanzieren. Schließlich ist der Beweisantrag auch ungeeignet. Nachdem sich die Botschaft nicht in der Lage sieht, den konkreten Verlauf des Verfahrens zu prognostizieren, ist auch eine konkrete Zeitprognose nicht zu erwarten.

Soweit der Kläger mit Beweisantrag Nr. 2 lit. b die Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt hat, dass ihm in der Russischen Föderation keine kostenfreie ärztliche und medikamentöse Versorgung in Russland zuteil werden wird, konnte dem nicht Folge geleistet werden. Nachdem den vorliegenden Auskünften der deutschen Botschaft über die öffentliche Gesundheitsversorgung zu entnehmen ist, dass das Gegenteil der Beweisbehauptung zutrifft, und Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder ein sonstiges Ungenügen dieser Auskünfte nicht vorliegen, bedarf es einer weiteren Beweiserhebung nicht (§ 98 ZPO, § 412 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BVerwG, B. v. 27.3.2013 - 10 B 34.12). Soweit der Kläger mit seiner Beweisbehauptung auf den Umstand abhebt, dass im Rahmen der „kostenlosen“ staatlichen Gesundheitsversorgung Zuzahlungen verlangt werden, bedarf es der beantragten Beweiserhebung nicht, weil der Senat - wie im nachfolgenden Absatz dargestellt - von solchen Zuzahlungen auf der Grundlage der Auskünfte der deutschen Botschaft ausgeht; sie werden jedoch für den Kläger erschwinglich sein und daher nicht zur Ursache einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung werden.

Trotz der Aufnahme in das staatliche Gesundheitssystem muss der Kläger damit rechnen, eigene Mittel für die Behandlung aufwenden zu müssen. Nach Nr. IV.1.2. des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2013 werden in der Praxis nahezu alle Gesundheitsdienstleistungen erst nach verdeckter privater Zuzahlung geleistet, obwohl die ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Allerdings zeigt sich dem von der Beklagten in Bezug genommenen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. April 2010 (S. 29) zufolge im Alltag häufig, dass von mittellosen und wenig verdienenden Personen nichts bzw. wenig an Zusatzzahlungen abverlangt wird, bei normal- bis gut verdienenden Personen dagegen mehr. Angesichts des unveränderten Fortbestandes des staatlichen russischen Gesundheitssystems fehlt es an Anhaltspunkten, die dafür sprechen, dass diese Äußerung des Auswärtigen Amtes keine Gültigkeit mehr besitzt. Manche Medikamente sind in die Medikamentenliste des Gesundheitsministeriums nicht aufgenommen und somit im kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem nicht vorgesehen. Bei den meisten der vom Kläger benötigten Medikamente ist dies der Fall (Botschaftsäußerung vom 26.11.2010 im Verfahren 19 B 09.824).

Russlands Präsident Putin hat am 28. Juni 2012 bei der Vorstellung der Haushaltsbotschaft für die Jahre 2013 bis 2015 dazu aufgefordert, jegliche Spekulationen betreffend eine Aufhebung der kostenlosen medizinischen Betreuung und Ausbildung einzustellen; er hat den Willen zu einer verbesserten Finanzierung sowie zu einer qualitätsfördernden Konkurrenz staatlicher und privater Leistungserbringer bekräftigt (vgl. S. 10 der Länderinformationen zur Russischen Föderation vom August 2012 des Informationszentrums Asyl und Migration im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Neben dieser politischen Zielsetzung von Gewicht spricht auch die deutliche Verbesserung der russischen Wirtschafts- und Einkommenssituation seit dem Jahr 2000 (vgl. lit. a) für eine schrittweise Verbesserung der derzeit eingeschränkten Leistungsfähigkeit des staatlichen Gesundheitssystems.

Der Kläger benötigt ein Mittel zur Blutverdünnung mit ausreichender Gerinnungshemmung. Das dem Kläger derzeit verabreichte, in Russland jedoch nicht verfügbare (Auskunft der Firma Roche vom 8.1.2007, vorgelegt im Verfahren 19 B 07.2762) Medikament Marcumar kann der Stellungnahme des Dr. H. vom 3. September 2013 zufolge durch das für Patienten mit Kunstklappen geeignete Medikament Warfarin ersetzt werden, das der Botschaftsäußerung vom 8. November 2013 zufolge in Russland verfügbar ist. Die Kosten für Warfarin betragen etwa 5 Euro, wobei es sich - wie bei den anderen von der Botschaft genannten Medikamentenkosten - um den Monatsbetrag handelt (Botschaftsäußerung vom 8.11.2013, S. 2 oben). Der Kläger benötigt weiterhin einen ACE-Hemmer, in Russland kostengünstig erhältlich für weniger als 10 Euro/Monat, einen Kalziumantagonist, in Russland erhältlich für weniger als 35 €/Monat und ein Diuretikum. Der Botschaftsauskunft zufolge ist dies „kostengünstig“ in Russland zu erhalten; angesichts der gleichartigen Formulierung der Botschaft im Zusammenhang mit dem ACE-Hemmer geht der Senat auch hinsichtlich des Diuretikums von etwa 10 Euro/Monat aus. Diese Medikamente sind dem Gutachten des Dr. H. vom 8. April 2013 zwingend notwendig, um zu verhindern, dass es innerhalb weniger Wochen zu einer kardialen Dekompensation kommt. Im Gegensatz zur Beklagten (Schriftsatz vom 27.6.2013) zweifelt der Senat nicht daran, dass eine kardiale Dekompensation (Sauerstoffunterversorgung und Ödeme bereits im Ruhezustand) eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung im Sinne des Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellt, nachdem sie - wie im Attest des Klinikums N. vom 6. Februar 2013 (S. 1) beschrieben, aber auch allgemein bekannt - notfalltherapeutisch behandelt werden muss.

Die Medikation mit einem zusätzlichen Diuretikum und mit einem niedrig dosierten kardioselektiven Betablocker (als Kosten wären für das weitere Diuretikum ebenfalls 10 Euro/Monat anzusetzen - vgl. oben - und hinsichtlich des Betablockers der Botschaftsauskunft zufolge weniger als 15 €/Monat) hält der kardiologische Gutachter für sinnvoll. Der Kardiologe führt aber darüber hinaus aus, es sei nicht mit Sicherheit zu sagen, ob ihr Weglassen zu einer alsbaldigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen würde; hier würde er eher mit mittelfristigen Effekten rechnen. Hieraus ergibt sich klar, dass im Falle des Weglassens keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer alsbaldigen wesentlichen Gesundheitsverschlechterung besteht. Mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 11. Juli 2013 verkennt der Kläger, dass die Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht als solche eine Aufenthaltsbeendigung entgegensteht, sondern nur in Verbindung mit einem Zeithorizont, der durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anhand des Begriffs „alsbald“ festgelegt worden ist. Dieser Begriff steht in einem deutlichen Gegensatz zu dem vom Sachverständigen verwendeten Begriff „mittelfristig“. Anhaltspunkte dafür, dass die nichtkardiologischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (insbesondere die schizophrene Residualsymptomatik) eine andere kardiologische Beurteilung begründen könnten, liegen nicht vor.

Für die Annahme, der Kläger werde sich mit seiner Abschiebung nicht abfinden und deshalb schon hierbei einer außergewöhnlichen seelischen und/oder kardiologischen Belastung ausgesetzt sein (mit der Folge einer Gefährdung von Gesundheit und Leben, so dass § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Abschiebung entgegensteht), spricht nichts. Dem Gutachten vom 8. April 2013 ist die Wahrscheinlichkeit mittelfristiger Effekte im Falle des Weglassens der genannten Herzmedikamente zu entnehmen, also keine Wahrscheinlichkeit solcher Effekte bei der Abschiebung, während der die gutachterlich festgelegte Therapie noch wirkt. Durch Begleitpersonen kann die Einnahme der neuroleptischen Medikation gewährleistet und eine produktivpsychotische Episode verhindert werden; selbst in der neuroleptisch unbehandelten Zeit haben behördliche Maßnahmen beim Kläger keine Steigerung der gesundheitlichen Beeinträchtigung herbeigeführt (vgl. B.I.2 lit. a). Schließlich ist den Gutachten des Dr. H. zu entnehmen, dass selbst im Falle eines (nicht wahrscheinlichen) Aufbegehrens des Klägers gegen die Abschiebung die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung nicht besteht. Nach dem Gutachten vom 9. Februar 2010 (zu Nr. 7) ist es - auf der Grundlage der vom Gutachter zuvor getroffenen diagnostischen Feststellungen - eher unwahrscheinlich, dass eine Durchsetzung der Abschiebung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung zur Folge hat. Die diagnostischen Feststellungen, die Dr. H. in seinem Gutachten vom 9. Februar 2010 trifft, sind im Wesentlichen auch dem Gutachten vom 8. April 2013 zu entnehmen (vgl. Nr. B.I.1).

Im Ergebnis summieren sich die Kosten der kardiologischen Medikamente, die der Kläger benötigt, um einer wesentlichen Verschlechterung seiner Gesundheit alsbald nach der Abschiebung vorzubeugen, auf 60 € pro Monat. Nachdem der Botschaftsstellungnahme vom 26. November 2010 zufolge nur „die meisten“ der vom Kläger benötigten Medikamente nicht vom staatlichen Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt werden (also immerhin ein Teil zur Verfügung gestellt wird), liegen die benötigten Beträge tatsächlich etwas tiefer.

Über die Medikation hinaus erfordert die kardiologische Problematik des Klägers ärztliche Behandlungen und Kontrolluntersuchungen mit unterschiedlicher Frequenz. In seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2010 (19 B 09.824) ist der Senat aufgrund der von ihm bei der deutschen Botschaft in Moskau eingeholten Informationen davon ausgegangen, dass sich die Kosten für die ärztliche Behandlung (ohne Medikamentenkosten), die der Kläger in Russland benötigen wird, auf etwa 300 € pro Monat belaufen werden. Den für die hiesige Entscheidung bindenden Gründen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012 zufolge (zu den Revisionsrügen betreffend den Betrag von 300 € vgl. u. a. den Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 28.3.2011) hat der Verwaltungsgerichtshof hierbei nicht hinreichend beachtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht schon dann erfüllt sind, wenn dem Kläger nicht mehr der in Deutschland übliche medizinische Standard dauerhaft zur Verfügung steht, sondern nur dann, wenn ihm die Behandlung nicht mehr zur Verfügung steht, durch die eine alsbaldige und wesentliche (gegebenenfalls sogar lebensbedrohliche) Verschlechterung seines Gesundheitszustandes verhindert wird.

Die Würdigung der Botschaftsinformationen unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt, dass die erforderliche Behandlung des Klägers nicht zu Arztkosten in Höhe von 300 € pro Monat führt, sondern grundsätzlich im Rahmen des kostenlosen staatlichen Gesundheitssystems erfolgen kann und deshalb lediglich Zuzahlungen in Höhe von wenigen Euro erfordert.

Die Frage des Senats, ob in Russland ein Anspruch auf kostenlose Gesundheitsbehandlung und Versorgung mit Medikamenten besteht (Nr. 2 des Beweisbeschlusses vom 11.5.2010 im Verfahren 19 B 09.824), hat die Botschaft mit Schreiben vom 27. Juli 2010 (zu Nr. 2) für den Ort der Registrierung des Staatsbürgers grundsätzlich bejaht. Sie hat diese Bestätigung jedoch in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: die kostenlose Versorgung entspreche nicht dem Standard in der Bundesrepublik und hinsichtlich der Medikamente beschränke sie sich auf diejenigen, die im Medikamentenverzeichnis des Gesundheitsministeriums aufgeführt seien. Auf die weitere Frage des Senats, ob der Kläger die in den fachpsychiatrischen, kardiologischen, orthopädischen und arbeitsmedizinischen Gutachten für erforderlich erachteten Behandlungsmaßnahmen in staatlichen russischen Kliniken oder in russischen Privatkliniken erhalten könne (Nr. 3 des Beweisbeschlusses vom 11.5.2010), hat die Botschaft geantwortet, sie seien „in der Russischen Föderation“ erhältlich. Die monatlichen Kosten hierfür hat die Vertrauensärztin der Botschaft auf etwa 300 €/Monat geschätzt (zu Nr. 4; aus Nr. 1 lit. a und lit. b der Botschaftsauskunft vom 26.11.2010 ergibt sich, dass die Medikamentenkosten in diesem Betrag nicht inbegriffen sind). Die weitere Frage, ob diese Kosten im Falle von Arbeitslosigkeit von öffentlichen Institutionen (Sozialhilfe) übernommen würden (Nr. 5 des Beweisbeschlusses vom 11.5.2010), hat die Botschaft weder bejaht noch verneint; sie hat erneut auf den Anspruch auf kostenlose medizinische Behandlung (bei Medikamenten vorbehaltlich der Auflistung im offiziellen Medikamentenverzeichnis) verwiesen. Auf die Nachfrage des Senats vom 24. August 2010 hat die Botschaft dann unter dem 26. November 2010 (zur Nr. 1 lit. a) mitgeteilt, der Kläger müsse die Behandlungskosten von 300 €/Monat selbst tragen.

Aus diesem Schriftwechsel sowie aus der Tatsache, dass trotz mehrfacher Nachfrage des Senats keine Aufschlüsselung des Betrags seitens der Botschaft zu erreichen war, ergibt sich, dass (wie bereits im vorherigen Rechtszug von der Beklagten - vgl. Schriftsatz vom 20.12.2010 - und von der Landesanwaltschaft - vgl. u. a. Schriftsatz vom 28.3.2011 - angenommen und vom BVerwG zur Begründung seiner Zurückverweisungsentscheidung vom 22.3.2012 herangezogen) die Botschaft die gutachterlich ermittelte Behandlung des Klägers dem deutschen Standard zugeordnet hat, der vom kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem in Russland nicht erreicht wird, und daher für diese ärztlichen Behandlungen überschlägig den langfristig zu erwartenden Durchschnittsbetrag pro Monat für eine Vielzahl von Marktpreisen angesetzt hat. Dies ist nachvollziehbar. Das durch Einholung von Gutachten ermittelte Behandlungskonzept ist von erfahrenen Spezialisten, leitenden Klinikärzten und Hochschullehrern im Rahmen intensiver Begutachtungen mit zahlreichen Tests und Diagnoseverfahren entworfen worden. Sowohl dieser Aufwand für die Befundung als auch die auf dieser Grundlage ermittelte Gesundheitsversorgung entspricht im Wesentlichen der höchsten deutschen Qualitätsstufe, liegt also noch über dem Standard der durchschnittlichen deutschen Krankenversorgung, der der Botschaftsauskunft zufolge vom staatlichen russischen Gesundheitssystem nicht erreicht wird. Beispielsweise wird in der Stellungnahme des Dr. H. vom 9. Februar 2010 (S. 3: für den Falle einer negativen Entwicklung, für die noch keine Anhaltspunkte vorliegen) das Übernähen des Lecks in der implantierten Aortenklappenprothese angesprochen. Welche ärztliche Maßnahme innerhalb dieses weiten Zeit- und Qualitätshorizonts wann und wie oft angewendet wird, ist von nicht konkret absehbaren Einzelfallumständen sowie der jeweiligen ärztlichen Beurteilung abhängig. Eine exakte Kostenberechnung war nicht möglich, lediglich eine überschlägige Prognose. Die scheinbar ausweichende Antwort der Botschaft zu Nr. 5 des Beweisbeschlusses vom 11. Mai 2010 hat somit ihren Grund zum einen darin, dass jeder russische Staatsbürger (also auch ein arbeitsloser) am Ort seiner Registrierung Anspruch auf die kostenlose staatliche Gesundheitsfürsorge hat, die dem Grunde nach auch Herz- und Seelenkrankheiten erfasst, und zum anderen aber auch darin, dass eine Bejahung der Frage in Nr. 5 des Beweisbeschlusses (Kostenübernahme durch öffentliche Institutionen?) gleichwohl nicht möglich war, weil die in der Nr. 5 und auch die in den Nrn. 3 und 4 des Beweisbeschlusses angesprochenen, nicht konkret feststehenden Behandlungen einem Standard entsprechen, der nur am Markt und nicht im staatlichen Gesundheitssystem erhältlich ist.

Nach der Stellungnahme des Dr. H. vom 8. April 2013 müssen beim Kläger Gerinnungskontrollen im Abstand von 2 bis 3 Wochen durchgeführt werden; der Blutdruck muss regelmäßig kontrolliert werden. Nachdem es sich bei diesen Messungen einerseits um Standardmaßnahmen bei einer Vielzahl von Patienten mit Herz- und Gefäßerkrankungen und andererseits um technisch sehr einfache Maßnahmen handelt, die der Kläger - wie die meisten Patienten - selbst durchführen kann (vgl. den Arztbericht von Frau Dr. W. betreffend unter anderem die Selbstkontrolle des Gerinnungswertes durch den Kläger, Schwb-Akte Bl. 6 Rückseite), beispielsweise mit dem Selbstmessgerät „CoaguCheck“, das in der von der Beklagten vorgelegten (Anlage zum Schriftsatz vom 17.1.2008 im Verfahren 19 B 07.2762) und später wiederholt in Bezug genommenen Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 - „Mit dem CoaguCheck zum Baikalsee“ - Erwähnung findet, hat der Senat keine Zweifel daran, dass sie und die damit zusammenhängende ärztliche Beratung zu den Leistungen des kostenlosen russischen Gesundheitssystems gehören. Soweit hier eine Zuzahlung verlangt werden sollte, geht der Senat davon aus, dass sie für alle diese Maßnahmen nicht über 10 Euro/Monat liegt, nachdem sogar der (außerhalb des kostenfreien Gesundheitssystems zu zahlende) Marktpreis sehr niedrig liegt (laut der vorerwähnten Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 ist dem Verfasser als Tourist für eine Gerinnungskontrolle ein Betrag von 2 Euro abverlangt worden; der technische Fortschritt, die zunehmende Verbreitung moderner Messgeräte sowie die massenhafte Nachfrage sprechen dafür, dass heute die Kosten jedenfalls nicht höher liegen).

Kalium- und Kreatinin-Kontrollen müssen der kardiologischen Stellungnahme vom 8. April 2013 zufolge nur gelegentlich durchgeführt werden. Hieraus ergibt sich, dass der Gutachter ein Kontrollergebnis, das zu wesentlichen Behandlungskonsequenzen führt, nicht für alsbald wahrscheinlich hält, ein Wegfall dieser Kontrollen also nicht alsbald zu einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung führt. Im Übrigen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Bestimmung solcher Laborwerte zur Kontrolle der Herz- und Nierenfunktion nicht vom kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem geleistet wird, so dass die vorstehenden Erwägungen auch insoweit gelten. Der Hinweis der Beklagten, es handle sich um Routinekontrollen, hat Bedeutung vor dem Hintergrund, dass den Angaben der deutschen Botschaft Moskau zufolge das kostenlose russische Gesundheitssystem grundsätzlich ausreichend ist. Der Einschränkung, dass es nicht den deutschen Standard hat, kommt bei routinemäßigen Laboruntersuchungen kein wesentliches Gewicht zu.

Eine jährliche echokardiographische Untersuchung und eine Endokarditisprophylaxe (um Kunstklappen-Entzündungen vorzubeugen) vor zahnärztlichen Eingriffen hält der Gutachter für prinzipiell wünschenswert. Eine Unterlassung dieser Vorbeugungsmaßnahmen führt demgemäß nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung. Darüber hinaus deutet nichts darauf hin, dass sie alsbald nach der Abschiebung erforderlich sein werden.

Insgesamt geht der Senat davon aus, dass die Behandlung der kardiologischen Problematik, die zur Verhinderung einer alsbaldigen Existenzbedrohung erforderlich ist, dem Kläger allenfalls 70 €/Monat abverlangen wird. Hinsichtlich des Systems der Zuzahlungen ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass die Höhe des Zuzahlungsverlangens vom Wohlstand/Verdienst des Patienten abhängt (Lagebericht vom 4.4.2010 Seite 29). Bereits deshalb ist nicht zu befürchten, dass durch die Zuzahlungen der notwendige Unterhalt des Klägers gefährdet sein wird.

Die psychiatrische Problematik des Klägers ist in Russland aktenkundig. Der Kläger verfügt über Informationen, die den im russischen Gesundheitssystem Tätigen die sachgerechte Anknüpfung an die damalige Behandlung ermöglichen. Die Anfang der 90er Jahre behandelnde Klinik ist einschließlich Name und Adresse des behandelnden Arztes bekannt. Der Kläger ist laut den im Gutachten Dr. W. vom 18. Oktober 2010 zitierten Angaben mit seiner psychiatrischen Erkrankungen in Russland registriert und musste deshalb keinen Wehrdienst leisten (den im Gutachten Dr. N. vom 13.10.1998 zitierten Angaben zufolge hatte er von 1991 bis 1995 die Diagnose einer Schizophrenie bzw. reaktiven Psychose - Psychopathie; dem Strafurteil zufolge liegen zwei medizinische Unterlagen aus Russland hierzu vor). Der Kläger kann sämtliche psychiatrischen Erkenntnisse aus Deutschland den russischen Ärzten vorlegen (vgl. die Ausführungen der Deutschen Botschaft Moskau betreffend die Verwendbarkeit deutscher Arztunterlagen im kostenlosen russischen Gesundheitssystem).

Der Senat vermag sich nicht der Auffassung der Beklagten anzuschließen, die Medikation, die der Kläger zur Behandlung seiner schizophrenen Erkrankung erhält, sei in seinen Bedarf nicht einzubeziehen, weil ihr Wegfall eine alsbaldige Existenzbedrohung nicht zur Folge haben werde. Die von der Beklagten (in Nr. 2 lit. b ihres Schriftsatzes vom 14.1.2014) zitierten gutachterlichen Ausführungen betreffend eine längere Stabilität des Klägers auch ohne neuroleptische Medikation beziehen sich ersichtlich auf Lebensabschnitte ohne einschneidende Veränderungen. Die in Russland bestehende Notwendigkeit, den Lebensunterhalt eigenständig zu sichern, könnte aber eine einschneidende Veränderung darstellen, selbst wenn der Kläger auf zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen kann (vgl. u. a. IV.). Die Möglichkeit ist in Betracht zu ziehen, dass der Kläger nach der Abschiebung - fehlte diese Medikation - wegen der ungewohnten, mit den Schwierigkeiten einer Existenzgründung belasteten Situation eine produktivpsychotische Episode entwickelt. Zwar ist eine solche Episode noch keine wesentliche Verschlechterung der Gesundheit oder Gefährdung der Existenz des Klägers und wird auch mit Wahrscheinlichkeit hierzu nicht führen (vgl. III.). Dennoch hält es der Senat in Anbetracht der Gesamtsituation des Klägers nicht für zumutbar, sehenden Auges das mit einer produktivpsychotischen Episode verbundene Restrisiko einzugehen (das - ausweislich der gerichtlich bestätigten Ausweisung des Klägers - auch für die Allgemeinheit nicht hinnehmbar ist), und bezieht daher diese Behandlungsnotwendigkeit in den Bedarf des Klägers ein.

Psychiatrische Krankheiten können - wie beim Kläger bereits Anfang der 90er Jahre geschehen - in Sankt Petersburg behandelt werden. Zweifel daran, dass der Standard der kostenlosen staatlichen Gesundheitsfürsorge vorliegend nicht ausreichend sein könnte, sind nicht veranlasst. Eine vollumfängliche Befunderhebung und Diagnose liegt bereits vor, so dass in der Zeit alsbald nach der Abschiebung lediglich die ärztliche Verschreibung des Neuroleptikums und die Kontrolle seiner (bereits über vier Jahre hinweg belegten) Wirkung anfällt.

Das dem Kläger verordnete Medikament Zyprexa mit dem Wirkstoff Olanzapin ist der Botschaftsauskunft vom 8. November 2013 zufolge ein rezeptpflichtiges modernes und deshalb erheblich teueres Psychopharmakon, das in Russland für 50 €/Monat erhältlich ist. Allerdings ist nach den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen der Patentschutz für Zyprexa vor wenigen Jahren ausgelaufen, so dass Generika mit demselben Wirkstoff auch in Russland verfügbar sind. Den diesbezüglichen Botschaftsmitteilungen von 22. und 23. Juli 2014 ist zu entnehmen, dass mehrere dieser in Russland erhältlichen Generika zum halben Zyprexa-Preis oder für weniger erworben werden können (das günstigste Generikum für etwa ein Fünftel des Zyprexa-Preises). Nachdem bei einem Medikamentenwechsel Unverträglichkeiten nicht ausgeschlossen werden können und daher eine gewisse Auswahl möglich sein sollte, veranschlagt der Senat die Kosten für die Behandlung mit dem Wirkstoff Olanzapin auf 25 €/Monat.

Demzufolge wird die medizinische Behandlung einschließlich Medikamentierung, durch die verhindert wird, dass sich die Gesundheit des Klägers alsbald wesentlich verschlechtert, Kosten von allenfalls 95 €/Monat verursachen.

c) Der aktuell erforderliche Betrag von 95 € zur Erhaltung der Gesundheit alsbald nach der Rückkehr nach Russland (vgl. lit. b) liegt zwar um 10 € über dem Betrag, der nach der unter lit. a für das Jahr 2010 erstellten Berechnung hierfür zur Verfügung steht. Aus mehreren Gründen wird es aber beim Kläger nicht zu einem Fehlbetrag kommen und damit auch nicht zur Inanspruchnahme einer der ihm zur Verfügung stehenden Unterstützungsmöglichkeiten (vgl. hierzu IV.). Die Berechnung unter lit. a geht vom Durchschnittslohn der in der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 genannten Beschäftigten aus; eine Person mit den kaufmännischen sowie fachlichen Eignungen und der Fortbildungsfähigkeit des Klägers verdient aber deutlich mehr. Nach der Botschaftsäußerung vom 26. November 2010 sind die meisten der vom Kläger benötigten Medikamente in die Medikamentenliste des Gesundheitsministeriums nicht aufgenommen und somit im kostenlosen staatlichen Gesundheitssystem nicht vorgesehen; der (von der Botschaft nicht näher bestimmte) Teil der in diese Liste aufgenommenen Medikamente, der in der Berechnung des Senats nicht (kostenmindernd) berücksichtigt ist, verbessert die Unterhaltssituation des Klägers entsprechend. Nachdem es auf die wirtschaftliche Situation des Klägers nach seiner Rückkehr nach Russland ankommt, müssen nicht nur die absehbaren Gesundheitsaufwendungen, sondern auch die Berechnungsposten, die unter lit. a auf der Grundlage von Auskünften aus dem Jahr 2010 einbezogen worden sind, mit ihrer aktuellen Wertigkeit berücksichtigt werden. Hierbei ergibt sich, dass die wirtschaftliche Situation des Klägers in Russland mit Wahrscheinlichkeit günstiger sein wird als sie es bei einer Rückkehr im Jahr 2010 gewesen wäre. Die Betrachtung der im Jahr 2010 mitgeteilten Berechnungsposten auf aktueller Basis ist anhand der Reallohnentwicklung möglich, denn die Wohnungskosten und die Kosten des sonstigen Mindestbedarfs bilden das Preisniveau, das für den größten Teil der Bevölkerung relevant ist. Seit dem Jahr 2010 ist der Reallohn in Russland um durchschnittlich 9% pro Jahr gestiegen (Germany Trade & Invest: Lohn und Lohnnebenkosten in Russland), hat also der jährliche Anstieg des Durchschnittslohnniveaus um 9% über dem jährlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten gelegen.

II.

Sollte es nach der Abschiebung zu einer produktivpsychotischen Episode aufgrund Nichteinnahme des Neuroleptikums kommen (was nach allem unwahrscheinlich ist), könnten sich daraus bereits deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht ergeben, weil die Abschiebung zwar der Episode zeitlich vorangegangen, nicht aber ihre wesentliche Ursache wäre.

Nach den psychiatrischen Erkenntnissen, auf die das Strafurteil vom 18. Dezember 2003 gestützt ist (Gutachten des Dr. N. vom 13.10.1998, Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001 sowie dessen mündliche Erläuterung in der Hauptverhandlung), war der Kläger zur Zeit der Tat vom 7. Februar 2001 voll einsichtsfähig, obwohl er nicht unter neuroleptischer Behandlung gestanden hat. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Straftat überlegte Verhaltensweisen an den Tag gelegt (vgl. das Gutachten des Dr. G. vom 21.7.2009). Dr. W. sieht seinem Gutachten vom 18. Oktober 2001 zufolge den wesentlichen (Ursachen-)Anteil der Tat nicht in der schizophrenen Erkrankung, sondern in nicht krankheitsbedingten Gefühlen des Klägers. Das Strafgericht hat sich in seinem Urteil vom 18. Dezember 2003 dieser Bewertung angeschlossen, wie die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren zeigt - bei gegebener Möglichkeit, die lebenslange Freiheitsstrafe für Mord in Anwendung der (wegen verbliebener Zweifel an der Steuerungsfähigkeit angewendeten) Vorschrift des § 21 StGB bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren zu mildern (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB). In seinem Gutachten vom 12. November 2009 bekräftigt Dr. W. seine Auffassung vom 18. Oktober 2001. Zufolge der in der Folgezeit eingeholten psychiatrischen Erkenntnisse ist der Kläger jedenfalls immer dann voll steuerungsfähig, wenn er unter Neuroleptikamedikation steht. An seiner Geschäftsfähigkeit bestehen - im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit des Ausländers, dessen Abschiebung Gegenstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2010 (1 C 1/02) ist - keine Zweifel. Auch nach dem im Betreuungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten des Arztes B. vom 26. August 2013 hat der Kläger keinerlei Verantwortlichkeitseinschränkungen und liegen deshalb die Voraussetzungen für einen Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB nicht vor. Daher ist ein solcher Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB („zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten“) vom Betreuungsgericht auch nicht angeordnet worden. Vor diesem Hintergrund sind die Fachärzte - offensichtlich in Kenntnis der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. insbesondere B. v. 11.10.2000 XII ZB 69/00 und vom 1.2.2006 XII ZB 236/05) - durchwegs zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen weder für eine Unterbringung noch für eine Zwangsbehandlung vorliegen (Mitteilung des Amtsarztes Dr. We. vom 7.8.1998 an das Ordnungsamt, zitiert im Gutachten des Dr. N. vom 13.10.1998, Bl. 4; Dr. W. im Gutachten vom 12.11.2009; vom JVA-Arzt eingeholte Stellungnahme des Konsiliarpsychiaters Dr. B. vom 22.8.2012). Die Neufassung des § 1906 BGB durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl. I S. 266 - m.W. v. 26.2.2013) hat hieran nichts geändert. Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 BGB n. F. setzt eine Zwangsbehandlung voraus, dass der Betreute die Notwendigkeit der Behandlung nicht erkennen kann oder dass er nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Dies ist beim Kläger nach den vorliegenden ärztlichen Feststellungen nicht der Fall. Somit ist auch nach neuem Recht eine Zwangsbehandlung des Klägers frühestens dann möglich, wenn er das Neuroleptikum nicht mehr einnimmt und sich auf dieser Grundlage eine produktivpsychotische Episode entwickelt. Bei dieser Sachlage wäre ein (in Russland oder auch schon im Bundesgebiet gefasster) Entschluss des Klägers, ein ihm zur Verfügung stehendes Neuroleptikum nicht mehr einzunehmen (mit der Folge der Möglichkeit, dass es zu produktivpsychotischen Episoden kommt und möglicherweise auch zu Weiterungen), eine eigenverantwortliche Selbstschädigung und Wahrnehmung des vom Bundesverfassungsgericht schon im Beschluss vom 7. Oktober 1981 (2 BvR 1194/80, BVerfGE 58,208) anerkannten Rechts auf „Freiheit zur Krankheit“ (ebenso Dr. W. im Gutachten vom 12.11.2009). Deswegen sich ergebende produktivpsychotische Episoden (und etwaige mit ihnen zusammenhängende Weiterungen) wären keine Gefahr, die wesentlich durch die Abschiebung verursacht ist, also keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

III.

Sollte der Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - das Neuroleptikum nach der Abschiebung eigenverantwortlich absetzen und es in der Folge zu einer produktivpsychotischen Episode kommen, wären die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht erfüllt, weil (worauf die Beklagte in Nr. 2 lit. a ihres Schriftsatzes vom 14.1.2014 hinweist) die Wahnvorstellungen, die solche Episoden des Klägers kennzeichnen, noch keine Gesundheitsverschlechterung des in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebenen Schweregrades darstellen und weil Weiterungen, die diesen Schweregrad erreichen, nicht beachtlich wahrscheinlich sind. Die (wenn auch kleinen, vgl. das Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001) psychiatrisch relevanten Ursachenanteile an der Gewalttat vom 7. Februar 2001 bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Kläger (vgl. dessen Schriftsatz vom 13.5.2011 im Verfahren 1 C 3/11) als eine solche Weiterung, weil diese Gewalttat zu einem langjährigen Freiheitsverlust geführt hat und weil derartige Taten wegen des Notwehrrechts des Geschädigten mit einem hohen Risiko auch für den Täter verbunden sind. Die Mehrzahl der objektiv festgestellten produktivpsychotischen Episoden (mehrere Anfang der 90er Jahre in Russland und eine im Jahr 1998 im Bundesgebiet, überwiegend mit Misshandlung der Eltern) hat aber weder anhaltende noch schwerwiegende Folgen für den Kläger gehabt; er ist hier jeweils lediglich der medizinischen Behandlung zugeführt worden, soweit dies erforderlich war. Die vom Kläger angegebenen Wahnvorstellungen während einzelner Phasen der Strafhaft sind allesamt von selbst wieder abgeklungen.

IV.

Sollte dem Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - aus Krankheitsgründen oder aus einem anderen Grund die Sicherung des Lebensunterhalts nicht möglich sein, kann er mit Unterstützung von verschiedenen Seiten rechnen, so dass die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geregelte Situation nicht eintreten wird.

Nach der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 kann im Falle von Arbeitslosigkeit - neben staatlicher Unterstützung bei der Arbeitssuche und bei Umschulungen - Arbeitslosengeld bis zu einem Jahr in gesetzlich festgelegter Höhe in Anspruch genommen werden. Dem hiergegen gerichteten Beweisantrag Nr. 2 lit. c auf Einholung eines länderkundlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in der Russischen Föderation keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Umschulungen hat und auch die Kosten der Sozialversicherung nicht vom Arbeitsamt übernommen werden, war nicht nachzukommen. Der Auskunft der deutschen Botschaft vom 8. November 2013 ist das Gegenteil der Beweisbehauptung zu entnehmen. Nachdem Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder ein sonstiges Ungenügen dieser Auskunft nicht vorliegen, bedarf es keiner weiteren Beweiserhebung (§ 98 ZPO, § 412 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BVerwG, B. v. 27.3.2013 - 10 B 34.12; der im Klägerschriftsatz vom 16.5.2014 geforderten Einzelfallprüfung durch die russische Sozialbehörde bedarf es nicht, nachdem die im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu stellende Prognose - also die Wahrscheinlichkeit einer Situation oder Entwicklung - im Streit steht). Auch dem Beweisantrag Nr. 2 lit. d auf Einholung eines länderkundigen Gutachten zum Beweis der Tatsache, dass die Arbeitslosengeldzahlungen in der russischen Föderation nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern, war nicht nachzukommen. Der Senat geht davon aus, dass die Beweisbehauptung zutrifft, dass also das Arbeitslosengeld nicht reichen würde, um den Lebensunterhalt des Klägers zu sichern. Angesichts der sonstigen Unterstützungsmöglichkeiten, auf die der Kläger zurückgreifen kann (insbesondere - wie nachfolgend dargestellt - Familie und Verwandtschaft sowie der Geldbetrag der Beklagten), würde dieser Umstand aber nicht zur Ursache einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung des Klägers werden. Aus diesem Grund kommt es auch nicht auf die im Klägerschriftsatz vom 16. Mai 2014 thematisierte Frage an, ob das russische Arbeitsamt die Kranken-, Renten- und Sozialversicherung nur während einer Umschulung oder auch während der übrigen Dauer der Arbeitslosigkeit übernimmt.

In dem unwahrscheinlichen Fall, dass der Kläger keine existenzsichernde Erwerbstätigkeit in Russland ausüben kann, kann er mit Erwerbsunfähigkeitsleistungen rechnen. Nach der in das Verfahren eingeführte Veröffentlichung von Vogts/Shteynberg (Russische Rentengesetze und Ansprüche in Deutschland, Die Rentenversicherung, 2010, Heft 3; http://www. vogtsundpartner.de/voe/So-6-Die%20RV-Heft%203-2010-Auszug-Vogts-Shteynberg-Rentengesetze.pdf) können arbeitsunfähige Personen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, - sogar wenn sie (noch) im Ausland leben - lebenslang oder bis zum Beginn der Arbeitsaltersrente Anspruch auf eine Arbeitsbehindertenrente haben, die Ähnlichkeiten zur deutschen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufweist. Eine solche Rente können auch Personen erhalten, die nur kurz oder niemals einer Beschäftigung nachgegangen sind. Die Rentenhöhe ist vom vorangegangenen Beschäftigungszeitraum und dem Behinderungsgrad (drei Stufen) abhängig. Die in der Veröffentlichung von Vogts/Shteynberg beschriebenen Grundsätze gelten für den im Jahr 1966 geborenen Kläger, denn entgegen seiner Auffassung betrifft die Veröffentlichung gerade ältere, spätestens im Jahr 1966 geborene Personen, auf die das neue versicherungsbasierte Rentenmodell noch nicht anwendbar ist. Die mit Klägerschriftsatz vom 16. Mai 2014 eingewendete Voraussetzung einer Beschäftigung von mindestens fünf Jahren gilt - entsprechend S. 1 der Veröffentlichung - nur für die Arbeitsaltersrente. Nachdem der Kläger seinem Arbeitsbuch zufolge acht Jahre lang in Russland erwerbstätig gewesen ist, wird eine solche Rente mit Wahrscheinlichkeit - bei Zugrundelegung der geltenden Maximalbeträge (vgl. Vogts/Shteynberg a. a. O.) - weniger als 100 € betragen. Zu berücksichtigen sind bei der Gesamtbewertung aber auch staatliche Leistungen, die zusätzlich zur Rentenleistung erbracht werden, wie etwa das Recht zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. Nußberger a. a. O. S. 41).

Schließlich kann der Kläger mit verschiedenartiger Unterstützung aus dem „Programm Landsleute“ rechnen (vgl. B.I.3 lit. a, aa).

Bei nachgewiesener finanzieller Mittellosigkeit können sich (der Stellungnahme der deutschen Botschaft in Moskau vom 8. November 2013 zufolge) in Not geratene und deshalb von Wohnungslosigkeit betroffene russische Staatsangehörige und Einwohner von St. Petersburg bezüglich einer sozialen Unterkunft an das Komitee für Sozialpolitik der Stadt wenden. Nachdem diese öffentliche Sozialleistung der Vermeidung von Obdachlosigkeit dient, ist auszuschließen, dass nach dem Eintritt eines solchen Notfalls längere Zeit bis zu ihrer Gewährung verstreicht. Der Kläger hat zwar mit Beweisantrag Nr. 2 lit. a begehrt, ein länderkundliches Gutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass dem Kläger in Russland oder St. Petersburg keine für ihn unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes (vgl. Attest der Beklagten vom 6.2.2013) geeignete einfache Wohnung durch die Kommune kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Diesem nur für den unwahrscheinlichen Fall einer Unterstützungsbedürftigkeit des Klägers relevanten Beweisantrag war nicht nachzukommen, weil er unsubstantiiert ist. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte angegeben, die für eine Unrichtigkeit der Auskunft vom 8. November 2013 sprechen. Der Beweisantrag ist auch deshalb unsubstantiiert, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger auf einen ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit angewiesen, also unfähig zum Wohnen in einer Gemeinschaftswohnung ist, und weil auch das Attest vom 6. Februar 2013 aus den in Abschnitt B.I.3 lit. a, cc dargelegten Gründen keinen solchen Anhaltspunkt darstellt (mit dem „Attest der Beklagten vom 6.2.2013“ meint der Kläger offensichtlich das Attest der Institutsambulanz des Klinikums N. vom 6.2.2013, das von einem „ruhigen isolierten Wohnraum mit einer Rückzugsmöglichkeit“ spricht).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine mögliche Unterstützung durch Angehörige im In- und Ausland in die gerichtliche Prognose gemäß § 53 Abs. 6 Ausländergesetz 1990 (Jetzt § 60 Abs. 7 AufenthG) mit einzubeziehen (vgl. B. v. 1.10.2001 - 1 B 185/01).

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren Az. 1 C 3/11 ausgeführt, im russischen Kulturbereich bestehe traditionell ein enger familiärer Zusammenhalt. Für die Richtigkeit dieses Vorbringens spricht der Stand der Entwicklung der russischen Gesellschaft und die begrenzte Leistungsfähigkeit des sozialistischen Staates, die sich nach den Umwälzungen ab dem Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts in einer faktischen Begrenztheit des russischen Sozialsystems fortsetzt (vgl. insbesondere B.I.3 lit. b).

Von der Existenz von Verwandten des Klägers in Russland, insbesondere in St. Petersburg, hat der Senat auszugehen. Die Eltern des Klägers haben hier gelebt und gearbeitet, der Kläger ist hier aufgewachsen. Für dortige Verwandte des Klägers sprechen auch seine Angaben gegenüber dem Gutachter Dr. W. (vgl. dessen Gutachten vom 23.8.2013), die Überlassung des Petersburger Geschäfts des Klägers an einen Cousin sowie die Erwähnung „entfernter“ Verwandter im Schriftsatz vom 29. Januar 2014. Die Beklagte hat den Kläger im Hinblick auf eine Unterstützung durch Verwandte in Russland mehrfach auf seine Mitwirkungspflicht betreffend die Feststellung des familiären Umfeldes in Russland hingewiesen. Dieser Hinweis ist zutreffend, weil es um persönliche Umstände aus dem Bereich des Klägers geht (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - DVBl. 2003,463 - Juris Rn. 11). Der Kläger hat sich jedoch dieser Anforderung von Anfang an verweigert (beispielsweise hat er im Verfahren 19 B 07.2762 vorgetragen, er habe bei den Reisen nach Russland im Zeitraum 2000/2001 „keine ihm bekannten Personen besucht“, und die Existenz von Verwandten bestritten). Er beschränkt sich darauf, die von der Beklagten genannten Anhaltspunkte für Verwandte in Russland in Zweifel zu ziehen und die Beklagte insoweit auf den Berufsbetreuer zu verweisen (Klägerschriftsatz vom 29.1.2014). Jedoch verfügt nicht der Betreuer, sondern der Kläger über das einschlägige Wissen, und es ist auch nicht ersichtlich, dass er (anwaltlich vertreten) zu einem entsprechenden Vortrag nicht in der Lage wäre. Eine Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse in Russland hat die Klägerseite selbst dann nicht angeboten, als sie durch die Gründe des Beschlusses, durch den eine Einvernahme der Mutter des Klägers abgelehnt worden ist, noch einmal auf die Mitwirkungsverpflichtung hingewiesen worden ist. Die auf das bewusste Verhalten des Klägers zurückzuführende Unklarheit hinsichtlich seiner Verwandten in Russland wirkt sich zu seinen Lasten aus; er hat die nachteiligen Folgen seiner mangelnden Mitwirkung zu tragen (vgl. BVerwG, U. v. 26.1.2006 - 2 C 43/04 - BVerwGE 125,79, Juris Rn. 22).

Der Kläger behauptet, er unterhalte seit seiner Einreise in das Bundesgebiet keinerlei Kontakte zu seinen russischen Verwandten. Jedoch kann der Senat vom Fehlen solcher Kontakte nicht ausgehen, denn der Kläger verhindert durch seine Weigerung, seine Verwandtschaftsverhältnisse in Russland darzulegen, dass der Frage der Existenz solcher Kontakte nachgegangen werden kann. Unter anderem der in russischen Familien übliche enge verwandtschaftliche Zusammenhalt, die Überlassung des Petersburger Geschäfts an einen Cousin, die Reisen des Klägers zum Jahreswechsel 2000/2001 nach Russland sowie die Tatsache, dass der Kläger im Bundesgebiet kein neues Beziehungsgeflecht zu knüpfen vermocht hat, stellen Anhaltspunkte für solche Kontakte dar. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass der Kläger tatsächlich seit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet keine Kontakte zu seinen russischen Verwandten gehabt haben sollte, spräche nichts dafür, dass eine Kontaktaufnahme für ihn eine besondere Belastung darstellen könnte. Der Kläger hat erst im Alter von mehr als 30 Jahren Russland verlassen. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass er nicht auf früher geknüpfte Kontakte zurückgreifen könnte. Zudem sind von seiner Mutter, die die Situation des Klägers und die verwandtschaftlichen Beziehungen mit Wahrscheinlichkeit besonders gut kennt, Hilfeleistungen bei der Kontaktaufnahme und Appelle an den familiären Zusammenhalt gegenüber der Verwandtschaft zu erwarten. Schließlich würde selbst eine besondere Belastung des Klägers infolge der Kontaktaufnahme angesichts der neuroleptischen Medikation keine produktivpsychotische Episode auslösen.

Von Seiten ortsnaher Verwandter kommt Unterstützung insbesondere durch Sozialkontakte und durch Sachleistungen in Betracht, etwa das Angebot einer Unterkunft. Nachdem der Kläger in der Lage ist, seine Straftat überzeugend als Notwehrhandlung darzustellen (vgl. die Anamnese im Attest vom 6.2.2013), wird sie selbst dann einer verwandtschaftlichen Hilfeleistung nicht entgegenstehen, wenn sie den Verwandten bekannt werden sollte.

Mit dem Beweisantrag Nr. 4 hat der Kläger die Einvernahme seiner Mutter zum Beweis der Tatsachen begehrt, dass er keinerlei Kontakt zu Verwandten in Russland hat, die Zeugin selbst keinen Kontakt hat und keinen Kontakt herstellen kann. Auch diesem Beweisantrag konnte mangels der erforderlichen Substantiierung nicht nachgegangen werden. In ihm wird ebenfalls das Fehlen von Kontakten (des Klägers und seiner Mutter) zur russischen Verwandtschaft unterstellt, wovon der Senat aus den bereits genannten Gründen nicht ausgehen kann. Zudem werden für die Behauptung, die Mutter des Klägers könne solche Kontakte auch nicht herstellen, keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen. Gegen die Richtigkeit dieser Behauptung spricht, dass die Mutter des Klägers fast ihr ganzes Leben in Russland verbracht hat (wo dem familiären Zusammenhalt besondere Bedeutung zukommt) und die verwandtschaftlichen Beziehungen mit Wahrscheinlichkeit besonders gut kennt.

In Deutschland leben auch noch die beiden Schwestern des Klägers. Auch wenn in den letzten Jahren zwischen dem Kläger und seinen Schwestern kein Kontakt bestanden haben sollte, hat er zumindest mäßige Unterstützungsbeiträge von diesen zu erwarten.

Mit dem Beweisantrag Nr. 4 hat der Kläger die Einvernahme seiner Mutter zum Beweis auch dafür begehrt, dass seine in Deutschland lebenden Schwestern wirtschaftlich nicht in der Lage sind, den Kläger zu unterstützen und ebenfalls keinen Kontakt zu dem Kläger haben und ihn deshalb auch nicht unterstützen würden. Auch diesem Beweisantrag kann nicht stattgegeben werden. Hinsichtlich der Behauptung, die Schwestern des Klägers seien wirtschaftlich nicht in der Lage, den Kläger zu unterstützen, ist der Beweisantrag unsubstantiiert, weil beide Schwestern (berufstätig als Ärztin bzw. als Krankenschwester) Erwerbseinkommen haben und der Vortrag, sie hätten Unterhaltsverpflichtungen, nicht genügt, um die Behauptung einer Unfähigkeit zur Unterstützung (die angesichts der Tatsache, dass der Lebensunterhalt in Russland zu einem Bruchteil des hiesigen zu bestreiten ist, nicht hoch sein muss) zu substantiieren. Für die Frage, ob die Schwestern des Klägers (Verwandte des zweiten Grades) diesen unterstützen würden, sind bestehende Kontakte zwischen dem Kläger und seinen Schwestern nicht entscheidend; gerade ein Notfall kann zur Wiederaufnahme von Kontakten führen. Eine Aussage der Mutter des Klägers mit dem Inhalt, dieser werde von seinen Schwestern nicht unterstützt werden, ergäbe keinen Beweis, so dass der Beweisantrag darüber hinaus ungeeignet ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es auf die Wahrscheinlichkeit der Unterstützung an; die Frage, ob eine Rechtspflicht zur Unterstützung besteht, ist unerheblich. Diese Wahrscheinlichkeit kann nur durch tatsächliche Anhaltspunkte festgestellt werden, nicht aber durch eine Zeugenaussage, die durch die verwandtschaftliche Interessenlage bestimmt ist. Daher war auch der Anregung der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung, die Schwestern des Klägers zu vernehmen, nicht nachzukommen. Für eine Unterstützung durch die Schwestern sprechen die verwandtschaftlichen Nähe, die gemeinsame Kindheit, die gemeinsame Jugend, die gemeinsame Übersiedlung ins Bundesgebiet sowie die Bedeutung des Zusammenhalts in russischen Familien. Weiterhin fühlt sich die Mutter des Klägers offensichtlich verpflichtet, ihren Sohn zu unterstützen, und es ist nicht zu erwarten, dass die Töchter ihre Mutter, die Grundsicherung erhält, bei diesem nachvollziehbaren Vorhaben allein lassen werden.

Schließlich hat die Beklagte (entsprechend einer Anregung der Landesanwaltschaft im Revisionsverfahren 1 C 3.11 und einer eigenen Überlegung im Schriftsatz vom 27.3.2014) zugesichert, dem Kläger bei der Aufenthaltsbeendigung einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 € auszuhändigen, so dass er bei der Gründung einer Existenz gesichert und auch in der Lage ist, die benötigten Medikamente für die erste Zeit zu erwerben.

C. Die Kostenentscheidung betrifft nur noch die Kosten des Verfahrens betreffend die Regelung des Vollzugs der Ausweisung. Die Ausweisung ist nicht mehr Verfahrensgegenstand und die Kosten des sie betreffenden Verfahrens sind dem Kläger bereits auferlegt worden (vgl. insoweit zuletzt den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.3.2009 im Verfahren 1 B 20.08). Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, nachdem der Kläger letztlich auch hinsichtlich der Regelung des Vollzugs der Ausweisung und der hiermit zusammenhängenden Fragen unterlegen ist.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Mai 2013 wird insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beim Kläger in Bezug auf K. vorliegen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 31. Mai 2013 die Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen.

Der Kläger, geb. ..., ist Staatsangehöriger K.s und hat mit seinen Alias-Personalien einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gestellt. Der Asylantrag wurde vom Verwaltungsgericht Magdeburg mit Urteil vom 15. März 2004 (2 A 695/03 MD, rechtskräftig seit 6. Mai 2004) abgelehnt. Das Gericht hat festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes (AuslG) nicht vorliegen.

Am ... 2012 beantragte der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... 2012 beim Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 ff. AufenthG. Bei einer ärztlichen Überprüfung sei festgestellt worden, dass der Kläger an einer chronischen Hepatitis B leide. Da nach dessen Angaben beide Eltern an dieser Erkrankung gestorben seien, sei im Hinblick auf die offenbar bestehende erbliche Vorbelastung ohne intensive ärztliche Behandlung im Heimatland mit einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands und möglicherweise auch mit dem Tod zu rechnen. Der Antragsteller würde die notwendige Behandlung in K. auch nicht erhalten, zumindest sei diese für ihn nicht finanzierbar. Darüber hinaus sei er auch schwer depressiv, was zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Effektive und medizinisch-psychologische Begleitung für selbstmordgefährdete Personen sei in K. nicht erhältlich bzw. nicht finanzierbar. Deswegen drohe auch hinsichtlich der diagnostizierten Hypertonie im Fall einer Rückkehr Lebensgefahr.

Zum Nachweis der bestehenden Gesundheitssituation des Klägers wurden damals zwei Atteste des Internisten Dr. ... vom 12. Oktober 2012 und vom 28. Februar 2013 sowie ein Attest des Neurologen und Psychiaters, Prof. Dr. med. ..., vom 19. Oktober 2012 vorgelegt. Danach leidet der Kläger an einer chronischen Hepatitis B-Infektion sowie einer Depression, die ambulant medikamentös behandelt wurde und zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers führte. Ausweislich des Attests vom 28. Februar 2013 lag beim Kläger ein aktuell stark erhöhter Blutdruck vor mit Maximalwerten von 210/140 mmHg.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2, Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Nach Auffassung des Bundesamtes liegen keine europarechtlichen Abschiebungsverbote vor. Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sind nach Ansicht des Bundesamtes nicht gegeben.

Zwar seien etwa 20% der Bevölkerung K.s an Hepatitis B erkrankt und gebe es in K. kein national wirksames Behandlungsprogramm für Hepatitis B. Insoweit verweist das Bundesamt auf die Auskunft der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 5. September 2005 bezüglich einer Behandlung von Hepatitis B in Y. (K.). Dort heißt es, die Behandlung kann zwar durchgeführt werden, hänge aber primär von den finanziellen Mitteln ab. Eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung seit dieser Auskunft ist nicht ersichtlich. Allerdings sei für den Kläger auch im Fall einer Nichtbehandlung der bei ihm vorliegenden Hepatitis-B-Infektion keine alsbaldige konkrete Gesundheitsverschlechterung erkennbar, da nach dem Attest vom 12. Oktober 2012 noch keine Behandlungsindikation gegeben sei. Der behandelnde Internist habe selbst ausgeführt, dass sich „die Fragen zu Prognose und Behandlungsindikation deshalb nicht beantworten lassen“. Im Übrigen sei eine Hepatitis B eine Infektionserkrankung und beruhe nicht auf einer genetischen Vorbelastung. Die Beklagte führt in ihrem Bescheid weiter aus, die Erkrankung einer im Attest vom 19. Oktober 2012 diagnostizierten Depression sei nicht substantiiert dargelegt, da nicht ausgeführt werde, wie sich diese äußere und wie diese konkret behandelt werde. Das gleiche gelte für den „aktuell“ stark erhöhten Bluthochdruck, der dem Attest vom 28. Februar zugrunde liege, und der noch nicht medikamentös eingestellt gewesen sei. Der Bluthochdruck sei nach Ansicht der Beklagten ohne weiteres behandelbar. Der Kläger könne sich zudem einen kleinen Medikamentenvorrat hier verordnen lassen und in seine Heimat mitnehmen, bis er dort einen Arzt seiner Wahl aufgesucht habe.

Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, die Kosten für eine entsprechende Behandlung zu finanzieren bzw. es beachtlich wahrscheinlich ist, dass seine Familie ihn insoweit unterstützen könne. Mit Hilfe seiner hier zusätzlich erworbenen Sprachkenntnisse sei er beachtlich wahrscheinlich in der Lage, sich bei Rückkehr eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu suchen bzw. ggf. auf die Hilfe seiner Familie zurückzugreifen und weiter auf der Farm auszuhelfen, was ihm das Existenzminimum und die Kosten für die Behandlung und Medikamente sichern werde.

Der Kläger hat am 20. Juni 2013 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben lassen. Der Bescheid des Bundesamts vom 31. Mai 2013 sei rechtswidrig, da ein Abschiebungsverbot aus medizinischen Gründen festzustellen sei. Zur näheren Begründung werde Bezug auf das klägerische Vorbringen im Verwaltungsverfahren genommen. Dort habe der Kläger ausreichend substantiiert glaubhaft gemacht und belegt, dass er aufgrund seiner Erkrankungen im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland erheblichen und konkreten Gefahren für seine existentiellen Grundrechte auf Gesundheit und Leben ausgesetzt wäre. In K. drohe binnen kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der bei ihm festgestellten Krankheiten. Die Beklagte unterstelle fälschlicherweise und ohne Heranziehung entsprechender Quellen, dass Behandlungsmöglichkeiten für den Kläger in K. bestünden. Zweifelhaft sei bereits, ob die notwendige qualifizierte ärztliche Behandlung und die notwendigen Medikamente erreichbar seien. Jedenfalls wäre eine solche Behandlung und Medikation für den Kläger mangels freien Zugangs zum Gesundheitswesen nicht finanzierbar. Der Kläger selbst werde in dem erforderlichen kurzfristigen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit finden, die ihm die Finanzierung der Behandlungskosten ermöglichen würde. Die wirtschaftliche Situation in K. sei katastrophal und der Kläger verfüge aufgrund des langen Aufenthalts in Deutschland nicht über die notwendigen Beziehungen, die erforderlich seien, überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden. Abgesehen davon verfüge er über keine Berufsausbildung und keine Berufserfahrungen. Selbst auf Hilfe und Unterstützung der Familie könne er nicht zurückgreifen, da seine Eltern nicht mehr leben und er keinen Kontakt zu sonstigen Verwandten habe.

Im weiteren Verfahren legte der Kläger weitere Atteste des Herrn Dr. med. ... vom 22. Juli 2013 und 10. November 2014 sowie jeweils einen Medikamenten-Einnahmeplan vor. Danach leidet der Kläger nach wie vor an chronischer Virushepatitis B sowie arterieller Hypertonie. Nach dem dem Attest beigefügten Medikamenteneinnahmeplan vom 25. September 2014 muss der Kläger aktuell folgende Medikamente einnehmen:

- Bocoprolol CT 5 mg Tabletten (2 x täglich)

- Baraclude 0,5 mg Tabletten (1 x täglich)

- Candesartan ABbZ comp 8 mg/12.5 (2 x täglich)

- Amlo 5 (1 x täglich).

Der Klägervertreter weist in seinem Schreiben vom 10. November 2014 darauf hin, dass der Kläger unter Zugrundelegung der günstigen Arzneimittelpreise in Deutschland allein für eine notwendige Medikamentenversorgung in K. zwischen 600 € und 700 € monatlich aufbringen müsste. Es liege auf der Hand, dass er hierzu angesichts des monatlichen Pro-Kopf-Einkommens in K. von ca. 88 € nicht in der Lage sei. Im Übrigen seien die notwendigen Medikamente in K. nicht erhältlich. Wenn sie - möglicherweise unregelmäßig oder auf Bestellung - erhältlich sein sollten, wäre der Preis noch ungleich höher als in Deutschland. Der Kläger müsste die Kosten privat tragen, da es keine Subventionen der Regierung bzw. des öffentlichen Gesundheitswesens gebe.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Mai 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers und in Bezug auf K. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Zur Begründung verweist sie auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 31. Mai 2013.

Mit Beschluss vom 17. November 2014 ist der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr diesbezügliches Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Mai 2013 ist im Umfang des Klagebegehrens rechtswidrig. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit war der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 aufzuheben.

1. Da der Kläger vorliegend ausschließlich Krankheitsgründe als Prüfungsmaßstab zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote geltend macht, kommt allein ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, die diesem alsbald nach seiner Rückkehr in die Heimat droht (vgl. BVerwG, U. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris; B. v. 23.7.2007 - 10 B 85.07 - juris).

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann sich daraus ergeben, dass die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet, in seinem Heimatstaat besteht, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind (BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - Rn. 9 bei juris). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Zuständen (vgl. BVerwG v. 24.05.2006 - 1 B 118/05 - juris; OVG Lüneburg, v. 10.11.2011 - Az. 8 LB 108/10 - juris). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.7.1999 - 9 C 2.99 - juris). Dabei muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende schwerwiegende Gefährdung verbunden ist (vgl. OVG NRW - B. v. 10.1.2007 - 13 A 1138/04.A - juris).

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können aber auch dann vorliegen, wenn im Herkunftsland zwar geeignete Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die für den betreffenden Rückkehrer aber im Einzelfall aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9; BayVGH v. 23.11.2012 - 13 A B 12.30061 - juris).

Dies ist hier der Fall. Das Gericht ist nach den vorliegenden medizinischen Feststellungen, die von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr binnen kurzer Zeit einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Das aktuelle fachärztliche Attest von Herrn Dr. med. ... vom 10. November 2014 belegt, dass der Kläger nach wie vor an einer chronischen Virushepatitis B und an arterieller Hypertonie leidet und deshalb weiterhin medikamentöser Behandlung bedarf. Ohne die Einnahme der in dem Medikamenteneinnahmeplan aufgeführten Medikamente ist mit einer wesentlichen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes zu rechnen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen wird der Kläger bei seiner Rückkehr nach K. finanziell nicht in der Lage sein, sich die dauerhafte und spezielle Behandlung der bei ihm diagnostizierten Krankheiten im erforderlichen Umfang zu leisten. Der Klägervertreter hat plausibel dargelegt, dass die vom Kläger nach seinem Therapieplan einzunehmenden Medikamenten relativ teuer sind.

Wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 31. Mai 2013 unter Bezugnahme auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 14. Juni 2011 (Gz: 508-516.80/3), der insoweit mit dem aktuellen Lagebericht vom 21. August 2013 übereinstimmt, ausführt, besteht in K. keine kostenlose Gesundheitsversorgung. Zwar gibt es für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Militär) staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Im Regelfall übernimmt jedoch - so der Lagebericht - die Familie die medizinischen Behandlungskosten. Unter Zugrundelegung dieser Auskunftslage und in Ansehung des insoweit relevanten klägerischen Vorbringens, an dessen Wahrheitsgehalt nach Auffassung des Gerichts kein Anlass für Zweifel besteht, ist zur Überzeugung der Einzelrichterin davon auszugehen, dass im hier vorliegenden besonderen Einzelfall dem Kläger bei seiner Rückkehr nach K. nicht die nötigen finanziellen Mittel für die zwingend durchzuführende medizinische Behandlung zur Verfügung stehen.

Die Nichtbehandlung der Hepatitis B-Erkrankung würde zu einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen, so dass eine Abschiebung des Klägers nach K. für ihn gravierende nachteilige, ihm nicht zumutbare Folgen hätte.

Unter zusammenfassender Betrachtung aller relevanten Umstände und Aspekte, insbesondere in Anbetracht der Erkenntnisse zur medizinischen Versorgungslage in K. sowie des durch die ärztlichen Berichte dokumentierten, von der Beklagtenseite nicht bestrittenen Krankheitsbilds des Klägers, hält das Gericht im vorliegenden Einzelfall eine weitere Sachaufklärung nicht für erforderlich.

Das Gericht ist unter Zugrundelegung all dieser Kriterien zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Es besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach K. aufgrund der dort vorhandenen Verhältnisse erheblich verschlechtern wird.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 wird dem Kläger für das Verfahren M 4 K 16.1114 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sein Klageverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG weiter.

Der Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste 5. Februar 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis für eine Tätigkeit als Spezialitätenkoch, die zuletzt bis 6. Juni 2014 verlängert worden war. Seit 10. Dezember 2012 bezog der Kläger wegen einer schweren Erkrankung Krankengeld, seit 12. April 2014 erhält er Leistungen nach dem SGB XII.

Seinen Antrag vom 30. Mai 2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2016 ab. Ein Abschiebungshindernis bezüglich Indiens liege nicht vor. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich stabilisiert. Die für die dauerhafte Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente könne er zu einem bedeutend günstigeren Preis auch in Indien erhalten. Da bislang keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, sei davon auszugehen, dass er in Neu Delhi wie vor seiner Ausreise wieder einer Berufstätigkeit nachgehen könne. Dort habe er auch den leichtesten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. März 2016 Klage (M 4 K 16.1114) und beantragte, ihm für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die erforderliche Behandlung sei für ihn aus finanziellen Gründen nicht zugänglich.

Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. April 2016 besteht beim Kläger ein stabiler Folgezustand bei Anlage von TIPS (transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts). Eine lebenslange suffiziente Medikation sei jedoch erforderlich, um schwerwiegende lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vorliege, habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden.

Der Kläger verwies auf seine Angaben zu seiner finanziellen Situation und auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes, wonach er lediglich zwei Stunden am Tag arbeitsfähig sei.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung verwies es auf den Beschluss der Kammer vom selben Tag im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 4 S 16.1115), mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 7. März 2016 abgelehnt worden war. Ein Abschiebungshindernis bestehe nicht, weil Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung im Heimatland des Klägers bestünden. Die notwendige Behandlung sei für den Kläger auch finanziell zugänglich. Das Geld für die Medikamente könne sich der Kläger selbst verdienen. Notfalls könne er, wie dies in Indien üblich sei, von seiner Familie unterstützt werden. Im Übrigen sei der Zugang zur medizinischen Grundversorgung kostenfrei. Die Medikamente des Klägers kosteten in Indien nur einen Bruchteil der Preise in Europa.

Im Beschwerdeverfahren bringt der Kläger vor, dass nicht geklärt sei, ob er die lebensnotwendige Behandlung in Indien in finanzieller Hinsicht erreichen könne. Es gehe nicht nur um die Medikamente, sondern auch um die Labor-, Ultraschall und Gastroskopiekontrollen. Auch habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, die finanzielle Situation der Familie des Klägers prüfen zu lassen.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Erstgericht habe richtig entschieden.

Ergänzend wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 4 S 16.1115, M 4 K 16.1114 und 10 ZB 16.1653, verwiesen.

II. Die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 ist zulässig und begründet.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Solche offenen Erfolgsaussichten sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr., BayVGH, B.v. 11.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14 m. w. N.) im vorliegenden Fall gegeben.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 - 8 ME 87.16 - juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung zu Recht darauf verwiesen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht abschließend geklärt war, ob ihm in Indien die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen werden, um die zur Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente und Untersuchungen zu bezahlen. Es stand weder fest, in welchem Umfang der Kläger wieder arbeitsfähig sein wird, noch über welche familiären Strukturen, die ihn unterstützen könnten, er verfügt. Der Verweis auf die finanzielle Unterstützung durch die Großfamilie (unter Bezugnahme auf den Bericht der Deutschen Botschaft in Neu Delhi an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 30. Dezember 2013) trägt insoweit nicht. Anders als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen war der Kläger vor seiner legalen Einreise in die Bundesrepublik bereits zehn Jahre in Indien als Spezialitätenkoch tätig und konnte so durch seine Berufstätigkeit die für die Einreise in die Bundesrepublik erforderlichen Mittel ansparen. Daher kann alleine aus der Tatsache, dass ihm das Geld für eine Einreise in das Bundesgebiet zur Verfügung stand, nicht auf eine mögliche finanzielle Unterstützung aus dem familiären Umfeld geschlossen werden. Auch war offen, ob bzw. in welchem Umfang das kostenfreie staatliche Gesundheitssystem die vom Kläger benötigten Medikamente und die erforderlichen Untersuchungen umfasst.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aber auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Offen war im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auch, ob im Fall des Klägers nicht die Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Aus der Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG folgt, dass der Betreffende sich nicht auf das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zuständige Landesbehörde einen allgemeinen Abschiebestopp erlassen hat oder - wie vorliegend - nicht. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde entschieden wird, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG (BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 13 m. w. N.). Auch wenn die allgemeine Gefahr den Ausländer konkret betrifft, ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebestaat droht. Allgemeine schwierige Lebensbedingungen aufgrund einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Situation, die mit Mangelerscheinungen wie Obdachlosigkeit, Unterernährung oder unzureichender medizinischer Versorgung verbunden ist, begründen daher regelmäßig nur eine allgemeine Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG (Hailbronner, AufenthG, Stand: April 2016, § 60 Rn. 80).

Entsprechend dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (508-516.80/3 IND vom 24.4.2016) lebt ein Viertel der Bevölkerung in Indien unter dem Existenzminimum. Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt, ist jedoch unzureichend. Deshalb weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Sollte es dem Kläger, wie er vorträgt, tatsächlich nicht gelingen, die Kosten für die erforderlichen Medikamente und Kontrolluntersuchungen durch eigene Arbeit oder finanzielle Unterstützung seiner Familie aufzubringen, so gehörte er der Bevölkerungsgruppe der Inder an, die auf die kostenlose, staatliche aber unzureichende Gesundheitsversorgung angewiesen sind. Damit würde grundsätzlich die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG greifen. Seine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könnte daher keinen Erfolg haben.

Diese Sperrwirkung kann aber aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung durchbrochen werden, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 24.10.2013 - 13a B 12.30421 - juris Rn. 19 m. w. N.). Ob von einer solchen extremen Gefahrenlage, die sich alsbald nach der Rückkehr des Klägers nach Indien realisieren würde, zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt über den Prozesskostenhilfe tatsächlich auszugehen war, war jedoch ebenfalls offen. Es bedurfte noch tatsächlicher Ermittlungen im Hauptsacheverfahren, um festzustellen, ob der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland in naher Zukunft mit einer lebensgefährlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands rechnen musste.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs. 1 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 wird dem Kläger für das Verfahren M 4 K 16.1114 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sein Klageverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG weiter.

Der Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste 5. Februar 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis für eine Tätigkeit als Spezialitätenkoch, die zuletzt bis 6. Juni 2014 verlängert worden war. Seit 10. Dezember 2012 bezog der Kläger wegen einer schweren Erkrankung Krankengeld, seit 12. April 2014 erhält er Leistungen nach dem SGB XII.

Seinen Antrag vom 30. Mai 2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2016 ab. Ein Abschiebungshindernis bezüglich Indiens liege nicht vor. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich stabilisiert. Die für die dauerhafte Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente könne er zu einem bedeutend günstigeren Preis auch in Indien erhalten. Da bislang keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, sei davon auszugehen, dass er in Neu Delhi wie vor seiner Ausreise wieder einer Berufstätigkeit nachgehen könne. Dort habe er auch den leichtesten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. März 2016 Klage (M 4 K 16.1114) und beantragte, ihm für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die erforderliche Behandlung sei für ihn aus finanziellen Gründen nicht zugänglich.

Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. April 2016 besteht beim Kläger ein stabiler Folgezustand bei Anlage von TIPS (transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts). Eine lebenslange suffiziente Medikation sei jedoch erforderlich, um schwerwiegende lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vorliege, habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden.

Der Kläger verwies auf seine Angaben zu seiner finanziellen Situation und auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes, wonach er lediglich zwei Stunden am Tag arbeitsfähig sei.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung verwies es auf den Beschluss der Kammer vom selben Tag im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 4 S 16.1115), mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 7. März 2016 abgelehnt worden war. Ein Abschiebungshindernis bestehe nicht, weil Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung im Heimatland des Klägers bestünden. Die notwendige Behandlung sei für den Kläger auch finanziell zugänglich. Das Geld für die Medikamente könne sich der Kläger selbst verdienen. Notfalls könne er, wie dies in Indien üblich sei, von seiner Familie unterstützt werden. Im Übrigen sei der Zugang zur medizinischen Grundversorgung kostenfrei. Die Medikamente des Klägers kosteten in Indien nur einen Bruchteil der Preise in Europa.

Im Beschwerdeverfahren bringt der Kläger vor, dass nicht geklärt sei, ob er die lebensnotwendige Behandlung in Indien in finanzieller Hinsicht erreichen könne. Es gehe nicht nur um die Medikamente, sondern auch um die Labor-, Ultraschall und Gastroskopiekontrollen. Auch habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, die finanzielle Situation der Familie des Klägers prüfen zu lassen.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Erstgericht habe richtig entschieden.

Ergänzend wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 4 S 16.1115, M 4 K 16.1114 und 10 ZB 16.1653, verwiesen.

II. Die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 ist zulässig und begründet.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Solche offenen Erfolgsaussichten sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr., BayVGH, B.v. 11.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14 m. w. N.) im vorliegenden Fall gegeben.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 - 8 ME 87.16 - juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung zu Recht darauf verwiesen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht abschließend geklärt war, ob ihm in Indien die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen werden, um die zur Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente und Untersuchungen zu bezahlen. Es stand weder fest, in welchem Umfang der Kläger wieder arbeitsfähig sein wird, noch über welche familiären Strukturen, die ihn unterstützen könnten, er verfügt. Der Verweis auf die finanzielle Unterstützung durch die Großfamilie (unter Bezugnahme auf den Bericht der Deutschen Botschaft in Neu Delhi an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 30. Dezember 2013) trägt insoweit nicht. Anders als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen war der Kläger vor seiner legalen Einreise in die Bundesrepublik bereits zehn Jahre in Indien als Spezialitätenkoch tätig und konnte so durch seine Berufstätigkeit die für die Einreise in die Bundesrepublik erforderlichen Mittel ansparen. Daher kann alleine aus der Tatsache, dass ihm das Geld für eine Einreise in das Bundesgebiet zur Verfügung stand, nicht auf eine mögliche finanzielle Unterstützung aus dem familiären Umfeld geschlossen werden. Auch war offen, ob bzw. in welchem Umfang das kostenfreie staatliche Gesundheitssystem die vom Kläger benötigten Medikamente und die erforderlichen Untersuchungen umfasst.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aber auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Offen war im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auch, ob im Fall des Klägers nicht die Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Aus der Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG folgt, dass der Betreffende sich nicht auf das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zuständige Landesbehörde einen allgemeinen Abschiebestopp erlassen hat oder - wie vorliegend - nicht. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde entschieden wird, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG (BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 13 m. w. N.). Auch wenn die allgemeine Gefahr den Ausländer konkret betrifft, ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebestaat droht. Allgemeine schwierige Lebensbedingungen aufgrund einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Situation, die mit Mangelerscheinungen wie Obdachlosigkeit, Unterernährung oder unzureichender medizinischer Versorgung verbunden ist, begründen daher regelmäßig nur eine allgemeine Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG (Hailbronner, AufenthG, Stand: April 2016, § 60 Rn. 80).

Entsprechend dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (508-516.80/3 IND vom 24.4.2016) lebt ein Viertel der Bevölkerung in Indien unter dem Existenzminimum. Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt, ist jedoch unzureichend. Deshalb weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Sollte es dem Kläger, wie er vorträgt, tatsächlich nicht gelingen, die Kosten für die erforderlichen Medikamente und Kontrolluntersuchungen durch eigene Arbeit oder finanzielle Unterstützung seiner Familie aufzubringen, so gehörte er der Bevölkerungsgruppe der Inder an, die auf die kostenlose, staatliche aber unzureichende Gesundheitsversorgung angewiesen sind. Damit würde grundsätzlich die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG greifen. Seine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könnte daher keinen Erfolg haben.

Diese Sperrwirkung kann aber aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung durchbrochen werden, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 24.10.2013 - 13a B 12.30421 - juris Rn. 19 m. w. N.). Ob von einer solchen extremen Gefahrenlage, die sich alsbald nach der Rückkehr des Klägers nach Indien realisieren würde, zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt über den Prozesskostenhilfe tatsächlich auszugehen war, war jedoch ebenfalls offen. Es bedurfte noch tatsächlicher Ermittlungen im Hauptsacheverfahren, um festzustellen, ob der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland in naher Zukunft mit einer lebensgefährlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands rechnen musste.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs. 1 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 wird dem Kläger für das Verfahren M 4 K 16.1114 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sein Klageverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG weiter.

Der Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste 5. Februar 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis für eine Tätigkeit als Spezialitätenkoch, die zuletzt bis 6. Juni 2014 verlängert worden war. Seit 10. Dezember 2012 bezog der Kläger wegen einer schweren Erkrankung Krankengeld, seit 12. April 2014 erhält er Leistungen nach dem SGB XII.

Seinen Antrag vom 30. Mai 2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2016 ab. Ein Abschiebungshindernis bezüglich Indiens liege nicht vor. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich stabilisiert. Die für die dauerhafte Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente könne er zu einem bedeutend günstigeren Preis auch in Indien erhalten. Da bislang keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, sei davon auszugehen, dass er in Neu Delhi wie vor seiner Ausreise wieder einer Berufstätigkeit nachgehen könne. Dort habe er auch den leichtesten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. März 2016 Klage (M 4 K 16.1114) und beantragte, ihm für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die erforderliche Behandlung sei für ihn aus finanziellen Gründen nicht zugänglich.

Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. April 2016 besteht beim Kläger ein stabiler Folgezustand bei Anlage von TIPS (transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts). Eine lebenslange suffiziente Medikation sei jedoch erforderlich, um schwerwiegende lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vorliege, habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden.

Der Kläger verwies auf seine Angaben zu seiner finanziellen Situation und auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes, wonach er lediglich zwei Stunden am Tag arbeitsfähig sei.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung verwies es auf den Beschluss der Kammer vom selben Tag im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 4 S 16.1115), mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 7. März 2016 abgelehnt worden war. Ein Abschiebungshindernis bestehe nicht, weil Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung im Heimatland des Klägers bestünden. Die notwendige Behandlung sei für den Kläger auch finanziell zugänglich. Das Geld für die Medikamente könne sich der Kläger selbst verdienen. Notfalls könne er, wie dies in Indien üblich sei, von seiner Familie unterstützt werden. Im Übrigen sei der Zugang zur medizinischen Grundversorgung kostenfrei. Die Medikamente des Klägers kosteten in Indien nur einen Bruchteil der Preise in Europa.

Im Beschwerdeverfahren bringt der Kläger vor, dass nicht geklärt sei, ob er die lebensnotwendige Behandlung in Indien in finanzieller Hinsicht erreichen könne. Es gehe nicht nur um die Medikamente, sondern auch um die Labor-, Ultraschall und Gastroskopiekontrollen. Auch habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, die finanzielle Situation der Familie des Klägers prüfen zu lassen.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Erstgericht habe richtig entschieden.

Ergänzend wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 4 S 16.1115, M 4 K 16.1114 und 10 ZB 16.1653, verwiesen.

II. Die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 2016 ist zulässig und begründet.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Solche offenen Erfolgsaussichten sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr., BayVGH, B.v. 11.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14 m. w. N.) im vorliegenden Fall gegeben.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 - 8 ME 87.16 - juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538 S. 18 f.).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung zu Recht darauf verwiesen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht abschließend geklärt war, ob ihm in Indien die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen werden, um die zur Behandlung seiner Erkrankung notwendigen Medikamente und Untersuchungen zu bezahlen. Es stand weder fest, in welchem Umfang der Kläger wieder arbeitsfähig sein wird, noch über welche familiären Strukturen, die ihn unterstützen könnten, er verfügt. Der Verweis auf die finanzielle Unterstützung durch die Großfamilie (unter Bezugnahme auf den Bericht der Deutschen Botschaft in Neu Delhi an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 30. Dezember 2013) trägt insoweit nicht. Anders als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen war der Kläger vor seiner legalen Einreise in die Bundesrepublik bereits zehn Jahre in Indien als Spezialitätenkoch tätig und konnte so durch seine Berufstätigkeit die für die Einreise in die Bundesrepublik erforderlichen Mittel ansparen. Daher kann alleine aus der Tatsache, dass ihm das Geld für eine Einreise in das Bundesgebiet zur Verfügung stand, nicht auf eine mögliche finanzielle Unterstützung aus dem familiären Umfeld geschlossen werden. Auch war offen, ob bzw. in welchem Umfang das kostenfreie staatliche Gesundheitssystem die vom Kläger benötigten Medikamente und die erforderlichen Untersuchungen umfasst.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aber auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Offen war im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auch, ob im Fall des Klägers nicht die Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Aus der Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG folgt, dass der Betreffende sich nicht auf das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zuständige Landesbehörde einen allgemeinen Abschiebestopp erlassen hat oder - wie vorliegend - nicht. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Zielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde entschieden wird, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG (BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 13 m. w. N.). Auch wenn die allgemeine Gefahr den Ausländer konkret betrifft, ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebestaat droht. Allgemeine schwierige Lebensbedingungen aufgrund einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Situation, die mit Mangelerscheinungen wie Obdachlosigkeit, Unterernährung oder unzureichender medizinischer Versorgung verbunden ist, begründen daher regelmäßig nur eine allgemeine Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG (Hailbronner, AufenthG, Stand: April 2016, § 60 Rn. 80).

Entsprechend dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (508-516.80/3 IND vom 24.4.2016) lebt ein Viertel der Bevölkerung in Indien unter dem Existenzminimum. Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt, ist jedoch unzureichend. Deshalb weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Sollte es dem Kläger, wie er vorträgt, tatsächlich nicht gelingen, die Kosten für die erforderlichen Medikamente und Kontrolluntersuchungen durch eigene Arbeit oder finanzielle Unterstützung seiner Familie aufzubringen, so gehörte er der Bevölkerungsgruppe der Inder an, die auf die kostenlose, staatliche aber unzureichende Gesundheitsversorgung angewiesen sind. Damit würde grundsätzlich die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG greifen. Seine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könnte daher keinen Erfolg haben.

Diese Sperrwirkung kann aber aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung durchbrochen werden, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 24.10.2013 - 13a B 12.30421 - juris Rn. 19 m. w. N.). Ob von einer solchen extremen Gefahrenlage, die sich alsbald nach der Rückkehr des Klägers nach Indien realisieren würde, zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt über den Prozesskostenhilfe tatsächlich auszugehen war, war jedoch ebenfalls offen. Es bedurfte noch tatsächlicher Ermittlungen im Hauptsacheverfahren, um festzustellen, ob der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland in naher Zukunft mit einer lebensgefährlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands rechnen musste.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs. 1 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Dier Antragsteller tragen gesamtverbindlich die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 30. März 2016, denen es folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Der Bescheid wurde am 8. April 2016 zur Post gegeben.

Dier Antragsteller haben durch ihren Bevollmächtigten am 18. April 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.30801). Gleichzeitig wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin zu 2) sei schwerwiegend an Hepatitis C erkrankt. Hierzu wurden ärztliche Stellungnahmen von Dr. med. ... vom 11. und 24. April 2016 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

II.

Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 15. Januar 2016 folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.

Die Antragsteller haben im Eilverfahren keine maßgeblichen Gründe vorgetragen, die die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Bescheid in Frage stellen könnten.

Auch unter Berücksichtigung der nun vorgelegten aktuellen ärztlichen Berichte in Bezug auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2) bestehen derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei ihr die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - juris). Eine Gefahr ist „erheblich", wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U. v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. z. B. VG Arnsberg, B. v. 23.2.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 64 m. w. N.).

Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

Den aktuell vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Antragstellerin zu 2) im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland eine derartige erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht. So wurde darin festgestellt, dass bei der Antragstellerin zu 2) eine chronische Hepatitis C vorliegt, welche optimal mit „Harvoni (Sovosbuvir plus Ledipasvir)“ mit Kosten i. H. v. 44.000 €, alternativ mit „3-D-Schema von der Firma AbbVie“ mit Kosten i. H. v. 56.000 € behandelbar wäre. Allerdings sei auch eine frühere Therapieform „(duale Therapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin)“ möglich, wenn die neuen Substanzen nicht zur Verfügung stünden; diese Therapie werde in Deutschland wegen der neueren Behandlungsforme allerdings im Prinzip verlassen. Die Prognose mit der Harvoni-Therapie sei als hervorragend einzuschätzen. Ohne Therapie sei die langfristige Prognose der Patientin mehr als ungünstig einzuschätzen, es bestehe wegen der deutlich erhöhten Leberwerte ein hohes Risiko für die Entwicklung von Lebercirrhose und Leberkrebs.

Hieraus ergeben sich jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung bei ihr vorliegt, die im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht behandelbar wäre und sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. So steht in Albanien grundsätzlich eine in asylrechtlicher Hinsicht ausreichende Möglichkeit zur Behandlung von Erkrankungen zur Verfügung (vgl. insbesondere Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) - im Folgenden Lagebericht - S. 13 f.). Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos. Gleichwohl müssen Patienten in der Regel erhebliche Zuzahlungen leisten (sog. out-of-pocket-Zahlungen; informelle Zahlungen an das medizinische Fachpersonal). Die Versorgung mit Medikamenten stellt nach Auskunft des Auswärtigen Amtes kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten. Teure Medikamente oder solche für außergewöhnliche Krankheiten gehen zulasten des Patienten (Lagebericht, S. 13).

Zwar könnte die Antragstellerin zu 2) bei einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet wohl eine bessere gesundheitliche Versorgung, insbesondere mit den neuesten (und teuren) Medikamenten, erlangen. Wie in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch auch nunmehr ausdrücklich klargestellt ist, ist - wie bereits ausgeführt - nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewährleistet nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern „nur“, dass sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung nicht aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung oder aufgrund individuell eingeschränkten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten in dem Zielstaat alsbald und in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Ein Ausländer muss sich auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. auch OVG NW, B. v. 27.7.2006 - 18 B 586/06; v. 14.6.2005 - 11 A 4518/02.A - juris).

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.

Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.


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Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I.    , I1.     , wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Verfahren wird hinsichtlich des Klägers zu1) in vollem Umfang und hinsichtlich der Klägerin zu 2) insoweit eingestellt, als die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, zur Anerkennung als Asylberechtigte, zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes sowie zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufentG beantragt worden war.

II.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. August 2015 wird insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Klägerin zu 2) in Ziff. 4 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 verneint wurde und in Ziff. 5 die Abschiebung nach Albanien angedroht wird. Die Beklagte wird zu der Feststellung verpflichtet, dass bei der Klägerin zu 2) ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens vorliegt.

III.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger fünf Sechstel und die Beklagte ein Sechstel.

IV.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die 1989 und 1995 geborenen und verheirateten Kläger sind Staatsangehörige von Albanien. Sie reisten nach eigenen Angaben am 4. Juni 2015 nach Deutschland ein und stellten am 11. August 2015 Asylantrag. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 12. August 2015 gaben sie im Wesentlichen an, sie hätten gegen den erklärten Willen des Vaters der Klägerin zu 2) geheiratet und seien von diesem massiv bedroht worden. Der Kläger zu 1) werde zudem von Gläubigern seines Vaters verfolgt.

Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab; zugleich wurden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint und die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen aufgefordert. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 11 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Gegen den am 19. August 2015 zugestellten Bescheid erhoben die Kläger am 27. August 2015 Klage mit dem Antrag, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und - hilfsweise - subsidiären Schutz zuzuerkennen und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen. Zur Begründung wurde u. a. auf erhebliche psychische Probleme der Klägerin zu 2) hingewiesen. Mit weiterem Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 wurde das ärztliche Attest eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 22. Oktober 2015 vorgelegt, in dem der Klägerin zu 2) eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie und Verdacht auf Paranoide Schizophrenie bescheinigt werden. Mit weiterem Schriftsatz vom 19. November 2015 wurde ein ärztlicher Bericht über den mehrwöchigen Aufenthalt der Klägerin zu 2) in einer Bezirksklinik übersandt; darin wird der Klägerin zu 2) eine Paranoide Schizophrenie bescheinigt.

Mit Schriftsatz vom 19. November 2015 wurde ein fachärztlicher Bericht des …-Klinikums … vom 18.November 2015 über einen vierwöchigen stationären Aufenthalt der Klägerin zu 2) vorgelegt, in dem ihr eine Paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0) und eine Schizoaffektive Störung (ICD-10 F25.1) bescheinigt werden. Darin wird auch von einem Suizidversuch berichtet.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 wurde ein weiteres Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom gleichen Tag vorgelegt. Darin werden der Klägerin zu 2) eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie und Verdacht auf Paranoide Schizophrenie (F20.0V) bescheinigt.

Zur mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 sind die Kläger zwar erschienen, eine Anhörung der Klägerin zu 2) war jedoch wegen ihres schlechten Gesundheitszustands, insbesondere wegen augenscheinlicher Wahnvorstellungen, nicht möglich. Die mündliche Verhandlung wurde vertagt.

Am 12. Februar 2016 wurde die Klägerin zu 2) amtsärztlich bezüglich der Notwendigkeit einer mittelfristig angelegten ambulanten Psychotherapie untersucht. Der Amtsarzt hielt in seinem Kurzgutachten vom gleichen Tag aufgrund einer ausgeprägten psychischen Gesundheitsstörung eine psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung für erforderlich. In seinem (erst mit Schriftsatz vom12. Juni 2016 vorgelegten) ausführlichen Bericht wird als Diagnose erneut der Verdacht auf Paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0) angegeben.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2016 wurde den Klägern unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt.

Vom 15. bis 17. April 2016 befand sich die inzwischen in der sechsten Woche schwangere Klägerin zu 2) erneut in stationär-psychiatrischer Behandlung. In dem fachärztlichen Bericht wird als Diagnose wiederum Paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0) und eine Schizoaffektive Störung angegeben.

Mit Bescheid vom 19. April 2016 wurde der Klägerin nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine ambulante Psychotherapie im Umfang von zunächst 25 Stunden bewilligt.

Mit Schriftsatz vom 22. August 2016 teilte die Klägerseite unter Verzicht auf eine weitere mündliche Verhandlung mit, dass der Gesundheitszustand der kaum ansprechbaren Klägerin zu 2) nach wie vor sehr schlecht sei. Des Weiteren wurde erklärt, die Klage für den Kläger zu 1) werde zurück genommen und hinsichtlich der Klägerin zu 2) werde die Klage auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG beschränkt.

Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Bundesamtsakte verwiesen.

Gründe

Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Beklagte generell und die Klägerseite mit Schriftsatz vom22. August 2016 auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.

Soweit die Klage mit Schriftsatz vom 22. August 2016 zurückgenommen wurde, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Übrigen, also soweit noch die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beantragt wurde, ist die Klage zulässig und begründet.

Die Klägerin zu 2) hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung, dass bei ihr die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens vorliegen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 - Az. 9 C 58.96 - juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 - 13a B 10.30172 - juris). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, etwa weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.). Bei einen krankheitsbedingtem Abschiebungshindernis sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) die mit Wirkung vom 17. März 2016 in § 60 Abs. 7 AufenthG eingefügten Sätze 2 bis 4 zu beachten. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, wobei es nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, und eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vorliegt, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.

Im Fall der Klägerin sind die Voraussetzungen für ein solches krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben. Sie leidet zur Überzeugung des Gerichts, die vor allem auf den von den Fachärzten für Psychiatrie des …-Klinikums … beruht, in dem die Klägerin zweimal stationär behandelt wurde, an einer schweren Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, die dringend behandlungsbedürftig ist. Der Eindruck, den das Verhalten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 gemacht hat, entspricht voll der einhelligen Diagnose der Fachärzte. Zwar können psychische Erkrankungen im Prinzip auch in Albanien behandelt werden, aber sowohl die Behandlungsmöglichkeiten als auch der Zugang zu den relativ wenigen Einrichtungen ist stark eingeschränkt und, zumal für mittellose Personen, kaum erreichbar (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, 3.2.2013, S. 5 f.). Allgemein ist den Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass Patienten in der Praxis erhebliche Zuzahlungen leisten müssen, da Ärzte und Pflegepersonal nur geringe Gehälter erhalten; das Gesundheitswesen ist hochgradig korruptionsbelastet, Bestechungsgelder werden verlangt und gezahlt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Albanien, Aktuelle Lage, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtslage, Oktober 2015, S. 13; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Albanien, Std. Mai 2015, S. 13). Es ist mithin davon auszugehen, dass auch die Klägerin, wenn sie in Albanien überhaupt einen Behandlungsplatz finden könnte, Zuzahlungen leisten müsste. Im Einzelfall der Klägerin hat das Gericht keine Zweifel, dass sie die erforderliche Behandlung ihrer schweren psychischen Erkrankung in Albanien nicht erlangen kann, zumal bei ihr eine in Albanien grundsätzlich mögliche medikamentöse Behandlung nicht ausreichen würde, um eine erhebliche Verschlechterung oder einen Suizid abzuwenden. Sie ist arbeitsunfähig und kann auch von ihrem zwar gesunden und arbeitsfähigen, aber arbeitslosen und von Gläubigern seines Vaters bedrängten Ehemann keine Finanzierung der dringend erforderlichen Therapie erwarten. Von ihrer eigenen Familie kann sie erst recht keine Unterstützung erhoffen, vielmehr ist deren Verhalten nach den glaubhaften Angaben der Klägerseite zumindest mitursächlich für die schlechte Verfassung der Klägerin.

Nach alldem war die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens vorliegen und der Bescheid vom 12. August 2015 in den Nrn. 4 und 5 aufzuheben ist, soweit er dem entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für ... (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.

Der Antragstellerin ist albanische Staatsangehörige. Sie reiste zusammen mit ihren Eltern nach eigenen Angaben erstmals am 11. Mai 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 1. Juli 2015 bei dem Bundesamt einen Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am15. Juli 2015 gaben die Antragstellerin sowie ihre Mutter im Wesentlichen an, die Antragstellerin sei vor der Ausreise seit März von einem Jungen belästigt worden. Sie hätten sich nicht an die Polizei gewandt, weil diese korrupt sei und in den meisten Fällen auch gar nichts mache. Sie hätte dann der Mutter davon erzählt, nachdem sie Depressionen, Haarausfall und Magenprobleme gehabt hätte. Sie sei auch in ärztlicher Behandlung gewesen. Die Mutter habe es dann dem Vater erzählt und sie seien zu dem Schluss gekommen, den Söhnen nichts davon zu erzählen, da diese vielleicht sogar Gewalt angewendet hätten. Die Eltern hätten dann beschlossen, von dort wegzugehen. Der Junge habe die Antragstellerin meist morgens auf dem Weg zur Schule abgefangen. Es sei so weit gegangen, dass er gesagt habe, entweder er heirate sie oder er bringe sie um. Er sei sehr aufdringlich gewesen und habe sie angefasst. Den Namen des Jungen hätten sie nicht gekannt. Aus Angst, dass dieser aggressiv werden könnte, hätten sie nicht gewollt, dass der Vater die Tochter begleitet hätte. Dies sei der einzige Grund für die Ausreise gewesen.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2016, zugestellt am 9. Juni 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 2 des Bescheids) als auch den Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt (Nr. 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4 des Bescheids). Die Antragstellerin wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Nr. 7 des Bescheids).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Sie habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Belästigungen oder Drohungen durch eine dritte Person seien kein Verfolgungsschicksal, das diese Regelvermutung widerlegen würde. Es sei ein Vorfall gewesen, der sich im privaten Bereich zugetragen habe. Auch wäre der Antragstellerin zuzumuten gewesen, deswegen Hilfe der Sicherheitsbehörden in Anspruch zu nehmen. Es sei jedoch erst gar nicht der Versuch gemacht worden, die Polizei einzuschalten. Notfalls hätte man sich auch in einen anderen Landesteil begeben können. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe der Antragstellerin auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter, am 14. Juni 2016 zur Niederschrift Klage mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom 25. Mai 2016 in Ziffer 1 und in den Ziffern 3 bis 7 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.

Zudem beantragte sie,

hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung nahm die Antragstellerin auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug. Sie werde in ihrer Heimat von einem Jungen „gestalkt“. Sie hätten keine ruhige Minute und so viel Angst. Die Antragstellerin leide an Depressionen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.31392 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).

Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - InfAuslR 1993, 196).

Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach - dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden - § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166/221).

An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel.

Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend wird ausgeführt:

Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG - ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat - als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

Die Antragstellerin stammt aus einem sicheren Herkunftsstaat. Albanien ist als solcher im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zum AsylG gelistet. Gegen die Einstufung der Republik Albanien als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B.v. 22.12.2015 33 L 357.15 A - juris).

Der Asylantrag ist somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Vortrag der Antragsteller nicht die Anforderungen zur Erschütterung der Regelvermutung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG erfüllt. Die Antragstellerin hat sich darauf berufen, dass sie von einem Jungen belästigt und bedroht worden sei. Probleme mit dem Staat, der Polizei oder anderen Behörden haben sie und ihre Eltern nicht angegeben.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich schon im Ansatz ganz offensichtlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei der Antragstellerin eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG vorliegen könnte.

Zudem erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) - im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamts, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 - 11 A 334/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG München, B.v. 10.09.2015 - M 2 S 15.31175; VG München, B.v. 4.2.2016 - M 11 S 15.31693; VG München, B.v. 14.01.2016 - M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B.v. 1.2.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 18ff; B.v. 28.10.2015 - 17 L 2938/15.A - juris; VG Arnsberg, B.v. 23.02.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 23 ff.).

Ferner ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden - Bedrohung durch einen nichtstaatlichen Dritten - ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Die Antragstellerin könnte jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte sie mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen könnten, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U.v. 12.03.2015 - 6 K 8197/14.A - juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B.v. 23.11.2015 - 17 L 3729/15.A - juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B.v. 14.10.2015 - 17 L 3111/15. A - juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U.v. 10.4.2015 - 5 A 1688/14 - juris; VG München, B.v. 3.2.2016 - M 5 S 15.31520 - UA S. 7; Gerichtsbescheid v. 2.5.2016 - M 17 K 16.30321).

Dementsprechend scheidet auch die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 bereits aus diesen Gründen aus (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. §§ 3d und 3e AsylG).

Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) liegen ebenfalls nicht vor.

Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht.

Für die Annahme einer derartigen drohenden konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehen im Fall der Antragstellerin keine hinreichenden Anhaltspunkte, zumal ihr auch - wie dargestellt - eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 18.2.2015 - RO 6 K 14.30903 - juris Rn. 26).

Dis gilt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Depression. Hierzu ist Folgendes auszuführen:

Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann auch einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8). Dies kann auch der Fall sein, wenn der betroffene Ausländer eine grundsätzlich mögliche medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u.a - juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 64 m. w. N.). Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

Da keinerlei ärztliche Belege vorgelegt wurden, ergeben sich bei der Antragstellerin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im dargestellten Sinne vorliegen könnte. Zudem ist davon auszugehen, dass die Behandlung und auch der Zugang zu ihr für die geltend gemachte psychische Erkrankung in Albanien ebenfalls zureichend sichergestellt wäre (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 1.02.2016 - 17 L 95/16.A - juris Rn. 26ff.; B.v. 9.12.2015 - 17 L 3839/15.A - juris; VG Arnsberg, B.v. 23.02.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 56 ff.; VG Berlin, B.v. 30.10.2015 - 33 L 305.15 A - juris Rn. 18 zu depressiver Störung mit Verweis auf Auskunft der Botschaft an das Bundesamt vom 21.03.2014 - jaf-17129706; sowie vom 29.03.2013 - jaf-16381022; VG München, Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2016 - M 17 K 16.30321). Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten - zumindest medikamentös - auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert (vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 - zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f.). Zudem sind insbesondere in Tirana Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen (vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2) und Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache vom 13. Februar 2013, S. 7f.). Insbesondere Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten sind in ganz Albanien verfügbar (vgl. Amtliche Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tirana an das Bundesamt vom 29. März 2013). Die Situation in psychiatrischen Kliniken mag erschreckend sein (Lagebericht S. 13), eine grundsätzliche Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen wird damit allerdings nicht in Frage gestellt. Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Behandlung von Epilepsie und Depressionen vom 2. Dezember 2015, S. 9f.) sind zwar Mängel bei der psychischen Behandlung von Patienten festzustellen, gleichwohl ist der Zugang zu Dienstleistungen im Bereich psychischer Gesundheit in Albanien in Landesteilen gewährt. Dem jüngsten Mental Health Atlas der World Health Organization (WHO) aus dem Jahr 2014 (WHO Mental Health Atlas 2011 - Albania, 2014: www...int/...pdf?ua=1.) ist zu entnehmen, dass Albanien derzeit zwei psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern, zwei psychiatrische Kliniken sowie zehn „Wohneinheiten“ („residental care units“) unterhält. Die ambulante Behandlung psychischer Erkrankungen ist in zehn Ambulatorien und zwei Tageskliniken („day treatment facilites“) möglich. Für zahlungsfähige Patientinnen und Patienten besteht außerdem die Möglichkeit der Behandlung in einer Privatklinik (vgl. VG München, Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2016 - M 17 K 16.30321). Zudem hat die Antragstellerin selbst angegeben, in Albanien in Behandlung gewesen zu sein.

Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin im Falle einer Rückkehr nach Albanien in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnten, dass ausnahmsweise in ihrem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 - 26 sowie Rn. 38).

Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.


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Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.


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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.


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Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.


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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der gegen das auf zehn Monate befristet angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (Ziffer 6 des Bescheides vom 15. September 2015) gerichteten Klage (Az. 6 K 1730/15.A) wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller zu 80% und die Antragsgegnerin zu 20%.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit beantragt worden war, die Beklagte unter Aufhebung von Ziff. 1 - 3 des Bescheides vom ... August 2014 zur Gewährung von internationalem Schutz zu verpflichten.

II.

Der Bescheid vom ... August 2014 wird in Ziff. 4 und 5 insoweit aufgehoben, als ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowina verneint und die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina angedroht wird.

Die Beklagte wird zu der Feststellung verpflichtet, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowina vorliegen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin ¾, die Beklagte 1/4 zu tragen.

IV.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die am ... November 1995 geborene ledige Klägerin ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, bosnischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Sie reiste nach eigenen Angaben am 02. Juni 2013 aus Österreich kommend nach Deutschland ein und beantragte am 19. Juni 2013 Asyl. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt ... (Bundesamt) am 13. Januar 2014 gab sie im Wesentlichen an: Ihr tunesischer Vater, zu dessen Familie sie keine Beziehung habe, sei früh verstorben. Ihre bosnische Mutter habe dann einen Bosnier geheiratet und neben ihren zwei Kindern aus der Beziehung mit dem Tunesier weitere acht Kinder bekommen. Im Jahr 2012 sei ihr Stiefvater nach Wien gefahren, im Jahr 2013 sei sie mit ihrer Mutter, ihrem vollbürtigen Bruder und ihren acht Halbgeschwistern nachgereist. Sie und ihr Bruder seien vom Stiefvater sehr schlecht behandelt, beschimpft und ausgenutzt worden. Er habe sie mit einem ihr unbekannten Araber verheiraten wollen. Ihr Bruder sei dann nach Bosnien zurückgekehrt, sie selbst sei nach einem neunmonatigen Aufenthalt in Österreich nach ... gefahren. Diese Reise sei von einem pakistanischen Staatsangehörigen organisiert worden, der sich als Asylbewerber in Deutschland aufhält und mit dem sie von einem ihr nicht näher bekannten islamischen Geistlichen getraut worden sei. Sie sei nicht länger in Österreich geblieben, weil sie nicht bei ihrer Familie bzw. ihrem Stiefvater bleiben und stattdessen mit ihrem Ehemann zusammen leben wollte. Auf die Frage nach den Gründen für ihren Asylantrag und nach Tatsachen, die eine Furcht vor politischer Verfolgung begründen könnten, verwies die Klägerin wiederum auf die Schwierigkeiten mit ihrem Stiefvater. In Österreich habe sie ihn nicht anzeigen können, weil es dann noch größere Probleme gegeben hätte, und in Bosnien wäre eine Strafanzeige im Sande verlaufen.

Am 01. April 2014 wurde die Klägerin von einem Kind entbunden, dessen Vater ihr pakistanischer Lebensgefährte ist.

Mit Bescheid vom ... August 2014, zugestellt am 09. August 2014, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziff. 1 und 2); es erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziff. 3), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziff. 4) und forderte die Klägerin unter Androhung der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina oder einen anderen zu ihrer Einreise bereiten oder zu ihrer Rückübernahme verpflichteten Staat auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Ziff. 5).

Mit Schreiben vom 14. August 2014, eingegangen am gleichen Tag, erhob die Klägerin „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom ... August 2014.

Am 22. August 2014 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... August 2014 zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie - hilfsweise - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und - weiter hilfsweise - das Vorliegen der Voraussetzungen für Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Zuletzt wurde mit Schriftsatz vom 17. August 2015 die Klage dahingehend beschränkt, dass der Bescheid vom ... August 2015 in Ziff. 4 und 5 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, dass bei der Klägerin Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich von Bosnien-Herzegowina vorliegen.

Der gleichzeitig mit Klageerhebung gestellte Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, wurde mitBeschluss vom 21. August 2014, M 2 S 14.30926, abgelehnt.

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2014 wies die Klägerseite darauf hin, dass nach Auskunft einer Verwandten der Klägerin der inzwischen nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrte Stiefvater die Klägerin wegen der von ihm nicht akzeptierten Verbindung mit dem pakistanischen Lebensgefährten erneut massiv bedroht habe.

Die mündliche Verhandlung vom 03. Februar 2015, zu der die Klägerin wegen gerichtsbekannter Störungen des Eisenbahnverkehrs nicht erscheinen konnte, wurde vertagt.

Mit Schriftsatz vom 17. August 2015 legte die Klägerseite die ausführliche Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie der ... Klinik GmbH in ... vom 31. Juli 2015 vor. Danach leidet die Klägerin an einer schweren depressiven Episode (ICD 10: F 32.2) und einer posttraumatischen Belastungsstörung vom Typ II (ICD 10: F 43.1). Bei der Patientin seien nicht nur die Kriterien für diese Krankheiten erfüllt, die Ausprägung des psycho-pathologischen Befundes und die psychiatrische Vorgeschichte würden eine klare Indikation für eine kontinuierliche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung darstellen. Ohne ausreichende Behandlung sei davon auszugehen, dass sich das Befinden der Patientin noch weiter verschlechtere, das Suizidrisiko sei - bei bereits stattgehabtem Suizidversuch in der jüngsten Vorgeschichte - insbesondere angesichts einer Rückkehr nach Bosnien und der Trennung der Familie als sehr hoch einzustufen. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung mit deutlich eingeschränkter Belastbarkeit sei bei der Klägerin von einer erhöhten Gefahr der Zunahme der Krankheitsbelastung auszugehen; bei einer Rückführung nach Bosnien sei mit Sicherheit von einer Dekompensation mit akuter Eigengefährdung auszugehen. Ein Behandlungsabbruch sei aus medizinischer Sicht nicht vertretbar.

Auf eine mündliche Verhandlung hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 17. August 2015, die Beklagtenseite (generell) mit Schreiben vom 24. Juni 2015 verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden.

Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO insoweit einzustellen, als der ursprüngliche Klageantrag vom 22. August 2014 mit Schriftsatz vom 17. August 2015 nicht aufrechterhalten wurde.

Soweit mit dem zuletzt gestellten Klageantrag die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom ... August 2014 zu der Feststellung verpflichtet werden soll, dass bei der Klägerin ein Abschiebungshindernis hinsichtlich Bosnien-Herzegowina vorliegt, hat die zulässige Klage Erfolg.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr. BVerwG, U. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - juris; BayVGH, U. v. 08.03.2012 - 13a B 10.30172 - juris). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 08.03.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.).

Daran gemessen sind im Fall der Klägerin die Voraussetzungen für ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben:

Die Klägerin leidet zur Überzeugung des Gerichts an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und an einer schweren depressiven Episode (ICD: F43.1 und F32.2). Dies ergibt sich aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2015.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS besondere Anforderungen. Gefordert wird die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden, aktuellen fachärztlichen Attests (BVerwG, B. v. 26.07.2012 - 10 B 21/12 - juris Rn. 7 m. w. N.; BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15). Dies gilt hinsichtlich eines Beweisantrags und erst recht für die Frage, ob vorgelegte Unterlagen ein ausreichender Nachweis für eine PTBS sein können. Diese besonderen Anforderungen sind im Fall der Klägerin erfüllt: Mit der ausführlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2015 liegt ein aktuelles ärztliches Attest vor, das von dem, die Klägerin untersuchenden und behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erstellt wurde und dem sich nachvollziehbar entnehmen lässt, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wird und wie sich die Krankheit im konkreten Fall der Klägerin darstellt. Das Attest enthält auch Angaben über die Ursachen und die Schwere der Erkrankung, den Behandlungsbeginn, den bisherigen Verlauf, die erforderliche Behandlung sowie die Folgen, falls eine Behandlung unterbleiben würde. Die fachärztliche Stellungnahme vom 31. Juli 2015 bestätigt im Übrigen auch den von einer Dipl.-Psychologin erstellten Bericht vom 11. September 2013.

Insgesamt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin bei einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina ganz erheblich, wenn nicht gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, wie in der fachärztlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2015 nachvollziehbar ausgeführt wird. Zwar ist auch in Bosnien-Herzegowina eine Behandlung psychischer Erkrankungen ansatzweise möglich (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 11.11.2014, S. 17). Im besonderen Fall der Klägerin könnte jedoch die dringend erforderliche psychotherapeutische Behandlung dort aller Voraussicht nach nicht durchgeführt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer sozialen Stellung, ohne finanzielle Mittel und ohne Rückhalt ihrer Familie in absehbarer Zeit praktisch keinen Zugang zu den ohnehin kaum vorhanden Therapieplätzen haben würde.

Nach alledem war der Klage hinsichtlich eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG stattzugeben.

Im Übrigen - also soweit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG und Abschiebungsverbote hinsichtlich anderer Staaten (also nicht hinsichtlich von Bosnien-Herzegowina) verneint und die Abschiebung in einen anderen, zur Aufnahme der Klägerin bereiten oder zu ihrer Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht wurde, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung: § 167 Abs. 2 VWO i. V. m. §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er am 23. März 2015 in einem Bus von Österreich aus in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 3. Juni 2015 Asylantrag.

In seiner Anhörung gab der Antragsteller an, er habe mit einem Freund ein Wettgeschäft betrieben, dieses aber auf Wunsch des Vermieters aufgeben müssen. Er sei auch Profifußballer in der zweiten albanischen Liga gewesen. Nachdem ihm sein Verein gekündigt habe, habe er keine Einnahmen mehr gehabt und sein Sportstudium abbrechen müssen. Er sei nach Deutschland gekommen, um seine Profikarriere fortzusetzen und damit sein Studium zu finanzieren. Bei einer Rückkehr nach Albanien hätte er weder Geld noch Arbeit.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2015, zugestellt am 8. März 2016, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1, 2 und 3), und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Albanien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Außerdem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz - GG, § 29a Abs. 2 Asylgesetz - AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Er habe nichts vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat in seinem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ernsthaften Schadens erfüllt seien. Es drohe ihm auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK vorliege. Eine schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebeverbot, sie müsse vielmehr vom Antragsteller ebenso wie von vielen seiner Landsleute bewältigt werden.

Am 10. März 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift der Urkundsbeamtin Klage (M 16 K 16.30496) erhoben und gleichzeitig beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen.

Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen vor dem Bundesamt Bezug genommen.

Das Bundesamt legte die Behördenakten vor; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.30496 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG). Ernstliche Zweifel i. S. d. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG liegen nur vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris). Dabei ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich die Abweisung der Klage bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - juris Rn. 15).

Im vorliegenden Fall bestehen an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel. Das Gericht folgt daher den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend bleibt auszuführen, dass Albanien als sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zu § 29a AsylG gelistet ist. Gegen diese Einstufung bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B. v. 22.12.2015 - 33 L 357.15 A - juris). Gemäß § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Der Antragsteller hat sich lediglich auf fehlende Geldmittel und Arbeitslosigkeit, mithin also auf wirtschaftliche Gründe berufen. Ein solches Vorbringen vermag aber die Regelvermutung des § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG nicht zu erschüttern. Zwar geht das Gericht davon aus, dass die allgemeine wirtschaftliche Situation in Albanien tatsächlich schlecht ist und sich die wirtschaftliche Lage vieler Albaner aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und anderer Faktoren als schwierig darstellt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist aber gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe. Grundnahrungsmittel werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich im sozialen Bereich (vgl. Lagebericht des Auswärtige Amtes vom 10. Juni 2015, S. 12 f.).

Somit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

...

Tenor

Der Antrag vom 1. April 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 1425/16, gegen die Abschiebungsandrohungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Gründe

I.

1

Der in der Antragsschrift formulierte Antrag, „die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen“ wird nach dem verfolgten Rechtsschutzziel gemäß §§ 88, 121 Abs. 1 VwGO dahingehend ausgelegt, dass die Antragsteller nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, 2 A 1425/16, begehren, soweit sie sich als Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 19. Januar 2016 unter Ziffer 5 enthaltene Abschiebungsandrohungen richtet. Der sachdienlich ausgelegte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beschränkt sich auf die Abschiebungsandrohungen (hierzu unter 1.) und zielt auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (hierzu unter 2.). Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erstreckt sich nicht auf die behördliche Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (hierzu unter 3.) oder die behördliche Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (hierzu unter 4.).

2

1. (Prinzipaler) Gegenstand des fachgerichtlichen Eilverfahrens ist allein die aufenthaltsbeendende Maßnahme, beschränkt auf die Frage ihrer sofortigen Vollziehbarkeit; die sofortige Beendigung des Aufenthalts eines Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die (qualifizierte) Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge; Anknüpfungspunkt der fachgerichtlichen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss daher (inzident) die Frage sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, ohne dass deshalb die Ablehnung der Schutzanträge unter Ziffern 1 bis 4 des Bescheids selbst zum Verfahrensgegenstand werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, juris Rn. 93). Nur soweit die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung davon abhängt, dass die Behörde eine Einzelfallentscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots getroffen hat, ist auch dieser Umstand inzident zu prüfen.

3

2. Sachdienlich ausgelegt zielt der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ab. Ein Antrag, analog § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung festzustellen, die der Klage bereits ohne besondere gerichtliche oder behördliche Anordnung aufgrund der einschlägigen Rechtsnormen zukäme, ist deshalb nicht sachdienlich, weil die Abschiebungsandrohungen gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbar sind. Der Anwendung des § 75 Abs. 1 AsylG steht keine unmittelbar geltende Bestimmung der Europäischen Union entgegen. Insbesondere ist Art. 45 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des Internationalen Schutzes (Neufassung) (ABl. Nr. L 180/60 v. 29.6.2013. S. 60 – Verfahrensrichtlinie) im Fall der Ablehnung eines Asylantrags eines Antragstellers aus dem sicheren Herkunftsstaat nicht unmittelbar anwendbar und folgt daraus im Rechtsverhältnis zum jeweiligen Antragsteller kein verfahrensrechtliches Bleiberecht (a.A. VG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.2016, 7 L 4154/15.A, juris Rn. 17 ff.). Denn es verbleibt nach Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich des Mittels bei der Anwendung des mitgliedstaatlichen Rechts, da der antragsgegnerische Mitgliedstaat diese Richtlinie insoweit vollständig umgesetzt hat. Zwar muss das nationale Recht nach der auch zeitlich anwendbaren Richtlinie 2013/32/EU während des Hauptsacheverfahren grundsätzlich ein verfahrensrechtliches Bleiberecht ohne besondere gerichtliche Entscheidung gewähren (hierzu unter a.), doch ist dieses Bleiberecht während des Hauptsacheverfahrens vorliegend nach dem nationalen Recht in Übereinstimmung mit den unionalen Vorgaben ausnahmsweise ausgeschlossen (hierzu unter b.).

4

a. Die Richtlinie 2013/32/EU findet in zeitlicher Hinsicht Anwendung, da die Antragsteller ihren Antrag auf internationalen Schutz am 10. November 2015 und damit nicht vor dem in Art. 52 UAbs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU genannten Stichtag 20. Juli 2015 gestellt haben. Unbeschadet des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU gestatten die Mitgliedstaaten nach Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf. Eine Erfüllung der Vorgaben des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU folgt nicht bereits daraus, dass gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG die Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung, d.h. vor der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, nicht zulässig ist. Im Einzelnen:

5

Es ist bereits zweifelhaft, ob während des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ein vom Unionsrecht gefordertes Bleiberecht nach nationalem Recht besteht. Denn solange das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch nicht entschieden hat, ist die Abschiebungsandrohung nach § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbar, so dass die durch § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG begründete Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG als erloschen gilt. Erst mit einer stattgebenden Entscheidung des Gerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entfällt die sofortige Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung rückwirkend, so dass der Erlöschenstatbestand des § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG vorläufig als nicht erfüllt gilt.

6

Zumindest ist als wirksamer Rechtsbehelf i.S.d. Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU nicht der nach dem nationalen Recht der Antragsgegnerin zu stellende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, sondern die Klage zu verstehen (insoweit auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.2016, 7 L 4154/15.A, juris Rn. 21 ff.). Dass das Bleiberecht nach dem Grundsatz des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU nicht nur bis zu einer gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht, geht im Umkehrschluss aus der Ausnahmeregelung des Art. 46 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU hervor. Danach gestatten die Mitgliedstaaten dem Antragsteller, bis zur Entscheidung in dem Verfahren (u.a.) nach Art. 46 Abs. 6 Richtlinie 2013/32/EU darüber, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, im Hoheitsgebiet zu verbleiben. Die in Bezug genommene, dem Grundsatz des Art. 46 Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU vorrangige Bestimmung des Art. 46 Abs. 6 Richtlinie 2013/32/EU sieht vor, dass in den dort genannten Fällen das Gericht befugt ist, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden und wenn in diesen Fällen das Recht auf Verbleib in dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist.

7

b. Doch liegt zulasten der Antragsteller eben ein in Art. 46 Abs. 6 Richtlinie 2013/32/EU benannter Fall vor, in dem in Übereinstimmung mit den Vorgaben des unionalen Rechts das nationale Recht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG nur durch gerichtliche Entscheidung auf gesonderten Antrag des Antragstellers hin ein Bleiberecht für die Dauer des Hauptsacheverfahrens vorsieht. Es ist der in Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Alt. 1 Richtlinie 2013/32/EU benannte Fall einer Entscheidung gegeben, einen Antrag auf internationalen Schutz im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU als offensichtlich unbegründet zu betrachten, ohne dass die Entscheidung auf die in Art. 31 Abs. 8 Buchst. h Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände gestützt wird. Nach Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU können im Falle von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände gegeben ist, die Mitgliedstaaten einen Antrag ferner als offensichtlich unbegründet betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Abstrakt ist dann, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, ein in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU – außerhalb dessen Buchst. h – aufgeführter Umstand gegeben (hierzu unter aa.), für den in den nationalen Rechtsvorschriften des antragsgegnerischen Mitgliedstaats vorgesehen ist, den Antrag auf internationalen Schutz als offensichtlich unbegründet zu betrachten (hierzu unter bb.). Konkret kommen die Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat (hierzu unter cc.) und sind ihre Anträge auf internationalen Schutz nach dem nationalen Recht als offensichtlich unbegründet zu betrachten (hierzu unter dd.).

8

aa. Dass der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie kommt, ist ein in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführter Umstand. Unerheblich ist, ob der antragsgegnerische Mitgliedstaat nach seinem nationalen Recht von der durch diese Bestimmung eingeräumten Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens im Einzelfall Gebrauch gemacht hat. Ein beschleunigtes Verfahren dürfte nur ein solches i.S.d. § 30a AsylG sein (eingefügt durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.2016, BGBl. I S. 390, ausdrücklich unter Bezugnahme auf Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU der Gesetzentwurf BT-Drs. 18/7538, S. 12, 16). Darauf kommt es aber nicht an. Denn Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Alt. 1 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU knüpft lediglich an die im Katalog des Art. 31 Abs. 8 Buchst. a bis g und i bis j Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Umstände tatbestandlich an, ohne jedoch vorauszusetzen, dass die Mitgliedstaaten von der durch Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU als Rechtsfolge eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II der Richtlinie 2013/32/EU beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Art. 43 Richtlinie 2013/32/EU durchgeführt wird. Diese Auslegung folgt zum einen daraus, dass Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU an die in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU „aufgeführten Umstände“ anknüpft, während Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Alt. 2 Richtlinie 2013/32/EU, den „Fall einer Entscheidung … nach Prüfung gemäß“ Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU in Bezug nimmt. Zum anderen folgt diese Auslegung daraus, dass Art. 46 Abs. 6 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU den Fall einer Entscheidung nach Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU nicht als Unterart des Fall einer Entscheidung nach Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU behandelt, sondern gleichrangig als alternativ zu erfüllende Tatbestandsvariante daneben setzt.

9

bb. In Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 8 Buchst. b. Richtlinie 2013/32/EU hat der antragsgegnerische Mitgliedstaat in seinen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz insbesondere bereits dann als offensichtlich unbegründet zu betrachten, wenn der Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt. Dies folgt aus § 29a Abs. 1 AsylG. Gemäß dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Nach dem Tatbestand des § 29a Abs. 1 AsylG setzt die Qualifizierung eines unbegründeten Asylantrags als offensichtlich unbegründet damit nur voraus, dass die Vermutung, es fehle an einer für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 Abs. 1 GG vorausgesetzten politischen Verfolgung, nicht widerlegt ist. Gleichwohl verweist die Rechtsfolge des § 29a Abs. 1 AsylG darauf, dass „der Asylantrag“, d.h. mangels Differenzierung: der Asylantrag insgesamt, als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Begrifflich umfasst „der Asylantrag“ gemäß § 13 Abs. 1, Abs. 2 AsylG nicht nur das Ersuchen um Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG, sondern auch das Ersuchen um internationalen Schutz i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AsylG und i.S.d. damit übereinstimmenden Definition des Art. 2 Buchst. i i.V.m. Buchst. j und k Richtlinie 2013/32/EU. Sofern der durch § 13 Abs. 1, Abs. 2 AsylG definierte Asylantrag unbegründet ist, d.h. weder eine Anerkennung als Asylberechtigter noch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch subsidiärer Schutz zu gewähren ist, und die Qualifikation des § 29a Abs. 1 AsylG hinzutritt, betrachtet das nationale Recht mithin den Antrag auf internationalen Schutz als offensichtlich unbegründet. Die Qualifikation tritt im Einzelfall nach dem nationalen Recht bereits dann hinzu, wenn das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Offensichtlichkeitsausspruch auf die Unbegründetheit des Antrags als Asylberechtigter beschränkt und sich insoweit auf § 29a Abs. 1 AsylG stützt. Die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz als unbegründet ist in diesem Fall nach nationalem Recht gemäß § 29a Abs. 1 AsylG auch ohne einheitlichen Offensichtlichkeitsausspruch als offensichtlich unbegründet zu betrachten. Denn nach dem nationalen Recht erstreckt sich die Offensichtlichkeit stets auf den Asylantrag als Ganzes und schließt der Asylantrag den Antrag auf internationalen Schutz ein.

10

Das nationale Konzept sicherer Herkunftsstaaten ist in seiner Ausgestaltung mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.1.2016, 6 L 4047/15.A, Rn. 23 ff.). Zwar bleibt zugunsten der Antragsteller die im nationalen Recht vorgesehene Rechtsfolge einer Einordnung als sicherer Herkunftsstaat hinter der Rechtsfolge zurück, die nach dem Unionsrecht an eine solche Einordnung geknüpft werden dürfte. Das nationale Konzept des sicheren Herkunftsstaats verzichtet bezüglich des subsidiären Schutzes auf eine widerlegbare Vermutung und verlangt stattdessen eine Vollprüfung des § 4 Abs. 1 AsylG (VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 27). Es handelt sich um ein nach Art. 5 Richtlinie 2013/32/EU für den Antragsteller zulässige günstigere Bestimmung. Die Vollprüfung stellt mindestens in dem Maße, wie es eine Vermutungsregelung gewährleisten würde, sicher, dass der Herkunftsstaat in Übereinstimmung mit Art. 36 Richtlinie 2013/32/EU nach individueller Prüfung für einen bestimmten Antragsteller als sicherer Herkunftsstaat betrachtet wird (VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 27).

11

cc. Die Antragsteller kommen aus einem sicheren Herkunftsstaat. Die im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegende gesetzliche Bestimmung Albaniens zum sicheren Herkunftsstaat in Anlage II zu § 29a AsylG durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (v. 20.10.2015, BGBl. I S. 1722). genügt den Vorgaben des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG. Danach können durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Nach Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird. Für den Gesetzgeber besteht hinsichtlich der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat ein Entscheidungsspielraum, der überschritten ist, wenn er sich nicht von guten Gründen hat leiten lassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1507/93, BVerfGE 94, 115, juris Rn. 87). Diese Grenze hat der Gesetzgeber im Hinblick auf Albanien nicht überschritten. Im Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (BT-Drs. 18/6185 v. 29.9.2015, S. 25, 37 ff.) gestützt insbesondere auf die Berichterstattung des Auswärtigen Amtes nachvollziehbar dargelegt, dass trotz noch vorhandener Defizite als gewährleistet betrachtet werden kann, dass in Albanien generell weder asylrelevante Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen Konfliktes drohen. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes (v. 10.6.2015 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015) gibt es immer wieder Fälle von Gewalt und teilweise schweren Misshandlungen seitens oder im Verantwortungsbereich der Polizei (S. 11) und kommt es in Einzelfällen zu Repressionen privater Dritter (S. 10), es besteht jedoch ein demokratisches System (S. 5) und es finden keine systematischen Menschenrechtsverletzungen statt (S. 6). Davon ausgehend davon oblag es dem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, Fälle einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung als Ausnahmen zu betrachten und Albanien gleichwohl als sicheren Herkunftsstaat einzustufen, ohne damit eine individuelle Prüfung auszuschließen.

12

Die Bestimmung Albaniens zum sicheren Herkunftsstaat genügt ferner den Vorgaben des Art. 37 Richtlinie 2013/32/EU. Danach können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehalten oder erlassen, aufgrund derer sie im Einklang mit Anhang I Richtlinie 2013/32/EU sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Nach Anhang I Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung i.S.d. Art. 9 Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind. Im Fall Albaniens sind nach dem Vorstehenden diese Gefährdungen im Allgemeinen nicht zu erwarten.

13

dd. Die Anträge der Antragsteller auf internationalen Schutz sind nach dem nationalen Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt zu betrachten. Zwar hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im angefochtenen Bescheid (unter Ziffer 2 und Ziffer 1) als „offensichtlich unbegründet“ nur die Ablehnung der Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zum Ausdruck gebracht. Doch wird nach dem nationalen Recht der Asylantrag i.S.d. § 13 Abs. 1, Abs. 2 AsylG und der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet betrachtet, sofern die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist (s.o. bb.).

14

3. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist ausgehend von der Antragsschrift und der Interessenlage der Antragsteller nicht dahingehend auszulegen, dass er sich prinzipal auch gegen die von der Antragsgegnerin im Bescheid unter Ziffer 7 nach § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG getroffene Entscheidung richtet, das aus § 11 Abs. 1 AufenthG folgende gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen. Vorläufiger Rechtsschutz wäre im Hinblick auf die behördliche Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu suchen, denn die aufschiebende Wirkung einer Klage vermittelt nur vorläufigen Rechtsschutz der vor einer Beeinträchtigung durch den Verwaltungsakt bestehenden Rechtspositionen, statuiert oder erweitert solche aber nicht (dazu OVG Münster, Beschl. v. 12.6.2014, 12 A 38/13, juris Rn. 3). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dem Antrag nach der Interessenlage der Antragsteller nicht zu entnehmen, da vor der Durchführung der Abschiebung kein Anhaltspunkt für den nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsgrund bestünde. Nichts anderes ergibt sich wegen der am 24. Oktober 2015 ohne Übergangsregelung in Kraft getretenen Vorschrift des § 36 Abs. 3 Satz 10 AsylG. Diese Vorschrift enthält ein Fristerfordernis für Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Abs. 2 AufenthG, entbindet aber nicht von den allgemeinen Voraussetzungen, unter denen ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg haben kann. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift in dem hier nicht vorliegenden Fall verfassungskonform auszulegen ist oder mit höherrangigem Recht unvereinbar ist, dass erstmals nach Ablauf der Antragsfrist das Erfordernis einer dringlichen Regelung eintritt.

15

4. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist schließlich nicht dahingehend auszulegen, dass er sich prinzipal auch gegen die von der Antragsgegnerin im Bescheid unter Ziffer 6 nach § 11 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG getroffene Anordnung und Befristung eines behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots von 10 Monaten ab dem Tag der Ausreise richtet. Vorläufigen Rechtsschutzes bedarf es nicht, da die Anordnung gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erst mit der Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam wird.

II.

16

Der Antrag vom 1. April 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage, 2 A 1425/16, gegen die Abschiebungsandrohungen der Antragsgegnerin im Bescheid vom 19. Januar 2015 anzuordnen, ist zulässig (hierzu unter 1.), aber unbegründet (hierzu unter 2.).

17

1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hinsichtlich der gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohungen nach § 34 Abs. 1 AsylG statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Denn die gemäß §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG geltende Antrags- und Klagefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids ist durch die am 1. April 2016 bei Gericht eingegangene kombinierte Antrags- und Klageschrift gewahrt. Ein Bekanntgabedatum ist in der Asylakte nicht dokumentiert.

18

2. Der Antrag ist nicht begründet. Dies folgt aus der erforderlichen Abwägung unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung und des privaten Interesses der Antragsteller, dass ihr das vorläufige Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über ihre Asylanträge nicht zu Unrecht entzogen wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 19.6.1990, 2 BvR 369/90, InfAuslR 1991, 81, juris Rn. 20). Dabei darf das Gericht gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der auf der Grundlage der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG wegen offensichtlicher Unbegründetheit des Asylantrags erlassenen Abschiebungsandrohung nur dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Damit lassen der Verfassungs- und Gesetzgeber das vorläufige Bleiberecht nicht erst dann entfallen, wenn das Verwaltungsgericht sich von der Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils des Bundesamts überzeugt hat, sondern schon dann, wenn es an der Richtigkeit dieser Entscheidung keine ernstlichen Zweifel hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, Rn. 88). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG dann, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, a.a.O, Rn. 99).

19

Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Rechtsgrundlage für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG durch die Antragsgegnerin ist § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 36 Abs. 1, 29a AsylG. Dabei hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes insbesondere die Offensichtlichkeit der Ablehnung des Asylantrags zu prüfen (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, a.a.O., juris Rn. 94). Die Voraussetzungen zum Erlass der Abschiebungsandrohung liegen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG vor, da die Antragsteller nicht als Asylberechtigte anzuerkennen sind und ihnen nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (hierzu unter a.), ihnen kein subsidiärer Schutz zusteht und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (hierzu unter b.) und sie keinen Aufenthaltstitel besitzen (hierzu unter c.). Die Bestimmung der Ausreisefrist und des Zielstaats der Abschiebung entsprechen ausgehend davon, dass der Offensichtlichkeitsausspruch gerechtfertigt ist, den Vorgaben (hierzu unter d.). Wegen der vorgenommenen behördlichen Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohungen (hierzu unter e.).

20

a. Die Antragsteller sind nicht nach Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen ist nicht nach § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Sie haben bereits nicht geltend gemacht, politisch verfolgt oder aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb ihres Herkunftslandes Albanien zu befinden.

21

b. Die Antragsteller können auch keinen subsidiären Schutz beanspruchen, da nicht nach § 4 Abs. 1 AsylG stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht sind, dass ihnen in ihrem Heimatland ein ernsthafter Schaden (Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) droht. Ebenso ergibt sich nicht nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Anwendung von Art. 3 EMRK (Verbot der Folter, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung), dass die Abschiebung unzulässig wäre. Auch besteht für die Antragsteller nicht nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Rückkehr in ihr Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.

22

Zum einen besteht für Rückkehrer nach Albanien aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht allgemein eine Extremsituation, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (VG Hamburg, Beschl. v. 13.11.2015, 2 AE 5675/15; vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 6.10.2015, 2 AE 5221/15; Beschl. v. 18.8.2015, 21 AE 4017/15; Beschl. v. 10.8.2015, 15 AE 4179/15 zur Verneinung einer extremen Gefährdungslage im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Nach dem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage des Auswärtigen Amtes in Albanien (v. 10.6.2015, Stand: Mai 2015) ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gesichert. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen, zu denen auch Familien mit keinem oder geringen Einkommen gehören, Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.000,-- ALL (ca. 21,-- Euro) und für Familienoberhäupter von 8.000,-- ALL (ca. 57,-- Euro) sowie einem Invalidengeld von 9.900,-- ALL (ca. 70,-- Euro) bewegen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert.

23

Zum anderen sind auch unter Berücksichtigung der von den Antragstellern vorgebrachten individuellen Umstände weder stichhaltige Gründe für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gegeben noch sieht sich die Antragstellerin bei Rückkehr nach Albanien einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Im Einzelnen:

24

Der 1971 geborene Antragsteller zu 1 und die 1980 geborene Antragstellerin zu 2 sind verheiratet und Eltern des 2000 geborenen Antragstellers zu 3 und der 2002 geborenen Antragstellerin zu 4. Sie sind albanischer Staatsangehörigkeit, albanischer Volkzugehörigkeit und albanischer Herkunft und haben in ihrem Heimatland bis zu Ihrer Ausreise im August 2015 gelebt.

25

Der Antragsteller zu 1 hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 24. November 2015 angegeben, er habe 17 Jahre lang schwarz als Taxifahrer gearbeitet. Seine Ehefrau leide an Neurodermitis und habe am ganzen Körper Flecken, weshalb er auch „Schwierigkeiten“ mit seinen Eltern gehabt habe, weil er „sozusagen eine Kranke Frau genommen habe“. Sein Sohn leide an der gleichen Krankheit. Mit seinen Eltern habe er keine Probleme mehr gehabt, aber der Sohn sei „in der Schule und von seinen Freunden“ gehänselt worden. Deswegen habe er, der Antragsteller zu 1, oft „Streit und Stress mit anderen Menschen“ gehabt. Er habe gedacht, dass Deutschland ein freies Land sei und man „hier auch frei leben [könne], egal welche Krankheiten man [habe]“. Die Nachfrage nach einem bestimmten Grund, aus dem er mit seiner Familie gerade im August 2015 das Land verlassen habe, hat er verneint und lediglich ergänzt, der einzige Grund sei gewesen, dass er jetzt gedacht habe „bloß weg von hier“.

26

Die Antragstellerin zu 2 hat bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 24. November 2015 angegeben, zunächst als Näherin und dann in einer Schuhfabrik gearbeitet zu haben. Der Grund warum die Familie Albanien verlassen habe, sei, dass sie und ihr Sohn mit einer Erkrankung geboren worden seien, mit der sie sich in Albanien nicht frei und auch nicht wohlfühlten. Sie habe ihr ganzes Leben darunter gelitten. Sie, die Eltern, seien sehr in Sorge wegen ihres Sohnes. Der Sohn sei von einigen gehänselt worden, von anderen sei er „Späßen ausgesetzt“ gewesen. Es habe auch Fälle gegeben, die zum „Konflikt“ geworden seien. Deshalb hätten sie, die Eltern, Angst, dass irgendwann die Lage eskaliere.

27

Davon ausgehend ist es für das Gericht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 3 Belästigungen und Beeinträchtigungen im sozialen Leben wegen ihrer Hautkrankheit ausgesetzt waren und sind. Es ist aber bereits kein spezifischer Landesbezug erkennbar, aus denen die Rückkehr nach Albanien für die Antragstellerin zu 2 und den Antragsteller zu 3 zu einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit führen könnte. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.d.F. des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.2016, BGBl. I S. 390) nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Vor dem Hintergrund, dass alle Antragsteller in der Vergangenheit unbeschadet in Albanien gelebt haben, haben die Antragstellerin zu 2 selbst und für den minderjährigen Antragsteller zu 3 seine ihn vertretenden Eltern nicht im Einzelnen und nachvollziehbar dargelegt, dass bei einer Rückkehr nach Albanien „Streit und Stress mit anderen Menschen“ oder „Konflikte“ in der Zukunft zu einer konkreten Gefährdungslage zu eskalieren drohen.

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c. Einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG besitzen die Antragsteller nicht.

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d. Die Bezeichnung Albaniens als Staat, in den abgeschoben werden soll, entspricht § 59 Abs. 2 AufenthG. Die in der Aufforderung zur Ausreise benannte Ausreisefrist von einer Woche entspricht § 36 Abs. 1 AsylG, da der Asylantrag gemäß § 29a Abs. 1 AsylG gemäß insgesamt offensichtlich unbegründet ist. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Offensichtlichkeitsausspruch ist ausreichend (s.o. I. 2. b. bb.).

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e. Soweit die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung von einer nach § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG getroffenen behördlichen Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots abhängt, bestehen auch insoweit keine Bedenken.

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Zwar ist nach Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 der die Mitgliedstaaten nach Ablauf der Umsetzungsfrist bindenden Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. Nr. L 348 v. 24.12.2008, S. 98) im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festzusetzen, so dass jedenfalls eine Abschiebung ohne eine zuvor getroffene Befristungsentscheidung unzulässig ist (EuGH, Urt. v. 19.9.2013, C-297/12, NJW 2014, 527, juris Rn. 34; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.1.2015, 8 ME 136/14, juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.3.2014, OVG 12 S 113/13, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.12.2012, 11 S 2303/12, ESVGH 63, 159, juris Rn. 8). Doch hat die Antragsgegnerin diesem Erfordernis bereits zugleich mit der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung unter Ziffer 5 des Bescheids Genüge getan, indem sie unter Ziffer 6 durch behördliche Einzelfallentscheidung das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet und auf diese Weise auch vor der Abschiebung ermöglicht hat, einen wirksamen Rechtsbehelf i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG einzulegen. Dagegen berührt der Umstand, dass die Klage wegen der getroffenen Befristungsentscheidung noch anhängig und über die Länge der Befristung noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist, die Rechtmäßigkeit der angedrohten Abschiebung nicht (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.3.2014, a.a.O., Rn. 22; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.12.2012, a.a.O., Rn. 11). Die Rechtmäßigkeit der durch das Bundesamt ausgesprochenen Abschiebungsandrohung hängt im Allgemeinen nicht davon ab, ob der Antragsteller eine kürzere als die behördlich bereits zugesprochene Befristung des nach der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG kraft Gesetzes geltenden Einreise- und Aufenthaltsverbots beanspruchen kann. Eine Ausnahme davon wäre allenfalls dann nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu machen, wenn die Antragsteller Anspruch auf eine Befristung auf null hätte. Davon ist nach den gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG beachtlichen Umständen in dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht auszugehen.

III.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.