Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin Beschluss, 10. Apr. 2019 - 156/18, 156 A/18

published on 09/08/2024 15:13
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin Beschluss, 10. Apr. 2019 - 156/18, 156 A/18
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Principles

Amtliche Leitsätze

1a. Zu den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten, die der Gewährung von Akteneinsicht zugunsten des Verletzten entgegenstehen können (§ 406e Abs 1, Abs 2 S 1 StPO), zählt auch sein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten. Einer Akteneinsicht steht dieses Interesse allerdings nur dann entgegen, wenn es das Informationsinteresse des Verletzten überwiegt. Daher hat die über die Akteneinsicht entscheidende Stelle die gegenläufigen Interessen von Verletztem und Beschuldigten gegeneinander abzuwägen (vgl zum Bundesrecht: vgl BVerfG, 05.12.2006, 2 BvR 2388/06, NJW 2007, 1052 <1053>; vorliegend keine Bedenken gegen fachgerichtliche Rechtsanwendung). 

1b. Im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht gem § 406e StPO ist auch zu berücksichtigen, dass die Akteneinsicht nicht unmittelbar durch den vermeintlichen Geschädigten genommen wird, sondern durch einen beauftragten Rechtsanwalt. Dieser steht als Organ der Rechtspflege in der Pflicht, seinem Mandanten nur diejenigen Auskünfte zukommen zu lassen, die zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Beschwerdeführer dringend erforderlich sind. Dies mildert den Eingriff in grundrechtlich geschützte Interessen des Beschwerdeführers weiter (vgl BVerfG aaO <1053>). 

2a. Regelungen über die Akteneinsicht zugunsten Verletzter greifen mangels objektiv berufsregelnder Tendenz nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art 17 Verf BE) ein: Sie betreffen Beschuldigte nicht spezifisch oder zielgerichtet, sondern nur zufällig in ihrer beruflichen Tätigkeit (zum Schutzbereich der Berufsfreiheit gem Art 12 GG siehe etwa BVerfG, 12.10.2011, 2 BvR 236/08, BVerfGE 129, 208 <266f>). Gleiches gilt auch für die Anwendung solcher Regelungen durch die Fachgerichte im Einzelfall.

2b. Die Gewährung von Akteneinsicht in einem gegen einen Rechtsanwalt geführten Strafverfahren aufgrund von Vorwürfen im Zusammenhang mit dessen beruflicher Tätigkeit berührt mithin nicht dessen Berufsfreiheit. Sie mag zwar einzelne Aspekte der beruflichen Tätigkeit Dritten gegenüber offenbaren, entfaltet aber keine zusätzliche Regelungswirkung auf die Berufsausübung des Beschuldigten. 

3. Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Gewährung von Akteneinsicht im Ausgangsverfahren einstweiligen untersagt worden war, siehe Beschluss des VerfGH vom 21.11.2018, 156 A/18.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin

Beschluss vom 10. Apr. 2019

Az.: 156/18, 156 A/18

 

 

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin vom 21. November 2018 ist damit gegenstandslos.

3. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

4. Im Verfahren VerfGH 156/18 werden Auslagen nicht erstattet.

 

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten, mit dem den Beteiligten zu 3 und zu 4 über ihren Rechtsanwalt Akteneinsicht in die Akten eines gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens gewährt wurde.

In dem Verfahren 272 Js 2719/14 der Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der Untreue, des Parteiverrats und der Verletzung von Privatgeheimnissen gem. §§ 266, 356, 203 StGB wurde der Beschwerdeführer neben zwei weiteren Personen als Beschuldigter geführt.

Der Bevollmächtigte der Beteiligten zu 3 und 4 beantragte bei der Staatsanwaltschaft Berlin Akteneinsicht in die Ermittlungsakten. Seine Mandanten seien Verletzte im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO. Ihnen stehe daher ein Akteneinsichtsrecht zu. Die Staatsanwaltschaft Berlin lehnte die Anträge ab. Die Beteiligten zu 3 und 4 beantragten hiergegen gerichtliche Entscheidung. Der begehrten Akteneinsicht seien entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft keine überwiegenden berechtigten Interessen der Beschuldigten nach § 406e Abs. 2 S. 1 StPO entgegenzuhalten. Insbesondere könne der bloße Hinweis der Staatsanwaltschaft auf die berufliche Tätigkeit der Beschuldigten als Rechtsanwälte keinesfalls für die Versagung der Akteneinsicht ausreichen. Andernfalls müsse die Gewährung von Akteneinsicht bei den verfahrensgegenständlichen Sonderdelikten, die allein Rechtsanwälte begehren könnten, regelmäßig ausscheiden. Das könne angesichts des mit diesen Taten einhergehenden erheblichen Eingriffs in die gewichtigen Interessen der Rechtssuchenden kaum angenommen werden.

Im gerichtlichen Verfahren trat der Beschwerdeführer der Gewährung der begehrten Akteneinsicht im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, die Beteiligten zu 3 und zu 4 seien schon keine Verletzten im Sinne des § 406e StPO, da ihnen keine Ansprüche gegen den Beschwerdeführer zustünden.

Durch Beschluss vom 18. September 2018 entschied das Amtsgericht Tiergarten, dass den Beteiligten zu 3 und zu 4 zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht in die Aktenbände 1 bis 6 des Verfahrens 272 Js 2719/14 zu gewähren sei. Die Beteiligten zu 3 und zu 4 seien Verletzte im Sinne des § 406e StPO, da sie unmittelbar in ihren Rechten aus dem Mandatsgeheimnis oder im Vermögen betroffen seien. Ihr berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht liege vor, weil sie dargelegt hätten, Schadensersatzansprüche geltend machen zu wollen. Der begehrten Akteneinsicht stünden auch keine überwiegenden schutzwürdigen Belange des Beschwerdeführers entgegen. Es bestehe ein Anfangsverdacht von Straftaten. Die Akten enthielten keine dem Kernbereich zuzuordnenden Daten der Beschuldigten, deren Bekanntgabe über die zivilrechtlichen Interessen der Beteiligten hinausgehen und den Beschwerdeführer in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in mehr als notwendiger Weise betreffen könne. Es sei ferner nicht ersichtlich, inwieweit Geschäftsgeheimnisse des Beschwerdeführers betroffen seien, die über die Eintragungen in öffentlichen Registern hinausgingen. Alleine die mögliche Beeinträchtigung der Darstellung der Beschuldigten in der Öffentlichkeit sei kein Ausschlussgrund für die Akteneinsicht, da bereits Zivilverfahren geführt worden seien und die Beteiligten zu 3 und 4 die Zweckbindung der ihnen bekannt werdenden Informationen gem. § 32f Abs. 5 StPO zu beachten hätten.

Der Beschwerdeführer erhob Anhörungsrüge und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 21. November 2018 - VerfGH 156 A/18 - setzte der Verfassungsgerichtshof den Vollzug des amtsgerichtlichen Beschlusses einstweilen aus und untersagte der Staatsanwaltschaft, Akteneinsicht zu gewähren.

Noch vor Bekanntgabe des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes erklärte das Amtsgericht auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers seinen Beschluss hinsichtlich des Beteiligten zu 4 für gegenstandslos und wies seinen Antrag auf Akteneinsicht zurück. Hinsichtlich des Beteiligten zu 3 wies es die Anhörungsrüge zurück.

Am 20. November 2018 hat der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. September und 24. Oktober 2018 Verfassungsbeschwerde erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Entscheidung des Amtsgerichts verletze ihn in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1 VvB) sowie seinem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 33 VvB). Die Gewährung von Akteneinsicht sei rechtswidrig, da das Amtsgericht entgegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Verletzteneigenschaft der Beteiligten zu 3 und zu 4 als Voraussetzung ihres Rechts auf Akteneinsicht nicht selbst geprüft habe, sondern sich insoweit allein auf das „völlig pauschale“ Vorbringen der beiden Beteiligten gestützt habe. Der diesbezügliche konkrete und ausführliche Vortrag des Beschwerdeführers, wonach die Beteiligten zu 3 und 4 gerade keine Verletzten im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO seien, sei vom Amtsgericht vollständig übergangen worden. In der Gewährung von Akteneinsicht trotz überwiegendem Interesse des Beschwerdeführers liege zugleich ein nicht gerechtfertigter Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Mit Schreiben vom 2. April 2019 hat die Staatsanwaltschaft Berlin dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 und 4 mitgeteilt, sie habe Anklage gegen den Beschwerdeführer erhoben.

 

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit der Beschwerdeführer nach Anklageerhebung gegen ihn durch die angegriffenen Beschlüsse noch beschwert ist, denn jedenfalls verletzen sie ihn nicht in seinen Rechten aus der Verfassung von Berlin.

1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 15 Abs. 1 VvB).

a) Soweit die Akteneinsicht zugunsten des Beteiligten zu 4 in Rede steht, folgt dies bereits daraus, dass der Beschwerdeführer insoweit nicht mehr beschwert ist, da das Amtsgericht die Akteneinsicht durch Beschluss vom 24. Oktober 2018 abgelehnt hat.

b) Im Hinblick auf die Akteneinsicht zugunsten des Beteiligten zu 3 hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend dargelegt, warum das Amtsgericht sein Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt haben soll. Eine auf die Verletzung rechtlichen Gehörs gestützte Verfassungsbeschwerde ist nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, auf welche Weise das Gericht ihm rechtliches Gehör versagt habe, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und warum die angegriffene Entscheidung auf dem behaupteten Verfassungsverstoß beruht (vgl. Beschluss vom 14. Januar 2010 - VerfGH 67/09 - Rn. 13). Der Beschwerdeführer muss sich zudem mit den Gründen des Anhörungsrügebeschlusses auseinandersetzen und erläutern, warum er sein rechtliches Gehör gleichwohl noch als verletzt ansieht (vgl. Beschluss vom 24. September 2013 - VerfGH 172/11 - Rn. 12). Dem wird der Vortrag des Beschwerdeführers nicht gerecht: Das Amtsgericht hat den Vortrag des Beschwerdeführers in der Anhörungsrügeschrift erkennbar zur Kenntnis genommen und seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2018 zugrunde gelegt. Dies folgt bereits daraus, dass das Amtsgericht nunmehr zwischen den Beteiligten zu 3 und 4 differenziert und lediglich dem erstgenannten Beteiligten eine Stellung als „Verletzter“ im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO zubilligt. Der Beschwerdeführer hat sich demgegenüber mit dem Beschluss vom 24. Oktober 2018 nicht hinreichend auseinandergesetzt. Er hat insbesondere nicht dargelegt, welchen weiteren entscheidungserheblichen Sachvortrag er dem Amtsgericht hätte zur Kenntnis bringen wollen, wenn das Amtsgericht auf die Anhörungsrüge nicht sogleich erneut in der Sache entschieden hätte, sondern ihm nochmals eine weitere Frist zur Stellungnahme eingeräumt hätte.

2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 33 VvB).

a) Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, fachgerichtliche Urteile ganz allgemein auf formelle oder materielle Rechtsverstöße zu überprüfen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind vielmehr grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der verfassungsgerichtlichen Prüfung entzogen. Der Verfassungsgerichtshof kann erst eingreifen, wenn das Fachgericht infolge einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts einfachrechtlichen Begriffen einen verfassungswidrigen Sinn beilegt, wenn die Würdigung im Einzelfall schlechthin unverständlich und damit willkürlich im Sinne von Art. 10 Abs. 1 VvB ist oder wenn sie im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Grundrechtsausübung führt (Beschluss vom 19. Juni 2013 - VerfGH 174/11 - Rn. 11; st. Rspr.).

b) Gemessen daran ist die Gewährung von Akteneinsicht durch das Amtsgericht Tiergarten von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der Verfassungsgerichtshof kann offenlassen, ob der Beschluss des Amtsgerichts vom 18. September 2018 bei isolierter Betrachtung den Anforderungen der Verfassung von Berlin an die Ermittlung des Sachverhalts und die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts - hier: insbesondere des § 406e Abs. 1 und 2 StPO - entspricht. Denn das Amtsgericht hat in seinem auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers hin erlassenen Beschluss vom 24. Oktober 2018 nicht allein über die Anhörungsrüge entschieden. Vielmehr hat es seinen Beschluss auch in der Sache erneut geprüft und ihn hinsichtlich des Beteiligten zu 4 aufgrund Nachholung rechtlichen Gehörs für gegenstandslos erklärt. Hinsichtlich des Beteiligten zu 3 hat er die Nachholung rechtlichen Gehörs zwar abgelehnt, den Beschluss aber mit einer zusätzlichen Begründung versehen, die bei der verfassungsrechtlichen Prüfung zu berücksichtigen ist.

Bei der Entscheidung darüber, ob einem Rechtsanwalt in einem Strafverfahren gemäß § 406e Abs. 1 StPO Akteneinsicht für einen - vermeintlich - Geschädigten zu gewähren ist, haben die Fachgerichte zu prüfen, ob es sich bei dem Mandanten um einen „Verletzten“ im Sinne der Vorschrift handelt, ob ein berechtigtes Interesse dargelegt ist und entgegenstehende Interessen von Beschuldigten diese Interessen nicht überwiegen.Zu den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten zählt auch sein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2006 - 2 BvR 2388/06 - NJW 2007, 1052, 1053). Einer Akteneinsicht steht dieses Interesse allerdings nur dann entgegen, wenn es das Informationsinteresse des Verletzten überwiegt. Daher hat die über die Akteneinsicht entscheidende Stelle die gegenläufigen Interessen von Verletztem und Beschuldigten gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall der Vorrang gebührt (BVerfG a. a. O.).

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Amtsgerichts, Akteneinsicht an den Beteiligten zu 3 zu gewähren, gerecht.

aa) Hinsichtlich der Verletzteneigenschaft als Voraussetzung einer Akteneinsicht gemäß § 406e Abs. 1 StPO führt das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2018 (dort Seiten 3 f.) nachvollziehbar aus, warum es den Beteiligten zu 3 für einen möglichen Verletzten sowohl einer Untreue gemäß § 266 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) als auch eines Parteiverrats gemäß § 356 StGB hält. Diese Ausführungen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Vorzugswürdig oder gar zwingend muss die rechtliche Würdigung der Fachgerichte unter Zugrundelegung des eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs nicht sein. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch in Rechnung gestellt, dass das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2018 hinsichtlich der Verletzteneigenschaft zwischen den Beteiligten zu 3 und zu 4 differenziert und letzteren nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mehr als Verletzten ansieht. Auch dadurch macht das Amtsgericht deutlich, dass es die Beweislage geprüft und sie seiner eigenen rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat.

bb) Bereits in seinem Beschluss vom 18. September 2018 hatte das Amtsgericht zudem ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum es hinsichtlich der Beteiligten zu 3 und 4 von einem berechtigten Interesse an der Akteneinsicht ausgeht, das die Interessen des Beschwerdeführers überwiege. Dagegen ist jedenfalls angesichts des eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs nichts zu erinnern. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass das Amtsgericht Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 33 VvB grundsätzlich verkannt hat oder bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen zu nicht mehr erklärlichen Ergebnissen gekommen ist. Denn das Amtsgericht führt insoweit aus, zu den durch § 406e Abs. 2 Satz 1 StPO geschützten Interessen des Beschuldigten zähle gerade auch sein verfassungsrechtlich verbürgtes Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten. Die Gewährung von Einsicht in die Strafakten, durch die personenbezogene Daten Dritten zugänglich gemacht würden, stelle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie in das Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten nach Art. 33 VvB dar. Die Auslegung und Anwendung des § 406e StPO habe sich daher an diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben zu orientieren. Bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht seien die gegenläufigen Interessen gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, welches Interesse im Einzelfall schwerer wiegt. Diesen - zutreffenden - Maßstab legt das Amtsgericht sodann seiner Abwägung im Einzelfall auch tatsächlich zugrunde, wobei es u. a. auf die Art der personenbezogenen Daten verweist, die nicht dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen seien. Mehr ist von Verfassungs wegen nicht zu verlangen.

Dabei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Akteneinsicht nicht unmittelbar durch den vermeintlichen Geschädigten genommen wird, sondern durch einen beauftragten Rechtsanwalt. Dieser steht als Organ der Rechtspflege in der Pflicht, seinem Mandanten nur diejenigen Auskünfte zukommen zu lassen, die zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Beschwerdeführer dringend erforderlich sind. Dies mildert den Eingriff in grundrechtlich geschützte Interessen des Beschwerdeführers weiter (vgl. BVerfG a. a. O. S. 1053).

3. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 17 VvB). Denn insoweit fehlt es ihnen bereits an einem hinreichenden Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers. Art. 17 VvB entfaltet - ebenso wie Art. 12 Abs. 1 GG - seine Schutzwirkung nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 129, 208 <266 f.>). Dies ist bei den Ermittlungsmaßnahmen ermöglichenden Eingriffsnormen der Strafprozessordnung genauso wenig der Fall wie bei Normen, die die grundsätzliche Pflicht des Bürgers zur Mitwirkung im Strafverfahren gegen eine andere Person einschränken. Derartige Regelungen richten sich an jedermann, ohne zu fragen, ob und gegebenenfalls welchen Beruf er ausübt (vgl. BVerfGE a. a. O.). Nichts anderes gilt für Regelungen über die Akteneinsicht zugunsten Verletzter: Auch diese betreffen Beschuldigte nicht spezifisch oder zielgerichtet, sondern nur zufällig in ihrer beruflichen Tätigkeit. Gleiches gilt auch für die Anwendung solcher Regelungen durch die Fachgerichte im Einzelfall. Ebenso liegt es im konkreten Fall: Der Beschwerdeführer war als Rechtsanwalt ohnehin gehalten, die - teils durchaus berufsspezifischen - Anforderungen des materiellen Strafrechts zu beachten. Die Gewährung einer Akteneinsicht in ein Verfahren, dessen Gegenstand mögliche Verstöße gegen diese strafrechtlichen Vorgaben ist, mag zwar einzelne Aspekte der beruflichen Tätigkeit Dritten gegenüber offenbaren. Sie entfaltet aber keine zusätzliche Regelungswirkung auf die Berufsausübung des Beschwerdeführers.

III.

Die Kostenentscheidungberuht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgeschlossen.

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