Sozialgericht Würzburg Gerichtsbescheid, 23. Mai 2016 - S 13 U 57/16

published on 23/05/2016 00:00
Sozialgericht Würzburg Gerichtsbescheid, 23. Mai 2016 - S 13 U 57/16
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 3101 in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie eine entsprechende Entschädigung im Wege eines Zugunstenbescheides.

Die Klägerin war als Erzieherin im Zeitraum vom 19.01.1999 bis 13.04.1999 im Kindergarten C. in C-Stadt im Rahmen eines Anerkennungsjahres als Erzieherin tätig. Im Mai 1999 klagte die Klägerin über erhöhte Temperatur, Nackensteifigkeit und Kopfschmerzen. Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 28. bis 30.07.1999 wurde daraufhin in der Klinik Hohewarte eine Meningitis diagnostiziert.

Mit Schreiben vom 10.01.2011 beantragte die Klägerin die Anerkennung und die Entschädigung der Meningitis-Erkrankung als Berufskrankheit.

Mit Bescheid vom 20.03.2012 wurde durch die Beklagte die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) abgelehnt, da kein Nachweis bestehe, dass sich die Klägerin tatsächlich durch ihre berufliche Tätigkeit infiziert habe; insbesondere liege keine Meldung einer entsprechenden Erkrankung dem zuständigen Gesundheitsamt vor. Der dagegen mit Schreiben vom 17.04.2012 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2012 zurückgewiesen, woran sich ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 11 U 105/12 vor dem Sozialgericht in Bayreuth anschloss; dieses Verfahren endete durch klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 30.07.2014, wogegen durch die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht Würzburg unter dem Aktenzeichen L 17 U 339/14 eingelegt wurde. In einem Erörterungstermin am 22.04.2015 berichtete in diesem Zusammenhang die ehemalige Leiterin des Kindergartens als Zeugin, dass sie sich nicht an eine Polio- oder Meningitiserkrankung in der Zeit von Ende 1998 bis Mitte 1999 erinnern könne. Daraufhin nahm die Klägerin die Berufung zurück.

Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 23.04.2015 gegenüber dem Bayerischen Landessozialgericht erfolglos versucht hatte, das Verfahren vor dem Landessozialgericht weiter zu betreiben, stellte sie mit Schreiben vom 26.06.2015 einen Antrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bei der Beklagten; begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Zeugin im Ergebnis falsch ausgesagt habe.

Mit Bescheid vom 01.12.2015 wies die Beklagte daraufhin den Antrag gemäß § 44 SGB X ab, wogegen die Klägerin unter dem 09.12.2015 Widerspruch einlegte. Mit Schreiben vom 13.01.2016 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth mit dem Ziel der Gewährung einer Unfallrente durch die Beklagte ab April 1999. Diese Klage wurde an das Sozialgericht Würzburg per Verweisungsbeschluss vom 11.02.2016 verwiesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch vom 09.02.2015 durch Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016 zurück.

Eine mit Schreiben vom 02.03.2016 daraufhin zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage, welche unter dem Aktenzeichen S 13 U 55/16 geführt wurde, wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Die Klägerin begehrt sinngemäß, unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2016 die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 20.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2012 aufzuheben und bei der Klägerin eine Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen sowie diese entsprechend zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, auf den Inhalt der Beklagtenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die nunmehr zulässige Klage ist unbegründet.

Der ursprüngliche Bescheid vom 20.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2012 ist rechtmäßig, so dass die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 01.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2016 es abgelehnt hat, diese Bescheide entsprechend zurückzunehmen.

Zur Begründung wird zunächst gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016 verwiesen. Ergänzend ist auszuführen, dass gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass beim Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

§ 44 SGB X ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte, die gemäß § 77 SGG von allen Beteiligten zu beachten ist. Die Bindungswirkung ist aber mit einer Rechtskraft des Urteils vergleichbar (BSG vom 03.02.1998, Az.: 9/9a RV 18/86). Ähnlich wie bei der Wiederaufnahme eines Rechtsstreites nach den jeweiligen Prozessordnungen kann eine erneute Sachprüfung jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen stattfinden.

Das BSG hat für die Überprüfung eines Antrages auf eine „Zugunstenentscheidung“ nach § 44 SGB X ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt (BSG a. a. O.) Der Umfang der durch einen Zugunstenbescheid veranlassten Überprüfung hängt dabei vor allem vom Vorbringen des Versicherten ab. Ist ein Überprüfungsantrag nicht substantiiert und ist die frühere Entscheidung nicht ersichtlich unrichtig, darf sich die Verwaltung (im Klageverfahren das Gericht) mit entsprechender Begründung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung des Ausgangsbescheides berufen (Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Nr. 34).

Nach dem Prüfungsschema des BSG ist somit zu berücksichtigen, ob der Antragsteller überhaupt neue Tatsachen oder Erkenntnisse und Beweismittel benannt hat, die für eine Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnten. Ist dies nicht der Fall, kann die Verwaltung in der Berufung auf die Bindungswirkung des Verwaltungsaktes gemäß § 77 SGG ohne neue Sachprüfung eine erneute Überprüfung ablehnen mit der Folge, dass die Überprüfung eines dagegen erhobenen Widerspruchs sowie eine Klage auf die obige Fragestellung beschränkt ist.

Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 44 SGB X hat die Klägerin überhaupt nichts vorgetragen. Es wurden weder neue Tatsachen noch Erkenntnisse vorgetragen noch neue Beweismittel benannt. Die Klägerin beschäftigt sich ausschließlich mit der Aussage der Zeugin im Verfahren L 17 U 339/14. Tatsachen, wonach diese Zeugenaussage angeblich nicht richtig ist wurden von der Klägerin jedoch weder vorgelegt noch entsprechend benannt, so dass das Gericht diese Beweismittel hätte beiziehen könnte. Stattdessen beschäftigt sich die Klägerin lediglich mit der Frage, ob die Aussage der Zeugin glaubhaft war oder nicht. Dies sind jedoch keine neuen Tatsachen im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Im Übrigen versteigt sich die Klägerin in Mutmaßungen und Anschuldigungen, die zur Klärung des Sachverhaltes in keinster Weise geeignet sind.

Da somit die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht erfüllt sind, ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Annotations

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.