Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Merkzeichen „aG“ und „RF“.
Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 7.07.2015 einen Grad der Behinderung ab 14.07.2014 mit einem GdB von 90 fest. Außerdem erfülle die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 12.06.2017 beim Beklagten die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ und fügte ihrem Antrag ärztliche Unterlagen bei.
Mit Bescheid vom 8.08.2017 lehnte der Beklagte die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF ab.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, dass der Bescheid juristisch und medizinisch nicht begründet sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2017 hat der Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Nach versorgungsärztlicher Beurteilung sei die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen mit Hilfe einer Begleitperson möglich und zumutbar. Die Befunde seien nicht ausreichend, um die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ zu belegen.
Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg und trägt vor, sie sei nicht in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Sie trägt vor, der Beklagte lege § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zu ihren Ungunsten aus. Diese Entscheidung gehe an ihrem gesundheitlichen Befund vorbei. Die Nebenwirkungen beim Besuch von Veranstaltungen könnten auch nicht von einer Begleitperson aufgefangen werden.
Nach Einholung von ärztlichen Unterlagen wurde ein Gutachten bei Dr. C. in Auftrag gegeben. Der Sachverständige erläutert in seinem Gutachten vom 6.04.2018, die Klägerin fühle sich weder psychisch noch physisch in der Lage, außerhalb des häuslichen Umfeldes auch nur irgendwelche Aktivitäten auszuüben, außer Einkäufen, Arztbesuchen und Physiotherapie.
Gesundheitliche Einschränkungen, welche aus medizinischen Gründen die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach sich ziehen könnten, seien anhand der ärztlichen Unterlagen nicht festzustellen.
Mit Schreiben vom 19.04.2018 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich gehalten werden und beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Beklagte hat sein Einverständnis durch Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt. Die Klägerin hat vorgetragen, sie erfülle die für die Befreiung von der Rundfunkgebühr vom Gesetzgeber geforderten Kriterien. Sie sei gesetzlich krankenversichert und müsse sich zulasten der Solidargemeinschaft einen Rollstuhl verschreiben lassen. Dabei würden ihr die Ärzte immer raten, sich immer wieder zu bewegen. Sie habe sich mit viel Kraft aus einem Rollstuhl gekämpft, und wolle sich jetzt nicht darauf verweisen lassen, sie könne ja in einem Rollstuhl Veranstaltungen besuchen.
Die Klägerin beantragt,
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1.Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen „aG“ und „RF“ auszustellen.
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2.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Gerichtsakten S 16 SB 141/15ER und S 16 SB 144/15 sowie auf die vom Beklagten beigezogene Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.
Der vorliegende Rechtsstreit konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört.
Die Klage ist teilweise zulässig, aber nicht begründet.
Die Klage auf Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ ist unzulässig.
Streitgegenständlich kann hier nur die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ zu bewerten sein. Im angegriffenen Bescheid hat der Beklagte nur über den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung dieses Merkzeichens „RF“ entschieden. Eine Verwaltungsentscheidung hinsichtlich des im Klageverfahren zusätzlich beantragten Merkzeichens „aG“ liegt nicht vor, so dass der Antrag auf Zuerkennung eines Merkzeichens „aG“ in diesem Verfahren mangels Verwaltungsentscheidung nicht zulässig ist.
Die Klage hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens RF.
Nach §§ 4,6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages können behinderte Menschen unter bestimmten gesundheitliche Voraussetzungen, deren Vorliegen im Ausweis durch das Merkzeichen „RF“ gekennzeichnet wird, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit bzw. diese ermäßigt werden. Nach dem Gesetz können nur noch taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe auf Antrag von der Beitragspflicht befreit werden.
Eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages kann auf Antrag für folgende Personen erfolgen:
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1.Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte mit einem GTB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung,
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2.Hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist
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3.Behinderte Menschen, dem Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Der Befreiungstatbestand der zuletzt genannten Möglichkeit setzt kumulativ neben einem GdB von mindestens 80 voraus, dass der Behinderte wegen seiner Leiden ständig, das heißt im Allgemeinen und umfassend, von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist. Es genügt nicht, dass er nur an einzelne Veranstaltungen, etwa Massenveranstaltungen, nicht teilnehmen kann. Vielmehr muss er praktisch an das Haus bzw. an die Wohnung gebunden sein. Maßgeblich ist dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson. Wenn der Teilnahmeausschluss nicht behinderungsbedingt, sondern durch andere Umstände verursacht ist, kann dies nicht die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ begründen (vergleiche Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.11.2014, Az.: L 15 SB 63/14 - juris).
Nach den ärztlichen Unterlagen und auch den Ausführungen im Sachverständigengutachten von Dr. C. sind auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ nicht erfüllt. Es deutet nichts darauf hin, dass die Klägerin durch die vorliegenden Erkrankungen faktisch an Ihre Wohnung gebunden ist. Auch bei der Gesamtschau der bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergeben sich aus Sicht des Gerichts vorliegend nicht die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“.
Das Merkzeichen „RF“ verlangt einen allgemeinen und umfassenden Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen. Das Merkzeichen steht nur bei Vorliegen der oben aufgezeigten Gesundheitsstörungen zu, wenn sie einen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen nach sich ziehen. Dass die Klägerin mit einer Begleitperson und unter Zuhilfenahme von weiteren Hilfsmitteln, z.B. einem Rollstuhl, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könnte, hat auch der Sachverständige schlüssig dargelegt. Die Klägerin selbst führt auch aus, dass es ihr möglich ist, zu Einkäufen, Arztbesuchen und Physiotherapien die Wohnung zu verlassen. Sie selbst führt aus, dass ihre Leistungsfähigkeit mit Begleitperson auf maximal 3 Stunden außerhalb der Wohnung begrenzt sei. Damit besteht hier kein Ausschluss an der Teilnahme von öffentlichen Veranstaltungen unter Zuhilfenahme von Begleitperson und/oder Hilfsmitteln.
Wenn die Klägerin darlegt, dass sie lange gebraucht habe, um ohne Rollstuhl zurechtzukommen, und dass sie deshalb keinen Rollstuhl benutzen wolle, sind dies zwar nachvollziehbare subjektive Gründe. Es sind diese Gründe aber nicht gleichzusetzen damit, dass hier faktisch objektiv ein Ausschluss an der Möglichkeit der Teilnahme von Veranstaltungen besteht. Das angestrebte Merkzeichen kann nicht als Kompensation dafür gedacht sein, dass andere Sozialleistungsträger ansonsten einen Rollstuhl bezahlen müssten oder man sich aus anderen subjektiven Gründen nicht mithilfe eines Rollstuhles fortbewegen will. Hier ist zu bewerten, ob der Klägerin unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen objektiv möglich wäre. Dies ist aus Sicht des Gerichts nach den ärztlichen Unterlagen, den Aussagen der Klägerin selbst und auch dem Sachverständigengutachten von Dr. C. anzunehmen. Dass die Klägerin dies subjektiv nicht möchte, kann nicht aus objektivierbaren Gründen zu einem Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ führen. Dafür sind Merkzeichen nicht gedacht.
Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.