Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollziehung von Honorarrückforderungen.
4Der am 00.00.1985 geborene, aus H1 stammende Antragsteller schloss am 10.10.2012 mit der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) L1, ZA H2, ZÄ H3, ZA P, PG E, PG T1 ("PAR AIXELLENCE"), vertreten durch L1, einen bis zum 30.05.2013 befristeten Arbeitsvertrag, nach welchem er am 01.12.2012 als Entlastungsassistent in die Dienste der Praxis trete.
5Mit Beschluss vom 20.03.2013 ließ der Zulassungsausschuss-Zahnärzte für den Bezirk Nordrhein den Antragsteller für den Vertragszahnarztsitz T2straße 00, 00000 B-G, zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zu. Mit Beschlüssen vom selben Tage genehmigte der Zulassungsausschuss mit Wirkung vom 01.04.2013 den Antrag des Vertragszahnarztes P auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes von der Kstraße 00, 00000 B, in die T3straße 00, 00000 T4, sowie die gemeinsame Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit der Zahnärzte/Zahnärztinnen L1, ZA P, T1, ZÄ H3, ZÄ O, des Antragstellers, I und ZÄ J in Form einer üBAG an den Vertragszahnarztsitzen
6Kstraße 00, 00000 B-Mplatz T2straße 00, 00000 B-G und T3straße 00, 00000 T4-B.
7Grundlage hierfür war der mit Datum vom 31.01.2013 geschlossene Sozietätsvertrag.
8Als Stammsitz hätten die Zahnärzte die Praxisanschrift Kstraße 00, 00000 B gewählt.
9Der Zahnarzt L1 werde seine vertragszahnärztliche Tätigkeit hauptsächlich an seinem Vertragszahnarztsitz in der Kstr. 00 in B ausüben. Darüber hinaus werde er für 13 Stunden in T4, T3str. 28 tätig.
10Der Zahnarzt P werde seine vertragszahnärztliche Tätigkeit ausschließlich an seinem Vertragszahnarztsitz in T4, T3str. 00 ausüben.
11Der Zahnarzt T1 werde seine vertragszahnärztliche Tätigkeit hauptsächlich an seinem Vertragszahnarztsitz in der Kstr. 00 in B ausüben. Darüber hinaus werde er für 13 Stunden in der T2str. 00 in B-G tätig.
12Die Zahnärztin H3 werde ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit hauptsächlich an ihrem Vertragszahnarztsitz in der T2str. 00 in B ausüben. Darüber hinaus werde sie für 13 Stunden am Stammsitz in der Kstr. 00 in B tätig.
13Die Zahnärztin O werde ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit hauptsächlich an ihrem Vertragszahnarztsitz in der T2str. 00 in B ausüben. Darüber hinaus werde sie für 13 Stunden in der T2str. 00 in B-G tätig.
14Der Zahnarzt Q werde seine vertragszahnärztliche Tätigkeit ausschließlich an seinem Vertragszahnarztsitz in der der T2str. 00 in B ausüben.
15Die Zahnärztinnen I und J würden ihre vertragszahnärztlichen Tätigkeiten ausschließlich an ihrem Vertragszahnarztsitz in der Kstr. 00 in B - Mplatz ausüben.
16Nach Ausscheiden der Zahnärztinnen O (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.11.2013), I (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 25.06.2014), J (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.09.2014), H3 (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.01.2015) schied auch der Antragsteller nach Verzicht auf seine Zulassung mit Ablauf des 30.06.2015 aus der üBAG aus. Diese wird ab dem 01.07.2015 von den L1, T1 und ZA P mit den Praxissitzen Kstraße 00, B, und T3straße 00, T4, fortgeführt (Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 17.06.2015).
17Mit Beschluss vom 21.10.2015 ließ der Zulassungsausschuss den Antragsteller für den Vertragszahnarztsitz B2gasse 0, 00000 L2-B3 O-T5 zu. Dort ist der Antragsteller seit dem 01.11.2015 in Einzelpraxis niedergelassen.
18Mit mehreren Bescheiden vom 28.07.2015 hob die Antragsgegnerin die der ehemaligen BAG erteilten Honorarbescheide für die Quartale II/2013 bis I/2014 (Abrechnungs-Nr. 80129), I/2014 und II/2014 (Abrechnungs-Nr. 80136), III/2014 (Abrechnungs-Nr. 80141) und IV/2014 (Abrechnungs-Nr. 80146) auf: ZA P sei nach ihren Feststellungen an seinem Vertragszahnarztsitz T4-B1, T3straße 00, zu keinem Zeitpunkt tatsächlich tätig gewesen. Dort sei auch kein anderer Zahnarzt zugelassen gewesen. Die Voraussetzungen für die Erbringung und Abrechnung von Leistungen an diesem Vertragszahnarztsitz seien daher nicht gegeben gewesen. Gleichwohl habe der Antragsteller als Mitglied der BAG Leistungen abgerechnet, die an diesem Vertragszahnarztsitz von anderen, ggf. angestellten Zahnärzten oder von Assistenten, erbracht worden seien. Die Abrechnung der BAG, die weder nach teilnehmenden Vertragszahnärzten noch nach den Vertragszahnarztsitzen differenziert sei, sei von daher in ihrer Gesamtheit fehlerhaft gewesen.
19Mit weiteren - an alle Mitglieder der ehemaligen BAG gerichteten - Bescheiden vom 16.09.2015 setzte die Antragsgegnerin gegenüber der ehemaligen BAG Honorarrückforderungen für die Quartale II/2013 bis I/2014 (Abrechnungs-Nr. 80129) in Höhe von 126.985,35 EUR, I/2014 und II/2014 (Abrechnungs-Nr. 80136) in Höhe von 90.944,93 EUR, III/2014 (Abrechnungs-Nr. 80141) in Höhe von 92.617,88 EUR und IV/2014 (Abrechnungs-Nr. 80146) in Höhe von 84.611,02 EUR fest. Zurückgefordert wurde jeweils ein fiktiver pro-Kopf-Anteil von Herrn P und damit ein - von der jeweiligen Anzahl der BAG-Mitglieder abhängiger - Bruchteil der in den betroffenen Quartalen abgerechneten Honorare, da Herr P an dem Standort der üBAG in T4-B1, T3straße 00, als alleiniger zugelassener Vertragszahnarzt seit dem 01.04.2013 seine Tätigkeit nicht ausgeübt habe.
20Soweit die in Anspruch genommenen Vertragszahnärzte aus der üBAG ausgeschieden und nunmehr in Einzelpraxis niedergelassen sind, vollzieht die Antragsgegnerin nach einem Beschluss ihres Vorstandes die Honorarrückforderungen ab dem 01.10.2015 durch Aufrechnung gegen laufende Honorare bzw. Kostenerstattungsansprüche (Zahnersatz und Kieferorthopädie) in Höhe von 30 % der Auszahlungsansprüche. Auf dieser Grundlage behielt sie auch von dem Antragsteller von dessen KCH-Abschlägen Beträge in Höhe von 351,- EUR (November 2015) und 2.914,41 EUR (Dezember 2015) ein.
21Sowohl gegen die Honoraraufhebungsbescheide vom 28.07.2015 als auch gegen die Honorarrückforderungsbescheide vom 15.09.2015 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Hierüber ist gegenwärtig noch nicht entschieden.
22Am 30.10.2015 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Aachen die Aussetzung der Vollziehung der Honorarrückforderungsbescheide beantragt. Mit Beschluss vom 24.11.2015 - S 7 KA 6/15 ER - hat das Gericht den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
23Der Antragsteller trägt vor, er sei von den L1 und T1 am 31.01.2013 zum Abschluss des Gründungsvertrages einer üBAG überrumpelt worden. Tatsächlich sei er weiter lediglich Angestellter des L1 gewesen. Er habe ein festes Gehalt erhalten (bis 31.03.2013: 3.000,- EUR, ab 01.04.2013: 3.578,25 EUR, ab November 2014: 4.500,- EUR), eine 40-Stunden-Woche mit festen Arbeitszeiten gehabt, ihm sei ein Urlaub von 24 Tagen gewährt worden, Gesellschafterversammlungen seien nicht durchgeführt worden, er habe niemals Kenntnisse der Umsatz-, Kosten- oder Gewinnsituation der BAG gehabt, er habe im Bereich der Geschäftsführung und Vertretung keine konkreten Befugnisse oder Vollmachten gehabt, eine vertraglich vereinbarte Zuweisung eines 3 %-igen Anteils an seinem eigenen Umsatz sei nie konkret abgerechnet worden. Richtiger Adressat der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide seien allein L1 und die tatsächlichen Sozien der Gesellschaft, welche die Praxis tatsächlich geführt hätten.
24Der Antragsteller beantragt,
25die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Honorarrückforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15.09.2015 zur Abrechnungsnummer 80129 in Höhe von 126.985,35 EUR für die Quartale II/2013 bis einschließlich I/2014 sowie gegen den Honorarrückforderungsbescheid vom 15.09.2015 zur Abrechnungsnummer 80136 für die Quartale I/2014 und II/2014 in Höhe von 90.944,93 EUR sowie gegen den Honorarrückforderungsbescheid vom 15.09.2015 zur Abrechnungsnummer 80141 für das Quartal III/2014 in Höhe von 92.617,88 EUR sowie gegen den Honorarrückforderungsbescheid zur Abrechnungsnummer 80146 für das Quartal IV/2014 in Höhe von 84.611,02 EUR anzuordnen.
26Die Antragsgegnerin beantragt,
27den Antrag zurückzuweisen.
28Sie verteidigt ihre Bescheide und Vollziehungsmaßnahmen und sieht ihr Recht zu weitergehenden sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aufgrund der von dem Antragsteller vorgetragenen unselbständigen Ausübung seiner zahnärztlichen Tätigkeit als nicht verbraucht an.
29II.
30Das Gesuch um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war zurückzuweisen.
31Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag besteht. Zwar wäre vorrangig bei der Antragsgegnerin ein Antrag nach § 86 a Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen gewesen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER - m.w.N.). Angesichts des bisherigen Verfahrensablaufs und der gegenläufigen Interessen der Beteiligten wäre ein solcher Antrag jedoch erkennbar aussichtslos geblieben. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen bzw. wiederherstellen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach 85 Abs. 4 Satz 9 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) hat die Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Bescheide über die Honorarfestsetzung sind neben der vorläufigen und endgültigen Honorarfestsetzung auch die sachlich-rechnerische Richtigstellung und die hierauf fußende Honorarrückforderung einschließlich der Verrechnung solcher Forderungen mit dem Honoraranspruch (LSG NRW, Beschluss vom 17.03.2010 - L 11 B 25/09 KA ER -).
32Bei den Entscheidungen nach § 86 b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Darüber hinaus ist das aus den Regelungen des § 86 a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten: In den Fallgruppen des § 86 a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGG ist maßgebend, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (LSG NRW, Beschluss vom 06.05.2015 - L 11 KA 10/14 B ER -m.w.N.).
33Bei summarischer Prüfung sind die angefochtenen Rückforderungsbescheide als rechtmäßig zu bewerten.
34Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V. Danach stellt die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die (zahn)arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertrags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, d.h. im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen und satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertrags(zahn)arztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht und abgerechnet worden sind (BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 6 KA 20/13 R - m.w.N.).
35Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-) Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R -).
36Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung der ehemaligen üBAG sind vorliegend erfüllt.
37Mit Beschlüssen vom 20.03.2013 hatte der Zulassungsausschuss mit Wirkung vom 01.04.2013 den Antrag des Vertragszahnarztes P auf Verlegung seines Vertragszahnarztsitzes von der Kstraße 00, 00000 B, in die T3straße 00, 00000 T4, sowie die gemeinsame Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit der Zahnärzte/Zahnärztinnen L1, ZA P, T1, ZÄ H3, ZÄ O2, des Antragstellers, I und ZÄ J in Form einer üBAG an den Vertragszahnarztsitzen
38Kstraße 00, 00000 B-Mplatz T2straße 00, 00000 B-G und T3straße 00, 00000 T4-B2
39genehmigt. Diese Entscheidung zum Status der Zahnarztpraxis entfaltet grundsätzlich Bindungswirkung auch gegenüber allen dritten vertragszahnärztlichen Institutionen (BSG, Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 49/12 R -). Von dieser Drittbindungswirkung besteht eine Ausnahme nur für den Fall, dass - wie im vorliegenden Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung - allein das Rechtsverhältnis zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und ihrem Mitglied betroffen ist; in diesem rein dualen Verhältnis kann die Frage, ob die Kriterien einer üBAG wirklich erfüllt waren, erneut zur Überprüfung gestellt werden (BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 13/11 R -). Dazu gehört auch die Prüfung, ob die üBAG tatsächlich überhaupt realisiert wurde (BSG, Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 44/13 R -). Soweit die üBAG gegenüber der Antragsgegnerin Leistungen abgerechnet hat, die an einem Vertragszahnarztsitz erbracht worden sind, der faktisch über keinen dort zugelassenen Leistungserbringer verfügt, schützt der formalrechtliche Zulassungsstatus des ZA P ebenso wenig vor Honorarrückforderungen wie die Angabe im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 20.03.2013, der Zahnarzt L1 werde neben seiner hauptsächlichen vertragszahnärztlichen Tätigkeit in der Kstr. 00 in B für 13 Stunden in T4, T3str. 00, tätig werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 25/14 R - zum MVZ).
40Alleiniges Mitglied der üBAG mit Zulassung am Vertragszahnarztsitz T3straße 00, 00000 T4-B, war ZA P, nachdem der Zulassungsausschuss ihm mit Beschluss vom 20.03.2013 die Verlegung seines Vertragsarztsitzes von der Kstraße, 00000 B, in die T3straße 00, 00000 T4, genehmigt hatte. An diesem Vertragszahnarztsitz ist ZA P nach den Feststellungen der Antragsgegnerin faktisch nie tätig gewesen. Diese Feststellung ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden und wird auch weder von dem Antragsteller noch von den anderen Zahnärzten der ehemaligen üBAG bestritten. Nach Auskunft aus dem Melderegister der Städteregion B wurde Herr P zum 31.12.2011 ohne nähere Angaben nach Schweden abgemeldet. Fehlt es daher in T4 an der Existenz des dort einzig zugelassenen Vertragszahnarztes, berechtigt die Leistungserbringung an diesem Vertragszahnarztsitz durch andere Mitglieder der üBAG oder durch angestellte Zahnärzte oder Assistenten nicht zur Abrechnung, auch wenn sie sich zeitlich im Rahmen des § 6 Abs. 8 BMV-Z bzw. § 8 a Abs. 3 EKV-Z hält.
41Die Antragsgegnerin war auch befugt, die Rückforderung gegenüber dem Antragsteller geltend zu machen. Regressfestsetzungen, Honorarrückforderungen und -kürzungen kommen sowohl gegen eine BAG als auch gegen deren Mitglieder in Betracht (BSG, Urteil vom 08.12.2010 - B 6 KA 38/09 R -). Das einzelne Mitglied ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die BAG. Bei Inanspruchnahme mehrerer Mitglieder haften diese als Gesamtschuldner (BSG, Urteil vom 03.02.2010 - B 6 KA 37/08 R -).
42Sein Einwand, er sei zum Abschluss des üBAG-Gründungsvertrages überrumpelt worden und faktisch weiterhin Angestellter des L1 gewesen, entlastet den Antragsteller nicht von den hier streitigen Rückforderungsansprüchen gegen ihn. Nach § 6 Abs. 7 BMV-Z, § 8 a Abs. 2 EKV-Z ist dem Zulassungsausschuss zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens von den beteiligten Vertragszahnärzten der schriftliche Gesellschaftsvertrag der BAG vorzulegen. Der Zulassungsausschuss hat auf dieser Grundlage zu prüfen, ob eine gemeinsame Berufsausübung oder lediglich ein Angestelltenverhältnis bzw. eine gemeinsame Nutzung von Personal und Sachmitteln vorliegt. Mit bestandskräftigen Beschlüssen vom 20.03.2013 hatte der Zulassungsausschuss nach Prüfung des Gesellschaftsvertrages dem Antragsteller die vertragszahnärztliche Zulassung erteilt und die üBAG genehmigt. Damit ist die vom Zulassungsausschuss getroffene Statusentscheidung für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Inwieweit die Antragsgegnerin zu weitergehenden Honorarrückforderungen aufgrund des von dem Antragsteller vorgetragenen faktischen Anstellungsverhältnisses berechtigt ist, wie sie in ihrer Antragserwiderung angedeutet hat, ist nicht Gegenstand der hier streitbefangenen Bescheide und war daher von der Kammer nicht zu bewerten. Auf die insofern maßgebliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R -) hat sie in den Honoraraufhebungsbescheiden vom 28.07.2015 jedoch bereits deutlich hingewiesen.
43Die individuellen Interessen des Antragstellers überwiegen nicht das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Rückforderung. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber den Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet. Besondere Umstände, hiervon abzuweichen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen; sie sind auch nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin vollzieht die Forderung durch Einbehalt von 30 % der Honorar- und Kostenerstattungsansprüche des Antragstellers. 70 % seiner Ansprüche gelangen daher an ihn zur Auszahlung. Abgemildert wird der Honorareinbehalt zudem dadurch, dass der Antragsteller als Praxisneugründer bzw. Praxisübernehmer in L2 im Rahmen der Honorarverteilung von erhöhten Honorargrenzen profitiert, die dazu beitragen oder ggf. ganz verhindern, dass er wegen Überschreitung der Kontingentgrenzen von Honorarkürzungen betroffen wird (vgl. zur Höhe der vorläufigen Honorargrenzen je Fall für das Kalenderjahr 2016 die Mitteilung der Antragsgegnerin in ihrem Informationsdienst 07/2015, S. 3). Die Gründe für den Sofortvollzug stehen daher insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs und rechtfertigen ohne Weiteres ein Zuwarten des Antragstellers bis zur Bescheidung seiner Widersprüche gegen die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide.
44Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.
(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.
(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.
(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.
(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.
Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.