Sozialgericht Düsseldorf Urteil, 23. Dez. 2015 - S 2 KA 148/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Erhöhung der Fallzahl des qualifikationsgebundenen Zusatzvolumens (QZV) Akupunktur für das Quartal 1/2013.
3Die Klägerin ist eine zum 01.01.2013 gegründete überörtliche orthopädische Berufsausübungsgemeinschaft, zum damaligen Zeitpunkt bestehend aus C1 und L mit Vertragsarztsitz in T und C2 mit Vertragsarztsitz in 00000 C3.
4Gegen den Abrechnungsbescheid vom 23.07.2013 für das Quartal 1/2013 legte die Klägerin mit Schreiben vom 15.08.2013 Widerspruch ein: Um die Versorgung der Patienten von C2 am Standort C3 zu gewährleisten, würden diese von L und C1 mit betreut. In diesem Rahmen erfolgten auch Akupunktur-Behandlungen. Hierdurch sei es zu einer Überschreitung des vorgegebenen QZV gekommen. Dieser sei allein für den Standort T mit zwei KV-Sitzen berechnet worden. Aus diesem Grunde beantrage die Klägerin eine Korrektur des QZV sowie der Abrechnung 1/2013.
5Die Beklagte fasste diesen Widerspruch als Antrag auf Erhöhung/Änderung des Regelleistungsvolumens (RLV) und/oder QZV auf und lehnte diesen durch Bescheid vom 30.10.2013 ab: Der Antrag vom 15.08.2013 sei erst nach Ablauf des Quartals 1/2013 gestellt worden und könne somit gemäß § 6 Abs. 1 HVM keine Berücksichtigung mehr finden. Im Übrigen könne der vorgetragene Sachverhalt nach § 6 Abs. 1 b HVM in keinem Fall zu einer Änderung der Fallzahl zur Berechnung des RLV führen. Deshalb könne dahinstehen, ob die Abrechnungsergebnisse einen Fallzahlanstieg um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal auswiesen.
6Diesem Bescheid widersprach die Klägerin. Die auf § 6 Abs. 1 b HVM gestützte Ablehnung übersehe, dass die Erbringung der Leistungen am Standort C3 zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten dort notwendig sei. C2 habe einen Antrag auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes von C3 zum Vertragsarztsitz T gestellt. Dieser sei mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass die Stadt C3 damit den einzigen orthopädischen Sitz verlieren würde. Es bestehe keine rechtliche Möglichkeit, den Antragsteller zu einer Zweigpraxistätigkeit zu verpflichten. Damit bestehe eine Situation, die dazu berechtige, die praxisbezogenen Fallzahlen auf die aktuelle Fallzahl des Abrechnungsquartals anzuheben. Nach § 6 Abs. 1 a bb HVM rechtfertige die Eröffnung einer Zweigpraxis, die der Sicherstellung diene, eine RLV/QZV-Erhöhung. Zwar sei hier nicht explizit eine Zweigpraxis eröffnet worden, jedoch sei dem Verlegungsantrag aus Sicherstellungsgründen nicht entsprochen worden.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Vergleich der Ablehnung einer Praxissitzverlegung zu der Eröffnung einer Zweigpraxis, die auch der Sicherstellung diene (§ 6 Abs. 1 a bb HVM), treffe nicht zu. Der Antrag auf Verlegung der Praxis von C2 von C3 zum Praxisstandort der C1 und L nach T sei abgelehnt worden, weil die Stadt C3 mit der Verlegung des Sitzes den einzigen orthopädischen Sitz verloren hätte. Am Praxisstandort C3 seien vor Praxisübernahme durch C2 keine Akupunktur-Leistungen durchgeführt worden. Die Ablehnung der Praxisverlegung habe somit nicht ausschließlich die Akupunktur-Leistungen betroffen. Der hier allein zutreffende § 6 Abs. 1 b HVM schließe eine Erhöhung der Fallzahlen zur Berechnung des QZV/RLV aus, wenn eine räumliche oder personelle Umstrukturierung der Praxis erfolge. Die höheren Fallzahlen würden jedoch ab dem Quartal 1/2014 automatisch zur Berechnung des QZV Akupunktur herangezogen werden.
8Hiergegen richtet sich die am 23.04.2014 erhobene Klage.
9Die Klägerin wiederholt und ergänzt ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Gegen den Beschluss des Berufungsausschusses, der dem Sitzverlegungsantrag von C2 von C3 nach T stattgegeben habe, habe die Beklagte Klage erhoben (S 7 KA 2/14 SG Aachen). Durch ihr eigenes Verhalten bestätige die Beklagte daher selbst, dass die Praxis in C3 aus Gründen der Versorgungssituation offensichtlich notwendig sei.
10Die Klägerin beantragt:
111.) Der Bescheid der Beklagten vom 30.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2014 wird aufgehoben.
122.) Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erhöhung/Änderung des Regelleistungsvolumens und /oder Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumens für das Quartal 1/2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.
133.) Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch schon im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie verteidigt ihre Entscheidung.
17Das Verfahren wegen der Sitzverlegung habe keine Auswirkungen auf den vorliegenden Rechtsstreit. Der maßgebliche Härtefallantrag hätte bis zum Ende des Quartals 1/2013 gestellt werden müssen, sei jedoch erst am 15.08.2018 gestellt worden.
18Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erhöhung ihrer QZV-Fallzahl Akupunktur für das Quartal 1/2013.
22Nach § 6 Abs. 1 HVM in der für das Quartal 1/2013 maßgeblichen Fassung können auf Antrag die arzt- und/oder praxisbezogenen Fallzahlen auf die aktuelle Fallzahl des Abrechnungsquartals angehoben werden. Die Antragstellung ist jedoch nur bis zum Ende des Quartals, für das die Härtefallregelung erstmals beantragt wird, zulässig. Vorliegend ist eine als Antrag auf Gewährung einer Härtefallregelung zu verstehende Willenserklärung erstmalig in dem Widerspruchsschreiben vom 15.08.2013 und damit nach Ablauf des Quartals 1/2013 gestellt worden. Insofern brauchte die Beklagte diesen Antrag jedenfalls nicht mehr für das Quartal 1/2013 zu berücksichtigen. Die Anwendung dieser HVM-Regelung ist vorliegend auch nicht zu beanstanden, denn die C1 und L wussten seit Beginn des Quartals 1/2013, dass durch die Akupunktur-Behandlungen der Patienten aus (oder in) C3 ihre QZV-relevanten Fallzahlen steigen würden. C2, bei dem als zum 01.01.2013 neu niedergelassenem Arzt die RLV/QZV-Fallzahlen nachträglich berechnet wurden, erbringt selbst keine Akupunktur-Leistungen. Da den C1 und L durch die RLV/QZV-Zuweisungsbescheide vor Beginn des Quartals 1/2013 ihre Vorjahres-Fallzahlen mitgeteilt worden waren, hätten sie bis zum Ende des Quartals 1/2013 mittels ihrer Praxissoftware feststellen können, dass die Fallzahlen angestiegen waren, und hätten fristgerecht vor Ablauf des Quartals 1/2013 einen Härtefallantrag stellen können. Eine Antragstellung bis zum letzten Tag dieses Quartals hätte ausgereicht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 25/14 R -).
23Bereits deshalb war die Klage abzuweisen. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Klage auch bei fristgerechter Antragstellung in der Sache selbst keinen Erfolg gehabt hätte. Dabei kann es dahinstehen, ob die Beklagte die Bewilligung zu Recht deshalb abgelehnt hat, weil der Grund der Fallzahlerhöhung bei den Akupunktur-Leistungen eine räumliche oder personelle Umstrukturierung der Praxis im Sinne des § 6 Abs. 1 b HVM gewesen war. Ebenfalls ist nicht erheblich, ob ein Fallzahlanstieg um mindestens 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal 1/2012 zu verzeichnen war. Schließlich bedarf es keines Eingehens auf den von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt, ob die Ablehnung einer Verlegung des Vertragsarztsitzes von C3 nach T wertungsmäßig der Eröffnung einer Zweigpraxis gleichsteht. Denn bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 a bb HVM sind insofern nicht erfüllt.
24Nach dieser Regelung kann die Bewilligung (einer Fallzahlanhebung) aus Gründen erfolgen, die im aktuellen Quartal liegen und zu einem Fallzahlanstieg führen, u.a.:
25• Eröffnung einer Zweigpraxis, die nicht nur die Versorgungslage verbessert, sondern der Sicherstellung dient, weil in ihr Leistungen angeboten werden, die ansonsten in zumutbarer Entfernung nicht erbracht werden.
26In 00000 C3 gab und gibt es mehrere Vertragsärzte, die Leistungen der Akupunktur anbieten:
27Q, Facharzt für Allgemeinmedizin N1, Facharzt für Allgemeinmedizin N2, Fachärztin für Allgemeinmedizin M1, Fachärztin für Innere Medizin M2, Facharzt für Nervenheilkunde C4, Fachärztin für Allgemeinmedizin.
28Damit ist die Sicherstellung von Akupunktur-Leistungen hinreichend gegeben (gewesen). Zwar sind die C1 und L die einzigen Fachärzte für Orthopädie, die im Quartal 1/2013 Akupunktur-Behandlungen für Versicherte aus C3 angeboten haben. Bei den Leistungen nach Nrn. 30790 und 30791 EBM handelt es sich jedoch um arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen, die von allen Vertragsärzten mit der Zusatz-Weiterbildung Akupunktur - sofern für sie nicht fachfremd (dazu Sächsisches LSG, Urteil vom 08.07.2015 - L 8 KA 21/13 -) - erbracht werden können. Insofern beschränkt sich das Recht der Versicherten auf freie Arztwahl (§ 76 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)) auf alle Vertragsärzte, welche diese Leistungen zu erbringen berechtigt sind. Das sind alle o.g. Vertragsärzte.
29Die Beklagte hat eine Erhöhung der QZV-Fallzahl Akupunktur damit zu Recht abgelehnt und die Klägerin entsprechend dem sog. "Jahresmoratorium" (dazu BSG, Urteil vom 17.07.2013 - B 6 KA 44/12 R -) zutreffend darauf hingewiesen, dass die höheren Fallzahlen ab dem Quartal 1/2014 automatisch zur Berechnung des QZV Akupunktur herangezogen würden.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dem Begehren der Klägerin im Klageantrag zu 3), die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, war nicht zu entsprechen, weil ihre Klage erfolglos geblieben ist (vgl. VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 16.09.2015 - 3 K 245/15.NW -).
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.