Der Kläger nimmt den Beklagten auf die Gewährung von Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Anspruch.
Am 03.11.2009 erhielt der Antragsteller von den Ärzten Dres. A. C. und B. C. eine lmpfung gegen den Influenza A Virus (H1N1 „Schweinegrippevirus“) mit dem Impfstoff Pandemrix®. Die Impfung mit dem Lot A81CA062A ist im Impfausweis eingetragen und mit einem nicht lesbaren Namenszug abgezeichnet. Der Namenszug stimmt mit der Unterschrift auf dem Befundbericht der Ärzte Dres. C. vom 03.04.2012 überein.
Am 10.11.2009 erlitt der Antragsteller als Folge eines dissoziierenden Prozesses der Arteria carotis interna einen Hirninfarkt.
Ein Antrag auf Versorgung wurde mit Schreiben vom 22.02.2012, eingegangen am 24.02.2012, gestellt. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales zog den Entlassungsbericht des Klinikums D. vom 09.12.2009 bei. Der Kläger habe neben der Dissektion an einer Candida-Pneumonie gelitten. In Entlassungsbericht gleichen Krankenhauses vom 25.02.2010 wird über die Kernspintomographie des Cranium mit Kontrast am 11.11.2009 berichtet. Es seien vorbestehende Gefäßanomalien am Circulus willisii beobachtet wurden. Den beigefügten Laborberichten ist zu entnehmen, dass der Wert für Cholesterin Gesamt am 10.11.2009 199 U/l gegenüber dem Normbereich 20-170 betragen habe. Es wurden weitere Befundberichten und die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. E. und Privatdozent Dr. F. eingeholt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 23.10.2012 abgelehnt.
Der Widerspruch vom 07.11.2012 wurde nach weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 04.02.2013 (Privatdozent Dr. F.) mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2013 zurückgewiesen.
Mit diesem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens zeigt sich der Kläger nicht einverstanden und erhebt am 11.03.2013 Klage zum Sozialgericht Bayreuth. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass es vorliegend mangels Erfassungssystems und unzureichende Impfstoffprüfung vor der Empfehlung keine hinreichenden Studien gegeben haben kann und gegeben hat. Allein die Liste des Paul-Ehrlich-Instituts umfasse 16 UAW-Meldungen „Hirninfarkt“ nach Impfungen, davon allein vier Fälle aufgrund einer Pandemrix®-Impfung. Weder vor noch nach der Impfstoffzulassung könne eine umfassende wissenschaftliche Erfassung und Bewertung der Verdachtsfälle erfolgt sein, weil nur eine Spontanerfassung existiere. Eine Impfreaktion nach sieben Tage stehe absolut noch im zeitlichen Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Impfung. Es habe keine persönliche Befragung zum Beispiel der Ehefrau über den genauen Beginn der postvakzinalen Symptomatik stattgefunden Zum Gutachten von Prof. Dr. G.. und zur Stellungnahme von Dr. H. vom 23.10.2014 merkt der Kläger am 22.12.2014 an, dass der Einschätzung des Gerichts widersprochen werde, dass die Sachaufklärung abgeschlossen sei. Für den Zusammenhang zwischen Impfung und Schlaganfall reiche die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Es komme darauf an, wie der zu beurteilende Mensch habe reagieren können und müssen. Bei der Verabreichung der Impfung sei der Kläger vollkommen gesund gewesen. Die schwerwiegenden Symptome seien sieben Tage nach der Impfung aufgetreten, also in einem durchaus anerkannten Zeitrahmen für Erkrankungen. Dies sei ein gewichtiges Indiz für die Verursachung des Schadens. Sobald der Gutachter auf genetische Anlagen verweise, sei mit dieser pauschalen Aussage nichts über die genetischen Anlage des Klägers und dessen Hang zum Schlaganfall ausgesagt. Niemand in der Familie des Klägers habe jemals einen Schlaganfall erlitten, zwangsweise entsprechende arterielle Probleme gehabt. Der Kläger selbst habe keine entsprechende Krankheitsvorgeschichte. Es hätten nicht einmal Risikofaktoren bestanden. Es bleibe dann die vom Gutachter als mögliche angenommene Verursachung durch das Adjuvanz und der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der verabreichten Impfung und dem eintretende Schlaganfall, woraus sich nach diesseitiger Auffassung die geforderte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als Folge der Impfung ergebe. Der enge zeitliche Zusammenhang und das Fehlen jeglicher Risikofaktoren belege die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch die vorgenommene Impfung. Dies gelte umso mehr, als ein im Wesentlichen ungetesteter Impfstoff eingesetzt werde.
Deutlich führende Gründe, auf die Dr. H. verweise, müssten bekannt gemacht werden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 23.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2013 den Impfschaden des Klägers infolge der Impfung vom 03.11.2009 mit Pandemrix® anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Am 12.09.2014 verweist der Beklagte auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Privatdozent Dr. F. vom 28.08.2014. Im vorliegenden Fall habe sich bei 30 Millionen Impfungen und den Studien, die Herr Prof. Dr. G. in seinem Gutachten zitiert habe, kein Hinweis auf das Auftreten von Dissektionen durch eine Pandemrix® Impfung ergeben. Den theoretischen Überlegungen zur vermehrten Zytokinausschüttung durch das Adjuvanz AS03 sollte auch internistisch betrachtet nachgegangen werden.
Mit Schreiben vom 27.01.2015 legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Privatdozent Dr. F. vom 26.01.2015 vor. Das spontane Auftreten von Gefäßrupturen liege um ein Vielfaches höher als die Meldungen von Ereignissen nach der Impfung. Ein vermehrtes Auftreten von Hirninfarkten nach der Impfung werde nicht berichtet. Gedissektionen seien deshalb nicht in der Literatur über unerwünschte Nebenwirkungen aufgenommen worden, die bei der Kausalitätsbeurteilung zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall zeige sich nach der Impfung mit Pandemrix® in den ersten sieben Tagen vom 03.11.2009 bis zum Hirninfarkt an 10.11.2009 auch keine Impfreaktion, die für eine allergische Reaktion oder eine andere Unverträglichkeit gesprochen hätten. Es bestehe keine Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang der Impfung mit der Gefäßdissektion und dem Schlaganfall.
Das Gericht zog die Schwerbehindertenakten bei und forderte die Krankheitsunterlagen bei der I.-Betriebskrankenkasse an. Während des Aufenthalts im Klinikum D. von 10.11.2009 bis 10.12.2009 wurden unter anderem Erkrankungen ICD E88.0 Störungen des Plasmaproteinenstoffwechsels, andernorts nicht klassifiziert und R63.3 Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung diagnostiziert. Es wurden Krankenblätter des Klinikums D. und Befundberichte der Ärzte Dr. J. und Dr. K. eingeholt.
Auf Anordnung des Gerichts erstattete Prof. Dr. G., Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie unter dem 14.08.2014 ein Gutachten. Bei der Dissektion einer Halsarterie nehmen man strukturelle Defekte der Schlagaderwand an, für die genetische Faktoren eine Rolle zu spielen scheinen.
Der Wirkverstärker AS03 sei auch gegen die Vogelgrippe eingesetzt worden. Etwa 12.000 Menschen seien kontrollierten Studien geimpft worden. Darüber hinaus sei ein sehr ähnliches Adjuvanz in einem seit 1992 zugelassenen Grippeimpfstoff speziell für Menschen über 65 enthalten, der bei mehr als 20 Millionen Menschen eingesetzt worden sei. Die nach der saisonalen Impfung beobachtenden Fälle von Guillian-Barre-Syndrom seien sehr selten, aber statistisch gesichert in einer Frequenz von etwa eins zu 1 Million Geimpfter beobachtet worden. in der medizinischen Literatur seien Einzelfallberichte zu Schlaganfällen nach Impfungen vorhanden, bislang aber kein Beleg für einen gesicherten Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem Auftreten eines Schlaganfalls.
Wenn man die Impfung als alleiniges Ereignis in Erwägung ziehen würde, wäre dabei von einem extrem seltenen Ereignis auszugehen. Eine Kausalität zwischen der Impfung und der Dissoziation der Arteria carotis interna im Sinne eines auslösenden Faktors sei wissenschaftlich nicht belegt, aber theoretisch in Einzelfällen denkbar. Die Häufigkeit der spontanen Dissektion der Arteria carotis interna betrage 2-3 pro 100.000 im Jahr. Es würden Risikofaktoren wie ein Trauma, Manipulationen im Halswirbelsäulenbereich oder anlagebedingte Gefäßerkrankungen genannt. In vielen Fällen lasse sich jedoch die Ursache nicht klären. Auch die Häufigkeit des Auftretens im fünften Lebensjahrzehnt sei typisch für eine spontane Gefäßdissektion, die 30% aller ischämischen Schlaganfälle bei jungen Erwachsenen verursache. Dies entspreche der Altersgruppe des Klägers, bei dem die Dissektion im Alter von 44 Jahren aufgetreten sein. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Dissoziation der Arteria carotis interna mit konsekutivem Schlaganfall sehr wahrscheinlich nicht einer Impfkomplikationen entsprach, da die Kausalität wissenschaftlich nicht belegt ist, wenn auch theoretische Einzelfälle denkbar seien.
Das Gericht holte die sozialmedizinische Stellungnahme des Internisten und Hämatologen Dr. H.. vom 23.10.2014 ein. Dieser stellte fest, dass das Adjuvanz AS03 als Wirkverstärker in Impfstoffen eingesetzt werde. Das Adjuvanz sei im Rahmen der Herstellung eines Impfstoffes gegen die Vogelgrippe eingesetzt worden. Unter Zytokinen versteht man kleine Proteine, die zuständig für das Wachstum und die Differenzierung von Zellen sein. Sie steuerten also auch die Immunantwort. Daraus wird ersichtlich, dass es sich um einen Oberbegriff handle. Eine Unterteilung findet in den Gruppen Interleukin, Interferone, Tumornekrosefaktoren sowie kolonienstimulierende Faktoren statt.
Bei einer Gefäßschädigung dieser Art liege immer ein zytokingesteuerter Prozess vor. Inwieweit dann tatsächlich die isoliert von dem Adjuvanz ausgehende Zytokinausschüttung ursächlich für die folgende Dissektion war, sei nicht sicher zu klären, aber in Anbetracht der Abwägung bekannter kardiovaskulärer Risikofaktoren und genetische Faktoren, die natürlich auch eine Wandschwäche der arteriellen Wand vordergründig bestimmen, ist festzustellen, dass eben andere Gründe bei der Entstehung deutlich führend gewesen sind. Ein zytokinvermittelter Prozess könne auch durch eine Infektion ganz andere Ursache angestoßen worden sein.
Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Prozessakten sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
Nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (Satz 1). Die Beteiligten sind vorher zu hören (Satz 2).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist nach § 68 Abs. 2 IfSG zutreffend zu den Sozialgerichten erhoben worden.
Richtige Klageart für das Begehren des Klägers, ob er durch die ihm verabreichten Impfungen einen Impfschaden erlitten und deshalb Versorgungsleistungen zu beanspruchen hat, ist die kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage.
Die Klage ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken - Versorgungsamt vom 23.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrum Bayern Familie und Soziales - Landesversorgungsamt vom 12.02.2013, mit dem die Anerkennung eines Impfschadens und die Versorgungsleistung abgelehnt wurde.
Die dagegen erhobene Klage ist unbegründet, da die Bescheide zutreffend sind.
Zum Zeitpunkt der inkriminierten Impfungen am 03.11.2009 galt bereits das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG). Für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs ist deshalb § 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG zugrunde zu legen. Danach erhält, wer durch eine Impfung, die durch Dritte von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. „Gesundheitliche Schädigung“ ist dabei dem „Impfschaden“ im Sinne der früheren Rechtslage nach dem Bundesseuchengesetz gleichzusetzen (BSG, Urt. v. 02.10.2010, B 9/9a VJ 1/07 R, Rdnr. 13).
Voraussetzung ist, dass die empfohlene Impfung die Gesundheitsstörungen wahrscheinlich verursacht hat (§ 61 Satz 1 IfSG). „Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht allgemein (aber auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung) geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist“ (BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 37 m. Nachw.)
Die „erfolgte Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden“ müssen dagegen im Vollbeweis feststehen (BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36, 38). Diese drei Tatbestandelemente müssen mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender Sicherheit erwiesen sein (BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84), Wahrscheinlichkeit reicht insoweit nicht aus.
Zur Beurteilung der Frage, ob eine übliche Impfreaktion oder eine Impfkomplikation vorliegt, ist das Epidemiologische Bulletin der beim Robert-Koch-Institut eingerichteten ständigen Impfkommission (STIKO) heranzuziehen. Dieses gibt den im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder, soweit die eingesetzten Impfstoffe weiterhin verwendet werden (BSG, Urt. v. 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, Rn. 40, 42 f.).
Gemessen an diesen Grundsätzen besteht der geltend gemachte Anspruch nicht.
Allerdings kann mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung vorliegt. Nach der zum Impfzeitpunkt maßgeblichen Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz vom 18.04.2007 (Nr. 3.3/8360-82/102/02, AIIMBI. 2002, S. 284) lag eine Impfung gegen Virusgrippe (Influenza) vor. Ferner dürfen nur Impfstoffe verwendet werden, die vom Paul-Ehrlich-Institut oder von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen worden sind. Eine Chargenfreigabe ist nicht mehr erforderlich. Nach den Eintragungen im Impfausweis ist der Nachweis geführt. Damit steht fest, dass der Kläger am 03.11.2009 von den Ärzten Dres. A. C. und B. C. eine lmpfung gegen den Influenza A Virus (H1N1 „Schweinegrippevirus“) mit dem Impfstoff Pandemrix® erhalten hat. Bei Pandemrix® des Herstellers GlaxoSmithKline handelt sich um einen Impfstoff, der per Injektion zur Vorbeugung der pandemischen Influenza eingesetzt wird. Als Wirkstoff enthält er einen Influenzaspaltsvirus, der inaktiviert ist und ein Adjuvanz AS03 (Gebrauchsinformationen nach der Packungsbeilage).
Außerdem ist seit 10.11.2009 bekannt, dass der Kläger als Folge eines dissoziierenden Prozesses der Arteria carotis interna einen Hirninfarkt erlitten hat, der zu erheblich motorischen und kognitiven Beeinträchtigungen führte. Dissoziation der Arteria carotis interna ist ein fortschreitender Prozess zwischen innerer und äußerer Gefäßwand, der zu einer Thrombenbildung oder Ruptur führen kann.
Zur Überzeugung des Gerichts kann aber weder eine Impfkomplikation noch die notwendige Kausalität dahingehend festgestellt werden, dass der Hirninfarkt und die sich daraus ergebende Beeinträchtigungen neben anderen Mitursachen zumindest mit annähernd gleichwertiger Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Impfung zurückzuführen ist. Unter den vorgenannten rechtlichen Voraussetzungen sind bei dem Kläger Impfschäden nicht anzuerkennen. Die streitigen Gesundheitsstörungen des Klägers sind nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung die Folge eines Impfschadens.
Das Gericht gelangt zur maßgeblichen Überzeugung auf Grundlage
a) des Sachverhalts, wie er sich nach Aktenlage darstellt,
b) der Auskünfte der I.-Betriebskrankenkasse,
c) des Gutachtens von Prof. Dr. G., Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie unter dem 14.08.2014 d) der sozialmedizinische Stellungnahme des Internisten und Hämatologen Dr. H. vom 23.10.2014 und e) der versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten.
1. Wahrscheinlicher Zusammenhang
Für den wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung muss nach der geltenden Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung auf der Fülle der Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn diejenige erheblich sein, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat.
Voraussetzung für die Anerkennung eines Impfschadens ist die Wahrscheinlichkeit zu dem im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnisstand.
Nach dem Streitstoff ist allein das Adjuvanz AS03 für eine nähere Wahrscheinlichkeitsbetrachtung geeignet. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch eine durchaus ausreichende Anwendungserkenntnis. Da das Adjuvanz bereits bei der Vogelgrippevirusimpfung eingesetzt wurde, bestehen hinreichende Erkenntnisse, die einen Zusammenhang der Zytokinsteuerung durch AS03 oder anderer zytokingesteuerter Prozesse mit der Dissektion für nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. Dr. F. hat in der Stellungnahme vom 26.01.2015 darauf hingewiesen, dass für das spontane Auftreten von Gefäßrupturen eine um ein Vielfaches höher Wahrscheinlichkeit besteht als bei Meldungen von Ereignissen nach der Impfung. Diese Feststellung macht sich das Gericht zu Eigen. Schon aus diesen Gründen ist der Versorgungsanspruch abzulehnen.
Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und Auftreten des Hirninfarkts entfaltet damit keinen hinreichenden Beweiswert mehr. Anzumerken ist aber, dass die vielfach und kontrovers diskutierte Zeitspanne zwischen Impfung und Impfkomplikation überwiegend auf entzündlichen Prozessen beruhen, die gegenüber der diskutierten Zytokinsteuerung allenfalls von untergeordneter Bedeutung sind. Dr. F. meint zu Recht, dass eine allergische Reaktion oder eine andere Unverträglichkeit in dieser Zeit eben nicht beobachtet wurde.
2. Alternativursache
Der Kläger nimmt für sich in Anspruch, dass die Erkrankung „wie aus heiterem Himmel“ einen gesunden Menschen getroffen hat. Diese Einschätzung steht im Widerspruch zur Erkrankungsliste, wie sie die Krankenkasse des Klägers anlässlich des Aufenthalts im Klinikum D. vermerkt hat und der bildgebenden Untersuchung im Klinikum D.
Der Kammer ist es als nicht mit medizinischer Fachkompetenz ausgestatteten Spruchkörper dennoch nicht verwehrt, auf der Basis der richterlichen und Lebenserfahrung medizinische Sachverhalte zu verifizieren (zu dieser Methode BayLSG, Urt. v. 19.07.2011, L 15 VG 20/10, Rn. 39).
Beim Kläger wurde ein erhöhter Cholesterinwert festgestellt, der zur Diagnose Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung führte. Es kann als allgemein bekannt unterstellt werden, dass das Risiko von kardiovaskulären Prozessen bei nicht störungsfreiem Blutfettstoffwechsel steigt und die Thrombenbildung begünstigt wird.
Außerdem wurden beim Kläger Störungen des Plasmaproteinstoffwechsels festgestellt (Laborbericht vom 10.11.2009: Protein C-Mangel, Protein-S-Mangel, Faktor V- oder Faktor VIII-Überschuss nicht sicher auszuschließen). Ohne dass es aus Sicht des Gerichts noch einer genaueren Darlegung bedurfte, sei darauf hingewiesen, dass diese Störung der Blutzusammensetzung im Anschluss an eine Dissektion ebenfalls bei der Thrombenbildung von Bedeutung sein könnte (vgl. etwa Schauseil, Hämostaseologie, Seite 23).
Schließlich wurde beim Kläger eine Gefäßanomalie im Bereich des Circulus arteriosus willisii festgestellt. Diese auch Circulus arteriosus cerebri gelegene Struktur liegt an der Hirnbasis zwischen Arteria basiliaris und der (betroffenen) Arteria carotis interna (Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 260 Aufl. 2004, Stichwort Circulus arteriosus cerebri). Damit ist ein Phänomen vorhanden, dessen Einfluss als vermutlich genetischer Ursache einstweilen der Anerkennung eines Impfschadens entgegensteht. Dennoch brauchte das Gericht dem nicht näher nachgehen, da schon keine hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Impfung und Dissoziation besteht.
3. Kannversorgung
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer „Kann-Versorgung“ gemäß § 60 Abs. 1 IfSG i. V. m. § 61 S. 2 IfSG. Eine Versorgung als „Kannleistung“ ist nach diesen Vorschriften mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums zu gewähren, wenn bei feststehendem Primärschaden ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb nicht als wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Über die Dissektion der Arteria carotis interna besteht keine hinreichende Ungewissheit. Vielmehr dürfte die genetische Disposition sowie Mikrotraumen die Hauptursachen sein, wie sich aus dem Gutachten von Dr. G. und der Stellungnahme von Dr. H. ergibt.
4. Einwendungen
Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass für eine andere Bewertung und insbesondere auch nicht für eine Beweiserhebung.
Die mangelnde Erprobung des Adjuvanz AS03 wurde durch den Hinweis auf die Verwendung bei der Vogelgrippe Impfung widerlegt. Beim Paul-Ehrlich-Institut gesammelte Arzneimittel Nebenwirkungen entsprechen nicht den beim Robert-Koch-Institut zusammengefassten Verdachtsfällen der unerwarteten Impfreaktionen. Ob eine umfassende wissenschaftliche Erfassung und Bewertung stattgefunden hat, ist für den Schaden ohne Bedeutung. Die Befragung der Ehefrau kann vor dem Hintergrund der klaren klinischen Befunde nicht zu einem erweiterten Kenntnisstand führen.
Die Sachaufklärung des Gerichts ist mit einem Gutachten nach § 106 des GG und der ergänzenden internistischen Stellungnahme umfassend durchgeführt worden. Dem Kläger ist zuzustimmen, dass ein überwiegender wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Impfkomplikation nicht zu fordern ist. Der Kläger hat aber die Ausführungen von Prof. Dr. G. aus dem Zusammenhang genommen. Eine subjektive Würdigung des Krankheitsbildes des Klägers hat der Gutachter durchaus vorgenommen. Bei fehlender Wahrscheinlichkeit bedurfte es der Suche nach genetischen Alternativursachen nicht mehr. Zu alternativen Risikofaktoren wurde bereits Stellung genommen. Dr. H. hat hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit deutlich führende Gründe, nämlich Mikrotraumen oder genetische Ursachen angeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG….