Sozialgericht Augsburg Urteil, 12. Aug. 2015 - S 14 AS 992/14

bei uns veröffentlicht am12.08.2015

Gericht

Sozialgericht Augsburg

Tenor

I.

Die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 wird abgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte gegen die Klägerin wegen sozialwidrigen Verhaltens einen Anspruch auf Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von 5.021,22 Euro hat.

Nach der Geburt ihres ersten Kindes J. A. am 2010 befand sich die am 1980 geborene Klägerin bis zum 16.06.2013 in Elternzeit. Ihr Beschäftigungsverhältnis beim S. in K. ruhte derweil. Vom 01.05.2010 bis zum 31.08.2014 bezog die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten (bzw. von dessen Rechtsvorgänger).

Noch während der Elternzeit beantragte die seinerzeit alleinerziehende Klägerin am 11.03.2013 bei ihrem Arbeitgeber Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge vom Ende der Elternzeit am 16.06.2013 an bis zum 31.01.2015. Der Arbeitgeber der Klägerin entsprach diesem Antrag mit Schreiben vom 14.03.2013.

Nach Ablauf der Elternzeit wurde die Klägerin durch die Arbeitsvermittlung des Beklagten eingeladen, um ihre berufliche Situation zu besprechen. Die Klägerin teilte am 01.07.2013 mit, sie habe Sonderurlaub beantragt, weil ihr Sohn nicht fremdbetreuungsfähig sei. Vor dem 01.02.2015 wolle sie nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

In der Folge fanden mehrere Termine in der Arbeitsvermittlung statt, bei denen der Beklagte der Klägerin mitteilte, dass von ihr eine Wiederaufnahme des ruhenden Beschäftigungsverhältnisses erwartet werde. Zudem bot die Arbeitsvermittlerin des Beklagten der Klägerin unter anderem an, für sie einen Beratungstermin beim Allgemeinen Sozialdienst und einer Erziehungsberatungsstelle zu vereinbaren.

Die Klägerin nahm diese Angebote nicht wahr und legte dem Beklagten ärztliche Atteste der Kinderärztin D. vom 28.06.2013 und des Internisten C. vom 26.07.2013, 18.09.2013, 04.11.2013 und 15.01.2014 vor, in denen diese ohne Benennung von Diagnosen unter anderem ausführten, dass eine Fremdbetreuung „schwierig“ sei bzw. „noch deutlich verfrüht“ wäre.

Mit Bescheid vom 21.01.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.04.2014 und vom 10.07.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin auf ihren Weitergewährungsantrag vom 07.01.2014 hin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 in monatlicher Höhe zwischen 625,71 Euro und 756,01 Euro. Darüber hinaus überwies der Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Klägerin in monatlicher Höhe von 162,66 Euro an das Bundesversicherungsamt. Ein Leistungsanspruch des Sohnes der Klägerin errechnete sich nicht, da dessen Bedarf durch eigenes Einkommen (Kindergeld und Unterhalt) gedeckt war.

Mit Schreiben vom 26.06.2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu der Absicht an, die für die Zeit ab 01.02.2014 gewährten Leistungen nach dem SGB II gemäß § 34 Abs. 1 SGB II von ihr zurückzuverlangen. Die Klägerin habe infolge der Nichtaufnahme einer möglichen Erwerbstätigkeit bei ihrem bisherigen Arbeitgeber ihre Hilfebedürftigkeit wissentlich neu herbeigeführt, obwohl sie die Möglichkeit gehabt habe, die Hilfebedürftigkeit zu beenden. Kindbezogene Hinderungsgründe seien bei der Klägerin nicht vorhanden bzw. seien bis zum 01.02.2014 zu beseitigen gewesen. Nach Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes bestehe grundsätzlich Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 34 Abs. 1 SGB II lägen nicht vor. Sie habe ihre Hilfebedürftigkeit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt. Sie sei ausschließlich aus Gründen des Wohls ihres Sohnes nicht arbeiten gegangen. Ihr Sohn sei „massivst“ an sie gebunden und sei nicht bereit gewesen, diese Bindung schon aufzugeben. Ihr Sohn sei nicht altersgerecht entwickelt. Er sei im fraglichen Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.2014 nicht in der Lage gewesen, den Kindergarten zu besuchen oder fremd betreut zu werden. Die Klägerin legte ein weiteres ärztliches Attest des Internisten C. vom 27.06.2014 vor, wonach eine sofortige Kindergarteneingliederung zu „verstärkt regressivem Verhalten“ führen könnte und für den Sohn der Klägerin „gesundheitsschädlich“ wäre.

Mit Bescheid vom 17.07.2014 verpflichtete der Beklagte die Klägerin zur Erstattung für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2014 erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 5.021,22 Euro. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 SGB II lägen vor. Ein Hinderungsgrund zur Arbeitsaufnahme sei nicht belegt. Die Betreuung des Sohnes der Klägerin könnte schon seit Spätherbst 2013 gesichert sein. Die von der Klägerin geltend gemachten kindbezogenen Gründe habe sie nur pauschal erhoben und nicht bewiesen. Die im Konjunktiv gehaltenen Ausführungen in den vorgelegten Attesten seien nicht geeignet, daraus eine Ungeeignetheit für einen Kindergarten zu rechtfertigen. Selbst wenn, käme auch eine Betreuung bei einer Tagesmutter in Frage.

Hiergegen erhob die Klägerin am 14.08.2014 Widerspruch. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten ergebe sich eindeutig, dass ihr Sohn noch nicht ohne psychische Schäden in den Kindergarten oder zur Fremdbetreuung verbracht werden konnte.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2014 als unbegründet zurück. Die sich aus den ärztlichen Attesten ergebende intensive Mutter-Kind-Beziehung sei nichts Außergewöhnliches. Wer - wie die Klägerin - eine Fremdbetreuung nicht ermöglicht, auch nicht probeweise, könne sich nicht darauf berufen, dass eine Fremdbetreuung nicht möglich sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 02.10.2014 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Sie habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig ihre Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Infolge der operativen Versorgung eines Leistenbruchs am 18.10.2012 habe ihr Sohn eine ausgeprägte Bindung zu ihr entwickelt. Er sei derart auf sie fixiert gewesen, dass eine Fremdbetreuung „extrem schwierig“ gewesen sei. Bei einer Trennung von ihr wäre das Wohl ihres Sohnes „durch eventuell nicht vorhersehbare seelische Folgen“ gefährdet gewesen. Aus diesem Grund habe sie zur Betreuung ihres Sohnes Sonderurlaub bis zum 31.01.2015 beantragen müssen.

Das Gericht holte einen Befundbericht betreffend den Sohn der Klägerin von der Kinderärztin D. vom 19.02.2015 ein. Die Kinderärztin berichtete unter anderem wie folgt: „(...) 29.06.2012: Vorsorgeuntersuchung U7, (...), Status und Entwicklung sehr gut, (...) 23.10.2012: Kontrolle nach Leistenbruch-OP am 18.10.2012 in der Kinderklinik, Wunde reizlos 06.11.2012: Kontrolle nach Leistenbruch-OP, Wunde reizlos, Kind unauffällig, 28.06.2013: Vorsorgeuntersuchung U7a, (...), Entwicklung altersgerecht, sprachlich sehr gut, starke Abwehr, (...) bei der letzten Untersuchung am 10.10.2013 hatte Justin einen Infekt der oberen Luftwege, ansonsten war das Kind in gutem Allgemeinzustand und von altersgerechter Entwicklung.“

Auf Anregung der Klägerin holte das Gericht in der Folge noch einen weiteren Befundbericht betreffend den Sohn der Klägerin vom Internisten C. vom 26.06.2015 ein. Dieser berichtete unter anderem: „J. ist ein anhänglicher Junge seiner Mutter gegenüber. Diese war viele Jahre alleinerziehend und somit die einzige Bezugsperson. Bei Thematisierung des Kindergartenbesuchs führt dies bei J. zu Schlafstörungen, Ess-Störungen und vermehrter Anhänglichkeit.“

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 17.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht zum zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber unbegründet. Denn der Bescheid vom 17.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2014 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der für die Zeit vom 01.02.2014 bis 31.07.2014 erbrachten Leistungen in Höhe von 5.021,22 Euro.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 34 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II. Danach ist derjenige, der nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich (oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben) ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung.

1. Der Anwendungsbereich des § 34 SGB II ist eröffnet.

a) Die 1980 geborene Klägerin hat das 18. Lebensjahr bereits im Jahre 1998 vollendet und gehört damit zum ersatzpflichtigen Personenkreis.

b) Der Beklagte ist ersatzberechtigt, da er derjenige ist, der der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 gewährt hat (Bescheid vom 21.01.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.04.2014 und vom 10.07.2014).

c) Dass die mit den vorgenannten Bescheiden gewährten Leistungen rechtmäßig waren, d. h. mit dem materiellen Recht in Einklang standen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Insbesondere war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum in der Höhe der gewährten Leistungen hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II.

2. Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II sind erfüllt.

a) Die Klägerin hat die Voraussetzungen für die Gewährung von SGB-II-Leistungen an sich im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 herbeigeführt, indem sie - trotz unstreitig bestehender Möglichkeit - nicht spätestens zum 01.02.2014 wieder in das ruhende Beschäftigungsverhältnis mit dem S. K. eingetreten ist.

Dabei geht die erkennende Kammer davon aus, dass von § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II auch Fallgestaltungen erfasst sind, in denen - wie vorliegend - eine bereits zuvor bestehende Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten wurde.

Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat in diesem Zusammenhang mit Beschluss vom 03.03.2008 (Az.: L 3 B 187/07 AS-ER, abrufbar in juris, dort Rdnr. 13) - ohne nähere Begründung - angenommen, das Aufrechterhalten der Hilfebedürftigkeit sei nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausreichend. Einige Gesetzeskommentierungen haben diese Ansicht - ebenfalls ohne nähere Begründung - übernommen (Link in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 34 Rdnr. 21; Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 06/2014, § 34 Rdnr. 30; Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 34 Rdnr. 21).

Eine andere Literaturmeinung sieht das Aufrechterhalten der Hilfebedürftigkeit hingegen als Unterfall des Herbeiführens an (Hänlein in: Gagel, SGB II/SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 34 Rdnr. 11; Fachliche Hinweise-BA § 34 Anm. 7).

Der letztgenannten Ansicht folgt die Kammer. Durch den Wortlaut des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II ist das Herbeiführen der Voraussetzungen künftiger Leistungen auch erst während des laufenden Leistungsbezuges (d. h. für den folgenden Bewilligungszeitraum) keineswegs ausgeschlossen. Die erstgenannte Ansicht des Sächsischen LSG ist mit dem Zweck der Vorschrift, der Wiederherstellung der Nachrangigkeit der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, nicht in Einklang zu bringen.

Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) sich noch nicht ausdrücklich zu dieser Frage geäußert. Im Urteil vom 02.11.2012 (Az.: B 4 AS 39/12 R = BSGE 112, 135-141, Rdnr. 14) heißt es aber: „Der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II setzt nicht voraus, dass schon vor Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit SGB II-Leistungen bezogen wurden (...).“ Dieser Satz wird von der erkennenden Kammer dahingehend verstanden, dass auch das BSG eine Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit im laufenden Leistungsbezug als möglichen, wenn nicht sogar häufigsten Fall des Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II ansieht.

b) Die Klägerin hat sich auch sozialwidrig verhalten, indem sie nicht wieder in das ruhende Beschäftigungsverhältnis mit dem S. K. eingetreten ist.

Der Vorwurf der Sozialwidrigkeit ist begründet, wenn der Betreffende - im Sinne eines objektiven Unwerturteils - in zu missbilligender Weise sich selbst (oder die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft) in die Lage gebracht hat, Leistungen des SGB II in Anspruch nehmen zu müssen. Maßgebend ist, dass das Verhalten aus der Sicht der Gemeinschaft - in Bezug auf den Erhalt von SGB-II-Leistungen (BSG, a. a. O., Rdnr. 22) - zu missbilligen ist. Es muss ein spezifischer Bezug zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit bestehen. Das den Ersatzanspruch auslösende Verhalten muss aber nicht zwingend rechtswidrig im Sinne einer unerlaubten Handlung gemäß §§ 823ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sein. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an, ob ein Verhalten als sozialwidrig gewertet werden kann. Das sozialwidrige Verhalten kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen.

Wenn ein Beschäftigungsverhältnis in Kenntnis der dann eintretenden Hilfebedürftigkeit aufgegeben wird, so ist dieses Verhalten - in grundsicherungsrechtlicher Hinsicht - als sozialwidrig anzusehen (vgl. zur Vorgängerregelung des § 92a Bundessozialhilfegesetz - BSHG -: OVG Lüneburg, Urteil vom 22.11.1995, Az.: 4 L 817/95 = ZfF 1998, 62-64). Nicht anders ist der vorliegende Fall der Nichtaufnahme eines ruhenden Beschäftigungsverhältnisses zu werten.

Sicherlich ist das maßgebliche Verhalten der Klägerin nicht rechtswidrig im Sinne der §§ 823ff. BGB; es wird aber von der Gemeinschaft derjenigen, die die Mittel für die Grundsicherungsleistungen aufbringen, missbilligt. Mit anderen Worten: Die Entscheidung der Klägerin, das ruhende Beschäftigungsverhältnis nicht wieder aufzunehmen und stattdessen ihren Sohn rund um die Uhr selbst zu betreuen, stellt keine unerlaubte Handlung dar. Die Nichtwahrnehmung der Gelegenheit, ihre Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II zu beseitigen, widerspricht aber dem Anstandsgefühl der billig und gerecht denkenden Steuerzahler und ist folglich als sozialwidrig im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II einzustufen.

c) Die Klägerin hatte für ihr Verhalten auch keinen wichtigen Grund.

Die Ersatzpflicht tritt nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht ein, wenn der Betreffende für sein Verhalten einen wichtigen Grund hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Ersatzpflicht nur dann eintreten soll, wenn dem Ersatzpflichtigen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Belangen der Solidargemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann.

Eine nähere Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wichtiger Grund“ wurde vom Gesetzgeber nicht vorgenommen. Hinweise für eine Konkretisierung lassen sich aus den Zumutbarkeitsregelungen des § 10 Abs. 1 SGB II entnehmen. Kann der Betreffende danach eine Arbeit ablehnen und führt dieses Verhalten zur Hilfebedürftigkeit bzw. zur Zahlung von Leistungen, so dürfte ein wichtiger Grund im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II anzunehmen sein (Link, a. a. O., Rdnr. 29). Dies wäre nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II insbesondere dann der Fall, wenn die Ausübung der Arbeit die Erziehung eines Kindes des Betreffenden gefährden würde.

Einen solchen - sog. kindbezogenen - Grund - vermag die Kammer vorliegend bei gebotener objektiver Betrachtung (Link, a. a. O., Rdnr. 30 m. w. N.) nicht zu erkennen. Aus den Befunden der Kinderärztin D. ergibt sich eine altersgerechte Entwicklung des Sohnes der Klägerin. Anlässlich der Vorsorgeuntersuchungen U7 und U7a (am 29.06.2012 bzw. am 28.06.2013) schätzte die Kinderärztin den Status und die - insbesondere sprachliche - Entwicklung des Kindes als „sehr gut“ bzw. „altersgerecht“ ein, die Abwehr imponierte als „stark“. Auch im Zusammenhang mit der von der Klägerin in Bezug genommenen am 18.10.2012 (also mehr als 15 Monate vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum!) erfolgten Leistenbruch-Operation hat die Kinderärztin D. am 23.10.2012 und am 06.11.2012 unauffällige Befunde erhoben.

Nichts anderes ergibt sich aus den knappen Ausführungen des Internisten C ... Er beschreibt in seinen Attesten lediglich eine intensive Mutter-Kind-Beziehung. Eine solche ist weder außergewöhnlich noch pathologisch. Sie steht auch einer temporären Fremdbetreuung des Kindes nicht entgegen.

Hinzu kommt, dass eine Fremdbetreuung vorliegend nicht einmal ausprobiert worden ist. Unter Berücksichtigung der Regelvermutung des § 10 Abs. 1 Nr. 3, 2. Halbs. SGB II, wonach bei einem Kind über drei Jahren bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit keine Gefährdung der Erziehung anzunehmen ist, vermag das Gericht im Ergebnis nicht objektiv festzustellen, dass eine Fremdbetreuung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht möglich gewesen ist und die Erziehung des Sohnes der Klägerin gefährdet hätte.

d) Der Klägerin ist hinsichtlich der Sozialwidrigkeit ihres Verhaltens jedenfalls der Vorwurf grober Fahrlässigkeit, wenn nicht gar der Vorwurf bedingten Vorsatzes, zu machen.

Die Ersatzpflicht tritt nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II nur ein, wenn der Ersatzpflichtige die Voraussetzungen für die Gewährung von SGB-II-Leistungen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und willentlich die Voraussetzungen der Gewährung von SGB-II-Leistungen herbeiführt (direkter Vorsatz) oder diesen Erfolg als möglich erkennt und billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, mithin dasjenige nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

Der Beklagte hat die Klägerin seit dem ersten Termin in der Arbeitsvermittlung nach dem Ende der Elternzeit am 01.07.2013 aktenkundig mehrfach mündlich und schriftlich darauf hingewiesen, dass von ihr die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit beim S. erwartet wird. Folglich musste der Klägerin bei Stellung des Weitergewährungsantrags für den hier streitgegenständlichen Zeitraum am 07.01.2014 jedenfalls klar sein, dass ihr Verhalten missbilligt wird. Gründe dafür, dass gerade der Klägerin als Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst in subjektiver Hinsicht kein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, sind weder von ihr vorgetragen worden noch von Amts wegen ersichtlich.

e) Schließlich besteht zwischen dem sozialwidrigen Verhalten der Klägerin und dem Erhalt von SGB-II-Leistungen ein Kausalzusammenhang.

Hätte die Klägerin das Arbeitsverhältnis beim S. fortgesetzt, wäre sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II gewesen.

3. Folglich hat die Klägerin dem Beklagten alle kausal auf ihr schuldhaftes Verhalten zurückzuführenden Leistungen zu erstatten, mithin insgesamt 5.021,22 Euro.

Hierunter fallen sämtliche für den streitgegenständlichen Zeitraum gewährten Geldleistungen, vorliegend die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 20 SGB II einschließlich der gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. § 34 Abs. 1 S. 2 SGB II), der Mehrbedarf bei Alleinerziehung gemäß § 21 Abs. 3 SGB II und die Unterkunftskosten gemäß § 22 SGB II.

Etwaige Fehler bei der Berechnung der Höhe der zu erstattenden Leistungen durch den Beklagten sind nicht ersichtlich.

4. Es liegt auch kein Grund vor, von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs abzusehen.

Dies wäre gemäß § 34 Abs. 1 S. 3 SGB II dann der Fall, soweit die Geltendmachung für die Klägerin als Ersatzpflichtige eine Härte bedeuten würde.

Insoweit liegt in der finanziellen Belastung durch die Ersatzpflicht für sich genommen noch keine Härte vor. Anders läge der Fall - in Anlehnung an die bis zum 31.03.2011 geltende Fassung des § 34 Abs. 1 S. 2 SGB II (a. F.) - nur dann, wenn die Ersatzpflicht die Klägerin zukünftig wieder von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II abhängig machen würde. Dies ist aber derzeit angesichts des Einkommens ihres Ehemannes auszuschließen.

5. Schließlich ist der Ersatzanspruch auch nicht gemäß § 34 Abs. 3 S. 1 SGB II erloschen.

Nach dieser Vorschrift erlischt der Ersatzanspruch drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Leistung erbracht worden ist.

Vorliegend wurden die streitgegenständlichen Leistungen im Jahr 2014 erbracht; der Erstattungsanspruch wurde im selben Jahr geltend gemacht.

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Augsburg Urteil, 12. Aug. 2015 - S 14 AS 992/14

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Bundessozialgericht Urteil, 02. Nov. 2012 - B 4 AS 39/12 R

bei uns veröffentlicht am 02.11.2012

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. März 2012 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am M

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(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. März 2012 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Kostenersatzanspruch des Beklagten für SGB II-Leistungen.

2

Der 1973 geborene Kläger wurde wegen einer im Juli 2003 begangenen Straftat (räuberischer Diebstahl in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung) durch das AG Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde (Urteil vom 18.10.2004). Aufgrund eines Haftbefehls desselben Gerichts vom 28.12.2004, das einen dringenden Verdacht der erneuten Belästigung der Geschädigten durch den Kläger sah, wurde er vom 17.1.2005 bis zum 18.3.2005 wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft genommen. Sein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 24.1.2005. Arbeitslosengeld erhielt der Kläger ab 22.3.2005.

3

Auf Antrag der Ehefrau des Klägers vom 15.2.2005 bewilligte der Beklagte für diese und die gemeinsame Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 15.2. bis 31.3.2005. Von dem Kläger verlangte er "Kostenersatz wegen schuldhaften Verhaltens" für den Zeitraum vom 15.2. bis 21.3.2005 in Höhe von 1477,41 Euro (Bescheide vom 14.4.2005 und 23.3.2006). Im Widerspruchsverfahren setzte der Beklagte den Kostenersatz auf 1513,34 Euro fest und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 15.5.2007). Dabei ging er davon aus, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz aufgrund der Inhaftierung verloren und damit grob fahrlässig die Hilfebedürftigkeit seiner Ehefrau und des Kindes herbeigeführt habe.

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide vom 14.4.2005 und 23.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2007 aufgehoben, soweit der Zeitraum vom 15.2. bis 17.3.2005 betroffen war und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 24.5.2011), weil der Kläger während der Zeit der Untersuchungshaft nicht in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und dem Kind gelebt habe. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 16.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, als Fallgruppe eines sozialwidrigen Verhaltens komme die Verletzung der Unterhaltspflicht durch Herbeiführung von Untersuchungs- oder Strafhaft in Betracht. Durch seine strafbare Handlung habe der Kläger sozialwidrig gehandelt, ohne dass ihm ein wichtiger Grund zur Seite gestanden habe. Es liege ein zumindest grob fahrlässiges Verhalten vor, weil für den Kläger vorhersehbar gewesen sei, dass sein Verhalten Hilfebedürftigkeit herbeiführen werde. Sowohl im Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens (Straftat im Jahre 2003) als auch im Zeitpunkt des Herbeiführens der Hilfebedürftigkeit (Untersuchungshaft Januar 2005) habe die Bedarfsgemeinschaft bestanden und während der Haft auch fortbestanden.

5

Mit seiner Revision rügt er die Verletzung von § 34 Abs 1 SGB II, der enger gefasst sei als die Vorgängerregelung des § 92a BSHG. Konstitutiv für das Bestehen eines Kostenersatzanspruchs sei das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft, die ohne Bezug zu beantragten oder gewährten Leistungen nicht existiere. Zwar habe er bei seiner Inhaftierung mit Frau und Kind in einem Haushalt gelebt, mangels Leistungsberechtigung aber keine Bedarfsgemeinschaft gebildet. Auch zum Zeitpunkt des Antrags auf SGB II-Leistungen und der tatsächlichen Leistungserbringung habe er nicht mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt. Auch verletze das Urteil den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, weil sein Verhalten wegen einer von der Bundesagentur für Arbeit verhängten Sperrzeit ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zweifach sanktioniert werde.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. März 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision des Klägers war das Urteil des LSG vom 16.3.2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 24.5.2011 zurückzuweisen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide vom 14.4.2005 und 23.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2007 im Ergebnis zu Recht aufgehoben, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Kostenersatzanspruch nach § 34 SGB II nicht vorliegen.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 14.4.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.3.2006 und des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2007, mit dem der Beklagte von dem Kläger zunächst für die Zeit vom 15.2.2005 bis 19.4.2005 Ersatz für die an seine Ehefrau und Tochter gewährten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2595,45 Euro, anschließend für die Zeit vom 15.2.2005 bis 21.3.2005 in Höhe von 1477,41 Euro und mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2007 zuletzt für die Zeit vom 15.2.2005 bis 21.3.2005 in Höhe von 1513,34 Euro verlangt hat.

11

Hiergegen wendet sich der Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Da nur der Beklagte Berufung gegen das beide Beteiligte beschwerende Urteil des SG eingelegt hat, war ein Kostenersatzanspruch des Beklagten für den Zeitraum vom 18.3.2005 bis 21.3.2005 nicht (mehr) Gegenstand des Berufungsverfahrens. Nach Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und vollständiger Klageabweisung durch das LSG erstreckt sich die Überprüfung im Revisionsverfahren daher nur auf die Rechtmäßigkeit des für die Zeit vom 15.2.2005 bis 17.3.2005 von dem Beklagten geltend gemachten Ersatzanspruches.

12

2. Unabhängig von einer etwaigen teilweisen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide schon wegen einer Erhöhung des Kostenersatzanspruchs im Widerspruchsverfahren von 1477,41 Euro auf 1513,34 Euro ist die Revision des Klägers schon deshalb begründet, weil die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 34 Abs 1 SGB II nicht vorliegen.

13

Nach § 34 Abs 1 SGB II in der vom 1.1.2005 bis 31.3.2011 geltenden Fassung des Art 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) ist, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben (Nr 1), oder die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben (Nr 2) ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet (Satz 1). Von der Geltendmachung des Ersatzanspruches ist abzusehen, soweit sie den Ersatzpflichtigen künftig von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch oder von Leistungen nach dem Zwölften Buch abhängig machen würde (Satz 2). Zwar scheitert ein Ersatzanspruch des Beklagten nicht schon daran, dass der Kläger mit seiner leistungsberechtigten Ehefrau sowie der gemeinsamen Tochter nicht in einer Bedarfsgemeinschaft iS des § 34 Abs 1 SGB II lebte. Es liegt jedoch kein sozialwidriges Verhalten des Klägers vor.

14

3. Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen der Ersatzpflicht. Der Kläger hat auch iS von § 34 Abs 1 SGB II mit seiner Ehefrau und Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft iS des SGB II gelebt. Hiervon ist das LSG zu Recht ausgegangen. Der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II setzt nicht voraus, dass schon vor Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit SGB II-Leistungen bezogen wurden und eine „Bedarfsgemeinschaft im Leistungsbezug“ vorlag. Es genügt, dass bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit dem Grunde nach eine Bedarfsgemeinschaft bestanden hätte. Der Begriff der Bedarfsgemeinschaft iS von § 34 Abs 1 S 1 SGB II wird insofern durch den in § 7 Abs 3 SGB II umschriebenen Personenkreis definiert. Ein anderes Verständnis der Bezugnahme auf den Begriff der Bedarfsgemeinschaft widerspräche dem Sinn und Zweck des § 34 SGB II, der gerade an die Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit - und somit die Schaffung einer Leistungsvoraussetzung des SGB II - für die Annahme einer Ersatzpflicht anknüpft. Vor der Inhaftierung am 17.1.2005 bildete der Kläger dem Grunde nach eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie nach § 7 Abs 3 Nr 3a, Nr 4 SGB II.

15

Es kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 34 Abs 1 SGB II auch (noch) vorliegen, wenn - etwa während eines längeren Leistungsbezugs - eine Lösung der Bedarfsgemeinschaft stattgefunden hat. Der Kläger hat hier auch während der Untersuchungshaft mit seiner Ehefrau und Tochter eine Bedarfsgemeinschaft iS des SGB II gebildet. Zwar war er selbst in der Zeit seiner Inhaftierung nach § 7 Abs 4 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, gültig vom 1.1.2005 bis 31.7.2006) grundsätzlich von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen (vgl zur bis 31.7.2006 geltenden Rechtslage BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 5). Mangels eines erkennbaren Trennungswillens als nur vorübergehend räumlich getrennt lebender Ehegatte war er aber weiterhin als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3a, Nr 4 SGB II anzusehen(vgl § 1567 Abs 1 BGB, BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 13 f; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 41).

16

4.a) Eine Heranziehung zum Kostenersatz scheitert jedoch daran, dass ein sozialwidriges Verhalten iS des § 34 Abs 1 SGB II hier nicht vorliegt. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie ihrem jetzigen systematischen Kontext mit weiteren Regelungen des SGB II ergibt sich, dass nicht jedes - hier in hohem Maße gegebene - verwerfliche Verhalten, das eine Hilfebedürftigkeit oder Leistungserbringung nach dem SGB II verursacht, zur Erstattungspflicht führt. Erfasst wird nur ein Verhalten mit spezifischem Bezug, dh "innerem Zusammenhang", zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit bzw Leistungserbringung. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des als Ausnahmefall vorgesehenen Kostenersatzanspruchs gegenüber einem Leistungsberechtigten sowie dem jetzigen systematischen Kontext des § 34 SGB II mit weiteren SGB II-Regelungen. Das Verhalten des Klägers erfüllte die insofern zu stellenden Anforderungen nicht.

17

b) Aus der Entstehungsgeschichte des § 34 SGB II ergibt sich, dass es sich um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand handelt. Während die jetzige Parallelregelung zum Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten in § 103 SGB XII die bis zum 31.12.2004 geltende Vorschrift des § 92a BSHG im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen hat(BT-Drucks 15/1514 S 68 zu § 98), soll sich § 34 SGB II nach dem Willen des Gesetzgebers (lediglich) an die sozialhilferechtliche Regelung "anlehnen"(BT-Drucks 15/1516 S 62 zu § 34). Dies findet seinen Ausdruck in der zT unterschiedlichen Ausgestaltung beider Vorschriften, etwa darin, dass § 34 Abs 1 SGB II in seiner hier maßgebenden Fassung bis zum 31.3.2011 keine § 103 Abs 1 S 2 SGB XII entsprechende Regelung zum Wegfall einer Heranziehung zum Kostenersatz, sondern - mit dem Absehen von seiner Geltendmachung bei zu erwartenden Leistungsberechtigung nach dem SGB II oder dem SGB XII - lediglich eine "spezielle Härteregelung"(§ 34 Abs 1 S 2 SGB II aF)enthielt (Simon in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 103 RdNr 14). Auch setzt § 103 Abs 1 S 1 SGB XII im Unterschied zu § 34 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II nicht das Fehlen eines wichtigen Grundes voraus. Trotz dieser Unterschiede ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der gemeinsamen Vorgängervorschrift zu § 103 SGB XII und § 34 SGB II in § 92a BSHG, dass auch für den Ersatzanspruch nach § 34 SGB II ein sozialwidriges Verhalten des Erstattungspflichtigen notwendig vorauszusetzen ist.

18

Bereits bei Festsetzung eines Kostenersatzes bei schuldhaftem Verhalten nach § 92a BSHG(in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung), wonach zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet war, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe an sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hatte, war zu berücksichtigen, dass mit der Einführung des BSHG die frühere Verpflichtung zum Kostenersatz im Grundsatz beseitigt werden sollte. Eine Regelung wie diejenige zur Rückerstattungspflicht in den § 25 Abs 1, § 25a der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht (RFV), die vorsah, dass der Unterstützte "dem Fürsorgeverband" die Kosten zu ersetzen hatte, war bewusst nicht in das BSHG übernommen worden(vgl hierzu bereits Wehlitz in NDV 1964, 152 ff, 153 mit Bezug auf die Diskussion bei Einführung des BSHG, bei der überwiegend die Auffassung vertreten worden sei, dass "die Aufrechterhaltung der Rückerstattungspflicht des Hilfeempfängers … mit dem Charakter einer modernen Sozialhilfe nicht zu vereinbaren sei und die gesetzliche Neukodifikation nicht mit einer erneuten Verankerung der Kostenerstattungspflicht des Hilfeempfängers belastet werden dürfe, die ein Relikt aus einer nunmehr überholten Entwicklungsphase des Fürsorgerechts darstelle"). Die neu aufgenommene Kostenersatzpflicht nach § 92a BSHG beschränkte sich daher auf einen "engen deliktähnlichen Ausnahmetatbestand" mit dem Ziel, "gewisse Unbilligkeiten" auszuschließen, die sich aus der uneingeschränkten Beseitigung der Kostenersatzpflicht des Hilfebedürftigen ergeben hätten(BVerwGE 51, 61 ff, 63). § 92a BSHG diene - so das BVerwG - der Wiederherstellung des Nachrangs der Sozialhilfe, weshalb für diesen Nachranggrundsatz unterlaufendes Verhalten das Merkmal "sozialwidrig" zusätzlich zu dem in § 92a Abs 1 S 1 BSHG normierten Erfordernis eines "vorsätzlichen oder grob fahrlässigen" Verhaltens zu lesen sei(BVerwG aaO, S 61: "etwa wegen Arbeitsscheu oder Verschwendungssucht des Unterhaltspflichtigen").

19

Eine einschränkende Auslegung hält der Senat auch bei der Anwendung des § 34 Abs 1 SGB II für geboten, weil es sich bei § 34 SGB II in gleicher Weise wie bei § 92a BSHG bzw nunmehr § 103 Abs 1 SGB XII um eine Ausnahme von dem Grundsatz handelt, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind(BVerfG Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, 803; sa BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 13, RdNr 12 mwN; vgl auch Klinge in Hauck/Noftz, SGB XII, § 103 RdNr 9, Stand 2/2012). Dieser Grundsatz einer "verschuldensfreien" Deckung des Existenzminimums darf nicht durch eine weitreichende und nicht nur auf begründete und eng zu fassende Ausnahmefälle begrenzte Ersatzpflicht der Leistungsberechtigten und ihrer Angehörigen konterkariert werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II seiner Höhe nach nicht begrenzt war.

20

c) Unter systematischen Gesichtspunkten sind auch die im SGB II festgeschriebenen Wertmaßstäbe bei der Einordnung eines Verhaltens als sozialwidrig iS des § 34 SGB II einzubeziehen(so ausdrücklich Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 34 RdNr 12 f, Stand 2009). In diesen Normen drückt sich - ähnlich wie im Sozialversicherungsrecht in den § 52 SGB V, §§ 103 f SGB VI und § 101 SGB VII(vgl hierzu insgesamt: Voelzke, Die Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sozialversicherungsrecht, 2004) - aus, welches Verhalten als dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zuwiderlaufend angesehen wird. Insofern enthält das SGB II detaillierte Regelungen zur Refinanzierung zu Unrecht erbrachter SGB II-Leistungen bzw zu Leistungskürzungen bei einem Verhalten, das dem für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geltenden Nachranggrundsatz (§ 2 SGB II) widerspricht. So finden sich in § 31 SGB II zahlreiche Tatbestände einer Absenkung bzw eines Wegfalls des Alg II bei aus Sicht des SGB II nicht zu billigendem Verhalten. Diese stehen in engem Zusammenhang mit dem Merkmal des vom Leistungsberechtigten geforderten Einsatzes seiner Erwerbsfähigkeit (§ 31 Abs 1 und 2 SGB II) bzw einer gezielten Herbeiführung der Bedürftigkeit (§ 31 Abs 4 Nr 1 und 2 SGB II). Soweit § 31 Abs 4 Nr 3b SGB II für eine Minderung bzw einen Wegfall des SGB II-Anspruchs an die Sperrzeitregelungen des SGB III anknüpft, ist eine Sperrzeit bei einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten, nicht jedoch einer - hier wohl allein in Betracht kommenden - personenbedingten Kündigung vorgesehen(§ 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB III; vgl zur Abgrenzung BSGE 91, 18 ff = SozR 4-4300 § 144 Nr 2).

21

Aus diesen Regelungen ist abzuleiten, dass ein - mit einer höheren Belastung verbundener - Ersatzanspruch nach § 34 Abs 1 SGB II nicht nur ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten voraussetzt. Das konkret vorgeworfene Verhalten muss vielmehr - auch im Rahmen der weitreichenden Ersatzpflicht nach § 34 SGB II - nach den Wertungen des SGB II sozialwidrig sein. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BVerwG Urteil vom 24.6.1976 - V C 41.74 - BVerwGE 51, 61 ff, 65). Es muss ein spezifischer Bezug zwischen dem Verhalten selbst und dem Erfolg bestehen, um das Verhalten selbst als "sozialwidrig" bewerten zu können (vgl BVerwG Urteil vom 10.4.2003 - 5 C 4/02 - BVerwGE 118, 109 ff, 111).

22

d) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Verhalten des Klägers als moralisch in höchstem Maße verwerflich, nicht jedoch als sozialwidrig iS des § 34 SGB II einzustufen. Anders als möglicherweise bei Vermögensdelikten besteht bei den hier im Zentrum stehenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit der Ehefrau des Klägers und seines Kindes. Bei dem mit den Straftaten in Zusammenhang stehenden Verhalten des Klägers, das zu seiner Inhaftierung im Januar 2005 führte, handelt es sich nicht um ein solches, das in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder -möglichkeit bzw die Herbeiführung von Bedürftigkeit gerichtet war oder hiermit in innerem Zusammenhang stand. Es besteht auch kein Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen.

23

Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der von beiden Beteiligten jeweils für ihren Rechtsstandpunkt herangezogenen Entscheidung des BVerwG vom 10.4.2003 (5 C 4/02, BVerwGE 118, 109 ff). Auch das BVerwG ist davon ausgegangen, dass nicht die Inhaftierung an sich, sondern nur die konkrete Feststellung und Würdigung der zur Inhaftierung führenden Umstände ggf eine sozialwidrige Verursachung der Bedürftigkeit von Angehörigen begründen können (BVerwG aaO S 112 f). Anders als in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt hatte das BVerwG über die Einstufung eines strafbaren geschäftswidrigen Verhaltens (Untreue, Betrug, Verletzung der Buchführungspflicht, Bankrott, verspätete Konkursanmeldung) mit der Folge des Wegfalls einer selbständigen Existenzgrundlage zu entscheiden, bei dem ein spezifischer Bezug bzw ein innerer Zusammenhang zum SGB II (zB zu einer Arbeitsplatzaufgabe) möglicherweise näher liegen könnte.

24

5. Da es schon an einem sozialwidrigen Verhalten iS des § 34 SGB II fehlt, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund vorweisen kann(vgl zu dessen Berücksichtigung als eigenständiges Tatbestandsmerkmal: Cantzler in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 34 RdNr 7; Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 34 RdNr 15; aA Hölzer in Estelmann, SGB II, § 34 RdNr 29, Stand 12/2011; Fügemann in Hauck/Noftz, SGB II, § 34 RdNr 33 ff, Stand 1/2012), zwischen dem sozialwidrigen Verhalten und der Notwendigkeit von Leistungen nach dem SGB II ein ursächlicher Zusammenhang bestand und das als sozialwidrig einzustufende Verhalten zumindest grob fahrlässig gewesen ist.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. § 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.

(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.