Sozialgericht Aachen Urteil, 12. Jan. 2016 - S 12 SB 259/13
Gericht
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013 verurteilt, bei dem Kläger in der Zeit ab dem 01.10.2015 einen GdB von 60 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl streitig.
3Bei dem am 00.00.000 geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2011 aufgrund einer Sehbehinderung (Einzel-GdB 30), einer Zuckerkrankheit (Einzel-GdB 20), einer Funktionsstörungen des Herzens (Einzel-GdB 20), einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10) sowie einer seelischen Störung (Einzel-GdB 10) einen GdB von 40 fest.
4Am 03.05.2012 stellte der Kläger einen Änderungsantrag. Hierbei gab er an, er leide unter schweren Herzproblemen, Knochenproblemen, Rückenproblemen, Gehproblemen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Er wiege 160 kg. Aufgrund einer schweren Sehstörungen und Augenproblemen könne er nicht mehr alleine gehen. Des Weiteren bestünden schwere Probleme im neurologischen und urologischen Bereich. In Kürze stehe eine Operation an. Er beantragte die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl. Hinsichtlich der Behandlung des Diabetes gab der Kläger an, er behandelte diesen diätisch sowie mit Tabletten und Spritzen. Er nehme Actos® 45 (Wirkstoff Pioglitazon), Verapamil 240, Glimepirid, Metformin und ASS 100 ein. In Kürze werde er auch dreimal täglich Insulin spritzen.
5Der Beklagte holte einen Befundbericht der Augenärztin Dr. N. ein. Diese stellte einen Visus mit Brille rechts mit 0,05 und links mit 0,05 fest, die Papille sei gekippt und es fänden sich myopische Dehnungen am Augenhintergrund. Die Gesichtsfeldmessung habe ein irreguläres Restgesichtsfeld von weniger als 5° links und von bis 5° rechts ergeben. Der Beklagte holte darüber hinaus ein Pflegegutachten des MDK Nordrhein aus März 2012 ein. Dort wurde beim Kläger eine Pflegestufe I festgestellt. Unter anderem wurde darin ausgeführt, der Kläger könne nicht mehr lesen, Fernsehen schauen sei aber möglich. Auch könne sich der Kläger in der vertrauten Umgebung fortbewegen. Für die Körperpflege wurden 71 Minuten pro Tag, für die Ernährung 22 Minuten pro Tag und für die Mobilität 13 Minuten pro Tag ermittelt.
6Des Weiteren holte der Beklagte einen Befundbericht des Neurologen und Psychia-ters Dr. C., des Urologen Dr. X. und des Internisten Dr. S. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Schließlich beauftragte der Beklagte Prof. Dr. C. mit der Erstellung eines augenärztlichen Gutachtens, welches dieser am 02.08.2012 erstattete. Prof. Dr. C. kam hierbei zu der Einschätzung, der Kläger gebe zwar eine sehr schlechte Sehschärfe und ein sehr schlechtes Gesichtsfeld an. Hierfür finde sich aber kein morphologischer Befund, der dies erklären könnte. Die Feststellung eines GdB für die Sehbehinderung komme damit nicht in Betracht.
7Mit Bescheid vom 22.08.2012 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für Inanspruch-nahme der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl ab.
8Hiergegen legte der Kläger am 13.09.2012 Widerspruch ein, den er indes nicht näher begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2013 wies die Bezirksregierung N. den Widerspruch als unbegründet zurück.
9Am 19.03.2013 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage vor dem erkennenden Gericht erhoben. Das Gericht hat Befundberichte des Internisten Dr. C., der Augenärztin Dr. N., des Internisten Dr. S., und des Diabetologen Dr. E. eingeholt. Letzterer gab an, der Kläger habe sich äußerst incomplient verhalten. Eine sachgerechte diabetischen Diagnostik und Therapie sei vor diesem Hintergrund bislang nicht möglich gewesen. Ihm gegenüber habe der Kläger seinerzeit einen HbA1c-Wert von 11,8 % angegeben. Nach seiner Kenntnis nehme der Kläger Glimepirid ein.
10Unter dem 10.05.2013 hat der der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht B. auf Gewährung von Blindengeld erhoben (2 K 1515/13).
11Der Kläger hat eine Gesichtsfeldmessung vom 16.7.2013 des Augenzentrums F. sowie Gesichtsfeld- und Visusmessungen der Frau Dr. N. vom 24.05.2013 sowie des Dr. D. vom 13.10.2014 zu den Akten gereicht.
12Das Gericht hat sodann ein augenärztliches Gutachten des Direktors der Klinik für Augenheilkunde der RWTH B. Prof. Dr. X. in Auftrag gegeben, welches dieser - unter Berücksichtigung der Ergebnisse ambulante Untersuchungen vom 28.03., 17.07. und 13.08.2014 - gegenüber dem Gericht erstattet hat. Anamnestisch hat der Kläger u.a. angegeben, der HbA1c Wert liege derzeit bei 8,0. Der Beginn einer Insu-lintherapie sei geplant. Derzeit erhalte er jedoch nur orale Antidiabetika. Er erhalte Pflegestufe II. Der Gutachter hat beim Kläger eine hochgradige Visusminderung in der Ferne und der Nähe sowie eine beidseitige konzentrische und hochgradige Gesichtsfeldeinengung festgestellt. Pathologische Augenbefunde, die den schlechten Visus und das eingeengte Gesichtsfeld erklären könnten, haben sich nach den Feststellungen des Gutachters indes nicht gefunden. Darüber hinaus sei aufgefallen, dass sämtliche Untersuchungen, die nicht auf die subjektive Mitarbeit des Klägers angewiesen waren, deutlich besser ausfielen als diejenigen, die eine gute Mitarbeit des Klägers verlangten. Eine Blindheit im Sinne des Gesetzes könne nicht bestätigt werden.
13Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat weitere Atteste des Dr. D. und der Frau Dr. N. sowie eine Stellungnahme des Landesarztes Dr. I. vom 01.11.2014 vorgelegt. Letzterer hat ausgeführt, dass nach seiner Ein-schätzung beim Kläger Blindheit im Sinne des § 1 Abs. 1 des Blinden- und Gehörlosengesetzes (GHBG) vorliege. Der Gutachter Prof. Dr. X. hat mehrfach er-gänzend Stellung genommen und dargelegt, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach das von ihm gefundene Ergebnis zutreffend ist.
14Am 10.03.2015 hat ein Termin vor dem erkennenden Gericht stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen. Im Nachgang zu dem Termin hat das Gericht Befundberichte des Dr. C. und des Dr. E. eingeholt. Der ebenfalls vom Kläger benannte Orthopäde Dr. C. hat dem Gericht mitgeteilt, der Kläger sei ihm nicht bekannt. Darüber hinaus hat das Gericht ein Pflegegutachten vom 03.06.2013 des Dr. C. für den MDK Nordrhein beigezogen und sodann ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. Q., ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Herrn X. – einschließlich eines testpsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. L. sowie ein orthopädisches Gutachten des Dr. S. eingeholt.
15Der Kläger hat im Oktober 2015 ein Attest des Dr. G. vom 21.09.2015 eingereicht, wonach beim Kläger ein chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine multi-faktorielle Gangstörung, ein Intentionstremor beider Hände unklarer Genese, eine affektlabile Persönlichkeitsstörung, ein hyperglykämisch entgleister Diabetes mellitus Typ II, eine Adipositas per magna, Harninkontinenz und anamnestisch ein Visusverlust des linken Auges vorliegen. Es bestehe mindestens ein GdB von 50. Der Kläger hat sodann ein weiteres Attest des Dr. G. vom 25.10.2015 zu den Akten gereicht, wonach der Kläger seit Oktober 2015 die Diabetestherapie um eine Insulintherapie erweitert worden sei. Zusammen mit einem jetzt ebenfalls neu verordneten GLP1-Analogon müssten vom Kläger selbständig täglich zwei Subcutaninjektionen verabreicht werden. Zusätzlich sei eine Blutzuckerkontrolle jetzt mindestens einmal täglich erforderlich. Er sehe einen GdB von 50, eher sogar 70. Das Gericht hat hieraufhin schließlich einen weiteren Befundbericht des Dr. G. eingeholt.
16Am 12.01.2016 hat ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, hat an der Ver-handlung teilgenommen.
17Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beantragt,
18den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.2012 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013 zu verurteilen, bei ihm ab Antragstellung einen GdB von 100 festzustellen sowie das Vorliegen der ge-sundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und nimmt insbesondere Bezug auf die Ausführungen seiner ärztlichen Berater.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, als bei ihm ab dem 01.10.2015 ein GdB von 60 statt bislang 40 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B festzustellen ist. Soweit der Kläger darüber hinaus die Feststellung eines GdB von 100 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen G, B, aG, RF und Bl seit Antragstellung begehrt, war die Klage abzuweisen.
25Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
26Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht - BSG – Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht - LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
27Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
28Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.
29Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
30Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung sei-nes Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
31Im vorliegenden Fall hat der – insoweit objektiv beweisbelastete – Kläger nach Auf-fassung der Kammer nicht im Vollbeweis nachgewiesen, dass die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Feststellungen eines GdB von mehr als 40 für die Zeit bis zum 01.10.2015 rechtfertigen.
32Der Kläger leidet und litt in dem maßgeblichen Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung zur Überzeugung der Kammer im Wesentlichen unter folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen
331. Subjektiv geschilderten Sehbeeinträchtigungen 2. Leichtgradige Hirnatrophie 3. Psychogen aggravierter Tremor der Hände 4. Dysthymie 5. Polyneuropathie 6. Funktionsstörung der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaße 7. Diabetes mellitus Typ II 8. Fettstoffwechselstörung und Verdacht auf Fettleber 9. Adipositas per magna 10. Funktionelle Herzbeschwerden, Hypertonie 11. Harninkontinenz
34Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte sowie den Gutachten Prof. Dr. C., Prof. Dr. X., X., L., Dr. S. und Dr. Q. fest. Die Gutachten beruhen auf umfangreichen Untersuchungen erfahrener gerichtlicher Gutachter, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf verschiedene augenärztliche Atteste und die Aussage des Dr. I. sich insbesondere gegen die Ausführungen der ophthalmologischen Gutachten wendet, überzeugt dies die Kammer nicht (dazu ausführlich unten).
351. Für das Funktionssystem der Augen ist gemäß Teil B Ziffer 4 der Versorgungsme-dizinischen Grundsätze ein GdB nicht festzustellen.
36Prof. Dr. C. hat den Kläger am 02.08.2012 augenärztlich untersucht. Der Gutachter kam zu der Einschätzung, dass sich für den von der Augenärztin Dr. N. bescheinigte Visus von beidseits cc 0,05 (cum correctione sua – d.h. vorliegend mit vorhandener Brille des Klägers) sowie auch das vom Gutachter mit Perimetrie nach Goldmann mit Marke III/4 ermittelte Gesichtsfeld keinen morphologischen Befund finde, der dieser Werte erklären könnte. Die beim Kläger vorhandenen schrägen Sehnerveneintritte führen nicht zu funktionellen Einschränkungen, was der bei der Optische Kohärenztomographie ermittelte Befund (OCT-Befund – zu der Methode vgl. Grehn, Augenheilkunde, 31. Aufl. 2012, S. 43) gezeigt hat und die vorhandene Myopie habe bisher zu keinen Ausfällen geführt. Zu einer entsprechenden Einschätzung kommt im Ergebnis auch der vom Gericht beauftragte Gutachter Prof. Dr. X ... Auch er weist darauf hin, dass sich organisch sowohl für die beidseitige Visusminderung als auch für die vom Kläger geschilderte Gesichtsfeldeinengung keinerlei pathologische Augenbefunde finden, die diese Werte erklären könnten. Der Gutachter weist aber darauf hin, dass sämtliche Untersuchungen, die nicht auf die subjektive Mitarbeit des Klägers angewiesen waren, deutlich besser ausgefallen sind, als diejenigen, die eine gute Mitarbeit des Kläger verlangt haben. So stünden ein schlechter Visus, Metamorphosien (veränderte Wahrnehmungen, zu einer differenzierteren Beschreibung vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl. 2004, S 1149) und schwach erkennbares Amsler-Netz (vgl. dazu Grehn, Augenheilkunde, 31. Aufl. 2012, S. 49), nicht prüfbares Farbsehen, nicht prüfbares Stereosehen, ausgelöschtes Humphrey-Gesichtsfeld und hochgradig eingeengtes Goldmann-Gesichtsfeld, schlecht prüfbare Motilität, kaum durchführbarer Interferenzvisus und nicht durchführbare Kampimetrie (vgl. zu den Methoden der Gesichtsfeldbestimmung allgemein Augustin, Augenheilkunde, 2. Aufl. 2001, S. 785 ff.; Grehn, Augenheilkunde, 31. Aufl. 2012, S. 46 ff.) allesamt Untersuchungen, die eine subjektive Mitarbeit des Probanden erfordern, einem völlig unauffälligem Organbefund in Vorder- und Hinterabschnitt mit normalem Swinging-Flashlight-Test, normaler Autofluoreszenz, Voderabschnitts- und Hinterabschnitts-OTC, regelrecht auslösbarem okulokinetischen Nystagmus und größtenteils unauffälligen elektrophysiologischen Ergebnissen, objektiv messbaren Ergebnissen, gegenüber. Die besten vom Gutachter Prof. Dr. X. erhobenen Visuswerte zeigten beidseits mindestens eine zentrale Sehschärfe von 0,1. Dass der Kläger mindestens diesen Visus hat konnte nach den Feststellungen des Gutachters, an deren Richtigkeit zu zweifeln für die Kammer kein Anlass besteht, auch durch die elektrophysiologischen Untersuchungen bestätigt werden. Die vom Kläger beschrieben starke konzentrische Einengung des Gesichtsfeldes ist nach den Feststellungen des Gutachters ebenfalls zumindest teilweise auf schlechte Kooperation zurückzuführen. Dies schließt der Gutachter, für die Kammer nachvollziehbar, daraus, dass es große Schwankungen zwischen den verschiedenen perimetrischen Untersuchungen gab und die Mitarbeit des Klägers zwischen den einzelnen Untersuchungen variierte. Die guten Antworten des Klägers im photopischen und skotopischen ERG (vgl. dazu Grehn, Augenheilkunde, 31. Aufl. 2012, S. 54), die die Gesamtheit der retinalen Pho-torezeptoren widerspiegeln, sprechen des Weiteren gegen eine mögliche retinale, d.h. netzhautbezogene, Ursache der Gesichtsfeldeinengung.
37Es steht für die Kammer mit Prof. Dr. X. fest, dass beim Kläger aufgrund der Diskre-panz zwischen den subjektiven und objektiven Ergebnissen bei dem bestehenden organisch regelrechtem Befund davon auszugehen ist, dass die tatsächliche zentrale Sehschärfe und das tatsächliche zentrale Gesichtsfeld besser sind als die subjektiven Angaben, die der Kläger im Rahmen der gutachterlichen Untersuchun-gen und auch den Untersuchungen bei niedergelassenen Augenärzten gemacht hat bzw. dort erhoben wurden. Der Gutachter führt weiter aus, und die Kammer hat keinen Anlass an diesen Ausführungen zu zweifeln, dass insbesondere die beim Kläger seit Kindheit bestehende Myopie, d.h. Kurzsichtigkeit, und der Astigmatismus ("Brennpunktlosigkeit", vgl. Pschyrembel, 260. Aufl. 2004, S. 154) die sehr schlech-ten Visus- und Gesichtsfeldergebnisse nicht ausreichend erklären können. Allerdings, hierauf weist der Gutachter ebenfalls hin, ist eine amblyope Komponente auf beiden Augen letztlich nicht zu 100% auszuschließen (vgl. zur Definition und Prävalenz von Amblyopie Kaufmann/Steffen [Hrsg.] Strabismus, 4. Aufl. 2012, S 262 ff.). Sicher auszuschließen sei aber, dass eine Visus- und Gesichtsfeldminderung durch einen Diabetes mellitus bedingt ist, da sich keinerlei diabetische Korrelate am Auge befinden. Prof. Dr. X. ging aus ophthalmologischer Sicht beim Kläger damit letztlich am ehesten von einer bestehenden Aggravation aus.
38Zwischen Simulation, Aggravation und dem Bestehen von Verdeutlichungstendenzen ist zu unterscheiden. Unter Simulation versteht man dabei im Allgemeinen das bewusste und absichtliche Präsentieren von Beschwerden, die tatsächlich nicht erlebt werden (vgl. Widder/Gaidzik, Begutachtung in der Neurologie, 2. Aufl. 2011, S. 65 ff.; Hausotter, Neurologische Begutachtung, 2006, S. 158; Nedopill/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl.2012, S. 213 ff.; Venlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 23). Aggravation meint demgegenüber die verschlimmernde bzw. überhöhende Darstellung tatsächlich vorhandener krankhaften Störungen zum Zweck der Erlangung von Vorteilen (vgl. Widder/Gaidzik, Begutachtung in der Neurologie, 2. Aufl. 2011, S. 66 ff.; Venlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 23; vgl. auch Hausotter, Neurologi-sche Begutachtung, 2006, S. 158; Nedopill/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl.2012, S. 213 ff.). Bei Verdeutlichungstendenzen handelt es sich um den mehr oder weniger bewussten Versuch, den Gutachter vom Vorhandensein der geklagten Symptome zu überzeugen. Letzteres ist in Begutachtungssituationen durchaus üblich und nicht mit einer Simulation oder Aggravation zu verwechseln (Venlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 23).
39Unter anderem auch vor dem Hintergrund der von Prof. Dr. X. geäußerten Aggravationsvermutung hat die Kammer ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Herrn X. beauftragt. In diesem Rahmen wurde zudem ein testpsychologisches Zusatzgutachten durch Dipl.-Psychologen L. erstellt. Dieser stellte im Rahmen der freien Verhaltensbeobachtung fest, dass der Kläger nach Vorlage einer Buchstaben-reihe eines anerkannten Sehtestes die erste Reihe (Größe 1,4 cm) fehlerfrei lesen konnte. Auch die beiden ersten Buchstaben der zweiten Reihe (Größe 1,1 cm) erkannte der Kläger fehlerfrei, um in Anschluss daran – für den Gutachter nach eigenen Angaben völlig überraschend – zu erklären, er könne die weiteren Buchstaben dieser Zeile nicht mehr erkennen. Herr X. führt in seinem Gutachten hinsichtlich der geschilderten Sehbeschwerden des Klägers aus, dass diese neurologischerseits nicht erklärbar sind und sich weder durch den neurologischen Untersuchungsbefund noch durch die durchgeführte computertomographische Zusatzbegutachtung des Cerebrums verifizieren lassen. Computertomographisch wurde eine leichte Hirnatrophie gefunden, die einen unspezifischen Befund darstellt und die die Sehstörungen nicht erklären kann. Der Gutachter weist aber auf Umstände hin, die auch dem Vorsitzenden bereits im Termin vom 10.03.2015 aufgefallen waren und sich der Kammer in ihrer Besetzung im Termin vom 12.01.2016 ebenfalls gezeigt haben. So ist es dem Kläger nämlich – trotz der von ihm geklagten angeblichen erheblichen Sehschwäche durchaus möglich, sich in fremden Räumen offensichtlich sehend zu orientieren. X. beschreibt dies für das Gehen des Klägers durch die Räume der Praxis. Die Kammer konnte diesen Eindruck auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewinnen. Es steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des vom Kläger gezeigten Verhaltens und den Bewegungsabläufen im Raum fest, dass der Kläger durchaus sich sehend in den Räumen orientieren kann. Es steht zur Überzeugung der Kammer überdies fest, dass der Kläger hierbei insbesondere nicht auf die Hilfe seines Lebenspartners angewiesen ist. Der Kläger konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbständig unter Zuhilfenahme eines Gehstocks gehen und ist – dies war dem Kammervorsitzenden beim Termin am 10.03.2015 aufgefallen – in der Lage problemlos und zielsicher die Klinke der Tür zum Sitzungsaal zu finden. In diesen Zusammenhang fügt sich auch, dass der Kläger anamnestisch angab, zu Lesen (freilich mit Lupe, so sein Vortrag) und Fernsehen zu schauen. Nach Auffassung der Kammer ebenfalls bemerkenswert ist, dass der Kläger sich in mehreren handschriftlichen Erklärungen an das Gericht gewandt hat, die – unter Beachtung der Linierung auf liniertem Papier verfasst waren in weitgehend normaler Schriftgröße. Nach dem Wortlaut der Schreiben zu urteilen, hat der Kläger sie verfasst. Dies erscheint der Kammer – vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach eigenen Angaben Buchstaben in einer Größe von 1,1 cm bei der Untersuchung durch Herrn Kilian nicht lesen konnte, jedenfalls auffällig. Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass jemandes anderes die Schreiben für den Kläger oder dieser sie unter Verwendung von Hilfsmitteln verfasst hat, so dass diese Auffälligkeit letztlich nicht zu Lasten des Klägers in die Erwägungen der Kammer eingeflossen sind.
40X. geht in seinem Gutachten davon aus, dass es sich hinsichtlich der Aggravations-tendenzen bis hin zur Simulation um eine pseudoneurologische Störung im Sinne einer psychogenen Störung oder um bewusst herbeigeführte neurologische Symptome (vgl. dazu unten im Hinblick auf den Tremor des Klägers) handelt, die keinem bekannten organischen Krankheitsbild zugeordnet werden können. Nach den Feststellungen des Gutachters X., die nach Auffassung der Kammer – auch und gerade vor dem Hintergrund des im Termins vom 12.01.2016 gewonnenen persönlichen Eindrucks des Klägers - schlüssig und überzeugend sind, finden sich beim Kläger insgesamt deutliche Hinweise für einen Krankheitsgewinn bei Aggravation der Beschwerden bis hin zur Simulation einer Blindheit. Letztere können vom Gutachter aufgrund der Beobachtungen sowohl im Rahmen der Testpsychologie als auch klinisch-neurologisch nicht nachvollzogen werden.
41Insgesamt steht damit zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Bestehen einer Blindheit nicht objektiviert ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger eventuell tatsächlich bestehende Sehbeeinträchtigungen jedenfalls aggraviert u.U. sogar simuliert. Vor diesem Hintergrund ist insgesamt der Vollbeweis hinsichtlich des Umfangs etwaig bestehender Sehbeeinträchtigungen nicht geführt, was zu Lasten des Klägers geht. Ein GdB für das Funktionssystem der Augen kann nicht festgestellt werden. Soweit in dem Bescheid vom 20.09.2011 bei der Bildung des Gesamt-GdB ein GdB von 30 für die Augen mit in die Bewertung eingeflossen ist, hindert dies die Kammer nicht, den GdB für die Augen nunmehr mit 0 zu bewerten, auch ohne den Nachweis zu führen, dass eine Besserung eingetreten ist, da die Einzelgrade der Behinderung – anders als der Gesamt-GdB – nicht in Bestandskraft erwachsen (st. Rspr. BSB Beschluss vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris, m.w.N.).
422. Für das Funktionssystem Nervensystem und Psyche ist der GdB des Klägers insgesamt gemäß Teil B Ziffer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 20 zu bewerten.
43Die computertomographische Untersuchung des klägerischen Gehirns hat eine leichtgradige Hirnatrophie, d.h. ein leichtgradiger Rückgang von Hirngewebe, offen-bart. Darüber hinaus findet sich beim Kläger ein Tremor insbesondere der rechten Hand sowie eine leichte Polyneuropathie. Darüber hinaus sind eine seelische Störung im Sinne eines psychovegetativen Syndroms und einer Dysthymie objektiviert. Soweit Dr. G. in seinem Befundbericht vom 02.11.2015 Konzentrationsstörungen sowie das Vorliegen einer affektlabilen Persönlichkeitsstörung und eines Intentionstremors beider Hände befundet, und offenbar für die psychischen Störungen allein einen GdB von 50 bis 70 für angemessen erachtet, ist dies schon nicht hinreichend objektiviert. Dr. G. schreibt er in seinem Attest vom 21.09.2015 es sei wegen der affektlabilen Persönlichkeitsstörung aufgrund der "mittelgradigen Ausprägung" ein GdB von 50-70 gerechtfertigt. Nach Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist dieser Bewertungsspielraum vorgesehen für schwere Störungen mit "mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten". Hierzu macht Dr. G. indes keinerlei Angaben. Sie sind derzeit auch weder anderweitig geltend gemacht noch sonst erkennbar. Der Kläger hat bislang zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht in fachpsychiatrischer oder fachpsychologischer Behandlung zu sein. Die Annahmen einer Per-sönlichkeitsstörung setzt im Übrigen das Vorliegen der allgemeinen Kriterien nach ICD-10 F60 oder DSM-5 voraus (vgl. dazu Venlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 292 ff.). Gerade deren Vorliegen hat der Gutachter L. in seinem testpsychologischen Gutachten, welches er im Juli 2015 auf Grundlage der Auswertung verschiedener Testverfahren gerade ausdrücklich ausgeschlossen. Ein Ergebnis, welches vom nervenärztlichen Gutachter X. ebenfalls bestätigt wird. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, auf welcher Grundlage der behandelnde Internist und Diabetologen Dr. G., fachfremd im September 2015 hier zu einer anderen Diagnose kommt. Unabhängig von der Diagnose zeigen aber die eingeholten Gutachten nach Auffassung der Kammer ganz deutlich, dass der Kläger psychisch keinesfalls in einem Maße beeinträchtigt ist, die die Feststellung eines höheren GdB als 20 rechtfertigen würde.
44Im Rahmen der Untersuchung beim Gutachter X. erschien der Kläger zeitlich, örtlich zur Personen und zur Situation ausreichend orientiert. Hinweise für eine Störung der Wahrnehmung oder der Aufmerksamkeit fanden sich nicht. Der Gedankengang war formal geordnet und inhaltlich unauffällig. Ebenso zeigten sich im klinischen Bild keine Hinweise für Störungen der Konzentrationsfähigkeit. Der Gutachter stellte ausdrücklich klar, dass Aufmerksamkeit, Auffassungsgabe und auch Konzentrationsfähigkeit auch mit zunehmender Dauer der Untersuchung nicht nachließen. Das Denken war formal geordnet, wenngleich etwas beschleunigt. Inhaltliche Denkstörungen in Form wahnhafte Vorstellungen wurden nicht berichtet. Auch fanden sich keine Hinweise für Wahrnehmungsstörungen in Form von Trugwahrnehmungen oder illusionären Verkennungen. Hinweise für Ich-Störungen, Zwänge oder paranoide Wahrnehmungsstörungen fanden sich ebenfalls nicht. Auch in Bezug auf Merkfähigkeit und Gedächtnis ergaben sich in der Untersuchung keine Hinweise für Einschränkungen. Biographische und andere anamnestische Daten konnten sicher erinnert und reproduziert werden. Kein Anhalt für krankhafte Einschränkungen der intellektuellen Funktionen, die entsprechend dem Bildungsstand zu erwarten waren. Die Stimmung des Klägers war ausgeglichen (euthym). Die affektive Resonanz war erhalten. Er wirkte nach den Feststellungen des Gutachters emotional angespannt, nervös, drängend hektisch, was nach Auffassung des Gutachters in der Sorge begründet liegen könnte, dass die von ihm vorgetragenen Beschwerden nicht hinreichend bewertet werden könnten. Nach Feststellungen des Gutachters fand sich – bei zuvor be-schriebener Ungeduld, Drängen und Distanzlosigkeit sowie den subjektiv geschilderten Stimmungsschwankungen – eine krankhafte Affektlabilität oder Affektinkontinenz nicht. Antrieb und Grundaktivität waren ausgeglichen, der Kläger lebhaft und spontan.
45Anamnestisch gab der Kläger zwar an, er sie mit seiner Lebenssituation derzeit nicht sonderlich zufrieden, was insbesondere auf seinen gesundheitlichen Einschränkungen beruhe. Aus seinen Angaben ergibt sich nach Auffassung der Kammer indes, dass psychische Beeinträchtigungen, die den Grad einer stärker behindernden Störung im Sinne des Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze erreichen würden, beim Kläger nicht gegeben sind. Der Kläger war weder in seiner Kontaktfähigkeit gegenüber dem Gutachter noch gegenüber dem Gericht beeinträchtigt. Darüber hinaus lebt der Partner in einer Partnerschaft. Der Tagesablauf ist – nach der Darstellung des Klägers – durch gemeinsame Aktivitäten geprägt (gemeinsames Kochen, gemeinsames Essen, gemeinsames Spazierengehen, gemeinsames Fernsehen). Die Partnerschaft besteht nunmehr seit ca. vier Jahren und auch der Kläger geht davon aus, dass er und sein Partner sich gut verstehen. Soweit der Kläger schildert, dass ihm zahlreiche Tätigkeiten nicht mehr möglich seien, geht die Kammer auch hier wieder zu einem erheblichen Teil von einer Aggravation aus (dazu weiter unten). Unter Berücksichtigung des vom Kläger geschilderten Aktivitätsniveau, dem beschriebenen Auftreten bei den Gutachtern sowie dem vor Gericht, der Beschrei-bung der bestehenden Partnerschaft und der Tatsache, dass sich der Kläger – wie dieses Verfahren im Übrigen auch zeigt – maßgeblich um die anfallenden bürokrati-schen Angelegenheiten (Bankangelegenheiten, Behörden- und Anwaltsgänge) kümmert, ist die Kammer mit dem Gutachter X. davon überzeugt, dass der Kläger bei zweifellos bestehender Unzufriedenheit, nicht unter wesentlichen Ein-schränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit leidet, sondern unter leichteren psychovegetativen bzw. psychischen Störungen im Sinne einer Dysthymie, also einer leichten chronischen Depression, die nicht den Ausbildungsgrad einer leichten depressiven Störung erreicht. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der Tremor der rechten und linken Hand zu berücksichtigen. Sowohl X. und Dr. S. beschreiben ein – wie auch in den Vorbefunden – ein Zittern allein der rechten Hand. Dies fiel auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf und zwar auch als sich die Hand in Ruhe befand. Für diesen Tremor lässt sich eine eindeutige Ursache nicht ausmachen. Eine Zuordnung zu einem essentiellen Tremor ist nach Auffassung von X. ebensowenig möglich, wie die Annahme eines Parkinson-Syndroms. Unter Berücksichtigung der Anamnese geht X. davon aus, dass der Tremor psychogen aggraviert ist. Er geht davon aus, dass der Tremor für den Kläger die Funktion übernommen hat, dass er hiermit die Unbeholfenheit der rechten Hand demonstrieren kann und er diese Störung psychisch durch eigenes Mitwirken noch verstärkt. Eine Behandlung des Tremors hat bislang nicht stattgefunden ebensowenig wie eine multimodale Schmerztherapie der Wirbelsäule. Unabhängig von der Frage der Ursächlichkeit und der Therapiemöglichkeiten sind freilich auch insoweit die Teilhabebeeinträchtigungen zu berücksichtigen. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Feststellungen im Gutachten des Dr. S., wonach der Spitzgriff rechts durch das Zittern nur unvollkommen und summarisch möglich ist und die Kraft um die Hälfte gegenüber der linken Hand vermindert ist. Dr. G. und der Gutachter Dr. Q. beschreiben demgegenüber einen deutlichen Handtremor beidseits. Das Greifen ist dem Kläger, dies steht zur Überzeugung der Kammer nach den gutachterlichen Feststellungen und dem Eindruck der Kammer fest, damit grundsätzlich durchaus weiter möglich, wenngleich Einschränkungen bei diffizileren Bewegungsabläufen möglich sein dürften. Daneben ist neurologisch eine leichte Polyneuropathie bei bestehendem vermindertem Berührungsempfinden zu berücksichtigen. Gemäß Teil B Ziffer 3.11 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind insoweit die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien) bzw. sensiblen Störungen zu berücksichtigen. Nach den eingeholten Gutachten, insbesondere des Gutachtens X., steht für die Kammer fest, dass die Funktionsbeeinträchtigungen durch die Polyneuropathie letztlich maßgeblich im Bereich der unteren Extremitäten bzw. Wirbelsäule auswirken, weswegen sie auch in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden sollen. Soweit der Kläger über Kopfschmerzen klagt, sind diese nicht im Ansatz objektiviert. Die Kammer geht durchaus davon aus, dass der Kläger, wie eine Vielzahl von Menschen, auch immer mal wieder unter Kopfschmerzen leidet. Dass diese ein Maß erreichen, die einen GdB bedingen könnten, ist in den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zahlreich eingeholten Befunden und Gutachten nicht im Ansatz dargetan.
46Unter Berücksichtigung der geschilderten Beeinträchtigungen ist für das Funktionssystem Psyche bei leichten psychovegetativen und psychischen Störungen mit Vorliegen eines psychogen aggravierten Tremors der rechten Hand, einer leichtgradigen Hirnatrophie und einer leichten Polyneuropathie der GdB mit 20 zu bemessen.
473. Für die Funktionsstörungen der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze – unter Einbeziehung auch der unteren Extremitäten nach Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze – ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen.
48Der Kläger hat gegenüber den Gutachtern weitgehend übereinstimmend sinngemäß erklärt, er leide unter Schmerzen insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlungen bis in die Füße. Er sei nur noch in der Lage sich mit Hilfsmitteln beschwerlich fortzubewegen. Er berichtete über Sensibilitätsstörungen. Die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule seien ständig vorhanden und nähmen beim Gehen zu. Soweit der Kläger gegenüber den Gutachtern angegeben hat, er könne ohne Rollator nicht mehr gehen, trifft dies – wie sich anlässlich beider Gerichtstermine gezeigt hat – nicht zu. Der Kläger war zu beiden Terminen unter Zuhilfenahme eines Gehstocks und nicht eines Rollators erschienen. Es zeigte sich beim Termin vom 12.01.2016 zur Überzeugung der erkennenden Kammer schon aufgrund entsprechender Inaugenscheinnahme, dass der Kläger durchaus beweglicher und selbständiger ist als er seine Umgebung glauben machen will. Hierin sieht sich die Kammer im Übrigen auch durch die eingeholten Gutachten bestätigt.
49Im Rahmen der Untersuchung durch den Orthopäden Dr. S. zeigte sich beim Kläger folgendes Bild. Die seitliche Hals- und Nackenmuskulatur sowie die Schulterhöhenmuskulatur werden weich und nicht erkennbar schmerzhaft eindrückbar beschrieben. Auch die Brustwirbelsäulenmuskulatur war weich, eindrückbar und nicht druckschmerzhaft, im Bereich der Lendenwirbelsäule war die begleitende Rückenstreckmuskulatur im Tonus erhöht und druckschmerzhaft. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule zeigte folgende nach Neutral-Null ermittelten Ausmaße (re/li): Seitenneigen 30°/0°/30°, die Reklination/Inklination mit 30°/0°/40° und die Rotation mit 60°/0°/60°. Damit war die Beweglichkeit der Halswirbelsäule weitgehend normgerecht (vgl. zu den Bewegungsausmaßen der Wirbelsäule allgemein Grifka/Krämer, Orthopädische Unfallchirurgie, 9. Aufl. 2013, S. 157 f.; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 17). Die Beweglichkeit Lendenwirbelsäule erschien mit einem Vorneigen/Rückneigen von 30°/10°/0°, einer Seitenneigung von 10°/0°/10° und einer Drehbewegung von 10°/0°/10° bei einem Maß nach Schober von 10/12 cm mittelgradig eingeschränkt (zu den Werten nach Schober vgl. Wülker (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie, 2. Aufl. 2010, S. 224). Neurologische Aus-fallerscheinungen, bedingt durch die Wirbelsäule konnte Dr. S. nicht feststellen. Das Heben der Beine in die Senkrechte gelang dem Kläger beidseits zwischen 60° und 70° und war durch die bestehende Fettschürze begrenzt. Ebenfalls begrenzt durch die bestehende Fettschürze war das Beugen der Hüftgelenke beidseits mit rechts 80°/0°/10° und links 90°/0°/10°, wobei die passive Drehbewegung bei ge-streckten Beinen nicht schmerzhaft war und in normalen Umfang gezeigt werden konnte. Bei der Prüfung nach Lasègue gab der Kläger zwar Rückenschmerzen an, aber nicht in den Bereichen, die für die durch die nachgewiesenen Bandscheibenvorfälle gedehnten Nervenwurzeln typisch wären. Die Prüfung nach Lasègue war auch bei der Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater X negativ. Auch dort zeigte sich die Lendenwirbelsäule etwas druckschmerzhaft. Die Brustwirbelsäule war dort nicht klopfschmerzhaft, die Halswirbelsäule frei beweglich. X wies freilich auf das am Rumpf und in den Beinen bestehende verminderte Berührungsempfinden des Klägers hin (dazu bereits oben). Allein bei der Untersuchung durch Dr. Q. war das Lasègue’sche Zeichen rechts bei 60° und links bei 45° positiv, wobei bei dieser Untersuchung leider – anders als durch X – nicht der beschriebene Schmerz näher verortet worden ist.
50Betrachtet man die reinen Bewegungseinschränkungen so ist nach Auffassung der Kammer mit Dr. S. an sich von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen. Vor dem Hintergrund freilich, dass – wenngleich auch insoweit der Anteil der beim Kläger bestehenden Aggravationstendenzen nicht trennschaft erfasst werden kann – sowohl X. als auch Dr. Q. von einer durch die nachgewiesenen Bandscheibenvorfälle und insbesondere das beim Kläger bestehende erhebliche Übergewicht verursachten Schmerz- und Beschwerdesymptomatik mit (zumindest) pseudoradikulärer Schmerzaustrahlung in die Beine ausgehen, kann hier nach Auffassung der Kammer mit den beiden Gutachtern ein GdB von 30 für diesen Bereich in Ansatz gebracht werden, wobei hierbei auch die Auswirkungen der Polyneuropathie berücksichtigt sind. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze die Adipositas allein keinen GdB bedingt, dass aber Folge- und Begleitschäden, wie sie nach den Feststellungen der Gutachter beim Kläger vorliegen, die Annahme eines GdB, insbesondere bei der vorliegenden Adipositas per magna (vgl. BSG Urteil vom 24.04.2008 – B9/9a SB 7/06 R = juris Rn. 14). Hierbei sind freilich die – ebenfalls durch die Adipositas bedingte eingeschränkte Beweglichkeit der Hüftegelenke – miterfasst.
514. Sonstige Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten, die gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von mindestens 10 bedingen würden sind nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten und sonstigen Arzt- und Befundberichte nicht objektiviert. Das Gleiche gilt für den Bereich der oberen Extremitäten gemäß Teil B Ziffer 18.13. Der beim Kläger vorliegende Tremor wurde mit seinen Auswirkungen bereits bei der Feststellung des GdB für das Funktionssystem Nerven und Psyche zutreffend berücksichtigt.
525. Für das Funktionssystem des Stoffwechsels und der inneren Sekretion ist der GdB des Klägers bis zu dem Zeitpunkt, in dem nachweisbar eine Insulintherapie aufgenommen wurde, d.h. Oktober 2015, der GdB mit 20, ab diesem Zeitpunkt mit 40 zu bewerten.
53Gemäß Teil B Ziffer 15.1 Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der aktuellen Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Versordnung (5. VersMedVÄndV) vom 11.10.2012 (BGBl. I, S. 2122) gilt hinsichtlich der Beurteilung eine Zuckerkrankheit Folgendes:
54Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.
55Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.
56Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
57Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50
58Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.
59Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen steht für die Kammer fest, dass der Kläger mit einer Insulintherapie erst im Oktober 2015 begonnen hat. Zuvor wurde der Diabetes medikamentös oral behandelt. Gemäß Teil B Ziffer 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist bei zur Beginn der Insulintherapie von einem GdB von 20 auszugehen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass zeitweise der Blutzucker des Klägers schlecht eingestellt war, so berichtete der frühere Internist des Klägers, Dr. S. im Jahr 2013 von einem HbA1c-Wert von 11,9%. Der HbA1c-Wert ermittelt den Anteil des glykierten Hämoglobins in den Erythrozyten und stellt derzeit das wichtigste Maß für die Qualitätsbeurteilung der Blutzuckereinstel-lung der jeweils letzten zwei Monate dar (Hien/Böhm/Claudi-Böhm/Krämer/Kohlhaas, Diabetes Handbuch, 7. Aufl. 2013, S. 9 f.; Häring/Gallwitz/Wieland/Usadel/Mehnert, Diabetologie in Klinik und Praxis, 6. Aufl. 2011, S. 107 f.). Die Normwerte liegen im Bereich von 4% bis 6%. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. X. war der HbA1c-Wert zwischenzeitlich nach Angaben des Klägers bei 8%. Dr. G. beschreibt in seinem Befundbericht aus November 2015 wiederum einen HbA1c-Wert von 10,2%. Damit ist insgesamt zwar von einer schlechten Blutzuckereinstellung auszugehen, was nach Auffassung der Kammer auch daran liegt, dass der Kläger ein besonderes Augenmerk auf die Behandlung des Diabetes bislang nicht gelegt zu haben scheint. So beschrieb der Diabetologe Dr. E. den Kläger als äußerst incomplient. Bei der Untersuchung durch Dr. Q. konnte der Kläger offenbar den Namen des aktuellen Kombinationspräparats ebenfalls nicht nennen. Es enthalte jedenfalls Metformin. Der Gutachter X. hat Comboglyt 1000 notiert. Gemeint ist hier wohl Komboglyze® 1000, ein Kombinationspräparat, welches die Wirkstoffe Metformin und Saxagliptin (Letzteres ein sog. "DPP4-Hemmer") enthält, denen beiden kein wesentlich erhöhtes Hypoglykämiepotential zugeschrieben wird (vgl. zu alledem etwa Piper, Innere Medizin, 2. Aufl. 2013, S. 469 ff.). In der Vergangenheit hat der Kläger den Diabetes mit oralen Antidiabetika freilich auch mit dem Wirkstoff Glimepirid behandelt, bei welchem ein erhöhtes Hypoglykämiepotential besteht (vgl. dazu etwa Siegenthaler/Blum [Hrsg.], Klinische Pathophysiologie, 9. Aufl. 2006, S. 93; Fröhlich/Kirch, Praktische Arzneitherapie, 3. Aufl. 2003, S. 511). Die Teilhabebeeinträchtigungen durch die Zuckerkrankheit sind, insbesondere im Hinblick auf den nur geringen Therapieaufwand des Klägers, bei fehlenden manifesten Anzeichen für Folgeerkrankungen – so konnte bislang bspw. eine diabetische Retinopathie ausgeschlossen werden – bis Oktober 2015 mit 20 wohlwollend hoch bewertet. Soweit beim Kläger eine Polyneuropathie besteht wurde diese bereits oben hinreichen bewertet ... Vor dem Hintergrund eines unauffälligen Urinstatus und normalen Kreatininwerten findet sich auch kein Anhalt für das Vorliegen einer relevanten diabetischen Nephropathie. Die Tatsache, dass der Blutzucker beim Kläger schlecht eingestellt ist, bedeutet – im Hinblick auf die fehlende Compliance des Klägers - insbesondere nicht, dass er auch schlecht einstellbar ist.
60Nach dem Arzt- und Befundbericht des Dr. G. aus Oktober bzw. November 2015 geht die Kammer allerdings davon aus, dass der Kläger ab Oktober eine Insulintherapie begonnen hat. Hierbei muss der Kläger zweimal täglich Insulin spritzen und mindestens einmal täglich selbständig eine Blutzuckerkontrolle durchführen. Darüber hinaus nimmt der Kläger ein GLP-1-Analogon ein (vgl. hierzu etwa Piper, Innere Medizin, 2. Aufl. 2013, S. 470). Hierfür ist ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen.
61Schon der oben zitierte Wortlaut der Vorschrift der Ziffer 15.1 macht deutlich, dass beim Kläger die Voraussetzungen für einen GdB von mindestens 50 nicht erfüllt sind. Hierfür sind nämlich (mindestens) drei Beurteilungskriterien erforderlich. Es müssen (1.) täglich mindestens vier Insulininjektionen durchgeführt werden. Es muss darüber hinaus (2.) eine selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung erfolgen sowie (3.) eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte vorliegen. Hierbei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berücksichtigen, dass diese drei Kriterien in einer Gesamtschau die sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustands erleichtern sollen (vgl. BSG Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R = juris Rn. 16 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 25.10.2012 – B 9 SB 2/12 R = juris Rn. 34). Beim Kläger scheidet schon die Annahme des ersten Tatbestandsmerkmals aus, da er nur zweimal täglich spritzt. Es ist beim Kläger vielmehr von einem Bewertungsspielraum zwischen 30 und 40 auszugehen. Unter Berücksichtigung, der – nach Auffassung der Kammer wohl auch der schlechten Complience des Klägers geschuldeten – nachgewiesenen HbA1c-Werten, die in dem hier betrachteten längeren Zeitraum durchaus nicht unerheblich schwanken – ist dieser Bewertungsspielraum nach oben auszuschöpfen. Wie sich die Zuckerkrankheit unter der nunmehr begonnen Therapie entwickelt, wird abzuwarten sein. Soweit beim Kläger darüber hinaus eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert wurde, erhöht diese gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungsmedizinschen Grundsätze den GdB nicht weiter. Das Gleiche gilt für die Adipositas per magna, die im Übrigen, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgend, ausnahmsweise bereits oben beim Kläger berücksichtigt worden ist.
626. Für das Funktionssystem Herz und Kreislauf ist gemäß Teil B Ziffer 9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von höchstens 20 in Ansatz zu bringen, der nach Auffassung der Kammer allenfalls soeben erreicht ist. Der behandelnde Internist Dr. G. geht in seinem Befundbericht vom 02.11.2015 von einer arteriellen Hypertonie im Sinne einer Belastungshypertonie aus. Der Kläger nimmt derzeit Verapamil 240, Herz ASS sowie das Diuretikum Torasemid. Die beim Kläger objekti-vierten Blutdruckwerte lagen zwischen Riva-Rocci (RR) 120/80 mmHg (Dr. S.), RR 140/100 mmHg (Dr. Q.), RR 124/86 mmHg (Dr. G.) und sind damit – in Ruhe – etwas erhöht. Nach den Feststellungen des Internisten und Arbeitsmediziners Dr. Q. in seinem Gutachten, an deren Richtigkeit die Kammer keinen Anlass zu zweifeln hat, sind Organschäden bislang nicht objektiviert. Hinweise auf eine Herzinsuffizienz als Ursache der vom Kläger geschilderten Atemnot bei Belastung finden sich bei normalem NT-proBNP labortechnisch (zum Aussagegehalt der Bestimmung dieses Wertes, vgl. Bruhn/Junker/Schäfer/Schreiber, Labormedizin, 3. Aufl. 2011, S. 174 ff.) und klinisch nicht, weswegen die Feststellung eines höheren GdB als soeben 20 keinesfalls gerechtfertigt erscheint. Die Kammer hat hierbei die Einnahme der verschiedenen Medikamente berücksichtigt.
637. Der Kläger gibt zudem an, er leide unter einer Harninkontinenz, die das Tragen von Vorlagen erforderlich mache. Eine Behandlung dieses vom Kläger geltend gemachten Leidens ist bislang nicht objektiviert. Im Rahmen eines 2012 erstellten Befundberichts gaben die Ärzte an, der Kläger sei zuletzt im Januar 2010 zur Therapie einer seit 2003 schon bekannten Phimose (Vorhautverengung) vorstellig geworden. Die Kammer möchte nicht in Abrede stellen, dass es beim Kläger zu ungewolltem Harnabgang kommt. Insoweit wird auf das Pflegegutachten vom 03.06.2013 Bezug genommen, wonach beim Kläger eine Harnteilinkontinenz besteht. Anhaltspunkte, die insoweit einen höheren GdB als 10 – höchstens soeben 20 – rechtfertigen würden sind indes nicht objektiviert.
648. Wesentliche weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB bedingen könnten, sind nicht objektiviert.
659. Vor diesem Hintergrund ist bei dem Kläger gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für die Zeit bis Oktober 2015 ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden, für die Zeit danach ein GdB von 60. § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris). Im Vordergrund stehen vorliegend erkennbar die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule im Zusammenspiel mit den unteren Extremitäten und den Einschränkungen durch die Adipositas per magna. Diese bedingen - wie oben ausgeführt - einen GdB von 30. Neben diesen sind die Beeinträchtigungen für das Funktionssystem Psyche und Nerven mit einem GdB von 20, sowie der Diabetes mit einem GdB von ebenfalls 20 in Ansatz zu bringen. Bei diesen ist indes schon zu berücksichtigen, dass Teilaspekte der Psyche und des Diabetes bereits in die Bewertung des GdB von 30 für die Wirbelsäule und die unteren Extremitäten (bezüglich der Schmerzen und den Auswirkungen der Polyneuropathie) mit eingeflossen sind. Zunächst ist damit ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen. Die Beeinträchtigungen des Funktionssystems Herz treten mit einem GdB von soeben 20 in den Hintergrund. Das Gleiche gilt für die übrigen objektivierten Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein GdB von mindestens 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft kommt zunächst nicht in Betracht. Dies schon vor allem deshalb, weil sich die objektivierten Beeinträchtigungen der Klägerin gerade nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheitsschaden vergleichen lassen, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen festen GdB-Wert von 50 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Insbesondere lassen sich Beeinträchtigungen etwa vergleichbar einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthesen die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb), oder aber einer Versteifung des Hüftgelenks in ungünstiger Stellung oder dem Verlust eines Beins im Unterschenkel bei dem Kläger nicht feststellen. Dies umso mehr als beim Kläger die starken Aggravationstendenzen (dazu bereits oben) zu berücksichtigten waren. Für die Zeit ab Oktober 2015 ist indes die Erhöhung des GdB für den Diabetes zu berücksichtigen. Dieser ist mit 40 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der im übrigen gleichbleibenden sonstigen Erkrankungen erscheint es nach Auffassung der Kammer gerechtfertigt, den GdB des Klägers aber diesem Zeitpunkt insgesamt mit 60 zu bewerten.
6610. Soweit der Kläger die Eintragung des Merkzeichens Bl begehrt, war die Klage abzuweisen. Blind ist ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt, vgl. Teil A Ziffer 6 lit. a der Versorgungsmedizinschen Grundsätze. Als blind ist darüber hinaus ein Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn anderen Sehstörungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Diese in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen vorgenommene Bestimmung des Merkmals "blind" entspricht im Wesentlichen den Regelungen des § 1 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG) vom 25.11.1997 (GV. NW. 1997 S. 430) in der derzeit geltenden Fassung sowie der des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe – (SGB XII), auf den § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbe-hindertenausweisverordnung (SchwbAwV) vom 25.7.1991 (BGBl. I, S. 1739) in der derzeit geltenden Fassung Bezug nimmt. Liegen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 5 SGB XII vor ist nach Feststellung dieser Merkmale das Merkzeichen Bl. einzutragen. Voraussetzung für die Feststellung von Merkzeichen ist indes, dass der Kläger schwerbehindert ist, d.h. bei ihm ein GdB von mindestens 50 festgestellt wurde. Für die Zeit bis Oktober 2016 scheidet damit die Eintragung irgendwelcher Merkzeichen – also auch des Merkzeichens Bl – per se aus. Aber für die Zeit danach kommt die Zuerkennung des Merkzeichens nicht in Betracht, da die oben geschilderten gesundheitlichen Voraussetzungen beim Kläger wie oben ausführlich dargelegt – nicht objektiviert sind.
6711. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens aG.
68Gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung; vgl. hierzu und zu den sich aus dem Merkzeichen ergebenden rechtlichen Folgen, Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R = juris Rn. 11; BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R = juris Rn. 15). Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO (neu bekannt gemacht am 26. Januar 2001, BAnz 2001, Nr. 21, S 1419). Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Die Frage, ob die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Rechtsverordnung verbindliche Festlegungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen enthalten, war bislang umstritten. So wurde teilweise die Auffassung vertreten, eine Ermächtigungsgrundlage zur Schaffung einer Rechtsverordnung betreffend die im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche sei nicht gegeben. Insbesondere enthalte die durch die Versorgungsmedizinischen Grundsätze in Bezug genommene Regelung des § 30 Abs. 17 BVG a.F. (nunmehr § 30 Abs. 16 BVG) keine entsprechende Ermächtigung (Dau, jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 02.10.2012 - L 8 SB 1914/10 = juris Rn. 26). Die Regelungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Nachteilsausgleich aG seien damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Rechtsgrundlage seien daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze. Dieser Auffassung hatte sich - normtheoretisch - in der Vergangenheit auch die erkennende Kammer angeschlossen. Sie hatte aber stets darauf hingewiesen, dass gleichwohl die Feststellungen des Teil D Ziffer 3 mit in die Bewertung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens aG einbezogen werden können, wenngleich freilich nicht als Rechtsgrundlage im Sinne einer Rechtsverordnung. Die Feststellungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen werden auf Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze evidenzbasierter Medizin erstellt und fortentwickelt, vgl. § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung. Sie enthalten - im Hinblick auf das Merkzeichen aG - im Wesentlichen die gleichen Regelungen, wie bereits Ziffer 31 der vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), zuletzt aus dem Jahr 2008, (AHP 2008). Die Festlegungen der Anhaltspunkte sind von der Rechtsprechung - als antizipierte Sachverständigengutachten - bei der Frage der Beurteilung der Zuerkennung von Merkzeichen zugrundegelegt worden. Eine entsprechende Funktion erfüllten nach Auffassung der Kammer bislang auch die nunmehr in Teil D Ziffer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze dargelegten Regelungen (vgl. hierzu etwa SG Aachen – S 12 SB 240/13 = juris; für eine Anwendung der in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen dargelegten Anforderungen auch Bayerisches LSG Urteil vom 26.09.2012 - L 15 SB 46/09 = juris Rn. 61; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19.12.2011 - L 13 SB 12/08 = juris Rn. 29; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.11.2011 - L 11 SB 67/09 = juris Rn. 34; wohl auch LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 09.08.2012 - L 10 SB 10/12 = juris Rn. 15; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.07.2010 - L 6 SB 133/09 = juris Rn. 29; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.07.2010 - 6 SB 133/09 = juris Rn. 27; a.A. offensichtlich LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 12.10.2011 - L 6 SB 3032/11 = juris Rn. 39 ff.). Auf diese Problematik hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich reagiert (vgl. BT-Drucks. 18/3190, S. 5). Durch Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II, S. 15) wurde in § 70 SGB IX ein Absatz 2 angefügt, in dem nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausdrücklich ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Darüber hinaus wurde § 159 SGB IX um einen Absatz 7 erweitert, wonach, sofern noch keine Verordnung nach § 70 Absatz 2 erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des BVG und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Diese Änderungen sind am 15.01.2015 in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber nunmehr nach Auffassung der Kammer eine eindeutige und hinreichende normative Grundlage für die Anwendung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze auch hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Merkzeichen geschaffen (in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 = juris; Vogl in: jurisPK-SGB IX, § 159 Rn. 38 f; ders., in: jurisPK-SGB IX, § 146 Rn. 5 f.). Spätestens seit dem 15.01.2015 ist damit klar, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Rechtsverordnung unmittelbare - auch die Gerichte bindende - Wirkung entfalten. Für die Zeit davor bleibt es nach Auffassung der Kammer indes dabei, dass die in Teil B Ziffer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze richterrechtlich zur Bestimmung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen herangezogen werden konnten. Im Ergebnis ergeben sich hierdurch mithin keine Änderungen (so auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 = juris). Da der Kläger jedenfalls nicht in eine der oben genannten Beispielsgruppen fällt, war zu klären, ob er dem ausdrücklich beschriebenen Personenkreis gleichzustellen ist. Eine Gleichstellung muss dann erfolgen, wenn ein Betroffener in seiner Gehfähigkeit in ungewöhnlichem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter eben so großen Anstrengungen wie die erstgenannte Gruppe von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R = juris Rn. 11 ff.; BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R = juris Rn. 15 ff.; BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R =juris Rn.18) Die damit erforderliche Bildung eines Vergleichsmaßstabes birgt freilich Schwierigkeiten, weil die verschiedenen, im Gesetz ausdrücklich aufgezählten Gruppen in ihrer Wegfähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppe - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können. Auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen kann es grundsätzlich aber nicht ankommen (vgl. dazu Bundessozialgericht, a.a.O.) Im Ergebnis ist hinsichtlich der Gleichstellung bei dem Restgehvermögen des Betrof-fenen anzusetzen. Insoweit stellen die maßgeblichen straßenrechtlichen Vorschriften darauf ab, ob ein schwerbehinderter Mensch nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung - und zwar praktisch von den ersten Schritten - außerhalb seines Kraftfahrzeuges sich bewegen kann. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R = juris Rn. 11 ff.; BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R = juris Rn. 15 ff.; BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R =juris Rn.18). Bei der erforderlichen tatrichterlichen Feststellung, ob und ggf. in welchem Umfang körperlichen Anstrengungen vorhanden sind, kann dabei nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Zur Klärung dieser Frage sind Indizien wie Erschöpfungszustände, Luftnot, Schmerzen oder ähnliches heranzuziehen (vgl. BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R = juris Rn. 11 ff.; BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R = juris Rn. 15 ff.). So lässt sich ein vergleichbares Erschöpfungsbild u.a. aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren - auch auf Großparkplätzen - mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das ein Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert (BSG, a.a.O.). Unter Berücksichtigung der genannten Kriterien liegen beim Kläger die Vorausset-zungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens aG nicht vor. Der Gutachter Dr. S. beschrieb, dass der Kläger sich innerhalb der Räume der Interstut GmbH normal bewegte und nicht orientierungslos oder erkennbar hilflos war. Er kam mit einem Rollator, suchte die Toilette vom Flur aus aber ohne Rollator auf. Auch ging er sonstige kürzere Strecken ohne Rollator. Der sozialmedizinisch erfahrene Gutachter kam zu der Einschätzung, dass der Kläger insbesondere durch sein erhebliches Übergewicht in der Gehstrecke limitiert ist, keinesfalls aber in einem Maße, die die Zuerkennung des Merkzeichens aG rechtfertige. Entsprechendes berichtet Herr X., der überdies darauf hinweist, dass der der Kläger gerade bei seinen Gehversuchen sich demonstrativ und deutlich aggravierend – bis hin zur Simulation – verhielt. Die Kammer ist unter Berücksichtigung der Gutachten und dem Eindruck, den die Kammer vom Gangbild des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen hat – der Kläger bewegte sich hier ebenfalls ohne Rollator und – zeitweise gestützt - mit Hilfe eines Gehstocks – davon überzeugt, dass der Kläger keinesfalls mit den Personen vergleichbar ist, bei denen die Zuerkennung des Merkzeichens aG in Betracht kommt. 12. Auch die Feststellung für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF kommt nicht in Betracht. Nach der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 30.11.1993 des Landes Nordrhein-Westfalen (GVBl. NRW 1993, S. 970) steht das Merkzeichen RF den Fürsorgeberechtigten im Sinne des § 27e BVG, Blinden oder nicht nur vorübergehend sehbehinderten Personen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung sowie Hörgeschädigten, die gehörlos sind, oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Gehörhilfen nicht möglich ist, zu. Eine Inanspruchnahme kommt überdies nach § 1 Nr. 3 der Verordnung in Betracht, wenn ein behinderter Mensch aufgrund seiner Leiden gehindert ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (zum Merkzeichen RF BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24). Öffentliche Veranstaltung ist dabei jede grundsätzlich jedermann uneingeschränkt oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (z.B. Eintrittsgeld) zugänglich ge-machte Veranstaltung im Sinne einer Organisation von Darbietungen verschiedenster Art; dazu zählen Veranstaltungen politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art, wobei es auf das tatsächliche Angebot von Veranstaltungen im örtlichen Einzugsbereich des Behinderten ebenso wenig ankommt wie auf seine persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG; auch BSG Urteil vom 10.08.1993, 9/9a RVs 7/91; Urteil vom 16.03.1994, 9/9a RVs 3/83; Urteil vom 12.02.1997, 9/9a RVs 2/93; LSG NRW Urteil vom 18.01.2006; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom15.03.2012 - L 11 SB 105/09 = juris Rn. 41). Dazu gehören nicht nur Theater-, Oper-, Konzert- und Kinovorstellungen, sondern auch Veranstaltungen wie etwa Ausstellungen, Messen, Museen, Märkte, Gottesdienste, Volksfeste, Sportveranstaltungen, Tier- und Pflanzengärten sowie letztlich auch öffentliche Gerichtsverhandlungen. Maßgeblich ist allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Mitteln (z.B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.09.1991 - 9/9a RVs 15/98 = juris Rn. 9). Die Unmöglichkeit zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leides ständig, d.h. allgemein und um-fassend, vom Besuch ausgeschlossen ist. Aufgrund der eingeholten gerichtlichen Gutachtens sowie den Befundberichte und nicht zuletzt des persönlichen Eindrucks des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dieser derzeit nicht dauernd gehindert ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Die hierfür erforderliche Sehbehinderung ist beim Kläger nicht objektiviert (vgl. dazu oben). Auch sonstige Beeinträchtigungen die einer Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. 13. Der Kläger hat aber ab Oktober 2015 einen Anspruch auf Feststellung des Vor-liegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G. Nach 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Die Länge der In § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Wegstrecke ist gesetzlich nicht geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beträgt die üblicherweise im Ortsverkehr zurückgelegte Strecke zwei Kilometer, die etwa in einer halben Stunde zurückgelegt werden (etwa BSG Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 = juris Rn. 13 ff.; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 = juris Rn. 19; BSG Urteil vom 27.08.1998 - B 9 SB 13/97 R = juris Rn. 15). Feststellungen zur Zuerkennung des Merkzeichens G enthält darüber hinaus Teil D Ziffer 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Die entsprechende Regelung lautet u.a.: "( ) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird ( ). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen ( ). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Seh-behinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht." Die Regelung macht deutlich, dass die Annahme des Merkzeichens G regelmäßig dann in Betracht kommt, wenn Beeinträchtigungen, die sich auf die Gehwerkzeuge auswirken mindestens einen GdB von 50, in Ausnahmefällen auch von 40, bedingen. Solche Beeinträchtigungen sind beim Kläger derzeit nicht objektiviert (vgl. dazu bereits oben). Indes ist in diesem Zusammenhang nach Auffassung der Kammer die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berücksichtigen, wonach bei der Frage, ob die Voraussetzungen des Merkzeichens G gegeben sind auch zu berücksichtigen ist, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen (vgl. BSG Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 7/06 R = juris Rn. 12). Von diesen Faktoren sind nach den Vorgaben des Versorgungsmedizinischen Grundsätze all diejenigen unbeachtlich, die die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (vgl. BSG Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 7/06 R = juris, a.a.O.). Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Gutachter geht die Kammer davon aus, dass eine Wegstrecke von 2 km innerhalb einer Zeit von etwa einer halben Stunde nicht mehr zumutbar ist. Trotz der festgestellten Aggravation des Klägers geht auch die Kammer davon aus, dass dies zutrifft und zwar insbesondere aufgrund der beim Kläger vorlie-genden Adipositas per magna bei bestehender schwacher Muskulatur, bestehenden Beeinträchtigungen insbesondere der Lendenwirbelsäule mit jedenfalls pseudoradikulären Auswirkungen auch auf die unteren Extremitäten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann insoweit auch das erhebliche Übergewicht berücksichtigt werden. Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna sind nicht nur bei Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB (erhöhend) zu berücksichtigen, sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der in § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen (BSG Urteil vom 10.12.1987 – 9a RVs 11/87 = juris Rn. 9; BSG Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 7/06 R = juris Rn. 14). Wie oben bereits ausgeführt bedingen die Beeinträchtigungen in der Wirbelsäule und den unteren Extremitäten für sich noch keinen GdB von 40. Die aus den Gesundheitsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates folgenden Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr werden aber jedenfalls durch funktionelle Auswirkungen der Adipositas per magna so weit verstärkt, dass die dem Kläger zumutbare Wegstrecke auf unter 2 km abgesunken ist. Für die Zeit ab der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft kommt nach alledem auch die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Auswirkungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G in Betracht.
6914. Ab diesem Zeitpunkt ist beim Kläger auch das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens B gegeben.
70Für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX ist in Verbindung mit § 146 Abs. 2 SGB IX die Notwendigkeit ständiger Begleitung zu beurteilen. Ständige Begleitung ist - nach ständiger Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (dazu schon oben) - bei schwerbehinderten Menschen, bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G oder H vorliegen, notwendig, wenn sie infolge der Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Das Merkzeichen G liegt bei dem Kläger seit Oktober 2015 vor (vgl. dazu oben). Es ist demnach nach Teil D Ziffer 2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu klären, ob der Kläger bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist, ob er etwa beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen erforderlich sind. Insoweit nimmt die Kammer ebenfalls Bezug auf die Ausführungen der gerichtlich bestellten Gutachter Dr. S. und X., die beide übereinstimmend zu der Einschätzung ge-kommen sind, dass der Kläger bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf fremde Hilfe angewiesen ist, um Gefahren für sich oder andere zu vermeiden und er Hilfe beim Ein- und Aussteigen bedarf. Auch insoweit macht sich nach Auffassung der Kammer die adipositasbedingte Gehschwäche und Unsicherheit bemerkbar. Die Kostentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt insbesondere die Tatsache, dass die Voraussetzungen für einen höheren GdB als 40 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B erst seit Oktober 2015 und damit im laufenden Gerichtsverfahren eingetreten sind. Der Beklagte hat somit keine Veranlassung zur Klage gegeben.
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(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch
- a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung, - b)
eine Kriegsgefangenschaft, - c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, - d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist, - e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen, - f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.
(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.
(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.
(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.
(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.
(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.
(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.
(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.
(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.
(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.
(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.
(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:
- 1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über - a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen, - b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr, - c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind, - d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c, - e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
- 2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr, - 3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um - a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen, - b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
- 4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten - a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend, - b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei - aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist, - bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
- 5.
die Anforderungen an - a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen, - b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
- 6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über - a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter, - b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
- 7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen, - 8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen, - 9.
die Maßnahmen - a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind, - b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten, - c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
- 10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, - 11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, - 12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung, - 13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind, - 14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer, - 15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs - a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen, - b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel, - c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
- 16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen, - 17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen, - 18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:
- 1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über - a)
die Systematisierung von Fahrzeugen, - b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität, - c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung, - d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen, - e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten, - f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder - g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
- 2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, - 3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen - a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1, - b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder - c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
- 4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass - a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder - b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.
(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:
- 1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall, - 2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen, - 3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten - a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2, - b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder - c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
- 4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung, - 5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere - a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung, - b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder - c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
- 6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder - 7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.
(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
- 1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, - 2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder - 3.
zum Schutz der Verbraucher.
- 1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen, - 2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder - 3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.
(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.
(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.
(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen
- 1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder - 2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,
- 1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen, - 2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder - 3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.
(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.
(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen:
1. | aG | wenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 229 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, |
2. | H | wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften ist, |
3. | BI | wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist, |
4. | GI | wenn der schwerbehinderte Mensch gehörlos im Sinne des § 228 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, |
5. | RF | wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt, |
6. | 1. Kl. | wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt, |
7. | G | wenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 229 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist, |
8. | TBI | wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Störung der Hörfunktion mindestens einen Grad der Behinderung von 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 hat. |
(2) Ist der schwerbehinderte Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 229 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch berechtigt, sind auf der Vorderseite des Ausweises das Merkzeichen „B“ und der Satz „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ einzutragen.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Versorgungskrankengeld, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst und zwar entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 Satz 1 des Sechsten Buches) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr.
(2) Der Anpassungsfaktor wird errechnet, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Absatz 7 und § 121 Absatz 1 des Sechsten Buches gelten entsprechend.
(3) Eine Anpassung nach Absatz 1 erfolgt, wenn der nach Absatz 2 berechnete Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 überschreitet.
(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt.
(1) Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen, besonders eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn dessen Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Satz 1 gilt auch für schwerbehinderte Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen und für teilzeitbeschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 158 Absatz 2.
(2) Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Satz 1 gilt auch während der Zeit einer Ausbildung im Sinne des § 51 Absatz 2, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.
(3) Bescheide über die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen auf mehr als drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen, die vor dem 1. August 1986 erlassen worden sind, gelten fort.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
Für Empfänger einer Pflegezulage nach § 35 und für Beschädigte, deren Grad der Schädigungsfolgen allein wegen Tuberkulose oder Gesichtsentstellung wenigstens 50 beträgt, sowie für Hirnbeschädigte haben die Hauptfürsorgestellen die Leistungen der Kriegsopferfürsorge unter Beachtung einer wirksamen Sonderfürsorge zu erbringen.
Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.
(1) Hilfsmerkmale sind
- 1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen, - 2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person, - 3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.
(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.
Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.