Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 28. Feb. 2018 - 1 OWi 2 Ss Bs 106/17, 1 OWi 2 SsBs 106/17

ECLI: ECLI:DE:POLGZWE:2018:0228.1OWI2SS.BS106.17.00
published on 28/02/2018 00:00
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 28. Feb. 2018 - 1 OWi 2 Ss Bs 106/17, 1 OWi 2 SsBs 106/17
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Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 5. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Geldbuße 160,-- EUR beträgt.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 25. April 2017 (Az.: 500.02799152.4) mit Urteil vom 5. Oktober 2017 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h mit einer Geldbuße von 200,-- EUR belegt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde führt auf die Sachrüge zu einer Herabsetzung des Bußgeldes; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt der Betroffene am 24. November 2016 um 17:55 Uhr als Fahrer eines PKWs auf der B 10, Gemarkung Landau in der Pfalz, Höhe Brücke L512 in Fahrtrichtung Pirmasens die dort mittels beidseitig aufgestellten Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h - nach Abzug einer Toleranz von 5 km/h - um 45 km/h. Der Betroffene hat vor der Hauptverhandlung durch Schriftsatz seines Verteidigers die Fahrereigenschaft eingeräumt. Die Bußgeldrichterin hat sich hiervon zudem durch einen Vergleich des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen mit dem Messfoto überzeugt. Hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit hat die Bußgeldrichterin ihre Überzeugung auf das mittels der Messanlage Vitronic PoliScan Speed, Fabrik-Nr. 623738 erzeugte Messergebnis gestützt.

3

Weder die Sachrüge noch die hierzu erhobenen Verfahrensrügen decken Rechtsfehler im Schuldspruch auf:

1.

4

Soweit der Betroffene beanstandet, die Feststellungen der Bußgeldrichterin zur Höhe der gemessenen Geschwindigkeit gründeten nicht auf einer Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der darin liegenden Inbegriffsrüge. Denn die Rechtsbeschwerde verschweigt, dass ausweislich des insoweit unbeanstandet gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolls das Messfoto (Bl. 2 d.A.) - einschließlich der darin enthaltenen Datenzeile - in Augenschein genommen worden ist. Der Rechtsbeschwerde ist zwar zuzugeben, dass auf einem Radarfoto eingeblendete Daten regelmäßig nicht im Wege der Inaugenscheinnahme sondern durch Verlesung als Urkunde bzw. Bekanntgabe i.S.v. § 78 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand des Strengbeweises zu machen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.2016 - IV - 3 RBs 132/15, juris Rn. 7). Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich ausnahmsweise der gedankliche Inhalt der Urkunde auf einen Blick erfassen lässt. Erschließt sich der Text bereits aus einem flüchtigen Betrachten der Urkunde bei der Inaugenscheinnahme, kann dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden und ist dieser mithin Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme (BGH, Beschluss vom 13.12.2013 - 3 StR 267/13, NStZ 2014, 606; Senat, Beschluss vom 21.11.2017 - 1 OWi 2 SsBs 35/17 [nicht veröffentl.]). Dies ist hier - was der Senat aufgrund der zulässig erfolgten Bezugnahme in den Urteilsgründen nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO selbst beurteilen kann - bei der auf dem Radarfoto eingeblendeten Aufzeichnung "150 km/h" der Fall (s.a. KG Berlin, Beschluss vom 12.11.2015 - 3 Ws (B) 515/15, juris Rn. 4 betreffend den Aufdruck "Rotzeit 1,5 s").

5

Die Rüge wäre aber jedenfalls unbegründet, weil das Urteil auf einem solchen Verfahrensfehler nicht beruhen kann. Dass die - in Augenschein genommene und damit in der Hauptverhandlung erörterte - Messwerteinblendung einen solchen Wert auswies, hat der Verteidiger nicht in Frage gestellt, sondern lediglich die Richtigkeit des dem zugrunde liegenden Messvorgangs bestritten. Ist aber - wie hier - in der Hauptverhandlung der Inhalt eines Schriftstücks erörtert und dessen Inhalt nicht bestritten worden, so kann das Urteil nicht darauf beruhen, dass es nicht - förmlich - verlesen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22.09.2006 - 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235, 236). Dies gilt auch in Bezug auf eine lediglich in Augenschein genommene Eintragung in der Messwerteinblendung eines Radarfotos (wie hier: OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2017 - 4 RBs 152/17, juris Rn. 13). Hinzu tritt, dass dem Betroffenen und seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung der ausgewiesene Geschwindigkeitswert offensichtlich bekannt gewesen war. Denn in dem von Rechtsbeschwerde mitgeteilten Beweisantrag (hierzu unter I.2.b) ist der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Wert von 145 km/h (nach Toleranzabzug) ausdrücklich bezeichnet.

6

Die Urteilsgründe lassen - was auf die Sachrüge hin zu prüfen ist - in ihrer Gesamtheit auch noch hinreichend erkennen, auf welche Beweisgrundlagen die Bußgeldrichterin ihre Feststellungen zum gemessenen Geschwindigkeitswert gestützt hat (zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen: OLG Hamm, Beschluss vom 06.09.2007 - 3 Ss OWi 319/07, BeckRS 2007, 18997; OLG Bamberg, Beschluss vom 08.07.2009 - 3 Ss Owi 670/09, NZV 2010, 369, 370). Zwar enthalten die Urteilsgründe hierzu keine ausdrücklichen Ausführungen. Dies ist ausnahmsweise aber unschädlich, weil es auf der Hand liegt, dass die Bußgeldrichterin den festgestellten Messwert der entsprechenden Einblendung auf dem Radarfoto entnommen hat. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die der Feststellung zugrunde gelegten Beweisgrundlagen in den schriftlichen Urteilsgründen bedurfte es bei dieser Sachlage ausnahmsweise nicht.

2.

7

Die Verfahrensbeanstandungen, mit denen die Rechtsbeschwerde die Ordnungsgemäßheit des Messergebnisses in Zweifel ziehen will, dringen ebenfalls nicht durch.

8

a) Die Rüge, das in den Urteilsgründen erwähnte "Schreiben des Gerichts vom 17.07.2017 (Bl. 75 d.A.)" sei nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen, ist bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechender Weise erhoben. Denn die Rechtsbeschwerde teilt den Inhalt des betreffenden Schreibens, das in den Urteilsgründen auch nur auszugsweise erwähnt ist, nicht mit. Verfahrensrügen müssen jedoch ohne Bezugnahmen oder Verweisungen begründet werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 344 Rn. 21). Dem Senat ist deshalb jedenfalls die Prüfung verwehrt, ob das Urteil auf dem behaupteten Fehler beruhen kann. Die Rüge ist aber auch in der Sache unbegründet. Denn hinsichtlich der Ermittlung der die Ablehnung eines Beweisantrages tragenden Tatsachen gilt das Strengbeweisverfahren nicht (Meyer-Goßner/Schmitt aaO. § 244 Rn. 7 f.). Die Rechtsbeschwerde behauptet selbst nicht, dass dem Verteidiger der in dem Schreiben vom 17.07.2017 enthaltene rechtliche Hinweis im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht bekannt gewesen wäre, weshalb ein Verstoß gegen das faire Verfahren ausscheidet. Ferner fehlt es an der Darlegung, welches Prozessverhalten der Betroffene getätigt hätte, wenn der Hinweis in der Hauptverhandlung wiederholt worden wäre.

9

b) Die Rüge, der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages auf Verlesung von Rohmessdaten dringt ebenfalls nicht durch.

10

aa) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

11

Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass das "Betroffenenfahrzeug zum Tatzeitpunkt nach den vorliegenden Messdaten (xml-Datei) eine Geschwindigkeit von 140 km/h fuhr" die "xml-Datei mit den Messdaten" zu verlesen sowie ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Bußgeldrichterin, die sich von der Gültigkeit der Eichung sowie der Verwendung des Geräts im Rahmen der Zulassungsvorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (nachfolgend: PTB) überzeugt hat, hat diese Anträge mit der Begründung abgelehnt, die Beweiserhebung sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Bei dem Vortrag, die Auswertung der Messdateien ergebe eine Fahrgeschwindigkeit von 140 km/h handle es sich um einen Vortrag, der völlig ins Blaue hinein erfolge. Zweifel an der Richtigkeit der Messung seien nicht veranlasst.

12

bb) Die Rüge genügt bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

13

Soll eine fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gerügt werden, ist - jedenfalls wenn die Ablehnung wie hier auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützt worden ist - im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Aufklärungsrüge zu erheben. Mitzuteilen sind neben dem Inhalt des Antrages und des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses diejenigen Tatsachen, die den Tatrichter zum Gebrauch des beantragten Beweismittels gedrängt oder dessen Gebrauch zumindest nahegelegt haben sollen (Senat, Beschluss vom 15.11.2017 - 1 OLG 2 SsBs 52/17 [nicht veröffentl.]; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 28; Stephan in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1676 jew. m.w.N.). Die hierzu gegebenen Ausführungen der Rechtsbeschwerde sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht zu begründen.

14

(a) Die Bußgeldrichterin hat ihrer Entscheidung zu Recht die Annahme zugrunde gelegt, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed generell um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 27.01.2017, 1 Ss Bs 53/16 und vom 21.04.2017 - 1 OWi 2 Ss Bs 18/17 sowie OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2017, 3 Ss OWi 976/17; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017, 1 Ss 115/17; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 16 und vom 26.05.2017, 2 Rb 8 Ss 246/17; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.04.2017 - Ss RS 13/2017 <26/17 OWi>; OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.2018 - 1 OWi 6 SsRs 7/18, alle zit. nach juris). An die danach nur eingeschränkten Anforderungen an die Überprüfung des Messergebnisses durch den Tatrichter (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92, juris Rn. 25 ff = BGHSt 39, 291 sowie vom 30.10.1997 - 4 StR 24/97, juris Rn. 26 ff. = BGHSt 43, 277) ist nicht deshalb ein erhöhter Maßstab zu legen, weil bei der Messung außerhalb des zugelassenen Messbereichs ermittelte (Einzel- oder Roh-)Messwerte in die Messwertbildung eingeflossen sein können (Senat, Beschluss vom 27.01.2017 - 1 OWi 1 Ss Bs 53/16, ZfS 2017, 172; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2017 - 3 Ss OWi 976/17, juris Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2017 - 2 Rb 8 Ss 246/17, juris Rn. 10 ff.). Gleiches gilt für den Umstand, dass ein Sachverständiger mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützter Herstellerinformation die genaue Funktionsweise des Geräts anhand hierfür relevanter Daten der Messwertbildung nicht im Einzelnen nachvollziehen können wird (Senat, Beschluss vom 19.10.2012 - 1 SsBs 12/12, zfs 2013, 51 mit Anm. Krenberger; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.04.2017 - Ss Rs 13/2017, juris Rn. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2017 - 2 Rb 8 Ss 247/17, juris Rn. 7).

15

(b) Zu weiterer Beweiserhebung musste sich die Bußgeldrichterin daher nur gedrängt sehen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich gewesen wären, die auf eine Fehlerhaftigkeit der konkreten Messung hinweisen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 18; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, juris Rn. 18). Solche Anhaltspunkte zeigt der Beweisantrag nicht auf.

16

Soweit das Begehren auf die Verlesung von Messdaten gerichtet war, ging der Antrag schon deshalb ins Leere, weil nicht ersichtlich ist, dass die entsprechende Datei im Zeitpunkt der Hauptverhandlung Aktenbestandteil gewesen war oder dem Gericht in anderer Weise zur Verfügung gestanden hat. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren - soweit ersichtlich - erstmals erfolgte Vorlage eines Ausdrucks der Falldatei, der zumal ohne "Übersetzung" durch eine entsprechende Software nicht verständlich ist, reicht nicht aus, um einen entsprechenden Verfahrensverstoß des Amtsgerichts zu belegen. Die Ablehnung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Beiziehung der bislang nicht Aktenbestandteil gewordenen Rohmessdaten verletzt, sofern Anhaltspunkte für eine Fehlmessung nicht belegt sind, weder die Amtsaufklärungspflicht noch die Grundsätze des fairen Verfahrens (vgl. Senat, Beschluss vom 15.11.2017 - 1 OWi 2 SsBs 52/17 [unveröffentl.]; OLG Bamberg, Beschluss vom 04.04.2016 - 3 Ss OWi 1444/15, juris Rn. 15; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.03.2017 - 2 Ss (OWi) 40/17, juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2017 - 2 RBs 202/16, juris Rn. 7 ff.; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.10.2017 - Ss Rs 17/2017 (30/17 OWi), juris Rn. 16 f.).

17

cc) In der Sache stellt die vom Verteidiger auf der Basis der sog. Rohmessdaten angestellte Berechnung die Richtigkeit des geeichten Messwerts letztlich auch nicht in Frage. Das Amtsgericht musste sich - die Richtigkeit der vom Verteidiger behaupteten Operanden unterstellt - schon deshalb nicht zur Erhebung der beantragten Beweise gedrängt sehen, weil diese die Richtigkeit des geeichten Messwerts nicht in Frage stellen.

18

Die PTB hat zu der Frage, welche Aussagekraft den in den sog. Rohmessdaten enthaltenen Informationen für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der von Geräten der hier verwendeten Bauart ermittelten Messwerten zukommt, umfassend und nachvollziehbar Stellung genommen (vgl. die Stellungnahmen vom 16.12.2016, https://oar.ptb.de/files/download/5857c0c64c91848f71147384 und vom 12.01.2017, https://oar.ptb.de/files/download/587752df4c9184a288720d24). Diese, aus frei zugänglichen Quellen verfügbaren Informationen kann der Senat im Freibeweis heranziehen und verwerten (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17). Ihnen kommt in Verbindung mit der durch die PTB erteilte Bauartzulassung die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu (so auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, juris Rn. 23 m.w.N.). Danach ermittelt das Messgerät über die Laufzeit von Laserpulsen, die in dichter Folge ausgestrahlt und von den an Objekten im Erfassungsbereich getroffenen Punkten zurückgeworfen werden, eine Liste von Positionswerten für diese rückreflektierenden Punkte, zusammen mit den zugehörigen Zeitstempeln. Die Glieder dieser Liste sind die „Rohmessdaten“ oder „Rohmesswerte“. Der geeichte Messwert, wie er in den PTB-Anforderungen definiert ist, wird nur aus einem Teil dieser Messdaten, die innerhalb eines Bereichs von 50 m bis 20 m liegen, ermittelt. Die Messrichtigkeit des Messgeräts wird in diesem Zusammenhang aber auch dann nicht beeinträchtigt, wenn außerhalb dieses Messbereichs liegende Messpunkte in die Bildung des geeichten Messwerts einfließen (s.a. Senat, Beschluss vom 21.04.2017 - 1 OWi 2 SsBs 18/17, ZfS 2017, 350, 251). Ein anderer Teil der Rohmessdaten findet sich in den ungeprüften Hilfsgrößen wieder, die in Verantwortung des Herstellers in die Falldatei geschrieben werden. Bei einem aus diesen Hilfsgrößen ermittelten nachträglichen Schätzwert sind, anders als bei dem qualitätsgesicherten geeichten Messwert, der durch Mitteln über viele Messwerte errechnet wird, Verletzungen der Verkehrsfehlergrenzen aber durchaus möglich. Denn werden bei einer nachträglichen Abschätzung des Geschwindigkeitswertes (allein) die als Hilfsgrößen in der Falldatei enthaltenen beiden Rohmessdaten „position First Measurement“ und „position Last Measurement“ genutzt, schlägt die Messunsicherheit beider Einzelpunkte voll auf den hieraus nachträglich ermittelten Schätzwert der Geschwindigkeit durch. Während durch die Mittelung bzw. die Ausgleichsgerade bei der Bestimmung des geeichten Messwertes die Messunsicherheit so weit unterdrückt werden kann, dass die Verkehrsfehlergrenzen sicher eingehalten werden, gilt dieses für den aus diesen Einzelpunkten nachträglich ermittelten Schätzwert gerade nicht. Dieser kann daher, zumal wenn er sich innerhalb des Toleranzbereiches liegt, die Richtigkeit des geeichten Messwertes von vornherein nicht in Frage stellen (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2014 - 2 (7) SsBs 454/14, juris Rn. 19).

19

Hinzutritt, dass den aus physikalischen Gründen nicht vermeidbaren Messungenauigkeiten bereits durch den Ansatz eines Toleranzabzugs Rechnung getragen wird. Hiermit werden auch die in den Rohmessdaten enthaltenen Einzelmesswerte hinreichend abgedeckt. Ein (weiterer) Abschlag von dem auf der Basis der Rohmessdaten errechneten Vergleichswert ist daher nicht angängig. Vor diesem Hintergrund entspricht der vom Verteidiger behauptete Geschwindigkeitswert von 145 km/h exakt dem Wert der geeichten Messung (nach Toleranzabzug) und ist daher eher geeignet, diesen zu stützten als ihn zu widerlegen.

20

c) Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht daher auch zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, juris Rn. 19).

II.

21

Die Rechtsbeschwerde ist allerdings insoweit begründet, als der Betroffene die Erhöhung der nach 11.3.7 BKatV anzusetzenden Regelbuße von 160 EUR um 40,-- EUR wegen einer einschlägigen Voreintragung angreift. Die Rüge, mit der der Betroffene eine Verletzung von § 261 StPO beanstandet, ist zulässig erhoben und in der Sache begründet.

22

Nach den im schriftlichen Urteil hierzu getroffenen Feststellungen wies das Fahreignungsregister des Betroffenen zum 13. September 2017 eine am 5. März 2015 begangene Geschwindigkeitsübertretung (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 120 km/h um 26 km/h) aus. Der Betroffene rügt in diesem Zusammenhang zu Recht, dass das Fahreignungsregister nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen war. Das Hauptverhandlungsprotokoll, weist weder eine Verlesung dieser Urkunde i.S.v. § 249 Abs. 1 S. 1 StPO noch eine Bekanntgabe i.S.v. § 78 Abs. 1 S. 1 oder 2 OWiG aus. Die durch §§ 46 Abs. 1 OWiG, 274 StPO vermittelte (negative) Beweiskraft des Protokolls (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. § 274 Rn. 14; s.a. BGH, Beschluss vom 23. 10. 2001 - 4 StR 249/01, NStZ 2002, 219) wird insoweit auch nicht durch den Inhalt der dienstlichen Stellungnahme der Bußgeldrichterin vom 9. Januar 2018 entkräftet. Das Protokoll ist weder lückenhaft, noch unklar oder in sich widersprüchlich. Auch hat die Bußgeldrichterin die Rüge nicht zum Anlass genommen, das Protokoll zu berichtigen (hierzu: BGH, Beschluss vom 23.04.2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298). Eine Protokollberichtigung wäre mit Blick auf die Erklärung der Bußgeldrichterin, keine Erinnerung an den fraglichen Vorgang zu haben, im Übrigen auch nicht statthaft gewesen. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht hat, kann auch ausgeschlossen werden, dass der Inhalt des Registers auf andere Weise als durch Verlesung oder Bekanntgabe, etwa mittels Vorhalt, eingeführt worden sein kann. Das Urteil kann auf diesem Mangel beruhen, da nicht ersichtlich ist, dass der Voreintrag auf andere Weise als durch die Verwertung des Inhalts des Fahrerlaubnisregisters in die Hauptverhandlung eingeführt ist.

23

Zur Vermeidung einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht entscheidet der Senat gem. § 79 Abs. 6 1. Alt. OWiG selbst und setzt das Bußgeld auf den Regelsatz fest. Mit Blick auf das Vorliegen eines Regeltatbestandes i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV und den Inhalt der Urteilsgründe ist allerdings auszuschließen, dass die Voreintragung Einfluss auf die Anordnung und/oder Bemessung des Fahrverbots gehabt hat.

III.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO. Im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Teilerfolgs des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Betroffenen mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 S. 1 StPO).

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Statt der Verlesung einer Urkunde kann das Gericht dessen wesentlichen Inhalt bekanntgeben; dies gilt jedoch nicht, soweit es auf den Wortlaut der Urkunde ankommt. Haben der Betroffene, der Verteidiger und der in der Hauptverhandlung anwesende Vertreter der Staatsanwaltschaft von dem Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen oder dazu Gelegenheit gehabt, so genügt es, die Feststellung hierüber in das Protokoll aufzunehmen. Soweit die Verlesung von Urkunden von der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten abhängig ist, gilt dies auch für das Verfahren nach den Sätzen 1 und 2.

(2) § 243 Absatz 4 der Strafprozessordnung gilt nur, wenn eine Erörterung stattgefunden hat; § 273 Absatz 1a Satz 3 und Absatz 2 der Strafprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(3) Im Verfahren gegen Jugendliche gilt § 78 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes entsprechend.

(4) Wird gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden eine Geldbuße festgesetzt, so kann der Jugendrichter zugleich eine Vollstreckungsanordnung nach § 98 Abs. 1 treffen.

(5) (weggefallen)

(1) Das Verfahren nach zulässigem Einspruch richtet sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten.

(2) Zur besseren Aufklärung der Sache kann das Gericht

1.
einzelne Beweiserhebungen anordnen,
2.
von Behörden und sonstigen Stellen die Abgaben von Erklärungen über dienstliche Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77a Abs. 2) verlangen.
Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung kann das Gericht auch dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er zu seiner Entlastung vorbringen will; § 69 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 ist anzuwenden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht bestimmt, unbeschadet der Pflicht, die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen, den Umfang der Beweisaufnahme. Dabei berücksichtigt es auch die Bedeutung der Sache.

(2) Hält das Gericht den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt, so kann es außer in den Fällen des § 244 Abs. 3 der Strafprozeßordnung einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn

1.
nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist oder
2.
nach seiner freien Würdigung das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, daß die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

(3) Die Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrages nach Absatz 2 Nr. 1 kann in dem Gerichtsbeschluß (§ 244 Abs. 6 der Strafprozeßordnung) in der Regel darauf beschränkt werden, daß die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht bestimmt, unbeschadet der Pflicht, die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen, den Umfang der Beweisaufnahme. Dabei berücksichtigt es auch die Bedeutung der Sache.

(2) Hält das Gericht den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt, so kann es außer in den Fällen des § 244 Abs. 3 der Strafprozeßordnung einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn

1.
nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist oder
2.
nach seiner freien Würdigung das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, daß die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

(3) Die Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrages nach Absatz 2 Nr. 1 kann in dem Gerichtsbeschluß (§ 244 Abs. 6 der Strafprozeßordnung) in der Regel darauf beschränkt werden, daß die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Statt der Verlesung einer Urkunde kann das Gericht dessen wesentlichen Inhalt bekanntgeben; dies gilt jedoch nicht, soweit es auf den Wortlaut der Urkunde ankommt. Haben der Betroffene, der Verteidiger und der in der Hauptverhandlung anwesende Vertreter der Staatsanwaltschaft von dem Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen oder dazu Gelegenheit gehabt, so genügt es, die Feststellung hierüber in das Protokoll aufzunehmen. Soweit die Verlesung von Urkunden von der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten abhängig ist, gilt dies auch für das Verfahren nach den Sätzen 1 und 2.

(2) § 243 Absatz 4 der Strafprozessordnung gilt nur, wenn eine Erörterung stattgefunden hat; § 273 Absatz 1a Satz 3 und Absatz 2 der Strafprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(3) Im Verfahren gegen Jugendliche gilt § 78 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes entsprechend.

(4) Wird gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden eine Geldbuße festgesetzt, so kann der Jugendrichter zugleich eine Vollstreckungsanordnung nach § 98 Abs. 1 treffen.

(5) (weggefallen)

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.

(1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes kommt die Anordnung eines Fahrverbots (§ 25 Absatz 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand

1.
der Nummern 9.1 bis 9.3, der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs,
2.
der Nummern 12.6.3, 12.6.4, 12.6.5, 12.7.3, 12.7.4 oder 12.7.5 der Tabelle 2 des Anhangs,
3.
der Nummern 19.1.1, 19.1.2, 21.1, 21.2, 39.1, 41, 50, 50.1, 50.2, 50.3, 50a, 50a.1, 50a.2, 50a.3, 83.3, 89b.2, 132.1, 132.2, 132.3, 132.3.1, 132.3.2, 135, 135.1, 135.2, 152.1 oder
4.
der Nummern 244, 246.2, 246.3 oder 250a
des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Wird in diesen Fällen ein Fahrverbot angeordnet, so ist in der Regel die dort bestimmte Dauer festzusetzen.

(2) Wird ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers zum ersten Mal angeordnet, so ist seine Dauer in der Regel auf einen Monat festzusetzen. Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht.

(3) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes ist ein Fahrverbot (§ 25 Absatz 1 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes) in der Regel mit der in den Nummern 241, 241.1, 241.2, 242, 242.1 und 242.2 des Bußgeldkatalogs vorgesehenen Dauer anzuordnen.

(4) Wird von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen, so soll das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.