Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 16. Jan. 2018 - 1 OLG 2 Ss 74/17

ECLI: ECLI:DE:POLGZWE:2018:0116.1OLG2SS74.17.00
published on 16/01/2018 00:00
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 16. Jan. 2018 - 1 OLG 2 Ss 74/17
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Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der. 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. August 2017 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Angeklagten am 24. Januar 2017 wegen Betruges und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete Berufung hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgeausspruch beschränkt und „die Anwendung des § 64 von der Berufungsbeschränkung ausgenommen“. Das Landgericht hat die Beschränkung für wirksam gehalten und mit Urteil vom 24. August 2017 das Rechtsmittel in seinem verbleibenden Umfang verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner mit der allgemein erhobenen Sachrüge begründeten Revision.

2

Das Rechtsmittel führt entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu einem vorläufigen Erfolg, weil - was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2014 - 3 RVs 35/14, juris Rn. 5) - der Angeklagte die Nichtanordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) durch das Amtsgericht nicht wirksam vom Berufungsangriff ausnehmen konnte. Dies zieht die Aufhebung auch des Strafausspruchs nach sich.

II.

1.

3

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen, die das Landgericht aufgrund des nicht angegriffenen Schuldspruchs seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat, ließ der mehrfach wegen Betrugs und Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorgeahndete Angeklagte am 4. Februar 2016 Waren im Gesamtwert von 299,43 EUR, darunter ein Fernsehgerät im Wert von 229,00 EUR, von der Kassiererin eines M.-Marktes in Ludwigshafen erfassen, bezahlte diese entsprechend vorgefasster Absicht an dem dafür vorhandenen SB-Terminal aber nicht. Ferner führte er am 3. September 2016 im öffentlichen Raum auf der L 520 einen PKW, ohne über die dafür erforderliche Fahrerlaubnis zu verfügen. Nach seiner vom Amtsgericht für glaubhaft gehaltenen Einlassung hatte der Angeklagte im Zeitpunkt der Begehung der Tat vom 4. Februar 2016 eine Drogenentwöhnungstherapie absolviert, diese aber durch "den Konsum von Spice unterlaufen". In der Zeit danach sei er "wieder in die frühere Drogenproblematik abgerutscht. Vor diesem Hintergrund sei "auch die weitere Tat" zu sehen" (UA S. 6 f.). Ausführungen zur Frage, ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB gegeben waren, enthält das amtsgerichtliche Urteil nicht. Den Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des bei Begehung der Taten 33 bzw. 34 Jahre alten Angeklagten ist ferner zu entnehmen, dass dieser seit seinem 16. Lebensjahr Drogen, u.a. Kokain und LSD, konsumiert hat und bereits kurz nach einer 2015/2016 durchgeführten 6 ½-monatigen Therapie rückfällig geworden war. Zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung befand sich der Angeklagte erneut in einer Reha-Einrichtung.

2.

4

Zwar lässt der im Protokoll der Berufungshauptverhandlung aufgenommene „Antrag“ des Verteidigers, „dass die Anwendung des § 64 von der Berufungsbeschränkung ausgenommen“ sein solle, im Hinblick auf die unmittelbar davor protokollierte Erklärung, nach der das Ziel der Berufung eine „Reduzierung des Strafmaßes sowie die Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen“ sei, noch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass der Angeklagte eine Überprüfung des unterlassenen Maßregelausspruchs ausdrücklich nicht herbeiführen wollte. Entgegen der Annahme des Landgerichts konnte der Angeklagte die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB hier aber nicht wirksam vom Berufungsangriff ausnehmen; dieser sachlich-rechtliche Mangel erfasst den Rechtsfolgenausspruch in seinem gesamten Umfang.

5

a) Die Entscheidung über die Nichtanwendung des § 64 StGB ist zwar - ebenso wie die über dessen Anordnung - ein für eine selbstständige Nachprüfung grundsätzlich geeigneter Teil des Strafurteils (Senat, Beschluss vom 20.02.2003 - 1 Ss 7/03, juris Rn. 2; BGH, Urteil vom 07.10.1992 - 2 StR 374/92, juris = BGHSt 38,392; van Gemmeren in MünchKomm/StGB, 3. Aufl. § 64 Rn. 128 m.w.N.; a.A. Schöch in LK-StGB, 12. Aufl. Vor § 61 Rn. 133; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 331 Rn. 22). Dies gilt im Grundsatz jedenfalls dann, wenn das Rechtsmittel des Angeklagten auf den Strafausspruch beschränkt ist und sich aus dem Gesamtzusammenhang des Rechtsmittelangriffs ergibt, dass der Angeklagte die verhängte Strafe nicht deswegen beanstandet, weil er glaubt, sie wäre niedriger ausgefallen, wenn gleichzeitig seine Unterbringung gemäß § 64 StGB angeordnet worden wäre (vgl. zur Beschränkung in der Revisionsinstanz: BGH, Beschluss vom 31.07.1992 - 4 StR 267/92, NStZ 1992, 539). Nach dem Rechtsmittelsystem der StPO hat der Angeklagte bei der Entscheidung, ob und wieweit er ein gegen ihn ergangenes Urteil angreifen will, eine weitreichende Dispositionsbefugnis. Das Rechtsmittelgericht kann und darf diejenigen Teile einer Entscheidung nicht einer Prüfung unterziehen, die von keiner Seite angegriffen worden sind (BGH, Urteil vom 07.10.1992 - 2 StR 374/92, juris Rn. 7). Auch der mit der Maßregel verfolgte Zweck des Schutzes der Allgemeinheit steht einer solchen Beschränkung des Rechtsmittels nicht entgegen (BGH aaO., Rn. 8; van Gemmeren aaO. Rn. 128). Der Umstand, dass die Anordnung der Maßregel insbesondere mit Blick auf die Regelungen der §§ 67d Abs. 2 S. 1, 67 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB für den Angeklagten günstigere Wirkungen entfalten kann (vgl. zur Frage einer positiven Sozialprognose im Hinblick auf die Anordnung der Maßregel: BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - 2 StR 29/12, juris Rn. 10 [nicht tragend]) steht ebenfalls nicht der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung entgegen. Denn es unterfällt der Dispositionsbefugnis des Rechtsmittelführers, ob er die mit der Beschränkung verbundenen (mittelbaren) Nachteile eingehen möchte oder nicht. Die Dispositionsbefugnis des Rechtsmittelführers geht § 331 Abs. 2 StPO, der die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom Verschlechterungsverbot grundsätzlich ausnimmt, vor (Thüringisches OLG, Beschluss vom 22.04.2009 - 1 Ss 36/09, juris Rn. 18).

6

b) Wie auch in anderen Konstellationen eines beschränkten Rechtsmittelangriffs ist aber Voraussetzung der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung, dass nach dem inneren Zusammenhang des angegriffenen Urteils der zur Überprüfung gestellte Teil selbstständig und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unabhängig von dem nicht angegriffenen Teil beurteilt werden kann (Thüringisches OLG, aaO. Rn. 17). Insbesondere muss stets gewährleistet sein, dass das Erfordernis der Widerspruchsfreiheit der das Verfahren stufenweise abschließenden Urteile, die als ein einheitliches Ganzes anzusehen sind, gewahrt bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.10.1980 - 1 StR 262/80, NJW 1981, 589, 590; Paul in KK-StPO, 7. Aufl., § 318 Rn. 8). Auch muss eine „Wechselwirkung“ zwischen der verhängten Strafe und der möglicherweise anzuordnenden Maßregel ausgeschlossen sein (BGH, Urteil vom 07.10.1992 - 2 StR 374/92, juris Rn. 9). Eine solchermaßen untrennbare Beziehung zwischen Strafausspruch und Nichtanordnung der Maßregel ist aber nicht bereits allein deshalb zu bejahen, weil regelmäßig nicht auszuschließen ist, dass auf eine mildere Strafe erkannt worden wäre, wenn die Unterbringung angeordnet worden wäre. Auch der Umstand, dass sich das Tatgericht in den Urteilsgründen nicht mit den Voraussetzungen einer Maßregelanordnung befasst hat, obwohl nach den Tatumständen Anlass hierzu bestanden hätte, verbindet die Straffrage mit der Maßregelfrage noch nicht zu einer untrennbaren Einheit. Etwas anderes kann aber u.a. dann gelten, wenn sich den Urteilsgründen oder der Strafhöhe entnehmen lässt, dass die Strafe von dem Unterbleiben der Anordnung einer Maßregel beeinflusst sein kann (BGH aaO. Rn. 10 f. sowie Urteil vom 02.11.2011 - 2 StR 251/11, juris Rn. 3 [zugleich Klarstellung BGH vom 15.06.2011 - 2 StR 140/11 und vom 22.06.2011 - 2 StR 139/11]). Diese Beurteilung ist eine Frage des Einzelfalls.

7

c) Nach der jedenfalls überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 27.04.1994 - 2 StR 89/94, NStZ 1994, 449; Beschluss vom 16.02.2012 - 2 StR 29/12, juris Rn. 5; OLG Köln, Urteil vom 19.03.1996 - Ss 18/96, NStZ-RR 1997, 360, 361; OLG München, Beschluss vom 10.09.2008 - 5St RR 170/08, NStZ-RR 2009, 10; OLG Hamm, aaO. juris Rn. 6; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 15.01.2015 - 1 Ss 4/15, juris Rn. 5; ebenso Fischer, StGB, 65. Aufl., § 64 Rn. 29; anders: Thüringisches OLG, aaO., juris Rn. 17) kann bei einem suchtmittelabhängigen Straftäter über die Strafaussetzung zur Bewährung aber zumeist nicht isoliert von der Frage entschieden werden, ob dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist. Denn die Entscheidung über die Gewährung der Strafaussetzung beruht hinsichtlich der anzustellenden Sozialprognose eines betäubungsmittelabhängigen Straftäters im Regelfall auf denselben Gesichtspunkten wie die Täterprognose bei der Entscheidung über die Anwendung des § 64 StGB. Im Hinblick auf die hierdurch bewirkte Doppelrelevanz entsprechender Feststellungen ist eine rechtlich und tatsächlich losgelöste Beurteilung der Entscheidung über die Bewährungsaussetzung einer Freiheitsstrafe und der Entscheidung über die Unterbringung nach § 64 StGB zumeist nicht möglich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das angefochtene Urteil - wie hier - Wertungen und Feststellungen enthält, die sowohl für die Maßregelentscheidung als auch für den Rechtsfolgenausspruch im Übrigen doppelrelevant sein können.

8

aa) Das Amtsgericht hat sich in den Urteilsgründen zwar nicht ausdrücklich mit der Frage einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 64 StGB befasst. Seine Feststellungen zum Drogenkonsum des Angeklagten und zu der unmittelbar vor Tatbegehung absolvierten und letztlich gescheiterten Drogenentwöhnungstherapie legen einen Hang i.S.v. § 64 StGB aber nahe. Dies gilt umso mehr unter zusätzlicher Berücksichtigung der vom Landgericht hierzu getroffenen ergänzenden Feststellungen, die einen Drogenkonsum ab dem 16. Lebensjahr belegen. Die vom Amtsgericht zudem getroffene Wertung, wonach "ein hinreichend enger Kausalzusammenhang zur Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten i.S.v. § 17 Abs. 2 BZRG" nicht zu erkennen sei, und es sich "bei der ersten Tat ersichtlich nicht um Beschaffungskriminalität" gehandelt habe (UA S. 7), ist nicht allein für die Frage der Legalprognose i.S.v. § 56 Abs. 1 StGB bedeutsam. Ein fehlender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Suchterkrankung des Angeklagten und den von ihm begangenen Straftaten kann vielmehr zugleich geeignet sein, die Nichtanordnung der Maßregel selbstständig zu tragen. Die Feststellung ist deshalb sowohl für die Bewährungsentscheidung, als auch für die Frage der (Nicht-)Anordnung der Maßregel relevant und führt hier dazu, dass über diese Fragen nicht mehr getrennt entschieden werden konnte. Denn könnte der Angeklagte die Nichtanordnung der Maßregel wirksam vom Berufungsangriff ausnehmen, wäre die entsprechende Feststellung für das Berufungsgericht (auch) im Rahmen seiner Entscheidung über den Straf- und Bewährungsausspruch bindend und ihm eine selbstständige Entscheidung insoweit verstellt.

9

bb) Hinzu tritt, dass das Berufungsgericht zu den Ursachen und Beweggründen der abgeurteilten Taten Feststellungen getroffen hat, die jedenfalls nicht ohne weiteres mit der vom Amtsgericht zugrunde gelegten Annahme eines fehlenden Kausalzusammenhangs vereinbar sind. Nach den Gründen des Berufungsurteils hat sich der Angeklagte im Fall 1 den Fernseher beschafft, weil er zuvor ein anderes Gerät zur Finanzierung seiner Drogensucht veräußert hatte. Ferner diente die Fahrt vom 3. September 2016 dem Ankauf von Drogen. Im Rahmen der Begründung der Bewährungsversagung hat das Berufungsgericht zudem auf die noch nicht erfolgreich behandelte Drogensucht des Angeklagten abgestellt. Diese Feststellungen und Wertungen deuten nicht nur darauf hin, dass das Landgericht die von der - von ihm für wirksam gehaltenen - Beschränkung ausgehende Bindungswirkung verkannt hat; sie lassen es zudem als möglich erscheinen, dass das Berufungsgericht, hätte es die Maßregelanordnung geprüft, eine entsprechende Anordnung getroffen hätte.

3.

10

Die Frage, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist, bedarf daher - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der Prüfung und Entscheidung durch das Berufungsgericht. Das Urteil war mit den zugrunde liegenden Feststellungen aber auch hinsichtlich der Entscheidung über die Höhe der Freiheitsstrafen und deren Aussetzung zur Bewährung aufzuheben. Denn mit Blick auf die Doppelrelevanz der Sozialprognose ist eine rechtlich und tatsächlich selbstständige Beurteilung der Entscheidung über die Unterbringung und über die Bewährungsaussetzung nicht möglich (OLG München, aaO. Rn. 14). Dies gilt hier bereits vor dem Hintergrund, dass sich die prognostisch relevanten Umstände schon aufgrund der im Juli 2017 angetretenen Drogentherapie maßgeblich geändert haben können. Schon weil diese Umstände - auch mit Blick auf § 47 Abs. 1 StGB - maßgeblichen Einfluss auf Art und Höhe der Strafen haben können, unterliegen auch der Strafausspruch und damit das Berufungsurteil insgesamt der Aufhebung.

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Vollstreckung einer Strafe, eines Strafrestes oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 35 - auch in Verbindung mit § 38 - des Betäubungsmittelgesetzes zurückgestellt, so ist dies in das Register einzutragen. Dabei ist zu vermerken, bis zu welchem Tag die Vollstreckung zurückgestellt worden ist. Wird nachträglich ein anderer Tag festgesetzt oder die Zurückstellung der Vollstreckung widerrufen, so ist auch dies mitzuteilen.

(2) Wird auf Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt und hat das Gericht festgestellt, daß der Verurteilte die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so ist diese Feststellung in das Register einzutragen; dies gilt auch bei einer Gesamtstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn der Verurteilte alle oder den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.