Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2018 - 2 L 119/16

bei uns veröffentlicht am04.07.2018

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sich die ursprünglich auf Erteilung einer Genehmigung für 15 Windkraftanlagen gerichtete Verpflichtungsklage nachträglich erledigt hat.

2

Mit Antrag vom 25.07.2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb von 15 Windenergieanlagen des Typs ENERCON E-101 auf mehreren Grundstücken der Gemarkungen H-Stadt und L-Stadt im Windpark H-Stadt. Mit Schreiben vom 17.07.2013 modifizierte die Klägerin ihren Antrag. Nachdem der Beklagte mehrfach Unterlagen nachgefordert hatte, lehnte er den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 18.08.2014 ab. Er begründete dies damit, dass dem Vorhaben das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsgebot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG im Hinblick auf den Rotmilan entgegenstehe.

3

Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Klägerin mit Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 4/15 HAL – ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, da dem Vorhaben Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstünden. Die Einschätzung des Beklagten, dass der Rotmilan durch die geplanten 15 Windenergieanlagen einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt sei, sei naturschutzfachlich vertretbar.

4

Hiergegen hat sich die Klägerin zunächst mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung gewandt. Mit Schreiben vom 05.04.2018 hat sie den Genehmigungsantrag für das von ihr geplante Windkraftvorhaben zurückgenommen. Zugleich hat sie die Klage zurückgenommen. Nachdem der Beklagte seine Einwilligung zu der Klagerücknahme nicht erteilte, hat die Klägerin die Erledigung der Hauptsache erklärt. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

II.

5

1. Erklärt allein der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, dann ist das Verfahren als Streit über die Erledigung fortzusetzen.

6

Der Kläger, der den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, ohne dass der Beklagte dem gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zustimmt, nimmt von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und begehrt statt dessen die prozessuale Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Dieser Austausch des Klagebegehrens führt zu einer Änderung des Streitgegenstandes und stellt damit der Sache nach eine Klageänderung dar. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten bisherigen Streitgegenstandes tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Als Klageänderung eigener Art ist der Wechsel vom ursprünglichen Klageantrag zum Erledigungsfeststellungsantrag nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterworfen und bedarf auch nicht der Einwilligung des Beklagten (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.1989 – 9 C 61.88 –, juris RdNr. 9; Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, juris RdNr. 19; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, juris RdNr. 10; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 161 RdNr. 28). Tritt das erledigende Ereignis im Berufungszulassungsverfahren ein, ist der Erledigungsstreit nicht erst in einem nachfolgenden Rechtsmittelverfahren auszutragen; die Feststellung der Erledigung erfolgt vielmehr im Zulassungsantragsverfahren selbst. Bei Erfolg wird die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Vorausgegangene Entscheidungen sind gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO für unwirksam zu erklären (vgl. VGH BW, Beschl. v. 28.06.2007 – 13 S 779/07 –, juris RdNr. 2; NdsOVG, Beschl. v. 25.03.2010 – 11 LA 237/09 –, juris RdNr. 2; SächsOVG, Beschl. v. 27.01.2012 – 5 A 157/10 –, juris RdNr. 1; OVG RP, Beschl. v. 02.04.2014 – 8 A 10021/14 –, juris RdNr. 11; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 161 RdNr. 35).

7

2. Das Begehren auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist begründet.

8

a) Durch die Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hat sich die Hauptsache erledigt.

9

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Bauantrag auch noch während der Anhängigkeit einer auf Erteilung der Baugenehmigung gerichteten Verpflichtungsklage zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist auch nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung zulässig. Mit der Zurücknahme des Bauantrages ist die Hauptsache erledigt. Auf die Gründe, die den Kläger zur Zurücknahme seines Bauantrages bewegt haben, kommt es nicht an; denn seinem Verpflichtungsantrag auf Erteilung der Baugenehmigung ist allein durch die Zurücknahme der Boden entzogen worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 22.88 –, juris Rdnr. 9; Beschl. v. 19.05.1995 – 4 B 247/94 –, juris RdNr. 19). Der Kläger ist auch rechtlich nicht daran gehindert, seinen Bauantrag zurückzunehmen. Eine Zurücknahme des Bauantrages verstößt insbesondere nicht gegen § 92 VwGO (so aber NdsOVG, Urt. v. 31.08.1983 – 1 A 20/81 –, NVwZ 1985, 431). Die in dieser Bestimmung vorgesehene Beschränkung der prozessualen Dispositionsbefugnis des Klägers wirkt nicht auf seine im materiellen Recht und im Verwaltungsverfahrensrecht begründete Befugnis zurück, über den Streitgegenstand zu verfügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 22.88 –, a.a.O. Rdnr. 12). Der Eintritt der Hauptsacheerledigung durch Rücknahme des Antrags ist dabei nicht auf Bauanträge beschränkt; sie tritt vielmehr bei allen Verwaltungsakten bzw. behördliche Maßnahmen ein, die einen Antrag voraussetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, a.a.O. RdNr. 12; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 113 RdNr. 118).

10

Hiernach hat im vorliegenden Fall die Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dem ursprünglichen Klagebegehren der Klägerin die Grundlage entzogen und damit zum Eintritt der Hauptsacheerledigung geführt.

11

b) Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache erfordert im vorliegenden Fall nicht die Überprüfung der Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens.

12

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass es für die allein noch zu prüfende Frage, ob eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist oder nicht, regelmäßig nicht darauf ankommt, ob die Klage ursprünglich begründet war (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, a.a.O. RdNr. 20; Clausing, a.a.O., § 161 RdNr. 28). Ob die Erledigungsfeststellung voraussetzt, dass die ursprüngliche Klage zumindest zulässig war, kann hier dahingestellt bleiben, weil Zweifel an der Zulässigkeit der ursprünglichen Untätigkeitsklage der Klägerin nicht bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Feststellung der Erledigung der Hauptsache auf die einseitige Erledigungserklärung der Klägerseite hin jedoch ausnahmsweise dann die Überprüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens, wenn die Beklagtenseite sich für ihren Widerspruch gegen die Erledigungserklärung und ihr Festhalten an ihrem bisherigen Antrag auf ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung berufen kann, dass die Klage vor ihrer Erledigung unzulässig oder unbegründet war (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, a.a.O. RdNr. 21; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, a.a.O. RdNr. 14). Einer Auseinandersetzung mit der hieran im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 161 RdNr. 32) bedarf es nicht, weil im vorliegenden Fall ein solches Sachentscheidungsinteresse des Beklagten nicht gegeben ist.

13

Eine Sachentscheidung kann trotz Erledigung nicht schon dann verlangt werden, wenn um die Begründetheit der ursprünglichen Klage gestritten wurde und der Beklagte deren Klärung wünscht. Vielmehr muss das Interesse des Beklagten an der Klärung der für die Begründetheit ursprünglich erheblichen, wegen der Erledigung aber nicht mehr entscheidungsrelevanten Rechtsfragen berechtigt sein. Die Frage, ob der Beklagte ein berechtigtes Interesse an einer klageabweisenden Sachentscheidung über den ursprünglichen Verpflichtungsantrag des Klägers hat, ist nach denselben Grundsätzen zu beantworten, wie sie in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers geregelt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 22.88 –, a.a.O. Rdnr. 16; Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 21.10 –, a.a.O. RdNr. 14). Ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist jedes nach Lage der Dinge schutzwürdige rechtliche, tatsächliche oder ideelle Interesse. Hierzu gehören die Kriterien des Präjudizinteresses und der Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2013 – 8 B 8.13 –, juris RdNr. 6).

14

Im vorliegenden Fall ist ein berechtigtes Interesse des Beklagten, trotz Erledigung der Hauptsache durch die Rücknahme des Genehmigungsantrags eine Sachentscheidung herbeizuführen, nicht ersichtlich.

15

aa) Ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung wegen der möglichen Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen durch die Klägerin ist nicht gegeben.

16

Zwar kann der Beklagte grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, sein Verwaltungshandeln sei rechtmäßig gewesen, wenn ihm diese Feststellung nutzt, drohende Schadensersatzansprüche beispielsweise in einem Amtshaftungsprozess abzuwehren (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 161 RdNr. 163). Hat sich die Hauptsache im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens erledigt, besteht für eine feststellende Entscheidung, dass die streitige behördliche Maßnahme rechtswidrig gewesen sei, im Hinblick auf einen etwaigen Schadensersatzprozess unter drei Voraussetzungen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die begehrte Feststellung muss für die Geltendmachung eines solchen Ersatzanspruchs erheblich und ein solches Verfahren muss mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein. Schließlich darf es nicht offenbar aussichtslos erscheinen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 15.05.2003 – 1 A 3254/02 –, juris RdNr. 5).

17

Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch die Klägerin mit Sicherheit zu erwarten ist. Zwar hat die Klägerin – wie der Beklagte zu Recht geltend macht – in der Zeit bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch Schreiben vom 17.09.2014, 07.10.2014, 01.04.2015 und 04.08.2016 die Geltendmachung eines Verzögerungsschadens in Höhe von 8.800.000,00 € wegen des Inkrafttretens des EEG 2014 angekündigt. In ihrer Stellungnahme vom 25.06.2018 hat die Klägerin jedoch ausgeführt, der von ihr geltend gemachte Amtshaftungsanspruch sei obsolet, da sie diesem durch die Rücknahme des Antrags auf Erlass des Verwaltungsakts selbst die Grundlage entzogen habe. Vor diesem Hintergrund erscheint die Erhebung einer Schadensersatzklage durch die Klägerin derzeit wenig wahrscheinlich. Jedenfalls wäre eine etwaige Schadensersatzklage der Klägerin offensichtlich aussichtslos.

18

Zwar kommt im vorliegenden Fall eine Amtspflichtverletzung sowohl wegen einer rechtswidrigen Ablehnung der Genehmigung als auch wegen einer rechtswidrigen Verzögerung der Entscheidung grundsätzlich in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Behörde einen Antrag auf eine Baugenehmigung oder einen Bauvorbescheid ordnungsgemäß und rechtzeitig positiv zu bescheiden, wenn der Antrag im Sinne des Antragstellers entscheidungsreif ist. Eine Verzögerung der Entscheidung und erst recht eine Ablehnung des Antrags stellen in der Regel eine Amtspflichtverletzung dar (vgl. BGH, Beschl. v. 23.01.1992 – III ZR 191/90 –, juris RdNr. 4; Urt. v. 23.09.1993 – III ZR 54/92 –, juris RdNr. 14; Urt. v. 24.02.1994 – III ZR 6/93 –, juris Rdnr. 7; Urt. v. 12.07.2001 – III ZR 282/00 –, juris Rdnr. 9). Entsprechendes dürfte für einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gelten.

19

Entgegen der von der Klägerin angedeuteten Auffassung steht die Rücknahme ihres Antrags einem Amtshaftungsanspruch wegen Nichterteilung der beantragten Genehmigung nicht von vornherein entgegen. Der Umstand, daß ein Antragsteller einen abgelehnten Antrag fallen läßt, ist als solcher kein selbständiger Grund für den Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen, die auf rechtswidrige Nichtbescheidung des Antrags gestützt werden. Dieser Gesichtspunkt ist vielmehr im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Geschädigte es schuldhaft versäumt hat, den Schaden durch Rechtsmittel abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB) (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1987 – III ZR 16/86 –, juris RdNr. 22).

20

Eine etwaige Schadensersatzklage ist jedoch deshalb als offensichtlich aussichtslos anzusehen, weil das für einen Amtshaftungsanspruch erforderliche Verschulden offensichtlich fehlt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts als auch der für die Durchführung von Amtshaftungsprozessen zuständigen Zivilgerichte in der Regel der Fall, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. "Kollegialgerichts-Richtlinie") (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 – 5 C 50.02 –, juris RdNr. 9; Urt. v. 30.06.2004 – 4 C 1.03 –, juris RdNr. 21; Urt. v. 17.08.2005 – 2 C 37/04 –, juris RdNr. 27; Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 –, juris RdNr. 47; BGH, Urt. v. 21.01.2016 – III ZR 160/15 –, juris RdNr. 36).

21

Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, denn das Verwaltungsgericht hat – in Kammerbesetzung – die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung mit Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 4/15 HAL – abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung. Damit hat es der Sache nach den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18.08.2014 für rechtmäßig gehalten. Selbst wenn dieser dennoch rechtswidrig gewesen sein sollte, kann dem für den Beklagten tätigen Beamten nach der "Kollegialgerichts-Richtlinie" kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.

22

Entsprechendes gilt für den von der Klägerin erhobenen Verzögerungsvorwurf. Eine Verzögerung der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag stellt nur dann eine Amtspflichtverletzung dar, wenn die Behörde über den Antrag nicht entscheidet, obwohl dieser im Sinne des Antragstellers entscheidungsreif, also genehmigungsfähig, ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.02.1994 – III ZR 6/93 –, a.a.O. Rdnr. 7; Urt. v. 12.07.2001 – III ZR 282/00 –, a.a.O. Rdnr. 15). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die beantragte Genehmigung nicht erteilt, sondern weitere Unterlagen von der Klägerin nachgefordert, weil er Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens hatte. Selbst wenn dies objektiv fehlerhaft und damit amtspflichtwidrig gewesen sein sollte, kommt auch insoweit ein Verschuldensvorwurf nicht in Betracht, da die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Antrags der Klägerin vom Verwaltungsgericht in dem genannten Urteil bestätigt worden ist.

23

Die Geltendmachung eines – verschuldensunabhängigen – Entschädigungsanspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff wegen einer rechtswidrigen Ablehnung des Genehmigungsantrag oder wegen dessen verzögerter Bearbeitung (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2001 – III ZR 282/00 –, a.a.O. Rdnr. 21) ist vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin ausweislich des bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Auszugs aus dem Liegenschaftskataster (BA A Bl. 302 ff.) nicht Eigentümerin der Grundstücke ist, auf denen die Windenergieanlagen errichtet werden sollten.

24

bb) Es liegt auch kein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung wegen Wiederholungsgefahr vor.

25

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.11.2017 – 7 C 26.15 –, juris RdNr. 18). Aus der Perspektive des Beklagten ist hiernach ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung über eine erledigte Verpflichtungsklage wegen Wiederholungsgefahr anzuerkennen, wenn zu erwarten ist, dass die Klägerin unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen einen gleichartigen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts stellen wird. Davon ist hier nicht auszugehen. Die Klägerin hat ausgeführt, dass mit der Rücknahme des Antrags klar sei, dass das ehemals beantragte Windenergievorhaben in dieser Form nicht mehr durchgeführt werden soll. Es liege zudem auf der Hand, dass sie auch nicht beabsichtige, einen neuen, gleichlautenden Antrag zu stellen. Für den Fall eines neuen Antrags sei es aufgrund der veränderten EEG-rechtlichen Voraussetzungen (Regimewechsel vom System der festen Einspeisevergütung hin zu einem Abschreibungssystem) notwendig, deutlich kosteneffizientere Windenergieanlagen zu planen. Dies liefe in jedem Fall auf andere WEA-Typen mit größerer Gesamthöhe und größerem Rotordurchmesser hinaus. Zudem sei vom Verwaltungsgericht über eine konkrete artenschutzrechtliche Konfliktsituation mit Blick auf konkrete Anlagentypen und konkrete Anlagenstandorte vor dem Hintergrund eines in dynamischer Entwicklung befindlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozesses in Bezug auf die Kollisionsempfindlichkeit bestimmter Vogelarten entschieden worden. Diese Fragen wären schon aufgrund einer absehbar zu ändernden Anlagenkonfiguration (weniger Anlagen an anderen Standorten) und auf der Grundlage absehbar neuer Erkenntnisse zum avifaunistischen Konfliktpotential von bestimmten Windenergieanlagen nebst neuer Erkenntnisse zur Wirksamkeit artenschutzrechtlicher Vermeidungsmaßnahmen in Zukunft auf völlig anderer Grundlage zu beantworten. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen der Klägerin vermag der Senat ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung wegen Wiederholungsgefahr nicht zu erkennen. Die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 06.07.2018 geben zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

27

4. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei setzt der Senat den Streitwert der (einseitig für erledigt erklärten) Hauptsache an. Zwar ist nach einer verbreiteten Auffassung bei einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung der Streitwert – jedenfalls für die Zeit ab dem Eingang der Erledigungserklärung – lediglich in Höhe der bis zur Erledigungserklärung angefallenen Kosten festzusetzen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.2006 – 7 B 18.06 –, juris RdNr. 16; Beschl. d. Senats v. 28.11.1996 – 2 M 69/95 –, juris RdNr. 5; OVG LSA, Beschl. v. 03.12.2002 – 1 O 513/02 –, juris RdNr. 2; Beschl. v. 14.04.2016 – 4 O 45/16 –, juris RdNr. 3; OVG RP, Beschl. v. 02.04.2014 – 8 A 10021/14 –, a.a.O. RdNr. 19; Neumann, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 161 RdNr. 193). Es trifft zwar zu, dass in den Fällen einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung keine Entscheidung über den ursprünglich geltend gemachten Anspruch mehr begehrt wird, sondern mit dem in der Erledigungserklärung liegenden Antrag auf Feststellung der Erledigung nur noch das Interesse verfolgt wird, aus dem Prozess ohne einseitige und zwingende Kostenlast aussteigen zu können. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich der Streitwert auf das Kosteninteresse reduziert. Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet. Eine durch eine Klageänderung eingetretene Verringerung des Wertes kann aufgrund dieser eindeutigen Regelung bei der Bemessung des Streitwertes keine Berücksichtigung finden. Dass für die Streitwertfestsetzung bei einseitig für erledigt erklärten Verfahren der Wert der Hauptsache und nicht der Wert der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten zugrunde zu legen ist, findet eine Stütze darüber hinaus in der Gesetzessystematik. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird die Verfahrensgebühr in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Einreichung der Klageschrift fällig. Dem entspricht es aber, dass dieser Zeitpunkt auch für die Streitwertfestsetzung maßgeblich ist. Schließlich wird auch in den Fällen, in denen die Gegenseite der Erledigungserklärung des Klägers zustimmt und es deshalb zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen kommt, der Streitwert nach dem Wert der Hauptsache bemessen. Da in solchen Fällen ebenso wie in den Fällen der einseitigen Erledigungserklärung der Erledigungserklärung des Klägers das Interesse zugrunde liegt, die Kostenlast zu vermeiden, erscheint es nicht gerechtfertigt, die Höhe des Streitwerts davon abhängig zu machen, ob der Beklagte der Erledigungserklärung zustimmt oder widerspricht. Ebenso wenig kann entscheidend sein, ob nach der Erledigungserklärung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Hauptsache zu entscheiden ist (vgl. HessVGH, Beschl. v. 20.12.2006 – 6 NG 1645/06 –, juris RdNr. 6; SächsOVG, Beschl. v. 27.01.2012 – 5 A 157/10 –, a.a.O. RdNr. 10; BayVGH, Beschl. v. 29.01.2016 – 10 CE 15.764 –, juris Rdnr. 9).

28

Dass sich der Streitwert des Erledigungsstreits erst ab dem Zeitpunkt der Erledigungserklärung nach dem Kosteninteresse der Beteiligten richtet, hat nur für ein etwaiges Rechtsmittelverfahren Bedeutung, dessen Gegenstand eine im Erledigungsstreit ergangene Entscheidung ist. In der Instanz, in der der Übergang zum Erledigungsfeststellungsantrag erfolgt ist, verbleibt es wegen § 40 GKG für die Berechnung der Gerichtskosten bei dem ursprünglichen (vollen) Streitwert. Die Klageänderung wirkt nicht zurück, sie kann deshalb auch nicht bereits entstandene Gerichtskosten wieder entfallen lassen. Andernfalls hätte es ein Beklagter, dem nach eingetretener Erledigung die Kostenaufbürdung droht, in der Hand, durch einen – sachlich nicht gerechtfertigten – Widerspruch gegen die Erledigungserklärung des Klägers seine Kostenlast erheblich zu mindern (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 161 RdNr. 34a).

29

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2018 - 2 L 119/16

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2018 - 2 L 119/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2018 - 2 L 119/16 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Baugesetzbuch - BBauG | § 35 Bauen im Außenbereich


(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 40 Zeitpunkt der Wertberechnung


Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien


Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG 2023

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 4 Genehmigung


(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gef

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 6 Fälligkeit der Gebühren im Allgemeinen


(1) In folgenden Verfahren wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig: 1. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,2. in Sa

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 44 Überwachung der Luftqualität


(1) Zur Überwachung der Luftqualität führen die zuständigen Behörden regelmäßige Untersuchungen nach den Anforderungen der Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 oder 1a durch. (2) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werde

Referenzen - Urteile

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2018 - 2 L 119/16 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2018 - 2 L 119/16 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2001 - III ZR 282/00

bei uns veröffentlicht am 12.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 282/00 Verkündet am: 12. Juli 2001 F i t t e r e r Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ------------

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2016 - 10 CE 15.764

bei uns veröffentlicht am 29.01.2016

Tenor Unter Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 25.000,- Euro festgesetzt. Gründe

Verwaltungsgericht Halle Urteil, 25. Okt. 2016 - 2 A 4/15 HAL

bei uns veröffentlicht am 25.10.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollst

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 14. Apr. 2016 - 4 O 45/16

bei uns veröffentlicht am 14.04.2016

Gründe 1 Das Gericht entscheidet gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskos-tengesetz (GKG) durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, weil die angefochtene Entscheidung vom Einzelrichter im Sinne von § 6 Abs. 1 VwGO erlassen w

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2016 - III ZR 160/15

bei uns veröffentlicht am 21.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 160/15 Verkündet am: 21. Januar 2016 P e l l o w s k i Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:210116UIIIZR160.15.0 Der III. Zivilsenat d

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 02. Apr. 2014 - 8 A 10021/14

bei uns veröffentlicht am 02.04.2014

Diese Entscheidung zitiert Tenor Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 12. November 2013 wird hinsichtlich der Abweisung der Anfechtungsklage ge

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 16. Mai 2013 - 8 C 14/12

bei uns veröffentlicht am 16.05.2013

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Spor

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 28. Juni 2007 - 13 S 779/07

bei uns veröffentlicht am 28.06.2007

Tenor Das Verfahren wird abgetrennt und unter dem neuen Az. 13 S 1535/07 fortgeführt, soweit sich das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2007 - 1 K 1423/06 - auf die Klage gegen die Beklagte Nr. 2 bezieht. Im übrigen,

Referenzen

(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.

(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.

(1) Zur Überwachung der Luftqualität führen die zuständigen Behörden regelmäßige Untersuchungen nach den Anforderungen der Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 oder 1a durch.

(2) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Untersuchungsgebiete festzulegen, in denen Art und Umfang bestimmter nicht von Absatz 1 erfasster Luftverunreinigungen in der Atmosphäre, die schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können, in einem bestimmten Zeitraum oder fortlaufend festzustellen sowie die für die Entstehung der Luftverunreinigungen und ihrer Ausbreitung bedeutsamen Umstände zu untersuchen sind.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von fünfzehn Windenergieanlagen.

2

Sie beantragte unter dem 25. Juli 2012 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von fünfzehn Windenergieanlagen des Typs ENERCON E-101 mit einer Nabenhöhe von 149,0 m, einem Rotordurchmesser von 101 m, einer Gesamthöhe von 199,5 m und einer Leistung von 3.000 kW auf den Grundstücken Gemarkung H, Flur …, Flurstücke ..., ... (WKA 1), ..., ... (WKA 2), … (WKA 3), Flur …, Flurstücke … (WKA 4), … (WKA 5 und 8), … (WKA 6, 7 und 9), … (WKA 11), Flur …, Flurstück … (WKA 12), Flur …, Flurstück … (WKA 13) und Gemarkung L, Flur …, Flurstücke … (WKA 14), …, … und … (WKA 15) (Bl. 39 ff. BA A). In den Antragsunterlagen war ein Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP) mit Artenschutzbeitrag sowie Unterlagen zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles gemäß UVPG des Planungsbüros Dr. Weise von Juli 2012 enthalten (Bl. 185 ff. BA A).

3

Mit Schreiben vom 20. November 2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach einem Scoping-Termin am 24. Oktober 2012 (vgl. Bl. 21 ff. BA K) seien durch die Errichtung und den Betrieb der beantragten Windenergieanlagen keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen im Sinne des UVPG zu erwarten. Somit sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich (Bl. 9 ff. BA I). Diese Entscheidung wurde im Amtsblatt 1/13 des Beklagten bekannt gemacht (Bl. 1 f. BA K).

4

Am 17. Juli 2013 legte die Klägerin dem Beklagten modifizierte Antragsunterlagen vor. Darin sind vier Windkraftanlagen innerhalb des geplanten Gebietes verschoben. Außerdem wurde ein LBP von Mai 2013 und eine Faunistische Erfassung vom 19. April 2013 vorgelegt (Bl. 1 ff., 101 ff. BA B).

5

Im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung wurden die betroffenen Träger öffentlicher Belange angehört (Beiakte D ff.).

6

Mit Schreiben vom 26. August 2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass Ergänzungen der Antragsunterlagen u.a. um eine Greifvogelkartierung im 3 km-Radius um das Windparkgebiet sowie eine systematische Dokumentation von Nahrungs- und Transferflügen des Rotmilans erforderlich seien. Die Antragsunterlagen enthielten nach Einschätzung des Beklagten gravierende Mängel hinsichtlich der Erfassung von Milan-Arten (Bl. 262 ff. BA I).

7

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 informierte der Beklagte die Klägerin, dass die Unterlagen erst dann vollständig seien, wenn eine vollständige Betrachtung des Schutzgutes Feldhamster und eine den aktuellen fachlichen Standards entsprechend vollständige Erhebung von Taggreifvögeln im Radius von 3 km um den Windpark vorliege (Bl. 342 ff. BA I).

8

Am 9. Januar 2014 fand eine Besprechung mit der Klägerin bei dem Beklagten statt (Bl. 640 BA L).

9

Mit Schreiben vom 11. Februar 2014 reichte die Klägerin weitere Unterlagen nach (u.a. faunistische Erfassung vom 23. Januar 2014 (Bl. 175 ff. BA C), LBP vom Februar 2014 (Bl. 72 ff. BA C) und naturschutzfachliches Gutachten vom 11. Februar 2014, Bl. 255 BA C).

10

Mit Schreiben vom 17. Februar 2014 bestätigte der Beklagte der Klägerin die formelle Vollständigkeit der Antragsunterlagen.

11

Mit Schreiben vom 18. März 2014 äußerte das Landesamt für Umweltschutz (im Folgenden: LAU) erhebliche fachliche Zweifel an der Faunistischen Erfassung im LBP hinsichtlich der Taggreifvögel/Milan-Arten (Bl. 662 BA L).

12

Mit Datum vom 15. April und 5. Mai 2014 reichte die Klägerin die Dokumentation des Planungsbüros Dr. W zur Nachkartierung von Greifvogelbruten im 2 km-Radius um das Vorranggebiet H nach.

13

Mit Schreiben vom 19. Juni 2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Entscheidung an.

14

Am 18. August 2014 hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht (Untätigkeits-)Klage erhoben (Az.: 4 A 174/14 HAL).

15

Mit Bescheid vom 18. August 2014 – der Klägerin zugestellt am 19. August 2014 - hat der Beklagte die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Dem Vorhaben stünden naturschutzrechtliche Versagungsgründe hinsichtlich des Artenschutzes gem. § 44 Abs. 1 NatSchG, d.h. das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegen. Die WKA 1 befinde sich im Abstand von weniger als 1.000 m zu einem Horst des Rotmilans und mithin innerhalb der Tabuzone laut der Länderarbeitsgemeinschaft Vogelschutzwarten. Die WKA 2 bis 15 befänden sich zwar außerhalb des Taburadius von Rotmilanhorsten, jedoch sei auch hier das Eintreten eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos auf Grundlage der vorliegenden Kenntnisse zur Lage und Verteilung zahlreicher umliegender Brutplätze des Rotmilans und daraus resultierenden erhöhten Flugaktivitäten im Windfeld zu erwarten. Zwar habe die von der Klägerin beauftragte Greifvogelerhebung im Jahr 2012, die lediglich einen Radius von 1 bis 2 km und nicht, wie gefordert, einen Radius von 3 km betrachtet habe, keine Vorkommen des Rotmilan erfasst. Die im gleichen Jahr erfolgte landesweite Rotmilanerhebung im Auftrag des LAU habe aber für den Radius von 2 km um das Windvorranggebiet 3 Brutnachweise des Rotmilans, davon je einer im Abstand von 981 m zur WKA 1, von 1,1 km zur WKA 3 und 1,9 km zur WKA 15 sowie drei Brutnachweise des Schwarzmilans, jeweils im Abstand von 1,5 km, 1,7 km und 2 km zum Windparkgebiet ergeben. Zwei weitere Brutnachweise für den Rotmilan aus der Landeskartierung lägen im Abstand von je 2,2 km sowie je ein weiter im Abstand von 2,9 km, von 3,5 km und von 3,7 km. Im Jahr 2013 sei außerdem bei Kartierungen ein Brutnachweis des Rotmilans im Abstand von 3,4 km zum Windvorranggebiet erbracht worden. Weitere Bruten im Umkreis von > 4 bis 5 km seien aus der landesweiten Erhebung bekannt. Nach der Rechtsprechung des OVG LSA seien WKA innerhalb der Tabuzone grundsätzlich unzulässig. Es sei naturschutzfachlich vertretbar, von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan durch den Betrieb von Windkraftanlagen grds. auszugehen, wenn der Abstand der WKA zu einem festgestellten Horst weniger als 1.000 m betrage. Dies sei jedoch nicht immer ausreichend, um signifikant erhöhte Kollisionsverluste des Rotmilans auszuschließen. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten seien nicht belegbar. Als gesicherte Erkenntnis gelte dagegen der festgestellte Brutbestand von mindestens 6 Brutpaaren des Rot- und 3 Brutpaaren des Schwarzmilans im Umfeld von 3 km um den Windpark sowie weiterer 3 Bruten des Rotmilans im Umkreis von 3 bis 4 km. Ausnahmen lägen nicht vor. Auch im Hinblick auf das Schutzgut Fledermäuse sei von erheblichen artenschutzrechtlichen Konflikten auszugehen, die in den vorgelegten Gutachten nur unzureichend betrachtet würden. Insoweit bestünden Vorbehalte gegen die Erteilung der Genehmigung, die sich jedoch durch entsprechende Auflagen ausräumen ließen. Weitere Vorbehalte bestünden gegen die Genehmigung aus dem Feldhamsterschutz, die sich allerdings ebenfalls durch Nebenbestimmungen regeln ließen. Im Rahmen der Abwägung sei dem öffentlichen Belang des Artenschutzes für den Rotmilan Vorrang gegenüber den privaten Belangen der Antragstellerin einzuräumen. Hierbei falle erheblich ins Gewicht, dass die Bundesrepublik und das Land Sachsen-Anhalt eine besonders hohe Verantwortung für den Erhalt der Art Rotmilan trügen. Das Interesse am Klimaschutz und der Förderung der erneuerbaren Energien schmälerten die Bedeutung des Belangs Artenschutz nicht, insbesondere nicht am betrachteten Standort. Das geplante Windparkgebiet befinde sich nach den vorliegenden Kenntnissen zu den Schutzgütern Rotmilan, Fledermäusen und Feldhamster in einem sehr sensiblen Naturraumausschnitt, der insbesondere deshalb auch zukünftig von Windkraftanlagen freizuhalten sei, weil bisher noch keine Windkraftanlagen vorhanden seien. Die Verschiebung von 4 WEA habe an der Einschätzung nichts geändert, dass keine UVP erforderlich sei.

16

Mit Schreiben vom 12. September 2014 hat die Klägerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18. August 2014 eingelegt.

17

Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2014 hat die Klägerin für das Jahr 2014 eine Raumnutzungsanalyse des Planungsbüros Dr. Weise sowie ein naturschutzfachliches Gutachten des Gutachterbüros S + R von Dezember 2014 übersandt.

18

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Dem Vorhaben stünden bereits deshalb keine öffentlichen Belange entgegen, weil es in einem Vorranggebiet Windenergie mit der Wirkung eines Eignungsgebietes dargestellt sei und bereits im Zuge der Flächennutzungsplanung eine Abwägung auch mit den Belangen des Natur- und Artenschutzes stattgefunden habe.

19

Jedenfalls stünden dem Vorhaben keine durchgreifenden artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote entgegen. Bei dem Rotmilan handele es sich bereits nicht um eine windenergiesensible Vogelart. Die Abstandsempfehlungen seien keine in der Fachwelt allgemein anerkannten Empfehlungen, sie genügten insbesondere nicht fachwissenschaftlichen Anforderungen. Vor diesem Hintergrund beinhalteten diese Papiere im konkreten Fall aufgrund der vorhandenen Horstkartierungen und Raumnutzungsanalysen letztlich keinen eigenen Beweiswert. Nach den übereinstimmenden Ergebnissen der Beteiligten liege kein Dichtezentrum der Rotmilanpopulation an der fraglichen Stelle vor. Die Argumentation des Beklagten im Ablehnungsbescheid sei in sich fehlerhaft und inkonsequent, da ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko nur in Bezug auf einige wenige Windenergieanlagen gesehen worden sei, nämlich die, die weniger als 1.000 m zu einem Rotmilanhorst geplant seien. Daher sei eine Ablehnung aller beantragten Anlagen nicht gerechtfertigt. Beide Milanarten nutzten das Gebiet überwiegend nur, wenn Flächen geerntet würden, weil damit eine besondere Nahrungssituation entstehe. Die von ihr ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung vorgelegte Raumnutzungsanalyse bestätige deutlich, dass das hier fragliche Gebiet allenfalls unterdurchschnittlich vom Rotmilan frequentiert werde. Dazu seien die quantitativen Vorhaben des OEufach0000000014 herangezogen worden, wonach bei Überflügen von 1,5 bis 5/h von einem signifikanten Tötungsrisiko auszugehen sei. Der von D. gefundene Wert von 0,28 Durchflügen pro Stunde sei anhand der Flughöhen weiter zu relativieren, da sich der Rotmilan zu 4/5 seiner Aktivitäten im Hinblick auf die Höhe der von ihr geplanten Anlagen gar nicht in der kritischen Höhe der Rotorkreisfläche aufhalte. Der überwiegende Teil der Flugbewegungen finde – ausweislich der Raumnutzungsanalyse – unterhalb dieses Bereichs statt, und die durchschnittliche Flughöhe liege bei 79 m. Zudem habe dem Fall des OEufach0000000014 ein Gebiet von rund 98 ha zugrunde gelegen. Hier seien 179 ha zu betrachten, also ein etwa doppelt so großes Gebiet, so dass erst 3 bis 10 Durchflügen pro Stunde als kritisch anzusehen wären. Zu weiteren Reduktionen der Gefährdung gelange man, wenn man berücksichtige, dass auch horizontal um die jeweilige WEA herum eine Gefährdung allenfalls im Bereich der Rotorblätter stattfinden könne. Die Raumnutzungsanalyse habe festgestellt, dass die Nutzungsart überwiegend keinen signifikanten Einfluss auf die Frequentierung durch den Rotmilan habe. Das Ergebnis korrespondiere mit den seitens des Gutachters festgestellten Brutvorkommen, die sich ausschließlich außerhalb des unkritischen Bereichs befänden. Befänden sich einige in einem kritischen Bereich, liefere die Raumnutzungsanalyse den Beleg dafür, dass die tatsächliche Raumnutzung gleichwohl nicht zu einer signifikanten Gefährdung des Rotmilans führe. Allgemein sei zu berücksichtigen, dass sich ausweislich einer in einem landesweit anerkannten Schwerpunktgebiet des Rotmilans mit exponentiellem Zubau von WEA (P Hochfläche) seit 2010 durchgeführten Untersuchung eine intensive Windenergienutzung nicht auf die Population des Rotmilans auswirke. Auch ausweislich der Untersuchung von Kohle/Nusbaumer (Stand: Februar 2016) befänden sich die Bestände des Rotmilans deutschland- und europaweit im Aufwind. Die Progress-Studie, die allerdings gravierende Mängel aufweise, habe ebenfalls keine quantitativen Zusammenhänge eines durch WEA erhöhten Kollisionsrisikos feststellen können. Daher seien die Thesen, dass der Rotmilan windenergiesensibel sei und die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verantwortung für den Rotmilan trage, in Frage zu stellen, jedenfalls aber zu relativieren.

20

Das von dem Beklagten eingeholte Gutachten von Ö sei nicht verwertbar, weil es allgemein anerkannten Methoden und Bewertungsstandards widerspreche und eine Reihe von Fehlern, Fehldeutungen und zu gravierenden Missverständnissen verleitenden Ungenauigkeiten enthalte. Es versuche, möglichst viel zu erfassen und werde den vom LAU aufgestellten Standards für Raumnutzungsanalysen nicht gerecht, da die Beobachtungszeiten zu kurz seien und es im Hinblick auf die Rasterkarten methodische Mängel aufweise. Auch fehlten die Koordinatenwerte der Brutplätze, die Tagesprotokolle und es beruhe auf mangelhaftem Tatsachenmaterial. Zudem werde nicht klar, auf welche Bezugsgröße der Wert von 3,3 Sichtbeziehungen sich beziehe. Im Übrigen komme auch Ökotop bei maximal > 50 Überflügen bei einer Beobachtungszeit von 99 Stunden nur auf einen Wert von 0,5. D. habe eine Raumnutzungsanalyse nur für den Rotmilan erstellt, bei der eine Horstkartierung nicht enthalten sein müsse, und 105 Überflüge des Rotmilans gezählt und Ökotop 372. Diese Abweichung könne nicht mit der üblichen Fehlerspreizung bei Felduntersuchungen erklärt werden. D. habe wesentlich mehr Zeit für die Beobachtung aufgewendet und die Beobachtungen seien zeitlich auf den Schwerpunkt der Aktivitäten des Rotmilans konzentriert. Auch Regentage dürften nicht ausgespart werden. Ökotop betrachte nur die Aktivitäten des Rotmilans im Windfeld und zerschneide Flugbewegungen, so dass jeweils eine Flugbewegung erfasst werde, wenn die Tiere aus dem Windfeld ein- und ausfliegen. D. habe die Tiere dagegen verfolgt und die einzelnen Flugbewegungen im Umfeld betrachtet, weil damit die Bedeutung der Flächen im Gesamtaktionsraum festgestellt werden könne. Gegen die Aussagekraft des Gutachtens von Ökotop spreche auch, dass die Beobachtungspunkte im Zentrum angeordnet und mehrere Beobachter eingesetzt worden seien, was zwangsläufig zu Doppelerfassungen führe. Raumnutzungsanalysen beruhten nur auf Stichproben, deren Repräsentanz fraglich sei. Jedenfalls mit der vorgelegten Raumnutzungsanalyse Rotmilan Frühjahr 2016 liege eine lückenlose Erfassung der Flugaktivitäten in der Zeit vom 18.03. bis 31.08. vor. Der Gutachter komme zu dem Schluss, dass bei allen geplanten Anlagen kein artspezifisch erhöhtes Tötungsrisiko erkennbar sei. Die unterschiedlichen Maßstäbe der Gutachten müssten berücksichtigt werden. Der in Bezug genommene aktuelle Leitfaden sei erst Anfang 2016 veröffentlicht worden. Nachträgliche Änderungen von Standards dürften D. nicht entgegengehalten werden. D. habe die zum Zeitpunkt der Erstellung geltenden Standards – anders als Ökotop – eingehalten, wobei es an einheitlichen verbindlichen Standards fehle. Zudem habe Ökotop die neuen Standards jedenfalls zum Teil mitentwickelt.

21

Hilfsweise könnten Vermeidungsmaßnahmen in Betracht kommen, die auf jeden Fall den Eintritt der Verbotsfolge verhinderten. Die vorgeschlagenen Vermeidungsmaßnahmen, die einem Worst-Case-Szenario folgten, seien geeignet, fachlich anerkannt und fänden sich in entsprechenden Erlassen (z.B. Artenschutzleitfaden NRW). Der Rotmilan treffe frühestens ab dem 1.3. eines Jahres in der hiesigen Region ein, verlasse diese spätestens am 30.9. wieder. Dies betreffe jedenfalls mindestens 99 % der Population. Der Vogel sei tagaktiv, beginne seine Aktivitäten i.d.R. nicht vor einer Stunde nach Sonnenaufgang und beende diese i.d.R. mindestens eine Stunde vor Sonnenuntergang. Ob der Betrieb der WEA bei umfangreichen Abschaltungen noch wirtschaftlich sei, unterliege nicht der Prüfung des Beklagten oder des Gerichts. Im Übrigen sei ein wirtschaftlicher Betrieb ausweislich der von ihr vorgelegten Stellungnahme von Enercon möglich.

22

Die Einschätzung des Beklagten, der Bedenken im Hinblick auf Fledermäuse und Feldhamster äußere, teile sie nicht. Soweit es das örtliche Fledermausvorkommen betreffe, dürften sich diese mit Blick auf die Rechtsprechung des VG Halle und des OEufach0000000014 erledigt haben. Maßnahmen in Form eines Abschaltalgorithmus seien nicht notwendig. Soweit ein Fledermausvorkommen zu schützen sei, seien nur die Frühjahrs- und Herbstzüge vom 15.4. bis 15.5. und 20.7. bis 30.9. eines Jahres relevant. Auch sei allgemein anerkannt, dass ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko für Fledermäuse sicher vermieden werden könne, wenn die Windenergieanlagen bei einzukalkulierendem Insektenflug still stünden. Dies sei bei einer Temperatur von > 10 Grad Celsius und Windgeschwindigkeiten von mehr als 6 m/sec. der Fall. Der Aktivitätszeitraum von Fledermäusen erstrecke sich auf die Zeit vom 1.4. bis längstens 31.10. eines Jahres. Wenn der Betreiber – wie hier – durch eigene Untersuchungen belegt habe, dass kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko für Fledermäuse anzunehmen sei, trage die Genehmigungsbehörde die Beweislast für das Gegenteil. Ein solcher Beweisantritt fehle hier. Ein Fledermaus-Höhenmonitoring gebe es nicht. Schon aufgrund der Bodenuntersuchungen hätten sich keine erhöhten Aktivitäten von Fledermäusen im Untersuchungsgebiet gezeigt. Der Beklagte äußere insoweit nur Spekulationen über Fledermausvorkommen, obwohl er im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Bedenken gehabt habe.

23

Der Baumfalke sei von ihr nicht festgestellt worden. Inzwischen sei aber ermittelt worden, dass er in einer Feldholzinsel gebrütet haben solle, so dass sich keine höheren Baumstrukturen entwickeln könnten. Im Übrigen sei er – wie auch der Mäusebussard – unempfindlich gegenüber Windenergieanlagen, zumal er sich nur kurz in der hiesigen Region aufhalte. In Brandenburg seien keine Abstandsempfehlungen für den Baumfalken vorgesehen.

24

Gegen die naturschutzrechtliche Einschätzungsprärogative seien Verfassungsbeschwerden erhoben worden. Zudem beziehe sich diese nicht auf die Feststellung des Sachverhaltes sowie die Frage, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegeben sei.

25

Überdies trage sie nicht die Beweislast dafür, dass keine naturschutzrechtlichen Bedenken bestünden.

26

Der Beklagte gehe offenbar nunmehr davon aus, dass eine UVP erforderlich sei, obwohl er sich weigere, die im Vorfeld durchzuführende Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Alle Unterlagen lägen vor. Eine Verpflichtung, eine selbständige Umweltverträglichkeitsstudie vorzulegen, bestehe nicht. Der Beklagte habe auch keine Umweltverträglichkeitsstudie angefordert. Wäre der Beklagte verpflichtet, eine UVP durchzuführen, hätte er dies einschließlich der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung längst vornehmen können und müssen, insbesondere vor Erlass des Ablehnungsbescheides, der ansonsten schon deshalb rechtswidrig wäre. Seine bisherige Untätigkeit belege einen absichtsvoll begangenen Verfahrensfehler zum Zweck der vermuteten Sabotierung des von ihr beantragten Projekts.

27

Mit Wirkung vom 1. Januar 2015 ist die 2. Kammer gemäß Beschluss des Präsidiums für das Verfahren zuständig geworden. Die Rechtssache wird seitdem unter dem Aktenzeichen 2 A 4/15 HAL geführt.

28

Unter dem 26. Februar 2016 hat die Klägerin die Raumnutzungsanalyse des Büros für Landschaftsökologie D. vom 15. Februar 2016 übersandt (Beiakte O).

29

Mit Schriftsatz vom 29. Februar 2016 hat der Beklagte den Bericht des Büros für angewandte Landschaftsökologie Ökotop GbR über die Analyse der Raumnutzung des Rotmilans im geplanten Windpark Helfta vom 26. Februar 2016 übersandt (Beiakte P).

30

Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 hat die Kammer den Antrag der Regionalen Planungsgemeinschaft Halle auf Beiladung abgelehnt.

31

Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2016 hat die Klägerin die "Raumnutzungsanalyse Rotmilan Frühjahr 2016" des Büros D. vom 13. Juli 2016 übersandt (Beiakte S).

32

Die Klägerin beantragt,

33

den Beklagten zu verpflichten, ihr die am 25. Juli 2012 beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von fünfzehn Windkraftanlagen des Typs Enercon E-101 mit einer Nabenhöhe von 149,0 m und einer Gesamthöhe von 199,5 m sowie einer Nennleistung von 3.000 kW im Landkreis Mansfeld-Südharz, der Gemeinde Lutherstadt Eisleben, OT Helfta und der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land, OT L, zu erteilen,

34

hilfsweise,

35

die Genehmigung unter der Auflage von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen,

36

weiter hilfsweise,

37

einzelne Windenergieanlagen komplett oder tages- und jahreszeitlich begrenzt zuzulassen.

38

zusätzlich hilfsweise,

39

die Genehmigung unter der Auflage von sämtlichen Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen, wie sie im Einzelnen im Maßnahmenkonzept des Büros D. vom 21. April 2016 konkret beschrieben sind,

40

weiter hilfsweise,

41

die Genehmigung unter Aufgabe des Maßnahmekonzepts D. und zum Schutz des Fledermausvorkommens zusätzlich zur Beauflagung der Installation eines Fledermaus-Abschaltalgorithmus zu erteilen, wonach im Zeitraum 15.4 bis 15.5 und 20.7. bis 30.9 eines Jahres die Windenergieanlagen zwischen Sonnenunter- und –aufgang vollständig abzuschalten sind, wenn Temperaturen von > 10 Grad Celsius sowie Windgeschwindigkeiten im 10-Minuten-Mittel von weniger als 6 m/sec. in Gondelhöhe herrschen,

42

weiter hilfsweise,

43

die Genehmigung unter Einschluss der vorstehenden Beauflagungen mit der weiteren Einschränkung zu beauflagen, dass der zur vorstehenden Ziffer genannte Abschaltalgorithmus für Fledermäuse für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.10. eines jeden Jahres zu aktivieren ist,

44

weiter hilfsweise,

45

die Windenergieanlagen mit der Maßgabe zu genehmigen, dass die im gesamten maßgeblichen Aktivitätszeitraum des Rotmilans tagsüber komplett abgeschaltet werden, also in der Zeit vom 1.3. bis 30.9. eines jeden Jahres jeweils eine Stunde nach Sonnenaufgang bis eine Stunde vor Sonnenuntergang

46

sowie ggf. zusätzlich der o.g. Abschaltalgorithmus für Fledermäuse,

47

weiter hilfsweise,

48

die Genehmigung unter Auflagen von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen, wie sie von dem Gericht, hilfsweise von dem Beklagten zur Vermeidung der Verletzung artenschutzrechtlicher Zugriffstatbestände für notwendig gehalten werden,

49

höchst vorsorglich,

50

die Genehmigung der Windenergieanlagen 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 mit einer Abschaltzeit im Tageszeitfenster 10 bis 14 Uhr über den Zeitraum der Brutperiode (1.3. bis 31.8.) zu erteilen.

51

Der Beklagte beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Er hält die Klage bereits mangels Rechtschutzbedürfnis für unzulässig und das Vorhaben für nicht genehmigungsfähig. Er sei auch gehindert, an seiner bisherigen Eischätzung im Hinblick auf die Entbehrlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung festzuhalten.

54

Die Beigeladenen stellen keinen eigenen Antrag.

55

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

56

Die Klage hat keinen Erfolg.

57

Sie dürfte allerdings bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung als Verpflichtungsklage in der besonderen Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig gewesen sein. Dies bedarf indes keiner Vertiefung.

58

Die Klage ist mit dem Hauptantrag jedenfalls unbegründet. Der Beklagte hat die Erteilung der Genehmigung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus § 6 Abs. 1 BImSchG.

59

Ihrem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften, namentlich des Bauplanungs- und Naturschutzrechts, entgegen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG).

60

Die Errichtung und der Betrieb der im Außenbereich geplanten 15 Windenergieanlagen verstößt gegen § 35 BauGB, wenn Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehen.

61

So liegt es nach Überzeugung der Kammer hier. Das Vorhaben verstößt gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Artenschutzrechtliche Verbote i.S.d. § 44 BNatSchG sind nach dem Prüfprogramm des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zugleich Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, die einem privilegierten Außenbereichsvorhaben bauplanungsrechtlich nicht entgegenstehen dürfen. Das Naturschutzrecht konkretisiert die öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Ist über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 BauGB zu entscheiden, hat die zuständige Behörde daher auch die naturschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu prüfen. Können artenschutzrechtliche Verbote naturschutzrechtlich nicht überwunden werden, stehen sie einem gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben als öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zwingend entgegen. Das Vorhaben ist dann bauplanungsrechtlich unzulässig. Es decken sich also die bauplanungsrechtlichen Anforderungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, soweit sie naturschutzbezogen sind, mit den Anforderungen des Naturschutzrechts. Artenschutzrechtliche Verbote, von denen weder eine Ausnahme noch eine Befreiung erteilt werden kann, stehen einem immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Außenbereichsvorhaben deshalb stets zwingend entgegen, und zwar sowohl als verbindliche Vorschriften des Naturschutzrechts als auch als Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Für eine nachvollziehende Abwägung ist kein Raum (vgl. zum Ganzen: OVG LSA, Urt. v. 20.01.2016 – 2 L 153/13 – unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, juris RdNr. 6).

62

Gemessen daran steht der Erteilung der beantragten Genehmigung das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegen. Danach ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Zu den besonders geschützten Arten gehört gemäß § 7 Nr. 13 Buchst. a BNatSchG i.V.m. Anhang A der Artenschutzverordnung (Verordnung Nr. 338/97 des Rates vom 09.12.1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenorten durch Überwachung des Handels ) insbesondere der hier im Umfeld des Vorhabens vorkommende Rotmilan.

63

Der Tötungstatbestand ist auch dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist. Dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit Windkraftanlagen bzw. deren Rotorblättern zu Schaden kommen können, ist allerdings bei lebensnaher Betrachtung nie völlig auszuschließen. Der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) ist dann nicht erfüllt, wenn das Vorhaben nach naturschutzfachlicher Einschätzung kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren verursacht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – 7 C 40.11 –, juris), mithin unter der Gefahrenschwelle in einem Risikobereich bleibt, der mit dem Vorhaben im Naturraum immer verbunden ist, vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14.07 –, juris). Der Verbotstatbestand ist zwar individuenbezogen; dass einzelne Exemplare etwa durch Kollisionen zu Schaden kommen, reicht aber nicht aus. Soll das Tötungs- und Verletzungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis werden, ist vielmehr zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts in signifikanter Weise erhöht, wobei Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden oder dieses Risiko zumindest minimiert werden soll, einzubeziehen sind. Gemeint ist eine "deutliche" Steigerung des Tötungsrisikos. Dafür genügt es nicht, dass im Eingriffsbereich überhaupt Tiere der (besonders) geschützten Art angetroffen worden sind; erforderlich sind vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass sich das Risiko eines Vogelschlages durch das Vorhaben deutlich und damit signifikant erhöht (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, juris Rn. 46; Urt. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 –, juris Rn. 59 m.w.N.).

64

Da zur fachgerechten Beurteilung dieser Frage ornithologische Kriterien maßgeblich sind, die zu treffende Entscheidung prognostische Elemente enthält und überdies naturschutzfachlich allgemein anerkannte standardisierte Maßstäbe sowie rechenhaft handhabbare Verfahren fehlen, muss der zuständigen Behörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden. Die gerichtliche Prüfung ist insoweit grundsätzlich auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt (vgl. OVG LSA, Urt. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 –, a.a.O. Rn. 60, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – BVerwG 7 C 40.11 –, juris Rn. 14; OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, a.a.O. Rn. 46, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, juris Rn. 14). Gerade die Bewertung, wann ein bestehendes Tötungs- oder Verletzungsrisiko "signifikant" erhöht ist, lässt sich nicht im strengen Sinne "beweisen", sondern unterliegt einer wertenden Betrachtung (vgl. zum Ganzen: OVG LSA, Urt. v. 20.01.2016, a.a.O.). Die Klägerin kann in diesem rechtlichen Zusammenhang nicht mit Erfolg einwenden, gegen die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative sei Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Nach Überzeugung der Kammer bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ausgehend von dem in Art. 19 Abs. 4 GG wurzelnden Grundsatz, dass die Verwaltungsgerichte die Verwaltungstätigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig zu prüfen haben, bildet die Anerkennung von Kontrollrestriktionen eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme, die von zwei Voraussetzungen abhängig ist. Zum einen bedarf die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte einer im Wege der Auslegung zu ermittelnden gesetzlichen Grundlage, zum anderen der sachlichen Rechtfertigung durch einen hinreichend gewichtigen Grund. Beide Voraussetzungen sind für die hier in Rede stehende artenschutzrechtliche Beurteilung zu bejahen. Den gesetzlichen Regelungen, die die Beachtung der artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG als Zulassungsvoraussetzung normieren, ist im Wege der Auslegung eine Beurteilungsermächtigung der Zulassungsbehörden zu entnehmen. Unter dem Eindruck des Urteils des EuGH vom 10.01.2006 (Az.: C-98/03) hat der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung aufgehoben mit der Folge, dass nunmehr die Zulassungsbehörden die Beachtung der Verbote bei der Verwirklichung zulassungsbedürftiger Vorhaben uneingeschränkt gewährleisten müssen. Der Gesetzgeber hat dabei für die Prüfung, welche Anforderungen an die Art und den Umfang der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme sowie die Erfassung und Bewertung der vorhabenbedingten Einwirkungen zu stellen sind, keine weiteren Vorgaben festgelegt und erst recht kein Verfahren einer artenschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung vorgesehen. An einer untergesetzlichen Maßstabsbildung, wie sie in anderen Bereichen des Umweltrechts mittels Durchführungsverordnungen oder normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften erfolgt ist, fehlt es. Damit verweist das Gesetz die Behörden gezielt auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis als Orientierungshilfe. Vor dem Hintergrund, dass ökologische Fragestellungen in weitem Umfang noch keine eindeutigen, in den einschlägigen Fachkreisen allgemein anerkannten Antworten gefunden haben, kann dies nur als Ermächtigung verstanden werden, die artenschutzrechtliche Prüfung in Würdigung des jeweiligen naturschutzfachlichen Meinungsstandes eigenverantwortlich vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – 7 C 40/11 –, juris).

65

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Zulässigkeit einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Verwaltung bedarf in diesem Einzelfall nach Überzeugung der Kammer keiner Vertiefung, weil der Beklagte seine Entscheidung auf naturschutzfachlich anerkannte Grundlagen und Annahmen gestützt hat.

66

In Anwendung dieser Grundsätze besteht jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt für den Rotmilan ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko, wenn der Abstand einer Windenergieanlage zu einem Rotmilanhorst weniger als 1.000 m beträgt, "es sei denn, es liegen zuverlässige Erkenntnisse darüber vor, dass sich in einer größeren Entfernung als 1.000 m ein oder mehrere für den Rotmilan attraktive, nicht nur kurzzeitig bzw. zeitweise zur Verfügung stehende Nahrungshabitate befinden und die Windenergieanlage dort oder innerhalb eines Flugkorridors dorthin liegt" (vgl. OVG LSA, Urt. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 –, a.a.O. RdNr. 77, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – BVerwG 7 C 40.11 –, a.a.O. RdNr. 23; OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, a.a.O. RdNr. 94, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, a.a.O. RdNr. 11). Diese – oder eine ähnliche – Einschätzung wird auch durch neuere Untersuchungen gestützt. Insbesondere in der Studie "Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge", Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Juni 2013) von Hötker, Hermann/Krone, Oliver/Nehls,Georg (https://www.nabu.de/downloads/Endbericht-Greifvogelprojekt.pdf) wird auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen die Auffassung vertreten, dass sich durch einen ausreichend hohen Abstand zwischen Windkraftanlagen und Rotmilanhorst das Kollisionsrisiko vermindern lasse, wobei die Wahrscheinlichkeit für Rotmilane, mit den Rotoren der Windkraftanlagen zu kollidieren, umso geringer sei, je größer der Abstand zwischen Windkraftanlage und Rotmilanhorst sei. Ab einem Abstand von 1.250 m lasse sich das Kollisionsrisiko deutlich reduzieren (Hötker, Hermann/Krone, Oliver/Nehls, Georg, Greifvögel und Windkraftanlagen, a.a.O., S. 93, S. 311 f., S. 332 f.; vgl. zum Ganzen: OVG LSA, Urt. v. 20.01.2016, a.a.O.).

67

Allerdings hat die Klägerin eine Studie mit dem Titel "Windenergie und Rotmilan: Ein Scheinproblem" der Kohle-Nusbaumer SA, Lausanne, vom 15.01.2016 (https://www.yumpu.com/de/document/view/54987473/rotmilan-und-windenergie-ein- scheinproblem) vorgelegt, in der u.a. die Auffassung vertreten wird, Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Rotmilanhorsten hätten weder einen nennenswerten Einfluss auf die Bestände noch seien sie wegen der hohen Fluktuation von Brutplätzen sinnvoll (vgl. Bl. 221 ff. GA).

68

Der Beklagte hat die naturschutzfachliche Prüfung, ob die grundsätzliche Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan bei einem Abstand des Rotmilanhorstes zu einer Windenergieanlage von weniger als 1.000 bzw. 1.500 m noch gerechtfertigt ist, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen.

69

In Anwendung der oben genannten Grundsätze ist die Einschätzung des Beklagten, dass der Rotmilan durch die geplanten 15 Windenergieanlagen einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt ist, nachschutzfachlich vertretbar.

70

Ob die im Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18. August 2014 angeführten Gründe die Ablehnung tragen, bedarf dabei keiner Entscheidung. Jedenfalls nach den zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnissen ist die Entscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.

71

Der Betrieb der Windenergieanlagen Nr. 3 und Nr. 15 verstößt bereits deshalb gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG, weil sich diese Anlagen in einer Entfernung von weniger als 1.500 m zu einem Rotmilanhorst befinden.

72

Sowohl die von dem Beklagten vorgelegte Analyse der Raumnutzung des Rotmilans im geplanten Windpark Helfta der Ö GbR vom 26. Februar 2016 als auch die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse des Büros für Landschaftsökologie D. vom 15. Februar 2016 gehen davon aus, dass zwei Horste im Abstand von weniger als 1.500 m zu den geplanten Windenergieanlagen Nr. 3 und Nr. 15 liegen. Ö fand im Frühjahr 2015 im 3.000 m-Radius um das Windeignungsgebiet insgesamt 6 Horste des Rotmilans. Die Horste Nr. 38 und 49 liegen im Abstand von weniger als 1.500 m zu den geplanten Windenergieanlagen und waren im Jahr 2015 auch besetzt. D. stellte bei der im Februar 2016 im laublosen Zustand durchgeführten Horstaufnahme ebenfalls einen Horst (Nr. 9) des Rotmilans südlich Wormsleben am Gewässer "Böse Sieben" in einem Abstand von 1.380 m zur geplanten WEA 15 und einen Horst (Nr. 25) nordöstlich Ä, alte Haldenfläche in einem Abstand von 1.130 m zur geplanten WEA 3 fest. Aufgrund der Lage dieser Horste geht das Gericht davon aus, dass es sich dabei um die Horste Nr. 38 und 49 aus der Horstkartierung 2015 von Ö handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die Koordinatenwerte der Brutplätze fehlten. Die genaue Lage ergibt sich zudem aus der Karte 1 der Analyse von Ö.

73

Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte der Beklagte auf einen Radius von 1.500 m statt 1.000 m abstellen. Zwar wurde obergerichtlich bislang ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko grundsätzlich nur bejaht, wenn sich eine Windenergieanlage weniger als 1.000 m von einem Rotmilanhorst entfernt befindet (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 21.03.2013 – 2 M 154/12 –, juris Rn. 31). Allerdings ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diesen Maßstab nicht zur Grundlage seiner Bewertung gemacht hat. Er hat dabei die Grenzen seiner Einschätzungsprärogative nicht überschritten. Vielmehr hat er plausibel dargelegt, dass sich der zuvor umrissene Maßstab als naturschutzfachlich überholt zeigt, wie sich aus den Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten vom April 2015 ergibt, denen er sich angeschlossen hat. Diese basieren darauf, dass innerhalb von 1.000 m um den Brutplatz lediglich 40 Prozent der Flugaktivitäten, innerhalb eines Radius von 1.500 m hingegen bereits mehr als 60 Prozent der Flugaktivitäten zu verzeichnen seien. Ein wirksamer Schutz des Rotmilans erfordere also die Erweiterung des Radius auf diese Größe (vgl. Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, Abstandsempfehlung für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, Berichte zum Vogelschutz, Band 51 (2014), S. 26 f. – abrufbar unter http://www.vogelschutzwarten.de/downloads/lagvsw2015_abstand.pdf, Stand: 14.03.2016). Daher ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – davon auszugehen, dass sich mittlerweile ein von der genannten Abstandsempfehlung abweichender allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durch die Festlegung eines Mindestabstands von 1.500 m für den Rotmilan durch die "Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 2015)" der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten durchgesetzt hat (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 27.05.2016 – 22 BV 15.2003 -, juris).

74

Der Beklagte darf auch von einer Kollisionsanfälligkeit für Rotmilane ausgehen. Eine allgemeine Meinung, dass der Rotmilan Windenergieanlagen meidet, hat sich naturschutzfachlich nicht herausgebildet. Vielmehr wird von einer erheblichen Kollisionsgefahr ausgegangen, da der Rotmilan während der Suche nach Beute seinen Blick nach unten richtet und mangels natürlicher Feinde aus der Luft den Raum über ihm nicht in den Blick nimmt (vgl. M/M/Resetaritz, in: Hötker/Krone/Nehls, Verbundprojekt: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, 2013, S. 87 f. – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/4055/endbericht_greifvogelprojekt.pdf, Stand: 14.03.2016). Nach der im Juni 2016 veröffentlichten Progress-Studie (vgl. Grünkorn u.a.: Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windeenergieanlagen, abrufbar unter: http://bioconsult- sh.de/de/projekte/progress/, S. 266) können neben der Nahrungssuche auch andere Verhaltensweisen (z.B. Revierkampf) die Wahrnehmung von Windenergieanlagen beeinflussen und Ursache für das fehlende Meidungsverhalten sein. Überwiegend wird ein Meideverhalten jedenfalls verneint, zumindest für ziehende Rotmilane. Diese von dem Beklagten zu Grunde gelegte naturschutzfachliche Einschätzung wird auch nicht durch auf das Gegenteil gerichtete, durch die Klägerin vorgelegte Studien erschüttert (etwa: Kohle/Nusbaumer, Windenergie und Rotmilan: Ein Scheinproblem, 2016). Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um eine bereits allgemein verfestigte naturschutzfachliche Meinung handelt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin kritisierte Datensammlung über Vogelverluste an Windenergieanlagen (vgl. Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (Tobias Dürr), Vogelverluste an Windenergieanlagen, Stand: 16.12.2015 – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/4055/wka_voegel_eu.xls, Stand: 14.03.2016) in der Fachwelt nicht mehr zur Bewertung der Vogelverluste an Windenergieanlagen herangezogen wird. Auch ist die Argumentation der Klägerin nicht überzeugend, die Studie zur Paderborner Hochfläche habe gezeigt, dass kein Zusammenhang zwischen dem Ausbau von Windenergieanlagen und der Population des Rotmilans bestehe. So fehlen hier schon weiterführende Informationen, ob die angesprochenen Windenergieanlagen überhaupt im Einzugsbereich von Rotmilanen liegen oder ob sie sogar übereinstimmend mit artenschutzrechtlichen Erfordernissen errichtet wurden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Bestandsgröße des Rotmilans wegen des gerade individuumsbezogenen Schutzes dahinstehen kann. Eine mögliche – obgleich vorliegend eher Anhaltspunkte für das Gegenteil vorhanden sind (vgl. IUCN, Red List of Threatened Species, Milvus milvus; abrufbar unter http://www.iucnredlist.org/details/22695072/0, Stand: 14.03.2016) – Erholung der Population ist jedenfalls unbeachtlich, solange es sich bei dem Rotmilan um eine besonders geschützte Art im Sinne des BNatSchG handelt.

75

Aber auch die Genehmigung der übrigen dreizehn Windenergieanlagen verstößt gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.

76

Im Hinblick auf die dargelegten Erkenntnisse ist es nach Überzeugung der Kammer naturschutzfachlich vertretbar, von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan durch den Betrieb von Windkraftanlagen auch auszugehen, wenn zuverlässige Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sich in einer größeren Entfernung ein oder mehrere für den Rotmilan attraktive, nicht nur kurzzeitig bzw. zeitweise zur Verfügung stehende Nahrungshabitate befinden und die Windenergieanlagen dort oder innerhalb eines Flugkorridors dorthin liegen. So liegt es hier.

77

Der Beklagte durfte aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisse und Gutachten davon ausgehen, dass das Gebiet in dem die Windenergieanlagen der Klägerin aufgestellt werden sollen, intensiv von Rotmilanen genutzt wird, weil sich dort Nahrungshabitate befinden. Die Ö GbR hat in ihrem Gutachten vom 26. Februar 2016 im 3.000 m-Radius um das Windeignungsgebiet auf 4.600 ha insgesamt 6 Brutpaare des Rotmilans nachgewiesen. Dies entspricht einer Siedlungsdichte von 13 Paaren/100 km² und liegt damit über dem mittleren Siedlungsdichtewert des Landkreises von 7,8 Paaren/100 km². Ausweislich der Feststellungen der Ö GbR, die das 179 ha große Windeignungsgebiet in der Zeit vom 3. April bis 24. August 2015 an 22 Beobachtungstagen je etwa 4,5 Stunden (reine Beobachtungszeit) untersucht hat, durchfliegen Rotmilane das Gebiet intensiv bzw. nutzen es als Nahrungshabitat. Innerhalb des Untersuchungszeitraums von 99 Stunden (22 Termine à 4,5 Stunden) hielten sich Rotmilane für insgesamt 18 Stunden im Untersuchungsgebiet auf, was über alle Monate hinweg einer durchschnittlichen Anwesenheitsdauer von 11 Minuten pro Stunde entspricht. Knapp über 20 % der Aufenthalte entfielen auf die Höhenklasse zwischen 100 und 200 m und damit auf den Gefahrenbereich der Rotorblätter der geplanten Windkraftanlagen. Der Bereich um die Gehölzfläche im südlichen Zentrum des Untersuchungsgebietes – in unmittelbarer Nähe östlich der geplanten Windenergieanlage 5 und südlich der geplanten Windenergieanlage 9 - kristallisierte sich dabei als Aktivitätszentrum (> 50 Sichtkontakte je Raster) für Rotmilane heraus. Weitere Bereiche mit besonders hoher Frequentierung (jeweils 21 – 50 Sichtkontakte je Raster) waren die an das Aktivitätszentrum angrenzenden Flächen, der gesamte westliche Bereich des Untersuchungsgebietes und eine etwa 10 ha große Fläche im Norden des Untersuchungsgebietes. Die räumliche Nutzung ist nach den Beobachtungen der Gutachter zwar abhängig von den im Laufe des Jahres unterschiedlichen landwirtschaftlichen Aktivitäten sowie dem Deckungsgrad der Anbaukulturen. Über den gesamten Untersuchungszeitraum wurden die meisten Flüge aber im Zentrum des Windeignungsgebietes entlang des Gehölzbereiches beobachtet (vgl. Karte 7). Das Windeignungsgebiet, in dem die von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen errichtet werden sollen, wurde danach im gesamten Beobachtungszeitraum zwischen April und August 2015 von Rotmilanen aufgesucht. So fanden die häufigsten Sichtkontakte im Monat Mai statt. Aber selbst im Juli 2015 gab es noch im nördlichen Bereich 6 bis 10 Sichtkontakte pro Rasterfeld. Im Ergebnis geht das Gutachten des Büros Ö von durchschnittlich 3,3 Flugbewegungen (Sichtkontakte) je Beobachtungsstunde im 179 ha großen Windeignungsgebiet aus, wobei die Anzahl der Beobachtungen zwischen einem und 36 Sichtkontakten innerhalb des Erfassungszeitraums variierte. Eine Beobachtung, d.h. eine durchgehende Fluglinie wird von den Gutachtern als Sichtkontakt bezeichnet. Die durchschnittliche Anzahl an Sichtkontakten lag im April und Mai jeweils bei 20,0 bzw. 21, 8 Sichtkontakten je Beobachtungstag und nahm über den Juni bis Mitte Juli kontinuierlich ab. Ab Ende Juli bis Mitte August erhöhte sich die Anzahl der Sichtkontakte wieder und die durchschnittliche Anzahl der Rotmilanbeobachtungen lag im August bei 16,8 Sichtkontakten pro Termin. Dass es dabei tatsächlich zu Mehrfachbeobachtungen gekommen ist, die sich in unzutreffend hohen Sichtkontakten niedergeschlagen haben, wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei den hier angewandten Untersuchungsmethoden Fehler in keinem Fall ganz vermieden werden können. Die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse belegt aber, dass der geplante Standort intensiv von Rotmilanen durchflogen wird. Damit kann sich der Beklagte bezüglich des von ihm angenommen signifikant erhöhten Tötungsrisikos für Rotmilane auf naturschutzfachliche Erkenntnisse stützen, ohne die Grenzen der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative zu überschreiten. Dies gilt umso mehr, als die Abstände zwischen den Horsten und den nächst gelegenen Anlagen nicht sehr weit außerhalb der "Tabuzone" von 1.500 m liegen.

78

Zur entsprechenden Darstellung hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung erläutert, in den Rasterkarten habe er die Fluglinien digitalisiert, wobei eine Linie ein Flugereignis darstelle. Danach dienen die Rasterkarten lediglich der Visualisierung, ob ein Muster der Flugbewegungen vorliegt. Dass Ö hierbei mehrere Sichtkontakte annimmt, wenn die Rotmilane aus dem Windfeld heraus- und wieder hineinfliegen, begegnet nach Überzeugung der Kammer keinen Bedenken, weil die Raumnutzungsanalyse Aufschluss darüber geben soll, wie oft sich Rotmilane in dem für sie gefährlichen Bereich aufhalten.

79

Die Klägerin kann gegen das Gutachten von Ö nicht mit Erfolg geltend machen, es sei unklar, welche Bezugsgröße der Untersuchung zugrunde liege. Der Gutachter M hat hierzu in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2016 auf Nachfrage bestätigt, dass Bezugsgröße für die Annahme der 3,3 Flüge pro Stunde das 179 ha große Windeignungsgebiet war, in dem die Anlagen der Klägerin errichtet werden sollen. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 30. März 2016 nochmals bekräftigt, dass von den in den beigefügten Karten dargestellten 375 Flugbewegungen ausschließlich jene Flugbewegungen (326 Sichtkontakte) in die gutachterliche Auswertung eingegangen sind, die innerhalb des in der Karte dargestellten Vorranggebietes (Windeignungsgebiet) registriert wurden. Gegen die Verwertbarkeit des von dem Beklagten eingeholten Gutachtens spricht deshalb auch nicht, dass in den Karten zum Teil Raster außerhalb des Untersuchungsgebietes (vgl. Karten 2 bis 7) dargestellt wurden.

80

Der Gutachter M hat in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2016 auch den Einwand der Klägerin zurückgewiesen, es dürften keine unzulässigen Schlüsse aus einzelnen Ereignissen im Rahmen der Bewirtschaftung der Felder gezogen werden. Er hat nachvollziehbar erklärt, die Bewirtschaftungsereignisse der Kulturen seien bei der Begutachtung zu berücksichtigen, weil auch die im Laufe des Jahres unterschiedliche Nutzung der Flächen Aufschlüsse über die Nutzung des Gebietes gibt. Selbst wenn man diese Ereignisse herausrechnete, ergäbe sich aber noch eine Frequenz von 2,63 Flügen/Stunde.

81

Auch der Einwand der Klägerin, die durchschnittliche Flughöhe des Rotmilans liege bei 79 m, greift nicht durch. Insoweit wies der Gutachter M in der 1. mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hin, dass auch bei den von der Klägerin beantragten Windenergieanlagen eine Gefahr für den Rotmilan bestehe, weil sie sich nach seinen Feststellungen in knapp über 20 % der beobachteten Flüge in deren Gefahrenbereich (zwischen 100 und 200 m) aufhielten (nach dem Gutachten von D. in 22,7 % der Flüge). Da der Rotmilan während des Aufenthalts in dem Bereich zwischen 100 und 200 m durch die Windenergieanlagen gefährdet ist, kommt es – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht auf durchschnittliche Flughöhen an.

82

Soweit sich in den Rohdaten zur Dauer der einzelnen Sichtkontakte mit Rotmilanen die Angabe "k.A." findet, ist dies nach Überzeugung der Kammer unschädlich, weil Ö keine Zeitwerte gebildet hat.

83

Dass die Tagesprotokolle auf mangelhaftem Tatsachenmaterial beruhen, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Auch ergeben sich keine Bedenken aus der Wahl der Beobachtungspunkte.

84

Nach Überzeugung der Kammer kann die Klägerin gegen das Ergebnis des Gutachtens auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei nicht verwertbar, weil es die anerkannten Standards für Raumnutzungsanalysen nicht erfülle. Zwar empfiehlt das LAU u.a. in seiner von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme (E-mail vom 17. August 2015; Bl. 325 GA) 25 mindestens 8-stündige Begehungen, davon 12 in den Monaten Juni und Juli und 13 in den Zeiten davor und danach (Balz, Brut und Beginn des Herbstzuges), wobei alle Beobachtungen fliegender und Nahrung suchender Rotmilane und anderer Greifvogelarten ortsgenau mit Flugrichtung und –höhe zu kartieren und darzustellen seien. Das Gutachten der Ö GbR hält die Vorgaben des LAU allerdings nicht in allen Punkten ein, insbesondere fehlt es mit eine Beobachtungsdauer von 6 Stunden täglich an mindestens 8-stündigen Begehungen. Für die Kammer ist aber nicht ersichtlich, dass sich bei der Anfertigung von Raumnutzungsanalysen bereits eine einheitliche Methodik durchgesetzt hat. Auch das LAU erklärt in der von der Klägerin vorgelegten E-mail, es gebe keine verbindlichen Vorgaben für die Durchführung von Raumnutzungsanalysen.

85

Die von Ö vorgelegte Raumnutzungsanalyse orientiert sich mit 22 Beobachtungstagen zu unterschiedlichen Tageszeiten erkennbar an der Empfehlung des Landesamtes für Umweltschutz des Landes Sachsen-Anhalt, Staatliche Vogelschutzwarte (vgl. Blatt 159 f. der Gerichtsakte). Sie erfasst zumindest den vormittäglichen Aktivitätsgipfel des Rotmilans. Der Rotmilan ist tagaktiv, bei einem Aktivitätsgipfel von 10 bis 12 Uhr und von 16 Uhr bis Sonnenuntergang (so wohl Südbeck/Andretzke/Fischer/Gedeon/Schikore/Schröder/Sudfeldt, Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, 2005, S. 242; vgl. Niedersächsische Ornithologische Vereinigung e. V., Aufruf zur landesweiten Rotmilan-Erfassung 2006, S. 2 - abrufbar unter http://www.ornithologie-niedersachsen.de/static/archiv/news/NOV_ Mitteilungen_15/Rotmilan2006/Rotmilan_Aufruf.pdf, Stand 14.03.2016). Auch die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse lässt die Aktivität des Rotmilans nach 16 Uhr ebenfalls weitgehend unberücksichtigt. Nimmt man einen zweiten Aktivitätsgipfel nach 16 Uhr an, dürften sich die von beiden Gutachtern ermittelten Frequentierungen des Untersuchungsgebiets ohnehin nur erhöhen. Dass die von dem Büro Ö angewandte Methodik sachgerecht ist, wird u.a. daran deutlich, dass sie sich im Einklang mit den Vorgaben des Entwurfs des zuständigen Fachministeriums "Leitfaden Artenschutz an Windenergieanlagen in Sachsen-Anhalt" vom 7. Januar 2016 befindet. Dass die Gutachter von Ö an der Entwicklung des Leitfadens beteiligt waren, ist rechtlich nicht zu beanstanden und spricht für ihre Sachkunde.

86

Im Übrigen halten auch die von der Klägerin vorgelegten Gutachten die Vorgaben nicht ein. Der von der Klägerin vorgelegten Raumnutzungsanalyse von D. liegt zwar eine sehr lange Beobachtungsdauer von 66 Beobachtungstagen im Jahr 2015 und 30 Beobachtungstagen im Jahr 2016 zugrunde. Diese wird den Anforderungen aber ebenfalls nicht gerecht, weil in der Zeit vom 28. Mai bis 31. August 2015 lediglich etwa 7,5 Stunden pro Tag und im Zeitraum 18. März bis 27. Mai 2016 lediglich in der Zeit von 9 bis 15 Uhr beobachtet wurde.

87

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dem Urteil des OVG LSA vom 26. Oktober 2011 – 2 L 6/09 – nicht entnehmen, dass von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko nur dann ausgegangen werden kann, wenn 1,5 bis 5 Flüge pro Beobachtungsstunde erreicht werden. Der Senat hat dort lediglich erkannt, dass in dem dort vorliegenden Fall, in dem jede Stunde im Mittel zwischen 1,5 und 5 Flügen von Rotmilanen durch das Eingriffsgebiet beobachtet worden waren, eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos vorlag. Der Entscheidung ist jedoch nicht der Umkehrschluss zu entnehmen, dass unterhalb dieses Bereiches ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko stets zu verneinen ist. Die Klägerin kann in diesem rechtlichen Zusammenhang auch nicht mit Erfolg geltend machen, im hier zu betrachtenden Gebiet sei ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko erst bei 3 bis 10 Durchflügen des Rotmilans anzunehmen, da es sich hier um ein doppelt so großes Untersuchungsgebiet handele (179 ha statt ca. 98 ha). Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass nach Auffassung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) eine rechtlich unzulässige Steigerung des Tötungsrisikos nicht erst bei 50 bis zu 80 % der registrierten Flugbewegungen durch die geplanten Windkraftanlagenflächen erreicht sei. Bei einer Durchflugquote von 50 % oder an jedem zweiten Tag sei ein Vogel am Ende eines Jahres ganz sicher durch eine Windenergieanlage getötet (vgl. Gefälligkeitsgutachten für Windkraft? Flensburger Tageblatt vom 20.11.2014; http://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/politik/ gefaelligkeitsgutachten-fuer-windkraft-id8248171.html ).

88

Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des VG Würzburg vom 29. März 2011 (Az.: W 4 K 10.371) beruft, wonach ein bevorzugtes Nahrungshabitat nicht anzunehmen sei, wenn die Aufenthaltsdauer der Rotmilane unter 10 % der Beobachtungszeit liege, folgt die Kammer dem nicht.

89

Den Ergebnissen der Ö GbR stehen auch die von der Klägerin vorgelegten Raumnutzungsanalysen des Büros für Landschaftsökologie D. vom 26. Februar und 13. Juli 2016, mit der Flugbewegungen im Zeitraum 28. Mai bis 31. August 2015 an 66 Beobachtungstagen von je etwa 7,5 Stunden sowie im Zeitraum 18. März bis 27. Mai 2016 an 30 Beobachtungstagen in der Regel zwischen 9 und 15 Uhr erfasst wurden, nicht entgegen. Dort ist als Fazit ebenfalls festgehalten, dass im Untersuchungsgebiet im gesamten Brutzeitraum zu allen Tageszeiten mit Rotmilanflügen gerechnet werden müsse (S. 52 Beiakte O und S. 37 Beiakte S). Die Gutachter stellten hierbei eine ungleiche Flächennutzung durch die Art fest. Für die Planungsstandorte WEA 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 (2015) bzw. WEA 3 bzw. seine unmittelbaren Nahbereiche (Flächen südwestlich der Planungsstandorte WEA 6 und 7 im Jahr 2016) war danach eine regelmäßige Frequentierung durch den Rotmilan erkennbar, weil es sich um thermikbegünstigte Bereiche handele. Während der Frühjahrskartierung 2016 zeigte sich der Schwerpunkt im südwestlichen Bereich bzw. westlich des geplanten Windfindes. Bei diesen Standorten könne von einem regelmäßigen Überfluggeschehen in der gesamten Brutperiode bzw. in der gesamten Frühjahrssaison ausgegangen werden. Dies sei durch die Hanglagen und die Waldkanten im oberen Bereich des Hornburger Sattels begründet, wo kleinräumig thermische Aufwindbewegungen relief- und landschaftsbedingt verstärkt würden, die von Thermik nutzenden Greifvogelarten wie dem Rotmilan insbesondere für Nahrungsflüge sehr gut genutzt werden könnten. Die im Hangbereich des Hornburger Sattels und des Galgenberges großflächig ausgebildete Feldflur biete günstige Jagdvoraussetzungen. So sei das bevorzugte Aufsuchen der sich nordöstlich der Hangkante des Hornburger Sattels lokalisierenden Flächen hauptsächlich lagebedingt und nicht mit den angebauten Feldfrüchten zu erklären. Für die geplanten Anlagenstandorte 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 stellten die Gutachter deutlich geringere Überflugfrequenzen fest. Für die 100 m–Radien um die Planungsstandorte stellte D. im Gutachten 2015 im Mittel 0,24 Flüge im Gutachten 2016 0,32 pro Beobachtungsstunde fest (insgesamt 0,28 Flüge pro Beobachtungsstunde), für die 250 m- Radien durchschnittlich 0,26 Flüge (2015), bzw. 0,46 (2016), gesamt 0,36 Flüge pro Beobachtungsstunde und für das gesamte geplante Windfeld einschließlich eines 250 m- Radius um die äußeren Anlagenstandorte 0,28 Flüge (2015), 0,51 Flüge (2016), gesamt 0,40 Flüge pro Beobachtungsstunde. Die Aufenthaltsdauer im Beobachtungszeitraum betrug im Jahr 2015 bei einer Beobachtungsdauer im Untersuchungsgebiet von 29.700 Minuten im Zeitraum 28. Mai bis 31. August 2015 614 Minuten (2,07 %) in der gesamten Windfeldfläche einschließlich eines 250-m-Radius um die Windfeldfläche, 664 Minuten im 250-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (2,29 %) und 432 Minuten im 100- m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (1,45 %). Im Jahr 2016 lag die Aufenthaltsdauer bei 1.208 Minuten (bei einer Beobachtungsdauer von 16.000 Minuten im Zeitraum 18. März bis 27. Mai 2016), also 7,55 % im 250-m-Radius um die Windfeldfläche, 1.028 Minuten im 250-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (6,43 %) und 690 Minuten im 100-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (4,31 %), so dass sich für die gesamte Beobachtungszeit eine Aufenthaltsdauer von 1.822 Minuten im 250-m- Radius um die Windfeldfläche (3,99 %), 1.692 Minuten im 250-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (3,70 %) und 1.122 Minuten (2,46 %) im 100-m-Radius bei einer gesamten Beobachtungsdauer von 45.700 Minuten ergaben.

90

Auch wenn die von D. ermittelten Werte damit von den Ergebnissen des Gutachtens der Ö GbR abweichen, bestehen gegen das von dem Beklagten vorgelegte Gutachten keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zunächst kommen beide Gutachten nicht zu grundlegend unterschiedlichen Einschätzungen. Setzt man etwa – nach der Methode der Ö GbR – die beobachteten 766 Flugbewegungen im Beobachtungszeitraum 2015 mit 495 Beobachtungsstunden ins Verhältnis, ergeben sich 1,55 Flugbewegungen pro Stunde. Im Zeitraum 2016 beobachtete D. 358 Flugbewegungen in 180 Beobachtungsstunden, so dass sich ein Wert von 1,98 Flugbewegungen pro Stunde ergibt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten von D. nicht eine gesamte Brutperiode, sondern jeweils Teile einer Brutperiode unterschiedlicher Jahre abdeckt. Auch dass die Gutachter von D. die Tiere durch Verlassen der Beobachtungspunkte per Fahrzeugeinsatz erfasst haben, könnte Fehler begünstigen. Zudem orientiert sich die Untersuchung von D. nicht in gleichem Maß wie Ö an den Aktivitätsgipfeln des Rotmilans, weil die Beobachtungen jedenfalls im Jahr 2015 bereits ab 8 Uhr begonnen wurden. Stellt man nur auf den Zeitraum von 9 Uhr bis 15 Uhr ab, ergibt sich bei 758 Flugbewegungen an 66 Beobachtungstagen bei je nur 6 Beobachtungsstunden eine Frequentierung von 1,91 Flugbewegungen pro Stunde (vgl. Übersicht D. vom 15.02.2016, S. 26). Dementsprechend ist auch die von D. im Frühjahr 2016 festgestellte Aufenthaltsdauer von Rotmilanen im Untersuchungsgebiet höher als in dem im Jahr 2015 erstellten Gutachten. Unabhängig davon, dass D. nur von einer Anwesenheitsdauer von 2,46 % im 100-m-Radius um die geplanten Windenergieanlagen ausgeht, wurde eine Aufenthaltsdauer im Beobachtungszeitraum von 1.122 Minuten während der gesamten Beobachtungsdauer im 100-m-Radius um die geplanten Standorte festgestellt, die die Einschätzung des Beklagten eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan rechtfertigt.

91

Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten stehen dazu ebenfalls nicht im Widerspruch, sondern bestätigen die Einschätzung des Beklagten.

92

Ausweislich des Gutachtens des Büros Schmal + Ratzbor (vgl. Bl. 62 ff. GA) handelt es sich bei dem Gebiet um den Süßen See, etwa 2,5 km nordöstlich der geplanten Windenergieanlagen, um attraktive Nahrungsflächen.

93

Auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten vom November 2014 (Dr. Weise, Bl. 62 ff. GA) liefert einen Anhaltspunkt, dass jedenfalls das Gebiet, in dem die Windenergieanlagen errichtet werden sollen, häufig von Rotmilanen aufgesucht wird. Auch wenn die gesamte Beobachtungszeit von 10 Stunden und 15 Minuten zu gering ausfällt, um eine umfassende Raumnutzung bewerten zu können, lassen sich zumindest Anhaltspunkte für diese erkennen. Wertet man in dem dort als Vorranggebiet bezeichneten Bereich jede Beobachtung eines Rotmilans als (einzelne) Flugbewegungen, summieren sich diese über den Gesamtbeobachtungszeitraum auf eine Zahl von 49. Bei einer Beobachtungsdauer von 10 Stunden und 15 Minuten würde hieraus eine Frequentierung des als Vorranggebiet bezeichneten Bereichs in Höhe von 4,78 Flugbewegungen/Stunde folgen (ermittelt aus Dr. Weise, Raumnutzungsanalyse November 2014, S. 12 ff). Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass sich die hohe Frequenz der Rotmilanflüge im Gebiet nur durch die günstige Erreichbarkeit von Nahrung und die günstigen Verhältnisse am Galgenberg sowie die damit einhergehende günstigen Jagdvoraussetzungen erklären lässt.

94

Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder eines Obergutachtens nicht.

95

Der Beklagte durfte auch wegen der Schaffung weiterer Grenzstrukturen durch das Vorhaben von einem signifikant erhöhtem Tötungsrisiko ausgehen. Naturschutzfachlich wird vertreten, dass Grenzstrukturen (Feldwege, Hecken, Mastfußbrachen) für Rotmilane attraktive Nahrungsflächen darstellten und insbesondere während anderweitiger Nahrungsknappheit eine große Lockwirkung ausüben würden (etwa: M/M/Resetaritz, in: Hötker/Krone/Nehls, Verbundprojekt: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, 2013, S. 66, 88 f. – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/4055/endbericht_greifvogelprojekt.pdf, Stand: 14.03.2016). Für den Rotmilan als Suchjäger seien gerade gut einsehbare Flächen attraktiv, weshalb auch eine Schotterung des Mastfußbereiches den Rotmilan eher anziehe (vgl. M/M/Resetaritz, in: Hötker/Krone/Nehls, Verbundprojekt: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, 2013, S. 91 – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/ 4055/endbericht_greifvogelprojekt.pdf, Stand: 14.03.2016). Dieser Auffassung hat sich der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angeschlossen. Denn durch das Vorhaben entstünden bis zu 3.500 Meter Wege und 15 Mastfußbrachen. Die von diesen Grenzstrukturen ausgehende Lockwirkung wird noch dadurch verstärkt, dass bereits die vorhandenen Feldwege augenscheinlich einen Schwerpunkt der räumlichen Nutzung darstellen. Dies ist in der gerasterten Raumnutzungsübersicht in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten erkennbar (D., Raumnutzungsanalyse vom 15.02.2016, Plananlage 4). Parallel zur gedachten Achse der geplanten Windenergieanlage 03 bis 01 sowie 07 bis 04 verlaufen in nordwestlicher Richtung gegenwärtig zwei Wege. Diese sind unter der Rasterung erkennbar. Entlang dieser Wege, wie auch im Bereich der nordwestlich liegenden B180 ist eine erhöhte Raumnutzung erkennbar. Der Rotmilan sucht demnach bereits gegenwärtig diese Bereiche auf; es liegt nahe, dass er sich darüber hinaus auch unmittelbar angrenzende, neue Grenzstrukturen erschließen würde.

96

Die Einordnung des Vorhabengebietes als Vorranggebiet für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten in dem regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Halle vom 27.05.2010 und 26.10.2010 setzt sich nicht gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch.

97

Entsprechend den Ausführungen des Gutachters der Beklagten vom 12.08.2014 (Blatt 93 ff. der Gerichtsakte) fand eine konkret gebietsbezogene Betrachtung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Avifauna und Fledermäuse im Rahmen der Regionalplanung nicht statt. Eine solche ist jedoch notwendig, um gegenüber nachfolgenden Zulassungsverfahren diesbezüglich eine Bindungswirkung zu erzeugen (vgl. zum Ganzen: VG Lüneburg, Urteil vom 29.11.2007 – 2 A 695/06, Rdnr. 32 m. w. Nachw., 38, juris).

98

Ist eine Nutzung in einem Gebiet – wie hier – artenschutzrechtlich nicht zulässig, kommt es auf die raumplanerische Einordnung dieses Gebiets als Eignungsgebiet für diese Nutzung nicht an. Die Ausweisung als Eignungsgebiet ist dann rechtswidrig. Soweit dieser Nutzung dann im von der jeweiligen Raumplanung umfassten Gebiet nicht mehr substantiell Raum verschafft wird, ist dies rechtlich der jeweiligen Raumplanung entgegenzuhalten. Jedenfalls kann ein rechtswidrig ausgewiesenes Eignungsgebiet keine Bindungswirkung im Rahmen eines der Raumplanung nachgelagerten Zulassungsverfahrens bezüglich der konkreten Einzelnutzung entfalten.

99

Auch die Erteilung einer Ausnahme vom Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 45 Abs. 7 BNatSchG oder einer Befreiung gem. § 67 BNatSchG kommt nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob § 45 Abs. 7 BNatSchG bei Windkraftanlagen angesichts der in dieser Vorschrift aufgestellten hohen Hürden überhaupt Anwendung finden kann (verneinend Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Auflage 2013, Rn. 293 zitiert nach Bay. VGH, Urt. v. 29.03.2016 – 22 B 14.1875/1876 –, juris), liegen schon keine Ausnahmegründe im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG vor. Insbesondere sind für die Errichtung von Windenergieanlagen gerade am beantragten Standort keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG ersichtlich. Zudem steht der Zulassung einer Ausnahme hier das Erfordernis entgegen, dass sich durch sie der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtern darf (vgl. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG). Auch die Erteilung einer Befreiung kommt nicht in Betracht. Es kann nicht als unzumutbare Belastung gem. § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG angesehen werden, wenn ein Windenergieanlagenbetreiber sein Vorhaben zur Errichtung von Windenergieanlagen an einem bestimmten Ort nicht verwirklichen kann (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.02.2012, a.a.O., Rn. 103 ff.). Von einer "unzumutbaren Belastung" kann nämlich nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen des betroffenen Privatrechtssubjektes ausgegangen werden, insbesondere bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum. Die Klägerin kann sich aber – auch wenn sie Eigentümerin der Flächen wäre – nicht darauf berufen, dass ihr durch die Versagung der Genehmigung die Ausübung einer eigentumsgleich verfestigten Rechtsposition hinsichtlich der Nutzbarkeit dieser Grundstücke verwehrt wird; vielmehr wird sie lediglich an der Verwirklichung einer erhofften Gewinnchance gehindert (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 29.03.2016, a.a.O.). Ob für einen Rückgriff auf § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG immer dann kein Raum ist, wenn durch das Vorhaben – wie hier - europäische Vogelarten nachteilig betroffen werden (vgl. dazu C. in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2015, § 67 BNatSchG Rn. 18), kann deshalb offen bleiben.

100

Die Klage hat auch mit den Hilfsanträgen keinen Erfolg.

101

Soweit es die Hilfsanträge betrifft, die Genehmigung unter der Auflage von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen (1. Hilfsantrag), unter Aufgabe des Maßnahmenkonzepts von D. (3. Hilfsantrag) sowie unter der Auflage von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen, wie sie von dem Gericht, hilfsweise von dem Beklagten zur Vermeidung der Verletzung artenschutzrechtlicher Zugriffstatbestände für notwendig gehalten werden (7. Hilfsantrag), fehlt es bereits an einem hinreichend bestimmten Klageantrag. Im Übrigen fehlt es insoweit an der Durchführung eines Vorverfahrens, in dem die fachliche Eignung der vorgeschlagenen Maßnahmen deren Wirkungen zur Vermeidung sicher abgeschätzt werden können. Insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass es nicht Sache der Genehmigungsbehörde, sondern des Anlagenbetreibers ist, ein prüffähiges und erfolgversprechendes Vermeidungskonzept vorzulegen. Die Unterlagen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind, sind dem Antrag auf Genehmigung beizufügen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV). Die Unterlagen müssen, falls – wie hier – die Zulässigkeit nach Vorschriften über Naturschutz zu prüfen sind, nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV insbesondere Angaben über Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der Natur enthalten. Dies kann nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sein.

102

Soweit es die im Maßnahmenkonzept von D. vorgeschlagenen Maßnahmen betrifft, kann die von der Klägerin begehrte Genehmigung auch nicht nach § 12 Abs. 1 BImSchG mit entsprechenden Auflagen verbunden werden, weil diese nicht geeignet sind, die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung des Beklagten teilweise mit dem geltenden Artenschutzrecht nicht zu vereinbaren (z.B. Entfernung von Horsten) und deren Wirksamkeit ist teilweise (z.B. Verzicht auf attraktive Dauerkulturen) ungesichert. Im Übrigen bezieht sich die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Naturschutzbehörde bei der Beurteilung der Betroffenheit von Arten auch auf die Wirksamkeit vorgeschlagener Vermeidungsmaßnahmen, da sich insoweit noch kein auf die Untersuchungssituation bezogener anerkannter Standard der Fachwissenschaft herausgebildet hat (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 27.05.2016, a.a.O.). Möglicherweise könnten Rotmilane zwar von der Nahrungssuche in unmittelbarer Nähe von Windenergieanlagen durch eine geeignete Oberflächengestaltung abgehalten und unter Berücksichtigung ihrer Nahrungsanforderungen auf andere Flächen für die überwiegende Zeit ihrer Jagd gelockt werden. Auf die Gestaltung der Oberfläche der Offenlandbereiche, die dem Rotmilan als Nahrungshabitate dienen, können der Anlagenbetreiber und die Immissionsschutzbehörde in der Genehmigung – wenn überhaupt – jedoch nur in begrenztem Umfang Einfluss nehmen. Der Anlagenbetreiber könnte zwar mit dem Eigentümer der gepachteten Flächen vereinbaren, dass diese nur in einer bestimmten, für den Rotmilan unattraktiven Weise bewirtschaftet werden. Eine solche Art der Bewirtschaftung könnte möglicherweise auch in einer Nebenbestimmung zur Genehmigung angeordnet werden. Der Beklagte weist jedoch zu Recht darauf hin, dass es an einem entsprechenden Nachweis bisher fehlt. Im Übrigen wird dies für die Flächen außerhalb des Windparks, die vom Rotmilan überflogen werden, in aller Regel nicht in Betracht kommen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, Rn. 102).

103

Soweit es die Hilfsanträge betrifft, einzelne Windenergieanlagen komplett oder tages- und jahreszeitlich begrenzt zuzulassen (3., 6. und 8. Hilfsantrag), ist – im Hinblick auf die Feststellungen der Gutachter zu dem Flugverhalten des Rotmilans im betreffenden Gebiet – nicht ersichtlich, dass nur einzelne Windenergieanlagen, die ggf. tages- oder jahreszeitlich begrenzt betrieben werden, genehmigungsfähig sind, weil sich das Kollisionsrisiko durch bestimmte Maßnahmen vermeiden oder spürbar verringern ließe.

104

Auch eine jahreszeitliche Betriebszeitenbeschränkung hätte nicht zur Folge, dass das signifikant erhöhte Tötungsrisiko für die Rotmilane entfiele und damit die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sichergestellt wäre. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der – im Rahmen seiner naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gemachten – Ausführungen des Beklagten fest. Er hat in Reaktion auf diese Hilfsanträge der Klägerin ausgeführt, eine Abschaltung der Anlagen ab März bis September sei nicht ausreichend, weil sich Rotmilane bereits ab Mitte Februar und bis Oktober oder November bzw. sogar auch während des Winters in Deutschland aufhielten. Auch eine Abschaltung ab eine Stunde nach Sonnenaufgang bis eine Stunde vor Sonnenuntergang trage der Aktivität des Rotmilans nicht ausreichend Rechnung. Eine Abschaltung, die bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang ende, decke die zweite Hauptaktivitätsphase des Rotmilans nicht vollständig ab.

105

Da hier der Schutz des Rotmilans betroffen ist, sind Auflagen zum Schutz von Fledermausarten (4., 5. und 6. Hilfsantrag) nicht geeignet, das signifikant erhöhte Tötungsrisiko auszuschließen.

106

Ob dem Vorhaben auch artenschutzrechtliche Belange des Baumfalken-, Fledermaus- oder Feldhamsterschutzes entgegenstehen oder ob die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, kann deshalb offen bleiben.

107

Zweifelhaft ist, ob in Bezug auf die Arten Baumfalke und Feldhamster sowie von Fledermausarten das Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos hinreichend geklärt ist (vgl. dazu auch Bay. VGH, Urt. v. 27.05.2016, a.a.O.).

108

Dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dürfte außerdem entgegenstehen, dass der Beklagte die Erforderlichkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zunächst zu Unrecht abgelehnt hat und eine Umweltverträglichkeitsprüfung bisher nicht durchgeführt wurde (vgl. dazu: Urteil der Kammer vom 26.08.2014 - 2 A 48/14 HAL -). Dies bedarf indes keiner Vertiefung.

109

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entspricht es nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Antrag gestellt und sich nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

110

B E S C H L U S S

111

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.725.000,00 € festgesetzt.

112

G r ü n d e :

113

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (10 % der Herstellungskosten in Höhe von 47.250.000,00 €).


(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Tenor

Das Verfahren wird abgetrennt und unter dem neuen Az. 13 S 1535/07 fortgeführt, soweit sich das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2007 - 1 K 1423/06 - auf die Klage gegen die Beklagte Nr. 2 bezieht.

Im übrigen, also hinsichtlich der Klage gegen die Beklagte Nr. 1, werden die Anträge des Klägers abgelehnt.

Der Kläger trägt insoweit die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird insoweit auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Das Verfahren gegen die Beklagte Nr. 2 ist zur gesonderten Entscheidung abzutrennen, da es wegen der übereinstimmenden Erledigungserklärung des Klägers und der Beklagten Nr. 2 anders ausgestaltet ist als hinsichtlich der Beklagten Nr. 1.
Soweit sich die Anträge des Klägers auf die Beklagte Nr. 1 beziehen, können sie keinen Erfolg haben. Insoweit hat der Kläger zuvor das Berufungszulassungsverfahren einseitig für erledigt erklärt, die Beklagte Nr. 1 hat hingegen keine Erledigungserklärung abgegeben. In diesem Fall ist das Verfahren als Streit über die Erledigung fortzusetzen. Mit der einseitig bleibenden Erledigungserklärung nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klage- bzw. Zulassungsbegehren Abstand und begehrt statt dessen die gerichtliche Feststellung, dass die Hauptsache erledigt sei (Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 161, April 2006, Rn 28 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen des Bundesverwaltungsgerichts). Der auch im Berufungszulassungsverfahren denkbare Sonderfall des Sachbescheidungsinteresses des Beklagten (siehe dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.1.1998 - 7 S 3117/97 -, NVwZ-RR 1998, 371) liegt hier nicht vor. Für die einseitige Erledigungserklärung im Klageverfahren tritt damit an die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstandes der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden; dieser Austausch des Klagebegehrens führt zu einer Änderung des Streitgegenstandes und stellt damit der Sache nach eine Klagänderung dar, die allerdings nicht den Einschränkungen der §§ 91 und 141 VwGO unterworfen ist und daher auch nicht der Einwilligung der Beklagten bedarf (Clausing, a.a.O. m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 30.10.1969, BVerwGE 34, 159). Entsprechendes muss nicht nur im gerichtlichen Eilverfahren (siehe dazu Bayerischer VGH, Beschluss vom 1.12.2003 - 3 CE 03.2098 -, BayVBl. 2004, S. 566), sondern auch für das Berufungszulassungsverfahren gelten, so dass der Antrag des Klägers nunmehr als Antrag auf die Feststellung auszulegen ist, dass sich das Zulassungsverfahren erledigt hat. Die Berufungszulassung zum Zwecke der Erledigungsfeststellung kommt nach Erledigung der Hauptsache nicht mehr in Betracht, weil die Berufung – vorbehaltlich des hier nicht interessierenden Falles des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift (siehe hierzu im einzelnen Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17.8.2006 - 2 LA 1192/04-, NVwZ-RR 2007, 67) – wegen Fehlens des Rechtsschutzinteresses zurückgewiesen werden müsste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.8.1985, BVerwGE 72, 93, wonach ein Ereignis, durch das sich das „Hauptverfahren“ erledigt, zugleich eine Erledigung des zugehörigen Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde bewirkt). Daher kann die Feststellung der Erledigung im Berufungszulassungsverfahren selbst getroffen werden; zusammen mit diesem Ausspruch über die Erledigung sind dann bereits ergangene Entscheidungen für unwirksam zu erklären (Clausing, a.a.O., Rn 35).
Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Erledigung muss schon deshalb erfolglos bleiben, weil während des Berufungszulassungsverfahrens im Verhältnis zur Beklagten Nr. 1 kein außerprozessuales Ereignis eingetreten ist, das die Erledigung der Hauptsache bewirkt hat. Hierauf hat die Beklagte Nr. 1 zutreffend hingewiesen. Der Kläger meint, der Rechtsstreit habe sich dadurch erledigt, dass die Beklagte Nr. 2 ihm am 14.2.2007 (also zwischen Erlass und Zustellung des angegriffenen Urteils) einen Reiseausweis mit längerer Gültigkeitsdauer erteilt habe. Durch diesen Reiseausweis hat sich jedoch die Anfechtungsklage (und auch die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage) gegen die Beklagte Nr. 1 nicht erledigt. Denn auch die Erteilung des Reiseausweises am 14.2.2007 durch die Beklagte Nr. 2 hebt die in der angefochtenen Entscheidung der Beklagten Nr. 1 liegende Beschwer der teilweisen Ablehnung nicht (vollständig) auf.
Die umstrittene Frage, ob die Erledigung nicht festgestellt werden darf, wenn die ursprüngliche Klage - wie hier vom Verwaltungsgericht angenommen - unzulässig war, mag daher hier auf sich beruhen (vgl. zum Meinungsstand Clausing, a.a.O., Rn 28 mit Rechtsprechungsnachweisen; offen gelassen auch vom BVerwG, Urteil vom 12.4.2001 - 2 C 16.00 -, BVerwGE 114, 149, 151). Ebenfalls offen bleiben kann die Frage, ob der Kläger auch dann im Zulassungsverfahren für erledigt erklären kann, wenn das erledigende Ereignis wie hier schon vor der Stellung des Zulassungsantrages und nicht erst während des Zulassungsverfahrens eingetreten ist.
Auch der Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit hat keinen Erfolg. Gegebenenfalls ist im Erledigungsstreit aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers auch über die hilfsweise aufrechterhaltenen Sachanträge zu entscheiden (Clausing, a.a.O. m.w.N.). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kommt im Zulassungsverfahren indessen nicht in Betracht, sondern erst im Berufungsverfahren nach einer Berufungszulassung. Ob der hilfsweise Feststellungsantrag insoweit sachdienlich als hilfsweise gestellter Antrag auf Berufungszulassung ausgelegt werden kann, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Denn insoweit könnte der Antrag keinen Erfolg haben, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) nicht ausreichend gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt ist. Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Beklagte Nr. 1 für statthaft gehalten, jedoch das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung verneint, dass die teilweise Ablehnung der Verlängerung des Reiseausweises rechtswidrig gewesen sei. Es hat dies damit begründet, die Feststellung solle nicht einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess vorbereiten und sei mangels diskriminierenden Charakters auch nicht zur Genugtuung oder Rehabilitation des Klägers erforderlich. Eine Wiederholungsgefahr scheide schon deshalb aus, weil der Kläger nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Beklagten Ziff. 1 wohne. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Antragsbegründung nicht in der gebotenen Weise auseinander. Die in diesem Zusammenhang erhobene Behauptung, dass gerade durch diese rechtswidrige Entscheidung die Beklagte Nr. 2 ebenfalls eine Befristung auf nur 6 Monate vorgenommen, im Ergebnis also auf eine eigene Ermessensausübung zur Geltungsdauer verzichtet habe, entbehrt jeglicher Anhaltspunkte und wird in der Antragsbegründung auch nicht belegt.
Damit steht die Unzulässigkeit der Klage im Ergebnis fest. Auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Beklagten seine Duldung jeweils um mehr als sechs Monate hätten verlängern müssen, ist daher nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 12. November 2013 wird hinsichtlich der Abweisung der Anfechtungsklage gegen die Befristung unter II. Ziffer 3. der luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis vom 13. September 2012 für wirkungslos erklärt und die Kostenentscheidung wie folgt neu gefasst:

Die Beteiligten tragen die Kosten erster Instanz je zur Hälfte.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sich die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage gegen die Befristung einer luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis nachträglich erledigt hat.

2

Der klagende Verein betreibt seit Jahren Modellflugsport auf drei Grundstücken in etwa 1,5 km Entfernung vom Verkehrslandeplatz M.-F.. Im Jahre 1985 wurde ihm erstmals eine – befristete – Aufstiegserlaubnis für Modellflugzeuge für einen Flugsektor in südöstlicher Richtung erteilt. Im September 2001 erhielt der Kläger erstmals eine unbefristete (widerrufliche) Aufstiegserlaubnis, und zwar wiederum für den südöstlich gelegenen Flugsektor. Ende 2011 wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger den Flugsektor bereits 1987 auch nach Westen verlegt hatte, was seinerzeit zwar von dem Kläger mitgeteilt, aber nicht zum Gegenstand eines Änderungsantrags gemacht worden war. Mit Schreiben vom Januar 2012 beantragte der Kläger nunmehr die Änderung der Aufstiegserlaubnis für Modellflugzeuge mit einem nach Westen weisenden Flugsektor (Halbkreis mit einem Radius von 300 m).

3

Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 13. September 2012 die beantragte Erlaubnis, und zwar unter anderem mit folgenden Nebenbestimmungen: Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs (II.1.), Auflagenvorbehalt zwecks Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (II.2.), Befristung bis zum 13. September 2014 (II.3.), Einsatz eines Flugleiters beim Flugbetrieb (IV.8.), Beschränkung auf maximal drei Flugmodelle gleichzeitig (IV.14.) sowie Beschränkung der Flughöhe auf maximal 100 m über Grund (IV.15.). Zur Begründung der Befristung wurde ausgeführt: Sie sei erforderlich, da es sich insbesondere durch die Drehung des Flugraumes um 180° um eine wesentliche Änderung der bisherigen Aufstiegserlaubnis handele und es wegen der Nähe zu den Platzrunden über dem Flugplatz M.-F. eventuell zu Konfliktsituationen mit der bemannten Luftfahrt kommen könne.

4

Mit der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat der Kläger zum einen eine Ausnahmeregelung für die Pflicht zur Bestellung eines Flugleiters begehrt (Ergänzung der Auflage IV.8.); darüber hinaus hat er die Befristung angefochten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2013 abgewiesen: Die Pflicht zum Einsatz eines Flugleiters beim Flugbetrieb sei erforderlich, um Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs und der öffentlichen Sicherheit zu vermeiden. Auch die Befristung sei fehlerfrei erfolgt. Sie sei in den Fällen zulässig, in denen die künftige Entwicklung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage noch nicht hinreichend überschaubar sei.

5

Den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Kläger auf das Anfechtungsbegehren gegen die Befristung beschränkt. Im Anschluss daran hat der Beklagte mitgeteilt, dass er den Kläger klaglos stelle: Die Befristung sei wegen der nicht vollständig absehbaren Sach- und Rechtslage erfolgt. Aufgrund der mittlerweile verstrichenen 17 Monate seit der Erteilung der Erlaubnis könne jedoch festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufstiegserlaubnis bereits jetzt sicher gegeben seien. Eine grundsätzliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Sicherheit des Luftverkehrs bestehe durch den geänderten Flugraum nicht. Bei Veränderungen in der Zukunft werde ein Widerruf der Erlaubnis geprüft.

6

Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte schloss sich dieser Erledigungserklärung indes nicht an.

II.

7

Das Begehren auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache ist begründet.

8

Durch die mit Schriftsatz des Beklagten vom 17. Februar 2014 verfügte Aufhebung der Befristung im Bescheid vom 13. September 2012 ist dem Klagebegehren des Klägers nachträglich die Grundlage entzogen worden, da mit Aufhebung der angegriffenen Regelung das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage entfallen ist.

9

1. Erklärt allein der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, dann ist das Verfahren als Streit über die Erledigung fortzusetzen.

10

Mit der einseitig bleibenden Erledigungserklärung nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und begehrt stattdessen die gerichtliche Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstandes tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Als Klageänderung eigener Art ist der Wechsel vom ursprünglichen Klageantrag zum Erledigungsfeststellungsantrag nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterworfen und bedarf auch nicht der Einwilligung des Beklagten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 40/9 -, NVwZ 1993, 979 und juris, Rn. 11; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25. Erg.-Lieferung 2013, § 161, Rn. 28 m.w.N.).

11

Tritt das erledigende Ereignis im Berufungszulassungsverfahren ein, ist der Erledigungsstreit nicht erst in einem nachfolgenden Rechtsmittelverfahren auszutragen; die Feststellung der Erledigung erfolgt vielmehr im Zulassungsantragsverfahren selbst (vgl. VGH BW, Beschluss vom 28. Juni 2007 - 13 S 779/07 -, NVwZ-RR 2007, 823 und juris, Rn. 2; Clausing a.a.O., Rn. 35; Neumann, in: Sodan-Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 161, Rn. 124).

12

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass es für die allein noch zu prüfende Frage, ob eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist oder nicht, nicht darauf ankommt, ob die Klage ursprünglich begründet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7.88 -, DVBl. 1991, 214 mit Nachweisen zu den „insoweit übereinstimmenden Auffassungen der Senate des BVerwG“; Clausing, .a.a.O., Rn. 28; OVG RP, Beschluss vom 12. Februar 1996 - 7 B 13199/95 -, S. 2 d.U.). Ob darüber hinaus die Erledigungsfeststellung voraussetzt, dass die ursprüngliche Klage zumindest zulässig war, kann hier dahingestellt bleiben, weil Zweifel an der Zulässigkeit des ursprünglichen Anfechtungsbegehrens des Klägers gegen die Befristung nicht bestehen.

13

In Abweichung von diesen Grundsätzen soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Erledigungsfeststellungsstreit die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage allerdings doch geprüft werden, wenn der Beklagte ein schutzwürdiges - entsprechend dem berechtigten Interesse des Klägers für eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) zu beurteilendes - Interesse an der rechtlichen Klärung geltend machen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990, a.a.O., S. 215). Eine Auseinandersetzung mit der hieran im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Clausing, a.a.O., Rn. 31ff.; Neumann, a.a.O., Rn. 172ff.) erübrigt sich, weil im vorliegenden Fall ein solches Sachentscheidungsinteresse des Beklagten nicht gegeben ist. Abgesehen davon, dass der Beklagte bei der Verweigerung seiner Zustimmung zur Erledigungserklärung des Klägers ein dahingehendes Feststellungsinteresse schon nicht geltend gemacht hat, ist es auch im Übrigen nicht ersichtlich. Denn ein bloß allgemeines Interesse an der Klärung offener Rechtsfragen reicht insofern nicht aus. Vielmehr muss die vom Beklagten begehrte Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage geeignet sein, die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits für die Zukunft zu klären, um so zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen ihnen beizutragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990, a.a.O., S. 215; Clausing, a.a.O., Rn. 29). Hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zum Kläger ist jedoch von dem Beklagten weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Frage, ob die Aufstiegserlaubnis vom 13. September 2012 befristet erteilt werden durfte, für die zukünftigen Rechtsbeziehungen der Beteiligten noch von Interesse sein wird.

14

2. Darüber hinaus merkt der Senat ergänzend an, dass die Befristung im Bescheid vom 13. September 2012 rechtswidrig gewesen sein dürfte.

15

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle um eine gebundene Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1985 - 4 C 69/82 -, NVwZ 1996, 469 und juris, Rn. 12). Sie ist nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) zu erteilen, wenn die beabsichtigten Nutzungen nicht zu einer Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können. Demzufolge darf sie nach § 36 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Soweit § 16 Abs. 4 Satz 2 LuftVO erlaubt, dass die Aufstiegserlaubnis mit Nebenbestimmungen versehen werden „kann“, braucht der Umfang dieser Ermächtigung hier nicht eingehend geklärt zu werden. Denn die Beifügung einer Nebenbestimmung darf in jedem Fall nur nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 8 ZB 11.1504 -, ZLW 2013, 143 und juris, Rn. 16).

16

Im vorliegenden Fall erweist sich die Befristung indes als unverhältnismäßig. Sie ist mit der Begründung angeordnet worden, dass zum Zeitpunkt der Erlaubniserteilung die zur Ablehnung der beantragten Erlaubnis erforderliche Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung zwar nicht festgestellt werden, für die Zukunft aber auch nicht ausgeschlossen werden konnte. Für die bloße Möglichkeit, dass sich in Zukunft eine Gefahrenlage als hinreichend wahrscheinlich erweisen sollte, stellt jedoch der – im Bescheid vom 13. September 2012 ebenfalls enthaltene - Widerrufsvorbehalt das geeignete und ausreichende Mittel dar, um auf diese neue Tatsachenlage effektiv reagieren zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 1980 - 3 C 136/79 -, BVerwGE 60, 269 und juris, Rn. 56 - keine Vorwegnahme der zukünftigen Entscheidung durch Befristung - ; VGH BW, Beschluss vom 12. Februar 2009 - 8 S 1453/08 -, S. 2 d.U. – Widerrufsvorbehalt bei Aufstiegserlaubnis ausreichend - ; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 36 Rn. 45). Abgesehen davon, dass hier eine Ungewissheit hinsichtlich des neu zugelassenen Flugsektors deshalb nicht bestanden haben dürfte, weil dieser Sektor von dem Kläger - wenn auch ohne Genehmigung - seit über 20 Jahren ersichtlich ohne Beanstandungen beflogen wurde, vermag auch die im Widerspruchsbescheid enthaltene ergänzende Begründung für die Befristung nicht zu überzeugen. Danach soll die Befristung deshalb der effektiven Gefahrenabwehr dienen, weil sie es der Behörde beim Auftreten von Gefahren während des Befristungszeitraums ermögliche, nach Ablauf der Befristung durch Verweigerung einer erneuten Aufstiegserlaubnis angemessen zu reagieren. Diese Überlegung rechtfertigt nicht die Befristung der Erlaubnis. Denn eine wirksame Gefahrenabwehr erfordert ein sofortiges Einschreiten, was effektiv durch den Widerruf der Erlaubnis ermöglicht wird. Eventuellen Hindernissen im Vollzug der Widerrufsverfügung kann durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung Rechnung getragen werden.

17

Der Ausspruch über die teilweise Wirkungslosigkeit des erstinstanzlichen Urteils folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO (vgl. Neumann, a.a.O., Rn. 189).

18

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

19

Die Festsetzung des Streitwertes für den - lediglich auf das Kosteninteresse abzielenden - Erledigungsfeststellungsstreit im Berufungszulassungsverfahren ergibt sich aus § 52 Abs.1 GKG.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 282/00
Verkündet am:
12. Juli 2001
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Eine Gemeinde ist nicht berechtigt, die Entscheidung über eine Bauvoranfrage
über die angemessene Bearbeitungszeit hinauszuzögern
, wenn das Bauvorhaben nach der noch gültigen Rechtslage
planungsrechtlich zulässig ist, aber ein - noch nicht verkündeter -
Beschluß über die Aufstellung eines Bebauungsplans mit anders
gearteten Zielen vorliegt.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - III ZR 282/00 - OLG Celle
LG Stade
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 31. Oktober 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger beabsichtigte, auf einem nicht beplanten Gelände im Gebiet der beklagten Stadt etwa 40 Parkplätze anzulegen. Für dieses Vorhaben beantragte er bei der Beklagten am 24. Oktober 1996 einen Bauvorbescheid; im Dezember 1996 erwarb er das Grundstück.
Auf die Bauvoranfrage hin beschloß der Rat der Beklagten am 3. Dezember 1996 die Aufstellung eines Bebauungsplanes, dessen Zielen das Bau-
vorhaben des Klägers entgegenstand. Der Aufstellungsbeschluß wurde am 14. Februar 1997 bekanntgemacht. Am 12. März 1997 setzte die Beklagte gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Entscheidung über die Bauvoranfrage des Klägers bis zum 30. September 1997, später verlängert bis zum 28. Februar 1998, aus. Am 13. Dezember 1997 beschloß der Rat der Beklagten eine Veränderungssperre.
Der Kläger macht geltend, die Bediensteten der Beklagten hätten den am 24. Oktober 1996 beantragten Bauvorbescheid spätestens nach drei Monaten , also bis Mitte Januar 1997, erlassen müssen. Planungsrechtliche Hindernisse hätten bis zu diesem Zeitpunkt dem Bauvorhaben nicht entgegengestanden. Statt dessen hätten die Bediensteten der Beklagten pflichtwidrig die Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses abgewartet, um auf dieser neuen planungsrechtlichen Grundlage den Zurückstellungsbescheid zu erlassen.
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Schadensersatz in Höhe von 27.500 DM nebst Zinsen in Anspruch und begehrt die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm auch den weiteren Schaden zu ersetzen, der durch die nicht rechtzeitige positive Entscheidung über die Bauvoranfrage entstanden sei. Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Feststellung getroffen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung im wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nicht zu. Es sei nicht als amtspflichtwidrig anzusehen, daß über seine Bauvoranfrage erst durch den Zurückstellungsbescheid vom 12. März 1997 entschieden worden sei. Der Beklagten sei zur Prüfung des Antrages eine Bearbeitungszeit von wenigstens sieben Wochen, d.h. bis Mitte Dezember 1996, zuzubilligen gewesen. Sie habe das Gesuch des Klägers zulässigerweise zum Anlaß genommen , für das betreffende Gebiet - noch innerhalb der Prüfungsfrist - die Aufstellung eines Bebauungsplanes zu beschließen. Da die Planungsinteressen der Beklagten nach dem Sinn der §§ 14, 15 BauGB Vorrang vor dem Interesse des Baubewerbers gehabt hätten, habe sie für die Bescheidung der Bauvoranfrage das Wirksamwerden des am 3. Dezember 1996 gefaßten Aufstellungsbeschlusses mit dessen Bekanntmachung am 14. Februar 1997 abwarten dürfen.

II.


Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Amtshaftung der Beklagten (Art. 34 GG, § 839 BGB) nicht verneint werden.
1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) in der Fassung vom 13. Juli 1995 (Nds. GVBl. S. 199) ist auf Antrag (Bauvoranfrage ) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Den Antrag hat die Bauaufsichtsbehörde - hier die Beklagte - rechtzeitig und ordnungsgemäß zu bescheiden. Aus dem Charakter des Vorbescheids als Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung ergibt sich, daß der Antragsteller einen Anspruch auf einen positiven Vorbescheid hat, wenn das Vorhaben in dem Umfang dem öffentlichen Baurecht entspricht, in dem es zur Prüfung gestellt worden ist (vgl. § 75 Abs. 1 NBauO [zur Baugenehmigung]; Schmaltz in: GrosseSuchsdorff /Schmaltz/Wiechert, NBauO 5. Aufl. 1992 § 74 Rn. 4). Es ist anerkannt - und wird auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen -, daß die Verzögerung der Entscheidung über ein Baugesuch - entsprechendes gilt für die Bauvoranfrage - den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung erfüllen kann (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Januar 1992 - III ZR 191/90 - NVwZ 1993, 299; Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1065, 1070).
2. Die Beklagte befand über die Bauvoranfrage des Klägers nicht mit der gebotenen Zügigkeit. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die für die Prüfung des Antrags zuzubilligende angemessene Bearbeitungszeit jedenfalls bis Mitte Dezember 1996 noch nicht abgelaufen; die Bauvoranfrage des Klägers hätte normalerweise bis Mitte Januar 1997 beschieden werden müssen. Tatsächlich wurde sie erst durch den Zurückstellungsbescheid der Beklagten vom 12. März 1997 befristet und vorübergehend erledigt (vgl. Lemmel in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch 2. Aufl. 1995 § 15 Rn. 10). Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Beklagte habe die Entscheidung bis zu diesem Tag hinausschieben dürfen, weil sie berechtigt gewesen sei, die - einen Monat zuvor (14. Februar 1997) erfolgte - Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses abzuwarten.

a) Allerdings ist es nicht grundsätzlich unzulässig, daß eine Gemeinde einen Bauantrag oder eine Bauvoranfrage, die nach der bestehenden Rechtslage positiv beschieden werden müßten, zum Anlaß nimmt, ändernde Planungsmaßnahmen einzuleiten und diese nach Maßgabe der §§ 14, 15 BauGB zu sichern. So ist es denkbar, daß die Gemeinde den Zeitraum, der für eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Bauvoranfrage ohnehin erforderlich ist, zugleich dazu nutzt, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Liegt dann in dem Zeitpunkt , zu dem die ordnungsgemäße und zügige Bearbeitung des Gesuchs abgeschlossen sein muß, der Aufstellungsbeschluß für eine geänderte Planung gemäß § 14 BauGB vor, ist die Gemeinde nicht gehindert, eine Zurückstellung des Vorhabens nach § 15 BauGB zu beantragen. Eine derartige Verfahrensweise müßte vom Antragsteller hingenommen werden (Senatsbeschluß vom 23. Januar 1992 aaO S. 300; BVerwG NVwZ 1989, 661, 662 und UPR 1999,
108; Berkemann in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch aaO § 18 Rn. 181).

b) Der Streitfall ist jedoch anders gelagert. Die Beklagte hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bauvoranfrage spätestens hätte beschieden sein müssen (Mitte Januar 1997), die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Zurückstellung des Gesuchs nach § 15 BauGB nicht geschaffen.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben auszusetzen, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen worden ist, obwohl die Voraussetzungen gegeben s ind, oder eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist, sofern zu befürchten ist, daß die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stand das Bauvorhaben des Klägers in Widerspruch zu den Zielen der im Aufstellungsbeschluß niedergelegten Planung der Beklagten. Der von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderte Antrag der Gemeinde war hier nicht vonnöten, da die Beklagte selbst Baugenehmigungsbehörde war (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 15 Rn. 36). Der Rat der Beklagten hatte eine Veränderungssperre aber noch nicht beschlossen; das geschah erst am 13. Dezember 1997. Es waren auch nicht die Voraussetzungen einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB gegeben. Denn mangels Bekanntmachung lag ein Beschluß über die Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht vor.
Ein Aufstellungsbeschluß liegt im Rechtssinne dann noch nicht vor, wenn er zwar gefaßt, aber entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB noch nicht ortsüblich bekannt gemacht wurde. Nur der ortsüblich bekannt gemachte Aufstellungsbeschluß ist im Rahmen der §§ 14, 15 BauGB beachtlich. Die Veröffentlichung ist Voraussetzung seiner Rechtswirksamkeit (vgl. BVerwGE 79, 200, 205; NVwZ 1989, 661, 662; BRS 54 Nr. 77; OVG Rheinland-Pfalz BRS 36 Nr. 108; Brügelmann/Grauvogel, BauGB § 14 Rn. 8; Lemmel aaO § 14 Rn. 5; Stock aaO § 14 Rn. 11; vgl. auch Senatsbeschluß vom 28. September 1995 - III ZR 202/94 - NVwZ-RR 1996, 65). Die Beklagte hat den am 3. Dezember 1996 gefaßten Aufstellungsbeschluß erst am 14. Februar 1997 veröffentlicht; zu der Zeit, als die Bauvoranfrage des Klägers (spätestens) hätte beschieden werden müssen (Mitte Januar 1997), existierte mithin noch kein Aufstellungsbeschluß, der Grundlage einer Zurückstellung hätte sein können.

c) Die bloße Absicht der Beklagten, für das betreffende Gebiet ein Bebauungsplanverfahren mit anders gearteten Zielen einzuleiten, berechtigte sie nicht, eine Entscheidung über die Bauvoranfrage für das Vorhaben des Klägers hinauszuzögern, wenn dieses nach der - noch - gültigen Rechtslage planungsrechtlich zulässig war. Der Anspruch auf einen positiven Bescheid durfte nicht dadurch vereitelt werden, daß die Entscheidung bis zum Wirksamwerden eines Aufstellungsbeschlusses hinausgeschoben wurde. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition des Grundeigentümers war so lange zu beachten, wie die Planung nicht aufgrund des gesetzlich vorgesehenen planerischen Instrumentariums gesichert werden kann. Die bewußte Nichtbearbeitung des entscheidungsreifen Baugesuchs zu dem Zweck, jenes planerische Instrumentarium überhaupt erst in Funktion zu setzen, war daher amtspflichtwidrig
(Senatsbeschluß vom 23. Januar 1992 aaO; Senatsurteil vom 23. September 1993 - III ZR 54/92 - NVwZ 1994, 405, 406, 407; vgl. auch BVerwG UPR 1999, 108).
3. Die Annahme eines ersatzfähigen Schadens scheitert nicht daran, daß sich die Beklagte auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. auf den Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, berufen könnte. Bei Amtshaftungsansprüchen hat der Bundesgerichtshof rechtmäßiges Alternativverhalten insbesondere berücksichtigt , wenn der Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen war und sie bei einem ordnungsgemäßen Verfahren zu der gleichen Entscheidung hätte kommen oder sofern sie selbst eine fehlende Rechtsgrundlage pflichtgemäß hätte schaffen müssen (Senatsurteil BGHZ 143, 362, 365 m.w.N.). Damit ist der Streitfall indessen nicht vergleichbar. Es war Sache der Beklagten, den Aufstellungsbeschluß zu fassen und so rechtzeitig zu verkünden, daß er bei der Entscheidung über die Bauvoranfage, die innerhalb angemessener Zeit zu ergehen hatte, berücksichtigt werden konnte. Der Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens kann nicht dazu führen, daß die nicht vorhandene Rechtsgrundlage für eine Zurückstellung der Bauvoranfage als gegeben anzusehen ist.

III.


Der Senat ist gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden.
1. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger zur Zeit der Entscheidungsreife (Mitte Januar 1997) nach § 34 BauGB oder nach § 35 BauGB einen positiven Bauvorbescheid beanspruchen konnte.
2. Das Berufungsgericht wird ferner Feststellungen zum Verschulden der Bediensteten der Beklagten (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu treffen haben. Ein solches läßt sich hier nicht bereits wegen der "Kollegialgerichtsrichtlinie" (vgl. Senatsurteile vom 23. September 1993 aaO S. 406 f und vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 - BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 34; Rinne /Schlick, NVwZ-Beilage II/2000 S. 25) verneinen. Allerdings hat das Berufungsgericht als Kollegialgericht ausgesprochen, daß die verzögerte Bearbeitung der Bauvoranfrage nicht amtspflichtwidrig gewesen sei. Dabei sind aber für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht geblieben. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Unbeachtlichkeit eines nicht verkündeten Planaufstellungsbeschlusses nicht berücksichtigt; es hat diese Rechtsprechung zwar angeführt, ist ihr aber, ohne sich damit auseinanderzusetzen, nicht gefolgt.
3. In Betracht zu ziehen ist zudem ein - verschuldensunabhängiger - Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, der neben den Amtshaftungsanspruch treten kann (Senatsurteile BGHZ 136, 182, 184 und v om 18. Juni 1998 - III ZR 100/97 - BGHR GG vor Art. 1/enteignungsgleicher Eingriff Bausperre 9).
Der Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff setzt voraus, daß rechtswidrig in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition
von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, die hoheitliche Maßnahme also unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt, und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird. Die rechtswidrige Ablehnung eines Bauvorbescheides ist als enteignungsgleicher Eingriff zu werten. Wird ein Vorbescheid, auf dessen Erteilung der Eigentümer Anspruch hat, rechtswidrig versagt, so wird dadurch in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit, die aus dem Grundeigentum abzuleiten ist, eingegriffen (Senatsurteile BGHZ 125, 258, 264 und vom 18. Juni 1998 aaO). Die verzögerte Bearbeitung einer nach geltendem Recht positiv zu bescheidenden, entscheidungsreifen Bauvoranfrage kann ebenso einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen wie die rechtswidrige förmliche Ablehnung eines Bauvorbescheids (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1992 - III ZR 210/90 - LM Nr. 42 zu § 839 BGB).
Im vorliegenden Fall kommt als Eingriffsobjekt das - vom Kläger im Dezember 1996 erworbene - Eigentum an dem Grundstück in Betracht. In dieses hätte die Beklagte dadurch, daß sie die Bescheidung der Bauvoranfrage über die angemessene Bearbeitungszeit hinauszögerte, eingegriffen, wenn der Kläger gemäß § 34 BauGB (oder § 35 BauGB) einen positiven Bauvorbescheid beanspruchen konnte.
Während der Amtshaftungsanspruch auf vollen Schadensersatz gerichtet ist, gewährt der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff lediglich eine "angemessene Entschädigung". Der Kläger kann also lediglich eine Entschädigung für den "Substanzverlust" verlangen, den er dadurch erlitten hat, daß er zeitweise in der baulichen Ausnutzung seines Grundstücks behindert worden
ist. Dabei ist regelmäßig auf eine Bodenrente abzustellen (Senatsurteile BGHZ 125, 258, 265 und vom 11. Juni 1992 aaO).
Wurm Schlick Kapsa Dörr Galke

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.

2

In der G.straße ... in M. und in drei weiteren Betriebsstätten im Stadtgebiet der Beklagten vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Die Beklagte untersagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Verfügung vom 18. Juni 2008 die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet für jede Betriebsstätte in M. Sie gab der Klägerin auf, den Betrieb mit Ablauf des 19. Juni 2008 einzustellen, und drohte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 € an. Die Untersagung stützte sie auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 und 4 des Glücksspielstaatsvertrages in der seinerzeit geltenden Fassung (GlüStV). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Wettangebot der Klägerin erfülle den Straftatbestand unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Wettmonopols nach § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV nicht erteilt werden. Bei sachgerechter Ermessensausübung komme keine andere Entscheidung als eine Untersagung in Betracht. Diese sei auch verhältnismäßig.

3

Am 23. Juni 2008 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht München Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Wenige Tage später wurde bei einer Polizeikontrolle in der G.straße ... die Vermittlung von Sportwetten der I. festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte das Zwangsgeld fällig und verfügte die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Am 26. Juni 2008 wurde das Wettbüro der Klägerin polizeilich geschlossen und versiegelt. Dagegen erhob die Klägerin - in einem anderen Verfahren - ebenfalls Klage und bat um vorläufigen Rechtsschutz.

4

Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 3. Juli 2008 den Eilantrag betreffend die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung ab. Mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2008 ordnete es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs unter der Auflage an, dass in der G.straße ... keine unerlaubte Sportwettenvermittlung mehr durchgeführt werde. Die Beklagte setzte das fällig gestellte Zwangsgeld vom Soll ab und hob die Versiegelung auf. Das Eilverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt; der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs wurde im Januar 2009 stattgegeben.

5

Die Klage gegen die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und an der Anfechtung nur für den anschließenden Zeitraum festgehalten. Sie meint, ihr Feststellungsinteresse für die Vergangenheit ergebe sich aus der Versiegelung ihrer Betriebsstätte in der Zeit vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 sowie aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus bestehe eine Wiederholungsgefahr und - wegen des Vorwurfes strafrechtswidrigen Verhaltens - ein Rehabilitierungsinteresse. Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertreten, die formelle Illegalität der Vermittlung rechtfertige die Untersagung auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Monopols. Mit Bezug darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 die Ermessenserwägungen des angegriffenen Bescheides ausdrücklich um Ausführungen zur - nach ihrer Ansicht fehlenden - materiellen Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten ergänzt.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert, den angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2008 aufgehoben und dessen Rechtswidrigkeit im Zeitraum bis zur Berufungsentscheidung festgestellt. Die in die Zukunft gerichtete, zulässige Anfechtungsklage sei begründet, weil die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft sei. Sie stütze sich maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol, das seinerseits gegen Unionsrecht verstoße. Es schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein, da es nicht den Anforderungen der Geeignetheit und dem daraus abzuleitenden Erfordernis der Kohärenz entspreche. Dass es irgendeinen Beitrag zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele leiste, reiche nicht aus. Zu fordern sei vielmehr ein glücksspielsektorenübergreifender, konzeptionell und inhaltlich aufeinander bezogener, systematischer Regelungszusammenhang, mit dem diese Ziele konsequent verfolgt würden. Daran fehle es im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung schon wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels. Die Expansionspolitik in diesem Bereich führe dazu, dass die Monopolziele der Suchtbekämpfung und des Spielerschutzes nicht mehr wirksam verfolgt werden könnten. Auf Interdependenzen zwischen den beiden Glücksspielsektoren komme es dabei nicht an. Bei einem derartig widersprüchlichen Regelungs- und Schutzkonzept sei nicht nur die Geeignetheit der Beschränkung in einem Teilsegment, sondern ihre Verhältnismäßigkeit insgesamt in den Blick zu nehmen.

7

Die Untersagungsverfügung könne auch nicht mit dem Hinweis auf die formelle Illegalität und die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlung aufrechterhalten werden. Eine vollständige Untersagung sei nur bei fehlender Erlaubnisfähigkeit gerechtfertigt. Außerdem stehe § 114 Satz 2 VwGO einer Berücksichtigung der nachgeschobenen Ermessenserwägungen entgegen. Diesen sei auch kein Neuerlass der Untersagungsverfügung unter konkludenter Rücknahme des Ausgangsbescheides zu entnehmen. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagung könne die Zwangsgeldandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.

8

Der Antrag, die Rechtswidrigkeit der Untersagung für die Vergangenheit festzustellen, sei zulässig und begründet. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung bestehe jedenfalls in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses. Dieses ergebe sich schon aus dem Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens. Im Übrigen sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit zu bejahen, da andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet sei. Auf das Vorliegen eines Präjudizinteresses komme es danach nicht an. Die Begründetheit des Fortsetzungsfeststellungsantrags ergebe sich aus den Urteilserwägungen zur Anfechtungsklage.

9

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Beteiligte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an. Unabhängig davon werde die Untersagung auch von den nachgeschobenen Gründen getragen. Außerdem macht die Beteiligte Verfahrensmängel geltend.

10

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

11

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Januar 2009 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

12

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung der Untersagungsverfügung deren Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

14

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, ein ideelles Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus dem tiefgreifenden Eingriff in unionsrechtliche Grundfreiheiten in Verbindung mit der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC). Dazu regt die Klägerin eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Für die von ihr formulierte Vorlagefrage wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Ferner macht die Klägerin ein Präjudizinteresse wegen unionsrechtlicher Staatshaftungsansprüche geltend. Die formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil ihr die Erlaubnis zur Vermittlung an private Wettanbieter unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Ein Verneinen des Feststellungsinteresses entwerte ihren prozessualen Aufwand und bringe sie um die Früchte des mehr als vierjährigen Verfahrens. Materiell-rechtlich hält die Klägerin den Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV für unionsrechtswidrig und die Monopolregelung für inkohärent.

Entscheidungsgründe

15

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 15. und 23. November 2012 übereinstimmend - bezüglich der Zeit seit dem 1. Juli 2012 - für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden.

16

Im Übrigen - soweit die Klägerin begehrt, die Rechtswidrigkeit der Untersagung bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts und darüber hinaus bis zum 30. Juni 2012 festzustellen - ist die zulässige Revision begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den bereits abgelaufenen Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag umgestellt wurde.

17

1. In Bezug auf den noch verfahrensgegenständlichen, bereits abgelaufenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 kann die Untersagungsverfügung nur mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angegriffen werden.

18

a) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Antrag der Klägerin für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung für statthaft gehalten, da die Untersagung sich als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung grundsätzlich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung schließen eine Erledigung nur aus, wenn sie bei Aufhebung der Grundverfügung noch rückgängig zu machen sind. Das ist bei der Schließung der Betriebsstätte durch unmittelbaren Zwang vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 nicht der Fall.

19

b) Für den Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum Ablauf der Wirkung der Untersagung infolge ihrer nachträglichen Befristung zum 30. Juni 2012 hat die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren im Revisionsverfahren zulässig auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, von der Anfechtung eines Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dieser Antrag ist für die Zeit bis zum 30. Juni 2012 auch statthaft, da sich die angegriffene Untersagung bis zu diesem Tag weiter fortlaufend und mit seinem Ablauf endgültig erledigt hat. Vorher ist keine endgültige Erledigung eingetreten, weil die Klägerin ihre Betriebsstätte nach der vorübergehenden polizeilichen Schließung wieder zur Vermittlung von Pferdewetten nutzte und auch die Vermittlung von Sportwetten dort jederzeit hätte wieder aufnehmen können.

20

2. Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.

21

a) Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 54 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

22

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

23

b) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

24

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

25

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).

26

Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben. Vielmehr bleibt offen, ob angesichts der umstrittenen und seinerzeit ungeklärten Rechtslage ein Entschuldigungsgrund in Gestalt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 - NJW 2007, 3078 zur Rechtslage unter dem Lotteriestaatsvertrag). Die Einschätzung, die untersagte Tätigkeit sei objektiv strafbar, hat überdies keine Außenwirkung erlangt. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen.

27

Der vorübergehenden polizeilichen Schließung des Wettlokals kam zwar Außenwirkung zu, sie hatte jedoch keinen diskriminierenden Charakter. Aus dem Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme lässt sich nur ableiten, dass dem Betroffenen ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften und Anordnungen vorgeworfen wird. Ein solcher Vorwurf bewirkt jedoch im Gegensatz zum Vorwurf schuldhafter Verletzung von Strafgesetzen keine Stigmatisierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 a.a.O.). Sie ergibt sich hier auch nicht aus der Art und Weise der Schließung des Lokals.

28

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

29

c) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (aa) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (bb). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (cc).

30

aa) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 20). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

31

bb) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

32

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

33

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

34

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

36

cc) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

37

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991 I-2951 ), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

38

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter aa) und bb) (Rn. 30 und 31 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

39

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ).

40

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301 ). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

41

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

42

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. ). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992 I-4897 ). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

43

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. -, Slg. 1982, S. 3415 ). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

44

d) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

45

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357 ) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

46

aa) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

47

(1) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 ), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

48

(2) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 ). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

49

bb) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

50

(1) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

51

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. ). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

52

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich. Es steht auch nicht fest, dass die Beklagte in Kenntnis dieser Befugnis von einer Untersagung abgesehen hätte.

53

(2) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 , vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

54

(3) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

55

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 a.a.O. ). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

56

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. ). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

57

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Der möglichen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols war durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

58

(4) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

59

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

60

cc) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

61

e) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 160/15
Verkündet am:
21. Januar 2016
P e l l o w s k i
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:210116UIIIZR160.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Wöstmann, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. April 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin nimmt aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns den beklagten Notar aus Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die P. GbR und deren Gesellschafter planten, ein Objekt in M. zu sanieren und die sanierten Wohnungen als Eigentumswohnungen zu verkaufen. In diesem Zusammenhang entwickelte der Beklagte den Entwurf eines notariellen Angebots zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrags. Darin bietet der Käufer der P. GbR und deren Gesellschaftern an, mit ihm einen in dem Entwurf wiedergegebenen Kaufvertrag abzuschließen. Der Beklagte wird in dem Entwurf als "Vollzugsnotar" genannt. In § 2 des Angebotsentwurfs heißt es: "An den Antrag hält sich der Käufer bis zum … gebunden. Für die Rechtzeitigkeit der Annahme ist der Zugang der Annahmeerklärung nicht erforderlich. Es reicht deren notarielle Beurkundung. Nach Ablauf der Frist erlischt nur die Bindung an den Antrag. Der Antrag selbst gilt solange weiter, bis der Käufer dieses gegenüber dem Vollzugsnotar widerruft. Der Vollzugsnotar ist vom Verkäufer auch zur Entgegennahme des Widerrufs bevollmächtigt worden. Der Käufer ist darüber belehrt, dass er nach Ablauf der Frist den Antrag ausdrücklich widerrufen muss, sofern er nicht mehr an den Antrag gebunden sein will, und der Widerruf erst mit Zugang bei dem Vollzugsnotar wirksam wird."
3
Am 14. Dezember 2007 beurkundete der Notar T. in M. das Angebot der Klägerin und ihres Ehemanns zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrags entsprechend dem vorgenannten Entwurf. In die Leerstelle wurde eingetragen, dass sich der Käufer an das Angebot bis zum 14. Januar 2008 gebunden hält. Der Kaufpreis betrug 91.335 €. Am 18. Februar 2008 beurkun- dete der Beklagte die Annahme des Angebots durch die Verkäufer. Die Käufer entrichteten den vorgenannten Preis und wurden Eigentümer der Wohnung.
4
Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 91.335 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung der Eigen- tumswohnung sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ausgleich des weiteren mit dem Erwerb der Wohnung zusammenhängenden Vermögensschadens. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte hätte sie vor Beurkundung der Annahmeerklärung darauf hinweisen müssen, dass das Kaufangebot bereits erloschen sei und die Annahme der Verkäufer ein neues Angebot darstelle, das sie ihrerseits annehmen müsse, damit ein wirksamer Kaufvertrag zustande komme. Bei einem entsprechenden Hinweis hätte sie von dem Kauf Abstand genommen.

5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe


6
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


7
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe nicht gegen seine aus § 4, § 17 Abs. 2 BeurkG, § 14 Abs. 2 BNotO folgenden Belehrungspflichten verstoßen, indem er die Annahme des Antrags der Klägerin beurkundet sowie den Vertrag vollzogen und die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe , dass deren Kaufvertragsangebot unwirksam gewesen sei.
8
Zwar habe der Bundesgerichtshof mit Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 (V ZR 10/12, NJW 2013, 3434) entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , wonach das Angebot des Käufers unbefristet fortbestehe und vom Verkäufer jederzeit angenommen werden könne, auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar seien, wenn das Angebot nicht bindend, sondern widerruflich sei. Dies sei für den Beklagten jedoch im Zeitpunkt der Beurkundung nicht erkennbar gewesen. Mit der Problematik der Annahmefähigkeit eines widerruflich fortbestehenden Angebots habe sich bis dahin nur eine Literatur- stimme befasst. Gegen die vertragliche Vereinbarung einer kurzen Bindungsfrist mit einer sich anschließenden fortbestehenden Annahmefähigkeit bei freier Widerruflichkeit seien seinerzeit keine Bedenken erhoben worden. Solche Bedenken hätten sich nicht ansatzweise in den Gestaltungsempfehlungen der Notarliteratur widergespiegelt.
9
Vor diesem Hintergrund sei es eine Überspannung der an einen Notar zu stellenden Sorgfaltspflichten, wenn man ihm abverlange, von einer entsprechenden Beurkundung abzusehen beziehungsweise den Käufer darauf hinzuweisen , dass sein Angebot möglicherweise unwirksam geworden sei. Insoweit vermöge sich der Senat nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 5. Oktober 2012 - 3 U 42/12, juris Rn. 64) anzuschließen, wonach es auf der Hand gelegen habe, dass eine Regelung, nach der die Annahmefähigkeit eines nach Ablauf der Antragsfrist erloschenen Angebots bis zu einem ausdrücklichen Widerruf habe bestehen bleiben sollen, mit den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sei und die Wirksamkeit einer entsprechenden Vertragsklausel höchst zweifelhaft gewesen sei.

II.


10
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der am 18. Februar 2008 erfolgten Beurkundung der Annahmeerklärung der Verkäufer verneint hat.
11
1. Der Beklagte verletzte bei dem vorgenannten Amtsgeschäft eine ihm gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann (im Folgenden zusammenfassend nur noch: Klägerin) obliegende Hinweis- und Belehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO).
12
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG hat der Notar den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Damit soll gewährleistet werden, dass die zu errichtende Urkunde den Willen der Parteien vollständig sowie inhaltlich richtig und eindeutig wiedergibt. Demzufolge hat der Notar die Beteiligten über die rechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen sowie die Voraussetzungen für den Eintritt der bezweckten Rechtsfolge in dem Umfang zu belehren, wie es zur Errichtung einer dem wahren Willen entsprechenden rechtsgültigen Urkunde erforderlich ist (Senat, Urteil vom 4. März 2004 - III ZR 72/03, BGHZ 158, 188, 193 mwN). Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BeurkG).
13
Der Notar hat in allen Phasen seiner Tätigkeit den sichersten Weg zu gehen, das heißt den Beteiligten zur sichersten Gestaltung zu raten und dafür zu sorgen, dass ihr Wille diejenige Rechtsform erhält, die für die Zukunft Zweifel ausschließt (Senat, Urteil vom 9. Dezember 2010 - III ZR 272/09, WM 2011, 571 Rn. 20; BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91, NJW 1992, 3237, 3239, jeweils mwN; Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, DNotO, 7. Aufl., § 17 BeurkG Rn. 34 mwN; Ganter in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 3. Aufl., Rn. 2166).
14
b) Die vorgenannten Pflichten beschränken sich allerdings, wenn allein die Annahme eines vorgegebenen Vertragsangebots beurkundet werden soll, grundsätzlich auf die rechtliche Bedeutung der Annahme; der Inhalt des Ver- tragsangebots gehört nicht zur rechtlichen Tragweite dieses Urkundsgeschäfts (Senat, Urteil vom 4. März 2004 aaO mwN). Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG erwachsende Pflicht zur Rechtsbelehrung obliegt dem Notar gegenüber den formell an der Beurkundung Beteiligten (unmittelbar Beteiligten; Senat aaO S. 194 mwN). Das sind gemäß § 6 Abs. 2 BeurkG die Erschienenen, deren im eigenen oder fremden Namen abgegebene Erklärungen beurkundet werden sollen. Ausnahmsweise können jedoch auch gegenüber anderen Personen, die nicht formell (unmittelbar), wohl aber mittelbar Beteiligte sind, Belehrungspflichten nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO bestehen ("betreuende Belehrung": Senat aaO mwN; BGH, Urteil vom 2. Mai 1972 - VI ZR 193/70, BGHZ 58, 343, 353). Mittelbar Beteiligter in diesem Sinne ist auch, wer sich aus Anlass der Beurkundung an den Notar gewandt und ihm eigene Belange anvertraut hat (Senat aaO; BGH aaO mwN).
15
Die Klägerin ist aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Beurkundungsverfahrens der zuletzt genannten Fallgruppe zuzurechnen. In dem vom Beklagten entworfenen Angebot der Klägerin wurde der Beklagte als Empfänger einer etwaigen Widerrufserklärung der Klägerin, als die Annahmeerklärung der Verkäufer beurkundender Notar und als Vollzugsnotar bestimmt. In seiner Person waren damit aus Sicht der Klägerin im Hinblick auf deren Angebot mehrere für den Abschluss und die Durchführung des Vertrags wesentliche Funktionen gebündelt. Zudem barg das von dem Beklagten mitgestaltete Beurkundungsverfahren wegen der sukzessiv erfolgenden Beurkundung von Vertragsangebot und -annahme von vornherein die Gefahr, dass zwischenzeitlichen Änderungen der Sachlage nicht Rechnung getragen wurde (vgl. Senat aaO mwN). Nach dem von ihm entwickelten Entwurf des Kaufangebots der Klägerin sollte dieses auch nach Ablauf der bis zum 14. Januar 2008 währenden Bindungsfrist unbegrenzt fortgelten. Diese Fortgeltungsklausel war indes wegen des nicht limitierten Zeitraums, in dem die Verkäufer das Angebot noch annehmen konnten, ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit für die Klägerin, nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 21 ff). Infolgedessen war das Angebot der Klägerin nach Ablauf der Bindungsfrist erloschen und stellte die am 18. Februar 2008 beurkundete - verspätete - Annahmeerklärung der Verkäufer nach § 150 Abs. 1 BGB ein neues Angebot dar (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 aaO Rn. 27).
16
Dem Beklagten oblag es, die Klägerin über diese veränderte Sachlage zu informieren, um die weitere Vorgehensweise - etwa die Beurkundung eines erneuten Angebots der Klägerin oder eine Abstandnahme vom Vertragsschluss - zu klären (vgl. OLG Celle, Urteil vom 5. Oktober 2012 - 3 U 42/12, juris Rn. 61). Unstreitig hat der Beklagte eine solche Belehrung unterlassen.
17
2. Diese Amtspflichtverletzung war fahrlässig.
18
a) Der pflichtbewusste und gewissenhafte durchschnittliche Notar muss über die für die Ausübung seines Berufs erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen. Er hat sich über die Rechtsprechung der obersten Gerichte, die in den amtlichen Sammlungen und den für seine Amtstätigkeit wesentlichen Zeitschriften veröffentlicht ist, unverzüglich zu unterrichten sowie die üblichen Erläuterungsbücher auszuwerten (BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91 - NJW 1992, 3237, 3239 und Beschluss vom 17. Mai 1994 - IX ZR 56/93, NJW-RR 1994, 1021; Ganter aaO Rn. 2154 ff; Grziwotz in Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 2012, § 17 Rn. 26 f). Dagegen würde es die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Notars überspannen, wollte man von ihm verlangen, dass er vereinzelte Stimmen der Literatur zu einem Thema, das mehr am Rande notari- eller Amtstätigkeit liegt und nicht Gegenstand breiterer Erörterungen war, bei künftigen einschlägigen Beurkundungen gegenwärtig haben und berücksichtigen muss (BGH, Urteil vom 17. Mai 1994 aaO; Ganter aaO Rn. 2155; Grziwotz aaO Rn. 26).
19
Der Notar hat auch nicht die Pflicht, die künftige Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorauszuahnen. Erkennbare Tendenzen der Rechtsprechung darf er allerdings nicht übersehen (Armbrüster in Armbrüster/ Preuß/Renner, BeurkG, DNotO, 7. Aufl., § 17 BeurkG Rn. 37; Schramm in Schippel/Bracker, Bundesnotarordnung, 9. Aufl., § 19 Rn. 59; Haug/Zimmermann , Die Amtshaftung des Notars, 3. Aufl., Rn. 85, 94; Schlick, ZNotP 2014, 322, 326). Dies gilt auch im Hinblick auf künftige Entscheidungen im Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Schramm aaO). In diesem Zusammenhang darf zwar die objektiv unrichtige Verwendung neu entwickelter Allgemeiner Geschäftsbedingungen, deren Inhalt zweifelhaft sein kann und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt ist, einem Notar nicht als Verschulden angelastet werden, wenn er nach sorgfältiger Prüfung zu einer aus seiner Sicht keinen Zweifeln unterliegenden Rechtsauffassung gelangt und dies für rechtlich vertretbar gehalten werden kann (vgl. zu neu entwickelten Vertragstypen: BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 279/99, BGHZ 145, 265, 276; Ganter aaO Rn. 2157). Lässt sich indes die Rechtslage nicht klären, darf der Notar das Rechtsgeschäft erst dann beurkunden, wenn die Vertragsparteien auf der Beurkundung bestehen, obwohl er sie über die offene Rechtsfrage und das mit ihr verbundene Risiko belehrt hat (BGH, Urteil vom 27. September 1990 - VII ZR 324/89, DNotZ 1991, 750, 752; Haug/Zimmermann aaO Rn. 86; Knops, NJW 2015, 3121, 3122; Herrler, DNotZ 2013, 887, 921). Der Notar hat in solchen Fällen selbst ohne jegliche Vorgaben seine Belehrungspflichten zu erkennen und kann sich nicht darauf berufen, Rechtsprechung und Literatur seien zu einem Problemkreis nicht vorhanden (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juni 2005 - III ZR 306/04, NJW 2005, 3495, 3497; Knops aaO).
20
b) Danach stellt es einen sorgfaltswidrigen Pflichtverstoß dar, dass der Beklagte die Annahmeerklärung der Verkäufer am 18. Februar 2008 beurkundete , ohne die Klägerin zuvor oder wenigstens bei Übersendung der Erklärung über die Zweifel zu belehren, die im Hinblick auf die Wirksamkeit der in dem Kaufangebot der Klägerin vom 14. Dezember 2007 enthaltenen unbefristeten Fortgeltungsklausel bestanden. Aufgrund einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung hätte der Beklagte erkennen müssen, dass das Kaufangebot der Klägerin - nach Ablauf der Bindungsfrist - möglicherweise zwischenzeitlich erloschen war und der Kaufvertrag mithin nicht mehr durch die Annahmeerklärung der Verkäufer zustande kommen konnte. Infolge dessen oblag es dem Beklagten - wie er ebenfalls erkennen musste -, die Klägerin über die veränderte Sach- und Rechtslage nach § 17 Abs. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO zu belehren und die weitere Vorgehensweise zu klären (s.o. zu 1 b).
21
aa) Zwar weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass es im Zeitpunkt der Beurkundung noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gab, nach der eine unbefristete Fortgeltungsklausel gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam war (so auch Herrler aaO S. 893, 922). In der Literatur hatte bis dahin allein Thode entsprechende, im Schrifttum vorgeschlagene Vertragsklauseln für nicht vereinbar mit der in § 147 Abs. 2 BGB geregelten Rechtsfolge einer verspäteten Annahme und im Hinblick auf § 308 Abs. 1 BGB für zweifelhaft erachtet (ZNotP 2005, 162, 164 f).
22
bb) Die rechtliche Problematik unbefristeter Fortgeltungsklauseln und ihre Erkennbarkeit dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Ausgangspunkt für die Prüfung der Angemessenheit unbefristeter Fortgeltungsklauseln nach § 308 Nr. 1 BGB ist der in § 147 Abs. 2, § 146 BGB bestimmte Zeitraum, in dem ein Antragender üblicherweise die Entscheidung des Angebotsempfängers erwarten darf (BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 22). Dass Klauseln in Kaufverträgen, die für die Annahme des Angebots des Käufers eine unangemessen lange Annahmefrist des Verkäufers vorsehen, nach § 308 Nr. 1 BGB beziehungsweise § 10 Nr. 1 AGBG unwirksam sein konnten, war im Zeitpunkt der Beurkundung höchstrichterlich seit langem geklärt (Senat, Urteile vom 6. März 1986 - III ZR 234/84, NJW 1986, 1807, 1808 [Darlehen] und vom 24. März 1988 - III ZR 21/87, NJW 1988, 2106, 2107 [Darlehen]; BGH, Urteil vom 13. September 2000 - VIII ZR 34/00, BGHZ 145, 139, 141 ff [Möbelkauf]). Gründe, weshalb diese Rechtsprechung nicht auch für den Wohnungskauf gelten sollte, waren nicht ersichtlich. Dementsprechend wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung darauf erkannt, dass die in einem formularmäßigen notariellen Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung bestimmte Bindungsfrist von zehn Wochen gegen § 10 Nr. 1 AGBG verstößt und an die Stelle der unwirksamen Annahmefristklausel die gesetzliche Regelung des § 147 BGB tritt (OLG Dresden, MittBayNot 2005, 300, 301 f). In den seinerzeitigen Erläuterungsbüchern wurde hierauf hingewiesen (vgl. nur Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 3. Aufl., Teil C Rn. 1291; Hertel in Würzburger Notarhandbuch, 2005, Teil 2 Kap. 2 Rn. 797).
23
Die vorgenannte Rechtsprechung betraf unmittelbar nicht Fortgeltungsklauseln , sondern Bindungsfristklauseln, das heißt Klauseln, die die anbietende Vertragspartei für einen bestimmten Zeitraum an ihren Antrag binden und dem Vertragspartner eine entsprechend lange Annahmefrist einräumen. Alternativ wurde in der Literatur vorgeschlagen, statt einer langen eine kurze Bindungsfrist und für den Zeitraum nach ihrem Ablauf die Fortgeltung des Angebots bis zu dessen Widerruf durch den Käufer vorzusehen (Brambring in Beck'sches NotarHandbuch , 4. Aufl., Kap. A I Rn. 382, 386, 389; Brambring/Hertel in Hagen/ Brambring/Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 8. Aufl., Rn. 912; Hertel aaO Rn. 797 f; Krauß aaO Rn. 1292 unter Hinweis auf die abweichende Meinung von Thode in Fußnote 1751; Basty in Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 21. Aufl., § 36 Rn. 239 M ff; Cremer/Wagner, NotBZ 2004, 331, 336 f), wie es auch in dem vom Beklagten entworfenen Kaufangebot vorgesehen war. Von Teilen der Literatur wurde aber empfohlen, auch hierfür einen Endtermin zu setzen, das heißt vertraglich vorzusehen, dass das nach Ablauf der Bindungsfrist fortgeltende Angebot zu einem bestimmten Zeitpunkt ohne Widerruf erlischt (Brambring/Hertel aaO; Hertel aaO Rn. 798). Teilweise wurde auch vertreten, Fortgeltungsklauseln verstießen gegen § 308 Nr. 1 BGB (bejahend : Thode, ZNotP 2005, 162, 165; verneinend: Cremer/Wagner aaO S. 335).
24
In einer solchen Situation, in der die Rechtslage in Bezug auf die Wirksamkeit eines bestimmten Typs von Allgemeinen Geschäftsbedingungen - hier: von Fortgeltungsklauseln - durch höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und in der Literatur mit einem breiten Meinungsspektrum - von der Unwirksamkeit der Klausel über die Empfehlung einer befristeten Fortgeltungsklausel bis hin zum Vorschlag einer unbefristeten Fortgeltungsklausel - erörtert wird, obliegt dem Notar die eigenständige sorgfältige Prüfung der Wirksamkeit der betreffenden Klausel. Lässt sich auch danach die Rechtslage nicht klären, darf der Notar das Rechtsgeschäft nach den vorstehend (unter a) wiedergegebenen Grundsätzen erst beurkunden, wenn die Vertragsparteien auf der Beurkundung bestehen, obwohl er sie über die offene Rechtsfrage und das mit ihr verbundene Risiko belehrt hat.

25
cc) So lag der Fall hier. Bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage war für den Beklagten erkennbar, dass hinsichtlich der Fortgeltungsklausel eine Prüfung ihrer Wirksamkeit anhand des Maßstabes des § 308 Nr. 1 BGB in Betracht kam. Zwar wird die Fortgeltungsklausel von dem Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar erfasst, weil sie keine Frist für die Annahme des Angebots nach § 148 BGB bestimmt, sondern dem Verwender eine zeitlich unbegrenzte Möglichkeit zur Annahme des Angebots eröffnet (BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 Rn. 20). Angesichts des Zwecks der Vorschrift, den Anbieter in seiner Dispositionsfreiheit und vor Nachteilen übermäßig lang andauernder Schwebezustände zu schützen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen , BT-Drucks. 7/3919, Seite 24 [zu § 8 Nr. 1 AGBG]; MüKoBGB/ Wurmnest, 7. Aufl., § 308 Nr. 1 Rn. 1; BeckOKBGB/Becker, § 308 Nr. 1 [01.08.2015] Rn. 2), lag es indes nahe, dass § 308 Nr. 1 BGB auch auf Fortgeltungsklauseln anzuwenden ist, die keine Frist für die Annahme durch den Verwender bestimmen, sondern diesem eine zeitlich unbeschränkte Annahme auch noch Monate oder Jahre nach der Abgabe der Angebotserklärung ermöglichen. Denn auch durch eine solche Klausel wird der Antragende - ungeachtet der Möglichkeit des Widerrufs des Angebots - für eine unter Umständen sehr lange Zeit nach Abgabe seines Angebots in der Ungewissheit gehalten, ob der von ihm gewünschte Vertrag zu Stande kommt (BGH aaO Rn. 23 f).
26
Im Rahmen der von ihm am Maßstab des § 308 Nr. 1 BGB auszurichtenden sorgfältigen Prüfung der Rechtslage hätte der Beklagte erkennen müssen , dass die Wirksamkeit der in den Angebotsentwurf einbezogenen Fortgeltungsklausel jedenfalls angesichts ihrer mangelnden Befristung zweifelhaft war.
27
(1) Ausgangspunkt einer solchen Prüfung hatte ersichtlich der in § 147 Abs. 2 BGB bezeichnete Zeitraum zu sein, in welchem der Antragende regelmäßig die Entscheidung des Angebotsempfängers über sein Angebot erwarten darf. Der inhaltliche Bezug der Fortgeltungsklausel zu § 147 Abs. 2 BGB war unverkennbar. Dies gilt erst recht angesichts des Umstands, dass mit der Kombination aus kurzer Bindungsfrist und anschließend fortgeltendem, widerruflichem Angebot den AGB-rechtlichen, in Rechtsprechung und Literatur erörterten Problemen langer Bindungsfristen begegnet werden sollte. Bereits in diesem Zusammenhang wurde § 147 Abs. 2 BGB als Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung hervorgehoben (vgl. nur Senat, Urteil vom 6. März 1986 - III ZR 234/84, NJW 1986, 1807, 1808; BGH, Urteil vom 13. September 2000 - VIII ZR 34/00, BGHZ 145, 139, 142; Brambring/Hertel aaO Rn. 911; Krauß aaO Rn. 1291; Thode aaO Seite 163; Walchshöfer, WM 1986, 1041, 1043). Die vertraglich vereinbarte unbefristete Fortgeltung eines Kaufangebots wich erkennbar von § 147 Abs. 2 BGB ab. Sie überschritt den dort bestimmten Zeitraum erheblich und unbegrenzt.
28
(2) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung war, wenn eine Bindungsfristklausel den in § 147 Abs. 2 BGB bestimmten Zeitraum erheblich überschritt, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Verwender daran ein schutzwürdiges Interesse hat, hinter dem das Interesse des Kunden am baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muss (Senat, Urteil vom 6. März 1986 aaO; BGH, Urteil vom 13. September 2000 aaO; Krauß aaO; Walchshöfer aaO). Zwar konnte vorliegend die Klägerin nach Ablauf der Bindungsfrist ihr Kaufangebot jederzeit widerrufen. Eine Einschränkung ihrer Dispositionsfreiheit war daher nicht in gleichem Maße gegeben wie im Fall einer noch laufenden Bindungsfrist. Dennoch waren auch mit einer unbefristeten Fortgeltungsklausel für die Käufer - erkennbar - Nachteile verbunden. Für sie entstand ein - mög- licherweise über Monate oder sogar Jahre andauernder - Schwebezustand, in dem sie nicht wussten, ob der von ihnen angebotene Vertrag zu Stande kommen würde. Zudem konnte nach Ablauf längerer Zeiträume das von ihnen unterbreitete Angebot mangels Reaktion des Verkäufers in Vergessenheit geraten mit der Folge, dass sie von einer schließlich dann doch noch erfolgenden Annahme durch den Verkäufer und einem hierdurch zustande kommenden, von ihnen möglicherweise nicht mehr gewünschten Vertrag überrascht werden konnten (vgl. Thode aaO S. 165 sowie nunmehr BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 aaO Rn. 24).
29
Diese Zusammenhänge und die daraus folgenden erheblichen Nachteile für die Käufer ergeben sich - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht erst im Rahmen einer im Nachhinein angestellten (ex post-) Betrachtung, sondern mussten sich dem Beklagten bei einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung auch seinerzeit schon erschließen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Stimmen in der kautelarjuristischen Literatur, die eine unbefristete Fortgeltungsklausel , wie sie hier verwendet wurde, befürworteten, letztlich objektiv in die Richtung gingen, die von der Rechtsprechung missbilligten Ergebnisse, wenn auch in abgemilderter Form, wieder herbeizuführen. Die hiergegen bereits von Thode (aaO) und später vom V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 7. Juni 2013 (aaO) vorgebrachten Bedenken lagen so nahe, dass bereits 2006 ernsthafte Zweifel an der rechtlichen Tragfähigkeit der unbefristeten Fortgeltungsklausel angebracht waren.
30
Die vorgenannten, mit der Fortgeltungsklausel verbundenen Nachteile der Klägerin werden ersichtlich nicht durch ein schutzwürdiges Interesse der Verkäufer gerechtfertigt. Dies gilt jedenfalls für eine - wie vorliegend - unbefristete Fortgeltungsklausel, bei der das nach Ablauf der Bindungsfrist zunächst fortgeltende Angebot des Käufers nicht nach Ablauf einer bestimmten (weiteren ) Frist ohne sein Zutun erlischt, sondern unbegrenzt und möglicherweise über Jahre hinweg fortbesteht. Ein schutzwürdiges Interesse der Verkäufer an einer solchen unbefristeten Fortgeltung des Kaufangebots ist nicht erkennbar und wird von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.
31
(3) An den für den Beklagten erkennbaren Zweifeln an der Wirksamkeit der Fortgeltungsklausel ändert es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nichts, dass ebenfalls mit einem Schwebezustand verbundene Alternativgestaltungen - etwa ein Vertragsabschluss, bei dem der Verkäufer zunächst offen vollmachtlos vertreten und die Vertragswirksamkeit erst durch seine Genehmigung (§ 177 Abs. 1 BGB) herbeigeführt worden wäre - wirksam gewesen wären. Die Wirksamkeit der vorliegend von dem Beklagten entwickelten Vertragskonstellation ist anhand der §§ 145 ff BGB und damit vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass der Käufer nur ein Angebot abgegeben hat und daher von den Verkäufern dessen baldige Annahme erwarten darf. Dagegen ist die Vertretung ohne Vertretungsmacht dadurch gekennzeichnet, dass bereits ein - wenn auch noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen worden ist und das Gesetz in einer solchen Situation - ohne Aufforderung nach § 177 Abs. 2 BGB - keine Frist für die Genehmigung vorsieht (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 aaO Rn. 23). Allein deshalb, weil bei einer anderen - wirksamen - Vertragskonstellation ebenfalls ein Schwebezustand eintrat, durfte der Beklagte nicht von einer Wirksamkeit auch der Fortgeltungsklausel ausgehen. Insofern bot es sich vielmehr an, zu einer anderen, zweifelsfrei wirksamen Vertragsgestaltung zu raten.
32
Ähnliches gilt im Hinblick darauf, dass das Verbraucherrecht - auch heute noch - teilweise Widerrufserklärungen vorsieht (vgl. nur §§ 312g, 495 BGB) und dem Verbraucher eine entsprechende Aktivität abverlangt. Hier handelt es sich ebenfalls um bereits geschlossene Verträge und damit - erkennbar - um eine Situation, die mit einem bisher lediglich abgegebenen Vertragsangebot und der besonderen, mit ihm verbundenen Ungewissheit seiner Annahme tatsächlich und rechtlich nicht vergleichbar ist.
33
dd) Selbst wenn der Beklagte - entgegen den vorstehenden Ausführungen - eine Anwendbarkeit von § 308 Nr. 1 BGB auf die unbefristete Fortgeltungsklausel nicht hätte erkennen müssen, begegnete die Klausel im Hinblick auf die in §§ 146 bis 149 BGB zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ernstlichen Wirksamkeitsbedenken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB; zur Prüfung nach Maßgabe des § 307 BGB, wenn die betreffende Klausel nicht vom Tatbestand des § 308 BGB umfasst wird, vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 7. Aufl., § 308 Rn. 3). § 146 BGB bestimmt, dass ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages erlischt, wenn es abgelehnt oder nicht nach Maßgabe der §§ 147 bis 149 BGB angenommen wird. Die Fortgeltung eines Angebots nach dem Ende der Bindung des Erklärenden (§ 145 BGB) sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr ausdrücklich dagegen entschieden , dass mit Ablauf der Annahmefrist nur die Bindung des Erklärenden entfällt, der Antrag aber bis zu einem Widerruf fortbesteht und noch annahmefähig bleibt (Motive I S. 168; BGH, Urteil vom 1. Juni 1994 - XII ZR 227/92, NJW-RR 1994, 1163, 1164; MüKoBGB/Busche, 7. Aufl., § 146 Rn. 4). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass dies weder der Verkehrsanschauung noch der Absicht des Antragenden entspräche (Motive aaO). Vertragsangebote würden mit Rücksicht auf die jeweilige, dem Wechsel der Verhältnisse unterworfene Lage nicht für potenziell unbegrenzte Dauer gemacht (Motive; BGH; jeweils aaO). Zudem würde eine ersichtlich nicht gewollte Unsicherheit über die künftigen rechtlichen Verhältnisse provoziert.
34
Auch wenn einem Notar nicht angesonnen werden kann, sich mit den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu befassen, mussten sich die vorstehenden , sich auch aus der zitierten Rechtsprechung ergebenden Bedenken inhaltlich jedoch ebenso aufdrängen wie die daraus folgende Erkenntnis, dass eine unbefristete Fortgeltungsklausel im System des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs einen Fremdkörper darstellt. Dementsprechend war die Unvereinbarkeit der Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und ihre - angesichts der mit ihr verbundenen, nicht durch ein schutzwürdiges Interesse der Verkäufer gerechtfertigten Nachteile des Klägers (siehe vorstehend zu cc) - Unangemessenheit (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) auch bereits 2006 erkennbar ernstlich in Betracht zu ziehen waren.
35
ee) Nach alledem mussten sich für den Beklagten nach einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der unbefristeten Fortgeltungsklausel ergeben. Über diese Zweifel hätte er die Klägerin gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO belehren müssen, um die weitere Vorgehensweise - etwa die Beurkundung eines erneuten Angebots der Klägerin oder die Abstandnahme vom Vertragsschluss - zu klären. Die Unterlassung einer solchen Belehrung war sorgfaltswidrig.
36
c) Der Verschuldensvorwurf entfällt schließlich - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - auch nicht deshalb, weil das Oberlandesgericht Dresden als Kollegialgericht in seinem Urteil vom 20. Dezember 2011 (14 U 1259/11, juris; insofern aufgehoben durch BGH, Teilurteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 12/12, juris) eine ähnliche Fortgeltungsklausel für wirksam gehalten hat.
Nach der Kollegialgerichts-Richtlinie trifft einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Gericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. nur Senat, Urteil vom 2. Juni 2005 - III ZR 306/04, NJW 2005, 3495, 3497 mwN; BeckOKBGB/Dörr, § 839 Rn. 459; Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 [Neubearbeitung 2013] Rn. 211). Die Richtlinie ist indes nicht anwendbar, wenn das in Rede stehende Verhalten des Amtsträgers nicht Gegenstand kollegialgerichtlicher Billigung geworden ist, sondern nur die Stellungnahme eines anderen Gerichts in einer ähnlichen oder vergleichbaren Sache vorliegt (vgl. Senat, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 122/02, NVwZ-RR 2003, 166; BeckOKBGB/Dörr aaO; Staudinger/ Wöstmann aaO Rn. 212).
37
So liegt der Fall hier. Das Verhalten des Beklagten war nicht Gegenstand des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Dezember 2011, dem lediglich ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag. In dem vorliegenden Rechtsstreit haben die Vorinstanzen zwar eine Haftung des Beklagten verneint, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung und dem missverständlichen Einleitungssatz in den Gründen zu II. des Berufungsurteils jedoch nicht, weil sie sein Verhalten als objektiv rechtmäßig angesehen haben, sondern weil sie kein Verschulden des Beklagten erkannt haben. In einem solchen Fall ist die Kollegialgerichts -Richtlinie nicht anwendbar (Senat, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84, BGHZ 97, 97, 107; Staudinger/Wöstmann aaO Rn. 214).

III.


38
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), das die weiteren Feststellungen zu den Vor- aussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nachzuholen haben wird.
Herrmann Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 10.12.2014 - 10 O 2290/13 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 29.04.2015 - 5 U 7/15 -

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von fünfzehn Windenergieanlagen.

2

Sie beantragte unter dem 25. Juli 2012 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von fünfzehn Windenergieanlagen des Typs ENERCON E-101 mit einer Nabenhöhe von 149,0 m, einem Rotordurchmesser von 101 m, einer Gesamthöhe von 199,5 m und einer Leistung von 3.000 kW auf den Grundstücken Gemarkung H, Flur …, Flurstücke ..., ... (WKA 1), ..., ... (WKA 2), … (WKA 3), Flur …, Flurstücke … (WKA 4), … (WKA 5 und 8), … (WKA 6, 7 und 9), … (WKA 11), Flur …, Flurstück … (WKA 12), Flur …, Flurstück … (WKA 13) und Gemarkung L, Flur …, Flurstücke … (WKA 14), …, … und … (WKA 15) (Bl. 39 ff. BA A). In den Antragsunterlagen war ein Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP) mit Artenschutzbeitrag sowie Unterlagen zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles gemäß UVPG des Planungsbüros Dr. Weise von Juli 2012 enthalten (Bl. 185 ff. BA A).

3

Mit Schreiben vom 20. November 2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach einem Scoping-Termin am 24. Oktober 2012 (vgl. Bl. 21 ff. BA K) seien durch die Errichtung und den Betrieb der beantragten Windenergieanlagen keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen im Sinne des UVPG zu erwarten. Somit sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich (Bl. 9 ff. BA I). Diese Entscheidung wurde im Amtsblatt 1/13 des Beklagten bekannt gemacht (Bl. 1 f. BA K).

4

Am 17. Juli 2013 legte die Klägerin dem Beklagten modifizierte Antragsunterlagen vor. Darin sind vier Windkraftanlagen innerhalb des geplanten Gebietes verschoben. Außerdem wurde ein LBP von Mai 2013 und eine Faunistische Erfassung vom 19. April 2013 vorgelegt (Bl. 1 ff., 101 ff. BA B).

5

Im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung wurden die betroffenen Träger öffentlicher Belange angehört (Beiakte D ff.).

6

Mit Schreiben vom 26. August 2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass Ergänzungen der Antragsunterlagen u.a. um eine Greifvogelkartierung im 3 km-Radius um das Windparkgebiet sowie eine systematische Dokumentation von Nahrungs- und Transferflügen des Rotmilans erforderlich seien. Die Antragsunterlagen enthielten nach Einschätzung des Beklagten gravierende Mängel hinsichtlich der Erfassung von Milan-Arten (Bl. 262 ff. BA I).

7

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 informierte der Beklagte die Klägerin, dass die Unterlagen erst dann vollständig seien, wenn eine vollständige Betrachtung des Schutzgutes Feldhamster und eine den aktuellen fachlichen Standards entsprechend vollständige Erhebung von Taggreifvögeln im Radius von 3 km um den Windpark vorliege (Bl. 342 ff. BA I).

8

Am 9. Januar 2014 fand eine Besprechung mit der Klägerin bei dem Beklagten statt (Bl. 640 BA L).

9

Mit Schreiben vom 11. Februar 2014 reichte die Klägerin weitere Unterlagen nach (u.a. faunistische Erfassung vom 23. Januar 2014 (Bl. 175 ff. BA C), LBP vom Februar 2014 (Bl. 72 ff. BA C) und naturschutzfachliches Gutachten vom 11. Februar 2014, Bl. 255 BA C).

10

Mit Schreiben vom 17. Februar 2014 bestätigte der Beklagte der Klägerin die formelle Vollständigkeit der Antragsunterlagen.

11

Mit Schreiben vom 18. März 2014 äußerte das Landesamt für Umweltschutz (im Folgenden: LAU) erhebliche fachliche Zweifel an der Faunistischen Erfassung im LBP hinsichtlich der Taggreifvögel/Milan-Arten (Bl. 662 BA L).

12

Mit Datum vom 15. April und 5. Mai 2014 reichte die Klägerin die Dokumentation des Planungsbüros Dr. W zur Nachkartierung von Greifvogelbruten im 2 km-Radius um das Vorranggebiet H nach.

13

Mit Schreiben vom 19. Juni 2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Entscheidung an.

14

Am 18. August 2014 hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht (Untätigkeits-)Klage erhoben (Az.: 4 A 174/14 HAL).

15

Mit Bescheid vom 18. August 2014 – der Klägerin zugestellt am 19. August 2014 - hat der Beklagte die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Dem Vorhaben stünden naturschutzrechtliche Versagungsgründe hinsichtlich des Artenschutzes gem. § 44 Abs. 1 NatSchG, d.h. das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegen. Die WKA 1 befinde sich im Abstand von weniger als 1.000 m zu einem Horst des Rotmilans und mithin innerhalb der Tabuzone laut der Länderarbeitsgemeinschaft Vogelschutzwarten. Die WKA 2 bis 15 befänden sich zwar außerhalb des Taburadius von Rotmilanhorsten, jedoch sei auch hier das Eintreten eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos auf Grundlage der vorliegenden Kenntnisse zur Lage und Verteilung zahlreicher umliegender Brutplätze des Rotmilans und daraus resultierenden erhöhten Flugaktivitäten im Windfeld zu erwarten. Zwar habe die von der Klägerin beauftragte Greifvogelerhebung im Jahr 2012, die lediglich einen Radius von 1 bis 2 km und nicht, wie gefordert, einen Radius von 3 km betrachtet habe, keine Vorkommen des Rotmilan erfasst. Die im gleichen Jahr erfolgte landesweite Rotmilanerhebung im Auftrag des LAU habe aber für den Radius von 2 km um das Windvorranggebiet 3 Brutnachweise des Rotmilans, davon je einer im Abstand von 981 m zur WKA 1, von 1,1 km zur WKA 3 und 1,9 km zur WKA 15 sowie drei Brutnachweise des Schwarzmilans, jeweils im Abstand von 1,5 km, 1,7 km und 2 km zum Windparkgebiet ergeben. Zwei weitere Brutnachweise für den Rotmilan aus der Landeskartierung lägen im Abstand von je 2,2 km sowie je ein weiter im Abstand von 2,9 km, von 3,5 km und von 3,7 km. Im Jahr 2013 sei außerdem bei Kartierungen ein Brutnachweis des Rotmilans im Abstand von 3,4 km zum Windvorranggebiet erbracht worden. Weitere Bruten im Umkreis von > 4 bis 5 km seien aus der landesweiten Erhebung bekannt. Nach der Rechtsprechung des OVG LSA seien WKA innerhalb der Tabuzone grundsätzlich unzulässig. Es sei naturschutzfachlich vertretbar, von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan durch den Betrieb von Windkraftanlagen grds. auszugehen, wenn der Abstand der WKA zu einem festgestellten Horst weniger als 1.000 m betrage. Dies sei jedoch nicht immer ausreichend, um signifikant erhöhte Kollisionsverluste des Rotmilans auszuschließen. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten seien nicht belegbar. Als gesicherte Erkenntnis gelte dagegen der festgestellte Brutbestand von mindestens 6 Brutpaaren des Rot- und 3 Brutpaaren des Schwarzmilans im Umfeld von 3 km um den Windpark sowie weiterer 3 Bruten des Rotmilans im Umkreis von 3 bis 4 km. Ausnahmen lägen nicht vor. Auch im Hinblick auf das Schutzgut Fledermäuse sei von erheblichen artenschutzrechtlichen Konflikten auszugehen, die in den vorgelegten Gutachten nur unzureichend betrachtet würden. Insoweit bestünden Vorbehalte gegen die Erteilung der Genehmigung, die sich jedoch durch entsprechende Auflagen ausräumen ließen. Weitere Vorbehalte bestünden gegen die Genehmigung aus dem Feldhamsterschutz, die sich allerdings ebenfalls durch Nebenbestimmungen regeln ließen. Im Rahmen der Abwägung sei dem öffentlichen Belang des Artenschutzes für den Rotmilan Vorrang gegenüber den privaten Belangen der Antragstellerin einzuräumen. Hierbei falle erheblich ins Gewicht, dass die Bundesrepublik und das Land Sachsen-Anhalt eine besonders hohe Verantwortung für den Erhalt der Art Rotmilan trügen. Das Interesse am Klimaschutz und der Förderung der erneuerbaren Energien schmälerten die Bedeutung des Belangs Artenschutz nicht, insbesondere nicht am betrachteten Standort. Das geplante Windparkgebiet befinde sich nach den vorliegenden Kenntnissen zu den Schutzgütern Rotmilan, Fledermäusen und Feldhamster in einem sehr sensiblen Naturraumausschnitt, der insbesondere deshalb auch zukünftig von Windkraftanlagen freizuhalten sei, weil bisher noch keine Windkraftanlagen vorhanden seien. Die Verschiebung von 4 WEA habe an der Einschätzung nichts geändert, dass keine UVP erforderlich sei.

16

Mit Schreiben vom 12. September 2014 hat die Klägerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18. August 2014 eingelegt.

17

Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2014 hat die Klägerin für das Jahr 2014 eine Raumnutzungsanalyse des Planungsbüros Dr. Weise sowie ein naturschutzfachliches Gutachten des Gutachterbüros S + R von Dezember 2014 übersandt.

18

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Dem Vorhaben stünden bereits deshalb keine öffentlichen Belange entgegen, weil es in einem Vorranggebiet Windenergie mit der Wirkung eines Eignungsgebietes dargestellt sei und bereits im Zuge der Flächennutzungsplanung eine Abwägung auch mit den Belangen des Natur- und Artenschutzes stattgefunden habe.

19

Jedenfalls stünden dem Vorhaben keine durchgreifenden artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote entgegen. Bei dem Rotmilan handele es sich bereits nicht um eine windenergiesensible Vogelart. Die Abstandsempfehlungen seien keine in der Fachwelt allgemein anerkannten Empfehlungen, sie genügten insbesondere nicht fachwissenschaftlichen Anforderungen. Vor diesem Hintergrund beinhalteten diese Papiere im konkreten Fall aufgrund der vorhandenen Horstkartierungen und Raumnutzungsanalysen letztlich keinen eigenen Beweiswert. Nach den übereinstimmenden Ergebnissen der Beteiligten liege kein Dichtezentrum der Rotmilanpopulation an der fraglichen Stelle vor. Die Argumentation des Beklagten im Ablehnungsbescheid sei in sich fehlerhaft und inkonsequent, da ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko nur in Bezug auf einige wenige Windenergieanlagen gesehen worden sei, nämlich die, die weniger als 1.000 m zu einem Rotmilanhorst geplant seien. Daher sei eine Ablehnung aller beantragten Anlagen nicht gerechtfertigt. Beide Milanarten nutzten das Gebiet überwiegend nur, wenn Flächen geerntet würden, weil damit eine besondere Nahrungssituation entstehe. Die von ihr ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung vorgelegte Raumnutzungsanalyse bestätige deutlich, dass das hier fragliche Gebiet allenfalls unterdurchschnittlich vom Rotmilan frequentiert werde. Dazu seien die quantitativen Vorhaben des OEufach0000000014 herangezogen worden, wonach bei Überflügen von 1,5 bis 5/h von einem signifikanten Tötungsrisiko auszugehen sei. Der von D. gefundene Wert von 0,28 Durchflügen pro Stunde sei anhand der Flughöhen weiter zu relativieren, da sich der Rotmilan zu 4/5 seiner Aktivitäten im Hinblick auf die Höhe der von ihr geplanten Anlagen gar nicht in der kritischen Höhe der Rotorkreisfläche aufhalte. Der überwiegende Teil der Flugbewegungen finde – ausweislich der Raumnutzungsanalyse – unterhalb dieses Bereichs statt, und die durchschnittliche Flughöhe liege bei 79 m. Zudem habe dem Fall des OEufach0000000014 ein Gebiet von rund 98 ha zugrunde gelegen. Hier seien 179 ha zu betrachten, also ein etwa doppelt so großes Gebiet, so dass erst 3 bis 10 Durchflügen pro Stunde als kritisch anzusehen wären. Zu weiteren Reduktionen der Gefährdung gelange man, wenn man berücksichtige, dass auch horizontal um die jeweilige WEA herum eine Gefährdung allenfalls im Bereich der Rotorblätter stattfinden könne. Die Raumnutzungsanalyse habe festgestellt, dass die Nutzungsart überwiegend keinen signifikanten Einfluss auf die Frequentierung durch den Rotmilan habe. Das Ergebnis korrespondiere mit den seitens des Gutachters festgestellten Brutvorkommen, die sich ausschließlich außerhalb des unkritischen Bereichs befänden. Befänden sich einige in einem kritischen Bereich, liefere die Raumnutzungsanalyse den Beleg dafür, dass die tatsächliche Raumnutzung gleichwohl nicht zu einer signifikanten Gefährdung des Rotmilans führe. Allgemein sei zu berücksichtigen, dass sich ausweislich einer in einem landesweit anerkannten Schwerpunktgebiet des Rotmilans mit exponentiellem Zubau von WEA (P Hochfläche) seit 2010 durchgeführten Untersuchung eine intensive Windenergienutzung nicht auf die Population des Rotmilans auswirke. Auch ausweislich der Untersuchung von Kohle/Nusbaumer (Stand: Februar 2016) befänden sich die Bestände des Rotmilans deutschland- und europaweit im Aufwind. Die Progress-Studie, die allerdings gravierende Mängel aufweise, habe ebenfalls keine quantitativen Zusammenhänge eines durch WEA erhöhten Kollisionsrisikos feststellen können. Daher seien die Thesen, dass der Rotmilan windenergiesensibel sei und die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verantwortung für den Rotmilan trage, in Frage zu stellen, jedenfalls aber zu relativieren.

20

Das von dem Beklagten eingeholte Gutachten von Ö sei nicht verwertbar, weil es allgemein anerkannten Methoden und Bewertungsstandards widerspreche und eine Reihe von Fehlern, Fehldeutungen und zu gravierenden Missverständnissen verleitenden Ungenauigkeiten enthalte. Es versuche, möglichst viel zu erfassen und werde den vom LAU aufgestellten Standards für Raumnutzungsanalysen nicht gerecht, da die Beobachtungszeiten zu kurz seien und es im Hinblick auf die Rasterkarten methodische Mängel aufweise. Auch fehlten die Koordinatenwerte der Brutplätze, die Tagesprotokolle und es beruhe auf mangelhaftem Tatsachenmaterial. Zudem werde nicht klar, auf welche Bezugsgröße der Wert von 3,3 Sichtbeziehungen sich beziehe. Im Übrigen komme auch Ökotop bei maximal > 50 Überflügen bei einer Beobachtungszeit von 99 Stunden nur auf einen Wert von 0,5. D. habe eine Raumnutzungsanalyse nur für den Rotmilan erstellt, bei der eine Horstkartierung nicht enthalten sein müsse, und 105 Überflüge des Rotmilans gezählt und Ökotop 372. Diese Abweichung könne nicht mit der üblichen Fehlerspreizung bei Felduntersuchungen erklärt werden. D. habe wesentlich mehr Zeit für die Beobachtung aufgewendet und die Beobachtungen seien zeitlich auf den Schwerpunkt der Aktivitäten des Rotmilans konzentriert. Auch Regentage dürften nicht ausgespart werden. Ökotop betrachte nur die Aktivitäten des Rotmilans im Windfeld und zerschneide Flugbewegungen, so dass jeweils eine Flugbewegung erfasst werde, wenn die Tiere aus dem Windfeld ein- und ausfliegen. D. habe die Tiere dagegen verfolgt und die einzelnen Flugbewegungen im Umfeld betrachtet, weil damit die Bedeutung der Flächen im Gesamtaktionsraum festgestellt werden könne. Gegen die Aussagekraft des Gutachtens von Ökotop spreche auch, dass die Beobachtungspunkte im Zentrum angeordnet und mehrere Beobachter eingesetzt worden seien, was zwangsläufig zu Doppelerfassungen führe. Raumnutzungsanalysen beruhten nur auf Stichproben, deren Repräsentanz fraglich sei. Jedenfalls mit der vorgelegten Raumnutzungsanalyse Rotmilan Frühjahr 2016 liege eine lückenlose Erfassung der Flugaktivitäten in der Zeit vom 18.03. bis 31.08. vor. Der Gutachter komme zu dem Schluss, dass bei allen geplanten Anlagen kein artspezifisch erhöhtes Tötungsrisiko erkennbar sei. Die unterschiedlichen Maßstäbe der Gutachten müssten berücksichtigt werden. Der in Bezug genommene aktuelle Leitfaden sei erst Anfang 2016 veröffentlicht worden. Nachträgliche Änderungen von Standards dürften D. nicht entgegengehalten werden. D. habe die zum Zeitpunkt der Erstellung geltenden Standards – anders als Ökotop – eingehalten, wobei es an einheitlichen verbindlichen Standards fehle. Zudem habe Ökotop die neuen Standards jedenfalls zum Teil mitentwickelt.

21

Hilfsweise könnten Vermeidungsmaßnahmen in Betracht kommen, die auf jeden Fall den Eintritt der Verbotsfolge verhinderten. Die vorgeschlagenen Vermeidungsmaßnahmen, die einem Worst-Case-Szenario folgten, seien geeignet, fachlich anerkannt und fänden sich in entsprechenden Erlassen (z.B. Artenschutzleitfaden NRW). Der Rotmilan treffe frühestens ab dem 1.3. eines Jahres in der hiesigen Region ein, verlasse diese spätestens am 30.9. wieder. Dies betreffe jedenfalls mindestens 99 % der Population. Der Vogel sei tagaktiv, beginne seine Aktivitäten i.d.R. nicht vor einer Stunde nach Sonnenaufgang und beende diese i.d.R. mindestens eine Stunde vor Sonnenuntergang. Ob der Betrieb der WEA bei umfangreichen Abschaltungen noch wirtschaftlich sei, unterliege nicht der Prüfung des Beklagten oder des Gerichts. Im Übrigen sei ein wirtschaftlicher Betrieb ausweislich der von ihr vorgelegten Stellungnahme von Enercon möglich.

22

Die Einschätzung des Beklagten, der Bedenken im Hinblick auf Fledermäuse und Feldhamster äußere, teile sie nicht. Soweit es das örtliche Fledermausvorkommen betreffe, dürften sich diese mit Blick auf die Rechtsprechung des VG Halle und des OEufach0000000014 erledigt haben. Maßnahmen in Form eines Abschaltalgorithmus seien nicht notwendig. Soweit ein Fledermausvorkommen zu schützen sei, seien nur die Frühjahrs- und Herbstzüge vom 15.4. bis 15.5. und 20.7. bis 30.9. eines Jahres relevant. Auch sei allgemein anerkannt, dass ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko für Fledermäuse sicher vermieden werden könne, wenn die Windenergieanlagen bei einzukalkulierendem Insektenflug still stünden. Dies sei bei einer Temperatur von > 10 Grad Celsius und Windgeschwindigkeiten von mehr als 6 m/sec. der Fall. Der Aktivitätszeitraum von Fledermäusen erstrecke sich auf die Zeit vom 1.4. bis längstens 31.10. eines Jahres. Wenn der Betreiber – wie hier – durch eigene Untersuchungen belegt habe, dass kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko für Fledermäuse anzunehmen sei, trage die Genehmigungsbehörde die Beweislast für das Gegenteil. Ein solcher Beweisantritt fehle hier. Ein Fledermaus-Höhenmonitoring gebe es nicht. Schon aufgrund der Bodenuntersuchungen hätten sich keine erhöhten Aktivitäten von Fledermäusen im Untersuchungsgebiet gezeigt. Der Beklagte äußere insoweit nur Spekulationen über Fledermausvorkommen, obwohl er im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Bedenken gehabt habe.

23

Der Baumfalke sei von ihr nicht festgestellt worden. Inzwischen sei aber ermittelt worden, dass er in einer Feldholzinsel gebrütet haben solle, so dass sich keine höheren Baumstrukturen entwickeln könnten. Im Übrigen sei er – wie auch der Mäusebussard – unempfindlich gegenüber Windenergieanlagen, zumal er sich nur kurz in der hiesigen Region aufhalte. In Brandenburg seien keine Abstandsempfehlungen für den Baumfalken vorgesehen.

24

Gegen die naturschutzrechtliche Einschätzungsprärogative seien Verfassungsbeschwerden erhoben worden. Zudem beziehe sich diese nicht auf die Feststellung des Sachverhaltes sowie die Frage, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegeben sei.

25

Überdies trage sie nicht die Beweislast dafür, dass keine naturschutzrechtlichen Bedenken bestünden.

26

Der Beklagte gehe offenbar nunmehr davon aus, dass eine UVP erforderlich sei, obwohl er sich weigere, die im Vorfeld durchzuführende Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Alle Unterlagen lägen vor. Eine Verpflichtung, eine selbständige Umweltverträglichkeitsstudie vorzulegen, bestehe nicht. Der Beklagte habe auch keine Umweltverträglichkeitsstudie angefordert. Wäre der Beklagte verpflichtet, eine UVP durchzuführen, hätte er dies einschließlich der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung längst vornehmen können und müssen, insbesondere vor Erlass des Ablehnungsbescheides, der ansonsten schon deshalb rechtswidrig wäre. Seine bisherige Untätigkeit belege einen absichtsvoll begangenen Verfahrensfehler zum Zweck der vermuteten Sabotierung des von ihr beantragten Projekts.

27

Mit Wirkung vom 1. Januar 2015 ist die 2. Kammer gemäß Beschluss des Präsidiums für das Verfahren zuständig geworden. Die Rechtssache wird seitdem unter dem Aktenzeichen 2 A 4/15 HAL geführt.

28

Unter dem 26. Februar 2016 hat die Klägerin die Raumnutzungsanalyse des Büros für Landschaftsökologie D. vom 15. Februar 2016 übersandt (Beiakte O).

29

Mit Schriftsatz vom 29. Februar 2016 hat der Beklagte den Bericht des Büros für angewandte Landschaftsökologie Ökotop GbR über die Analyse der Raumnutzung des Rotmilans im geplanten Windpark Helfta vom 26. Februar 2016 übersandt (Beiakte P).

30

Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 hat die Kammer den Antrag der Regionalen Planungsgemeinschaft Halle auf Beiladung abgelehnt.

31

Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2016 hat die Klägerin die "Raumnutzungsanalyse Rotmilan Frühjahr 2016" des Büros D. vom 13. Juli 2016 übersandt (Beiakte S).

32

Die Klägerin beantragt,

33

den Beklagten zu verpflichten, ihr die am 25. Juli 2012 beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von fünfzehn Windkraftanlagen des Typs Enercon E-101 mit einer Nabenhöhe von 149,0 m und einer Gesamthöhe von 199,5 m sowie einer Nennleistung von 3.000 kW im Landkreis Mansfeld-Südharz, der Gemeinde Lutherstadt Eisleben, OT Helfta und der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land, OT L, zu erteilen,

34

hilfsweise,

35

die Genehmigung unter der Auflage von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen,

36

weiter hilfsweise,

37

einzelne Windenergieanlagen komplett oder tages- und jahreszeitlich begrenzt zuzulassen.

38

zusätzlich hilfsweise,

39

die Genehmigung unter der Auflage von sämtlichen Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen, wie sie im Einzelnen im Maßnahmenkonzept des Büros D. vom 21. April 2016 konkret beschrieben sind,

40

weiter hilfsweise,

41

die Genehmigung unter Aufgabe des Maßnahmekonzepts D. und zum Schutz des Fledermausvorkommens zusätzlich zur Beauflagung der Installation eines Fledermaus-Abschaltalgorithmus zu erteilen, wonach im Zeitraum 15.4 bis 15.5 und 20.7. bis 30.9 eines Jahres die Windenergieanlagen zwischen Sonnenunter- und –aufgang vollständig abzuschalten sind, wenn Temperaturen von > 10 Grad Celsius sowie Windgeschwindigkeiten im 10-Minuten-Mittel von weniger als 6 m/sec. in Gondelhöhe herrschen,

42

weiter hilfsweise,

43

die Genehmigung unter Einschluss der vorstehenden Beauflagungen mit der weiteren Einschränkung zu beauflagen, dass der zur vorstehenden Ziffer genannte Abschaltalgorithmus für Fledermäuse für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.10. eines jeden Jahres zu aktivieren ist,

44

weiter hilfsweise,

45

die Windenergieanlagen mit der Maßgabe zu genehmigen, dass die im gesamten maßgeblichen Aktivitätszeitraum des Rotmilans tagsüber komplett abgeschaltet werden, also in der Zeit vom 1.3. bis 30.9. eines jeden Jahres jeweils eine Stunde nach Sonnenaufgang bis eine Stunde vor Sonnenuntergang

46

sowie ggf. zusätzlich der o.g. Abschaltalgorithmus für Fledermäuse,

47

weiter hilfsweise,

48

die Genehmigung unter Auflagen von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen, wie sie von dem Gericht, hilfsweise von dem Beklagten zur Vermeidung der Verletzung artenschutzrechtlicher Zugriffstatbestände für notwendig gehalten werden,

49

höchst vorsorglich,

50

die Genehmigung der Windenergieanlagen 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 mit einer Abschaltzeit im Tageszeitfenster 10 bis 14 Uhr über den Zeitraum der Brutperiode (1.3. bis 31.8.) zu erteilen.

51

Der Beklagte beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Er hält die Klage bereits mangels Rechtschutzbedürfnis für unzulässig und das Vorhaben für nicht genehmigungsfähig. Er sei auch gehindert, an seiner bisherigen Eischätzung im Hinblick auf die Entbehrlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung festzuhalten.

54

Die Beigeladenen stellen keinen eigenen Antrag.

55

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

56

Die Klage hat keinen Erfolg.

57

Sie dürfte allerdings bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung als Verpflichtungsklage in der besonderen Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig gewesen sein. Dies bedarf indes keiner Vertiefung.

58

Die Klage ist mit dem Hauptantrag jedenfalls unbegründet. Der Beklagte hat die Erteilung der Genehmigung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus § 6 Abs. 1 BImSchG.

59

Ihrem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften, namentlich des Bauplanungs- und Naturschutzrechts, entgegen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG).

60

Die Errichtung und der Betrieb der im Außenbereich geplanten 15 Windenergieanlagen verstößt gegen § 35 BauGB, wenn Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehen.

61

So liegt es nach Überzeugung der Kammer hier. Das Vorhaben verstößt gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Artenschutzrechtliche Verbote i.S.d. § 44 BNatSchG sind nach dem Prüfprogramm des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zugleich Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, die einem privilegierten Außenbereichsvorhaben bauplanungsrechtlich nicht entgegenstehen dürfen. Das Naturschutzrecht konkretisiert die öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Ist über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 BauGB zu entscheiden, hat die zuständige Behörde daher auch die naturschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu prüfen. Können artenschutzrechtliche Verbote naturschutzrechtlich nicht überwunden werden, stehen sie einem gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben als öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zwingend entgegen. Das Vorhaben ist dann bauplanungsrechtlich unzulässig. Es decken sich also die bauplanungsrechtlichen Anforderungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, soweit sie naturschutzbezogen sind, mit den Anforderungen des Naturschutzrechts. Artenschutzrechtliche Verbote, von denen weder eine Ausnahme noch eine Befreiung erteilt werden kann, stehen einem immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Außenbereichsvorhaben deshalb stets zwingend entgegen, und zwar sowohl als verbindliche Vorschriften des Naturschutzrechts als auch als Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Für eine nachvollziehende Abwägung ist kein Raum (vgl. zum Ganzen: OVG LSA, Urt. v. 20.01.2016 – 2 L 153/13 – unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, juris RdNr. 6).

62

Gemessen daran steht der Erteilung der beantragten Genehmigung das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegen. Danach ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Zu den besonders geschützten Arten gehört gemäß § 7 Nr. 13 Buchst. a BNatSchG i.V.m. Anhang A der Artenschutzverordnung (Verordnung Nr. 338/97 des Rates vom 09.12.1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenorten durch Überwachung des Handels ) insbesondere der hier im Umfeld des Vorhabens vorkommende Rotmilan.

63

Der Tötungstatbestand ist auch dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist. Dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit Windkraftanlagen bzw. deren Rotorblättern zu Schaden kommen können, ist allerdings bei lebensnaher Betrachtung nie völlig auszuschließen. Der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) ist dann nicht erfüllt, wenn das Vorhaben nach naturschutzfachlicher Einschätzung kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren verursacht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – 7 C 40.11 –, juris), mithin unter der Gefahrenschwelle in einem Risikobereich bleibt, der mit dem Vorhaben im Naturraum immer verbunden ist, vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14.07 –, juris). Der Verbotstatbestand ist zwar individuenbezogen; dass einzelne Exemplare etwa durch Kollisionen zu Schaden kommen, reicht aber nicht aus. Soll das Tötungs- und Verletzungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis werden, ist vielmehr zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts in signifikanter Weise erhöht, wobei Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden oder dieses Risiko zumindest minimiert werden soll, einzubeziehen sind. Gemeint ist eine "deutliche" Steigerung des Tötungsrisikos. Dafür genügt es nicht, dass im Eingriffsbereich überhaupt Tiere der (besonders) geschützten Art angetroffen worden sind; erforderlich sind vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass sich das Risiko eines Vogelschlages durch das Vorhaben deutlich und damit signifikant erhöht (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, juris Rn. 46; Urt. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 –, juris Rn. 59 m.w.N.).

64

Da zur fachgerechten Beurteilung dieser Frage ornithologische Kriterien maßgeblich sind, die zu treffende Entscheidung prognostische Elemente enthält und überdies naturschutzfachlich allgemein anerkannte standardisierte Maßstäbe sowie rechenhaft handhabbare Verfahren fehlen, muss der zuständigen Behörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden. Die gerichtliche Prüfung ist insoweit grundsätzlich auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt (vgl. OVG LSA, Urt. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 –, a.a.O. Rn. 60, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – BVerwG 7 C 40.11 –, juris Rn. 14; OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, a.a.O. Rn. 46, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, juris Rn. 14). Gerade die Bewertung, wann ein bestehendes Tötungs- oder Verletzungsrisiko "signifikant" erhöht ist, lässt sich nicht im strengen Sinne "beweisen", sondern unterliegt einer wertenden Betrachtung (vgl. zum Ganzen: OVG LSA, Urt. v. 20.01.2016, a.a.O.). Die Klägerin kann in diesem rechtlichen Zusammenhang nicht mit Erfolg einwenden, gegen die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative sei Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Nach Überzeugung der Kammer bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ausgehend von dem in Art. 19 Abs. 4 GG wurzelnden Grundsatz, dass die Verwaltungsgerichte die Verwaltungstätigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig zu prüfen haben, bildet die Anerkennung von Kontrollrestriktionen eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme, die von zwei Voraussetzungen abhängig ist. Zum einen bedarf die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte einer im Wege der Auslegung zu ermittelnden gesetzlichen Grundlage, zum anderen der sachlichen Rechtfertigung durch einen hinreichend gewichtigen Grund. Beide Voraussetzungen sind für die hier in Rede stehende artenschutzrechtliche Beurteilung zu bejahen. Den gesetzlichen Regelungen, die die Beachtung der artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG als Zulassungsvoraussetzung normieren, ist im Wege der Auslegung eine Beurteilungsermächtigung der Zulassungsbehörden zu entnehmen. Unter dem Eindruck des Urteils des EuGH vom 10.01.2006 (Az.: C-98/03) hat der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung aufgehoben mit der Folge, dass nunmehr die Zulassungsbehörden die Beachtung der Verbote bei der Verwirklichung zulassungsbedürftiger Vorhaben uneingeschränkt gewährleisten müssen. Der Gesetzgeber hat dabei für die Prüfung, welche Anforderungen an die Art und den Umfang der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme sowie die Erfassung und Bewertung der vorhabenbedingten Einwirkungen zu stellen sind, keine weiteren Vorgaben festgelegt und erst recht kein Verfahren einer artenschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung vorgesehen. An einer untergesetzlichen Maßstabsbildung, wie sie in anderen Bereichen des Umweltrechts mittels Durchführungsverordnungen oder normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften erfolgt ist, fehlt es. Damit verweist das Gesetz die Behörden gezielt auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis als Orientierungshilfe. Vor dem Hintergrund, dass ökologische Fragestellungen in weitem Umfang noch keine eindeutigen, in den einschlägigen Fachkreisen allgemein anerkannten Antworten gefunden haben, kann dies nur als Ermächtigung verstanden werden, die artenschutzrechtliche Prüfung in Würdigung des jeweiligen naturschutzfachlichen Meinungsstandes eigenverantwortlich vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – 7 C 40/11 –, juris).

65

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Zulässigkeit einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Verwaltung bedarf in diesem Einzelfall nach Überzeugung der Kammer keiner Vertiefung, weil der Beklagte seine Entscheidung auf naturschutzfachlich anerkannte Grundlagen und Annahmen gestützt hat.

66

In Anwendung dieser Grundsätze besteht jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt für den Rotmilan ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko, wenn der Abstand einer Windenergieanlage zu einem Rotmilanhorst weniger als 1.000 m beträgt, "es sei denn, es liegen zuverlässige Erkenntnisse darüber vor, dass sich in einer größeren Entfernung als 1.000 m ein oder mehrere für den Rotmilan attraktive, nicht nur kurzzeitig bzw. zeitweise zur Verfügung stehende Nahrungshabitate befinden und die Windenergieanlage dort oder innerhalb eines Flugkorridors dorthin liegt" (vgl. OVG LSA, Urt. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 –, a.a.O. RdNr. 77, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 – BVerwG 7 C 40.11 –, a.a.O. RdNr. 23; OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, a.a.O. RdNr. 94, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, a.a.O. RdNr. 11). Diese – oder eine ähnliche – Einschätzung wird auch durch neuere Untersuchungen gestützt. Insbesondere in der Studie "Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge", Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Juni 2013) von Hötker, Hermann/Krone, Oliver/Nehls,Georg (https://www.nabu.de/downloads/Endbericht-Greifvogelprojekt.pdf) wird auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen die Auffassung vertreten, dass sich durch einen ausreichend hohen Abstand zwischen Windkraftanlagen und Rotmilanhorst das Kollisionsrisiko vermindern lasse, wobei die Wahrscheinlichkeit für Rotmilane, mit den Rotoren der Windkraftanlagen zu kollidieren, umso geringer sei, je größer der Abstand zwischen Windkraftanlage und Rotmilanhorst sei. Ab einem Abstand von 1.250 m lasse sich das Kollisionsrisiko deutlich reduzieren (Hötker, Hermann/Krone, Oliver/Nehls, Georg, Greifvögel und Windkraftanlagen, a.a.O., S. 93, S. 311 f., S. 332 f.; vgl. zum Ganzen: OVG LSA, Urt. v. 20.01.2016, a.a.O.).

67

Allerdings hat die Klägerin eine Studie mit dem Titel "Windenergie und Rotmilan: Ein Scheinproblem" der Kohle-Nusbaumer SA, Lausanne, vom 15.01.2016 (https://www.yumpu.com/de/document/view/54987473/rotmilan-und-windenergie-ein- scheinproblem) vorgelegt, in der u.a. die Auffassung vertreten wird, Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Rotmilanhorsten hätten weder einen nennenswerten Einfluss auf die Bestände noch seien sie wegen der hohen Fluktuation von Brutplätzen sinnvoll (vgl. Bl. 221 ff. GA).

68

Der Beklagte hat die naturschutzfachliche Prüfung, ob die grundsätzliche Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan bei einem Abstand des Rotmilanhorstes zu einer Windenergieanlage von weniger als 1.000 bzw. 1.500 m noch gerechtfertigt ist, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen.

69

In Anwendung der oben genannten Grundsätze ist die Einschätzung des Beklagten, dass der Rotmilan durch die geplanten 15 Windenergieanlagen einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt ist, nachschutzfachlich vertretbar.

70

Ob die im Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18. August 2014 angeführten Gründe die Ablehnung tragen, bedarf dabei keiner Entscheidung. Jedenfalls nach den zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnissen ist die Entscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.

71

Der Betrieb der Windenergieanlagen Nr. 3 und Nr. 15 verstößt bereits deshalb gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG, weil sich diese Anlagen in einer Entfernung von weniger als 1.500 m zu einem Rotmilanhorst befinden.

72

Sowohl die von dem Beklagten vorgelegte Analyse der Raumnutzung des Rotmilans im geplanten Windpark Helfta der Ö GbR vom 26. Februar 2016 als auch die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse des Büros für Landschaftsökologie D. vom 15. Februar 2016 gehen davon aus, dass zwei Horste im Abstand von weniger als 1.500 m zu den geplanten Windenergieanlagen Nr. 3 und Nr. 15 liegen. Ö fand im Frühjahr 2015 im 3.000 m-Radius um das Windeignungsgebiet insgesamt 6 Horste des Rotmilans. Die Horste Nr. 38 und 49 liegen im Abstand von weniger als 1.500 m zu den geplanten Windenergieanlagen und waren im Jahr 2015 auch besetzt. D. stellte bei der im Februar 2016 im laublosen Zustand durchgeführten Horstaufnahme ebenfalls einen Horst (Nr. 9) des Rotmilans südlich Wormsleben am Gewässer "Böse Sieben" in einem Abstand von 1.380 m zur geplanten WEA 15 und einen Horst (Nr. 25) nordöstlich Ä, alte Haldenfläche in einem Abstand von 1.130 m zur geplanten WEA 3 fest. Aufgrund der Lage dieser Horste geht das Gericht davon aus, dass es sich dabei um die Horste Nr. 38 und 49 aus der Horstkartierung 2015 von Ö handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die Koordinatenwerte der Brutplätze fehlten. Die genaue Lage ergibt sich zudem aus der Karte 1 der Analyse von Ö.

73

Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte der Beklagte auf einen Radius von 1.500 m statt 1.000 m abstellen. Zwar wurde obergerichtlich bislang ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko grundsätzlich nur bejaht, wenn sich eine Windenergieanlage weniger als 1.000 m von einem Rotmilanhorst entfernt befindet (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 21.03.2013 – 2 M 154/12 –, juris Rn. 31). Allerdings ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diesen Maßstab nicht zur Grundlage seiner Bewertung gemacht hat. Er hat dabei die Grenzen seiner Einschätzungsprärogative nicht überschritten. Vielmehr hat er plausibel dargelegt, dass sich der zuvor umrissene Maßstab als naturschutzfachlich überholt zeigt, wie sich aus den Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten vom April 2015 ergibt, denen er sich angeschlossen hat. Diese basieren darauf, dass innerhalb von 1.000 m um den Brutplatz lediglich 40 Prozent der Flugaktivitäten, innerhalb eines Radius von 1.500 m hingegen bereits mehr als 60 Prozent der Flugaktivitäten zu verzeichnen seien. Ein wirksamer Schutz des Rotmilans erfordere also die Erweiterung des Radius auf diese Größe (vgl. Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, Abstandsempfehlung für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, Berichte zum Vogelschutz, Band 51 (2014), S. 26 f. – abrufbar unter http://www.vogelschutzwarten.de/downloads/lagvsw2015_abstand.pdf, Stand: 14.03.2016). Daher ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – davon auszugehen, dass sich mittlerweile ein von der genannten Abstandsempfehlung abweichender allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durch die Festlegung eines Mindestabstands von 1.500 m für den Rotmilan durch die "Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 2015)" der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten durchgesetzt hat (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 27.05.2016 – 22 BV 15.2003 -, juris).

74

Der Beklagte darf auch von einer Kollisionsanfälligkeit für Rotmilane ausgehen. Eine allgemeine Meinung, dass der Rotmilan Windenergieanlagen meidet, hat sich naturschutzfachlich nicht herausgebildet. Vielmehr wird von einer erheblichen Kollisionsgefahr ausgegangen, da der Rotmilan während der Suche nach Beute seinen Blick nach unten richtet und mangels natürlicher Feinde aus der Luft den Raum über ihm nicht in den Blick nimmt (vgl. M/M/Resetaritz, in: Hötker/Krone/Nehls, Verbundprojekt: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, 2013, S. 87 f. – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/4055/endbericht_greifvogelprojekt.pdf, Stand: 14.03.2016). Nach der im Juni 2016 veröffentlichten Progress-Studie (vgl. Grünkorn u.a.: Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windeenergieanlagen, abrufbar unter: http://bioconsult- sh.de/de/projekte/progress/, S. 266) können neben der Nahrungssuche auch andere Verhaltensweisen (z.B. Revierkampf) die Wahrnehmung von Windenergieanlagen beeinflussen und Ursache für das fehlende Meidungsverhalten sein. Überwiegend wird ein Meideverhalten jedenfalls verneint, zumindest für ziehende Rotmilane. Diese von dem Beklagten zu Grunde gelegte naturschutzfachliche Einschätzung wird auch nicht durch auf das Gegenteil gerichtete, durch die Klägerin vorgelegte Studien erschüttert (etwa: Kohle/Nusbaumer, Windenergie und Rotmilan: Ein Scheinproblem, 2016). Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um eine bereits allgemein verfestigte naturschutzfachliche Meinung handelt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin kritisierte Datensammlung über Vogelverluste an Windenergieanlagen (vgl. Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (Tobias Dürr), Vogelverluste an Windenergieanlagen, Stand: 16.12.2015 – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/4055/wka_voegel_eu.xls, Stand: 14.03.2016) in der Fachwelt nicht mehr zur Bewertung der Vogelverluste an Windenergieanlagen herangezogen wird. Auch ist die Argumentation der Klägerin nicht überzeugend, die Studie zur Paderborner Hochfläche habe gezeigt, dass kein Zusammenhang zwischen dem Ausbau von Windenergieanlagen und der Population des Rotmilans bestehe. So fehlen hier schon weiterführende Informationen, ob die angesprochenen Windenergieanlagen überhaupt im Einzugsbereich von Rotmilanen liegen oder ob sie sogar übereinstimmend mit artenschutzrechtlichen Erfordernissen errichtet wurden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Bestandsgröße des Rotmilans wegen des gerade individuumsbezogenen Schutzes dahinstehen kann. Eine mögliche – obgleich vorliegend eher Anhaltspunkte für das Gegenteil vorhanden sind (vgl. IUCN, Red List of Threatened Species, Milvus milvus; abrufbar unter http://www.iucnredlist.org/details/22695072/0, Stand: 14.03.2016) – Erholung der Population ist jedenfalls unbeachtlich, solange es sich bei dem Rotmilan um eine besonders geschützte Art im Sinne des BNatSchG handelt.

75

Aber auch die Genehmigung der übrigen dreizehn Windenergieanlagen verstößt gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.

76

Im Hinblick auf die dargelegten Erkenntnisse ist es nach Überzeugung der Kammer naturschutzfachlich vertretbar, von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan durch den Betrieb von Windkraftanlagen auch auszugehen, wenn zuverlässige Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sich in einer größeren Entfernung ein oder mehrere für den Rotmilan attraktive, nicht nur kurzzeitig bzw. zeitweise zur Verfügung stehende Nahrungshabitate befinden und die Windenergieanlagen dort oder innerhalb eines Flugkorridors dorthin liegen. So liegt es hier.

77

Der Beklagte durfte aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisse und Gutachten davon ausgehen, dass das Gebiet in dem die Windenergieanlagen der Klägerin aufgestellt werden sollen, intensiv von Rotmilanen genutzt wird, weil sich dort Nahrungshabitate befinden. Die Ö GbR hat in ihrem Gutachten vom 26. Februar 2016 im 3.000 m-Radius um das Windeignungsgebiet auf 4.600 ha insgesamt 6 Brutpaare des Rotmilans nachgewiesen. Dies entspricht einer Siedlungsdichte von 13 Paaren/100 km² und liegt damit über dem mittleren Siedlungsdichtewert des Landkreises von 7,8 Paaren/100 km². Ausweislich der Feststellungen der Ö GbR, die das 179 ha große Windeignungsgebiet in der Zeit vom 3. April bis 24. August 2015 an 22 Beobachtungstagen je etwa 4,5 Stunden (reine Beobachtungszeit) untersucht hat, durchfliegen Rotmilane das Gebiet intensiv bzw. nutzen es als Nahrungshabitat. Innerhalb des Untersuchungszeitraums von 99 Stunden (22 Termine à 4,5 Stunden) hielten sich Rotmilane für insgesamt 18 Stunden im Untersuchungsgebiet auf, was über alle Monate hinweg einer durchschnittlichen Anwesenheitsdauer von 11 Minuten pro Stunde entspricht. Knapp über 20 % der Aufenthalte entfielen auf die Höhenklasse zwischen 100 und 200 m und damit auf den Gefahrenbereich der Rotorblätter der geplanten Windkraftanlagen. Der Bereich um die Gehölzfläche im südlichen Zentrum des Untersuchungsgebietes – in unmittelbarer Nähe östlich der geplanten Windenergieanlage 5 und südlich der geplanten Windenergieanlage 9 - kristallisierte sich dabei als Aktivitätszentrum (> 50 Sichtkontakte je Raster) für Rotmilane heraus. Weitere Bereiche mit besonders hoher Frequentierung (jeweils 21 – 50 Sichtkontakte je Raster) waren die an das Aktivitätszentrum angrenzenden Flächen, der gesamte westliche Bereich des Untersuchungsgebietes und eine etwa 10 ha große Fläche im Norden des Untersuchungsgebietes. Die räumliche Nutzung ist nach den Beobachtungen der Gutachter zwar abhängig von den im Laufe des Jahres unterschiedlichen landwirtschaftlichen Aktivitäten sowie dem Deckungsgrad der Anbaukulturen. Über den gesamten Untersuchungszeitraum wurden die meisten Flüge aber im Zentrum des Windeignungsgebietes entlang des Gehölzbereiches beobachtet (vgl. Karte 7). Das Windeignungsgebiet, in dem die von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen errichtet werden sollen, wurde danach im gesamten Beobachtungszeitraum zwischen April und August 2015 von Rotmilanen aufgesucht. So fanden die häufigsten Sichtkontakte im Monat Mai statt. Aber selbst im Juli 2015 gab es noch im nördlichen Bereich 6 bis 10 Sichtkontakte pro Rasterfeld. Im Ergebnis geht das Gutachten des Büros Ö von durchschnittlich 3,3 Flugbewegungen (Sichtkontakte) je Beobachtungsstunde im 179 ha großen Windeignungsgebiet aus, wobei die Anzahl der Beobachtungen zwischen einem und 36 Sichtkontakten innerhalb des Erfassungszeitraums variierte. Eine Beobachtung, d.h. eine durchgehende Fluglinie wird von den Gutachtern als Sichtkontakt bezeichnet. Die durchschnittliche Anzahl an Sichtkontakten lag im April und Mai jeweils bei 20,0 bzw. 21, 8 Sichtkontakten je Beobachtungstag und nahm über den Juni bis Mitte Juli kontinuierlich ab. Ab Ende Juli bis Mitte August erhöhte sich die Anzahl der Sichtkontakte wieder und die durchschnittliche Anzahl der Rotmilanbeobachtungen lag im August bei 16,8 Sichtkontakten pro Termin. Dass es dabei tatsächlich zu Mehrfachbeobachtungen gekommen ist, die sich in unzutreffend hohen Sichtkontakten niedergeschlagen haben, wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei den hier angewandten Untersuchungsmethoden Fehler in keinem Fall ganz vermieden werden können. Die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse belegt aber, dass der geplante Standort intensiv von Rotmilanen durchflogen wird. Damit kann sich der Beklagte bezüglich des von ihm angenommen signifikant erhöhten Tötungsrisikos für Rotmilane auf naturschutzfachliche Erkenntnisse stützen, ohne die Grenzen der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative zu überschreiten. Dies gilt umso mehr, als die Abstände zwischen den Horsten und den nächst gelegenen Anlagen nicht sehr weit außerhalb der "Tabuzone" von 1.500 m liegen.

78

Zur entsprechenden Darstellung hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung erläutert, in den Rasterkarten habe er die Fluglinien digitalisiert, wobei eine Linie ein Flugereignis darstelle. Danach dienen die Rasterkarten lediglich der Visualisierung, ob ein Muster der Flugbewegungen vorliegt. Dass Ö hierbei mehrere Sichtkontakte annimmt, wenn die Rotmilane aus dem Windfeld heraus- und wieder hineinfliegen, begegnet nach Überzeugung der Kammer keinen Bedenken, weil die Raumnutzungsanalyse Aufschluss darüber geben soll, wie oft sich Rotmilane in dem für sie gefährlichen Bereich aufhalten.

79

Die Klägerin kann gegen das Gutachten von Ö nicht mit Erfolg geltend machen, es sei unklar, welche Bezugsgröße der Untersuchung zugrunde liege. Der Gutachter M hat hierzu in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2016 auf Nachfrage bestätigt, dass Bezugsgröße für die Annahme der 3,3 Flüge pro Stunde das 179 ha große Windeignungsgebiet war, in dem die Anlagen der Klägerin errichtet werden sollen. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 30. März 2016 nochmals bekräftigt, dass von den in den beigefügten Karten dargestellten 375 Flugbewegungen ausschließlich jene Flugbewegungen (326 Sichtkontakte) in die gutachterliche Auswertung eingegangen sind, die innerhalb des in der Karte dargestellten Vorranggebietes (Windeignungsgebiet) registriert wurden. Gegen die Verwertbarkeit des von dem Beklagten eingeholten Gutachtens spricht deshalb auch nicht, dass in den Karten zum Teil Raster außerhalb des Untersuchungsgebietes (vgl. Karten 2 bis 7) dargestellt wurden.

80

Der Gutachter M hat in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2016 auch den Einwand der Klägerin zurückgewiesen, es dürften keine unzulässigen Schlüsse aus einzelnen Ereignissen im Rahmen der Bewirtschaftung der Felder gezogen werden. Er hat nachvollziehbar erklärt, die Bewirtschaftungsereignisse der Kulturen seien bei der Begutachtung zu berücksichtigen, weil auch die im Laufe des Jahres unterschiedliche Nutzung der Flächen Aufschlüsse über die Nutzung des Gebietes gibt. Selbst wenn man diese Ereignisse herausrechnete, ergäbe sich aber noch eine Frequenz von 2,63 Flügen/Stunde.

81

Auch der Einwand der Klägerin, die durchschnittliche Flughöhe des Rotmilans liege bei 79 m, greift nicht durch. Insoweit wies der Gutachter M in der 1. mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hin, dass auch bei den von der Klägerin beantragten Windenergieanlagen eine Gefahr für den Rotmilan bestehe, weil sie sich nach seinen Feststellungen in knapp über 20 % der beobachteten Flüge in deren Gefahrenbereich (zwischen 100 und 200 m) aufhielten (nach dem Gutachten von D. in 22,7 % der Flüge). Da der Rotmilan während des Aufenthalts in dem Bereich zwischen 100 und 200 m durch die Windenergieanlagen gefährdet ist, kommt es – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht auf durchschnittliche Flughöhen an.

82

Soweit sich in den Rohdaten zur Dauer der einzelnen Sichtkontakte mit Rotmilanen die Angabe "k.A." findet, ist dies nach Überzeugung der Kammer unschädlich, weil Ö keine Zeitwerte gebildet hat.

83

Dass die Tagesprotokolle auf mangelhaftem Tatsachenmaterial beruhen, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Auch ergeben sich keine Bedenken aus der Wahl der Beobachtungspunkte.

84

Nach Überzeugung der Kammer kann die Klägerin gegen das Ergebnis des Gutachtens auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei nicht verwertbar, weil es die anerkannten Standards für Raumnutzungsanalysen nicht erfülle. Zwar empfiehlt das LAU u.a. in seiner von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme (E-mail vom 17. August 2015; Bl. 325 GA) 25 mindestens 8-stündige Begehungen, davon 12 in den Monaten Juni und Juli und 13 in den Zeiten davor und danach (Balz, Brut und Beginn des Herbstzuges), wobei alle Beobachtungen fliegender und Nahrung suchender Rotmilane und anderer Greifvogelarten ortsgenau mit Flugrichtung und –höhe zu kartieren und darzustellen seien. Das Gutachten der Ö GbR hält die Vorgaben des LAU allerdings nicht in allen Punkten ein, insbesondere fehlt es mit eine Beobachtungsdauer von 6 Stunden täglich an mindestens 8-stündigen Begehungen. Für die Kammer ist aber nicht ersichtlich, dass sich bei der Anfertigung von Raumnutzungsanalysen bereits eine einheitliche Methodik durchgesetzt hat. Auch das LAU erklärt in der von der Klägerin vorgelegten E-mail, es gebe keine verbindlichen Vorgaben für die Durchführung von Raumnutzungsanalysen.

85

Die von Ö vorgelegte Raumnutzungsanalyse orientiert sich mit 22 Beobachtungstagen zu unterschiedlichen Tageszeiten erkennbar an der Empfehlung des Landesamtes für Umweltschutz des Landes Sachsen-Anhalt, Staatliche Vogelschutzwarte (vgl. Blatt 159 f. der Gerichtsakte). Sie erfasst zumindest den vormittäglichen Aktivitätsgipfel des Rotmilans. Der Rotmilan ist tagaktiv, bei einem Aktivitätsgipfel von 10 bis 12 Uhr und von 16 Uhr bis Sonnenuntergang (so wohl Südbeck/Andretzke/Fischer/Gedeon/Schikore/Schröder/Sudfeldt, Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, 2005, S. 242; vgl. Niedersächsische Ornithologische Vereinigung e. V., Aufruf zur landesweiten Rotmilan-Erfassung 2006, S. 2 - abrufbar unter http://www.ornithologie-niedersachsen.de/static/archiv/news/NOV_ Mitteilungen_15/Rotmilan2006/Rotmilan_Aufruf.pdf, Stand 14.03.2016). Auch die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse lässt die Aktivität des Rotmilans nach 16 Uhr ebenfalls weitgehend unberücksichtigt. Nimmt man einen zweiten Aktivitätsgipfel nach 16 Uhr an, dürften sich die von beiden Gutachtern ermittelten Frequentierungen des Untersuchungsgebiets ohnehin nur erhöhen. Dass die von dem Büro Ö angewandte Methodik sachgerecht ist, wird u.a. daran deutlich, dass sie sich im Einklang mit den Vorgaben des Entwurfs des zuständigen Fachministeriums "Leitfaden Artenschutz an Windenergieanlagen in Sachsen-Anhalt" vom 7. Januar 2016 befindet. Dass die Gutachter von Ö an der Entwicklung des Leitfadens beteiligt waren, ist rechtlich nicht zu beanstanden und spricht für ihre Sachkunde.

86

Im Übrigen halten auch die von der Klägerin vorgelegten Gutachten die Vorgaben nicht ein. Der von der Klägerin vorgelegten Raumnutzungsanalyse von D. liegt zwar eine sehr lange Beobachtungsdauer von 66 Beobachtungstagen im Jahr 2015 und 30 Beobachtungstagen im Jahr 2016 zugrunde. Diese wird den Anforderungen aber ebenfalls nicht gerecht, weil in der Zeit vom 28. Mai bis 31. August 2015 lediglich etwa 7,5 Stunden pro Tag und im Zeitraum 18. März bis 27. Mai 2016 lediglich in der Zeit von 9 bis 15 Uhr beobachtet wurde.

87

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dem Urteil des OVG LSA vom 26. Oktober 2011 – 2 L 6/09 – nicht entnehmen, dass von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko nur dann ausgegangen werden kann, wenn 1,5 bis 5 Flüge pro Beobachtungsstunde erreicht werden. Der Senat hat dort lediglich erkannt, dass in dem dort vorliegenden Fall, in dem jede Stunde im Mittel zwischen 1,5 und 5 Flügen von Rotmilanen durch das Eingriffsgebiet beobachtet worden waren, eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos vorlag. Der Entscheidung ist jedoch nicht der Umkehrschluss zu entnehmen, dass unterhalb dieses Bereiches ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko stets zu verneinen ist. Die Klägerin kann in diesem rechtlichen Zusammenhang auch nicht mit Erfolg geltend machen, im hier zu betrachtenden Gebiet sei ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko erst bei 3 bis 10 Durchflügen des Rotmilans anzunehmen, da es sich hier um ein doppelt so großes Untersuchungsgebiet handele (179 ha statt ca. 98 ha). Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass nach Auffassung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) eine rechtlich unzulässige Steigerung des Tötungsrisikos nicht erst bei 50 bis zu 80 % der registrierten Flugbewegungen durch die geplanten Windkraftanlagenflächen erreicht sei. Bei einer Durchflugquote von 50 % oder an jedem zweiten Tag sei ein Vogel am Ende eines Jahres ganz sicher durch eine Windenergieanlage getötet (vgl. Gefälligkeitsgutachten für Windkraft? Flensburger Tageblatt vom 20.11.2014; http://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/politik/ gefaelligkeitsgutachten-fuer-windkraft-id8248171.html ).

88

Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des VG Würzburg vom 29. März 2011 (Az.: W 4 K 10.371) beruft, wonach ein bevorzugtes Nahrungshabitat nicht anzunehmen sei, wenn die Aufenthaltsdauer der Rotmilane unter 10 % der Beobachtungszeit liege, folgt die Kammer dem nicht.

89

Den Ergebnissen der Ö GbR stehen auch die von der Klägerin vorgelegten Raumnutzungsanalysen des Büros für Landschaftsökologie D. vom 26. Februar und 13. Juli 2016, mit der Flugbewegungen im Zeitraum 28. Mai bis 31. August 2015 an 66 Beobachtungstagen von je etwa 7,5 Stunden sowie im Zeitraum 18. März bis 27. Mai 2016 an 30 Beobachtungstagen in der Regel zwischen 9 und 15 Uhr erfasst wurden, nicht entgegen. Dort ist als Fazit ebenfalls festgehalten, dass im Untersuchungsgebiet im gesamten Brutzeitraum zu allen Tageszeiten mit Rotmilanflügen gerechnet werden müsse (S. 52 Beiakte O und S. 37 Beiakte S). Die Gutachter stellten hierbei eine ungleiche Flächennutzung durch die Art fest. Für die Planungsstandorte WEA 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 (2015) bzw. WEA 3 bzw. seine unmittelbaren Nahbereiche (Flächen südwestlich der Planungsstandorte WEA 6 und 7 im Jahr 2016) war danach eine regelmäßige Frequentierung durch den Rotmilan erkennbar, weil es sich um thermikbegünstigte Bereiche handele. Während der Frühjahrskartierung 2016 zeigte sich der Schwerpunkt im südwestlichen Bereich bzw. westlich des geplanten Windfindes. Bei diesen Standorten könne von einem regelmäßigen Überfluggeschehen in der gesamten Brutperiode bzw. in der gesamten Frühjahrssaison ausgegangen werden. Dies sei durch die Hanglagen und die Waldkanten im oberen Bereich des Hornburger Sattels begründet, wo kleinräumig thermische Aufwindbewegungen relief- und landschaftsbedingt verstärkt würden, die von Thermik nutzenden Greifvogelarten wie dem Rotmilan insbesondere für Nahrungsflüge sehr gut genutzt werden könnten. Die im Hangbereich des Hornburger Sattels und des Galgenberges großflächig ausgebildete Feldflur biete günstige Jagdvoraussetzungen. So sei das bevorzugte Aufsuchen der sich nordöstlich der Hangkante des Hornburger Sattels lokalisierenden Flächen hauptsächlich lagebedingt und nicht mit den angebauten Feldfrüchten zu erklären. Für die geplanten Anlagenstandorte 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 stellten die Gutachter deutlich geringere Überflugfrequenzen fest. Für die 100 m–Radien um die Planungsstandorte stellte D. im Gutachten 2015 im Mittel 0,24 Flüge im Gutachten 2016 0,32 pro Beobachtungsstunde fest (insgesamt 0,28 Flüge pro Beobachtungsstunde), für die 250 m- Radien durchschnittlich 0,26 Flüge (2015), bzw. 0,46 (2016), gesamt 0,36 Flüge pro Beobachtungsstunde und für das gesamte geplante Windfeld einschließlich eines 250 m- Radius um die äußeren Anlagenstandorte 0,28 Flüge (2015), 0,51 Flüge (2016), gesamt 0,40 Flüge pro Beobachtungsstunde. Die Aufenthaltsdauer im Beobachtungszeitraum betrug im Jahr 2015 bei einer Beobachtungsdauer im Untersuchungsgebiet von 29.700 Minuten im Zeitraum 28. Mai bis 31. August 2015 614 Minuten (2,07 %) in der gesamten Windfeldfläche einschließlich eines 250-m-Radius um die Windfeldfläche, 664 Minuten im 250-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (2,29 %) und 432 Minuten im 100- m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (1,45 %). Im Jahr 2016 lag die Aufenthaltsdauer bei 1.208 Minuten (bei einer Beobachtungsdauer von 16.000 Minuten im Zeitraum 18. März bis 27. Mai 2016), also 7,55 % im 250-m-Radius um die Windfeldfläche, 1.028 Minuten im 250-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (6,43 %) und 690 Minuten im 100-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (4,31 %), so dass sich für die gesamte Beobachtungszeit eine Aufenthaltsdauer von 1.822 Minuten im 250-m- Radius um die Windfeldfläche (3,99 %), 1.692 Minuten im 250-m-Radius um die einzelnen WEA-Standorte (3,70 %) und 1.122 Minuten (2,46 %) im 100-m-Radius bei einer gesamten Beobachtungsdauer von 45.700 Minuten ergaben.

90

Auch wenn die von D. ermittelten Werte damit von den Ergebnissen des Gutachtens der Ö GbR abweichen, bestehen gegen das von dem Beklagten vorgelegte Gutachten keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zunächst kommen beide Gutachten nicht zu grundlegend unterschiedlichen Einschätzungen. Setzt man etwa – nach der Methode der Ö GbR – die beobachteten 766 Flugbewegungen im Beobachtungszeitraum 2015 mit 495 Beobachtungsstunden ins Verhältnis, ergeben sich 1,55 Flugbewegungen pro Stunde. Im Zeitraum 2016 beobachtete D. 358 Flugbewegungen in 180 Beobachtungsstunden, so dass sich ein Wert von 1,98 Flugbewegungen pro Stunde ergibt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten von D. nicht eine gesamte Brutperiode, sondern jeweils Teile einer Brutperiode unterschiedlicher Jahre abdeckt. Auch dass die Gutachter von D. die Tiere durch Verlassen der Beobachtungspunkte per Fahrzeugeinsatz erfasst haben, könnte Fehler begünstigen. Zudem orientiert sich die Untersuchung von D. nicht in gleichem Maß wie Ö an den Aktivitätsgipfeln des Rotmilans, weil die Beobachtungen jedenfalls im Jahr 2015 bereits ab 8 Uhr begonnen wurden. Stellt man nur auf den Zeitraum von 9 Uhr bis 15 Uhr ab, ergibt sich bei 758 Flugbewegungen an 66 Beobachtungstagen bei je nur 6 Beobachtungsstunden eine Frequentierung von 1,91 Flugbewegungen pro Stunde (vgl. Übersicht D. vom 15.02.2016, S. 26). Dementsprechend ist auch die von D. im Frühjahr 2016 festgestellte Aufenthaltsdauer von Rotmilanen im Untersuchungsgebiet höher als in dem im Jahr 2015 erstellten Gutachten. Unabhängig davon, dass D. nur von einer Anwesenheitsdauer von 2,46 % im 100-m-Radius um die geplanten Windenergieanlagen ausgeht, wurde eine Aufenthaltsdauer im Beobachtungszeitraum von 1.122 Minuten während der gesamten Beobachtungsdauer im 100-m-Radius um die geplanten Standorte festgestellt, die die Einschätzung des Beklagten eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan rechtfertigt.

91

Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten stehen dazu ebenfalls nicht im Widerspruch, sondern bestätigen die Einschätzung des Beklagten.

92

Ausweislich des Gutachtens des Büros Schmal + Ratzbor (vgl. Bl. 62 ff. GA) handelt es sich bei dem Gebiet um den Süßen See, etwa 2,5 km nordöstlich der geplanten Windenergieanlagen, um attraktive Nahrungsflächen.

93

Auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten vom November 2014 (Dr. Weise, Bl. 62 ff. GA) liefert einen Anhaltspunkt, dass jedenfalls das Gebiet, in dem die Windenergieanlagen errichtet werden sollen, häufig von Rotmilanen aufgesucht wird. Auch wenn die gesamte Beobachtungszeit von 10 Stunden und 15 Minuten zu gering ausfällt, um eine umfassende Raumnutzung bewerten zu können, lassen sich zumindest Anhaltspunkte für diese erkennen. Wertet man in dem dort als Vorranggebiet bezeichneten Bereich jede Beobachtung eines Rotmilans als (einzelne) Flugbewegungen, summieren sich diese über den Gesamtbeobachtungszeitraum auf eine Zahl von 49. Bei einer Beobachtungsdauer von 10 Stunden und 15 Minuten würde hieraus eine Frequentierung des als Vorranggebiet bezeichneten Bereichs in Höhe von 4,78 Flugbewegungen/Stunde folgen (ermittelt aus Dr. Weise, Raumnutzungsanalyse November 2014, S. 12 ff). Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass sich die hohe Frequenz der Rotmilanflüge im Gebiet nur durch die günstige Erreichbarkeit von Nahrung und die günstigen Verhältnisse am Galgenberg sowie die damit einhergehende günstigen Jagdvoraussetzungen erklären lässt.

94

Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder eines Obergutachtens nicht.

95

Der Beklagte durfte auch wegen der Schaffung weiterer Grenzstrukturen durch das Vorhaben von einem signifikant erhöhtem Tötungsrisiko ausgehen. Naturschutzfachlich wird vertreten, dass Grenzstrukturen (Feldwege, Hecken, Mastfußbrachen) für Rotmilane attraktive Nahrungsflächen darstellten und insbesondere während anderweitiger Nahrungsknappheit eine große Lockwirkung ausüben würden (etwa: M/M/Resetaritz, in: Hötker/Krone/Nehls, Verbundprojekt: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, 2013, S. 66, 88 f. – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/4055/endbericht_greifvogelprojekt.pdf, Stand: 14.03.2016). Für den Rotmilan als Suchjäger seien gerade gut einsehbare Flächen attraktiv, weshalb auch eine Schotterung des Mastfußbereiches den Rotmilan eher anziehe (vgl. M/M/Resetaritz, in: Hötker/Krone/Nehls, Verbundprojekt: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, 2013, S. 91 – abrufbar unter http://www.lugv.brandenburg.de/media_fast/ 4055/endbericht_greifvogelprojekt.pdf, Stand: 14.03.2016). Dieser Auffassung hat sich der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angeschlossen. Denn durch das Vorhaben entstünden bis zu 3.500 Meter Wege und 15 Mastfußbrachen. Die von diesen Grenzstrukturen ausgehende Lockwirkung wird noch dadurch verstärkt, dass bereits die vorhandenen Feldwege augenscheinlich einen Schwerpunkt der räumlichen Nutzung darstellen. Dies ist in der gerasterten Raumnutzungsübersicht in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten erkennbar (D., Raumnutzungsanalyse vom 15.02.2016, Plananlage 4). Parallel zur gedachten Achse der geplanten Windenergieanlage 03 bis 01 sowie 07 bis 04 verlaufen in nordwestlicher Richtung gegenwärtig zwei Wege. Diese sind unter der Rasterung erkennbar. Entlang dieser Wege, wie auch im Bereich der nordwestlich liegenden B180 ist eine erhöhte Raumnutzung erkennbar. Der Rotmilan sucht demnach bereits gegenwärtig diese Bereiche auf; es liegt nahe, dass er sich darüber hinaus auch unmittelbar angrenzende, neue Grenzstrukturen erschließen würde.

96

Die Einordnung des Vorhabengebietes als Vorranggebiet für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von Eignungsgebieten in dem regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Halle vom 27.05.2010 und 26.10.2010 setzt sich nicht gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch.

97

Entsprechend den Ausführungen des Gutachters der Beklagten vom 12.08.2014 (Blatt 93 ff. der Gerichtsakte) fand eine konkret gebietsbezogene Betrachtung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Avifauna und Fledermäuse im Rahmen der Regionalplanung nicht statt. Eine solche ist jedoch notwendig, um gegenüber nachfolgenden Zulassungsverfahren diesbezüglich eine Bindungswirkung zu erzeugen (vgl. zum Ganzen: VG Lüneburg, Urteil vom 29.11.2007 – 2 A 695/06, Rdnr. 32 m. w. Nachw., 38, juris).

98

Ist eine Nutzung in einem Gebiet – wie hier – artenschutzrechtlich nicht zulässig, kommt es auf die raumplanerische Einordnung dieses Gebiets als Eignungsgebiet für diese Nutzung nicht an. Die Ausweisung als Eignungsgebiet ist dann rechtswidrig. Soweit dieser Nutzung dann im von der jeweiligen Raumplanung umfassten Gebiet nicht mehr substantiell Raum verschafft wird, ist dies rechtlich der jeweiligen Raumplanung entgegenzuhalten. Jedenfalls kann ein rechtswidrig ausgewiesenes Eignungsgebiet keine Bindungswirkung im Rahmen eines der Raumplanung nachgelagerten Zulassungsverfahrens bezüglich der konkreten Einzelnutzung entfalten.

99

Auch die Erteilung einer Ausnahme vom Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 45 Abs. 7 BNatSchG oder einer Befreiung gem. § 67 BNatSchG kommt nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob § 45 Abs. 7 BNatSchG bei Windkraftanlagen angesichts der in dieser Vorschrift aufgestellten hohen Hürden überhaupt Anwendung finden kann (verneinend Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Auflage 2013, Rn. 293 zitiert nach Bay. VGH, Urt. v. 29.03.2016 – 22 B 14.1875/1876 –, juris), liegen schon keine Ausnahmegründe im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG vor. Insbesondere sind für die Errichtung von Windenergieanlagen gerade am beantragten Standort keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG ersichtlich. Zudem steht der Zulassung einer Ausnahme hier das Erfordernis entgegen, dass sich durch sie der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtern darf (vgl. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG). Auch die Erteilung einer Befreiung kommt nicht in Betracht. Es kann nicht als unzumutbare Belastung gem. § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG angesehen werden, wenn ein Windenergieanlagenbetreiber sein Vorhaben zur Errichtung von Windenergieanlagen an einem bestimmten Ort nicht verwirklichen kann (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.02.2012, a.a.O., Rn. 103 ff.). Von einer "unzumutbaren Belastung" kann nämlich nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen des betroffenen Privatrechtssubjektes ausgegangen werden, insbesondere bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum. Die Klägerin kann sich aber – auch wenn sie Eigentümerin der Flächen wäre – nicht darauf berufen, dass ihr durch die Versagung der Genehmigung die Ausübung einer eigentumsgleich verfestigten Rechtsposition hinsichtlich der Nutzbarkeit dieser Grundstücke verwehrt wird; vielmehr wird sie lediglich an der Verwirklichung einer erhofften Gewinnchance gehindert (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 29.03.2016, a.a.O.). Ob für einen Rückgriff auf § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG immer dann kein Raum ist, wenn durch das Vorhaben – wie hier - europäische Vogelarten nachteilig betroffen werden (vgl. dazu C. in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2015, § 67 BNatSchG Rn. 18), kann deshalb offen bleiben.

100

Die Klage hat auch mit den Hilfsanträgen keinen Erfolg.

101

Soweit es die Hilfsanträge betrifft, die Genehmigung unter der Auflage von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen (1. Hilfsantrag), unter Aufgabe des Maßnahmenkonzepts von D. (3. Hilfsantrag) sowie unter der Auflage von Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen zu erteilen, wie sie von dem Gericht, hilfsweise von dem Beklagten zur Vermeidung der Verletzung artenschutzrechtlicher Zugriffstatbestände für notwendig gehalten werden (7. Hilfsantrag), fehlt es bereits an einem hinreichend bestimmten Klageantrag. Im Übrigen fehlt es insoweit an der Durchführung eines Vorverfahrens, in dem die fachliche Eignung der vorgeschlagenen Maßnahmen deren Wirkungen zur Vermeidung sicher abgeschätzt werden können. Insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass es nicht Sache der Genehmigungsbehörde, sondern des Anlagenbetreibers ist, ein prüffähiges und erfolgversprechendes Vermeidungskonzept vorzulegen. Die Unterlagen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind, sind dem Antrag auf Genehmigung beizufügen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV). Die Unterlagen müssen, falls – wie hier – die Zulässigkeit nach Vorschriften über Naturschutz zu prüfen sind, nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV insbesondere Angaben über Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der Natur enthalten. Dies kann nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sein.

102

Soweit es die im Maßnahmenkonzept von D. vorgeschlagenen Maßnahmen betrifft, kann die von der Klägerin begehrte Genehmigung auch nicht nach § 12 Abs. 1 BImSchG mit entsprechenden Auflagen verbunden werden, weil diese nicht geeignet sind, die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung des Beklagten teilweise mit dem geltenden Artenschutzrecht nicht zu vereinbaren (z.B. Entfernung von Horsten) und deren Wirksamkeit ist teilweise (z.B. Verzicht auf attraktive Dauerkulturen) ungesichert. Im Übrigen bezieht sich die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Naturschutzbehörde bei der Beurteilung der Betroffenheit von Arten auch auf die Wirksamkeit vorgeschlagener Vermeidungsmaßnahmen, da sich insoweit noch kein auf die Untersuchungssituation bezogener anerkannter Standard der Fachwissenschaft herausgebildet hat (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 27.05.2016, a.a.O.). Möglicherweise könnten Rotmilane zwar von der Nahrungssuche in unmittelbarer Nähe von Windenergieanlagen durch eine geeignete Oberflächengestaltung abgehalten und unter Berücksichtigung ihrer Nahrungsanforderungen auf andere Flächen für die überwiegende Zeit ihrer Jagd gelockt werden. Auf die Gestaltung der Oberfläche der Offenlandbereiche, die dem Rotmilan als Nahrungshabitate dienen, können der Anlagenbetreiber und die Immissionsschutzbehörde in der Genehmigung – wenn überhaupt – jedoch nur in begrenztem Umfang Einfluss nehmen. Der Anlagenbetreiber könnte zwar mit dem Eigentümer der gepachteten Flächen vereinbaren, dass diese nur in einer bestimmten, für den Rotmilan unattraktiven Weise bewirtschaftet werden. Eine solche Art der Bewirtschaftung könnte möglicherweise auch in einer Nebenbestimmung zur Genehmigung angeordnet werden. Der Beklagte weist jedoch zu Recht darauf hin, dass es an einem entsprechenden Nachweis bisher fehlt. Im Übrigen wird dies für die Flächen außerhalb des Windparks, die vom Rotmilan überflogen werden, in aller Regel nicht in Betracht kommen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.01.2012 – 2 L 124/09 –, Rn. 102).

103

Soweit es die Hilfsanträge betrifft, einzelne Windenergieanlagen komplett oder tages- und jahreszeitlich begrenzt zuzulassen (3., 6. und 8. Hilfsantrag), ist – im Hinblick auf die Feststellungen der Gutachter zu dem Flugverhalten des Rotmilans im betreffenden Gebiet – nicht ersichtlich, dass nur einzelne Windenergieanlagen, die ggf. tages- oder jahreszeitlich begrenzt betrieben werden, genehmigungsfähig sind, weil sich das Kollisionsrisiko durch bestimmte Maßnahmen vermeiden oder spürbar verringern ließe.

104

Auch eine jahreszeitliche Betriebszeitenbeschränkung hätte nicht zur Folge, dass das signifikant erhöhte Tötungsrisiko für die Rotmilane entfiele und damit die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sichergestellt wäre. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der – im Rahmen seiner naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gemachten – Ausführungen des Beklagten fest. Er hat in Reaktion auf diese Hilfsanträge der Klägerin ausgeführt, eine Abschaltung der Anlagen ab März bis September sei nicht ausreichend, weil sich Rotmilane bereits ab Mitte Februar und bis Oktober oder November bzw. sogar auch während des Winters in Deutschland aufhielten. Auch eine Abschaltung ab eine Stunde nach Sonnenaufgang bis eine Stunde vor Sonnenuntergang trage der Aktivität des Rotmilans nicht ausreichend Rechnung. Eine Abschaltung, die bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang ende, decke die zweite Hauptaktivitätsphase des Rotmilans nicht vollständig ab.

105

Da hier der Schutz des Rotmilans betroffen ist, sind Auflagen zum Schutz von Fledermausarten (4., 5. und 6. Hilfsantrag) nicht geeignet, das signifikant erhöhte Tötungsrisiko auszuschließen.

106

Ob dem Vorhaben auch artenschutzrechtliche Belange des Baumfalken-, Fledermaus- oder Feldhamsterschutzes entgegenstehen oder ob die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, kann deshalb offen bleiben.

107

Zweifelhaft ist, ob in Bezug auf die Arten Baumfalke und Feldhamster sowie von Fledermausarten das Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos hinreichend geklärt ist (vgl. dazu auch Bay. VGH, Urt. v. 27.05.2016, a.a.O.).

108

Dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dürfte außerdem entgegenstehen, dass der Beklagte die Erforderlichkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zunächst zu Unrecht abgelehnt hat und eine Umweltverträglichkeitsprüfung bisher nicht durchgeführt wurde (vgl. dazu: Urteil der Kammer vom 26.08.2014 - 2 A 48/14 HAL -). Dies bedarf indes keiner Vertiefung.

109

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entspricht es nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Antrag gestellt und sich nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

110

B E S C H L U S S

111

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.725.000,00 € festgesetzt.

112

G r ü n d e :

113

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (10 % der Herstellungskosten in Höhe von 47.250.000,00 €).


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 282/00
Verkündet am:
12. Juli 2001
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Eine Gemeinde ist nicht berechtigt, die Entscheidung über eine Bauvoranfrage
über die angemessene Bearbeitungszeit hinauszuzögern
, wenn das Bauvorhaben nach der noch gültigen Rechtslage
planungsrechtlich zulässig ist, aber ein - noch nicht verkündeter -
Beschluß über die Aufstellung eines Bebauungsplans mit anders
gearteten Zielen vorliegt.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - III ZR 282/00 - OLG Celle
LG Stade
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 31. Oktober 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger beabsichtigte, auf einem nicht beplanten Gelände im Gebiet der beklagten Stadt etwa 40 Parkplätze anzulegen. Für dieses Vorhaben beantragte er bei der Beklagten am 24. Oktober 1996 einen Bauvorbescheid; im Dezember 1996 erwarb er das Grundstück.
Auf die Bauvoranfrage hin beschloß der Rat der Beklagten am 3. Dezember 1996 die Aufstellung eines Bebauungsplanes, dessen Zielen das Bau-
vorhaben des Klägers entgegenstand. Der Aufstellungsbeschluß wurde am 14. Februar 1997 bekanntgemacht. Am 12. März 1997 setzte die Beklagte gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Entscheidung über die Bauvoranfrage des Klägers bis zum 30. September 1997, später verlängert bis zum 28. Februar 1998, aus. Am 13. Dezember 1997 beschloß der Rat der Beklagten eine Veränderungssperre.
Der Kläger macht geltend, die Bediensteten der Beklagten hätten den am 24. Oktober 1996 beantragten Bauvorbescheid spätestens nach drei Monaten , also bis Mitte Januar 1997, erlassen müssen. Planungsrechtliche Hindernisse hätten bis zu diesem Zeitpunkt dem Bauvorhaben nicht entgegengestanden. Statt dessen hätten die Bediensteten der Beklagten pflichtwidrig die Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses abgewartet, um auf dieser neuen planungsrechtlichen Grundlage den Zurückstellungsbescheid zu erlassen.
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Schadensersatz in Höhe von 27.500 DM nebst Zinsen in Anspruch und begehrt die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm auch den weiteren Schaden zu ersetzen, der durch die nicht rechtzeitige positive Entscheidung über die Bauvoranfrage entstanden sei. Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Feststellung getroffen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung im wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nicht zu. Es sei nicht als amtspflichtwidrig anzusehen, daß über seine Bauvoranfrage erst durch den Zurückstellungsbescheid vom 12. März 1997 entschieden worden sei. Der Beklagten sei zur Prüfung des Antrages eine Bearbeitungszeit von wenigstens sieben Wochen, d.h. bis Mitte Dezember 1996, zuzubilligen gewesen. Sie habe das Gesuch des Klägers zulässigerweise zum Anlaß genommen , für das betreffende Gebiet - noch innerhalb der Prüfungsfrist - die Aufstellung eines Bebauungsplanes zu beschließen. Da die Planungsinteressen der Beklagten nach dem Sinn der §§ 14, 15 BauGB Vorrang vor dem Interesse des Baubewerbers gehabt hätten, habe sie für die Bescheidung der Bauvoranfrage das Wirksamwerden des am 3. Dezember 1996 gefaßten Aufstellungsbeschlusses mit dessen Bekanntmachung am 14. Februar 1997 abwarten dürfen.

II.


Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Amtshaftung der Beklagten (Art. 34 GG, § 839 BGB) nicht verneint werden.
1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) in der Fassung vom 13. Juli 1995 (Nds. GVBl. S. 199) ist auf Antrag (Bauvoranfrage ) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Den Antrag hat die Bauaufsichtsbehörde - hier die Beklagte - rechtzeitig und ordnungsgemäß zu bescheiden. Aus dem Charakter des Vorbescheids als Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung ergibt sich, daß der Antragsteller einen Anspruch auf einen positiven Vorbescheid hat, wenn das Vorhaben in dem Umfang dem öffentlichen Baurecht entspricht, in dem es zur Prüfung gestellt worden ist (vgl. § 75 Abs. 1 NBauO [zur Baugenehmigung]; Schmaltz in: GrosseSuchsdorff /Schmaltz/Wiechert, NBauO 5. Aufl. 1992 § 74 Rn. 4). Es ist anerkannt - und wird auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen -, daß die Verzögerung der Entscheidung über ein Baugesuch - entsprechendes gilt für die Bauvoranfrage - den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung erfüllen kann (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Januar 1992 - III ZR 191/90 - NVwZ 1993, 299; Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1065, 1070).
2. Die Beklagte befand über die Bauvoranfrage des Klägers nicht mit der gebotenen Zügigkeit. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die für die Prüfung des Antrags zuzubilligende angemessene Bearbeitungszeit jedenfalls bis Mitte Dezember 1996 noch nicht abgelaufen; die Bauvoranfrage des Klägers hätte normalerweise bis Mitte Januar 1997 beschieden werden müssen. Tatsächlich wurde sie erst durch den Zurückstellungsbescheid der Beklagten vom 12. März 1997 befristet und vorübergehend erledigt (vgl. Lemmel in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch 2. Aufl. 1995 § 15 Rn. 10). Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Beklagte habe die Entscheidung bis zu diesem Tag hinausschieben dürfen, weil sie berechtigt gewesen sei, die - einen Monat zuvor (14. Februar 1997) erfolgte - Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses abzuwarten.

a) Allerdings ist es nicht grundsätzlich unzulässig, daß eine Gemeinde einen Bauantrag oder eine Bauvoranfrage, die nach der bestehenden Rechtslage positiv beschieden werden müßten, zum Anlaß nimmt, ändernde Planungsmaßnahmen einzuleiten und diese nach Maßgabe der §§ 14, 15 BauGB zu sichern. So ist es denkbar, daß die Gemeinde den Zeitraum, der für eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Bauvoranfrage ohnehin erforderlich ist, zugleich dazu nutzt, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Liegt dann in dem Zeitpunkt , zu dem die ordnungsgemäße und zügige Bearbeitung des Gesuchs abgeschlossen sein muß, der Aufstellungsbeschluß für eine geänderte Planung gemäß § 14 BauGB vor, ist die Gemeinde nicht gehindert, eine Zurückstellung des Vorhabens nach § 15 BauGB zu beantragen. Eine derartige Verfahrensweise müßte vom Antragsteller hingenommen werden (Senatsbeschluß vom 23. Januar 1992 aaO S. 300; BVerwG NVwZ 1989, 661, 662 und UPR 1999,
108; Berkemann in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch aaO § 18 Rn. 181).

b) Der Streitfall ist jedoch anders gelagert. Die Beklagte hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bauvoranfrage spätestens hätte beschieden sein müssen (Mitte Januar 1997), die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Zurückstellung des Gesuchs nach § 15 BauGB nicht geschaffen.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben auszusetzen, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen worden ist, obwohl die Voraussetzungen gegeben s ind, oder eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist, sofern zu befürchten ist, daß die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stand das Bauvorhaben des Klägers in Widerspruch zu den Zielen der im Aufstellungsbeschluß niedergelegten Planung der Beklagten. Der von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderte Antrag der Gemeinde war hier nicht vonnöten, da die Beklagte selbst Baugenehmigungsbehörde war (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 15 Rn. 36). Der Rat der Beklagten hatte eine Veränderungssperre aber noch nicht beschlossen; das geschah erst am 13. Dezember 1997. Es waren auch nicht die Voraussetzungen einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB gegeben. Denn mangels Bekanntmachung lag ein Beschluß über die Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht vor.
Ein Aufstellungsbeschluß liegt im Rechtssinne dann noch nicht vor, wenn er zwar gefaßt, aber entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB noch nicht ortsüblich bekannt gemacht wurde. Nur der ortsüblich bekannt gemachte Aufstellungsbeschluß ist im Rahmen der §§ 14, 15 BauGB beachtlich. Die Veröffentlichung ist Voraussetzung seiner Rechtswirksamkeit (vgl. BVerwGE 79, 200, 205; NVwZ 1989, 661, 662; BRS 54 Nr. 77; OVG Rheinland-Pfalz BRS 36 Nr. 108; Brügelmann/Grauvogel, BauGB § 14 Rn. 8; Lemmel aaO § 14 Rn. 5; Stock aaO § 14 Rn. 11; vgl. auch Senatsbeschluß vom 28. September 1995 - III ZR 202/94 - NVwZ-RR 1996, 65). Die Beklagte hat den am 3. Dezember 1996 gefaßten Aufstellungsbeschluß erst am 14. Februar 1997 veröffentlicht; zu der Zeit, als die Bauvoranfrage des Klägers (spätestens) hätte beschieden werden müssen (Mitte Januar 1997), existierte mithin noch kein Aufstellungsbeschluß, der Grundlage einer Zurückstellung hätte sein können.

c) Die bloße Absicht der Beklagten, für das betreffende Gebiet ein Bebauungsplanverfahren mit anders gearteten Zielen einzuleiten, berechtigte sie nicht, eine Entscheidung über die Bauvoranfrage für das Vorhaben des Klägers hinauszuzögern, wenn dieses nach der - noch - gültigen Rechtslage planungsrechtlich zulässig war. Der Anspruch auf einen positiven Bescheid durfte nicht dadurch vereitelt werden, daß die Entscheidung bis zum Wirksamwerden eines Aufstellungsbeschlusses hinausgeschoben wurde. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition des Grundeigentümers war so lange zu beachten, wie die Planung nicht aufgrund des gesetzlich vorgesehenen planerischen Instrumentariums gesichert werden kann. Die bewußte Nichtbearbeitung des entscheidungsreifen Baugesuchs zu dem Zweck, jenes planerische Instrumentarium überhaupt erst in Funktion zu setzen, war daher amtspflichtwidrig
(Senatsbeschluß vom 23. Januar 1992 aaO; Senatsurteil vom 23. September 1993 - III ZR 54/92 - NVwZ 1994, 405, 406, 407; vgl. auch BVerwG UPR 1999, 108).
3. Die Annahme eines ersatzfähigen Schadens scheitert nicht daran, daß sich die Beklagte auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. auf den Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, berufen könnte. Bei Amtshaftungsansprüchen hat der Bundesgerichtshof rechtmäßiges Alternativverhalten insbesondere berücksichtigt , wenn der Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen war und sie bei einem ordnungsgemäßen Verfahren zu der gleichen Entscheidung hätte kommen oder sofern sie selbst eine fehlende Rechtsgrundlage pflichtgemäß hätte schaffen müssen (Senatsurteil BGHZ 143, 362, 365 m.w.N.). Damit ist der Streitfall indessen nicht vergleichbar. Es war Sache der Beklagten, den Aufstellungsbeschluß zu fassen und so rechtzeitig zu verkünden, daß er bei der Entscheidung über die Bauvoranfage, die innerhalb angemessener Zeit zu ergehen hatte, berücksichtigt werden konnte. Der Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens kann nicht dazu führen, daß die nicht vorhandene Rechtsgrundlage für eine Zurückstellung der Bauvoranfage als gegeben anzusehen ist.

III.


Der Senat ist gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden.
1. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger zur Zeit der Entscheidungsreife (Mitte Januar 1997) nach § 34 BauGB oder nach § 35 BauGB einen positiven Bauvorbescheid beanspruchen konnte.
2. Das Berufungsgericht wird ferner Feststellungen zum Verschulden der Bediensteten der Beklagten (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu treffen haben. Ein solches läßt sich hier nicht bereits wegen der "Kollegialgerichtsrichtlinie" (vgl. Senatsurteile vom 23. September 1993 aaO S. 406 f und vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 - BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 34; Rinne /Schlick, NVwZ-Beilage II/2000 S. 25) verneinen. Allerdings hat das Berufungsgericht als Kollegialgericht ausgesprochen, daß die verzögerte Bearbeitung der Bauvoranfrage nicht amtspflichtwidrig gewesen sei. Dabei sind aber für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht geblieben. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Unbeachtlichkeit eines nicht verkündeten Planaufstellungsbeschlusses nicht berücksichtigt; es hat diese Rechtsprechung zwar angeführt, ist ihr aber, ohne sich damit auseinanderzusetzen, nicht gefolgt.
3. In Betracht zu ziehen ist zudem ein - verschuldensunabhängiger - Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, der neben den Amtshaftungsanspruch treten kann (Senatsurteile BGHZ 136, 182, 184 und v om 18. Juni 1998 - III ZR 100/97 - BGHR GG vor Art. 1/enteignungsgleicher Eingriff Bausperre 9).
Der Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff setzt voraus, daß rechtswidrig in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition
von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, die hoheitliche Maßnahme also unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt, und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird. Die rechtswidrige Ablehnung eines Bauvorbescheides ist als enteignungsgleicher Eingriff zu werten. Wird ein Vorbescheid, auf dessen Erteilung der Eigentümer Anspruch hat, rechtswidrig versagt, so wird dadurch in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit, die aus dem Grundeigentum abzuleiten ist, eingegriffen (Senatsurteile BGHZ 125, 258, 264 und vom 18. Juni 1998 aaO). Die verzögerte Bearbeitung einer nach geltendem Recht positiv zu bescheidenden, entscheidungsreifen Bauvoranfrage kann ebenso einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen wie die rechtswidrige förmliche Ablehnung eines Bauvorbescheids (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1992 - III ZR 210/90 - LM Nr. 42 zu § 839 BGB).
Im vorliegenden Fall kommt als Eingriffsobjekt das - vom Kläger im Dezember 1996 erworbene - Eigentum an dem Grundstück in Betracht. In dieses hätte die Beklagte dadurch, daß sie die Bescheidung der Bauvoranfrage über die angemessene Bearbeitungszeit hinauszögerte, eingegriffen, wenn der Kläger gemäß § 34 BauGB (oder § 35 BauGB) einen positiven Bauvorbescheid beanspruchen konnte.
Während der Amtshaftungsanspruch auf vollen Schadensersatz gerichtet ist, gewährt der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff lediglich eine "angemessene Entschädigung". Der Kläger kann also lediglich eine Entschädigung für den "Substanzverlust" verlangen, den er dadurch erlitten hat, daß er zeitweise in der baulichen Ausnutzung seines Grundstücks behindert worden
ist. Dabei ist regelmäßig auf eine Bodenrente abzustellen (Senatsurteile BGHZ 125, 258, 265 und vom 11. Juni 1992 aaO).
Wurm Schlick Kapsa Dörr Galke

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Gründe

1

Das Gericht entscheidet gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskos-tengesetz (GKG) durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, weil die angefochtene Entscheidung vom Einzelrichter im Sinne von § 6 Abs. 1 VwGO erlassen wurde.

2

Die zulässige Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.

3

Zwar ist entgegen der Ansicht des Beklagten mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass sich der Streitwert des sog. Erledigungsstreites - die Fortsetzung des Verfahrens bei einseitiger klägerischer Erledigungserklärung - regelmäßig nach dem Interesse des Klägers bemisst, nicht mit den Kosten des Verfahrens belastet zu werden. Deshalb ist der Streitwert auf den Betrag der Kosten festzusetzen, die bis zur Erledigungserklärung entstanden sind (vgl. BGHZ 106, 359 <366>; BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2006 - 7 B 18/06 -, juris, Rn. 16). Dies gilt allerdings - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - erst für die Zeit nach Eingang der Erledigungserklärung. Bis zu diesem Zeitpunkt - hier der 26. November 2015 - ist gemäß § 40 GKG der Wert anzusetzen, der dem Interesse des Klägers bei Klageerhebung entsprach (Hauptsachestreitwert), das heißt vorliegend die Höhe des in dem angegriffenen Bescheid festgesetzten Abwasserbeitrags (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die mit der einseitigen Erledigungserklärung verbundene Klageänderung ändert den Streitgegenstand nicht rückwirkend (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 1 O 513/02 -, NVwZ-RR 2003, S. 247 f.; HessVGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - 6 NG 1645/06 -, NVwZ-RR 2007, S. 428; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 161 Rn. 34a ; a. A. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 194; wohl auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17. Mai 2011 - 9 S 1167/11 -, NVwZ-RR 2011, S. 918 <918 f.>). Entsprechend Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57) war der Wert der Klagen im tenorierten Umfang zu addieren, da lediglich die Klägerinnen zu 2. und 3. eine Rechtsgemeinschaft bilden.

4

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

5

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 12. November 2013 wird hinsichtlich der Abweisung der Anfechtungsklage gegen die Befristung unter II. Ziffer 3. der luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis vom 13. September 2012 für wirkungslos erklärt und die Kostenentscheidung wie folgt neu gefasst:

Die Beteiligten tragen die Kosten erster Instanz je zur Hälfte.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sich die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage gegen die Befristung einer luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis nachträglich erledigt hat.

2

Der klagende Verein betreibt seit Jahren Modellflugsport auf drei Grundstücken in etwa 1,5 km Entfernung vom Verkehrslandeplatz M.-F.. Im Jahre 1985 wurde ihm erstmals eine – befristete – Aufstiegserlaubnis für Modellflugzeuge für einen Flugsektor in südöstlicher Richtung erteilt. Im September 2001 erhielt der Kläger erstmals eine unbefristete (widerrufliche) Aufstiegserlaubnis, und zwar wiederum für den südöstlich gelegenen Flugsektor. Ende 2011 wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger den Flugsektor bereits 1987 auch nach Westen verlegt hatte, was seinerzeit zwar von dem Kläger mitgeteilt, aber nicht zum Gegenstand eines Änderungsantrags gemacht worden war. Mit Schreiben vom Januar 2012 beantragte der Kläger nunmehr die Änderung der Aufstiegserlaubnis für Modellflugzeuge mit einem nach Westen weisenden Flugsektor (Halbkreis mit einem Radius von 300 m).

3

Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 13. September 2012 die beantragte Erlaubnis, und zwar unter anderem mit folgenden Nebenbestimmungen: Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs (II.1.), Auflagenvorbehalt zwecks Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (II.2.), Befristung bis zum 13. September 2014 (II.3.), Einsatz eines Flugleiters beim Flugbetrieb (IV.8.), Beschränkung auf maximal drei Flugmodelle gleichzeitig (IV.14.) sowie Beschränkung der Flughöhe auf maximal 100 m über Grund (IV.15.). Zur Begründung der Befristung wurde ausgeführt: Sie sei erforderlich, da es sich insbesondere durch die Drehung des Flugraumes um 180° um eine wesentliche Änderung der bisherigen Aufstiegserlaubnis handele und es wegen der Nähe zu den Platzrunden über dem Flugplatz M.-F. eventuell zu Konfliktsituationen mit der bemannten Luftfahrt kommen könne.

4

Mit der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat der Kläger zum einen eine Ausnahmeregelung für die Pflicht zur Bestellung eines Flugleiters begehrt (Ergänzung der Auflage IV.8.); darüber hinaus hat er die Befristung angefochten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2013 abgewiesen: Die Pflicht zum Einsatz eines Flugleiters beim Flugbetrieb sei erforderlich, um Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs und der öffentlichen Sicherheit zu vermeiden. Auch die Befristung sei fehlerfrei erfolgt. Sie sei in den Fällen zulässig, in denen die künftige Entwicklung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage noch nicht hinreichend überschaubar sei.

5

Den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Kläger auf das Anfechtungsbegehren gegen die Befristung beschränkt. Im Anschluss daran hat der Beklagte mitgeteilt, dass er den Kläger klaglos stelle: Die Befristung sei wegen der nicht vollständig absehbaren Sach- und Rechtslage erfolgt. Aufgrund der mittlerweile verstrichenen 17 Monate seit der Erteilung der Erlaubnis könne jedoch festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufstiegserlaubnis bereits jetzt sicher gegeben seien. Eine grundsätzliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Sicherheit des Luftverkehrs bestehe durch den geänderten Flugraum nicht. Bei Veränderungen in der Zukunft werde ein Widerruf der Erlaubnis geprüft.

6

Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte schloss sich dieser Erledigungserklärung indes nicht an.

II.

7

Das Begehren auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache ist begründet.

8

Durch die mit Schriftsatz des Beklagten vom 17. Februar 2014 verfügte Aufhebung der Befristung im Bescheid vom 13. September 2012 ist dem Klagebegehren des Klägers nachträglich die Grundlage entzogen worden, da mit Aufhebung der angegriffenen Regelung das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage entfallen ist.

9

1. Erklärt allein der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, dann ist das Verfahren als Streit über die Erledigung fortzusetzen.

10

Mit der einseitig bleibenden Erledigungserklärung nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und begehrt stattdessen die gerichtliche Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstandes tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Als Klageänderung eigener Art ist der Wechsel vom ursprünglichen Klageantrag zum Erledigungsfeststellungsantrag nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterworfen und bedarf auch nicht der Einwilligung des Beklagten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 40/9 -, NVwZ 1993, 979 und juris, Rn. 11; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25. Erg.-Lieferung 2013, § 161, Rn. 28 m.w.N.).

11

Tritt das erledigende Ereignis im Berufungszulassungsverfahren ein, ist der Erledigungsstreit nicht erst in einem nachfolgenden Rechtsmittelverfahren auszutragen; die Feststellung der Erledigung erfolgt vielmehr im Zulassungsantragsverfahren selbst (vgl. VGH BW, Beschluss vom 28. Juni 2007 - 13 S 779/07 -, NVwZ-RR 2007, 823 und juris, Rn. 2; Clausing a.a.O., Rn. 35; Neumann, in: Sodan-Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 161, Rn. 124).

12

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass es für die allein noch zu prüfende Frage, ob eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist oder nicht, nicht darauf ankommt, ob die Klage ursprünglich begründet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7.88 -, DVBl. 1991, 214 mit Nachweisen zu den „insoweit übereinstimmenden Auffassungen der Senate des BVerwG“; Clausing, .a.a.O., Rn. 28; OVG RP, Beschluss vom 12. Februar 1996 - 7 B 13199/95 -, S. 2 d.U.). Ob darüber hinaus die Erledigungsfeststellung voraussetzt, dass die ursprüngliche Klage zumindest zulässig war, kann hier dahingestellt bleiben, weil Zweifel an der Zulässigkeit des ursprünglichen Anfechtungsbegehrens des Klägers gegen die Befristung nicht bestehen.

13

In Abweichung von diesen Grundsätzen soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Erledigungsfeststellungsstreit die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage allerdings doch geprüft werden, wenn der Beklagte ein schutzwürdiges - entsprechend dem berechtigten Interesse des Klägers für eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) zu beurteilendes - Interesse an der rechtlichen Klärung geltend machen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990, a.a.O., S. 215). Eine Auseinandersetzung mit der hieran im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Clausing, a.a.O., Rn. 31ff.; Neumann, a.a.O., Rn. 172ff.) erübrigt sich, weil im vorliegenden Fall ein solches Sachentscheidungsinteresse des Beklagten nicht gegeben ist. Abgesehen davon, dass der Beklagte bei der Verweigerung seiner Zustimmung zur Erledigungserklärung des Klägers ein dahingehendes Feststellungsinteresse schon nicht geltend gemacht hat, ist es auch im Übrigen nicht ersichtlich. Denn ein bloß allgemeines Interesse an der Klärung offener Rechtsfragen reicht insofern nicht aus. Vielmehr muss die vom Beklagten begehrte Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage geeignet sein, die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits für die Zukunft zu klären, um so zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen ihnen beizutragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990, a.a.O., S. 215; Clausing, a.a.O., Rn. 29). Hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zum Kläger ist jedoch von dem Beklagten weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Frage, ob die Aufstiegserlaubnis vom 13. September 2012 befristet erteilt werden durfte, für die zukünftigen Rechtsbeziehungen der Beteiligten noch von Interesse sein wird.

14

2. Darüber hinaus merkt der Senat ergänzend an, dass die Befristung im Bescheid vom 13. September 2012 rechtswidrig gewesen sein dürfte.

15

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle um eine gebundene Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1985 - 4 C 69/82 -, NVwZ 1996, 469 und juris, Rn. 12). Sie ist nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) zu erteilen, wenn die beabsichtigten Nutzungen nicht zu einer Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können. Demzufolge darf sie nach § 36 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Soweit § 16 Abs. 4 Satz 2 LuftVO erlaubt, dass die Aufstiegserlaubnis mit Nebenbestimmungen versehen werden „kann“, braucht der Umfang dieser Ermächtigung hier nicht eingehend geklärt zu werden. Denn die Beifügung einer Nebenbestimmung darf in jedem Fall nur nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 8 ZB 11.1504 -, ZLW 2013, 143 und juris, Rn. 16).

16

Im vorliegenden Fall erweist sich die Befristung indes als unverhältnismäßig. Sie ist mit der Begründung angeordnet worden, dass zum Zeitpunkt der Erlaubniserteilung die zur Ablehnung der beantragten Erlaubnis erforderliche Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung zwar nicht festgestellt werden, für die Zukunft aber auch nicht ausgeschlossen werden konnte. Für die bloße Möglichkeit, dass sich in Zukunft eine Gefahrenlage als hinreichend wahrscheinlich erweisen sollte, stellt jedoch der – im Bescheid vom 13. September 2012 ebenfalls enthaltene - Widerrufsvorbehalt das geeignete und ausreichende Mittel dar, um auf diese neue Tatsachenlage effektiv reagieren zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 1980 - 3 C 136/79 -, BVerwGE 60, 269 und juris, Rn. 56 - keine Vorwegnahme der zukünftigen Entscheidung durch Befristung - ; VGH BW, Beschluss vom 12. Februar 2009 - 8 S 1453/08 -, S. 2 d.U. – Widerrufsvorbehalt bei Aufstiegserlaubnis ausreichend - ; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 36 Rn. 45). Abgesehen davon, dass hier eine Ungewissheit hinsichtlich des neu zugelassenen Flugsektors deshalb nicht bestanden haben dürfte, weil dieser Sektor von dem Kläger - wenn auch ohne Genehmigung - seit über 20 Jahren ersichtlich ohne Beanstandungen beflogen wurde, vermag auch die im Widerspruchsbescheid enthaltene ergänzende Begründung für die Befristung nicht zu überzeugen. Danach soll die Befristung deshalb der effektiven Gefahrenabwehr dienen, weil sie es der Behörde beim Auftreten von Gefahren während des Befristungszeitraums ermögliche, nach Ablauf der Befristung durch Verweigerung einer erneuten Aufstiegserlaubnis angemessen zu reagieren. Diese Überlegung rechtfertigt nicht die Befristung der Erlaubnis. Denn eine wirksame Gefahrenabwehr erfordert ein sofortiges Einschreiten, was effektiv durch den Widerruf der Erlaubnis ermöglicht wird. Eventuellen Hindernissen im Vollzug der Widerrufsverfügung kann durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung Rechnung getragen werden.

17

Der Ausspruch über die teilweise Wirkungslosigkeit des erstinstanzlichen Urteils folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO (vgl. Neumann, a.a.O., Rn. 189).

18

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

19

Die Festsetzung des Streitwertes für den - lediglich auf das Kosteninteresse abzielenden - Erledigungsfeststellungsstreit im Berufungszulassungsverfahren ergibt sich aus § 52 Abs.1 GKG.

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

(1) In folgenden Verfahren wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig:

1.
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
2.
in Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz,
3.
in Insolvenzverfahren und in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
3a.
in Verfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz,
4.
in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und
5.
in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.
Im Verfahren über ein Rechtsmittel, das vom Rechtsmittelgericht zugelassen worden ist, wird die Verfahrensgebühr mit der Zulassung fällig.

(2) Soweit die Gebühr eine Entscheidung oder sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser fällig.

(3) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen bestimmt sich die Fälligkeit der Kosten nach § 9.

Tenor

Unter Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 25.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

[1 ] In Nr. III seines Beschlusses vom 28. Oktober 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof unter Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. März 2015 den Streitwert für das Verfahren über den Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, die angekündigte Erteilung von 20 Sportwettkonzessionen zu unterlassen, solange nicht über ihren eigenen Antrag auf Erteilung einer Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten bestandskräftig entschieden wurde, in beiden Rechtszügen auf jeweils 2.500,- Euro festgesetzt. Der Senat ging dabei davon aus, dass im Hinblick auf die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin der Streitwert nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG in Höhe des im Eilverfahren zu halbierenden (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013) Auffangwertes festzusetzen sei.

Die dagegen gerichtete Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, die der Verwaltungsgerichtshof als Anregung versteht, die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG von Amts wegen zu ändern (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 29. Oktober 2015, Vorbem. zu § 124 Rn. 12), und zu der die übrigen Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zu äußern, hat Erfolg. Der Senat hält an der der Streitwertfestsetzung zugrundeliegenden Rechtsauffassung, maßgeblich sei der halbe Auffangwert, nicht mehr fest, sondern setzt den Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen unter Abänderung der Nr. III seines Beschlusses vom 28. Oktober 2015 nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG auf jeweils 25.000,- Euro fest.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG kann die Festsetzung des Streitwerts von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, von Amts wegen geändert werden. Die Änderung ist dabei nach § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Dabei ist eine Änderung dann nicht nur möglich, sondern auch notwendig, wenn die Rechtslage es erfordert, also insbesondere, wenn der Streitwert unrichtig festgesetzt ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 63 GKG Rn. 38 f.). Danach ist Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs aber dahingehend abzuändern, dass der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 25.000,- Euro festgesetzt wird.

1. Als Gericht, das den Streitwert in Nr. III des Beschlusses vom 28. Oktober 2015 festgesetzt hat, ist der Verwaltungsgerichtshof für eine Änderung der Streitwertfestsetzung von Amts wegen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG zuständig.

2. Die Änderung erfolgt auch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat. Denn die Entscheidung in der Hauptsache ist mit dem gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 rechtskräftig geworden. Seitdem sind aber noch keine sechs Monate vergangen.

3. Die Streitwertfestsetzung in Nr. III dieses Beschlusses ist unrichtig, weil statt nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwerts von 2.500,- Euro auf der Grundlage von § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG ein Streitwert von 25.000,- Euro festzusetzen gewesen wäre.

a) In der Rechtsprechung werden im Wesentlichen zwei unterschiedliche Ansichten zum Streitwert von Verfahren vertreten, die wie hier in der Hauptsache durch den Antragsteller oder Kläger einseitig für erledigt erklärt worden sind.

Zum einen wird davon ausgegangen, dass der Antragsteller oder Kläger, der den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, mit seinem darin liegenden Erledigungsfeststellungsantrag nicht mehr das hinter seinem ursprünglichen Antrag stehende Interesse verfolgt, sondern nur noch das Interesse, aus dem Prozess ohne einseitige und zwingende Kostenlast aussteigen zu können, und dass deshalb der Streitwert auf den Betrag der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten festzusetzen ist (vgl. BGH, U.v. 8.2.1989 - IVa ZR 98/87 - juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 3.7.2006 - 7 B 18.06 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 28.4.2011 - 6 ZB 11.328 - juris Rn. 4; OVG RhPf, B.v. 2.4.2014 - 8 A 10021/14 - juris Rn. 19). Zum anderen wird die Auffassung vertreten, anzusetzen sei auch nach einer einseitigen Erledigungserklärung der Wert der für erledigt erklärten Hauptsache (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 17.11.1992 - 10 W 61/92 - NJW-RR 1993, 510/511; OLG Köln, B.v. 14,7,1993 - 17 W 145/93 - juris Rn. 4 f.; OLG SH, B.v. 2.2.2004 - 4 U 47/03 - juris Rn. 3 ff.; HessVGH, B.v. 20.12.2006 - 6 NG 1645/06 - juris Rn. 5 f.; LSG BW, U.v. 20.10.2010 - L 5 KA 352/09 - juris Rn. 37; SächsOVG, B.v. 27.1.2012 - 5 A 157/10 - juris Rn. 10; der Sache nach auch BayVGH, B.v. 19.1.2015 - 10 CE 13.761 - juris Rn. 11).

Auch der Senat ist nunmehr der Auffassung, dass für den Streitwert auch nach einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers der Wert der für erledigt erklärten Hauptsache maßgeblich ist.

Zwar trifft es zu, dass in solchen Fällen nach der Erledigungserklärung keine Entscheidung über den ursprünglich geltend gemachten Anspruch mehr begehrt wird, sondern mit dem in der Erledigungserklärung liegenden Antrag auf Feststellung der Erledigung nur noch das Interesse verfolgt wird, aus dem Prozess ohne einseitige und zwingende Kostenlast aussteigen zu können. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich der Streitwert auf das Kosteninteresse reduziert. Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung vielmehr der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung entscheidend, die den Rechtszug einleitet. Eine durch eine Klage- oder Antragsänderung bedingte Verringerung des Wertes, wie sie in der Regel einträte, wenn man statt des Wertes der Hauptsache den Wert des Kosteninteresses zugrunde legen würde, kann aufgrund dieser Regelung aber bei der Bemessung des Streitwertes keine Berücksichtigung finden (vgl. HessVGH, B.v. 20.12.2006 - 6 NG 1645/06 - juris Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 40 GKG, Rn. 3). Dass danach der Streitwertfestsetzung für einseitig für erledigt erklärte Verfahren der Wert der Hauptsache und nicht der Wert der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten zugrunde zu legen ist, findet eine Stütze darüber hinaus in der Gesetzessystematik. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird die Verfahrensgebühr in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Einreichung der Klageschrift fällig. Dem entspricht es aber, dass dieser Zeitpunkt auch für die Streitwertfestsetzung maßgeblich ist. Außerdem kommt es wie im vorliegenden Fall, in dem die Erledigungserklärung erst in der zweiten Instanz abgegeben worden ist, erst zu einem Zeitpunkt zu einer Erledigungserklärung, zu dem das Verfahren bereits weit vorangeschritten ist, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint, den Streitwert trotz weitgehender Förderung des Verfahrens durch das Gericht und die Beteiligten zu reduzieren (vgl. HessVGH, B.v. 20.12.2006 - 6 NG 1645/06 - juris Rn. 6).

Schließlich wird auch in den Fällen, in denen die Gegenseite der Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers zustimmt und es deshalb zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen kommt, der Streitwert nach dem Wert der Hauptsache bemessen. Da in solchen Fällen ebenso wie in den Fällen der einseitigen Erledigungserklärung der Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers das Interesse zugrunde liegt, die Kostenlast zu vermeiden, erscheint es aber im Hinblick auf § 52 Abs. 1 GKG, nach dem für die Bemessung des Streitwerts die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für den Kläger oder Antragsteller maßgeblich ist, nicht gerechtfertigt, die Höhe des Streitwerts davon abhängig zu machen, ob der Beklagte oder Antragsgegner der Erledigungserklärung zustimmt oder widerspricht. Ebenso wenig kann dabei nach § 52 Abs. 1 GKG im Übrigen entscheidend sein, ob nach der Erledigungserklärung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Hauptsache zu entscheiden ist.

b) Ist danach der Streitwert nicht nach den bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten, sondern nach dem Wert der Hauptsache zu bestimmen, so setzt der Senat den Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen in Anlehnung an die Streitwerte, die er bisher bei Streitigkeiten in Bezug auf Sportwetten im Internet der Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt hat, auf jeweils 25.000,- Euro fest (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 - 10 CE 13.1371 - juris Rn. 45 und Tenor). Er geht dabei von einem Streitwert von 50.000,- Euro aus, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

Einer Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.