Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 02. Juli 2015 - 1 O 106/15
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 13. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
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1 . Da es sich bei der Aussetzung des Verfahrens gemäß oder analog § 94 VwGO nicht lediglich um eine prozessleitende Verfügung handelt, ist die Beschwerdemöglichkeit gemäß § 146 Abs. 1 VwGO eröffnet (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 12. Dezember 2008 -1 O 253/08 - und Beschluss vom 10. Juli 2007 - 1 O 46/07 -, jeweils juris [m. w. N.]). Die hiernach statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg.
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a) Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreites ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist. Ob bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ausgesetzt wird, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Überprüfung durch das Beschwerdegericht beschränkt sich insoweit darauf, ob das Gericht die Grenzen des Ermessens eingehalten und von seinem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl.: OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]).
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Indes findet § 94 VwGO vorliegend - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - keine unmittelbare Anwendung, da diese Norm ein (vorgreifliches) Rechtsverhältnis voraussetzt. Die Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm ist jedoch nach allgemeiner Auffassung kein Rechtsverhältnis im Sinne von § 94 VwGO (vgl. etwa: BVerwG, Beschluss vom 30. November 1995 - 4 B 248.95 -, Buchholz 310 § 138 Ziffer 6 VwGO Nr. 30; Beschluss vom 6. Dezember 1999 - 3 B 55.99 -, Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 13 [jeweils m. w. N.]; OVG LSA, a. a. O.).
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b) Allerdings vermag die Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde oder einer Richtervorlage beim Bundesverfassungsgericht oder eine Vorlage bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Aussetzung eines (Parallel-)Verfahrens analog § 94 VwGO zu rechtfertigen (vgl. schon: BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 1993 - 11 B 81.92 -, Buchholz 310, § 94 VwGO Nr. 7; Beschluss vom 10. November 2000 - 3 C 3.00 -, BVerwGE 112, 166; Beschluss vom 4. Mai 2005 - 4 C 6.04 -, BVerwGE 123, 322; Beschluss vom 15. März 2007 - 6 C 20.06 -, juris; zuletzt: Beschluss vom Beschluss vom 7. Januar 2015 - 4 C 13.14 - und Beschluss vom 26. Februar 2015 - 2 C 3.14 -, jeweils juris [m. w. N.]; zudem: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Mai 1998 - 14 S 812/98 -, juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. September 2001 - 2 O 89/01 -, juris). Die dem zugrunde liegenden Erwägungen beruhen vor allem darauf, dass die erneute Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes oder des EuGH diese Gerichte zusätzlich belasten würde, ohne dass davon irgendein zusätzlicher Erkenntniswert zu erwarten wäre. Ferner bestände die Gefahr, dass sich durch ein weiteres Vorlageverfahren die Beantwortung der entscheidungserheblichen verfassungs- oder gemeinschaftsrechtlichen Fragen hinauszögern könnte. Diese Erwägungen treffen weitgehend auch auf vergleichbare landesverfassungsgerichtliche Streitigkeiten oder auf Normenkontrollverfahren im Sinne von § 47 VwGO zu.
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Um eine solche Fallgestaltung geht es im vorliegenden Fall. Denn nach den insoweit nicht - weiter - angegriffenen Beschlussgründen des Verwaltungsgerichtes ist bei dem Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 2 BvR 413/15 eine Verfassungsbeschwerde anhängig und noch unbeschieden, die u. a. die Verfassungskonformität des rückwirkend in Kraft getretenen Sächsischen Dienstneuordnungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 (GVBl. Sachsen 2013, 979) zum Gegenstand hat und damit auch hier nach den insofern nicht angegriffenen Beschlussgründen streitmaßgebliche Bedeutung besitzt. Dies unterscheidet die vorliegende Fallgestaltung von derjenigen, die der von der Beschwerde in Bezug genommenen Senatsentscheidung vom 12. Dezember 2008 in dem Verfahren1 O 253/08 zugrunde gelegen hat. In dem dortigen Verfahren war eine Verfassungsrechtsfrage streitgegenständlich, die lediglich in einem fachgerichtlichen Parallelverfahren, nämlich bei dem Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesen ist.
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Auch die analoge Anwendung von Vorschriften über die Aussetzung des Verfahrens wie § 94 VwGO steht im Ermessen des Gerichtes (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2015, a. a. O. [m. w. N.]). Dass das Verwaltungsgericht die Grenzen seines Ermessens vorliegend überschritten hätte, zeigt die Beschwerde im Übrigen nicht weiter auf und ist auch für den Senat nicht ersichtlich.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Festsetzung eines Streitwertes bedarf es wegen der nach der Ziffer 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG bestimmten Festgebühr nicht.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
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von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.