Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2005 ergangene
Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 135/05.A
– wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien
Antragsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
Dem Antrag des im Jahre 2004 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Klägers, der chinesischer Staatsangehöriger ist, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 16.6.2005, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 bis Abs. 7 AufenthaltsG abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.
Das Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrages, das den gerichtlichen Prüfungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, rechtfertigt nicht die erstrebte Berufungszulassung wegen des geltend gemachten qualifizierten Verfahrensverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).
Insoweit bemängelt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht seinen in der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2005 gestellten Beweisantrag
„Der Kläger hat mit C.T. und seinem Sohn an der Schlägerei vom 21.05.2004 teilgenommen und wurde danach von der Polizei gesucht. Herr C. und Sohn wurden verhaftet und zwischenzeitlich verurteilt.
Dies kann durch den Vater C. A., Stuttgart bestätigt werden, der aufgrund seiner Kontakte mit seiner Mutter und Verwandten des Herrn C. über diese Vorgänge informiert worden ist. Insofern beantrage ich, den Vater des Klägers als Zeugen zu vernehmen.“
als verspätet nach § 87 b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen. Die erstinstanzliche Begründung hierfür erscheine unzutreffend, weil keine ausreichende Abwägung zwischen der Verzögerung des Verfahrens und der Bedeutung des Asylgrundrechts im Hinblick auf den Kläger erfolgt sei. Bei einer Verfahrensdauer von – nur – ca. 6 Monaten hätte eine positive Entscheidung über eine Vernehmung des in Stuttgart wohnhaften Vaters des Klägers nur eine kurze Verzögerung bewirkt. Auch seien nicht alle übrigen Voraussetzungen des § 87 b Abs. 2 und 3 VwGO gegeben. Dem Gericht sei am 14.6.2006 telefonisch von der Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt worden, dass der Vater des Klägers, der als Zeuge in der Sitzung präsent sein sollte, aus beruflichen Gründen dies nicht bewerkstelligen könne. Er habe erst kürzlich eine Arbeit angetreten und könne ohne ein offizielles Schreiben oder eine informelle Mitteilung seitens des Gerichts ohne Risiko des Arbeitsplatzverlustes nicht seiner Arbeit fernbleiben. Das Gericht habe eine „Art Vorladungsschreiben“ abgelehnt und sich dahingehend geäußert, dass ein neuer Termin bestimmt werden würde, falls der Vater als Zeuge benötigt würde. Der ablehnenden Begründung lasse sich aber nicht entnehmen, ob es auf die Zeugenaussage ankomme.
Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsrüge im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG hinreichend dargelegt
siehe in diesem Zusammenhang auch Kopp, VwGO, 14. Auflage § 87 b Rdnr. 14, wonach eine nach Meinung der Partei zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Beweismittels nur mit dem Zulassungsantrag nach § 124 a VwGO bzw. § 78 AsylVfG angegriffen werden kann,
sie erweist sich jedoch nicht als begründet.
Der durch Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das angerufene Gericht dazu, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen sowie Anträge beziehungsweise Beweisanregungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
Die Prozessbeteiligten sind insbesondere befugt, Anträge zu stellen. Erhebliche Beweisanträge müssen vom Gericht berücksichtigt werden, über in der mündlichen Verhandlung gestellte Anträge ist ausdrücklich durch Beschluss zu befinden. Die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist jedoch den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt daher keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unberücksichtigt lässt. Der Gesetzgeber kann das rechtliche Gehör auch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung durch Präklusionsvorschriften begrenzen. Allerdings müssen solche Vorschriften wegen der einschneidenden Folgen, die sie für die säumige Prozesspartei nach sich ziehen, strengen Ausnahmecharakter haben. Dieser ist jedenfalls dann gewahrt, wenn die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich in den ihr wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat
hierzu etwa Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 1985 – 1 BvR 876/84 -, BVerfGE 69, 145, 148 f.; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 7.10.2005 – 2 UZ 1598/04.A -, zitiert nach Juris.
Diesen Anforderungen genügen die Vorschriften des 87 b VwGO, auf die die Zurückweisung des Beweisantrags ausweislich der in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen Begründung des Verwaltungsgerichts gestützt ist. Liegen indes die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 87 b VwGO nicht vor, greift auch die Präklusionswirkung nicht. Wenn unter diesen Umständen ein Gericht das Vorbringen einer Partei gleichwohl nicht zulässt oder einen erheblichen Beweisantrag zurückweist, obwohl die Voraussetzungen der Präklusionsvorschrift nicht gegeben sind, wird das rechtliche Gehör in einer vom Gesetz nicht mehr gedeckten Weise eingeschränkt und liegt damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor
hierzu etwa Beschluss des Hess. VGH vom 28. August 1997 – 12 UZ 1381/96.A – zitiert nach Juris; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, § 87 b Rdnr. 16.
Gerichtlich voll nachprüfbar sind allerdings nur die Fragen, ob der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung nicht hinreichend gemäß Abs. 3 Nr. 3 belehrt und ob die Verspätung nach Abs. 3 Nr. 2 nicht genügend entschuldigt ist. Die Frage, ob die Zulassung des Vorbringens beziehungsweise die positive Entscheidung über das beantragte Beweismittel die Erledigung des Rechtsstreits im Sinne von Nr. 1 verzögert hätte, unterliegt angesichts des weit gefassten Wortlauts des § 87 b Abs. 3 Nr. 1 VwGO („nach der freien Auffassung des Gerichts“) der Beurteilung des Rechtsmittelgerichts nur daraufhin, ob diese Auffassung des Gerichts im Zeitpunkt der Zurückweisung als verspätet vertretbar und nicht durch sachfremde Erwägungen bestimmt war; erforderlich ist mithin – lediglich – eine plausible Prognose
hierzu Kopp, a.a.O., Rdnrn. 11, 14; siehe auch zur vergleichbaren Problematik hinsichtlich außerhalb von Präklusionsvorschriften abgelehnter Beweisanträge die Entscheidungen des OVG Lüneburg vom 3.5.2005 – 7 LA 300/04 -, zitiert nach Juris sowie des OVG des Saarlandes vom 29.11.2005 – 2 Q 41/04 – und vom 29.6.2006 – 3 Q 3/06 -, wonach eine Gehörsrüge nur dann Erfolg haben kann, wenn die Ablehnung des Antrags im Prozessrecht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr eine Stütze im Prozessrecht findet sich das Gericht mit dem Vorbringen eines Beteiligten in völlig unzulänglicher Form auseinandergesetzt hat und die Ablehnung des Beweisersuchens daher erkennbar willkürlich erscheint.
Hier ist in der Ladung vom 17.3.2005 zur mündlichen Verhandlung vom 16.6.2005, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 24.3.2003, eine hinlängliche Fristsetzung (bis zum 1.6.2005) der Aufforderung und ordnungsgemäße Belehrung über die Folgen verspäteten Vortrages nach § 87 b Abs. 1 VwGO erfolgt. Von einer hinreichenden Entschuldigung im Sinne des § 87 b Abs. 3 Nr. 2 VwGO kann aufgrund der konkreten Fallumstände hingegen nicht ausgegangen werden. Für die Frage, ob die Verspätung des Vorbringens „genügend entschuldigt“ ist, können die für Wiedereinsetzungsgründe gemäß § 60 Abs. 1 VwGO entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen werden; insbesondere treffen auch für die Einhaltung von Präklusionsfristen nach § 87 b VwGO den Rechtsanwalt die selben strengen Anforderungen wie für Rechtsmittelfristen
hierzu BVerwG, Beschluss vom 6.4.2000 – 9 B 50/00 -, NVwZ 2000, 1042 ff.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 31.5.2005 „in Ergänzung der Klagebegründung und zur Vorbereitung des Termins“ die Nachreichung von Erklärungen des (in Deutschland lebenden) Bruders und der Großmutter des Klägers angekündigt sowie die Vorlage eines Urteils des Amtsgerichts W. vom 14.4.2000 sowie einer Entlassungsmitteilung vom 16.3.2003 „behauptet“, diese Urkunden jedoch erst mit am 3.6.2005 eingereichten Schreiben tatsächlich vorgelegt. Von einer in Betracht kommenden Beweisaufnahme beziehungsweise Zeugenbenennung des Vaters ist – immerhin knapp etwas über 2 Wochen vor Sitzungstermin und am letzten Tag der Frist – nicht die Rede. Wenn die Prozessbevollmächtigte dann erst am 14.6.2005, mithin 2 Tage vor dem Sitzungstermin telefonisch mitteilt, der als im Termin als präsent vorgesehene Zeuge, zu dessen Erscheinen sie laut ihrem dem Zulassungsantrag beigefügten Schreiben vom 13.7.2005 dem Kläger (zunächst) mehrfach vergeblich geraten habe, da dieser auf dem erst kürzlich erfolgten Arbeitsantritt des Vaters hingewiesen habe, ist dies nicht als genügende Entschuldigung zu bewerten. So ist insbesondere nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb dieses Hindernis erst nach der fast neunwöchigen Fristsetzung bis zum 1.6.2005 entstanden sein soll oder aus welchen sonstigen Gründen eine frühere Benennung nicht hatte erfolgen können. Die angekündigten Erklärungen des Bruders und der Großmutter wurden im Übrigen gleichfalls nicht nachgereicht und es ist auch nicht nachvollziehbar, warum nicht zumindestens eine (evtl. eidesstattliche) schriftliche Erklärung des Vaters zur Terminsvorbereitung hätte früher eingereicht werden können.
Was die erstinstanzlich angenommene Verzögerung des Rechtsstreits angeht, gilt der absolute Verzögerungsbegriff. Es kommt – abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen - darauf an, ob (nach plausibler Einschätzung) bei Zulassung des Vorbringens beziehungsweise des Beweismittels der Rechtsstreit länger dauern würde als im Falle seiner Zurückweisung
hierzu Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, a.a.O., Rdnr. 12; OVG des Saarlandes Beschluss vom 29.11.2005 – 2 Q 41/04 -.
Dass das hier der Fall gewesen wäre, weil der benannte Zeuge – worauf das Verwaltungsgericht auch in seinem Ablehnungsbeschluss hinweist – nicht im Termin präsent war und mithin erst ein erneuter Termin unter Zeugenladung hätte anberaumt werden müssen, unterliegt keinen Zweifeln.
Anhaltspunkte, dass die Zurückweisung des Beweisantrages nach Vorliegen der tatbestandlichen Zurückweisungsvoraussetzungen unter Überschreitung des dem Gericht insoweit durch § 87 b Abs. 3 VwGO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens erfolgt wäre, sind nicht ersichtlich. Die Ausübung des Ermessens muss ohne weiteres erkennbar oder nachvollziehbar dargelegt sein. Entsprechend dem auf Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung gerichteten Zweck des § 87 b VwGO kann sich die Begründung für die Zurückweisung unentschuldigt verspäteten, zu einer Verfahrensverzögerung führenden neuen Vorbringens gegebenenfalls schon aus der Darlegung ergeben, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 87 b VwGO vorliegen. Die Anforderungen an eine ausreichende Begründung entziehen sich insoweit einer generellen Festlegung und hängen vielmehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab
hierzu BVerwG, Beschluss vom 6.4.2000, a.a.O..
Hieran gemessen ist die Begründung der Zurückweisung, die sich auf das Unterlassen der (rechtzeitigen) Zeugenbenennung trotz Hinweises nach § 87 b VwGO, die mangelnde Präsenz des jetzt erst benannten Zeugen am Gerichtsort, und die unter Berücksichtigung der Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 27.3.2000 – 9 B 518.99 – nach freier Überzeugung des Gerichts zu prognostizierende Verfahrensverzögerung stützt, auch angesichts der relativ kurzen Dauer des Verfahrens über Abschiebungshindernisse nach AufenthG noch tragfähig.
Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist nach allem kein Raum.
Der Zulassungsantrag ist daher mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG zurückzuweisen.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.