Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 09. März 2007 - 3 Q 113/06

published on 09/03/2007 00:00
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 09. März 2007 - 3 Q 113/06
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Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.4.2006 – 2 K 31/06.A – wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

Im Einverständnis mit den Beteiligten kann der Vorsitzende entscheiden (§ 87 a Abs. 2 VwGO).

Dem Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.4.2006 – 2 K 31/06.A -, mit dem das Verwaltungsgericht den Klägern Abschiebungsschutz versagt hat, kann nicht entsprochen werden.

Die Kläger gehören nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der kurdischen Volksgruppe mit moslemischer Religionszugehörigkeit an. Sie stützen ihren Zulassungsantrag auf die von ihnen vorgetragene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) in mehrfacher Hinsicht.

Als erste grundsätzliche Frage machen die Kläger geltend, der irakische Staat sei nicht in der Lage, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Bei großzügiger Auslegung des Darlegungserfordernisses kann zugunsten der Kläger angenommen werden, dass sie als Grundsatzfrage zur Entscheidung des Senats stellen, ob die Volksgruppe der Kurden im Irak einer Gruppenverfolgung unterliegt, gegen die es keinen effektiven Schutz gibt.

Diese Frage ist grundsätzlich klärungsfähig, in dem Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 – 3 R 6/06 – aber bereits negativ entschieden, worauf der Senat die Kläger mit Aufklärungsverfügung vom 10.10.2006 (Gerichtsakte Bl. 89) hingewiesen hat. Die kurdische Volksgruppe von rund 5 Millionen Menschen, zu denen die Kläger gehören, unterliegt nach dem Grundsatzurteil mangels Verfolgungsdichte keiner Gruppenverfolgung im Irak. Weiterhin steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats fest, dass die Frage eines effektiven Schutzes durch eine stabile Schutzmacht bei fehlender Verfolgung auch nicht entscheidungserheblich ist.

BVerwG, Beschluss vom 26.1.2006 – 1 B 135.05 -; Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 – 3 R 6/06 -.

Ein neuer Klärungsbedarf ist nicht ersichtlich, so dass diese erste Grundsatzrüge erfolglos bleibt.

Mit der zweiten Grundsatzrüge wird die Frage einer allgemeinen Extremgefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG aufgeworfen, wobei die Kläger mit Blick auf die ständigen Anschläge im Irak von einer Opferzahl zwischen 30.000 und mehr als 100.000 Menschen ausgehen (Seite 5 des Zulassungsvorbringens). Dies stimmt mit der Rechtsprechung des Senats überein. Auch der Senat geht im Irak von einem Untergrundkrieg mit einer Opferzahl bei maximaler Schätzung von 30.000 bis 100.000 Opfern aus.

Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 – 3 R 6/06 – Seite 54 des Umdrucks.

Von dieser von den Klägern so auch vorgetragenen Opferzahl geht der Senat auch in seiner aktualisierten Rechtsprechung aus. Die Lancet-Studie mit einer Opferzahl von 655.000 Menschen hat der Senat verworfen, weil sie auf einer zu schmalen, hochgerechneten Tatsachengrundlage beruht.

Beschluss des Senats vom 12.2.2007 – 3 Q 89/06 -, Seite 5 und 6 des Umdrucks.

Auch nach dem Stand von 2007 zählen Menschenrechtsgruppen die Opfer des Untergrundkrieges mit etwa 60.000 Menschen.

Beschluss des Senats vom 12.2.2007 – 3 Q 89/06 -; Süddeutsche Zeitung vom 12.1.2007.

Ebenfalls nach einer 2007 vorgelegten Bilanz schätzt die UN-Mission die Zahl der tödlichen Zivilopfer des Untergrundkriegs für 2006 mit ungefähr 34.452 Menschen.

Bilanz der UN-Mission in Frankfurter Rundschau vom 17.1.2007, Pressespiegel vom 17.1.2007.

Nach seiner aktualisierten Rechtsprechung von 2007 geht der Senat nunmehr für den Irak von einer Opferzahl von etwa 100.000 Menschen mit steigender Tendenz aus.

Beschluss des Senats vom 12.2.2007 – 3 Q 89/06 -, Seite 6 des Umdrucks.

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung des Irak von 27 Millionen ergibt sich daraus eine Anschlagsdichte von 1 : 270 oder 0,37 Prozent. Positiv gewendet bleiben 99,6 Prozent der irakischen Zivilbevölkerung von Anschlägen verschont.

Damit sind aber ungeachtet der Furchtbarkeit der Folgen der Anschläge im Einzelfall nicht die Voraussetzungen der Rechtsprechung erfüllt, dass jeder irakische Rückkehrer sehenden Auges der Gefahr des alsbaldigen Todes oder schwerster Verletzungen ausgesetzt wird. Mithin ist eine Extremgefahr übereinstimmend mit dem Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 – 3 R 6/06 – auch nach dem aktualisierten Stand von 2007 zu verneinen. Ein weiterer Klärungsbedarf besteht nicht, so dass die Grundsatzrüge zur Extremgefahr erfolglos bleibt.

Mit Blick auf die Einzelheiten des Standpunkts des Senats zu den erhobenen Grundsatzrügen, insbesondere zu der von den Klägern hervorgehobenen angespannten medizinischen Versorgung im Irak, wird auf das dargelegte Grundsatzurteil verwiesen und im Rahmen des Nichtzulassungsverfahrens von einer weiteren Begründung der Entscheidung abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Nur vorsorglich weist der Senat mit Blick auf die von den Klägern angesprochene Rückführungsproblematik darauf hin, dass nach der Beschlusslager der Innenministerkonferenz derzeit nur in Deutschland verurteilte Straftäter in den Irak zurückgeführt werden.

Beschlussniederschrift über die 182. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder am 16.-17.11.2006 in Nürnberg, TOP 8, Rückführungen in den Irak.

Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist nach allem kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb
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published on 29/09/2006 00:00

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläger, der
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published on 21/05/2007 00:00

Tenor Der Bescheid des Landratsamts ... vom 18.10.2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 15.02.2007 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse zu
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.