Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 11. Mai 2006 - 3 Q 11/06

published on 11/05/2006 00:00
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 11. Mai 2006 - 3 Q 11/06
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Tenor

Die Anträge auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 11 K 102/05.A – werden zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

Den Anträgen der im Rechtsstreit verbliebenen Kläger, serbisch-montenegrinische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 30.6.2005, mit dem das Verwaltungsgericht ihre Klagen gegen die unter anderem ihre Anerkennung als Asylberechtigte widerrufenden Bescheide der Beklagten vom 23.7.2003 abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.

Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils – soweit hier wesentlich – das Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG verneint und unter anderem ausgeführt, es sei von den insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägern zu 1. bis 8. nichts dafür substantiiert vorgetragen, dass sie mit Blick auf den im Jahre 1990 im Kosovo von serbischen Polizisten erschossenen Sohn (beziehungsweise Bruder) heute bei einer Rückkehr in eine für sie nicht mehr beherrschbare psychische Sondersituation gerieten; allein der Hinweis auf die der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6.11.1998 – 3 R 132/96 – zugrunde liegende Sachlage reiche hierfür nicht aus.

Mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil machen die Kläger der Sache nach den Zulassungstatbestand des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG geltend und bezeichnen in ihrer Antragsbegründung, die den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, als grundsätzlich bedeutsam die Frage, ob es den Eltern und Geschwistern eines aufgrund politischer Verfolgung ermordeten Kindes zumutbar im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG sei, in einen Staat zurückzukehren, in dem ein solches Verfolgungsschicksal erlitten worden sei. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf den dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in dem Verfahren 3 R 132/96 zugrundegelegten Sachverhalt und führen aus, es habe sich um einen Schicksalsschlag erheblicher Intensität mit lebenslangen Nachwirkungen gehandelt.

Dieses Vorbringen rechtfertigt indes nicht die erstrebte Rechtsmittelzulassung auf der Grundlage von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Zweifelhaft ist bereits, ob den Anforderungen an die Darlegungen einer Grundsatzfrage vorliegend Genüge getan ist, da den Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrages nichts zu einer über den konkreten Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der aufgeworfenen Frage zu entnehmen ist

vgl. zum Beispiel Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, § 78 Rdnr. 603, wonach es der schlüssigen Darlegung der fallübergreifenden Bedeutung der aufgeworfenen Frage bedarf; außerdem Renner, AuslR 8. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 15, Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 124 a VwGO Rdnr. 84 zur Darlegungspflicht bei einem auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Berufungszulassungsantrag nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Allgemeinverfahren.

Das bedarf indes hier keiner abschließenden Beurteilung, denn für eine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der von den Klägern aufgeworfenen Frage ist vorliegend jedenfalls deshalb kein Raum, weil es sich hierbei nicht um eine über den konkreten Einzelfall hinausweisenden, im Interesse der Rechtseinheit oder Fortentwicklung des Rechts allgemein klärungsfähige Frage grundsätzlicher Art im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG handelt.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ist vom Widerruf der Flüchtlingsanerkennung trotz Fortfalls der Anerkennungsvoraussetzungen (Satz 1) abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf der früheren Verfolgung beruhende Gründe berufen kann, die ihm eine Rückkehr in die Heimat unzumutbar machen. Diese Regelung ist Ausdruck eines weitreichenden humanitären Grundsatzes und trägt der Sondersituation Rechnung, in der sich ein Verfolgter befindet, der eine besonders schwere, nachhaltig wirkende Verfolgung erlitten hat, und dem es deshalb selbst lange Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse nicht zuzumuten ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren

vgl. Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 73 Rdnr. 127 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 – 1 C 21/04 – zitiert nach Juris

Werden – wie hier – zwingende Gründe aus traumatisierenden Erlebnissen, die zur Flucht geführt haben, hergeleitet, so liegt der Schwerpunkt der Beurteilung auf der psychischen Situation des Flüchtlings. Die Entscheidung kann dabei je nach dessen besonderer individueller Situation unterschiedlich ausfallen

Marx, a.a.O., § 73 Rdnr. 130, 132, sowie Rdnr. 134 zum Kausalitätserfordernis; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 – 1 C 21/04 – zitiert nach Juris.

Sind danach das individuelle Verfolgungsschicksal und dessen konkrete Auswirkungen auf den psychischen Zustand des Flüchtlings ausschlaggebend, so kann die Frage, ob ein bestimmtes Verfolgungsgeschehen eine Rückkehr unzumutbar macht, nicht „abstrakt“ für eine Vielzahl von Fällen vorab beantwortet werden. Das zeigt nicht zuletzt der vorliegende Sachverhalt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Eltern und Kinder eine Traumatisierung wegen eines von serbischer Polizei getöteten Kindes beziehungsweise Bruders geltend machen. Die Auswirkungen dieser Tat auf den psychischen Zustand der Kläger können sich bei den Eltern und den älteren Geschwistern durchaus anders darstellen als bei denjenigen Kindern, die wie die Kläger zu 2., 5. und 3., geboren in den Jahren 1987 bis 1990, im Zeitpunkt des Vorfalls im Jahre 1990 noch sehr klein oder wie der Kläger zu 4. überhaupt noch nicht geboren waren.

Ob der hier gegebene Einzelfall vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend beurteilt worden ist, hat Bedeutung nur für diesen, was nach der Gesetzeslage die Zulassung der Berufung in Asylstreitigkeiten nicht rechtfertigen kann. Die Rechtsmittelbeschränkung in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz (§ 78 AsylVfG) verdeutlicht vielmehr, dass – anders als in Allgemeinverfahren (vgl. insoweit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – nicht jedem beim Verwaltungsgericht unterlegenen Asylbewerber allein unter Geltendmachung der angeblichen „Unrichtigkeit“ der erstinstanzlichen Entscheidung die Berufungsmöglichkeit eröffnet werden und dass damit gerichtlicher Rechtsschutz in diesem Bereich grundsätzlich auf eine Instanz beschränkt bleiben soll.

Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG, 100 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
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published on 08/06/2006 00:00

Tenor Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. März 2006 - 11 K 155/05 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger. Der Streitwert wird
published on 22/05/2006 00:00

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3.8.2004 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Der 1971 in Petrit /Kosovo geborene Kläg
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.