Tenor
Die am 10.2.2004 beschlossene und am 18.2.2004 bekannt gemachte Satzung über den Bebauungsplan Nr. ....03.00 „Kstraße - A W“ wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit des am 10.2.2004 als Satzung beschlossenen und am 18.2.2004 ortsüblich bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. ....03.00 "Kstraße – A W", Flur 3, Gemarkung Kr im Stadtteil Klarenthal der Antragsgegnerin.
Der Geltungsbereich der Satzung umfasst ca. 1,3 ha. Das Plangebiet wird im Nordwesten durch die südliche Straßenseite der Kstraße vor den Grundstücken mit den Hausnummern 22 bis 34 (Parzellen Nrn. 2/4, 3/1, 3/7, 128/3, 355/3, 3/2 und 4/1), im Nordosten durch die Grenze der Parzelle Nr. 4/1 (Kstraße 34) zum Wohngebiet „A W“, im Süden durch den Waldweg entlang der südlichen Begrenzung der Parzellen Nrn. 2/4, 3/1, 3/7, 128/3, 355/3, 3/2 und 4/1 sowie im Südwesten durch die südwestlichen Grenzen der Parzellen Nrn. 1/29 und 2/4 begrenzt; der Geltungsbereich ist in der Planzeichnung der Satzung dargestellt.
Das Plangebiet selbst umfasst 7 bebaute Grundstücke mit 5 freistehenden Gebäuden und einem Doppelhaus entlang der Kstraße. An die bebaute Zone schließen sich rückwärtig unbebaute Gartenflächen an, die in ihrer Tiefe von 20 m (Haus Nr. 22) bis 95 m (Haus Nr. 34) variieren. Der größte Teil dieser Grünzone wird als Garten- und Grünfläche genutzt. Im rückwärtigen Bereich der Grundstücke A-Straße und 32 befindet sich eine nicht mehr genutzte private Tennisanlage. Die bauliche Umgebung wird durch eine 1- bis 2-geschossige Bebauung entlang der Kstraße, der Straße „A W“ sowie der Hstraße geprägt.
Der Antragsteller ist Eigentümer des im Plangebiet belegenen Hausgrundstücks A-Straße (Parzelle Nr. 355/3 - von ihm überwiegend als Nr. 365/3 bezeichnet -). Bereits im Jahre 2001 hatte er eine Bauvoranfrage wegen des Neubaus von 6 Wohnhäusern im rückwärtigen Grundstücksbereich der Parzellen 4/1, 3/2 und „365/3“ an die Antragsgegnerin gerichtet, der ausweislich eines Vermerks vom 16.10.2001 von dieser als unzulässig angesehen wurde. Mit Schreiben vom 18.1.2002 hatte der Antragsteller dann beantragt, ein Bebauungsplanverfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes für den Bereich der Parzellen 4/1, 3/2 und „365/3“, Flur 3 für eine Bebauung mit mehreren Wohnhäusern einzuleiten und mit ihm einen entsprechenden Durchführungsvertrag abzuschließen.
Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss daraufhin am 19.3.2002 die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. ....03.00 "Wohngebiet verlängerte Hstraße" für das jetzige Plangebiet; der Beschluss wurde am 27.3.2002 – zusammen mit der Änderungsabsicht des Stadtverbandes für den Flächennutzungsplan - ortsüblich bekannt gemacht. Aufgrund des Beschlusses des Stadtrates fand eine „vorgezogene Bürgerbeteiligung“ statt, bei der an den Plänen für eine weitere Bebauung des Plangebietes Kritik geäußert wurde.
Mit Schreiben vom 16.6.2002 zog der Antragsteller seinen Antrag vom 18.1.2002 zurück und beantragte die Einstellung des Bebauungsplanverfahrens, weil „wegen Verfahrensfehlern vor Gericht kein haltbares Ergebnis zu erwarten“ sei.
Am 29.10.2002 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. ....03.00 „Kstraße – A W“; der Beschluss wurde am 6.11.2002 ortsüblich bekanntgemacht.
Nach Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der verwaltungsinternen Stellen beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin am 7.10.2003 die öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs, die nach ortsüblicher Bekanntmachung vom 6.11. bis 8.12.2003 erfolgte.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 8.12.2003 erhob der Antragsteller gegen den Bebauungsplan-Entwurf Einwendungen.
Der Stadtrat der Antragsgegnerin entschied am 10.2.2004 über die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der verwaltungsinternen Stellen sowie über die während der Offenlage vorgebrachten Anregungen gemäß Verwaltungsvorlage und beschloss den Bebauungsplan Nr. ....03.00 "Kstraße – A W" mit Begründung als Satzung.
Die Satzung setzt in der Planzeichnung entlang der Kstraße als Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet (WR) mit einem 35 m tiefen Grundstücksstreifen als überbaubare Grundstücksfläche (Ausnahme wegen geringerer Grundstückstiefe: Grundstück Kstraße 22 mit 24 m) hinter einer 5 m tiefen Vorgartenzone, die alle vorhandenen Wohngebäude einschließlich ihrer rückwärtigen Erweiterungen vollständig umfasst, fest. Die rückwärtigen Gartenbereiche der Grundstücke werden als private Grünfläche festgesetzt, die von Bebauung freizuhalten ist. Nach den textlichen Festsetzungen sind im reinen Wohngebiet Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebietes dienen, nach § 3 III BauNVO ausnahmsweise zulässig; die übrigen nach § 3 III BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen sind ausgeschlossen. Alle übrigen planungsrechtlichen Zulässigkeitskriterien, insbesondere das Maß der baulichen Nutzung und die Bauweise richten sich nach § 34 I BauGB.
In dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung bestehenden Flächennutzungsplan ist der als „private Grünfläche“ festgesetzte Teil des Planbereichs als „Grünfläche mit der Zweckbestimmung Sportplatz“ ausgewiesen
(1Vgl. Bl. 31, 47f. der Verwaltungsakten)
.
In der Begründung zur Satzung
(2Stand 2004)
ist ausgeführt, das im Flächennutzungsplan enthaltene Sportplatzsymbol, das auf eine öffentliche Sporteinrichtung hindeute, stelle keine umsetzbare Planungsvorgabe dar, sondern beruhe eher auf einem Missverständnis, da weder eine öffentliche Tennisanlage noch eine andere Lärm erzeugende Sportplatznutzung an dieser Stelle auf einem Privatgrundstück genehmigungs- oder durchsetzungsfähig wäre. Eine Flächen-nutzungsplanänderung zur Beseitigung eines irrtümlich in den Plan aufgenommenen fehlerhaften Symbols sei nicht erforderlich. Der Landschaftsplan stimme mit den Zielsetzungen des Bebauungsplans voll überein.
Unter "Anlass und Ziele der Planung" ist in der Begründung zum Bebauungsplan im Wesentlichen die Entwicklung der in der Folge der Bauanfrage und des Antrags auf Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens des Antragstellers zur Ausweisung von Wohnbauland dargestellt und ausgeführt, dass eine – bloße -Verfahrenseinstellung "keine Gewähr dafür geboten (hätte), dass zu einem späteren Zeitpunkt die gleichen Bebauungsabsichten nicht erneut vorgelegt worden wären, die gleichen Widerstände seitens der betroffenen Nachbarn mobilisiert und zur gleichen Unruhe in diesem Wohngebiet geführt hätten". Die ursprüngliche Zielsetzung des Bebauungsplanverfahrens sei deshalb geändert worden, um den sozialen Frieden innerhalb des Wohnquartiers zu gewährleisten. Nach dem eindeutigen Willen des Stadtrates solle eine bauliche Verdichtung des Siedlungsgefüges durch Bebauung der rückwärtigen Gartenbereiche der Grundstücke an der Kstraße unterbunden und die Wohnruhe und Sicherheit in den zum Teil sehr schmalen und ohne Bürgersteig ausgebauten Seitenstraßen "A W" und "Hstraße" gewährleistet werden. Eine Erschließung weiterer Baugrundstücke über die Straße A W und eine Verlängerung der Hstraße solle es nicht geben, die Wohnruhe und Sicherheit auf den Straßen sollten nicht durch zusätzliche Verkehre belastet bzw. gefährdet werden. Die städtebauliche Struktur dieses Baugebiets solle in ihrer gegenwärtigen Form erhalten und nicht durch ein Bauen in zweiter Reihe auf einigen wenigen Einzelgrundstücken verändert werden. Eine maßvolle Erweiterung der bestehenden Gebäude im Rahmen dessen, was sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, sei jedoch möglich, allerdings nicht in den rückwärtigen, als private Grünflächen ausgewiesenen Grundstücksbereichen. Diese geänderte Zielsetzung diene dem Grundsatz der Bauleitplanung, eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung zu gewährleisten. Dabei seien die öffentlichen Belange der "allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und die Sicherheit der Wohnbevölkerung", der "Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und die Bevölkerungsentwicklung" und der "Erhaltung vorhandener Ortsteile" zur Wahrung des sozialen Friedens besonders hoch gewichtet worden. Die heutige Bebauungs- und Erschließungsstruktur sei dadurch geprägt, dass pro Baugrundstück jeweils nur ein straßenrandbezogenes Wohngebäude errichtet und ein Bauen in zweiter Reihe bislang an keiner Stelle realisiert worden sei, während dies bei Ausweisung weiterer Baugrundstücke nicht nur in Bezug auf die bauinteressierten Eigentümer an der Kstraße, sondern auch für die Anlieger westlich der Straße A W geschehen werde. Mit der Änderung der Planungsziele sei eine Umbenennung des Bebauungsplanverfahrens erforderlich geworden.
Der Satzungsbeschluss wurde am 18.2.2004 ortsüblich bekannt gemacht.
Am 14.2.2006 ist der Normenkontrollantrag des Antragstellers bei Gericht eingegangen. Er macht geltend, der Bebauungsplan sei unwirksam. Der Bebauungsplan verstoße gegen § 1 III und VI BauGB. Erforderlich sei ein Bebauungsplan, wenn ihm eine planerische Konzeption der Gemeinde zugrunde liege. Die getroffenen Festsetzungen müssten in ihrer eigentlichen Zielsetzung gewollt und erforderlich und nicht nur vorgeschoben sein, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen oder private Interessen zu befriedigen. Die Planung der Antragsgegnerin erschöpfe sich darin, die Bebaubarkeit seines Grundstücks zu verhindern, ohne dass sachliche städtebauliche Gründe hierfür bestünden. Sie sei widersprüchlich und ohne planerische Konzeption, wie schon aus der Tatsache zu ersehen sei, dass der Stadtrat zunächst am 18.8.2002 beschlossen habe, den Bau von 6 Einfamilienhäusern durch die Änderung des Bebauungsplans Nr. ....03.00 "Wohngebiet verlängerte Hstraße" zuzulassen, und nun eine bauliche Verdichtung unterbunden werden solle; außerdem sei in dem ursprünglichen Planverfahren die vorhandene Erschließung als ausreichend angesehen worden. Es fehle daher an ernsthaft verfolgten städtebaulichen Zielvorstellungen für das Grundstück des Antragstellers. Die Planung beruhe auf sachfremden Argumenten und sei als Änderungsplanung unzulässig. Als Ziel werde nur die Wahrung des sozialen Friedens innerhalb des Wohnquartiers, eines privaten Belangs, angegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser Belang mit dem Eingriff in sein - des Antragstellers - Eigentum in Abwägung gebracht bzw. dass überhaupt eine Abwägung vorgenommen worden sei. Durch den Bebauungsplan werde der Inhalt seines Grundeigentums ausgestaltet. Da die Möglichkeit bestehe, dass eine entsprechende planerische Ausgestaltung rechtswidrig sei, komme eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 14 GG in Betracht.
Der Antragsteller beantragt,
den am 10.2.2004 vom Stadtrat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 220.03.00 „Kstraße - A W“, bekannt gemacht am 18.2.2004, für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dem Antragsteller fehle das erforderliche Rechtschutzinteresse für seinen Antrag, da die von ihm beabsichtigte Bebauung auch im Falle der Nichtigerklärung des Bebauungsplans nicht realisierbar sei. Auch die Errichtung nur eines Wohngebäudes im fraglichen Bereich scheitere daran, dass es sich als Bauvorhaben in zweiter Reihe nicht einfüge, keinerlei Vorbild habe und nicht genehmigungsfähig sei. Dies sei ihm auch seinerzeit durch das Planungsamt erklärt worden. Hinzu komme, dass einer Realisierung des vom Antragsteller vorgestellten Projektes die dafür erforderliche Unterschreitung der zum Waldgebiet einzuhaltenden Abstandsflächen entgegen stünden. Daran ändere auch ein in der Vergangenheit erteilter Bauvorbescheid von 1985 für das Grundstück Parzelle Nr. 4/1 (Bauvoranfrage S) nichts, da dieser wegen des Zeitablaufs weggefallen und ein weiterer Vorbescheid nicht erteilt worden sei. Zwar sei richtig, dass maßgeblich auf Betreiben des Antragstellers beabsichtigt gewesen sei, ein Wohngebiet im Anschluss an die bereits ausgebaute Wstraße auszuweisen. Im Rahmen des Abwägungsprozesses auf der Grundlage von Bedenken und Anregungen hätten sich massive Kritikpunkte an der beabsichtigten Planung eines Wohngebietes ergeben; auch der Antragsteller selbst habe Verfahrenseinstellung beantragt. Nach der vehement geführten Diskussion habe im Sinne einer geordneten planerischen Festschreibung des bauplanungsrechtlich Zulässigen eine Beruhigung der Situation erfolgen sollen. Die Änderung des Plankonzeptes angesichts der massiven Einwendungen betroffener Anlieger sei keine Verhinderungsplanung. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine Planung, die ihm die Verwirklichung seiner Bauabsichten ermögliche.
Der Senat hat am 7.3.2007 eine Ortsbesichtigung durchgeführt; wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 2 N 2/06 und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen (1 Aktenordner zur Planaufstellung) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat Erfolg.
Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 II 1 VwGO. Danach kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Vorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller, Eigentümer des Anwesens A-Straße in A-Stadt-K (Flur 3, Parzelle 355/3), macht geltend, dass sein Eigentum durch den Bebauungsplan eine rechtswidrige Gestaltung erfährt, die eine ökonomische Nutzung des Grundstücks durch Bauvorhaben im rückwärtigen Bereich verhindere. Da er sich somit als Eigentümer eines im Geltungsbereich der umstrittenen Satzung gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft, ist seine Antragsbefugnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(3StRspr des BVerwG, vgl. Beschluss vom 7.7.1997 – 4 BN 11/97 -, BauR 1997, 972, m.w.N.; Urteil vom 10.3.1998 – 4 CN 6/97 -, BauR 1998, 740)
zu bejahen.
Auch das für den Antrag des Antragstellers erforderliche Rechtschutzinteresse liegt vor. Dem Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses ist schon genügt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden ggf. von Nutzen sein kann.
(4BVerwG, Urteil vom 10.3.1998 – 4 CN 6/97 -, BauR 1998, 740, m.w.N.)
Es fehlt, wenn der Eigentümer seinem Ziel, das Grundstück baulich zu nutzen, selbst dann auf unabsehbare Zeit nicht näherkommen kann, wenn der Bebauungsplan für nichtig bzw. unwirksam erklärt wird.
(5BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 – 4 NB 50.92 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 79)
Unschädlich ist aber, wenn ein Antragsteller seinem eigentlichen Ziel, für sein Grundstück die Nutzung festzusetzen, die seinen Vorstellungen entspricht, nicht allein dadurch näher kommt, dass der Bebauungsplan für nichtig bzw. unwirksam erklärt wird. Hiervon ausgehend kann der Auffassung der Antragsgegnerin, der Antrag sei „unnütz“, weil der Antragsteller auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans mangels Einfügens im Sinne des § 34 BauGB nicht im Innenbereich in zweiter Reihe hinter seinem Wohnhaus bauen dürfe, nicht gefolgt werden. Denn es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller im Falle der Unwirksamkeit der angefochtenen Satzung angesichts der konkreten Innenbereichssituation und einer denkbaren städtebaulichen Entwicklung der Umgebung ein Bauvorhaben auf seinem Grundstück verwirklichen könnte.
Der Normenkontrollantrag ist am 14.2.2006 und damit rechtzeitig innerhalb der durch die Schlussbekanntmachung der angegriffenen Satzung am 18.2.2004 in Lauf gesetzten Zwei-Jahres-Frist des § 47 II 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung
(6Zur Änderung vgl. Art. 3 Nr. 1 a und Art. 4 des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3316))
bei Gericht eingegangen.
Der somit zulässige Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan leidet an einem Mangel, der seine Unwirksamkeit zur Folge hat. Er verstößt gegen das Gebot, die von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, das in § 1 VI BauGB
(Das BauGB findet in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.8.1997 (BGBl. I S. 1818) Anwendung.)
seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat und Ausdruck, aber auch Schranke der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde ist. Dieses Abwägungsgebot, dessen Anforderungen - wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung
(8Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 1.11.1974 – IV C 38.71 -, BVerwGE 47, 144 = BRS 37 Nr. 17, und vom 5.7.1974 – IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = BRS 28 Nr. 4)
hervorhebt - sowohl den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis betreffen, verlangt, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass in sie an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, dass die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt wird und dass der Ausgleich zwischen ihnen nicht in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen des Abwägungsgebots ist somit der den Gemeinden zustehende planerische Gestaltungsspielraum (§ 2 I 1 BauGB) zu respektieren. Die Gerichte sind nicht befugt, eigene Vorstellungen über die planerische Gestaltung und Problembewältigung an die Stelle der von der Gemeinde getroffenen Entscheidungen zu setzen oder deren Abwägung nur deshalb zu beanstanden, weil sie andere Lösungen für besser oder sachdienlicher halten. Die gerichtliche Kontrolle hat sich auf die Frage zu beschränken, ob bei der Abwägung selbst und bei dem auf ihr basierenden Ergebnis die Grenzen planerischer Gestaltungsfreiheit beachtet wurden.
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass der Stadtrat der Antragsgegnerin vorliegend die widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange nicht entsprechend ihrer Gewichtigkeit bei der abschließenden Abwägung abgewogen hat. Da er über die „Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der verwaltungsinternen Stellen sowie über die während der Offenlage vorgebrachten Anregungen“ ausweislich des Auszugs aus der Niederschrift über die Sitzung vom 10.2.2004 „gemäß Verwaltungsvorlage“ entschieden und den Bebauungsplan mit Begründung als Satzung beschlossen hat
(9Bl. 337 ff.)
, ergeben sich die Grundlagen der Abwägung und im Rahmen der Abwägung abgewogenen Belange aus der Verwaltungsvorlage Drucksache Nr. 0020/04 vom 14.1.2004 samt Anlagen sowie der Begründung zum Bebauungsplan.
Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan hat die Antragsgegnerin insbesondere als öffentliche Belange die "allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und die Sicherheit der Wohnbevölkerung" (§ 1 V 2 Nr. 1 BauGB), "Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und die Bevölkerungsentwicklung" (§ 1 V 2 Nr. 2 BauGB) sowie die "Erhaltung vorhandener Ortsteile" (§ 1 V 2 Nr. 4 BauGB) berücksichtigt.
(10Bl. 341 f.)
Außerdem geht aus der Verwaltungsvorlage hervor, dass der Planinhalt maßgeblich vom Ergebnis des im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens „Wohngebiet verlängerte Hstraße“ - in Rede stand die Schaffung von 6 bis 10 neuen Bauplätzen für eine Bebauung mit Einfamilienwohnhäusern in Form von freistehenden Einzel- oder Doppelhäusern
(11Vgl. ortsübliche Bekanntmachung der vorgezogenen Bürgerbeteiligung zur Änderung des Flächennutzungsplans und Aufstellung des Bebauungsplans "Wohngebiet verlängerte Hstraße", Bl. 31 Verwaltungsunterlagen)
– durchgeführten Erörterungstermins bestimmt wurde. In diesem Termin hatte sich die Mehrheit der anwesenden Anlieger und Nachbarn gegen jegliche Bebauung der vorgesehenen Fläche ausgesprochen. Es wurde deutlich, dass die Anlieger zum einen ein erhöhtes Verkehrsaufkommen befürchteten, zum anderen vortrugen, die geplante Bebauung rücke zu nah an die bestehenden Häuser heran, was zu einer Verringerung der Wohnqualität und zu einem erheblichen Wertverlust der Bestandsimmobilien führen werde. Auch ein im Rahmen dieses Erörterungstermins entwickelter Vorschlag der Verwaltung einer neuen reduzierten Bebauungsalternative mit lediglich drei neuen Baugrundstücken und Wohnhäusern sei überwiegend mit Ablehnung aufgenommen worden. Die Mehrheit habe für die absolute „Null-Lösung“ plädiert. Daher sei aufgrund dieses Ergebnisses der vorgezogenen Bürgerbeteiligung und der im Anschluss daran eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen klar erkennbar gewesen, dass jeder Planung für eine zusätzliche Wohnbebauung an dieser Stelle starker Widerstand seitens der betroffenen Nachbarn entgegengebracht würde. Da – wie sich sowohl aus der genannten Vorlage als auch aus der Begründung zum Bebauungsplan ergibt – eine danach vom Antragsteller unter dem 16.6.2002 beantragte Einstellung des Bebauungsplanverfahrens, dessen Einleitung er selbst beantragt hatte, keine Gewähr dafür geboten hätte, dass zu einem späteren Zeitpunkt nicht wiederum Bebauungsabsichten geäußert worden wären, die die gleichen Widerstände seitens der betroffenen Nachbarn mobilisiert und zur gleichen Unruhe in diesem Wohngebiet geführt hätten, änderte der Stadtrat der Antragsgegnerin die ursprüngliche Zielsetzung des Bebauungsplanverfahrens, „um den sozialen Frieden innerhalb dieses Wohnquartiers zu gewährleisten“. Ziel wurde daher nunmehr, eine bauliche Verdichtung des Siedlungsgefüges durch Bebauung der rückwärtigen Gartenbereiche der Grundstücke an der Kstraße zu unterbinden und die Wohnruhe und Sicherheit in den zum Teil sehr schmalen und ohne Bürgersteig ausgebauten Seitenstraßen A W und Hstraße zu gewährleisten. Eine Erschließung über diese Straßen sollte es in diesem ruhigen Wohnbereich nicht geben, die Wohnruhe und Sicherheit auf den Straßen „nicht durch zusätzliche Verkehre belastet bzw. gefährdet werden, die städtebauliche Struktur dieses Baugebiets in ihrer gegenwärtigen Form erhalten und nicht durch ein Bauen in zweiter Reihe auf einigen wenigen Einzelgrundstücken verändert werden. Die heutige Bebauungs- und Erschließungsstruktur sei dadurch geprägt, dass pro Baugrundstück jeweils nur ein einziges straßenrandbezogenes Wohngebäude errichtet worden sei, während es ein Bauen in zweiter Reihe bislang an keiner Stelle gebe. Genau dies würde aber nach Ansicht des Stadtrates der Antragsgegnerin bei "Ausweisung" weiterer Grundstücke geschehen.
Die daraus ersichtliche Abwägung der dargelegten privaten Belange der „Anlieger“, die auch zu den von der Antragsgegnerin hervorgehobenen öffentlichen Belangen im Sinne des § 1 V 2 Nrn. 1, 2 und 4 BauGB zum Ausdruck kommen, mit den gegenläufigen privaten Belangen von Grundstückseigentümern im Plangebiet an einer Bebauung des rückwärtigen Teils ihres jeweiligen Grundstücks im Sinne des Planentwurfs ist offensichtlich fehlerhaft, denn sie beruht auf einer Verkennung der bauplanungsrechtlichen Qualität jedenfalls des im Plangebiet gelegenen Grundstücks Parzelle Nr. 4/1 (Kstraße 34) und der sich daraus ergebenden Bedeutung der durch Art. 14 I GG grundgesetzlich geschützten privaten Belange seiner Eigentümer.
Dieses Grundstück ist auch im rückwärtigen Bereich offensichtlich dem Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB zuzurechnen, da es mit diesem Teil nicht nur unmittelbar an Bebauung, sondern auch an den Straßenkörper der Straße A W angrenzt und – wie auch ein an der Grundstücksgrenze zur Straße befindliches Tor verdeutlicht - von dieser erschlossen wird. Für diesen Teil der Parzelle Nr. 4/1, für den bereits 1985 ein positiver Bauvorbescheid erteilt worden war, kann die Bebaubarkeit nicht unter Hinweis darauf, ein Bauen in zweiter Reihe sei unzulässig, da es dies bislang an keiner Stelle gebe, verneint werden. Denn eine Bebauung im rückwärtigen Teil des Grundstücks wäre kein Bauen in zweiter Reihe, da hierfür auf die erschließende Straße, also die Straße A W, und nicht auf die Kstraße abzustellen wäre; eine die Straße A W auf diesem Grundstück als "Riegel" abschließende Bebauung etwa wäre eine Straßenrandbebauung im Sinne der Argumentation der Antragsgegnerin. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass in diesem Fall die Parzelle Nr. 4/1 mit zwei Häusern bebaut wäre, denn die Eigentümer hätten ohnehin die Möglichkeit einer Teilung des Grundstücks gemäß § 19 BauGB und Schaffung eines eigenständigen Grundstücks im hinteren Bereich des jetzigen Grundstücks. Diese offensichtliche Baulandqualität des Grundstücks Parzelle Nr. 4/1 hat der Stadtrat der Antragsgegnerin jedenfalls nicht entsprechend der Bedeutung der sich hieraus ergebenden Belange seiner Eigentümer mit den gegenläufigen Belangen der "Anlieger" abgewogen.
Die Aufhebung der – nicht berücksichtigten - Bebaubarkeit dieses Grundstücks durch den Bebauungsplan lässt sich zudem nicht mit der Wohnruhe und Sicherheit der anderen Anlieger der Straße A W und Hstraße rechtfertigen. Zulässig sind im Innenbereich ohnehin nur Vorhaben, die den Vorgaben des § 34 BauGB Rechnung tragen. Dies schließt es grundsätzlich aus, dass die Anlieger durch neue zulässige Bebauung in unzumutbarer Weise belastet werden. Dafür, dass durch eine solche angemessene, sich einfügende Bebauung der Straßenverkehr in der Umgebung in nennenswertem Umfang ansteigen und die Wohnruhe der Anlieger unzumutbar stören würde, spricht nichts. Auch wenn die erschließende verkehrsberuhigte Straße A W sehr schmal ist und nur auf einer Straßenseite einen nicht erhöhten Bürgersteig hat, kann daher eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden. Dass von einer solchen Wohnnutzung unzumutbare Störungen ausgehen könnten, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Schließlich hat auch der Stadtrat der Antragsgegnerin sich nicht auf konkrete Feststellungen, die die Annahme zu befürchtender unzumutbarer Beeinträchtigungen rechtfertigten, gestützt. Soweit in der "Vorgezogenen Bürgerbeteiligung" von Anliegerseite die Befürchtung geäußert worden war, dass die Bebauung zu nahe an die – angrenzende - Bebauung der Straße A W rücken würde, ist zu sehen, dass eine bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprechende Bebauung grundsätzlich zulässig ist und größenmäßigen Gegebenheiten des nachbarlichen Grundstücks nicht Rechnung tragen muss. Insgesamt ist nichts dafür ersichtlich, dass den Anliegern insbesondere "westlich der Straße A W" ohne die angefochtene Satzung - den "sozialen Frieden im Wohnquartier" begründet in Frage stellende - Beeinträchtigungen drohten, die es rechtfertigen könnten, dass die Eigentümer der Kstraße 34 ihr Grundstück nur noch als private Grünfläche nutzen dürften.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass von der Antragsgegnerin die Grenzen planerischer Gestaltungsfreiheit bei der abschließenden Abwägung und bei dem auf ihr basierenden Ergebnis nicht beachtet wurden.
Der Normenkontrollantrag musste daher Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 II VwGO).
Beschluss
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird auf 25.000,- EUR festgesetzt (§ 52 I GKG 2004; vgl. bereits die vorläufige Festsetzung durch Beschluss vom 20.3.2006 – 2 N 2/06-).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Gründe
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat Erfolg.
Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 II 1 VwGO. Danach kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Vorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller, Eigentümer des Anwesens A-Straße in A-Stadt-K (Flur 3, Parzelle 355/3), macht geltend, dass sein Eigentum durch den Bebauungsplan eine rechtswidrige Gestaltung erfährt, die eine ökonomische Nutzung des Grundstücks durch Bauvorhaben im rückwärtigen Bereich verhindere. Da er sich somit als Eigentümer eines im Geltungsbereich der umstrittenen Satzung gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft, ist seine Antragsbefugnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(3StRspr des BVerwG, vgl. Beschluss vom 7.7.1997 – 4 BN 11/97 -, BauR 1997, 972, m.w.N.; Urteil vom 10.3.1998 – 4 CN 6/97 -, BauR 1998, 740)
zu bejahen.
Auch das für den Antrag des Antragstellers erforderliche Rechtschutzinteresse liegt vor. Dem Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses ist schon genügt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden ggf. von Nutzen sein kann.
(4BVerwG, Urteil vom 10.3.1998 – 4 CN 6/97 -, BauR 1998, 740, m.w.N.)
Es fehlt, wenn der Eigentümer seinem Ziel, das Grundstück baulich zu nutzen, selbst dann auf unabsehbare Zeit nicht näherkommen kann, wenn der Bebauungsplan für nichtig bzw. unwirksam erklärt wird.
(5BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 – 4 NB 50.92 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 79)
Unschädlich ist aber, wenn ein Antragsteller seinem eigentlichen Ziel, für sein Grundstück die Nutzung festzusetzen, die seinen Vorstellungen entspricht, nicht allein dadurch näher kommt, dass der Bebauungsplan für nichtig bzw. unwirksam erklärt wird. Hiervon ausgehend kann der Auffassung der Antragsgegnerin, der Antrag sei „unnütz“, weil der Antragsteller auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans mangels Einfügens im Sinne des § 34 BauGB nicht im Innenbereich in zweiter Reihe hinter seinem Wohnhaus bauen dürfe, nicht gefolgt werden. Denn es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller im Falle der Unwirksamkeit der angefochtenen Satzung angesichts der konkreten Innenbereichssituation und einer denkbaren städtebaulichen Entwicklung der Umgebung ein Bauvorhaben auf seinem Grundstück verwirklichen könnte.
Der Normenkontrollantrag ist am 14.2.2006 und damit rechtzeitig innerhalb der durch die Schlussbekanntmachung der angegriffenen Satzung am 18.2.2004 in Lauf gesetzten Zwei-Jahres-Frist des § 47 II 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung
(6Zur Änderung vgl. Art. 3 Nr. 1 a und Art. 4 des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3316))
bei Gericht eingegangen.
Der somit zulässige Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan leidet an einem Mangel, der seine Unwirksamkeit zur Folge hat. Er verstößt gegen das Gebot, die von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, das in § 1 VI BauGB
(Das BauGB findet in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.8.1997 (BGBl. I S. 1818) Anwendung.)
seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat und Ausdruck, aber auch Schranke der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde ist. Dieses Abwägungsgebot, dessen Anforderungen - wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung
(8Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 1.11.1974 – IV C 38.71 -, BVerwGE 47, 144 = BRS 37 Nr. 17, und vom 5.7.1974 – IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = BRS 28 Nr. 4)
hervorhebt - sowohl den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis betreffen, verlangt, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass in sie an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, dass die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt wird und dass der Ausgleich zwischen ihnen nicht in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen des Abwägungsgebots ist somit der den Gemeinden zustehende planerische Gestaltungsspielraum (§ 2 I 1 BauGB) zu respektieren. Die Gerichte sind nicht befugt, eigene Vorstellungen über die planerische Gestaltung und Problembewältigung an die Stelle der von der Gemeinde getroffenen Entscheidungen zu setzen oder deren Abwägung nur deshalb zu beanstanden, weil sie andere Lösungen für besser oder sachdienlicher halten. Die gerichtliche Kontrolle hat sich auf die Frage zu beschränken, ob bei der Abwägung selbst und bei dem auf ihr basierenden Ergebnis die Grenzen planerischer Gestaltungsfreiheit beachtet wurden.
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass der Stadtrat der Antragsgegnerin vorliegend die widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange nicht entsprechend ihrer Gewichtigkeit bei der abschließenden Abwägung abgewogen hat. Da er über die „Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der verwaltungsinternen Stellen sowie über die während der Offenlage vorgebrachten Anregungen“ ausweislich des Auszugs aus der Niederschrift über die Sitzung vom 10.2.2004 „gemäß Verwaltungsvorlage“ entschieden und den Bebauungsplan mit Begründung als Satzung beschlossen hat
(9Bl. 337 ff.)
, ergeben sich die Grundlagen der Abwägung und im Rahmen der Abwägung abgewogenen Belange aus der Verwaltungsvorlage Drucksache Nr. 0020/04 vom 14.1.2004 samt Anlagen sowie der Begründung zum Bebauungsplan.
Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan hat die Antragsgegnerin insbesondere als öffentliche Belange die "allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse und die Sicherheit der Wohnbevölkerung" (§ 1 V 2 Nr. 1 BauGB), "Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und die Bevölkerungsentwicklung" (§ 1 V 2 Nr. 2 BauGB) sowie die "Erhaltung vorhandener Ortsteile" (§ 1 V 2 Nr. 4 BauGB) berücksichtigt.
(10Bl. 341 f.)
Außerdem geht aus der Verwaltungsvorlage hervor, dass der Planinhalt maßgeblich vom Ergebnis des im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens „Wohngebiet verlängerte Hstraße“ - in Rede stand die Schaffung von 6 bis 10 neuen Bauplätzen für eine Bebauung mit Einfamilienwohnhäusern in Form von freistehenden Einzel- oder Doppelhäusern
(11Vgl. ortsübliche Bekanntmachung der vorgezogenen Bürgerbeteiligung zur Änderung des Flächennutzungsplans und Aufstellung des Bebauungsplans "Wohngebiet verlängerte Hstraße", Bl. 31 Verwaltungsunterlagen)
– durchgeführten Erörterungstermins bestimmt wurde. In diesem Termin hatte sich die Mehrheit der anwesenden Anlieger und Nachbarn gegen jegliche Bebauung der vorgesehenen Fläche ausgesprochen. Es wurde deutlich, dass die Anlieger zum einen ein erhöhtes Verkehrsaufkommen befürchteten, zum anderen vortrugen, die geplante Bebauung rücke zu nah an die bestehenden Häuser heran, was zu einer Verringerung der Wohnqualität und zu einem erheblichen Wertverlust der Bestandsimmobilien führen werde. Auch ein im Rahmen dieses Erörterungstermins entwickelter Vorschlag der Verwaltung einer neuen reduzierten Bebauungsalternative mit lediglich drei neuen Baugrundstücken und Wohnhäusern sei überwiegend mit Ablehnung aufgenommen worden. Die Mehrheit habe für die absolute „Null-Lösung“ plädiert. Daher sei aufgrund dieses Ergebnisses der vorgezogenen Bürgerbeteiligung und der im Anschluss daran eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen klar erkennbar gewesen, dass jeder Planung für eine zusätzliche Wohnbebauung an dieser Stelle starker Widerstand seitens der betroffenen Nachbarn entgegengebracht würde. Da – wie sich sowohl aus der genannten Vorlage als auch aus der Begründung zum Bebauungsplan ergibt – eine danach vom Antragsteller unter dem 16.6.2002 beantragte Einstellung des Bebauungsplanverfahrens, dessen Einleitung er selbst beantragt hatte, keine Gewähr dafür geboten hätte, dass zu einem späteren Zeitpunkt nicht wiederum Bebauungsabsichten geäußert worden wären, die die gleichen Widerstände seitens der betroffenen Nachbarn mobilisiert und zur gleichen Unruhe in diesem Wohngebiet geführt hätten, änderte der Stadtrat der Antragsgegnerin die ursprüngliche Zielsetzung des Bebauungsplanverfahrens, „um den sozialen Frieden innerhalb dieses Wohnquartiers zu gewährleisten“. Ziel wurde daher nunmehr, eine bauliche Verdichtung des Siedlungsgefüges durch Bebauung der rückwärtigen Gartenbereiche der Grundstücke an der Kstraße zu unterbinden und die Wohnruhe und Sicherheit in den zum Teil sehr schmalen und ohne Bürgersteig ausgebauten Seitenstraßen A W und Hstraße zu gewährleisten. Eine Erschließung über diese Straßen sollte es in diesem ruhigen Wohnbereich nicht geben, die Wohnruhe und Sicherheit auf den Straßen „nicht durch zusätzliche Verkehre belastet bzw. gefährdet werden, die städtebauliche Struktur dieses Baugebiets in ihrer gegenwärtigen Form erhalten und nicht durch ein Bauen in zweiter Reihe auf einigen wenigen Einzelgrundstücken verändert werden. Die heutige Bebauungs- und Erschließungsstruktur sei dadurch geprägt, dass pro Baugrundstück jeweils nur ein einziges straßenrandbezogenes Wohngebäude errichtet worden sei, während es ein Bauen in zweiter Reihe bislang an keiner Stelle gebe. Genau dies würde aber nach Ansicht des Stadtrates der Antragsgegnerin bei "Ausweisung" weiterer Grundstücke geschehen.
Die daraus ersichtliche Abwägung der dargelegten privaten Belange der „Anlieger“, die auch zu den von der Antragsgegnerin hervorgehobenen öffentlichen Belangen im Sinne des § 1 V 2 Nrn. 1, 2 und 4 BauGB zum Ausdruck kommen, mit den gegenläufigen privaten Belangen von Grundstückseigentümern im Plangebiet an einer Bebauung des rückwärtigen Teils ihres jeweiligen Grundstücks im Sinne des Planentwurfs ist offensichtlich fehlerhaft, denn sie beruht auf einer Verkennung der bauplanungsrechtlichen Qualität jedenfalls des im Plangebiet gelegenen Grundstücks Parzelle Nr. 4/1 (Kstraße 34) und der sich daraus ergebenden Bedeutung der durch Art. 14 I GG grundgesetzlich geschützten privaten Belange seiner Eigentümer.
Dieses Grundstück ist auch im rückwärtigen Bereich offensichtlich dem Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB zuzurechnen, da es mit diesem Teil nicht nur unmittelbar an Bebauung, sondern auch an den Straßenkörper der Straße A W angrenzt und – wie auch ein an der Grundstücksgrenze zur Straße befindliches Tor verdeutlicht - von dieser erschlossen wird. Für diesen Teil der Parzelle Nr. 4/1, für den bereits 1985 ein positiver Bauvorbescheid erteilt worden war, kann die Bebaubarkeit nicht unter Hinweis darauf, ein Bauen in zweiter Reihe sei unzulässig, da es dies bislang an keiner Stelle gebe, verneint werden. Denn eine Bebauung im rückwärtigen Teil des Grundstücks wäre kein Bauen in zweiter Reihe, da hierfür auf die erschließende Straße, also die Straße A W, und nicht auf die Kstraße abzustellen wäre; eine die Straße A W auf diesem Grundstück als "Riegel" abschließende Bebauung etwa wäre eine Straßenrandbebauung im Sinne der Argumentation der Antragsgegnerin. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass in diesem Fall die Parzelle Nr. 4/1 mit zwei Häusern bebaut wäre, denn die Eigentümer hätten ohnehin die Möglichkeit einer Teilung des Grundstücks gemäß § 19 BauGB und Schaffung eines eigenständigen Grundstücks im hinteren Bereich des jetzigen Grundstücks. Diese offensichtliche Baulandqualität des Grundstücks Parzelle Nr. 4/1 hat der Stadtrat der Antragsgegnerin jedenfalls nicht entsprechend der Bedeutung der sich hieraus ergebenden Belange seiner Eigentümer mit den gegenläufigen Belangen der "Anlieger" abgewogen.
Die Aufhebung der – nicht berücksichtigten - Bebaubarkeit dieses Grundstücks durch den Bebauungsplan lässt sich zudem nicht mit der Wohnruhe und Sicherheit der anderen Anlieger der Straße A W und Hstraße rechtfertigen. Zulässig sind im Innenbereich ohnehin nur Vorhaben, die den Vorgaben des § 34 BauGB Rechnung tragen. Dies schließt es grundsätzlich aus, dass die Anlieger durch neue zulässige Bebauung in unzumutbarer Weise belastet werden. Dafür, dass durch eine solche angemessene, sich einfügende Bebauung der Straßenverkehr in der Umgebung in nennenswertem Umfang ansteigen und die Wohnruhe der Anlieger unzumutbar stören würde, spricht nichts. Auch wenn die erschließende verkehrsberuhigte Straße A W sehr schmal ist und nur auf einer Straßenseite einen nicht erhöhten Bürgersteig hat, kann daher eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden. Dass von einer solchen Wohnnutzung unzumutbare Störungen ausgehen könnten, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Schließlich hat auch der Stadtrat der Antragsgegnerin sich nicht auf konkrete Feststellungen, die die Annahme zu befürchtender unzumutbarer Beeinträchtigungen rechtfertigten, gestützt. Soweit in der "Vorgezogenen Bürgerbeteiligung" von Anliegerseite die Befürchtung geäußert worden war, dass die Bebauung zu nahe an die – angrenzende - Bebauung der Straße A W rücken würde, ist zu sehen, dass eine bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprechende Bebauung grundsätzlich zulässig ist und größenmäßigen Gegebenheiten des nachbarlichen Grundstücks nicht Rechnung tragen muss. Insgesamt ist nichts dafür ersichtlich, dass den Anliegern insbesondere "westlich der Straße A W" ohne die angefochtene Satzung - den "sozialen Frieden im Wohnquartier" begründet in Frage stellende - Beeinträchtigungen drohten, die es rechtfertigen könnten, dass die Eigentümer der Kstraße 34 ihr Grundstück nur noch als private Grünfläche nutzen dürften.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass von der Antragsgegnerin die Grenzen planerischer Gestaltungsfreiheit bei der abschließenden Abwägung und bei dem auf ihr basierenden Ergebnis nicht beachtet wurden.
Der Normenkontrollantrag musste daher Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 II VwGO).
Beschluss
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird auf 25.000,- EUR festgesetzt (§ 52 I GKG 2004; vgl. bereits die vorläufige Festsetzung durch Beschluss vom 20.3.2006 – 2 N 2/06-).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.