Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 22. Feb. 2018 - 2 LA 61/16
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 21. April 2016 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
I. Der Kläger ist Bundesfeuerwehrmann und begehrt einen weiteren finanziellen Ausgleich für vom 1. Januar 2009 bis 31. Juli 2013 geleistete Mehrarbeit, bei der die Beklagte Bereitschaftszeiten bei der Mehrarbeitsvergütung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV nur zur Hälfte angerechnet hat. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
- 2
II. Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.
- 3
1. Die Berufung ist nicht wegen Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Abweichung muss einen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz betreffen und darf nicht allein in der fehlerhaften Anwendung eines obergerichtlichen Rechtssatzes bestehen. Die Darlegung des Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Antragsteller zum einen die Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen worden sein soll, sowie einen in dieser Entscheidung enthaltenen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz so bezeichnet, dass er ohne weiteres auffindbar ist. Zum anderen muss er einen gleichfalls entscheidungserheblichen ebenso abstrakten Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung anführen bzw. – soweit ein solcher in der Entscheidung nicht ausdrücklich ausgesprochen ist – herausarbeiten. Der Antragsteller hat ferner zu verdeutlichen, worin die geltend gemachte Abweichung zu sehen ist und warum die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/98 -, NordÖR 1999, 285 = NVwZ 1999, 1354 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
- 4
Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 (2 C 29.11 -, juris, Rn. 40 sowie 2 C 24.11 -, juris, Rn. 43) sowie vom 17. September 2015 (2 C 29.11 -, BVerwG 143, 381, Rn. 35) abweicht, erfüllt er die aufgezeigten Voraussetzungen einer Darlegung nicht. Ein der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entgegenstehender Rechtssatz in dem angegriffenen Urteil wird weder bezeichnet noch herausgearbeitet.
- 5
Darüber hinaus weicht das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht von den genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 26. Juli 2012 (aaO) zwar entschieden, dass eine Ermäßigung des Ausgleichs durch eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes bei einer Umwandlung in einen Geldausgleich unzulässig ist, weshalb die Mehrarbeitsvergütung nicht um ein Sechstel reduziert werden darf. Dieser Rechtssatz bezieht sich allerdings auf Freizeitausgleich bzw. Vergütung in Geld aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch sowie dem nationalrechtlichen Ausgleichsanspruch aus Treu und Glaube wegen rechtswidriger Zuvielarbeit. Gleiches gilt für das ebenfalls benannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2015 (2 C 29.11 -, juris, Rn. 67 ff). Zur Vergütung einer rechtmäßigen Mehrarbeit nach der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung enthalten die zitierten Entscheidungen keine Aussagen.
- 6
2. Eine Zulassung der Berufung kommt nach den Darlegungen des Klägers auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Betracht. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Um diese Bedeutung darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Zudem ist darzustellen, dass sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22. November 2017 - 2 LA 117/15 -, Rn. 19, juris). Diesen Anforderungen an die Darlegung werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht.
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Die Frage, „ob und in welchem Umfang Mehrarbeit von Beamten der Bundesfeuerwehr bei Ableistung von Arbeitszeit auch im Rahmen von Bereitschaftsdiensten zu gewähren ist“, genügt den dargelegten Anforderungen nicht. Sie ist bereits unverständlich. Es ist nicht ersichtlich, worauf der Kläger mit dieser Frage abzielt.
- 8
Die Frage, „ob die Unterscheidung des Beklagten bei der arbeitszeitrechtlichen und besoldungsrechtlichen Bewertung der geleisteten Bereitschaftsdienste zulässig ist, mit dem Ergebnis, dass Bereitschaftsdienst nur zur Hälfte als Mehrarbeit vergütet wird“, hat keine grundsätzliche Bedeutung im dargelegten Sinn, da sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit Urteil vom 29. April 2004 (2 C 9.03) entschieden, dass es zulässig ist, dass die Mehrarbeitsvergütung für Bereitschaftsdienst nicht die Höhe der Mehrarbeitsvergütung für Volldienst erreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 -, juris, Rn. 14). Unionsrecht gebietet im Hinblick auf die Vergütung nicht die Gleichstellung von Mehrarbeit ohne Rücksicht darauf, ob sie als Volldienst oder als Bereitschaftsdienst geleistet wird. Zwar ist nach dem Recht der Europäischen Union Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu qualifizieren. Unionsrecht regelt indessen nicht die Entlohnung für als Mehrarbeit erbrachten Bereitschaftsdienst. Aus den arbeitszeitrechtlichen Schutzvorschriften ergibt sich auch mittelbar kein Anspruch darauf, dass Bereitschaftsdienst wie Volldienst zu vergüten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 -, juris, Rn. 15; zudem allgemein BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 - juris, Rn. 16). Das vom Kläger zitierte Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 (C-303/98, zit. nach juris) enthält keine Aussagen zur Vergütung von Mehrarbeit, sondern bezieht sich allein auf die arbeitszeitliche Einordnung von Bereitschaftszeiten.
- 9
3. Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Ernstliche Zweifel bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Senats, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/98 -, juris, Rn. 21). Die Zweifel müssen das Ergebnis der Entscheidung betreffen (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 4 M 102/99). Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigt das Zulassungsvorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der angegriffenen Entscheidung.
- 10
Soweit der Kläger rügt, er habe einen Anspruch auf Ausgleich der vom ihm im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Juli 2013 geleisteten Mehrarbeit, ist dies für den Zeitraum über dem 30. Oktober 2012 hinaus bereits unerheblich. Das Verwaltungsgericht stützt die Ablehnung etwaiger Ansprüche auf weitere Vergütung für diesen Zeitraum zum einem auf eine Unzulässigkeit der Klage und zum anderen auf die Unbegründetheit der erhobenen Ansprüche. Der Kläger wendet sich indes nicht gegen den selbständig tragenden Ablehnungsgrund der Unzulässigkeit der Klage.
- 11
Hinsichtlich der Ansprüche vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Oktober 2012 greifen die Einwände des Klägers nicht durch. Dass eine Vergütung dem Volldienst entsprechend zu erfolgen habe, weil der Freizeitausgleich von Mehrarbeit im Verhältnis von 1:1 erfolgen müsse, folgt weder aus nationalem noch aus europäischem Recht.
- 12
Grundlage für die Vergütung von Bereitschaftszeiten in Mehrarbeit ist § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV. Danach wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Mehrarbeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt; dabei ist schon die Ableistung eines Dienstes in Bereitschaft als solche in jeweils angemessenem Umfang anzurechnen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 BMVergV ist mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004, aaO, Rn. 13). Die Regelung beruht auf der in § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung. § 48 Abs. 1 Satz 3 BBesG bestimmt, dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit zu richten hat, was Raum für eine sich von der Arbeitszeit lösende Betrachtung eröffnet (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. August 2015 - 1 A 419/14 -, juris, Rn. 85).
- 13
Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation, dass zwischen der arbeitszeitlichen, vollen Anerkennung von Bereitschaftsdienstzeiten und deren Vergütung zu unterscheiden ist. Mit der Mehrarbeitsvergütung wird nicht die zeitliche Mehrarbeit des Beamten abgegolten. Dies wäre eine unzulässige Überstundenvergütung, die gerechterweise mindestens den rechnerisch auf eine Stunde entfallenden Anteil der Besoldung ausmachen müsste. Bei der Mehrarbeitsvergütung handelt es sich vielmehr um eine Abgeltung dafür, dass dem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. August 2015 - 1 A 419/14 -, juris, Rn. 87, zudem Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: November 2016, § 88 Rn. 34).
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Die Vergütung der Bereitschaftsdienstzeiten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV widerspricht auch nicht dem Unionsrecht. Denn ein Übergriff des Gemeinschaftsrechts auf das Besoldungsrecht ist ausgeschlossen, weshalb der nationale Gesetzgeber die Mehrarbeitsvergütung für Bereitschaftsdienst niedriger ansetzen kann als für den Volldienst (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 -, juris, Rn. 16).
- 15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 16
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
- 17
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
- 18
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Urteilsbesprechung zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 22. Feb. 2018 - 2 LA 61/16
Urteilsbesprechungen zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 22. Feb. 2018 - 2 LA 61/16
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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 22. Feb. 2018 - 2 LA 61/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Als Mehrarbeitsstunde im Sinne der §§ 3 und 4 Absatz 1 und 2 sowie § 4a gilt die volle Zeitstunde. Hiervon abweichend wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt; dabei ist schon die Ableistung eines Dienstes in Bereitschaft als solche in jeweils angemessenem Umfang anzurechnen.
(2) Bei Mehrarbeit im Schuldienst beträgt die Mindeststundenzahl nach § 3 Absatz 1 Nummer 4 drei Unterrichtsstunden. § 3 Absatz 2 gilt entsprechend.
(3) Ergibt sich bei der monatlichen Mehrarbeitsstundenberechnung ein Bruchteil einer Stunde, so werden 30 Minuten und mehr auf eine volle Stunde aufgerundet, weniger als 30 Minuten bleiben unberücksichtigt.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichterin - vom 14. Oktober 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Schimmelpilzsporenvergiftung als Dienstunfall. Er ist seit dem 1. August 2003 Leiter der Polizeistation …, die sich seit Dezember 2004 in den Räumlichkeiten des alten … Rathauses befand. Das Land Schleswig-Holstein mietete diese Räumlichkeiten - mit Ausnahme der Kellerräume - an. In den Kellerräumen wurde am 26. November 2010 im Rahmen der Reparatur eines Wasserrohrbruchs Schimmelbefall festgestellt. Eine mikrobiologische Untersuchung durch eine Fachfirma ergab, dass die Innenraumluft der Dienststelle stark mit Schimmelpilzsporen der Art „Chaetomium“ und „Stachybotrys“ (Schwarzschimmel) belastet war. Bereits ab dem 29. November 2010 war die Polizeistation ausquartiert worden.
- 2
Der Kläger meldete im Dezember 2010 eine bei ihm aufgetretene Schimmelpilzallergie als Dienstunfall. Der Beklagte lehnte die Anerkennung der Schimmelpilzallergie als Dienstunfall mit Bescheid vom 19. Juni 2013 ab. Gegen den aufgrund seines Widerspruchs ergangenen Widerspruchsbescheid vom 20. März 2014 hat er Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 14. Oktober 2015 - dem Kläger zugestellt am 30. Oktober 2015 - die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 23. November 2015 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.
II.
- 3
Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
- 4
1. Nach dem Vorbringen des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 14. Oktober 2015. Ernstliche Zweifel bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Senats, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/98 -, juris, Rn. 21). Die Zweifel müssen das Ergebnis der Entscheidung betreffen (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 4 M 102/99 -).
- 5
Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigt das Zulassungsvorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Seine Einwände gegen die Abweisung des Hauptantrages und der Hilfsanträge führen nicht zu einem anderen Ergebnis.
- 6
a) Eine Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Dienstunfall nach § 34 Abs. 3 SH BeamtVG kommt nicht in Betracht. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 SH BeamtVG gilt eine Erkrankung eines Beamten als Dienstunfall, wenn der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Vorschrift soll dabei nicht die Folgen jeglicher Krankheiten abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 -, juris, Rn. 17 zur Parallelvorschrift des Bundes § 31 Abs. 3 BeamtVG). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet. Es ist vielmehr ausreichend, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt. Es kommt also maßgebend darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Erkrankung in sich birgt (zum Vorstehendem BVerwG, Urteile vom 9. November 1960 - 6 C 144.58 -, BVerwGE 11, 229, 232 f. und vom 4. September 1969 - 2 C 106.67 -, BVerwGE 34, 4 jeweils zu § 135 Abs. 3 BBG a.F; Beschluss vom 15. Mai 1996 - 2 B 106.95 -, juris, zu § 31 BeamtVG).
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Die polizeidienstliche Tätigkeit des Klägers birgt nicht eine hohe Wahrscheinlichkeit der durch eine Schimmelpilzsporenvergiftung auftretenden Erkrankungen in sich. Diese Erkrankungen resultierten vielmehr aus der Beschaffenheit der Diensträume und der Tatsache, dass der Kläger seinen Dienst in diesen Räumen verrichtete. Die Auffassung des Klägers, die Art der dienstlichen Verrichtung werde auch durch die Rahmenbedingungen geprägt, unter denen der Beamte seinen Dienst verrichte und die der Beamte nicht beeinflussen könne, greift nicht durch. Denn gesundheitliche Beschwerden, die auf die besondere räumliche Beschaffenheit der Diensträume zurückzuführen sind, stellen keine typische Folge des konkreten Dienstes dar (so auch für § 31 BeamtVG OVG Münster, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 21 A 2244/07 -, juris; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 31 BeamtVG, Rn. 187, Erg.Lfg. Stand November 2017; Kümmel, Beamtenversorgungsgesetz, § 31, Rn. 40, 41. Erg.Lfg. Stand Oktober 2017).
- 8
Nach diesen Maßstäben ist der weitere Einwand des Klägers, der Beklagte sei als Dienstherr auch verpflichtet aus Gründen der Fürsorge ein Dienstzimmer in ordnungsgemäßem Zustand zu übergeben, bei der Frage der Anerkennung einer Erkrankung als Dienstunfall iSv § 34 Abs. 3 Satz 1 SH BeamtVG ohne Bedeutung.
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b) Weiterhin kann sich der Kläger hinsichtlich des Hilfsantrags zu 1. nicht mit Erfolg auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils berufen.
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Ungeachtet der Frage, ob das Verwaltungsgericht den Hilfsantrag beanstandungsfrei wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen hat, hat es zu Recht alternativ und damit tragend die Entscheidung darauf gestützt, dass der Antrag unbegründet wäre, weil dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zusteht. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 -, juris, Rn. 64) die Verletzung einer gegenüber dem Beamten bestehenden Fürsorgepflicht, ein dem Dienstherrn zurechenbares Verschulden seiner Organe sowie die adäquat-kausale Verursachung des Schadens durch die Fürsorgepflichtverletzung.
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Die Voraussetzungen für eine Verletzung der den Beklagten als Dienstherrn treffenden Fürsorgepflicht aufgrund des vom Kläger geltend gemachten Sachverhalts sind nicht gegeben. Daran ändert auch der Einwand des Klägers nichts, bei einer Begehung der Dienststelle unter Beteiligung eines Betriebsarztes wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der muffige Geruch entdeckt und dem Anfangsverdacht für eine Schimmelbildung nachgegangen worden. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass den öffentlich-rechtlichen Dienstherrn entsprechend der für Dienstverträge des privaten Rechts geltenden Bestimmung des § 618 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Pflicht trifft, eine Gesundheitsbeeinträchtigung eines Beamten am Arbeitsplatz durch Einwirkungen im Rahmen des Möglichen zu unterbinden. Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergibt sich ein Anspruch des Beamten auf Schutz nicht nur vor sicher erkannten, sondern auch vor ernstlich möglichen Beeinträchtigungen seiner Gesundheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 1984 - 2 C 33.82 -, juris). Entsprechend dem auf Beamte unmittelbar anwendbaren Arbeitsschutzgesetz (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG) hat der Dienstherr die Arbeit zudem so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird (vgl. § 4 Nr. 1 ArbSchG).
- 12
Jedoch hat der Kläger eine Pflichtverletzung des Beklagten weder dargetan noch ist diese sonst ersichtlich. Weder für die Polizeidirektion Schleswig-Holstein West noch für das für die Anmietung der Räume zuständige Gebäudemanagement Schleswig-Holstein bestand hier in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Anlass zu Nachforschungen auf Schimmelbefall in den Räumlichkeiten. Ohne einen solchen Anlass fällt es nicht in die Pflicht des Dienstherrn, geschultes Fachpersonal für Schimmelbefall bei einer Begehung mitzuführen. Zudem ist es zweifelhaft, ob ein Betriebsarzt - wie vom Kläger behauptet - einen muffigen Geruch erkannt hätte, da dieser nicht einmal von den Bediensteten bemerkt worden ist.
- 13
Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht ausgeführt, dass es dem Beklagten außerdem zudem nicht möglich war, den Schimmelbefall bei einer Begehung zu erkennen, weil die vom Schimmel befallenen Kellerräume nicht von der Miete erfasst waren. Auch ist der Beklagte seiner Fürsorgepflicht umgehend nachgekommen, indem er nach Kenntnis über den Schimmelbefall innerhalb eines Wochenendes die Polizeistation umquartieren ließ.
- 14
Da es bereits an der Fürsorgepflichtverletzung fehlt, kommt es auf ein Verschulden und eine etwaige Mitwirkungspflicht des Klägers nicht an.
- 15
c) Auch die Einwände des Klägers gegen die Ablehnung des Hilfsantrags zu 2. auf Abtretung von Ansprüchen des Beklagten gegen die Gemeinde … ergeben keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
- 16
Selbst wenn das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers dahingehend hätte auslegen müssen, dass er lediglich die Abtretung von Ansprüchen aus dem Mietvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Gemeinde … seine Person betreffend begehrt hat, hätte sein Antrag dennoch keinen Erfolg gehabt. Der Kläger hat etwaige Ansprüche nicht dargelegt. Zunächst hat er bereits eigene Ansprüche aus mietrechtlichen Mängelansprüchen (etwa § 536a BGB), die er gegen die Gemeinde … als Vermieter geltend machen könnte. Denn als schutzberechtigter Dritter ist er in die Schutzwirkung des Mietvertrages zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Gemeinde … einbezogen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08 -, juris, Rn. 18 ff., m.w.N., stRspr.). Aus diesem Grunde scheidet auch eine Drittschadensliquidation aus. Darüber hinaus hat der Kläger etwaige (weitere) Ansprüche, die abgetreten werden könnten, nicht annähernd dargelegt.
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2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht gegeben. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten weist ein Verfahren dann auf, wenn es voraussichtlich in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht größere, also überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, d.h. wenn seine Beurteilung voraussichtlich im Verhältnis zu den Standards verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen überdurchschnittliche Anforderungen stellt. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine einzelfallbezogene Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, indem die besonderen Schwierigkeiten als solche zu benennen sind. Es ist aufzuzeigen, aus welchen Gründen sich diese in ihrer Bewertung von den durchschnittlichen Schwierigkeiten eines Verwaltungsrechtsstreits abheben (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 6. März 2017 – 3 LA 113/15 – juris Rn. 36 m.w.N.).
- 18
Der Kläger hat in rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten dargelegt, die über das allgemein übliche Maß hinausgehen. Er beruft sich einzig auf die Auslegung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Satz 1 SH BeamtVG. Die Frage, was unter die „Art der dienstlichen Verrichtung“ fällt, weist hingegen keine besondere rechtliche Schwierigkeit auf, denn diese Frage ist in der Rechtsprechung geklärt. Darüber hinaus ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Rechtssache keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, wenn an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bereits keine ernstlichen Zweifel bestehen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Februar 1997 - 8 S 375/97 -, juris, Rn. 9; Hessischer VGH, Beschluss vom 8. Dezember 2006 - 1 ZU 231/06 -, juris, Rn. 6).
- 19
3. Der Kläger kann sich schließlich nicht auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) berufen. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche
oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Um diese Bedeutung darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Zudem ist darzustellen, dass sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 27. April 2017 - 3 LA28/16 -, juris, Rn. 10).
- 20
Gemessen an diesen Maßstäben ist die sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers ergebende Frage,
- 21
ob das Tatbestandsmerkmal „Art der dienstlichen Tätigkeit“ in § 34 Abs. 3 Satz 1 SH BeamtVG dahingehend auszulegen ist, dass es allein die spezifische, zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit des Beamten betrifft und nur solche Erkrankungen erfasst, die sich als typische Folge des konkreten Dienstes darstellen, oder ob auch die sonstigen dienstlichen Bedingungen wie etwa die Beschaffenheit der Diensträume erfasst,
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nicht klärungsbedürftig
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und die Frage,
- 24
ob der Dienstherr aus Gründen der Fürsorge verpflichtet ist, die Dienststelle des Beamten regelmäßig auf gesundheitsschädigende Einflüsse zu untersuchen,
- 25
nicht entscheidungserheblich.
- 26
Wie bereits ausgeführt, ist die Frage der Auslegung der „Art der dienstlichen Tätigkeit“ höchstrichterlich (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 1996 - 2 B 106.95 -, juris) bereits in grundsätzlicher Hinsicht zur gleichlautenden Vorschrift des Bundesrechts (§ 31 Abs. 3 BeamtVG) geklärt, so dass es an einer Klärungsbedürftigkeit fehlt.
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Die Frage zum Umfang der Fürsorgepflicht ist bereits nicht entscheidungserheblich.
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Die Klärung der Frage, ob eine Pflicht des Dienstherrn besteht, die Diensträume regelmäßig auf gesundheitsschädliche Einflüsse zu untersuchen, ändert an der Ergebnisrichtigkeit der vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung nichts. Für den Beklagten bestand nicht die Möglichkeit, die vom Schimmel befallenen Kellerräume zu untersuchen, da diese nicht vom Mietverhältnis erfasst waren.
- 29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 30
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
- 31
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
- 32
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Als Mehrarbeitsstunde im Sinne der §§ 3 und 4 Absatz 1 und 2 sowie § 4a gilt die volle Zeitstunde. Hiervon abweichend wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt; dabei ist schon die Ableistung eines Dienstes in Bereitschaft als solche in jeweils angemessenem Umfang anzurechnen.
(2) Bei Mehrarbeit im Schuldienst beträgt die Mindeststundenzahl nach § 3 Absatz 1 Nummer 4 drei Unterrichtsstunden. § 3 Absatz 2 gilt entsprechend.
(3) Ergibt sich bei der monatlichen Mehrarbeitsstundenberechnung ein Bruchteil einer Stunde, so werden 30 Minuten und mehr auf eine volle Stunde aufgerundet, weniger als 30 Minuten bleiben unberücksichtigt.
(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung (§ 88 des Bundesbeamtengesetzes) für Beamte zu regeln, soweit die Mehrarbeit nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen wird. Die Vergütung darf nur für Beamte in Bereichen vorgesehen werden, in denen nach Art der Dienstverrichtung eine Mehrarbeit messbar ist. Die Höhe der Vergütung ist nach dem Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit festzusetzen. Sie ist unter Zusammenfassung von Besoldungsgruppen zu staffeln; für Teilzeitbeschäftigte können abweichende Regelungen getroffen werden.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer Ausgleichszahlung in Höhe der zum Zeitpunkt des Ausgleichsanspruchs geltenden Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte zu regeln, bei denen ein Arbeitszeitausgleich aus einer langfristigen ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit, während der eine von der für sie jeweils geltenden regelmäßigen Arbeitszeit abweichende Arbeitszeit festgelegt wurde, nicht oder nur teilweise möglich ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Der Kläger steht – nach im Juli 2009 erfolgter Beförderung zum Polizeihauptkommissar (BesGr. A 11 BBesO) seit April 2012 im Amt eines Polizeihauptkommissars beim Bundespolizeipräsidium (BesGr. A 12 BBesO) – bei der Bundespolizei in den Diensten der Beklagten. Das Bundespolizeipräsidium war mit seinem Referat 44 – SIK („Sicherheitsaufgaben in Krisengebieten“) zuständig für den Schutz des deutschen Botschafters und weiterer Schutzpersonen in Krisengebieten. Im Rahmen solcher Schutzaufgaben wurde der Kläger mehrfach zeitlich befristet zum Auswärtigen Amt abgeordnet, um als Personenschutzbeamter bei den Deutschen Botschaften in Kabul und Bagdad eingesetzt zu werden. Während dieser Abordnungen erhielt der Kläger Auslandsdienstbezüge (Auslandszuschlag, Zuschlag zur Abgeltung außergewöhnlicher immaterieller Belastungen und eine Aufwandsentschädigung).
3Im Rahmen dieser Abordnungen fiel regelmäßig Mehrarbeit an. Diese glich der Kläger in Deutschland durch Freizeit aus. Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten bis Juni 2010 wurden die Abordnungen für die Zeiten des Freizeitausgleichs aufrechterhalten und währenddessen Auslandsdienstbezüge weitergewährt.
4Da die Mehrarbeit der Personenschutzbeamten ein großes Ausmaß annahm, sollte sie beschränkt werden. Das Bundespolizeipräsidium nahm dazu mit Schreiben vom 15. Februar 2010 gegenüber dem Bundesministerium des Innern u. a. wie folgt Stellung: Aufgrund der besonderen Umstände an den Botschaften Kabul und Bagdad sei eine 7-Tage-Woche die Regel. Dies führe in erheblichem Umfang zu unvermeidbarer Mehrarbeit, welche die Bundespolizisten aus dienstlichen Gründen nicht am Ort durch Freizeitausgleich abgelten könnten. Die Personenschützer bei den Botschaften Bagdad und Kabul verrichteten Dienst nach einem Dienstplan, der wegen der extremen, mit keinem anderen Dienstposten des Auswärtigen Amtes vergleichbaren Bedrohungslage die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht immer in vollem Umfang zulasse. Der jeweilige Botschafter ordne im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung in erheblichem Umfang Mehrarbeit an. Am 14. Dezember 2009 sei im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Auswärtigen Amt die Abrechnungsmodalität „Flatrate 500“ vereinbart worden. Danach werde die generelle Anordnung von Tagesdienst ersatzlos gestrichen und ein festes Stundenkontingent auf Basis eines Musterdienstplans angesetzt. Diesem liege folgende Annahme zugrunde: Ein Arbeitstag bestehe aus 8,5 h Volldienst + 4,5 h Bereitschaftsdienst mit 50% + 11 h Rufbereitschaft mit 12,5% = 12,125 h Volldienst. Ein Freitag bestehe aus 6 h Volldienst + 7 h Bereitschaftsdienst mit 50% + 11 h Rufbereitschaft mit 12,5% = 10,875 h Volldienst. Ein Wochenende bestehe aus 0 h Volldienst + 10 h Bereitschaftsdienst mit 50% + 14 h Bereitschaft mit 12,5% = 6,75 h Volldienst. Bei einer Verwendungsdauer von 3 Monaten ergäben sich gerundet 500 Stunden.
5In einer E-Mail vom 24. Februar 2010 schrieb Polizeidirektor Q. , damals Leiter des Referates 44 beim Bundespolizeipräsidium betreffend Sicherheitsaufgaben in Krisengebieten sowie Gewährleistung des Personenschutzes der Botschafter an ausgewählten Botschaften, an eine Mailadresse des Hausordnungs- und Objektschutzdienstes (HOD) der Botschaft Bagdad sowie nachrichtlich an zwei Mailadressen der Botschaft Kabul, an das allgemeine Funktionspostfach des Geschäftszimmers der Arbeitseinheit SIK, an Ersten Polizeihauptkommissar L. , damals Leiter des Bereichs „Aus- und Fortbildung der Arbeitseinheit SIK“, und an das Referat 44 u. a. Folgendes: Wegen der Vielzahl an Stunden des letzten Teams in Kabul dürfe keine Mehrarbeit mehr anfallen und er untersage ausdrücklich die Anwendung eines Verfahrens, das dieser Weisung zuwiderlaufe. Er könne noch nicht sagen, wie zukünftig jeweils abgerechnet werde, aber er habe den Auftrag, den weiteren Aufbau von Mehrarbeit zu unterbinden. Dies sei bindend und eine unmissverständliche Weisung des Bundesministeriums des Innern. Im Zeitnachweis bitte er für jede Einzelperson an jedem Tag darzulegen, welche Tätigkeiten im Einzelnen erfolgt seien und warum in dieser Zeit keine Gelegenheit gewesen sei, nicht Dienst zu machen. Bei der Entwicklung eines funktionsorientierten Schichtplans für den Personenschutz sei u. a. davon auszugehen, dass wegen des Selbstverständnisses der Personenschützer eine ständige Einsatzbereitschaft nicht gesondert angeordnet werden müsse. Die eigene Einsatzbereitschaft sei jederzeit zu gewährleisten. Eine Vergütung werde nicht gewährt. Das Mitführen der persönlichen Schutzausrüstung, Bewaffnung und die unmittelbare Erreichbarkeit über Funk seien aus Gründen der Eigensicherung ständig zu gewährleisten. Bereitschaftsstunden für den Personenschutz seien gestrichen.
6Durch Erlass des Auswärtigen Amtes zur Änderung des Abgeltungsverfahrens betreffend die Mehrarbeit der HOD‑/Personenschutzbeamten der Bundespolizei (SIK) vom 3. Juni 2010 wurde die Verwaltungspraxis zur Abgeltung von Mehrarbeit geändert. Danach fand ein Freizeitausgleich ohne Verlängerung der Abordnungen und ohne Weiterzahlung der Auslandsdienstbezüge statt. In dem Erlass heißt es außerdem, zusätzliche lagebedingte Bereitschaftsdienste seien auf ein unter Anlegung eines strengen Maßstabes, auch hinsichtlich der Zahl der betroffenen Beamten, unvermeidbares Maß zu begrenzen. Durch diese Dienste anfallende Überstunden seien vor Ort soweit möglich durch Freizeitausgleich auszugleichen. Eine finanzielle Kompensation von Überstunden, die während der Abordnung anfielen, sei nicht möglich.
7Diese Änderung der Abgeltungspraxis wurde nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten den betroffenen Personenschutzbeamten jeweils vor deren Ausreise bekannt.
8Mit Erlass vom 20. April 2012 teilte das Auswärtige Amt u. a. den Botschaften in Bagdad und Kabul die künftig geltenden Regelungen zur Mehrarbeit der Personenschutzkräfte mit. Danach wurde die Höchstzahl der Mehrarbeit und des Ausgleichs für angeordnete Rufbereitschaft auf 81 Stunden monatlich beschränkt. Rufbereitschaft sollte nur noch anlassbezogen angeordnet werden, um konkreten, über die allgemeine Bedrohungslage hinausgehenden Gefahren für die Auslandsvertretungen zu begegnen. Eine anlassunabhängige, pauschale Rufbereitschaft wurde als nicht erforderlich angesehen, weil „die Erreichbarkeit der Kräfte in unvorhergesehenen Notfällen ohnehin gewährleistet“ sei. Mehrarbeit werde in den letzten Wochen der Abordnung zum Auswärtigen Amt durch Freizeitausgleich im Inland abgegolten. Nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat werden während des Freizeitausgleichs im Inland für die genannten 81 Stunden Auslandsdienstbezüge gewährt.
9Der Kläger unterzeichnete im Zusammenhang mit seinen hier in Rede stehenden Auslandseinsätzen (undatierte) vorformulierte Erklärungen. Er gab dabei an, von im Text dieser Erklärungen näher aufgeführten Bedingungen seines Einsatzes Kenntnis zu haben; Ziffer 10 der Erklärung, welche sich auf Mehrarbeit bezog, strich er durch. Danach galt Folgendes: Mehrarbeit, die der Kläger während seiner Zuteilung zu einer Auslandsvertretung aufgrund besonderer Umstände oder wegen besonderer Sicherheitserfordernisse auf Anordnung eines Fachvorgesetzten leisten müsse, werde während des Auslandseinsatzes (Dauer der Zuteilung zu einer Auslandsvertretung) durch entsprechenden Freizeitausgleich am Dienstort, der von der Auslandsvertretung gewährt werde, abgegolten; eine finanzielle Abgeltung (Mehrarbeitsvergütung) könne nicht neben Auslandsdienstbezügen, die der Kläger während seiner Auslandsverwendung erhalte, gewährt werden; eine Verlängerung der Zuteilung zu einer Auslandsvertretung nur zum Zwecke einer Abgeltung von Mehrarbeit sei ausgeschlossen.
10Mit Verfügung vom 8. September 2010 ordnete das Bundespolizeipräsidium den Kläger mit Wirkung vom 6. Oktober 2010 zum Auswärtigen Amt ab und teilte ihn der Deutschen Botschaft in Kabul für die Dauer von voraussichtlich drei Monaten als Personenschützer – stellvertretender Kommandoführer – zu. Unter dem 16. November 2010 verfügte das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit der Bundespolizei die Aufhebung dieser Abordnung mit Ablauf des 3. Januar 2011. Eine entsprechende Aufhebungsverfügung erging unmittelbar seitens des Bundespolizeipräsidiums unter dem 29. November 2010.
11Die Deutsche Botschaft in Kabul bescheinigte dem Kläger auf von ihm unterschriebenen Stundenauflistungen, in der Zeit seiner vorgenannten Verwendung dort insgesamt 457 Stunden Mehrarbeit geleistet zu haben. Davon entfielen 34 Stunden auf „Bereitschaft 50 %“; diese wurden nur hälftig, also im Umfang von 17 Stunden angesetzt. Der Rest betraf Überstunden (zum Teil verrechnet mit Minusstunden).
12Mit Verfügung vom 18. Mai 2011 ordnete das Bundespolizeipräsidium den Kläger mit Wirkung vom 25. Mai 2011 erneut an das Auswärtige Amt ab und teilte ihn der Deutschen Botschaft in Bagdad für die Dauer von voraussichtlich drei Monaten als Personenschützer – stellvertretender Kommandoführer – zu. Unter dem 29. Juli 2011 verfügte das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit der Bundespolizei die Aufhebung der Abordnung mit Ablauf des 13. August 2011; eine weitere, gleichlautende Aufhebungsverfügung erging unmittelbar seitens des Bundespolizeipräsidiums unter dem 17. August 2011.
13Die Deutsche Botschaft in Bagdad bescheinigte dem Kläger auf von ihm unterschriebenen Stundenauflistungen, in der Zeit seiner vorgenannten Verwendung dort insgesamt 492,4 Stunden Mehrarbeit geleistet zu haben. Davon entfielen auf eine für den Gesamtzeitraum durchgängig, dabei für die jeweiligen Tage aber in unterschiedlichem Umfang angesetzte Rufbereitschaft 1.195 Stunden, die zu 1/8 berücksichtigt wurden, also nur mit 149,3 Stunden. Die übrigen bescheinigten Stunden bezogen sich auf Überstunden. Der Abordnungszeitraum des Klägers fiel dabei mit einem Zeitraum zusammen, für den der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bagdad adressiert an das „SIK-Team 7 Bagdad“ unter dem 25. Mai 2011 im Zusammenhang mit erforderlichen Sicherheitsarbeiten an der Botschaft Bagdad „Mehrarbeit im erforderlichen Umfang“ (nicht weiter spezifiziert) schriftlich angeordnet hatte.
14Die Bundespolizei gewährte dem Kläger bezogen auf seine Zuteilung in Kabul Freizeitausgleich im Umfang von 348 Stunden; weitere 109 Stunden wurden seinem Zeitkonto gutgeschrieben. Für Bagdad wurden dem Zeitkonto des Klägers 483,8 Stunden gutgeschrieben, die weiterhin für einen Freizeitausgleich zur Verfügung stehen.
15Gegen die Aufhebungsverfügung des Auswärtigen Amtes vom 16. November 2010 erhob der Kläger unter dem 10. Dezember 2010, gegen diejenige vom 29. Juli 2011 unter dem 12. September 2011 Widerspruch; die betreffenden Bescheide enthielten jeweils keine Rechtsbehelfsbelehrung. Gegen die entsprechenden, ebenfalls ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangenen Verfügungen des Bundespolizeipräsidiums vom 29. November 2010 und vom 17. August 2011 erhob der Kläger mit Schreiben vom 15. November 2011 Widerspruch. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, ihm werde durch die frühzeitige Aufhebung der Abordnungen die Möglichkeit genommen, den Freizeitausgleich unter den Bedingungen erhalten zu können, die auch für die Zeit der Verwendung an den Botschaften Geltung beansprucht hätten, namentlich unter Weitergewährung der Auslandsbesoldung für diese Zeit. Das widerspreche der bisherigen Praxis wie auch gegebenen Zusagen, auf deren Fortgeltung er vertraut habe. Die hohe Auslandsvergütung auch für die Zeit der Gewährung des Freizeitausgleichs im Inland sei für ihn Anreiz und Motivation gewesen, sich für den Einsatz in einem extremen Krisengebiet zu bewerben.
16Am 7. März 2012 hat der Kläger Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Jenes Gericht hat sich mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.
17Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens im Vorverfahren im Kern geltend gemacht: Der permanente Aufenthalt der Personenschutzkräfte auf dem jeweiligen Botschaftsgelände sei auf die dienstliche Notwendigkeit zurückzuführen gewesen, sich für einen jederzeitigen Einsatz bereit zu halten. In diesem Sinne hätten die Personenschutzkräfte vom Referat 44 des Bundespolizeipräsidiums die Anweisung erhalten, dass der Schutz von Leib und Leben des Botschafters und die Aufrechterhaltung seiner persönlichen Handlungsfreiheit unter Berücksichtigung der aktuellen Sicherheitslage höchste Priorität hätten. Einer weiteren gesonderten Anordnung durch die Leitungen der betroffenen Botschaften habe es insoweit nicht bedurft. Wegen des Selbstverständnisses, jederzeit die eigene Einsatzbereitschaft zu gewährleisten, sei auch die Ausrüstung immer griffbereit zu halten gewesen. Dabei sei auch außerhalb der eigentlichen Einsatzzeiten typischerweise und lagebedingt mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen gewesen. Auch jene Zeiten seien deswegen als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren und in vollem Umfang auszugleichen.
18In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die vom Auswärtigen Amt verfügten Aufhebungen der streitbefangenen Abordnungen aufgehoben. In diesem Umfang haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
19Der Kläger hat beantragt,
201.1 die Beklagte zu verurteilen, ihm für die in der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 3. Januar 2011 geleistete Mehrarbeit Freizeitausgleich in einem Umfang von weiteren 1.157 Stunden zu gewähren;
211.2 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides des Bundespolizeipräsidiums vom 29. November 2010 seine Abordnung zum Auswärtigen Amt und seine Zuteilung an die Deutsche Botschaft in Kabul für denjenigen Zeitraum weiterzuführen, der der Dienstbefreiung zur Abgeltung der im Rahmen seiner Abordnung zum Auswärtigen Amt und Zuteilung an die Deutsche Botschaft in Kabul in der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 3. Januar 2011 geleisteten Mehrarbeit von 1.613,5 Stunden entspricht;
221.3 die Beklagte zu verurteilen, ihm während der Dienstbefreiung zur Abgeltung der im Rahmen seiner Abordnung zum Auswärtigen Amt und Zuteilung an die Deutsche Botschaft in Kabul in der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 3. Januar 2011 geleisteten Mehrarbeit von 1.613,5 Stunden die während dieses Zeitraums bezogene Auslandsbesoldung (Auslandszuschlag gemäß § 53 BBesG nach Grundgehaltsspanne 6, Zonenstufe 20 der Tabelle in Anlage VI.1 zu § 53 Abs. 2 Satz 1 BBesG, wegen der Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer Gemeinschaftsunterkunft gemäß § 53 Abs. 2 Satz 4 BBesG auf 85 vom Hundert gemindert, in Höhe von 2.463,78 Euro brutto monatlich (dies betrifft 1.,575,5 Stunden), ab dem 1. Januar 2011 in Höhe von 2.475,60 Euro brutto monatlich (dies betrifft 38 Stunden), Zuschlag zur Abgeltung außergewöhnlicher immaterieller Belastungen nach § 53 Abs. 1 Satz 5 BBesG in Verbindung mit § 2 AuslZuschlV in Höhe von 700,00 Euro brutto monatlich, Aufwandsentschädigung in Höhe von 92,00 Euro brutto monatlich) zu zahlen;
232.1 die Beklagte zu verurteilen, ihm für die in der Zeit vom 25. Mai 2011 bis zum 13. August 2011 geleistete Mehrarbeit Freizeitausgleich in einem Umfang von weiteren 1.044,7 Stunden zu gewähren;
242.2 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides des Bundespolizeipräsidiums vom 17. August 2011 seine Abordnung zum Auswärtigen Amt und seine Zuteilung an die Deutsche Botschaft in Bagdad für denjenigen Zeitraum weiterzuführen, der der Dienstbefreiung zur Abgeltung der im Rahmen seiner Abordnung zum Auswärtigen Amt und Zuteilung an die Deutsche Botschaft in Bagdad in der Zeit vom 25. Mai 2011 bis zum 13. August 2011 geleisteten Mehrarbeit von 1.538 Stunden entspricht;
252.3 die Beklagte zu verurteilen, ihm während der Dienstbefreiung zur Abgeltung der im Rahmen seiner Abordnung zum Auswärtigen Amt und Zuteilung an die Deutsche Botschaft in Bagdad in der Zeit vom 25. Mai 2011 bis zum 13. August 2011 geleisteten Mehrarbeit von 1.538 Stunden die während dieses Zeitraums bezogene Auslandsbesoldung (Auslandszuschlag gemäß § 53 BBesG nach Grundgehaltsspanne 6, Zonenstufe 20 der Tabelle in Anlage VI.1 zu § 53 Abs. 2 Satz 1 BBesG, wegen der Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer Gemeinschaftsunterkunft gemäß § 53 Abs. 2 Satz 4 BBesG auf 85 vom Hundert gemindert, in Höhe von 2.475,60 Euro brutto monatlich (dies betrifft 1.286 Stunden), ab dem 1. August 2011 in Höhe von 2.481,54 Euro brutto (dies betrifft 252 Stunden), Zuschlag zur Abgeltung außergewöhnlicher immaterieller Belastungen nach § 53 Abs. 1 Satz 5 BBesG in Verbindung mit § 2 AuslZuschlV in Höhe von 700,00 Euro brutto monatlich, Aufwandsentschädigung in Höhe von 92,00 Euro brutto monatlich) zu zahlen.
26Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie hat geltend gemacht, die Personenschützer an den Botschaften hätten in der Vergangenheit in erheblichem Maße Überstunden angesammelt, deren Ausgleichung in der Weise, dass Freizeitausgleich nach Beendigung der Verwendung und Rückkehr ins Inland, aber gleichwohl unter Gewährung der Auslandsvergütung gewährt worden wäre, nicht mehr habe fortgeführt werden können. Darauf seien die betroffenen Beamten rechtzeitig hingewiesen worden. Die fehlende Möglichkeit, während der Abordnungszeiten die Botschaftsgelände zu verlassen, beruhe auf der besonderen Gefährdungslage und der damit einhergehenden erhöhten Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Sie habe dabei alle Botschaftsangehörigen betroffen und nichts mit der Anordnung eines Bereitschaftsdienstes zu tun. Außerhalb der Dienstzeiten hätten sich die Personenschützer auf dem jeweiligen Botschaftsgelände jeweils frei bewegen können. Dabei hätten sie sich zumeist in ihren privaten Unterkünften aufgehalten. Der überwiegende Teil jener amtlich voll ausgestatteten (Dienst-)Unterkünfte habe sich in der Deutschen Botschaft Kabul rund 100 Meter von der Kanzlei entfernt befunden. Auch in der Deutschen Botschaft Bagdad seien die Dienstwohnungen unter anderem durch Sicherheitstore/-türen vom Dienstbereich getrennt. Zwar habe grundsätzlich eine Gefahrenlage bestanden, allerdings sei mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme sowohl in Kabul als auch in Bagdad kaum zu rechnen gewesen. Alarm sei nur in ganz seltenen Einzelfällen ausgelöst worden. Schutzpersonen seien in Kabul nur der Botschafter oder sein Abwesenheitsvertreter. Niemand anderes habe Personenschutzaufträge erteilen können. Außerhalb der Zeiten, die zur Abarbeitung der Schutzaufträge bzw. zu deren Vor‑ und Nachbearbeitung angefallen seien, und der vermeintlichen Bereitschaft habe es keine Dienstzeiten gegeben. Der Rest sei frei gewesen und sei in der Mehrarbeitsaufstellung nicht in Ansatz gebracht worden. Entgegen dem Wortlaut der von der Botschaft Kabul ausgestellten Bescheinigungen über die geleistete Mehrarbeit habe es sich bei den in den Bescheinigungen als „Bereitschaftsdienst“ ausgewiesenen Zeiten nicht um einen solchen gehandelt. In Bagdad seien die nicht ausdrücklich als Mehrarbeit anerkannten Zeiträume mitunter als Rufbereitschaft gewertet worden. Der Umstand, dass die Unterkunft sich auf dem Dienstgelände befunden habe, indiziere nicht die Anordnung von Bereitschaftsdienst. Sie, die Beklagte habe für die Personenschützer auch keine Anweisung erteilt, zwei spezielle Funkgeräte, das „G 36“ sowie die Dienstpistole und schwere Schutzausrüstung in greifbarer Nähe vorzuhalten. Diese hätten vielmehr von sich aus entschieden, mit Ausnahme des Sports Dienstkleidung zu tragen, um nicht von einem Anschlag überrascht zu werden.
29Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht wegen rechtlich gebotener voller Berücksichtigung der bescheinigten Bereitschaftsdienststunden die Beklagte verurteilt, dem Kläger weiteren Freizeitausgleich in Höhe von insgesamt 17 Stunden für die streitbefangenen Abordnungszeiträume zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil in den verbleibenden Zeiten kein Bereitschaftsdienst und auch keine bislang unberücksichtigte Rufbereitschaft geleistet worden sei. Für die begehrte Weitergewährung von Auslandsbesoldung/-vergütung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt.
30Gegen dieses Urteil hat (allein) die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die weiteren 17 Stunden Freizeitausgleich, welche das Verwaltungsgericht dem Kläger mit Blick auf den Inhalt der von der Botschaft in Kabul erstellten Bescheinigungen in dem Urteil zugesprochen habe, seien entgegen der Annahme des Gerichts erster Instanz in Wirklichkeit keine Bereitschaftsdienstzeiten im Sinne des § 2 Nr. 12 AZV gewesen. Tatsächlich habe es sich bei diesen Zeiten um solche einer Rufbereitschaft im Sinne des § 2 Nr. 11 AZV gehandelt; nur versehentlich seien sie zur Hälfte (zu 50 %) ausgeglichen worden. Die streitbefangenen 17 Stunden seien aufgrund von für näher bestimmte Tage „angeordneten Zeiten“ entstanden. Dabei sei die Zeit des „Bereithaltens“ aber nicht in der Lagezentrale oder an einem sonst vom Dienstherrn bestimmten Ort auf dem Botschaftsgelände abzuleisten gewesen, sondern sei in den privaten Bereichen (Dienstwohnungen auf dem Compound) des Botschaftsgeländes verbracht worden. Im Unterschied zur Rufbereitschaft setze Bereitschaftsdienst im Sinne des Arbeitszeitrechts aber einen Dienst außerhalb des privaten Bereichs voraus. Darüber hinaus sei für die Personenschützer nicht zu erwarten gewesen, während der in Rede stehenden Zeiten häufig dienstlich in Anspruch genommen zu werden. Auch der Kläger habe über keinen Einsatz aus seiner Freizeit heraus berichtet. Eine erneute polizeitaktische Bewertung habe die gebotene Einstufung als (lediglich) Rufbereitschaft bestätigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe die gemeinschaftsrechtliche Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit nur arbeitszeitrechtliche, nicht aber besoldungsrechtliche Folgen. Im Übrigen habe der Kläger nach § 143 Abs. 1 Nr. 4 BBG ohne besondere Vergütung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus im Rahmen des dienstlichen Ermessens dienstlich in Anspruch genommen werden dürfen.
31Die Beklagte beantragt,
32unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
33Der Kläger beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Er verteidigt insoweit das angefochtene Urteil und bekräftigt seine Auffassung, dass jedenfalls sämtliche in den Stundenlisten als „Bereitschaft 50 %“ gekennzeichnete Zeiten auch im Sinne des Arbeitszeitrechts als Bereitschaftsdienst zu bewerten und deshalb unter vollständiger Berücksichtigung abzugelten seien.
36Der Senat hat im Parallelverfahren 1 A 421/14 Beweis erhoben zur Frage, welchen konkreten Inhalt Anordnungen von Bereitschaft an die Personenschutzbeamten an der Botschaft in Kabul und Bagdad im Zeitraum von Sommer 2010 bis Frühjahr 2012 hatten, durch Vernehmung der Zeugen X. und N. sowie S. . Der Senat hat weiter Beweis erhoben zur Frage, wie die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen und überwiegend von einem Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Kabul unterschriebenen Stundennachweise zustande gekommen sind, durch Vernehmung der Zeugen X. und N. . Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2015 im Verfahren 1 A 421/14 verwiesen, das im vorliegenden Verfahren im Einverständnis der Beteiligten Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Gerichtsakten und Verwaltungsvorgänge in den Verfahren 1 A 1643/13, 1 A 2545/13, 1 A 418/14, 1 A 420/14, 1 A 421/14 und 1 A 422/14 Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger im tenorierten Umfang einen weiteren Freizeitausgleich zu gewähren.
40Der Anspruch des Klägers folgt aus § 88 Satz 2 BBG. Nach dieser Vorschrift ist Beamten innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden. Die Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat auf dienstliche Anordnung von Bereitschaftsdienst (dazu 1.) Mehrarbeit (dazu 2.) während der streitbefangenen Abordnung(en) im Umfang von mehr als fünf Stunden monatlich über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus (dazu 3.) geleistet. Die in § 88 Satz 2 BBG als Rechtsfolge vorgesehene „entsprechende Dienstbefreiung“ meint eine zeitlich entsprechende Freistellung, d. h. für eine Stunde Bereitschaftsdienst ist eine Stunde Freizeitausgleich zu gewähren (dazu 4.). Der Anspruch auf Dienstbefreiung nach § 88 Satz 2 BBG ist nicht verfallen (dazu 5.).
411. Die streitgegenständlichen Bereitschaftsstunden sind als Bereitschaftsdienst (dazu b)) dienstlich angeordnet (dazu a)) worden. Die gegen diese Bewertung gerichteten Einwände der Beklagten greifen nicht durch (dazu c)).
42a) Die Anordnung von Mehrarbeit ist eine einzelfallbezogene, d. h. auf den einzelnen Beamten und auf konkrete einzelne Bereitschaftszeiten zugeschnittene Ermessensentscheidung des Dienstherrn auf der Grundlage und unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände. Der Dienstherr hat dabei zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 1 A 2655/07 –, juris, Rn. 77, m. w. N.
44Gemessen an diesen Voraussetzungen gab es für die streitgegenständlichen Stunden einzelfallbezogene Anordnungen für konkrete und zeitlich abgegrenzte Stunden. In den von Mitarbeitern der Deutschen Botschaft in Kabul unterzeichneten Listen betreffend „Überstunden“ und „Bereitschaft 50%“ ist konkret auf den Kläger bezogen für jeden Tag seiner dortigen Anwesenheit ebenso wie für „Überstunden“ angeführt, welche genaue Stundenzahl an „Bereitschaft 50%“ vorliegt. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten erfolgten die Anordnungen von Bereitschaft zwar nicht schriftlich. Die Beteiligten sind sich aber darüber einig, dass für die streitgegenständlichen Stunden – mündlich – überhaupt eine Art der Bereitschaft im Unterschied zur Freizeit dienstlich angeordnet worden war: Der Kläger hält die Anordnungen für angeordneten Bereitschaftsdienst, während die Beklagte vorträgt, es habe sich lediglich um Rufbereitschaft gehandelt.
45b) Für die im Rahmen der Berufung der Beklagten streitgegenständlichen Stunden war Bereitschaftsdienst und nicht nur Rufbereitschaft angeordnet. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbewertung des Akteninhalts, des Vortrags der Beteiligten und der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
46Bereitschaftsdienst bedeutet nach § 2 Nr. 12 AZV die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.
47Der Sache nach ebenso BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 – 2 C 90.07 –, NVwZ-RR 2009, 525 = juris, Rn. 14 f., m. w. N.
48Im Unterschied dazu ist Rufbereitschaft nach § 2 Nr. 11 AZV die Pflicht, sich außerhalb des Arbeitsplatzes bereitzuhalten, um bei Bedarf sofort zu Dienstleistungen abgerufen werden zu können.
49Für die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV spricht zunächst der Wortlaut der Stundenlisten. Dort findet sich neben einer mit „Überstunden“ überschriebenen Spalte eine weitere für „Bereitschaft 50%“. Dieser Begriff bedeutet im vorliegenden Zusammenhang Bereitschaftsdienst und nicht Rufbereitschaft. Dies ergibt sich aus Folgendem: Aus dem Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 15. Februar 2010 an das Referat B 3 des Bundesministeriums des Innern folgt, dass der Begriff „Bereitschaft 50%“ keine Rufbereitschaft meinte. In diesem Schreiben wird die Abrechnungsmodalität „Flatrate 500“ erwähnt, die im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Referat B 3 des Bundesministeriums des Innern konsentiert wurde. Sie betrifft die Mehrarbeit von Bundespolizeibeamten während der Auslandseinsätze bei den Deutschen Botschaften in Kabul und Bagdad. Danach sollte die generelle Anordnung von Tagesdienst ersatzlos gestrichen und ein festes Stundenkontingent auf Basis eines Musterdienstplans angesetzt werden. Diesem lag folgende Annahme zugrunde: Ein Arbeitstag bestehe aus 8,5 h Volldienst + 4,5 h Bereitschaftsdienst mit 50% + 11 h Rufbereitschaft mit 12,5% = 12,125 h Volldienst. Ein Freitag bestehe aus 6 h Volldienst + 7 h Bereitschaftsdienst mit 50% + 11 h Rufbereitschaft mit 12,5% = 10,875 h Volldienst. Ein Wochenende bestehe aus 0 h Volldienst + 10 h Bereitschaftsdienst mit 50% + 14 h Bereitschaft mit 12,5% = 6,75 h Volldienst. Bei einer angenommenen Verwendungsdauer von 3 Monaten ergäben sich gerundet 500 Stunden. Das Abrechnungsmodell „Flatrate“ sollte „weiterhin den tatsächlichen Dienstumfang letztendlich widerspiegeln“. Diese Ausführungen belegen, dass das Bundespolizeipräsidium die „Bereitschaft 50%“ der Rufbereitschaft gegenüberstellt, weil sich beide Formen der Bereitschaft nach dortigem Verständnis inhaltlich unterscheiden. Es handelt sich auch nicht um ein einseitiges Begriffsverständnis des Bundespolizeipräsidiums, denn die beschriebene Art der Stundenabrechnung ist mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern abgestimmt gewesen. Daher ist davon auszugehen, dass der Begriff „Bereitschaft 50%“ in den Stundenauflistungen dementsprechend nach allseitigem Verständnis der beteiligten Behörden auch nicht bloß Rufbereitschaftsdienst bedeutete.
50Welche Art von Bereitschaft gemeint war, erschließt sich auch aus der konkreten Abgeltung der Mehrarbeit durch die Beklagte in allen sieben vor dem Senat anhängig gewesenen Klageverfahren. Denn diese glich „Bereitschaft 50%“ (bzw. an der Botschaft Bagdad nur anders bezeichnet als „Berei. ½“) nicht nur wie Rufbereitschaft im Sinne von § 2 Nr. 11 AZV aus, sondern in einem darüber hinausgehenden Maße und damit wie Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV: In der zusammenfassenden Zeile „Mehrarbeit“ der Auflistungen sind die Stunden der Spalten „Überstunden“ und – soweit vorhanden – „Bereitschaft 100%“ jeweils in vollem Umfang als Mehrarbeitsstunden berücksichtigt worden und die Stunden aus der Spalte „Bereitschaft 50%“ (immerhin) zur Hälfte. Für Rufbereitschaft (soweit in den Stundenlisten gesondert ausgewiesen) wurde dagegen nur ein Achtel (12,5%) der über 10 Stunden im Kalendermonat hinausgehenden Zeit als Freizeitausgleich gewährt.
51Der so praktizierte Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst erfolgte in Anlehnung an die Vorschriften der Mehrarbeitsvergütungsverordnung (MVergV) und die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften (MVergVVwV).
52Letztere sind abgedruckt bei Clemens u. a., Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Februar 2015, Anhang 2 zu § 48.
53Diese Regelungen betreffen unmittelbar zwar nur die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung und nicht auch die Gewährung von Freizeitausgleich. Die Beklagte hat diese Vorschriften aber der Sache nach entsprechend auf den Freizeitausgleich angewandt. Diese Verfahrensweise wird auch in der juristischen Literatur vertreten.
54So z. B. Corsmeyer, in Fürst u. a., GKÖD, Stand: Juni 2015, § 88 Rn. 6, und Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: Juni 2015, § 88 Rn. 22 i. V. m. § 87 Rn. 26, 28; diese Verfahrensweise entspricht nicht der Rechtsauffassung des Senats (siehe unten).
55Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MVergV gilt als Mehrarbeitsstunde grundsätzlich die volle Zeitstunde. Nach Satz 2 der Vorschrift wird hiervon abweichend eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt, wobei schon die Ableistung des Dienstes in Bereitschaft als solche in angemessenem Umfang anzurechnen ist. Ziffer 4.1 zu § 1 MVergVVwV geht davon aus, dass während eines Bereitschaftsdienstes die Zeitdauer einer Inanspruchnahme nach durchschnittlichem Erfahrungssatz weniger als 50 vom Hundert beträgt. Dementsprechend ist nach Ziffer 1 zu § 5 MVergVVwV zum Zwecke der Mehrarbeitsentschädigung Bereitschaftsdienst nach dem Umfang der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme mindestens mit 15 vom Hundert, höchstens mit 50 vom Hundert seiner Zeitdauer als Mehrarbeit anzurechnen. Nach Ziffer 2.2.2 zu § 3 Absatz 1 MVergVVwV wird ein Bereitschaftsdienst, der außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet wird, zum Zwecke der Bemessung der Mehrarbeitsentschädigung nach Nummern 1 und 2 zu § 5 in Iststunden umgerechnet.
56Der von der Beklagten gewährte Freizeitausgleich für Rufbereitschaft mit – wie schon ausgeführt – unterschiedlicher, nämlich deutlich geringerer Bemessung des Leistungsumfangs beruht demgegenüber auf § 12 Satz 2 AZV.
57Bei der Bewertung der Frage, was mit „Bereitschaft 50%“ gemeint ist, ist weiter zu berücksichtigen, dass es von Mitarbeitern der Deutschen Botschaft Kabul unterzeichnete Listen gibt, die neben den Spalten für Überstunden und „Bereitschaft 50%“ auch eine Spalte für „Bereitschaft 100%“ vorsehen (z. B. betreffend den Kläger im Verfahren 1 A 418/14 für den Monat April 2012 sowie betreffend den Kläger im Verfahren 1 A 420/14 und die Klägerin im Verfahren 1 A 422/14 jeweils für den Monat Juli 2010). Diese Differenzierung lässt darauf schließen, dass jeweils unterschiedliche Formen des Bereitschaftsdienstes gemeint waren. Zum Begriff „Bereitschaft 100%“ hat die Beklagte schriftsätzlich vorgetragen, damit sei Volldienst gemeint („So ist in Einzelfällen auch ‚Bereitschaft 100%‘, also Volldienst, darunter gefasst und in den Stundenzetteln vermerkt worden.“). Wenn aber „Bereitschaft 100%“ Volldienst bedeutet, liegt der Schluss mehr als nahe, dass während einer „Bereitschaft 50%“ etwa zur Hälfte Dienst versehen worden ist oder werden sollte. Mit einer bloßen Rufbereitschaft wäre dies nicht zu vereinbaren.
58Nach den vorstehenden Ausführungen spricht alles dafür, dass mit den Stunden in den Spalten „Bereitschaft 50%“ Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV gemeint ist. Entsprechendes gilt auch für die Eintragung „Berei. ½“ an der Botschaft Bagdad, soweit sich dort (allerdings wohl nur im Einzelfall) eine solche findet. Der Kläger in dem Verfahren 1 A 2545/13 hat hierzu – konkret auf die Stundennachweisung für den Monat Mai 2012 bezogen – in der Berufungsverhandlung unter Vorlage des Einsatzerfahrungsberichts seines damaligen Kommandoführers glaubhaft erläutert, dass den in der Liste ausgewiesenen Bereitschaftsdienstzeiten konkrete Sachverhalte zugrunde lagen, nämlich Warnungen der irakischen Behörden vor gegen die Deutsche Botschaft in Bagdad gerichteten Anschlägen. Das betraf im Übrigen einen Zeitraum, für welchen ausweislich der Stundennachweise (anders als noch im Vormonat April 2012) nicht mehr durchgängig eine Rufbereitschaft bestanden hatte, jedenfalls nicht auf die Arbeitszeit angerechnet worden war. Aus der Aussage des Zeugen S. vor dem Senat– nach seiner Einschätzung habe es sich bei der angeordneten Bereitschaft um Rufbereitschaft gehandelt – lässt sich insoweit nicht auf Gegenteiliges schließen, zumal diese Aussage nur den Zeitraum von Juli 2010 bis Juli 2011 abdeckt.
59Dass der Sache nach ein Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV tatsächlich angeordnet worden ist, ergibt sich über die bisherigen Argumente hinaus – insofern zwar unmittelbar nur die Verhältnisse in Kabul betreffend – namentlich auch aus der Aussage des Zeugen N. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dieser war vom 24. Juni 2011 bis zum 4. Juli 2013 als Sicherheitsbeamter an der Deutschen Botschaft Kabul tätig. In dieser Eigenschaft führte er die Aufsicht über die HOD-Kräfte. Er hat angegeben, die Leitung der Botschaft habe Bereitschaft bei konkreten sicherheitsrelevanten Ereignissen immer gleichzeitig gegenüber den HOD-Kräften und den Personenschützern angeordnet. Eine Aufteilung zwischen den einzelnen Möglichkeiten der Bereitschaft sei zwar unter den Bedingungen in Kabul nicht einfach umsetzbar gewesen. Wenn aber Bereitschaft angeordnet worden sei, sei dies immer als Bereitschaft 50% angesehen worden. Diese Zeiten seien also zur Hälfte angeschrieben und erfasst worden.
60Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Da „Bereitschaft 50%“ aus den oben genannten Gründen jedenfalls keine bloße Rufbereitschaft, sondern Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV meint, belegt die Aussage des Zeugen N. , dass die an der Bereitschaftsanordnung Beteiligten sich darüber einig waren, dass ein solcher Bereitschaftsdienst angeordnet worden war. Daran muss die Beklagte sich festhalten lassen.
61Dafür, dass die Verantwortlichen an der Deutschen Botschaft in Bagdad angeordnete Bereitschaft mit dem Zusatz „1/2“ in einem anderen Sinne verstanden hätten, gibt es weder aus dem Akteninhalt noch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einen greifbaren Anhalt.
62c) Die Einwände der Beklagten gegen die Bewertung von „Bereitschaft 50%“ als Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV greifen nicht durch.
63aa) Soweit die Beklagte vorträgt, es handele sich bei „Bereitschaft“ um einen polizeifachlichen Begriff, der verschiedene Dienstformen des Bereithaltens umfassen könne, mag dies für den isolierten Begriff zutreffen. Hier aber geht es nicht um die Anordnung allgemeiner „Bereitschaft“, sondern von „Bereitschaft 50%“ bzw. „Berei. ½“. Dies kann aus den oben genannten Gründen nicht als bloß allgemeine Form eines irgendwie gearteten Bereithaltens verstanden werden. In der Botschaft Kabul wurde nach Aussage des Zeugen N. im Übrigen stets Bereitschaftsdienst 50% und nicht nur Rufbereitschaft angeordnet. An der Botschaft in Bagdad war dies zwar anders, dort war vielmehr lange Zeit eine Rufbereitschaft die Regel. Wenn aber davon abweichend in besonderen Situationen „Bereitschaft“ bzw. „Berei. ½“ angeordnet wurde und dies – wie schon ausgeführt – nur sehr selten vorkam, so spricht gerade das für die Einstufung als „echten“ Bereitschaftsdienst.
64bb) Rechtlich unerheblich ist es, wie und in welchem zeitlichen Umfang in den Zeiten eines angeordneten Bereitschaftsdienstes tatsächlich Dienst verrichtet wurde.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 11. Januar 2007– C-437/05 –, Slg 2007, I-331 = juris, Rn. 27, m. w. N.
66Daher kommt es nicht darauf an, ob es aus rückblickender Sicht genügt hätte, während der streitgegenständlichen Stunden nur Rufbereitschaft anzuordnen.
67cc) Rechtlich unerheblich ist auch der Umstand, dass die betroffenen Beamten die Formulare für die Stundennachweise (vorbereitend) selbst erstellt und ausgefüllt haben. Soweit darin Stunden für Bereitschaftsdienst 50% aufgeführt sind, entspricht dies aus den oben genannten Gründen den entsprechenden Anordnungen der Botschaftsleitungen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Stunden für „Bereitschaft 50 %“ bzw. „Berei. ½“ nicht durchgängig, sondern mitunter nur an einzelnen Tagen der betreffenden Monate eingetragen sind. Dies wie auch der Umstand, dass die Eintragung von Überstunden, die nach der seinerzeitigen Praxis im Unterschied zum Bereitschaftsdienst im Verhältnis 1 : 1 ausgeglichen wurden, die Bundespolizeibeamten besser gestellt hätte, spricht eindeutig gegen die Annahme, hier könnten Bereitschaftsstunden mehr oder weniger willkürlich und zufällig oder gar mit der Absicht, sich einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, eingetragen worden sein.
68dd) Ohne Erfolg macht die Beklagte weiter geltend, die Personenschutzbeamten hätten sich während der Zeiten des bescheinigten Bereitschaftsdienstes tatsächlich in ihren Privatunterkünften aufgehalten und nicht in den Diensträumen (Lagezentrale der Botschaft), zumal diese ohnehin zu klein gewesen wären, um 10 Personenschützer und 10 HOD-Kräfte aufnehmen zu können; dies spreche für Rufbereitschaft.
69Aufgrund der Besonderheiten der vorliegenden Situation ist hier ausnahmsweise auch dann von einer Anordnung eines Bereitschaftsdienstes auszugehen, wenn sich die betroffenen Beamten bei den Deutschen Botschaften in Kabul bzw. Bagdad währenddessen in ihren Privatunterkünften aufhalten durften. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten etwa in Kabul der überwiegende Teil der (Dienst-)Unterkünfte auf dem Kanzleigelände etwa 100 m von der Kanzlei entfernt befindet. Weitere Unterkünfte befinden sich auf einem zweiten Grundstück, 1.000 m Luftlinie entfernt, auf dem sich auch die Visastelle der Botschaft befindet. Unstreitig durften die Personenschutzbeamten – wie auch alle anderen Botschaftsangehörigen – das Botschaftsgelände aus Sicherheitsgründen nicht zu privaten Zwecken verlassen. Schon deswegen und weil die Privatbereiche räumlich sehr dicht bei den dienstlichen Bereichen lagen, was sich auch an der Deutschen Botschaft in Bagdad nicht in beachtlicher Weise anders verhielt, war eine Anordnung, sich während des Bereitschaftsdienstes außerhalb des Privatbereichs aufzuhalten, nicht notwendig, um jederzeit auf die Beamten zurückgreifen zu können. Davon geht im Übrigen auch das Auswärtige Amt in seinem Erlass vom 20. April 2012 an die Deutsche Botschaften u. a. in Kabul und Bagdad aus. Dort heißt es u. a.: „Anlassunabhängige, pauschale Rufbereitschaft wird dagegen nicht mehr angeordnet. Sie ist für die Sicherheit der Botschaften nicht erforderlich, da die Erreichbarkeit der Kräfte in unvorhergesehenen Notfällen ohnehin gewährleistet ist.“ Wenn also der Dienstherr sich den Umstand zunutze macht, dass die Personenschutzbeamten das Botschaftsgelände aus Sicherheitsgründen im Regelfall nicht verlassen dürfen, steht es im vorliegenden, durch angeordnete Bereitschaft geprägten Einzelfall der Annahme von Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV nicht entgegen, wenn die Beamten sich währenddessen tatsächlich in ihren räumlich dicht angrenzenden Privatunterkünften aufgehalten haben sollten, zumal die Diensträume nach den Angaben der Beklagten ohnehin zu klein gewesen wären, um alle Beamten aufnehmen zu können.
702. Das Ableisten von Bereitschaftsdiensten im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV im vorliegenden Fall stellt Mehrarbeit im Sinne des § 88 BBG dar (dazu a)). Der Ausnahmecharakter von Mehrarbeit nach § 88 Satz 1 BBG steht dieser Annahme nicht entgegen (dazu b)).
71a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ist Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV arbeitszeitrechtlich wie Volldienst zu behandeln.
72Vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010– C‑429/09 –, Slg. 2010, I‑12167 = juris, Rn. 55; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11 –, BVerwGE 143, 381 = ZBR 2013, 42 = juris, Rn. 13, und vom 22. Januar 2009 – 2 C 90.07 –, NVwZ-RR 2009, 525 = juris, Rn. 16, jeweils m. w. N.
73Demzufolge kann auch Bereitschaftsdienst, der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet wird, Mehrarbeit i. S. v. § 88 BBG darstellen.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 – 2 C 9.03 –, NVwZ 2004, 1255 = juris, Rn. 11, 17.
75b) Der Annahme von grundsätzlich rechtmäßiger Mehrarbeit nach § 88 BBG steht hier nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall ebenso wie in den Parallelfällen jedenfalls bei einer Zusammenschau der angeordneten Überstundenund Bereitschaftsdienste eine Mehrarbeit faktisch den Regelfall und nicht nur eine gelegentliche Ausnahme für die Tätigkeit der Personenschutzbeamten bei den deutschen Botschaften darstellte.
76Zum Ausnahmecharakter der Mehrarbeit nach § 88 BBG siehe Corsmeyer, in: Fürst u. a., GKÖD, Stand: Juni 2015, § 88 Rn. 2; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: Juni 2015, § 88 Rn. 15.
77Sowohl der Beklagten als auch den Personenschutzbeamten war jeweils vor den entsprechenden Abordnungen klar, dass Mehrarbeit in nicht unerheblichem Umfang anfallen würde. Verglichen mit den üblichen Arbeitsbedingungen von Bundesbeamten in Deutschland handelt es sich bei den Verhältnissen an den Deutschen Botschaften (u.a.) in Kabul und Bagdad allerdings um einen Ausnahmefall im Sinne von § 88 Satz 1 BBG. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 143 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BBG. Danach können Beamte, die zur Wahrnehmung des ihnen übertragenen Amts im Ausland verwendet werden und dabei wegen vom Inland wesentlich abweichender Verhältnisse erhöhten Gefahren ausgesetzt sind, aus dienstlichen Gründen verpflichtet werden, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ohne besondere Vergütung Dienst zu tun (eine entsprechende Regelung findet sich in § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeamStG). Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Die Arbeitsbedingungen an der Deutschen Botschaften Kabul und Bagdad weichen wegen der jeweils stark erhöhten allgemeinen Gefahrenlage wesentlich von denjenigen im Inland ab. Im Übrigen ordnet § 14 Abs. 3 GAD, der über § 13 Abs. 1 Satz 2 GAD auch für die an das Auswärtige Amt abgeordneten Bundespolizeibeamten gilt, an, dass ein Beamter des Auswärtigen Dienstes verpflichtet ist, im Ausland auch außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit die sich aus dem Auftrag des Auswärtigen Dienstes ergebenden Aufgaben wahrzunehmen.
783. Der Kläger hat während des Abordnungszeitraums mehr als 5 Stunden monatlich über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst verrichtet. Seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit richtete sich nach § 3 AZV (grundsätzlich 41 Stunden, Abweichungen sind im Einzelfall möglich). Ausgehend davon hat er in allen hier interessierenden Monaten tatsächlich in deutlich höherem Maße Dienst in Form von Überstunden und Bereitschaftsdienststunden verrichtet.
794. Der Kläger kann Dienstbefreiung im Umfang des geleisteten Bereitschaftsdienstes verlangen. Leisten Beamte mehr als fünf Stunden im Monat angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit, so haben sie nach § 88 Satz 2 BBG „für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten“, also ohne Anrechnung der genannten fünf Stunden, einen Anspruch auf „entsprechende Dienstbefreiung“. Diese Regelung („entsprechende“) lässt nicht ansatzweise erkennen, dass die geleistete Mehrarbeit qualitativ etwa nach Arbeitsintensität soll bewertet werden können. Vielmehr stellt sie die Mehrarbeit ausschließlich in einen Zusammenhang mit der hierfür aufgewandten Arbeitszeit. Der aus dem Gesetz allein abzuleitende Maßstab für den Umfang der Dienstbefreiung ist daher die in Mehrarbeit verbrachte Arbeitszeit. Mit anderen Worten ist insoweit entscheidend, wie die Mehrarbeit arbeitszeitrechtlich zu bewerten ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht für Beamte und Soldaten davon aus, dass die Freistellung wegen Mehrarbeit arbeitszeitrechtliche Regelungen betrifft.
80Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011– 2 C 41.10 –, NVwZ 2012, 641 = juris, Rn. 18 („arbeitszeitrechtlich, d. h. auch in Bezug auf den Umfang der Freistellung“).
81Für gewöhnliche Überstunden (über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Zeit, in der gearbeitet wird) liegt auf der Hand, dass die Dienstbefreiung im Verhältnis 1 : 1 erfolgt, also für jede Überstunde eine Stunde Dienstbefreiung gewährt wird. Genauso ist hier die Beklagte hinsichtlich der von dem Kläger geleisteten Überstunden verfahren. Nichts anderes gilt aber auch für den außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleisteten Bereitschaftsdienst. Denn arbeitszeitrechtlich ist Bereitschaftsdienst Arbeitszeit unabhängig davon, ob und in welchem Umfang während des Bereitschaftsdienstes tatsächlich gearbeitet wird. Dies ergibt sich aus Art. 2 Nr. 1 und 2 RL 2003/88/EG und auch aus der die Einordnung von Bereitschaftsdienst in die Kategorien Arbeitszeit und Ruhezeit betreffenden, seit dem Jahr 2000 ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
82Vgl. statt aller BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012– 2 C 70.11 –, IÖD 2012, 233 = juris, Rn. 13, mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH.
83Damit ist zwar nicht gesagt, dass sich die Abgeltung von Mehrarbeitsstunden aus dem Unionsrecht ergäbe; dieses verhält sich hierzu vielmehr nicht. Aus den unionsrechtlichen Vorgaben folgt aber, was als Arbeitszeit anzusehen ist. Da § 88 Satz 2 BBG die Arbeitszeit als Ausgleichsmaßstab vorgibt, ohne für die zu gewährende Dienstbefreiung zwischen der Art der erbrachten Mehrarbeit (Überstunden oder Bereitschaftsdienst) zu differenzieren, ergibt sich auch für den Bereitschaftsdienst ein Anspruch auf Dienstbefreiung im Verhältnis 1 : 1.
84Für den Ausgleich der im Bereitschaftsdienst erbrachten Arbeitszeit durch Dienstbefreiung kann nicht die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV sinngemäß herangezogen werden. Denn mit der Dienstbefreiung steht ein arbeitszeitrechtlicher Ausgleich der Bereitschaftsstunden in Rede, nicht aber ein Vergütungsanspruch, also ein Ausgleich für geleistete Mehrarbeit in Geld.
85Im Ergebnis a. A. Hess. VGH, Beschluss vom 20. März 2014 – 1 A 2408/13.Z – , n. v., Rn. 13; VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2015 – 12 A 116/14 –, n. v.; VG Lüneburg, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 A 68/14 –, n. v.
86Das Gesetz selbst differenziert zwischen der Dienstbefreiung und einem Vergütungsanspruch, wobei die jeweiligen Voraussetzungen nicht identisch sind. Dienstbefreiung und Vergütungsanspruch können auch nicht wahlweise gegeneinander ausgetauscht werden. Der Vergütungsanspruch kommt nach § 88 Satz 4 BBG nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich nur dann, wenn eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist. Auch § 143 Abs. 1 BBG unterscheidet ähnlich zwischen Dienstbefreiung und Vergütung. Gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BBG kann von Beamten im Auslandseinsatz in bestimmten Fällen verlangt werden, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ohne besondere Vergütung Dienst zu tun. Davon unbenommen ist der sich aus § 143 Abs. 1 Satz 2 BBG ergebende Anspruch auf Freizeitausgleich, der lediglich unter dem Vorbehalt steht, dass die dienstlichen Erfordernisse den Ausgleich gestatten.
87Für die Mehrarbeitsvergütung gilt überdies ein Maßstab, der sich von der im Rahmen der Dienstbefreiung anzustellenden rein arbeitszeitrechtlichen Betrachtung des § 88 Satz 2 BBG unterscheidet und deshalb eine Berücksichtigung vergütungsrechtlicher Regelungen im Rahmen der Dienstbefreiung nicht erlaubt. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt; dabei ist schon die Ableistung eines Dienstes in Bereitschaft als solche in jeweils angemessenem Umfang anzurechnen. Die Regelung beruht auf der in § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung. § 48 Abs. 1 Satz 3 BBesG bestimmt, dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit zu richten hat, was Raum für eine sich von der Arbeitszeit lösende Betrachtung eröffnet.
88Dafür, dass der Freizeitausgleich nach § 88 Satz 2 BBG sich nicht nach dem Umfang einer zu gewährenden Mehrarbeitsvergütung orientiert, spricht auch, dass mit der Mehrarbeitsvergütung nicht die zeitliche Mehrarbeit des Beamten abgegolten wird. Dies wäre eine unzulässige Überstundenvergütung, die gerechterweise mindestens den rechnerisch auf eine Stunde entfallenden Anteil der Besoldung ausmachen müsste. Bei der Mehrarbeitsvergütung handelt es sich vielmehr um eine Abgeltung dafür, dass dem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann.
89Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: Juni 2015, § 88 Rn. 34.
90Dem Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 88 Satz 2 BBG steht hier nicht § 143 Abs. 1 Satz 2 BBG entgegen. Danach wird für die Mehrbeanspruchung von Beamten, die zur Wahrnehmung des ihnen übertragenen Amts im Ausland verwendet werden, dabei wegen vom Inland wesentlich abweichender Verhältnisse erhöhten Gefahren ausgesetzt sind und über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ohne besondere Vergütung Dienst tun, ein Freizeitausgleich nur gewährt, soweit es die dienstlichen Erfordernisse gestatten. Letzteres ist hier der Fall. Die Handhabung in den vergangenen Jahren zeigt, dass die dienstlichen Verhältnisse es jedenfalls ermöglichen, den als Personenschützer eingesetzten Bundespolizeibeamten Freizeitausgleich zu gewähren, sobald sie sich nach dem Ende ihrer Tätigkeit an einer deutschen Botschaft wieder im Inland befinden.
915. Der Anspruch auf Dienstbefreiung ist schließlich nicht verfallen. Die in § 88 Satz 2 vorgesehene Jahresfrist zur Gewährung der Dienstbefreiung konkretisiert den Anspruch des Beamten, stellt aber keine Ausschlussfrist dar, welche die Beklagte dem Anspruch entgegenhalten könnte.
92Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30. Juli 2013– 5 LB 34/13 –, NVwZ-RR 2014, 201 = juris, Rn. 33.
93Die Berufung der Beklagten wäre auch für den Fall unbegründet, dass die Mehrarbeitsstunden des Klägers eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden überschritten haben sollten und es sich insoweit um eine rechtswidrige Zuvielarbeit handeln würde. Dann stünde dem Kläger nämlich insoweit ein von der Rechtsfolge her entsprechender unionsrechtlicher Ausgleichsanspruch/Staatshaftungsanspruch aus der RL 2003/88/EG zu. Danach sind Zeiten geleisteten Bereitschaftsdienstes in vollem Umfang durch Freizeit auszugleichen. Wegen der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die unter den Ziffern 1. bis 5. ausgeführten Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11 –, BVerwGE 143, 381 = ZBR 2013, 42 = juris, Bezug, die – sofern eine Zuvielarbeit über 48 Wochenstunden hinaus vorliegt – entsprechend für den vorliegenden Fall gelten und denen er sich anschließt.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
96Die Revision ist nach § 127 Nr. 1 BRRG zuzulassen. Es liegt bisher keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage vor, in welchem zeitlichen Umfang rechtmäßige Mehrarbeit in Form von Bereitschaftsdienst durch Freizeit auszugleichen ist, und der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 20. März 2014 – 1 A 2408/13.Z – eine andere Meinung vertreten als der erkennende Senat im vorliegenden Urteil.
(1) Als Mehrarbeitsstunde im Sinne der §§ 3 und 4 Absatz 1 und 2 sowie § 4a gilt die volle Zeitstunde. Hiervon abweichend wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt; dabei ist schon die Ableistung eines Dienstes in Bereitschaft als solche in jeweils angemessenem Umfang anzurechnen.
(2) Bei Mehrarbeit im Schuldienst beträgt die Mindeststundenzahl nach § 3 Absatz 1 Nummer 4 drei Unterrichtsstunden. § 3 Absatz 2 gilt entsprechend.
(3) Ergibt sich bei der monatlichen Mehrarbeitsstundenberechnung ein Bruchteil einer Stunde, so werden 30 Minuten und mehr auf eine volle Stunde aufgerundet, weniger als 30 Minuten bleiben unberücksichtigt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.