Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Mai 2011 - 7 A 10010/11

ECLI: ECLI:DE:OVGRLP:2011:0526.7A10010.11.0A
published on 26/05/2011 00:00
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Mai 2011 - 7 A 10010/11
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 29. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten, mit dem er eine gegenüber dem Beigeladenen ergangene Ordnungsverfügung nach dem rheinland-pfälzischen Nichtrauchergesetz aufgehoben hat.

2

Der Beigeladene betreibt in … die Gaststätte "…", in der er das Rauchen erlaubt. Die Gaststätte besitzt nur einen Gastraum mit einer Grundfläche von 72,1 qm.

3

Nach der Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes im Jahre 2009 wies die Beklagte den Beigeladenen auf die Neuregelung der Ausnahmen von dem grundsätzlichen Rauchverbot in Gaststätten hin. Danach könne nunmehr in Ein-Raum-Gaststätten unter anderem dann das Rauchen erlaubt werden, wenn in der Gaststätte keine oder nur einfach zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle als untergeordnete Nebenleistung verabreicht würden. Hinsichtlich des Begriffs der einfach zubereiteten Speisen verwies die Beklagte auf die von ihr auszugsweise wiedergegebene Gesetzesbegründung. Zugleich forderte sie den Beigeladenen zu einer Anpassung seines Speiseangebots auf und kündigte eine Überprüfung an.

4

Bei einer Kontrolle am 22. Dezember 2009 stellte der Vollzugsdienst der Beklagten fest, dass der Beigeladene vor seiner Gaststätte eine Speisekarte aufgestellt hatte, auf der an diesem Tag folgende Speisen angeboten wurden:

5

Gulaschsuppe, Eintopf mit Wurst, Bratwurst mit Pommes, Salat mit Hähnchenbrust, Fleischkäse mit Ei und Bratkartoffeln, Hacksteak mit Bratkartoffeln und Sauerkraut, Kasseler mit Bratkartoffeln und Sauerkraut, Geschnetzeltes mit Nudeln, Rindfleisch mit Meerrettich und Kartoffeln, Schnitzel mit verschiedenen Saucen sowie Pommes und Salat.

6

Unterhalb der Speisekarte befand sich eine Tafel mit der Aufschrift "Gutbürgerlicher Mittag u. Abendtisch alles hausgemachte Gerichte". An der Eingangstür zur Gaststätte war ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Raucherlokal" angebracht.

7

Daraufhin forderte die Beklagte den Beigeladenen mit Ordnungsverfügung vom 29. Dezember 2009 auf, das Rauchverbot in seiner Gaststätte einzuhalten. Zur Begründung verwies sie auf das vom Vollzugsdienst bei seiner Kontrolle festgestellte Speisenangebot des Beigeladenen und ihr Informationsschreiben zu den Ausnahmen vom grundsätzlich bestehenden Rauchverbot in Gaststätten. Zugleich drohte sie ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 € an.

8

Gegen diesen Bescheid legte der Beigeladene Widerspruch ein und machte geltend, er habe in seiner Gaststätte lediglich einfach zubereitete Speisen im Angebot. Alle Gerichte seien nicht aufwendig in der Zubereitung. Zudem würden die Speisen teilweise in einem anderen Restaurant von ihm vorgekocht und in dieser Gaststätte nur noch erwärmt.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2010 gab der Stadtrechtsausschuss der Beklagten dem Widerspruch statt und hob den Bescheid vom 29. Dezember 2009 auf. Die Gaststätte des Beigeladenen erfülle alle Voraussetzungen für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Rauchverbot. Insbesondere würden nur einfache Speisen als untergeordnete Nebenleistung verabreicht. Der Begriff der einfach zubereiteten Speisen sei im Nichtraucherschutzgesetz ebenso wie in der für Straußwirtschaften geltenden Vorschrift des § 12 Gaststättenverordnung zu verstehen. Dies seien solche Speisen, deren Zubereitung keine besonderen Fertigkeiten und außerdem wenig Zeit und Mühe erfordere. Die in der Gesetzesbegründung angeführten Beispiele für einfach und nicht einfach zubereitete Speisen seien für eine genaue Abgrenzung wenig geeignet. So werde beispielsweise zwischen Frikadellen (einfach) und Schnitzeln (nicht einfach) differenziert, obwohl die Schwierigkeit der Zubereitung kaum Unterschiede aufweise, eine Frikadelle sogar eher schwieriger zuzubereiten sein dürfte. Außerdem seien die als Beispiele für einfach zubereitete Speisen angeführten Brezeln und Salzgebäck keine "zubereiteten" Speisen. Die Zubereitung der vom Beigeladenen angebotenen Speisen erfordere weder besondere Kenntnisse noch viel Zeit und Mühe. Das Speisenangebot stelle auch nur eine untergeordnete Nebenleistung zum restlichen Angebot dar. Die Gaststätte sei erkennbar nicht darauf ausgelegt, als Speiselokal betrieben zu werden. Der Umstand, dass eine Hauptmahlzeit angeboten werde, schließe die Einstufung als untergeordnete Nebenleistung nicht aus.

10

Auf die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Beanstandungsklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. September 2010 den angegriffenen Widerspruchsbescheid aufgehoben und den Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung zurückgewiesen. Bei dem Speisenangebot des Beigeladenen handele es sich weder um einfach zubereitete Speisen noch um eine untergeordnete Nebenleistung. Der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Begriff der einfach zubereiteten Speisen als untergeordnetes Angebot von kleinen Speisen verstanden wissen wolle, wie sie im Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie typischerweise mit dem Ziel der Förderung des Genusses der dort hauptsächlich offerierten Getränke gereicht würden.

11

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht verkenne, dass eine Straußwirtschaft mit der getränkegeprägten Kleingastronomie vergleichbar sei, da bei beiden der Absatz von Getränken im Vordergrund stehe und eine Abgrenzung zur Speisegaststätte geschaffen werden solle. Daher sei der Begriff der einfach zubereiteten Speisen im Nichtraucherschutzgesetz ebenso zu verstehen wie im Gaststättenrecht. Auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz habe in seiner Entscheidung vom 30. September 2008 zum Nichtraucherschutzgesetz die Regelung für Straußwirtschaften im Blick gehabt, um eine Abgrenzung zur Speisegastronomie zu schaffen. Für die Frage, ob das Speisenangebot als untergeordnete Nebenleistung anzusehen sei, komme es nach der Konzeption des Gesetzes nicht darauf an, ob es sich um eine Hauptmahlzeit handele oder nicht. Eine einfach zubereitete Speise könne auch eine Hauptmahlzeit darstellen. Entscheidend sei, dass die Anzahl der Speisen und der Charakter des Gaststättenbetriebs nicht dem einer Speisegaststätte, sondern dem einer "Kneipe" entsprächen. Das Verwaltungsgericht vermische unzulässigerweise die Begriffe der einfach zubereiteten Speisen und der untergeordneten Nebenleistung.

12

Die Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 29. September 2010 die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Er schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.

17

Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der sich am Berufungsverfahren beteiligt, hält das Urteil des Verwaltungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der Sache für zutreffend. Er verweist insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes im Jahre 2009 hinsichtlich des Begriffs der einfach zubereiteten Speisen nicht auf die für Straußwirtschaften geltende Regelung des § 12 Abs. 1 Gaststättenverordnung Bezug genommen habe, sondern beispielhaft aufgezählt habe, welche Speisen als einfach zubereitet anzusehen seien und welche nicht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung ist unbegründet.

20

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) gegen den Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 25. Februar 2010 ist als sogenannte Beanstandungsklage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 7 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig und begründet. Der Widerspruchsbescheid, mit dem auf den Widerspruch des Beigeladenen die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 29. Dezember 2009 aufgehoben wurde, ist rechtswidrig. Die Ordnungsverfügung, mit der die Beklagte den Beigeladenen aufgefordert hat, das Rauchverbot in seiner Gaststätte „…“ einzuhalten, ist rechtmäßig und hätte daher vom Stadtrechtsausschuss nicht aufgehoben werden dürfen.

21

1. Rechtsgrundlage dieser Ordnungsverfügung ist § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz - NRSG - vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 2009 (GVBl. S. 205). Danach können unter anderem die Stadtverwaltungen der großen kreisangehörigen Städte - wie der Beklagten - als örtliche Ordnungsbehörden bei den sonstigen - nicht unter Nr. 1 der Bestimmung fallenden, das heißt in privater Trägerschaft stehenden - Einrichtungen die zur Umsetzung und Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen treffen, wenn die Leitung oder der Betreiber einer Einrichtung nach §§ 2 bis 8 NRSG der ihnen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 NRSG obliegenden Verantwortung zur Umsetzung und Einhaltung der Bestimmungen nicht nachkommt.

22

Die an den Beigeladenen gerichtete Aufforderung, das Rauchverbot in seiner Gaststätte einzuhalten, stellt eine solche erforderliche Anordnung dar, weil der Beigeladene als Betreiber der Gaststätte seiner Verantwortung für die Umsetzung und Einhaltung der Bestimmungen des § 7 NRSG nicht von sich aus nachgekommen ist. Er erlaubt in seiner Gaststätte das Rauchen, obwohl er die Voraussetzungen für eine Raucherlaubnis nicht erfüllt.

23

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 NRSG sind Gaststätten rauchfrei. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 7 Abs. 2 NRSG für Gaststätten mit nur einem Gastraum und einer Grundfläche von weniger als 75 m² vor. Der Betreiber einer solchen Gaststätte kann das Rauchen erlauben (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 NRSG). Voraussetzung für eine Raucherlaubnis ist - neben der Information hierüber gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 NRSG -, dass in der Gaststätte keine oder nur einfach zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle als untergeordnete Nebenleistung verabreicht werden (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 NRSG). Dies ist hier nicht der Fall.

24

2. Der Begriff der einfach zubereiteten Speisen in § 7 Abs. 2 Satz 2 NRSG ist entgegen der Auffassung des Stadtrechtsausschusses der Beklagten nicht so zu verstehen wie der gleichlautende Begriff in der für Straußwirtschaften geltenden Bestimmung des § 12 Gaststättenverordnung Rheinland-Pfalz - GastVO -, sondern enger.

25

a) Nach § 12 Abs. 1 GastVO dürfen in einer Straußwirtschaft nur einfach zubereitete Speisen verabreicht werden. Unter einfach zubereiteten Speisen im Sinne dieser Bestimmung werden im gaststättenrechtlichen Schrifttum Speisen verstanden, deren Zubereitung keine besonderen Fertigkeiten sowie wenig Zeit und Mühe erfordert. Dabei ist zwar die Abgrenzung im Einzelnen nicht unumstritten, etwa inwieweit dem (geringen) Zeitaufwand bei bereits zubereitet gelieferten Gerichten und Fertigprodukten Bedeutung zuzumessen ist oder ob regionale Besonderheiten (z.B. bezüglich Spargelgerichten) zu berücksichtigen sind. Es wird jedoch nicht bezweifelt, dass Gerichte wie Rippchen mit Kraut und Zwiebel- oder Flammkuchen zu den in Straußwirtschaften zulässigen einfach zubereiteten Speisen zählen (vgl. Metzner, Gaststättengesetz, 6. Auflage 2002, § 14 Rn. 27 f.; Michel/Kienzle, Gaststättengesetz, 13. Auflage 1999, § 14 GastVO Hessen; Pöltl, Gaststättengesetz, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 12 ff.; vgl. auch VGH BW, Beschluss vom 2. Dezember 1999 - 14 S 2795/99 -, juris, zur Zulässigkeit von Gänsebraten in Straußwirtschaften [offen gelassen]).

26

Ein solch eher weites Verständnis des Begriffs der einfach zubereiteten Speisen entspricht auch dem Zweck der gaststättenrechtlichen Regelung. § 12 GastVO beruht auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 14 Gaststättengesetz - GastG -. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können die Landesregierungen durch Rechtsverordnungen zur Erleichterung des Absatzes selbsterzeugten Weines oder Apfelweines bestimmen, dass der Ausschank dieser Getränke und im Zusammenhang hiermit das Verabreichen von zubereiteten Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle für die Dauer von höchstens vier Monaten oder, soweit dies bisher nach Landesrecht zulässig war, von höchstens sechs Monaten keiner Erlaubnis bedarf. Sie können hierbei Vorschriften unter anderem über das Verabreichen von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle erlassen (vgl. § 14 Satz 2 Nr. 2 GastG). Wie in den Worten "zur Erleichterung des Absatzes selbst erzeugten Weines oder Apfelweines" zum Ausdruck kommt, bezweckt § 14 GastG, den Winzern eine Privilegierung für den Ausschank ihres Weines einzuräumen und ihnen zur Erreichung dieses Zwecks auch die Abgabe von zubereiteten Speisen erlaubnisfrei zu gestatten. Die aufgrund dieser gesetzlichen Ermächtigung ergangene Bestimmung des § 12 Abs. 1 GastVO, wonach nur einfach zubereitete Speisen in einer Straußwirtschaft verabreicht werden dürfen, konkretisiert und begrenzt diese Privilegierung der Winzer, um Straußwirtschaften nicht mit Speisegaststätten - von den zeitlichen Beschränkungen abgesehen - gleichzustellen (vgl. Metzner, a.a.O., § 14 GastG Rn. 10 und 27 f.; VGH BW, Beschluss vom 2. Dezember 1999, a.a.O., Rn. 4). Da die gesetzliche Ermächtigung der Erleichterung des Weinabsatzes aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen dient, entspricht mithin ein eher weites Verständnis des Begriffs der einfach zubereiteten Speisen in § 12 Abs. 1 GastVO dem gesetzgeberischen Ziel.

27

b) Aus dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des Nichtraucherschutzgesetzes ergibt sich, dass der Begriff der einfach zubereiteten Speisen in § 7 Abs. 2 Satz 2 NRSG enger zu verstehen ist als der gleichlautende Begriff in § 12 Abs. 1 GastVO.

28

aa) Nach § 1 Abs. 1 NRSG ist Zweck dieses Gesetzes der Schutz der Bevölkerung vor Belastungen sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Tabakrauch (Passivrauchbelastung). In der Begründung des Gesetzentwurfs wird hierzu ausgeführt, dass aktuellen Untersuchungen zufolge durch Passivrauchen in Deutschland jährlich rund 3.300 Todesfälle zu verzeichnen sind. Tabakrauch in Innenräumen ist nach Feststellung des Deutschen Krebsforschungszentrums keine Belästigung, sondern eine Gesundheitsgefährdung mit Todesfolge (vgl. LT-Drs. 15/1105, S. 7). Angesichts der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor solchen gravierenden Gesundheitsgefahren liegt es nahe, den Begriff der einfach zubereiteten Speisen in § 7 Abs. 2 NRSG und damit die Voraussetzungen einer Ausnahme von dem grundsätzlich in Gaststätten bestehenden Rauchverbot enger zu verstehen als in § 12 Abs. 1 GastVO, der - wie dargelegt - lediglich der Begrenzung der den Winzern eingeräumten Privilegierung für den Absatz ihres Weines dient.

29

bb) Die Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 2 NRSG bestätigt ein solches Verständnis.

30

Das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz sah in seiner ursprünglichen Fassung vom 5. Oktober 2007 (GVBl. S. 188) - NRSG a.F. - nur zwei Ausnahmen vom Grundsatz der Rauchfreiheit in Gaststätten vor, nämlich in Nebenräumen einer Gaststätte mit mehreren Räumen und in vorübergehend an einem Standort betriebenen Festzelten (vgl. § 7 Abs. 2 und 3 NRSG a.F.). Eine Ausnahmeregelung für Ein-Raum-Gaststätten enthielt das Gesetz nicht. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mehreren Verfassungsbeschwerden gegen Vorschriften der Nichtraucherschutzgesetze der Länder Baden-Württemberg und Berlin stattgegeben hatte (vgl. BVerfGE 121, 317), erklärte der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 30. September 2008 (VGH B 31/07 u.a. - AS 36, 323) § 7 Abs. 1 Satz 1 NRSG a.F. für unvereinbar mit der Berufsfreiheit (Art. 58 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -) und der Freiheit zu selbständiger wirtschaftlicher Betätigung (Art. 52 Abs. 1 LV). Denn die Ausgestaltung des Rauchverbots in Gaststätten belaste die Betreiber ausschließlich inhabergeführter oder kleinerer Ein-Raum-Gaststätten mit getränkegeprägtem Angebot in unzumutbarer Weise. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2009 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Hierzu führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus (vgl. VerfGH RP, AS 36, 323 [344]):

31

"Schließlich besteht für den Gesetzgeber die Möglichkeit, eine Abgrenzung zur Gruppe der speisegeprägten Gaststätten vorzunehmen. Damit würde dem Grundanliegen des Gesetzes Rechnung getragen, gerade Nichtrauchern den uneingeschränkten Besuch von Speisegaststätten zu gewährleisten. Dabei kann einerseits das von der Landesregierung angesprochene praktische Bedürfnis berücksichtigt werden, auch in getränkegeprägten Kleingaststätten ein begleitendes Angebot typischer einfacher Speisen zu ermöglichen. Andererseits können Vorkehrungen gegen einen Missbrauch solcher Möglichkeiten zu Lasten der Speisegastronomie getroffen werden. Je nach Gewichtung durch den Landesgesetzgeber kommt u.a. eine dem § 12 Abs. 1 der Gaststättenverordnung - GaststättenVO - vom 2. Dezember 1971 (GVBl. S. 274) vergleichbare Regelung in Betracht. Auf diese Vorschrift hat auch die Landesregierung hingewiesen. Danach dürfen in einer Straußwirtschaft nur ‘einfach zubereitete Speisen‘ verabreicht werden. Die Übertragung dieses Begriffs würde es den Betreibern inhabergeführter oder kleiner Ein-Raum-Gaststätten gestatten, als untergeordnete Nebenleistung kleinere Speisen anzubieten, die für diesen Bereich der Gastronomie typisch sind. Auch ein praktikabler Verwaltungsvollzug wäre so gewährleistet. Die hierfür zuständigen Behörden könnten nämlich auf die in Rheinland-Pfalz vorhandenen praktischen Erfahrungen bei der Umsetzung von § 12 Abs. 1 GaststättenVO zurückgreifen. Zugleich würde so verhindert, dass die speisegeprägte Gastronomie ihrerseits einen unzumutbaren Wettbewerbsnachteil erleidet."

32

Dem Neuregelungsauftrag kam der Gesetzgeber mit dem Landesgesetz zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz vom 26. Mai 2009 (GVBl. S. 205) nach, mit dem er § 7 Abs. 2 NRSG in seiner heutigen Fassung einfügte und damit eine Ausnahme vom Grundsatz der Rauchfreiheit für bestimmte Ein-Raum-Gaststätten einführte. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Neuregelung heißt es (vgl. LT-Drs. 15/3221, S. 5):

33

"Durch den gewählten Begriff der einfach zubereiteten Speisen wird den Betreiberinnen und Betreibern von Ein-Raum-Gaststätten mit einer Grundfläche des Gastraums von weniger als 75 m² ermöglicht, als untergeordnete Nebenleistung kleine Speisen anzubieten, die für den Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie typisch sind. Hierzu zählen Bretzeln, Salzgebäck, belegte Brote oder Brötchen, gekochte Eier, kalte oder warme Würstchen oder Frikadellen und vergleichbare einfache Speisen. Dagegen handelt es sich zum Beispiel bei Kuchen, Speiseeis, Salaten, Schnitzeln, Pommes frites und Pizzas nicht mehr um einfach zubereitete Speisen im Sinne dieser Regelung."

34

Die Gesetzesbegründung verweist demnach hinsichtlich des Begriffs der einfach zubereiteten Speisen nicht auf § 12 Abs. 1 GastVO, sondern spricht von einem Angebot "kleiner Speisen" als untergeordnete Nebenleistung, die für den Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie typisch sind. Hierzu nennt sie Beispiele und Gegenbeispiele. Der Gesetzgeber hat mithin nicht die Anregung des Verfassungsgerichtshofs aufgegriffen, den Begriff der einfach zubereiteten Speisen aus dem Gaststättenrecht schlichtweg zu übertragen und auf die praktischen Erfahrungen bei der Auslegung und Umsetzung des Begriffs in § 12 Abs. 1 GastVO zurückzugreifen. Vielmehr ist der Gesetzesbegründung die Vorstellung des Gesetzgebers zu entnehmen, den Begriff enger als in § 12 Abs. 1 GastVO zu verstehen. Es muss sich danach um kleine Speisen handeln, die - als untergeordnete Nebenleistung - für den Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie typisch sind.

35

Die als Beispiele und Gegenbeispiele angeführten Speisen verdeutlichen darüber hinaus, dass der Gesetzgeber trotz der insoweit missverständlichen Wortwahl nicht entscheidend auf die Einfachheit der Zubereitung in der Gaststätte abstellen wollte. So werden etwa die als Beispiele für einfach zubereitete Speisen genannten Brezeln oder Salzgebäck in der Gaststätte überhaupt nicht "zubereitet". In der Gesetzesbegründung heißt es dementsprechend auch folgerichtig nach Aufzählung der Beispiele nicht "und vergleichbare einfach zubereitete Speisen", sondern "und vergleichbare einfache Speisen". Bei den angeführten Beispielen für "einfache Speisen" handelt es sich überwiegend um solche, die "aus der Hand" gegessen werden können.

36

cc) Der sich aus dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte ergebende Wille des Gesetzgebers hat auch im Gesetzestext insofern Ausdruck gefunden, als dort im Gegensatz zu § 12 Abs. 1 GastVO neben dem Begriff der einfach zubereiteten Speisen ausdrücklich auch das Erfordernis des Verabreichens als "untergeordnete Nebenleistung" angesprochen wird. Damit hat der Gesetzgeber eine zusätzliche Voraussetzung normiert, die zugleich auch die Auslegung des Begriffs der einfach zubereiteten Speisen in dem dargelegten Sinne mit beeinflusst.

37

c) Nach alledem sind unter einfach zubereiteten Speisen im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 NRSG einfache kleine Speisen zu verstehen, die für den Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie typisch sind. Sie können überwiegend "aus der Hand" gegessen werden.

38

3. Die weitere Voraussetzung des Verabreichens der Speisen als "untergeordnete Nebenleistung" ist nur erfüllt, wie der Gesetzbegründung zu entnehmen ist (vgl. LT-Drs. 15/3221, S. 5), wenn die Gaststätte von ihrer Angebotsstruktur zur getränkegeprägten Kleingastronomie gehört, die in erster Linie zum Genuss von Getränken aufgesucht wird und in der Speisen eine untergeordnete Rolle spielen. Das Verabreichen von Speisen darf daher nicht prägend für den Gaststättenbetrieb sein. Werden Speisen auf Speisekarten aufgeführt oder wird ein Stammessen angeboten, so kann man nicht mehr von einer untergeordneten Nebenleistung sprechen.

39

Das Erfordernis des Verabreichens von Speisen als untergeordnete Nebenleistung dient der Abgrenzung der getränkegeprägten Kleingastronomie in Ein-Raum-Gaststätten, für die eine Ausnahmemöglichkeit vom Grundsatz der Rauchfreiheit besteht, zu Ein-Raum-Speisegaststätten, für die das Rauchverbot uneingeschränkt gilt. Damit soll zum einen Nichtrauchern der ungehinderte Besuch von Speisegaststätten ermöglicht werden, zum anderen sollen die Speisegaststätten vor unzumutbaren Wettbewerbsnachteilen gegenüber den Ein-Raum-Gaststätten mit Raucherlaubnis geschützt werden.

40

4. Nach diesen Grundsätzen erfüllt das Speisenangebot in der Ein-Raum-Gaststätte des Beigeladenen, wie es von der Beklagten bei einer Überprüfung am 22. Dezember 2009 festgestellt wurde, nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 NRSG für eine Raucherlaubnis. Es handelt sich hierbei weder um einfach zubereitete Speisen (a) noch um eine untergeordnete Nebenleistung (b).

41

a) Mehrere der vom Beigeladenen angebotenen Speisen zählen zu den in der Gesetzesbegründung angeführten Beispielen für nicht einfach zubereitete Speisen, nämlich Schnitzel, Salate und Pommes frites. Die angebotenen Speisen können auch ganz überwiegend nicht „aus der Hand“ gegessen werden. Außerdem enthält das Speisenangebot einige komplette Mahlzeiten aus mehreren Bestandteilen wie zum Beispiel Hacksteak mit Bratkartoffeln und Sauerkraut oder Rindfleisch mit Meerrettich und Kartoffeln. Diese Gerichte sind keine einfachen kleinen Speisen, die in der getränkegeprägten Kleingastronomie typisch sind. Das Speisenangebot des Beigeladenen geht vielmehr darüber weit hinaus.

42

Unerheblich ist der vom Beigeladenen angeführte Umstand, dass die Speisen in einem anderen Restaurant von ihm vorgekocht und in der Gaststätte „…“ nur noch erwärmt werden. Aus den dargelegten Gründen kommt es nämlich auf die Einfachheit der Zubereitung in der Gaststätte nicht entscheidend an. Maßgeblich ist insoweit nur, ob in der Gaststätte ein Angebot einfacher kleiner Speisen besteht.

43

b) Die angebotenen Speisen werden auch nicht als untergeordnete Nebenleistung verabreicht. Bereits der Umstand, dass der Beigeladene eine Speisekarte auf einer Tafel vor seiner Gaststätte aufgestellt hat, spricht durchgreifend gegen die Annahme, sein Lokal würde in erster Linie zum Genuss von Getränken aufgesucht und Speisen spielten eine untergeordnete Rolle. Am Tag der Kontrolle durch den Vollzugsdienst der Beklagten kam noch hinzu, dass der Beigeladene auf einem weiteren Schild damit warb, dass alles hausgemachte Gerichte seien und ein gutbürgerlicher Mittags- und Abendtisch bestehe. Darüber hinaus spricht die Vielzahl der von ihm angebotenen kompletten Mahlzeiten aus mehreren Bestandteilen für eine Angebotsstruktur, die nicht zur getränkegeprägten Kleingastronomie, sondern zu einer Speisegaststätte gehört. Diese vollständigen Mahlzeiten dienen in erster Linie der Sättigung des Gaststättenbesuchers. Der Genuss von Getränken spielt in diesem Fall eine untergeordnete Rolle. Nicht die Speisen, sondern die Getränke sind hier die untergeordnete Nebenleistung, worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, bezüglich des Beigeladenen aus §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie nur die Auslegung und Anwendung von nicht revisiblem Landesrecht betrifft.

47

Beschluss

48

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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published on 11/04/2017 00:00

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. März 2017 wird hinsichtlich der Ziffer 1 wiederhergestellt, soweit darin der Antragstellerin aufgegeben wurde, ihre Gaststätte „...
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Annotations

Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnungen zur Erleichterung des Absatzes selbsterzeugten Weines oder Apfelweines bestimmen, daß der Ausschank dieser Getränke und im Zusammenhang hiermit das Verabreichen von zubereiteten Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle für die Dauer von höchstens vier Monaten oder, soweit dies bisher nach Landesrecht zulässig war, von höchstens sechs Monaten, und zwar zusammenhängend oder in zwei Zeitabschnitten im Jahre, keiner Erlaubnis bedarf. Sie können hierbei Vorschriften über

1.
die persönlichen und räumlichen Voraussetzungen für den Ausschank sowie über Menge und Jahrgang des zum Ausschank bestimmten Weines oder Apfelweines,
2.
das Verabreichen von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle,
3.
die Art der Betriebsführung
erlassen. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden oder andere Behörden übertragen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.