Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 31. Juli 2017 - 6 A 11309/17
Gericht
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 12. Mai 2017 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe
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1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung – der vom Senat mit Beschluss vom 31. Juli 2017 wegen der Fristversäumnis als unzulässig abgelehnt worden ist – bleibt ohne Erfolg.
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a) Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dabei wird das Verschulden eines Bevollmächtigten dem durch diesen vertretenen Verfahrensbeteiligten wie eigenes Verschulden zu gerechnet (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts in Fristensachen, den Betrieb seiner Anwaltskanzlei so zu organisieren, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hergestellt werden und vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingehen. Er muss geeignete Vorkehrungen treffen, die gewährleisten, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Diese Sorgfaltsanforderungen gelten auch für einen Rechtsanwalt, der ganz oder teilweise „papierlos“ arbeitet. Eine elektronische Kalenderführung darf grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten, als die eines herkömmlichen Fristenkalenders (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008 – 2 B 6/08 –, juris, Rn. 7 und 9; BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – VI ZB 55/11 –, juris, Rn. 7f.; jeweils m.w.N.).
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b) Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Versäumung der Begründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht.
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aa) Sie haben hierzu vorgetragen, ihre Prozessbevollmächtigte habe zugleich mit der Einreichung des Zulassungsantrags am 12. Juli 2017 auch die Frist zur Fertigstellung des Begründungsschriftsatzes mit dem 28. Juli 2017 notiert. Die Fristen würden in der Kanzlei mit einem Google-Kalender erfasst und Fristsachen grundsätzlich in der Farbe „rot“ markiert. Zugriff auf den Kalender hätten neben der Prozessbevollmächtigten noch die Rechtsanwaltsfachangestellte und die Auszubildende des mit der Prozessbevollmächtigten in Bürogemeinschaft praktizierenden Anwaltskollegen. Das Personal habe Anweisung, Fristen, auch wenn diese verstrichen seien, nicht aus dem Kalender zu löschen. Gleichwohl sei aus Gründen, die hier nicht mehr nachvollzogen werden könnten, die Frist zur Fertigstellung der Antragsbegründung aus dem Kalender herausgelöscht worden und das Fristende am 28. Juli 2017 nicht mehr eingetragen gewesen.
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bb) Nach diesen Angaben besteht die Möglichkeit, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte oder die Auszubildende des in Bürogemeinschaft praktizierenden Anwaltskollegen entgegen der dem Büropersonal gegebenen Anweisung oder die Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst versehentlich die Frist zur Antragsbegründung in dem elektronisch geführten Kalender gelöscht hat. Besteht in einer Anwaltskanzlei die Möglichkeit, dass ein Rechtsanwalt selbst Fristen streicht, und bleibt offen, wer eine Frist gestrichen hat, so muss der Rechtsanwalt ein eigenes Verschulden ausräumen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 177/10 –, NJW 2011, 385). Die Unaufklärbarkeit von Büroversehen geht zu Lasten der Partei, die sich darauf beruft (vgl. BGH, Beschluss vom 4.Oktober 1982 – II ZB 9/82 –, juris). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2006 – II ZB 1/05 –, NJW 2006, 1520). Um einen solchen Fall handelt es sich hier.
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Nach ihren Angaben kommt in Betracht, dass ihre Prozessbevollmächtigte selbst versehentlich die Frist im elektronisch geführten Fristenkalender gelöscht hat. Zu dieser sich aus ihrem Vorbringen ergebenden Möglichkeit haben sich die Kläger jedoch nicht geäußert. Sie haben ein für die Fristversäumnis ursächliches eigenes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten mithin nicht ausgeräumt.
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cc) Außerdem legen die Kläger nicht dar, dass ihre Prozessbevollmächtigte geeignete organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, die gewährleisten, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und überwacht werden. Zwar hat ihre Prozessbevollmächtigte ihren Angaben zufolge das Büropersonal angewiesen, Fristen, auch wenn sie verstrichen sind, nicht aus dem elektronisch geführten Kalender zu löschen. Damit genügt sie aber noch nicht ihrer Organisationspflicht. Ein Anwalt muss vielmehr auch geeignete Vorkehrungen dagegen treffen, dass durch versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender bzw. durch versehentliches Löschen von Fristen im elektronisch geführten Kalender Fristen versäumt werden. Wenn ein elektronischer Fristenkalender so geführt wird, dass am Tag des Fristablaufs zuvor als erledigt gekennzeichnete Sachen überhaupt nicht mehr in der Fristenliste erscheinen und ein vorheriges versehentliches Löschen der Frist daher bei der Endkontrolle am Tag des Fristablaufs nicht mehr erkannt werden kann, so genügt die Kalenderführung nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Büroorganisation (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2000 – V ZB 1/00 –, NJW 2000, 1957; SaarlOVG, Beschluss vom 20. Mai 2014 – 1 A 458/13 –, NJW 2014, 2602).
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Entsprechende geeignete Vorkehrungen, die ihre Prozessbevollmächtigte zur Vermeidung von Fristversäumnissen durch versehentlich gelöschte Fristen im elektronisch geführten Fristenkalender getroffen hätte, sind dem Vortrag der Kläger nicht zu entnehmen. Dadurch wird auch ein für die Fristversäumnis ursächliches Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nicht ausgeräumt.
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Nach alledem ist die Möglichkeit offen geblieben, dass die Frist zur Antragsbegründung durch ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Kläger versäumt worden ist, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzulehnen war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 3 VwGO.
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2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den oben dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.