Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 28. Aug. 2014 - 6 E 951/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat den gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO gestellten Antrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Nach dieser Vorschrift sind, soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
4Ein solches Vorverfahren hat hier nicht stattgefunden. Vorverfahren im Sinne der angeführten Vorschrift ist das als Sachurteilsvoraussetzung anzusehende Widerspruchsverfahren, das vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erfolglos durchgeführt worden sein muss (§ 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO).
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2007 - 6 E 292/07 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 2. Februar 2012 - 4 O 43/12 -, juris.
6Im Streitfall war die Durchführung eines Vorverfahrens aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nach § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LBG NRW nicht erforderlich. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht daher festgestellt, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für das Vorverfahren unerheblich ist, ob das Schreiben der Beklagten vom 12. November 2012 als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW zu qualifizieren ist.
7Gegen eine erweiternde Auslegung des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO dahingehend, dass die Kosten für das Vorverfahren auch dann erstattungsfähig sind, wenn der Widerspruch - unabhängig von seiner Statthaftigkeit - geeignet war, „dem Kläger einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen“, spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Nach der Gesetzesbegründung zu § 159 VwGO a. F. sind in diese Regelung „auch die im Vorverfahren entstandenen Kosten mit einbezogen. Der hiergegen vorgebrachte Einwand, dass es sich beim Vorverfahren um ein Verwaltungs- und nicht um ein gerichtliches Verfahren handele, und dass sich die Kostentragungs- und Kostenerstattungspflicht daher nach den Verwaltungskostengesetzen zu richten habe, schlägt gegenüber der Tatsache nicht durch, dass das Vorverfahren zur Klagevoraussetzung (Hervorhebung durch den Senat) gemacht ist. Dann aber lässt sich die Entscheidung über Kostentragungs- und -erstattungspflicht nicht vom Ausgang des gerichtlichen Verfahrens trennen; eine unterschiedliche Behandlung wäre sachlich nicht gerechtfertigt“.
8Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 5. Dezember 1957, BT-Drs. 3/55, Seite 47f.
9Dieser prozessuale Zusammenhang fehlt indes, wenn das Vorverfahren - wie im Streitfall - keine „Klagevoraussetzung“ ist.
10Vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. Juni 2006 - 11 S 2613/05 -, juris.
11Ohne Erfolg macht der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juli 2008, 1 O 108/08, juris, geltend, es reiche für die Anwendbarkeit des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO aus, dass das Vorverfahren „nicht völlig überflüssig“ gewesen sei. Dieser Einwand greift nicht durch. Das OVG Mecklenburg-Vorpommern hat in der vorbenannten Entscheidung festgestellt, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für das Vorverfahren ausreichend ist, dass das Vorverfahren „nicht unstatthaft und nicht völlig überflüssig ist, d. h. seine Durchführung wenigstens geeignet sein kann, dem Kläger über das parallel geführte gerichtliche Verfahren hinaus einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen und seine Einleitung insofern sachgerecht erscheint“. Danach bedürfe es zwar vor der Klageerhebung nicht der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung eines angefochtenen Bescheides rechtsfehlerhaft allein auf die Möglichkeit der Klageerhebung hingewiesen worden sei. Daraus könne indes nicht geschlossen werden, dass die Kosten eines gleichwohl – parallel zum Klageverfahren – durchgeführten Vorverfahrens nicht erstattungsfähig seien. Diese Kosten seien vielmehr erstattungsfähig, wenn der (statthafte) Widerspruch nicht von vornherein ungeeignet sei, gegenüber einer alleinigen Durchführung eines schon anhängigen Klageverfahrens zur Verbesserung der Rechtsstellung des Klägers beizutragen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil der von dem Kläger erhobene Widerspruch – wie ausgeführt – unstatthaft ist.
12Von den vorstehenden Ausführungen abgesehen, bleibt auch der auf die angeführte Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern gestützte Einwand des Klägers erfolglos, die Einlegung des Widerspruchs sei schon deshalb gerechtfertigt, weil die Frage der Statthaftigkeit des hier in Betracht kommenden Rechtsmittels „unübersichtlich“ sei und ein sorgfältig handelnder Rechtssuchender es in der Situation des Klägers nicht riskiert hätte, das falsche Rechtsmittel einzulegen oder auf ein gesetzlich vorgeschriebenes zu verzichten. Angesichts der in § 104 Abs. 1 LBG NRW getroffenen Regelung ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Rechtslage „unübersichtlich“ sein soll. Näheres führt auch die Beschwerde hierzu nicht aus.
13Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ausnahmsweise dann für notwendig erklärt werden kann, wenn gegen einen angefochtenen Bescheid nach der ihm beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch nach § 68 VwGO zu erheben war, diese Rechtsbehelfsbelehrung für den Betroffenen auch nicht erkennbar unzutreffend gewesen und daraufhin vor Klageerhebung tatsächlich ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist,
14vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20. Mai 2005 - 8 OB 57/05 -, juris,
15braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn die Schreiben der Beklagten vom 12. November 2012 und 19. Juni 2013 enthielten keine dahingehende Rechtsbehelfsbelehrung.
16Nach alledem hat ein Vorverfahren nicht im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO geschwebt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte den von Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 3. Januar 2013 erhobenen und unter dem 4. Juli 2013 begründeten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2013 als unbegründet zurückgewiesen hat. Denn die Erhebung eines Widerspruchs war gemäß § 104 Abs. 1 LBG NRW unstatthaft und auch nicht durch die angeführten Schreiben der Beklagten veranlasst.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
18Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.