Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 29. Apr. 2015 - 4 B 1464/14
Gericht
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen Nr. 1-3 des Tenors der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2014 in Gestalt der Ergänzung vom 7. August 2014 wird auch hinsichtlich der Betriebsstätte M. Straße 19 angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe:
1Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin hinsichtlich der Betriebsstätte M. Str. 19 abgelehnt.
2Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick (auch) auf diese Betriebsstätte zunächst zu Recht und mit zutreffender Begründung erhebliche und jedenfalls im Eilverfahren durchgreifende Bedenken gegen die Annahme der Antragsgegnerin erhoben, § 20 Abs. 1 S. 2 GlüSpVO NRW verbiete auch das Angebot von Sportwetten in einer Annahmestelle für Pferdewetten, in der zulässigerweise Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt sind. Den einschlägigen Ausführungen ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten; sie hat auch von einer Beschwerde hinsichtlich der hierauf gestützten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin bezüglich der Betriebsstätte H.------wall 1a abgesehen. Die Auslegung der Antragsgegnerin dürfte vom Wortlaut der Regelung nicht gedeckt sein. Demgegenüber ist die – gegebenenfalls weiter bestehende – Aufstellung der Geldspielgeräte in der Vermittlungsstelle für Pferdewetten durch die 6. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung vom 4. November 2014 (BGBl. I S. 1678) unzulässig geworden, so dass letztlich auch eine mögliche Rechtfertigung für eine erweiternde Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 2 GlüSpVO NRW entfallen ist. Es bleibt der Antragsgegnerin unbenommen, gegen die Aufstellung der Geldspielgeräte vorzugehen, solange und soweit an dem gleichzeitigen Angebot von Sportwetten und Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit in denselben Geschäftsräumen festgehalten wird. Ein Vorgehen gegen den Anbieter von Sportwetten kann hierauf jedenfalls nicht (mehr) gestützt werden. Im Hinblick auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Verhältnis der Änderung der Spielverordnung zu § 21 Abs. 2 GlüStV merkt der Senat lediglich an, dass die in Rede stehende Trennung eines Angebots von Sportwetten von einer Vermittlungsstelle für Pferdewetten, in der Geldspielgeräte aufgestellt sind, jedenfalls nicht nach § 21 Abs. 2 GlüStV geboten ist. Ein Buchmacherbetrieb wird ebenso wenig wie eine Schank- und Speisewirtschaft dadurch zu einer Spielhalle, dass dort Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt werden (vgl. auch § 16 Abs. 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW).
3Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich die angefochtene Verfügung im Hinblick auf die ergänzende Begründung, der Betrieb der Sportwettenvermittlung sei in der M. Str. 19 nicht erlaubnisfähig, weil sich in dem Gebäudekomplex seit dem 29. Juni 2012 eine Spielhalle befinde, als offensichtlich rechtswidrig.
4Als Ermächtigungsgrundlage für das ordnungsbehördliche Einschreiten der Antragsgegnerin kommt hier allein § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV 2012 in Betracht. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder auf seiner Grundlage begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und Werbung hierfür unterbleiben. Die Antragsgegnerin als zuständige Behörde kann nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV die zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen; insbesondere kann sie nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Die Entscheidung hierüber hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
5Die angefochtene Verfügung leidet insoweit jedenfalls an einem durchgreifenden Ermessensfehler, weil die Antragsgegnerin - sofern sie überhaupt entsprechende Ermessenserwägungen angestellt hat, was sich der Ergänzungsverfügung vom
67. August 2014 allerdings so nicht entnehmen lässt - nicht berücksichtigt hat, dass die Sportwettenvermittlungsstelle der Antragstellerin bereits seit 2009 ununterbrochen - wie die Antragstellerin mit der Beschwerde glaubhaft gemacht hat - betrieben wird, während die Spielhalle erst seit dem 29. Juni 2012 existiert. Die Erlaubnis nach § 33i GewO soll ihr am 25. Juni 2012 erteilt worden sein. Insoweit hat die Antragstellerin zu Recht erhebliche Bedenken gegen die einseitige Anwendung des Trennungsgebots zulasten der älteren Sportwettenvermittlung erhoben. Eine hinreichende Rechtfertigung, auch in diesen Fällen dem Angebot mit dem größeren Risikopotential für Entstehung und Förderung der Spielsucht Vorrang einzuräumen, ist nicht zu erkennen. Ob in diesen Fällen eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 2 GlüStV dahingehend, dass er nur den zeitlich später aufgenommenen Betrieb der Sportwettenvermittlung untersagt, oder im Sinne einer adressatenneutralen objektiven Inkompatibilitätsregelung erfolgen kann oder muss,
7vgl. näher VG Regensburg, Urteil vom 22. Januar 2015 – RO 5 K 14.90 -, juris Rn. 33; Dietlein/Peters, ZfWG 2014, 357 ff; Hecker/Ruttig, in Dietlein/Hecker/ Ruttig, Glücksspielrecht - Kommentar, 2. Aufl. 2013,
8§ 21 GlüStV Rn. 42 f.,
9mag angesichts dessen auf sich beruhen.
10Diese Bedenken werden vorliegend dadurch verstärkt, dass die von der Antragsgegnerin angeführte Spielhalle - deren Betrieb der Senat zugrunde legt, obwohl die Angaben in der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 10. April 2015 nicht weiter konkretisiert wurden und nicht mit der Gewerbeanmeldung vom 3. Juni 2013 übereinstimmen - zum Zeitpunkt der Untersagungsverfügung und auch derzeit noch ohne die nach § 24 Abs. 1 GlüStV notwendige Erlaubnis betrieben wird. Eine solche Erlaubnis ist nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV seit dem 1. Dezember 2013 zu ihrem (legalen) Betrieb erforderlich, aber bisher nach Mitteilung der Antragsgegnerin vom 10. April 2015 nicht erteilt worden. Das hat die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt. Sie ist vielmehr noch in der Antragserwiderung vom 24. September 2014 (dort S. 2) zu Unrecht davon ausgegangen, die Spielhalle verfüge über die erforderliche(n) Erlaubnis(se). Bei dieser Frage handelt es sich indes um einen für die ordnungsgemäße Ermessensausübung wesentlichen Gesichtspunkt. Auch der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, dass schon vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages in den Betriebsräumen des Pferdewettanbieters Geldspielgeräte gestanden hätten, führt nicht auf eine materielle Illegalität der Sportwettvermittlung. Nach § 5 Abs. 3 AG GlüStV NRW a. F. bestand ein Trennungsgebot ausdrücklich nur für Spielhallen.
11Angesichts der schon aus diesem Grund gegebenen offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung konnte der Senat wegen des vorläufigen Charakters des vorliegenden Verfahrens offen lassen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 2 GlüStV vorliegen. Dieses Trennungsgebot dürfte nämlich – wie die Antragstellerin zu Recht geltend macht – im Sinne der Intention des Gesetzgebers und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in allen Anwendungsfällen, die der
12§ 21 Abs. 2 GlüStV 2012 seinem zu weitem Wortlaut nach erfasst, anzunehmen sein, sondern nur dann, wenn tatsächlich beide Angebote im selben Geschäftslokal erfolgen oder ein vergleichbar enger örtlicher Zusammenhang vorliegt.
13Vgl. dazu im Einzelnen OVG NRW, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 B 1376/14 -, juris Rn. 6, 18 ff.
14Ob ein solcher enger räumlicher Zusammenhang nach den in dieser Entscheidung angeführten Kriterien hier tatsächlich gegeben ist, ist zumindest zweifelhaft. Die Betriebe befinden sich zwar (jedenfalls) in einem Gebäudekomplex, grenzen aber nicht unmittelbar aneinander an; ein Wechsel zwischen beiden Betrieben setzt vielmehr das Betreten der Straße voraus. Ob beim Verlassen eines Betriebes ein zwangsläufiger Sichtkontakt zum jeweils anderen Betrieb besteht, ist angesichts des dazwischen angesiedelten Maklerbüros und der Lage des Eingangs der Spielhalle an der Eckseite des Gebäude(komplexe)s zumindest fraglich. Zudem ist - wie die Antragstellerin unwidersprochen geltend macht - der Abstand des Eingangs der Spielhalle zum Eingang der Antragstellerin größer als derjenige zum Eingang des gegenüber liegenden Sportwettbüros M. Straße 22. Dieses Sportwettbüro könnte im Übrigen für sich genommen der Erlaubnisfähigkeit einer - wie hier rechtlich als derzeit neu hinzutretend zu wertenden - Spielhalle nach §§ 1, 24 Abs. 2 GlüStV i. V. m. § 16 Abs. 2 Nr. 1 AG GlüStV NRW entgegenstehen.
15Die weiteren Einwände der Antragsgegnerin hinsichtlich der Gestaltung der Fensterflächen rechtfertigen jedenfalls unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine sofortige Untersagung.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
17Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn
- 1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen, - 2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder - 3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.