Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 01. Feb. 2016 - 4 A 2604/15.A
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2015 ergangene Urteil des Verwaltungs-gerichts Münster wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfah-rens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
2Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
3Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht diesen Anforderungen genügt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
4Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2014 – 4 C 35.13 –, NVwZ 2015, 656 = juris, Rn. 42; OVG NRW, Beschluss vom 21.1.2016 - 4 A 715/15.A ‑.
5Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat.
6Der Kläger beanstandet, das Verwaltungsgericht habe „aus den Augen verloren, jedenfalls nicht ernsthaft gewürdigt und erwogen“, dass er sein Asylgesuch zunächst auf erlittene Feindseligkeiten, daneben aber auch darauf gestützt habe, dass er als Ahmadi seinem Glauben schon in Pakistan sehr eng verbunden gewesen sei und diesen auch in Deutschland intensiv praktiziert habe.
7Mit diesen Darlegungen ist eine Versagung des rechtlichen Gehörs nicht aufgezeigt.
8Das ergibt sich schon deshalb, weil das Verwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus individuellen Gründen wegen seiner Religionszugehörigkeit eigenständig tragend deshalb verneint hat, weil ihm interner Schutz im Sinne von § 3e AsylVfG (jetzt AsylG) offen stehe (vgl. Urteilsabdruck, S. 7, dritter Absatz und Satz 1 des vierten Absatzes). Diesbezüglich sind Zulassungsgründe nicht geltend gemacht, so dass sich die Frage des Gehörsverstoßes nicht mehr stellt. Ist eine Entscheidung – wie hier – selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1990 – 5 B 31. 90 –, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 = juris, Rn. 3, m. w. N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 25.6.2015 – 4 A 756/15.A – und vom 21.1.2016 - 4 A 857/15.A ‑.
10Ungeachtet dessen liegt aber auch kein Gehörsverstoß vor. Das Verwaltungsgericht hat bei der Prüfung, ob individuelle Umstände zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger führen können, nicht nur die Ausführungen des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten berücksichtigt, sondern auch erwogen, inwieweit sich der Kläger religiös betätigt hat (vgl. Urteilsabdruck, Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, erster Absatz). Der Umstand, dass es aufgrund der Ausführungen des Klägers davon überzeugt ist, er habe sich in Pakistan nicht in bemerkenswerter Weise religiös betätigt, sondern seine Probleme dort seien eher wirtschaftlicher Art gewesen, begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Es hat damit lediglich den Sachverhalt anders bewertet als der Kläger. Insoweit erschöpfen sich die Einwände des Klägers in Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dem sachlichen Recht zuzurechnen ist und von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG rechtfertigt.
11Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1.2.2010 - 10 B 21.09
12u. a. - , juris, Rn. 13, und vom 2.11.1995 - 9 B 710.94 -, NVwZ-RR 1996, 359 = juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 21.1.2016 - 4 A 715/15.A ‑.
13Ebenso liegt in der Erwägung des Verwaltungsgerichts kein Gehörsverstoß, mit Blick auf die - vom Kläger nicht in Frage gestellte - inländische Fluchtalternative in Pakistan rechtfertige allein der Umstand, dass er seinen Glauben in Deutschland aktiv praktiziere, nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Urteilsabdruck, Seite 7, vierter Absatz). Der Einwand des Klägers, er habe mit dem von ihm vorgelegten Konvolut von Bildern, Teilnahmebestätigungen, Spendenquittungen und sonstigen Urkunden seine Eigenschaft als besonders religiös geprägte Persönlichkeit dargelegt, die die religiöse Freiheit in Deutschland benötige und auch entsprechend nutze, ist bereits rechtlich unerheblich, weil das Verwaltungsgericht das aktive Praktizieren des Glaubens in Deutschland (gerade) nicht angezweifelt hat. Soweit mit dem Vorbringen eine Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts verbunden ist, begründet diese - wie dargelegt - keinen Gehörsverstoß.
14Der Kläger zeigt auch keine einen Gehörsverstoß begründende willkürliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht auf, indem er beanstandet, es habe seinen Vortrag, dass er eine sehr große Nähe zum Ahmadiyya-Glauben habe und diesen intensiv praktiziere, nur oberflächlich gestreift und „beiseite“ geschoben. Dass das Verwaltungsgericht tatsächliches Vorbringen des Klägers übersehen, übergangen oder willkürlich gewürdigt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet - wie bereits ausgeführt - das Verwaltungsgericht nicht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen.
15Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht darin, dass - wie der Kläger meint ‑ das Verwaltungsgericht seine Überzeugung gewonnen hat, ohne die Prüfungs- und Aufklärungsvorgaben des Bundesverwaltungsgerichts,
16vgl. Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 ‑, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 31,
17zu beachten. Zum einen dürfte das Verwaltungsgericht die höchstrichterlichen Aufklärungsvorgaben im Ergebnis nicht verletzt haben. Die Einholung einer (weiteren) Auskunft der Zentrale der Glaubensgemeinschaft in Deutschland zur Feststellung, ob und seit wann der Kläger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehört, dürfte mit Blick auf die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland vom 13.2.2015, wonach der Kläger gebürtiges Mitglied der Glaubensgemeinde in Pakistan sei, entbehrlich gewesen sein. Mit Blick darauf, dass das Verwaltungsgericht weder die Zugehörigkeit des Klägers zur Amadiyyah-Glaubensgemeinschaft noch das aktive Praktizieren seines Glaubens in Deutschland in Frage gestellt hat, dürfte zudem die Befragung eines Vertreters der lokalen deutschen Ahmadi-Gemeinde nicht erforderlich gewesen sein. Ferner hat das Verwaltungsgericht den Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung befragt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Rahmen dieser Befragung keine ausreichende Gelegenheit hatte, zur Zugehörigkeit der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft, zu seinem religiösen Selbstverständnis und zu seiner Religionsausübung Stellung zu nehmen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zum anderen begründete selbst ein Aufklärungsmangel grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 VwGO.
18Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21.1.2016 - 4 A 715/15.A ‑ und vom 7.11.2015 - 4 A 1439/15.A ‑, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
19Auch der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass es seinen Vortrag und seine Mittel zur Glaubhaftmachung zur Frage seiner religiösen Identität als unzureichend ansehe, so dass er weiteren Beweis hätte antreten können, zeigt eine Versagung rechtlichen Gehörs nicht auf. Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Eine gerichtliche Hinweispflicht − zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung − besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.1.2010 − 5 B 21.09 u. a. −, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 61 = juris, Rn. 18, m. w. N.
21Ein solcher Ausnahmefall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil bereits das Bundesamt dem Kläger in seinem Bescheid vom 17.7.2013 entgegen gehalten hat, dass er nicht habe glaubhaft machen können, seinem Glauben eng verbunden zu sein und diesen in einer ihn gefährdenden Weise ausgeübt zu haben bzw. auszuüben. Der anwaltlich vertretene Kläger musste mit einer ähnlichen Bewertung seines Vortrags durch das Verwaltungsgericht rechnen, da er in der mündlichen Verhandlung sein Vorbringen im Wesentlichen (lediglich) wiederholt hat, ohne nähere Ausführungen zu seiner religiösen Identität zu machen.
22Die Berufung ist auch nicht wegen der vom Kläger erhobenen Divergenzrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zuzulassen. Seine Ausführungen genügen schon nicht dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG. Hierfür ist erforderlich, dass im Zulassungsantrag ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechts- oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz genannt wird, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung übergeordnete Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25.4.2013
24- 4 A 888/13.A ‑ und vom 5.3.2013 - 4 A 688/12.A ‑.
25Allein dem Vorwurf einer offenkundigen Geringschätzung und daraus folgende kaum wahrnehmbarer Beachtung der neuen grundsätzlichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, welchem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz das Verwaltungsgericht widersprochen haben soll.
26Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83 b AsylG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 01. Feb. 2016 - 4 A 2604/15.A
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 01. Feb. 2016 - 4 A 2604/15.A zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
2Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
3Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Teil eines Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von wesentlicher Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.
4Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2014 – 4 C 35.13 –, NVwZ 2015, 656 = juris, Rn. 42.
5Der Kläger beanstandet, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt, dass eine Gruppenverfolgung der „gläubigen Ahmadis“, die ihren Glauben praktizierten, vorliege. In der älteren Rechtsprechung sei damit argumentiert worden, dass die sogenannten „Verfolgungsschläge“ in Form „klassischer“ Verfolgungsmaßnahmen wie diverser Anfeindungen, Körperverletzungen und Übergriffe verschiedenster Art nicht dicht genug gesät seien, um auf eine Gruppenverfolgung zu schließen. Es sei aber noch keine Entscheidung zu der Frage getroffen worden, ob nach dem gewandelten und erweiterten Verfolgungsbegriff, der sich aus Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts,
6EuGH, Urteil vom 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 –, NVwZ 2012, 1612 = juris; BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris,
7ergebe, eine andere Folgerung zu ziehen sei. Man dürfe davon ausgehen, dass der weitaus größte Teil der Ahmadis in Pakistan seinem Glauben sehr verbunden sei und die Erzwingung der Unterlassung wesentlicher Elemente seiner Glaubensausübung, zumindest das Verbergenmüssen, als Verfolgungssituation empfinde. Zu dieser Frage habe bislang weder ein Oberverwaltungsgericht Stellung bezogen noch gebe es hierzu neuere höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Frage einer vorliegenden Gruppenverfolgung religiöser und ihrem Glauben verbundener Ahmadis in Pakistan müsse neu „vorgenommen“ werden.
8Mit diesen Darlegungen ist eine Versagung des rechtlichen Gehörs nicht aufgezeigt.
9Den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils liegt die entscheidungstragende Annahme zugrunde, dass die objektive Einschränkung der Religionsausübung durch den pakistanischen Staat und auch durch nichtstaatliche Akteure nur dann die flüchtlingsschutzrechtlich erforderliche subjektive Schwere aufweist, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und daher unverzichtbar ist (vgl. Urteilsabdruck, Seite 12, dritter Absatz). Von diesem Rechtsstandpunkt ausgehend, hat das Verwaltungsgericht den Vortrag einer Gruppenverfolgung der „gläubigen Ahmadis“, die ihren Glauben praktizierten, genügend gewürdigt. Denn es hat die höchstrichterlich bereits in Abweichung von diesem Vortrag geklärten Voraussetzungen, unter denen eine Verfolgungsgefahr wegen eines hinreichend schweren Eingriffs in die Religionsfreiheit für Ahmadis aus Pakistan nicht gegeben ist, zur Grundlage seiner Prüfung gemacht und hierunter subsumiert. Es hat angenommen, nach der ausführlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung stehe nicht zu seiner richterlichen Überzeugung fest, dass für den Kläger die – eine Verfolgungsgefahr begründende – öffentliche Ausübung seiner Religion zentraler Bestandteil seiner Identität und daher für ihn unverzichtbar sei. Damit hat das Verwaltungsgericht Umstände verneint, die für die Annahme einer individuellen Betroffenheit gerade des Klägers von einer Gruppenverfolgung hinzutreten müssten. Die abweichende Rechtsauffassung des Klägers zu den Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung war dagegen höchstrichterlich bereits verworfen worden.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 22.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 17 = juris, Rn. 20 ff. und 24 ff.
11Sie war danach rechtlich unerheblich und musste nach dem Gebot rechtlichen Gehörs nicht mehr ausdrücklich gesondert gewürdigt werden.
12Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, es liege keine ernsthafte Würdigung des Sachvortrags vor, sondern eine erkennbar von Misstrauensbereitschaft, schon fest vorgegebenem Nichtglauben und Voreingenommenheit gekennzeichnete, negativ eingefärbte Teil- und Fehlwürdigung. Dass das Verwaltungsgericht tatsächliches Vorbringen des Klägers übersehen, übergangen oder willkürlich gewürdigt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des Eindrucks der eingehenden Befragung in der mündlichen Verhandlung willkürfrei die vom Kläger vorgetragenen Einzelheiten zu seiner religiösen Betätigung gewürdigt (vgl. Urteilsabdruck, Seite 4, vierter Absatz, Seite 13, dritter Absatz, bis Seite 14, zweiter Absatz). Dabei hat das Verwaltungsgericht nicht bezweifelt, dass der Kläger in Deutschland erhebliche Zeit mit Aktionen in seiner Gemeinde aufwendet. Es hat die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderliche Unverzichtbarkeit der öffentlichen Religionsausübung gleichwohl deshalb verneint, weil die öffentliche Religionsausübung für den Kläger in Pakistan noch nicht entscheidend gewesen sei und er in der mündlichen Verhandlung vergleichsweise distanziert über seine Religion gesprochen habe. Eine Änderung der Religiosität in dem Sinne, dass die Art und Weise der hiesigen Religionsausübung für ihn verbindlich sei, sei nicht deutlich geworden.
13Der Kläger zeigt auch keine einen Gehörsverstoß begründende willkürliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht auf, indem er beanstandet, der in seiner Heimatstadt S. von ihm geleistete Wachdienst für die B. -Moschee werde zu Unrecht lediglich als äußere formelle Beschäftigung mit und für die Gemeinde anerkannt, aus der ein innerer Bezug zum Glauben nicht erkennbar sei. Dass der Kläger, wie er vorgetragen hat, im Rahmen dieser Tätigkeit notfalls sein Leben eingesetzt habe, lässt nicht zwingend auf die erforderliche subjektive Unverzichtbarkeit öffentlicher Religionsausübung schließen. Dies ist für einen Wachdienst generell nicht untypisch. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht willkürfrei auch deshalb für seine Zeit in S. keine besondere innere Bindung des Klägers zum Glauben erkennen können, weil seine Angaben zum Umfang, in dem er dort in der Gemeinde tätig gewesen sei, nicht zu der von ihm hierzu vorgelegten Bescheinigung passten. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger im Übrigen eingehend befragt und seine Würdigung nachvollziehbar im Urteil dargelegt. Eine einen Gehörsverstoß begründende willkürliche Sachbehandlung infolge Voreingenommenheit des Gerichts zu Lasten von Ahmadis lässt sich nicht schon dadurch belegen, dass der Kläger ohne hinreichende Beachtung höchstrichterlicher Maßstäbe sein Vorbringen zum Nachweis einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen für ausreichend hält und deshalb eine abweichende gerichtliche Handhabung in zahlreichen Fällen beanstandet. Insoweit erschöpfen sich seine Einwände in Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dem sachlichen Recht zuzurechnen ist und von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG rechtfertigt.
14Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1.2.2010 – 10 B 21.09 u. a. –, juris, Rn. 13, und vom 2.11.1995 – 9 B 710.94 –, NVwZ-RR 1996, 359 = juris, Rn. 5.
15Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht darin, dass das Bundesamt die Anhörung durchgeführt hat, ohne die Prüfungs- und Aufklärungsvorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten. Zum einen hat sich das Verwaltungsgericht, auf das es in diesem Zusammenhang ankommt, von den höchstrichterlichen Hinweisen hierzu leiten lassen.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 22.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 17 = juris, Rn. 25 ff.
17Zum anderen begründete selbst ein Aufklärungsmangel – für den hier im Übrigen nichts ersichtlich ist – grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.11.2015 – 4 A 1439/15.A –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
19In rechtlicher Hinsicht bestand für die Vorinstanz im Hinblick auf den gewandelten und erweiterten Verfolgungsbegriff, der sich aus den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt, keine Notwendigkeit, sich im Falle des Klägers die Frage einer Gruppenverfolgung religiöser und ihrem Glauben verbundener Ahmadis in Pakistan „neu vorzunehmen“. Denn der Kläger gehört nach den erstinstanzlichen Feststellungen bereits nicht zu den für eine Gruppenverfolgung in Betracht kommenden Ahmadis, für welche die öffentliche Ausübung ihrer Religion als zentraler Bestandteil ihrer religiösen Identität unverzichtbar ist.
20Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
21Die als grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen,
22welche Bedingungen im Einzelnen anzulegen sind, um zu bejahen, dass eine Person eine besondere innere Bindung an den Glauben hat,
23sowie
24ob und inwieweit eine Fähigkeit des Klägers zu extrovertierter Darstellung zu fordern ist, weiterhin auch ein Mindestmaß an charismatische Ausstrahlung,
25rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Soweit diese Fragen einer generellen und über den Einzelfall hinausgehenden Klärung zugänglich sind, sind sie bereits höchstrichterlich geklärt. Ob die Praktizierung des Glaubens in der Öffentlichkeit für einen Schutzsuchenden zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon ab, dass der Betroffene ohne eine entsprechende Praktizierung innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Dabei reicht es nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. Dafür ist das religiöse Selbstverständnis des Asylbewerbers grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem Herkunftsland von Bedeutung. Neben Feststellungen zur Zugehörigkeit zur B. -Glaubensgemeinschaft erscheint im gerichtlichen Verfahren eine ausführliche Anhörung des Betroffenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in aller Regel unverzichtbar. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger seinen Glauben in Pakistan nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, sind die Gründe hierfür aufzuklären. Denn der Verzicht auf eine verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung im Herkunftsland kennzeichnet die religiöse Identität eines Gläubigen dann nicht, wenn er aus begründeter Furcht vor Verfolgung erfolgte. Wird festgestellt, dass der Betroffene seinen Glauben in Deutschland öffentlichkeitswirksam praktiziert, ist weiter zu prüfen, ob diese Form der Glaubensausübung für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist und nicht etwa nur deshalb erfolgt, um die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 22.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 17 = juris, Rn. 24 ff.
27Danach ist weder eine Fähigkeit des Klägers zu extrovertierter Darstellung zu fordern noch ein Mindestmaß an charismatischer Ausstrahlung. Welche Bedingungen im Einzelnen anzulegen sind, um zu bejahen, dass eine Person eine besondere innere Bindung an den Glauben hat, ist nach diesen Vorgaben vielmehr eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die einer weiteren generellen Klärung nicht zugänglich ist.
28Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).
3Die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
4ob die Verfolgung durch die Anhänger der MQM als nicht staatliche Verfolgung gewertet werden kann, weil der pakistanische Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, den Schutz dem Kläger zukommen zu lassen,
5rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Aus der Antragsschrift ergibt sich schon nicht, weshalb die aufgeworfene Frage über den Einzelfall hinaus einer generellen Klärung bedarf. Die Kläger berufen sich vielmehr gerade auf die besondere Situation des Klägers zu 1. als einem landesweit bekannten Journalisten, der sich auf Grund seiner Berichterstattung einer Bedrohung von Mitgliedern des MQM ausgesetzt sieht und für sich einen besonderen Schutz reklamiert. Einen allgemeinen Klärungsbedarf lässt dies nicht erkennen.
6Darüber hinaus legen die Kläger die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht schlüssig dar. Das Verwaltungsgericht hat die Asylberechtigung der Kläger sowie ihren Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eigenständig tragend deshalb verneint, weil sie nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt oder bedroht seien. Diesbezüglich sind Zulassungsgründe nicht geltend gemacht. Ist eine Entscheidung – wie hier – selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1990 – 5 B 31.90 –, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 10.10.2014 – 4 A 1971/14.A –.
8Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylVfG.
9Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 18.2.2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
2Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
3Die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
4ob nunmehr, bei Beachtung der neuen Rechtsmaßstäbe zur Verfolgungshandlung durch die Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts im Gegensatz zu vorher durchaus eine Gruppenverfolgung der Untergruppe der Ahmadis vorliegt, die ihrem Glauben verbunden sind und diesen ausüben,
5rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Sie ist ausgehend von der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Das ergibt sich schon daraus, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus individuellen Gründen wegen ihrer Religionszugehörigkeit eigenständig tragend deshalb verneint hat, weil ihnen eine inländische Fluchtalternative offen stünde (vgl. Urteilsabschrift, S. 7, zweiter Absatz, bis S. 8, zweiter Absatz). Diesbezüglich sind Zulassungsgründe nicht geltend gemacht, so dass sich die aufgeworfene Problematik der Gruppenverfolgung der ihrem Glauben verbundenen Ahmadis in Pakistan nicht mehr stellt. Ist eine Entscheidung – wie hier – selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1990 – 5 B 31.90 –, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 = juris, Rn. 3, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2015 – 4 A 756/15.A –.
7Aber auch bezogen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verfolgung der Kläger aus religiösen Gründen ist die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass für die Kläger die öffentlich wahrnehmbare Glaubensbetätigung besonders wichtig ist, gar zu ihrer religiösen Identität gehört (vgl. Urteilsabdruck, S. 6, vorletzter Absatz, bis S. 7, erster Absatz), sie also ihrem Glauben verbunden sind. Danach fehlt es an Feststellungen, wonach die Kläger zu den Ahmadis gehören, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine Gruppenverfolgung in Betracht kommen.
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 29.
9Weiter halten die Kläger für klärungsbedürftig,
10ob bei der Erweiterung des Verfolgungsbegriffs in der höchstrichterlichen Rechtsprechung das klassische Muster des „Verfolgungsschlags“ oder der „Verfolgungshandlung“, von denen im Zusammenhang mit der Gruppenverfolgung verlangt wird, dass sie im Heimatland mit der erforderlichen Dichte stattfinden, überhaupt noch tauglich ist.
11Höchstrichterlich ist die aufgeworfene Frage bereits in dem Sinne geklärt, dass die für eine Gruppenverfolgung geltenden Maßstäbe insoweit heranzuziehen sind, als eine Vergleichsbetrachtung bezogen auf die Gruppe der ihren Glauben trotz der Verbote in der Öffentlichkeit praktizierenden Glaubensangehörigen anzustellen ist. Nachdem zumindest annäherungsweise die Größe dieser Gruppe bestimmt ist, ist festzustellen, wie viele Verfolgungsakte die Angehörigen dieser Gruppe treffen. Besteht für die Angehörigen dieser Gruppe ein reales Verfolgungsrisiko, so kann daraus der Schluss gezogen werden, dass auch die Gesamtgruppe der Ahmadis, für die diese öffentlichkeitswirksamen Glaubenspraktiken ein zentrales Element ihrer religiösen Identität darstellen und in diesem Sinne unverzichtbar sind, von den Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit in flüchtlingsrechtlich beachtlicher Weise betroffen ist.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 33.
13Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
2Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
3Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Teil eines Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von wesentlicher Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.
4Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2014 – 4 C 35.13 –, NVwZ 2015, 656 = juris, Rn. 42.
5Der Kläger beanstandet, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt, dass eine Gruppenverfolgung der „gläubigen Ahmadis“, die ihren Glauben praktizierten, vorliege. In der älteren Rechtsprechung sei damit argumentiert worden, dass die sogenannten „Verfolgungsschläge“ in Form „klassischer“ Verfolgungsmaßnahmen wie diverser Anfeindungen, Körperverletzungen und Übergriffe verschiedenster Art nicht dicht genug gesät seien, um auf eine Gruppenverfolgung zu schließen. Es sei aber noch keine Entscheidung zu der Frage getroffen worden, ob nach dem gewandelten und erweiterten Verfolgungsbegriff, der sich aus Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts,
6EuGH, Urteil vom 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 –, NVwZ 2012, 1612 = juris; BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris,
7ergebe, eine andere Folgerung zu ziehen sei. Man dürfe davon ausgehen, dass der weitaus größte Teil der Ahmadis in Pakistan seinem Glauben sehr verbunden sei und die Erzwingung der Unterlassung wesentlicher Elemente seiner Glaubensausübung, zumindest das Verbergenmüssen, als Verfolgungssituation empfinde. Zu dieser Frage habe bislang weder ein Oberverwaltungsgericht Stellung bezogen noch gebe es hierzu neuere höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Frage einer vorliegenden Gruppenverfolgung religiöser und ihrem Glauben verbundener Ahmadis in Pakistan müsse neu „vorgenommen“ werden.
8Mit diesen Darlegungen ist eine Versagung des rechtlichen Gehörs nicht aufgezeigt.
9Den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils liegt die entscheidungstragende Annahme zugrunde, dass die objektive Einschränkung der Religionsausübung durch den pakistanischen Staat und auch durch nichtstaatliche Akteure nur dann die flüchtlingsschutzrechtlich erforderliche subjektive Schwere aufweist, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und daher unverzichtbar ist (vgl. Urteilsabdruck, Seite 12, dritter Absatz). Von diesem Rechtsstandpunkt ausgehend, hat das Verwaltungsgericht den Vortrag einer Gruppenverfolgung der „gläubigen Ahmadis“, die ihren Glauben praktizierten, genügend gewürdigt. Denn es hat die höchstrichterlich bereits in Abweichung von diesem Vortrag geklärten Voraussetzungen, unter denen eine Verfolgungsgefahr wegen eines hinreichend schweren Eingriffs in die Religionsfreiheit für Ahmadis aus Pakistan nicht gegeben ist, zur Grundlage seiner Prüfung gemacht und hierunter subsumiert. Es hat angenommen, nach der ausführlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung stehe nicht zu seiner richterlichen Überzeugung fest, dass für den Kläger die – eine Verfolgungsgefahr begründende – öffentliche Ausübung seiner Religion zentraler Bestandteil seiner Identität und daher für ihn unverzichtbar sei. Damit hat das Verwaltungsgericht Umstände verneint, die für die Annahme einer individuellen Betroffenheit gerade des Klägers von einer Gruppenverfolgung hinzutreten müssten. Die abweichende Rechtsauffassung des Klägers zu den Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung war dagegen höchstrichterlich bereits verworfen worden.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 22.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 17 = juris, Rn. 20 ff. und 24 ff.
11Sie war danach rechtlich unerheblich und musste nach dem Gebot rechtlichen Gehörs nicht mehr ausdrücklich gesondert gewürdigt werden.
12Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, es liege keine ernsthafte Würdigung des Sachvortrags vor, sondern eine erkennbar von Misstrauensbereitschaft, schon fest vorgegebenem Nichtglauben und Voreingenommenheit gekennzeichnete, negativ eingefärbte Teil- und Fehlwürdigung. Dass das Verwaltungsgericht tatsächliches Vorbringen des Klägers übersehen, übergangen oder willkürlich gewürdigt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des Eindrucks der eingehenden Befragung in der mündlichen Verhandlung willkürfrei die vom Kläger vorgetragenen Einzelheiten zu seiner religiösen Betätigung gewürdigt (vgl. Urteilsabdruck, Seite 4, vierter Absatz, Seite 13, dritter Absatz, bis Seite 14, zweiter Absatz). Dabei hat das Verwaltungsgericht nicht bezweifelt, dass der Kläger in Deutschland erhebliche Zeit mit Aktionen in seiner Gemeinde aufwendet. Es hat die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderliche Unverzichtbarkeit der öffentlichen Religionsausübung gleichwohl deshalb verneint, weil die öffentliche Religionsausübung für den Kläger in Pakistan noch nicht entscheidend gewesen sei und er in der mündlichen Verhandlung vergleichsweise distanziert über seine Religion gesprochen habe. Eine Änderung der Religiosität in dem Sinne, dass die Art und Weise der hiesigen Religionsausübung für ihn verbindlich sei, sei nicht deutlich geworden.
13Der Kläger zeigt auch keine einen Gehörsverstoß begründende willkürliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht auf, indem er beanstandet, der in seiner Heimatstadt S. von ihm geleistete Wachdienst für die B. -Moschee werde zu Unrecht lediglich als äußere formelle Beschäftigung mit und für die Gemeinde anerkannt, aus der ein innerer Bezug zum Glauben nicht erkennbar sei. Dass der Kläger, wie er vorgetragen hat, im Rahmen dieser Tätigkeit notfalls sein Leben eingesetzt habe, lässt nicht zwingend auf die erforderliche subjektive Unverzichtbarkeit öffentlicher Religionsausübung schließen. Dies ist für einen Wachdienst generell nicht untypisch. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht willkürfrei auch deshalb für seine Zeit in S. keine besondere innere Bindung des Klägers zum Glauben erkennen können, weil seine Angaben zum Umfang, in dem er dort in der Gemeinde tätig gewesen sei, nicht zu der von ihm hierzu vorgelegten Bescheinigung passten. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger im Übrigen eingehend befragt und seine Würdigung nachvollziehbar im Urteil dargelegt. Eine einen Gehörsverstoß begründende willkürliche Sachbehandlung infolge Voreingenommenheit des Gerichts zu Lasten von Ahmadis lässt sich nicht schon dadurch belegen, dass der Kläger ohne hinreichende Beachtung höchstrichterlicher Maßstäbe sein Vorbringen zum Nachweis einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen für ausreichend hält und deshalb eine abweichende gerichtliche Handhabung in zahlreichen Fällen beanstandet. Insoweit erschöpfen sich seine Einwände in Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dem sachlichen Recht zuzurechnen ist und von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG rechtfertigt.
14Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1.2.2010 – 10 B 21.09 u. a. –, juris, Rn. 13, und vom 2.11.1995 – 9 B 710.94 –, NVwZ-RR 1996, 359 = juris, Rn. 5.
15Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht darin, dass das Bundesamt die Anhörung durchgeführt hat, ohne die Prüfungs- und Aufklärungsvorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten. Zum einen hat sich das Verwaltungsgericht, auf das es in diesem Zusammenhang ankommt, von den höchstrichterlichen Hinweisen hierzu leiten lassen.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 22.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 17 = juris, Rn. 25 ff.
17Zum anderen begründete selbst ein Aufklärungsmangel – für den hier im Übrigen nichts ersichtlich ist – grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.11.2015 – 4 A 1439/15.A –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
19In rechtlicher Hinsicht bestand für die Vorinstanz im Hinblick auf den gewandelten und erweiterten Verfolgungsbegriff, der sich aus den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt, keine Notwendigkeit, sich im Falle des Klägers die Frage einer Gruppenverfolgung religiöser und ihrem Glauben verbundener Ahmadis in Pakistan „neu vorzunehmen“. Denn der Kläger gehört nach den erstinstanzlichen Feststellungen bereits nicht zu den für eine Gruppenverfolgung in Betracht kommenden Ahmadis, für welche die öffentliche Ausübung ihrer Religion als zentraler Bestandteil ihrer religiösen Identität unverzichtbar ist.
20Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
21Die als grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen,
22welche Bedingungen im Einzelnen anzulegen sind, um zu bejahen, dass eine Person eine besondere innere Bindung an den Glauben hat,
23sowie
24ob und inwieweit eine Fähigkeit des Klägers zu extrovertierter Darstellung zu fordern ist, weiterhin auch ein Mindestmaß an charismatische Ausstrahlung,
25rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Soweit diese Fragen einer generellen und über den Einzelfall hinausgehenden Klärung zugänglich sind, sind sie bereits höchstrichterlich geklärt. Ob die Praktizierung des Glaubens in der Öffentlichkeit für einen Schutzsuchenden zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon ab, dass der Betroffene ohne eine entsprechende Praktizierung innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Dabei reicht es nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. Dafür ist das religiöse Selbstverständnis des Asylbewerbers grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem Herkunftsland von Bedeutung. Neben Feststellungen zur Zugehörigkeit zur B. -Glaubensgemeinschaft erscheint im gerichtlichen Verfahren eine ausführliche Anhörung des Betroffenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in aller Regel unverzichtbar. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger seinen Glauben in Pakistan nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, sind die Gründe hierfür aufzuklären. Denn der Verzicht auf eine verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung im Herkunftsland kennzeichnet die religiöse Identität eines Gläubigen dann nicht, wenn er aus begründeter Furcht vor Verfolgung erfolgte. Wird festgestellt, dass der Betroffene seinen Glauben in Deutschland öffentlichkeitswirksam praktiziert, ist weiter zu prüfen, ob diese Form der Glaubensausübung für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist und nicht etwa nur deshalb erfolgt, um die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 22.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 17 = juris, Rn. 24 ff.
27Danach ist weder eine Fähigkeit des Klägers zu extrovertierter Darstellung zu fordern noch ein Mindestmaß an charismatischer Ausstrahlung. Welche Bedingungen im Einzelnen anzulegen sind, um zu bejahen, dass eine Person eine besondere innere Bindung an den Glauben hat, ist nach diesen Vorgaben vielmehr eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die einer weiteren generellen Klärung nicht zugänglich ist.
28Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
2Die allein erhobene Verfahrensrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. Der Kläger zeigt keinen Gehörsverstoß auf. Das Gebot des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht diesen Anforderungen genügt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
3Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.8.2013 – 1 BvR 3157/11 –, FamRZ 2013, 1953 = juris, Rn. 14, m. w. N.
4Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Im Gegenteil hat das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers zu seinen Ausreisegründen zur Kenntnis genommen und unter Einbeziehung der Würdigung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im ablehnenden Bescheid berücksichtigt (Urteilsabdruck Seite 2, letzter Absatz, bis Seite 3, Ende des dritten Absatzes, sowie Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 8, letzter Absatz). Dass das Verwaltungsgericht dabei tatsächliches Vorbringen des Klägers übersehen, übergangen oder willkürlich gewürdigt hätte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
5Der Kläger hält die diesbezügliche Würdigung vielmehr nur in der Sache für fehlerhaft. Dies berührt jedoch nicht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das gilt insbesondere für den Einwand, das Verwaltungsgericht habe es sich durch das unsinnige Argument, der Kläger sei aus asylfremden Gründen nach Deutschland gekommen, weil er schon 2012 nach Italien gereist sei und noch im September 2013 ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland beantragt habe, unmöglich gemacht, auf die Verfolgungsbefürchtungen des Klägers einzugehen. Dieses Vorbringen sowie die weiteren Erläuterungen dazu setzen sich bereits nicht mit der ausführlichen Würdigung der Verfolgungsgründe des Klägers durch das Bundesamt auseinander, der das Verwaltungsgericht gefolgt ist. Vor allem aber erschöpfen sie sich in Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Bundesamts und des Verwaltungsgerichts. Einwände gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts sind aber dem sachlichen Recht zuzurechnen und rechtfertigen von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG.
6Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1.2.2010 – 10 B 21.09 –, juris, Rn. 13, und vom 2.11.1995 – 9 B 710.94 –, NVwZ-RR 1996, 359 = juris, Rn 5.
7Mit der Rüge, der Kläger sei nur mangelhaft angehört worden, beanstandet er eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich jedoch ebenfalls weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. 138 VwGO. Dies gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13.4.2015 – 4 A 45/15.A – und vom 17.2.2009 – 8 A 136/09.A –, juris, Rn. 23 f., BayVGH, Beschluss vom 8.2.2011 – 9 ZB 11.30039 –, juris, Rn. 3; HessVGH, Beschluss vom 25.9.2001 – 12 UZ 2284/01.A –, juris, Rn. 8 f.
9Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
10Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.