Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 02. Nov. 2015 - 12 A 567/15
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn er ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
3Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag zum einen die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, das Hilfeplanverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Soweit die Beklagte die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts angreift, setzt sie sich nicht hinreichend mit der zentralen Annahme des Verwaltungs-gerichts auseinander, das Hilfeplanverfahren sei - unter anderem - deshalb nicht ord-nungsgemäß durchgeführt worden, weil die Beklagte es unterlassen habe, im Hilfeplanverfahren zu klären, ob der Kläger auch bei einer Klassenstärke von 27 Schülern erfolgreich beschult werden könne. Dass mit den Beteiligten die Frage der Klassenstärke im Hilfeplanverfahren besprochen worden ist, legt die Beklagte mit dem Zulas-sungsvorbringen nicht dar. Soweit sie ausführt, dass eine geringe Klassenstärke für eine erfolgreiche Beschulung des Klägers keinen notwendigen Aspekt darstelle, viel-mehr die Erfahrung der Schule mit Schülern mit Migrationshintergrund bedeutsamer sei, und damit implizit geltend macht, dass die Frage der Klassenstärke im Rahmen der Hilfeplanung nicht zu klären gewesen sei, setzt die Beklagte lediglich ihre Wertung an die Stelle der Wertung des Verwaltungsgerichts, ohne aufzuzeigen, dass das Gericht den ihm durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen,
4vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2014
5- 12 A 347/14 -, juris, m.w.N.,
6überschritten hat.
7Soweit die Beklagte das angegriffene Urteil auch deshalb für fehlerhaft hält, weil das Verwaltungsgericht nicht festgestellt habe, dass der Besuch der B. -D. -Schule aus Sicht des Klägers eine geeignete und erforderliche Hilfemaßnahme sei, geht das Vorbringen der Beklagten ins Leere, weil sich aus der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage nicht daran scheitere, dass der Besuch der Privatschule nach Einschätzung der Beklagten sich für den Kläger nicht als notwendig erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe darstelle, im Zusammenhang mit den nachfolgenden Ausführungen hinreichend deutlich ergibt, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass der Privatschulbesuch aus Sicht des Klägers eine geeignete und erforderliche Jugendhilfemaßnahme darstellte.
8Weiter trägt die Beklagte vor, sogar aus Sicht des Klägers habe sich der Privatschulbesuch nicht als erforderliche Hilfe dargestellt, weil Anhaltspunkte, die es aus Sicht der Eltern fachlich vertretbar erscheinen ließen, eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem und bei einer Klassenstärke von 27 Schülern auszuschließen, nicht ersichtlich seien. Hiermit zeigt die Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bereits deshalb nicht auf, weil nach den unwidersprochenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts gerade nicht im dafür vorgesehenen Hilfeplanverfahren geklärt worden ist, ob der Kläger bei einer Klassenstärke von 27 Schülern erfolgreich beschult werden kann; warum die Eltern des Klägers angesichts der Empfehlung in der Stellungnahme des Psychotherapeuten L. vom 28. Juli 2012, „kleine Lerngruppen“ seien angezeigt, dennoch von einer Beschulbarkeit des Klägers auch bei einer Klassenstärke von 27 Schülern hätten ausgehen müssen, erschließt sich nicht.
9Soweit die Beklagte rügt, einem Anspruch auf Übernahme der Schulkosten stehe auch die Freiwilligkeit der Elternbeiträge entgegen, da die B. -D. -Schule wiederholt darauf hinweise, dass die Zahlung der Elternbeiträge freiwillig sei und es Möglichkeiten der Ermäßigung bzw. einer Anmeldung ohne Zahlungsverpflichtung gebe, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Eltern des Klägers die Entrichtung der Elternbeiträge nicht als zwingend aufgefasst hätten, womit das Verwaltungsgericht sich nicht auseinandergesetzt habe, legt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils dar. Zunächst irrt die Beklagte, wenn sie offenbar annimmt, in den vom erkennenden Senat entschiedenen Verfahren 12 A 659/11 und 12 A 2229/11 sei durch die Gerichte jeweils gesondert festgestellt worden, dass der Schulleiter gegenüber den Eltern betont habe, dass die Schule auf die Entrichtung von Elternbeträgen angewiesen sei und insoweit Solidarität von den Eltern erwarte. Vielmehr zitiert der Senat im Beschluss vom 21. Juni 2012 im Verfahren 12 A 2229/11 unter den Randziffern 66 bis 83 (juris) seine Ausführungen aus dem Urteil vom 25. April 2012 im Verfahren 12 A 659/11 und nimmt dabei auch Bezug auf die dort eingeholten Auskünfte des Schulleiters. Bereits hieraus ergibt sich, dass im Regelfall von den zitierten Angaben des Schulleiters der Privatschule ausgegangen werden kann. Dass vorliegend besondere Umstände vorlagen, die Anlass geboten hätten, eine Abweichung von diesen üblichen Gegebenheiten im Einzelfall zu prüfen, zeigt die Beklagte nicht auf. Soweit sie hierzu unter Bezug auf einen ihrer Schriftsätze im erstinstanzlichen Verfahren vorbringt, dass sich im vorliegenden Einzelfall die Eltern des Klägers aufgrund einer Stundung eines Teilbetrages zu keinem Zeitpunkt zur Zahlung des gesamten Elternbeitrages verpflichtet gefühlt hätten, ist zum einen nicht ersichtlich, inwieweit eine Stundung, die gerade kein Absehen von einer Forderung beinhaltet, zu einer fehlenden Verpflichtung der Eltern des Klägers führen sollte; zum anderen setzt die Beklagte sich nicht mit den Ausführungen des Senats in den genannten Entscheidungen auseinander, dass Angaben des Schulleiters dazu, dass bei Eltern, die sich nicht dazu in der Lage sähen, den Elternhilfe-Beitrag komplett zu übernehmen, unter Hinweis auf die Freiwilligkeit des Abschlusses der gesonderten Vereinbarung versucht würde, im Hinblick auf die Höhe der monatlichen Leistungen eine Lösung zu finden, weder ein Abrücken von der vom Solidaritätsgedanken getragenen Erwartung, dass grundsätzlich jeder einen finanziellen Beitrag leisten solle, beinhalteten, noch auf die Fälle abzielten, in denen die Kostenübernahme durch den Jugendhilfeträger noch ungeklärt sei.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 21. Juni 2012 - 12 A 2229/11 -, juris.
11Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
12Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.