Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 15. Okt. 2008 - 3 L 491/04

published on 15/10/2008 00:00
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 15. Okt. 2008 - 3 L 491/04
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Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 17. August 2004 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gegen den Kläger durch den Beklagten.

2

Der Kläger ist durch das Landgericht Gießen mit rechtskräftigem Urteil vom 08.02.2002 wegen Betruges in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Baugewerbe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

3

Der Kläger war in der Folgezeit im Baugewerbe als Auftraggeber von größeren Bauvorhaben tätig. In diesem Zusammenhang erstattete ein vom Kläger beauftragter Bauunternehmer gegen diesen im Juli 2003 Strafanzeige wegen Betruges. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben einen Anfangsverdacht, der zur Einleitung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und zur Anklageerhebung beim Amtsgericht Anklam im Jahr 2004 führte.

4

Der Beklagte ordnete mit für sofort vollziehbar erklärter Anordnung vom 05.11.2003 die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gegenüber dem Kläger an und lud ihn vor. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2004 zurückgewiesen wurde. Die dagegen eingelegte Klage wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit dem angefochtenen Urteil vom 17.03.2004 ab. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen finde ihre Grundlage in § 81b 2. Alt. StPO. Aus der früher erfolgten Verurteilung wegen Betruges, die auf ähnlichen Taten wie den jetzt dem Kläger vorgeworfenen beruhte, seinem auch weiterhin zu erwartenden Tätigsein als Bauherr und der Höhe des durch die Handlungen des Klägers verursachten möglichen Schadens ergebe sich die Notwendigkeit zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Auch die weiteren Voraussetzungen der Norm lägen vor.

5

Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil beantragt. Er begründet seinen Zulassungsantrag im Wesentlichen damit, dass nach der Rechtsprechung die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen gegeben sei, wenn der Betroffene wiederholt und regelmäßig Beschuldigter eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gewesen sei. Im Übrigen sei ihm bereits nach Aktenlage betrügerisches Handeln nicht nachweisbar. Der Anzeigenerstatter und die Zeugen versuchten nur, auf diesem Wege nicht durchsetzbare Werklohnansprüche geltend zu machen.

6

Der Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten. Er verweist auf die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen, weil der Kläger erneut in ein Strafverfahren wegen Betruges verwickelt sei.

7

Das Amtsgericht Anklam hat das Strafverfahren gegen den Kläger mit Beschluss vom 03.03.2005 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt und die Kosten nebst notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.

II.

8

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger legt keinen der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe in der erforderlichen Art und Weise dar.

9

Der Kläger benennt in seiner Begründung des Zulassungsantrages keinen Zulassungsgrund. Im Zusammenspiel mit dem Antragsschriftsatz vom 23.08.2004, in dem er sich die Begründung des Zulassungsantrages vorbehält und mitteilt, "Berufungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO" lägen vor, kann aus der kritischen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils in der Begründung des Zulassungsantrages gefolgert werden, dass er in der Sache den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, geltend machen will. Weitere Zulassungsgründe lassen sich auch bei wohlwollender Auslegung der Begründung des Zulassungsantrages nicht entnehmen.

10

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nach der Rechtsprechung des Senats bereits dann dargelegt, wenn sich der Zulassungsantrag mit schlüssigen Argumenten mit den tragenden Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt. Dieser Anforderung genügt die Begründung des Zulassungsantrages nicht. Der Kläger führt zum einen an, die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen setze eine wiederholte und regelmäßige Stellung des Adressaten einer solchen Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen als Beschuldigter in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren voraus. Diesen strengen Maßstab legt die Rechtsprechung entgegen der Darstellung des Klägers nicht an. Es genügt für die Notwendigkeit im Sinne des § 81b 2. Alt. StPO, wenn nach den Umständen des Einzelfalles aufgrund kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, der Verurteilte könne in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die erkennungsdienstlichen Maßnahmen könnten die dann zu führenden Ermittlungen - ergebnisoffen - fördern (BVerwG, Urt. v. 10.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192). Auf die Zahl der gegen den Adressaten einer solchen Anordnung eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt es für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO nicht an; es genügt insoweit auch eine einmalige rechtskräftige Verurteilung (vgl. den Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des BVerwG vom 19.10.1982 zugrunde lag, sowie den Sachverhalt bei BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, DVBl. 2006, 923).

11

Soweit der Kläger zum anderen die Notwendigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen mit der Argumentation in Zweifel zieht, die abgeurteilte Tat läge sieben Jahre zurück und während dieser Zeit habe er sich strafrechtlich unauffällig benommen, ist dies zwar ein Aspekt, der bei der Bewertung des Einzelfalles mit zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG B. v. 16.02.2006 - 2 BvR 561/03). Er tritt aber angesichts der gegen den Kläger 2003 erhobenen strafrechtlich relevanten Vorwürfe, die auf ähnliche Straftaten wie die, die der Verurteilung zugrunde liegen, zielen, nicht so stark in den Vordergrund, dass sich aus ihm ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Überzeugung des Verwaltungsgerichts ergeben, die erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien notwendig im Sinne des § 81b 2. Alt. StPO.

12

Der Kläger macht weiter - ausführlich dargelegt - geltend, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entbehrten einer sachlichen Grundlage und seien ungeeignet, für die Notwendigkeit der Anordnung herangezogen zu werden. Nach Ablauf der Begründungsfrist teilt er mit, das Strafverfahren sei nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dieser Vortrag ist vollumfänglich bei der Entscheidung über die Zulassung zu berücksichtigen: Materiell-rechtlich ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Notwendigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, U. v. 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192). Daraus folgt, dass auch nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrages neue Tatsachen vorgetragen werden können und vom Senat zu berücksichtigen sind, wenn sie sich auf Rügen beziehen, die innerhalb der Begründungsfrist erhoben wurden (BVerwG, B. v. 11.11.2002 - 7 AV 3/02, NVwZ 2003,490; B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2/03, NVwZ 2004, 744). Die Mitteilung über die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht ergänzt den rechtzeitigen Vortrag in der Begründung des Zulassungsantrages über das Fehlen eines strafbaren Verhaltens des Klägers. Im danach maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht fest, dass das Strafverfahren gegen den Kläger wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses an der weiteren Strafverfolgung nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht notwendig war. Denn das Verhalten des Klägers war nicht ohne strafrechtliche Relevanz, weil § 153 StPO eine strafbare Tat voraussetzt (Pfeiffer StPO, 5. Aufl. 2005, § 153 Rn.1; Meyer-Goßner StPO, 51. Auf. 2008, § 153 Rn. 3). Das Verfahren kann bei geringer Schuld des Täters und des fehlenden öffentlichen Verfolgungsinteresses eingestellt werden. Dies sind aber strafprozessuale Gesichtspunkte, die für die präventiv-polizeilichen zu beurteilende Notwendigkeit bei § 81 b 2. Alt. StPO nicht zu berücksichtigen sind. Aus einer Einstellung nach §153 StPO folgt daher nicht zwingend, dass der Täter nicht zum Kreis Verdächtiger einer zukünftigen Straftat gehören wird und die erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht geeignet sind, die Ermittlungen - ergebnisoffen - zu fördern. Zu den für die Abwägung im Einzelfall erforderlichen Überlegungen äußert sich die Begründung des Zulassungsantrages im Übrigen nicht.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

14

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 72 Nr. 1 2. Halbs., 52 Abs. 1, 47 GKG.

15

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 2 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

16

Mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 05/01/2017 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
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Annotations

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.