Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 26. Feb. 2016 - 1 L 410/15

bei uns veröffentlicht am26.02.2016

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 4. September 2015 – 2 A 282/15 HGW – wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 1.952,29 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in A-Stadt. Sie ist Eigentümerin einer Wohnung in der Gemeinde Binz. Mit Bescheid vom 29. Januar 2015 setzte der Beklagte gegen die Klägerin eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 1.952,29 Euro für das Erhebungsjahr 2015 fest. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2015 zurück. Am 31. März 2015 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Greifswald und beantragte, den Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2015 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 4. September 2015 ab. Das Urteil wurde der Klägerin am 10. September 2015 zugestellt. Am 1. Oktober 2015 hat die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Ihren Zulassungsantrag hat die Klägerin am 13. Oktober 2015 begründet.

II.

2

Der fristgemäß gestellte (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 07.11.2013 – 2 BvR 1895/11 –, juris Rn. 14).

3

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

4

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen (vgl. OVG Greifswald Beschl. v. 23.07.2015 – 1 L 28/13 –, juris Rn. 8).

5

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor (vgl. OVG Greifswald Beschl. v. 11.11.2014 – 1 L 55/10 –, juris Rn. 8).

6

Nach diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

7

Das Zulassungsvorbringen rügt die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Ostseebad Binz vom 19. Dezember 2014 (nachfolgend: Steuersatzung) sei eine wirksame Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide mit der Begründung, die Herausnahme von dritten und weiteren Wohnungen im Gemeindegebiet aus dem Steuergegenstand (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Steuersatzung) und von Kur- und Feriengästen als Mieter von Ferienhäusern, Wohnungen oder Zimmern mit einer Nutzungsdauer von unter einem Monat aus dem Kreis der Steuerpflichtigen (§ 3 Abs. 3 Steuersatzung) sei rechtwidrig und führe zur Unwirksamkeit der Satzung. Mit diesem Vortrag ist ein voraussichtlicher Erfolg des Berufungsbegehrens der Klägerin jedoch noch nicht dargetan. Die Steuerbescheide gegen die Klägerin sind auf beide Vorschriften nicht gestützt. Selbst deren Unwirksamkeit unterstellt, fehlt es an jeglichen Darlegungen zu einer daraus folgenden Gesamtunwirksamkeit der Steuersatzung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 01.08.2001 - 4 B 23/01 -, juris Rn. 4 m.w.N.), der sich der Senat auch für den Fall einer Zweitwohnungssteuersatzung angeschlossen hat (OVG Greifswald Urt. v. 26.11.2007 – 1 L 280/05 –, juris Rn. 48), führt die Ungültigkeit eines Teiles einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Zu dieser Frage verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.

8

Unabhängig davon bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht zu den genannten Satzungsbestimmungen eingenommenen Rechtsstandpunkte.

9

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine Satzungsregelung, die dritte und weitere Wohnungen eines Inhabers im Gemeindegebiet von der Zweitwohnungssteuer ausnimmt, mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. Bei einer im kommunalen Steuerrecht zulässigen (vgl. dazu auch OVG Greifswald Beschl. v. 21.02.2011 – 1 L 205/08 –, juris Rn. 13) typisierenden Betrachtung wird ein Inhaber mehrerer Zweitwohnungen im Gebiet ein und derselben Gemeinde in der Regel allenfalls eine dieser Wohnungen für persönliche Nutzungszwecke vorhalten. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde diesen Erfahrungssatz im Sinne der Vereinfachung der Steuerverwaltung zum Anlass nimmt, derartige Sachverhalte von vornherein generalisierend von der Besteuerung auszunehmen (BVerwG, Urt. v. 06.12.1996 – 8 C 49/95 –, juris Rn. 16). Darauf hat auch das Verwaltungsgericht richtigerweise für seine Entscheidung abgestellt.

10

Das Bundesverfassungsgericht hat zudem bereits ausgesprochen, dass es auch nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn nur die Eigentümer und Dauermieter, nicht aber die Kurgäste und Feriengäste zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden (BVerfG, Beschl. v. 12.02.1986 – 2 BvR 36/86 –, juris). Dem ist zuzustimmen. Die Zweitwohnungsteuer ist eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (OVG Greifswald Urt. v. 04.12.2008 – 1 L 299/04 –, juris Rn. 18). Das nach dem Aufwandsbegriff im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 15.10.2014 – 9 C 5/13 –, juris Rn. 12, m.w.N.). Eine solche Festlegung kann nur derjenige treffen, der für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung der Wohnung verfügen kann (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 – 9 C 8/08 –, juris Rn. 16). Auch § 3 Abs. 3 Steuersatzung begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken. Der Satzungsgeber darf bestimmen, dass ein Gast, der nur für die übliche Urlaubsdauer eine Unterkunft anmietet, nicht zur Zweitwohnungsteuer herangezogen wird (vgl. VGH München, Beschl. v. 15.05.2007 – 4 ZB 06.3415 –, juris Rn. 10). Dies ist zutreffend vom Verwaltungsgericht dargestellt worden.

11

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

12

Hinweis:

13

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 26. Feb. 2016 - 1 L 410/15

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 26. Feb. 2016 - 1 L 410/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 26. Feb. 2016 - 1 L 410/15 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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Referenzen

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. August 2011 - 11 S 1943/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. August 2011 - 11 S 2244/11 - gegenstandslos. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die ihm die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) versagen, weil eine von seiner Lebensgefährtin begangene Straftat ihm nach § 104a Abs. 3 AufenthG zuzurechnen sei und der Erteilung entgegenstehe.

2

1. Der Beschwerdeführer ist chinesischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolgloser Stellung eines Asylantrags wird er seit 1997 geduldet. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls die chinesische Staatsangehörigkeit besitzt, und zwei 1999 und 2001 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern zusammen. Seine Lebensgefährtin wurde mit Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 25. November 1997 wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet in Tateinheit mit Aufenthalt ohne Pass und ohne Ausweisersatz, Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt.

3

2. Am 30. November 2006 beantragte der Beschwerdeführer bei der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß der Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg nach § 23 AufenthG über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige vom 20. November 2006. Die Ausländerbehörde leitete den Antrag in der Folge aufgrund der befristeten Gültigkeit dieser Anordnung in einen Antrag nach der bundesrechtlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG über. Nach dieser Vorschrift soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und er weitere in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 AufenthG benannte Voraussetzungen erfüllt. § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG schließt die Erteilung für den Fall aus, dass der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagesssätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen, führt dies gemäß § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach der Vorschrift des § 104a AufenthG für andere Familienmitglieder; dies gilt gemäß Satz 2 nicht für den Ehegatten eines Ausländers, der Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen.

4

3. Mit Bescheid vom 2.November 2009 lehnte die Ausländerbehörde den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser und weiteren Vorschriften ab. Mit Blick auf die Altfallregelung stützte sie die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis auf § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Die von der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers begangene Straftat falle unter diese Vorschrift. Sie sei dem Beschwerdeführer auch nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegenzuhalten, da er aufgrund der gemeinsamen Kinder und ihres Zusammenlebens als Familienangehöriger im Sinne dieser Vorschrift zu werten sei. Diese Zurechnungsregel sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Vorliegen einer besonderen Härte, die es nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG erforderlich machen könnte, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, sei nicht erkennbar.

5

4. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Beschwerdeführer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, zu deren Begründung er im Wesentlichen vortrug, die Zurechnungsregelung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei verfassungswidrig. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit hier angegriffenem Urteil vom 16. Mai 2011 ab. Zum Antrag nach § 104a AufenthG führte es aus, diese Vorschrift ermögliche im Zeitpunkt der Entscheidung ohnehin nur noch die Verlängerung einer nach dieser Vorschrift schon erteilten Aufenthaltserlaubnis, aber nicht mehr eine Neuerteilung, wie sich aus § 104a Abs. 5 AufenthG ergebe. Die Vorschrift des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG, die aufgrund der Verurteilung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in seinem Fall Anwendung finde, sei im Übrigen auch verfassungsgemäß.

6

5. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wandte sich der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung, zu dessen Begründung er eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geltend machte. Nach dessen Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - (NVwZ 2011, S. 939) könne der Beschwerdeführer auch nach Ablauf der in § 104a Abs. 5 AufenthG bestimmten Gültigkeitsdauer für Aufenthaltserlaubnisse nach dieser Vorschrift einen Anspruch auf Ersterteilung einer solchen für die Vergangenheit geltend machen. Darüber hinaus sei der Ausschlussgrund der Vorstrafen von Familienangehörigen nach derselben Entscheidung nicht auf die Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden. Auch die Verwandtschaft über das gemeinsame Kind mache den nicht-ehelichen Lebensgefährten nicht zum Familienangehörigen. Zudem habe die Frage, ob einem Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ein Fehlverhalten einer nicht-ehelichen Lebensgefährtin entgegengehalten werden könne, grundsätzliche Bedeutung und bedürfe der höchstrichterlichen Klärung. Vorsorglich werde auch eine Abweichung von der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vom 24. Juni 2009 - 13 S 519/09 - (InfAuslR 2009, S. 350) gerügt, der zwar für die vorliegende Konstellation entgegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts das Merkmal des Familienangehörigen bejahe, die damit verbundene Sippenhaft aber insgesamt als unzulässig ansehe.

7

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 4. August 2011 lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sei nicht gegeben. Es bedürfe nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, um die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage zu beantworten, ob einem Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ein Fehlverhalten einer nicht-ehelichen Lebensgefährtin entgegengehalten werden könne. Diese Frage würde sich in dem angestrebten Berufungsverfahren so nicht stellen und könne bezogen auf den konkreten entscheidungserheblichen Sachverhalt ohne weiteres beantwortet werden.

8

Im vorliegenden Fall gehe es nicht um den Sachverhalt einer bloßen nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft, die in der Tat, wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11. Januar 2011 zutreffend ausführe, nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG falle und insbesondere keine Familie sei, weshalb eine Anwendung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausscheide. Nur auf eine derartige Fallkonstellation sei die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts zu beziehen. Hier gehe es vielmehr um eine (auch häusliche) Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner nicht-ehelichen Partnerin und ihren gemeinsamen Kindern. Es sei aber geklärt und könne keinem Zweifel unterliegen, dass diese Gemeinschaft eine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG darstelle. Denn Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG sei nach der Rechtsprechung die Gemeinschaft von Eltern und deren Kindern ungeachtet der Tatsache, ob die Eltern miteinander verheiratet seien. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit Bezug auf BVerfGE 80, 81, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1998 - 1 C 28.96 - (InfAuslR 1998, S. 279) und seinen Beschluss vom 22. März 2000 - 11 S 209/00 - (InfAuslR 2000, S. 277). Vor diesem Hintergrund liege es nahe, den Begriff des Familienangehörigen im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auch in diesem Sinn auszulegen. Für ein abweichendes Verständnis sehe der Senat keine greifbaren Anhaltspunkte; der Beschwerdeführer benenne solche auch nicht. Auch die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greife nicht durch. Ungeachtet der Tatsache, dass ein Vorlagebeschluss keine divergenzfähige Entscheidung darstelle, liege eine Divergenz nicht mehr vor, weil sich der Senat aus Gründen der Rechtseinheit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Januar 2011 angeschlossen habe.

9

7. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. August 2011 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, zu deren Begründung er ausführte, die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sehe die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Differenzierung zwischen nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit oder ohne gemeinsame Kinder nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anhörungsrüge mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 11. August 2011 zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer beanstande ausschließlich eine von seiner Auffassung abweichende Sicht der materiellen Rechtslage durch den Senat. Hierfür stehe die Gehörsrüge nicht offen.

10

8. Mit seiner am 1. September 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 1 und 2 GG und Art. 7 EMRK.

11

Die Nichtzulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass die Erstreckung des Familienbegriffs in § 104a AufenthG auf nicht-eheliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern höchstrichterlich nicht geklärt gewesen sei, und damit den Rechtsschutz unzulässig verkürzt. Jedenfalls das Oberverwaltungsgericht Bremen habe diese Frage mit Beschluss vom 11. Februar 2009 - 1 S 498/08 - (InfAuslR 2009, S. 181) als klärungsbedürftig angesehen. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtsfrage im Urteil vom 11. Januar 2011 nicht geklärt, sondern lediglich ausgeführt, der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften im Rahmen von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG folge aus der günstigeren aufenthaltsrechtlichen Stellung, die das Gesetz Ehegatten insbesondere beim Familiennachzug, aber auch bei der Aufenthaltsbeendigung einräume. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs nicht nachzuvollziehen, aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich, dass eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft mit Kindern als Familie im Sinne des § 104a AufenthG anzusehen sei. Eine solche Unterscheidung widerspreche auch der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 6 GG gegenüber den betroffenen Kindern. Unterstelle man, der Familienbegriff des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei im vorliegenden Fall zutreffend angewandt worden, verletzten die angegriffenen Entscheidungen aufgrund der damit verbundenen ausländerrechtlichen Sippenhaft den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 Abs. 1 EMRK.

12

9. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat zu der Verfassungsbeschwerde dahingehend Stellung genommen, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sei im Einklang mit dem Wortlaut des § 104a Abs. 3 AufenthG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde, da diesem als in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied seiner Lebensgefährtin deren Fehlverhalten entgegenzuhalten sei. Das Justizministerium Baden-Württemberg hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II.

13

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. August 2011 richtet, nimmt die Kammer sie zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 125, 104 <136 ff.>). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet. Danach liegen die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung vor.

14

1. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges (vgl. BVerfGE 92, 365 <410>; 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 84, 366 <369 f.>; 125, 104 <137>). Das gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft (vgl. zuletzt BVerfGE 125, 104 <137> m.w.N.). Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfGK 5, 369 <375 f.>; 10, 208 <213>; 15, 37 <46 f.>).

15

Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des - hier in Rede stehenden - Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtssache, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung und Anwendung geboten erscheint (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>; BVerfGK 10, 208 <214>). Stellt ein Oberverwaltungsgericht bereits im Zulassungsverfahren Erwägungen von grundsätzlicher Bedeutung an, schneidet es dem Beschwerdeführer nicht nur die Möglichkeit des Berufungsverfahrens ab, sondern zugleich den Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht als der zur abschließenden fachgerichtlichen Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen des Bundesrechts zuständigen Instanz (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Der vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehene Rechtsschutz im Berufungsverfahren wird auf diese Weise in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt (vgl. BVerfGE 125, 104 <139 f.>).

16

2. a) Der im Fall des Beschwerdeführers aufgeworfenen Rechtsfrage, ob nicht-eheliche Lebenspartner (mit oder ohne gemeinsame Kinder) unter den Begriff des Familienmitglieds im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG fallen, kam im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über den Antrag auf Zulassung der Berufung grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

17

aa) Ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 23. April 2007 (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 200 f.) findet die in § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgesehene Zurechnung von Straftaten für die in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienmitglieder ihre Rechtfertigung in nach der jeweiligen familiären Beziehung differenzierten Überlegungen. Für minderjährige Kinder, deren Eltern straffällig geworden seien, entspreche dies dem Grundsatz, dass das minderjährige Kind das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teile. Hinzu komme, dass aufgrund der häuslichen Gemeinschaft ein negativer Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder nicht auszuschließen sei. Dies gelte auch für das Verhältnis von Geschwistern untereinander. Für die Fälle, in denen Kinder eine Straftat begangen haben, sei der Ausschluss der Eltern im Hinblick auf ihre Aufsichts- und Erziehungspflicht gerechtfertigt. Zu lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaften und eheähnlichen Lebensgemeinschaften wird demgegenüber ausgeführt, die in § 104a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG genannten Straftaten des Partners seien im Rahmen der Soll-Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelmäßig zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 202). Die Entwurfsbegründung geht danach von der Nichtanwendbarkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf Fälle nicht-ehelicher Lebenspartner aus und verhält sich zur Zurechnung von Straftaten im Eltern-Kind-Verhältnis nur allgemein und lediglich, soweit dieses unmittelbar betroffen ist.

18

bb) Ob § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG unmittelbar auf eheähnliche Lebensgemeinschaften anwendbar ist und ob die Vorschrift es gegebenenfalls - unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien - nach ihrem Wortlaut und Zweck zulässt, bei diesen das strafrechtliche Fehlverhalten des einen Partners dem anderen Partner anspruchsvernichtend zuzurechnen, sah das Oberverwaltungsgericht Bremen im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Beschluss vom 11. Februar 2009 - 1 S 498/08 - (InfAuslR 2009, S. 181) als für in einem Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig an.

19

cc) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage im Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - (NVwZ 2011, S. 939) entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht entschieden, so dass ihre Klärungsbedürftigkeit und damit auch die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag nicht entfallen war (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -, InfAuslR 2008, S. 240). Das Bundesverwaltungsgericht stellt vielmehr in Gegenüberstellung zur von ihm mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG als verfassungskonform eingestuften Anwendung der Zurechnungsregel des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf Ehegatten lediglich nicht-tragende Erwägungen zu deren Anwendbarkeit auf die Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft an.

20

Es führt hierzu aus, hinsichtlich der Partner einer solchen dürfte eine Anwendung der Zurechnungsregelung ausscheiden, weil es sich dabei gerade nicht um Familienangehörige handle. Insofern würden Ehegatten nach § 104a Abs. 3 AufenthG schlechter behandelt als in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebende Paare. Diese Ungleichbehandlung sei allerdings auch mit Blick auf das in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Verbot der Diskriminierung der Ehe gerechtfertigt. Ein hinreichender sachlicher Grund für die wechselseitige Zurechnung von Straftaten unter Ehegatten sei darin zu sehen, dass andernfalls über ein Bleiberecht des nicht straffällig gewordenen Ehegatten mit Blick auf den besonderen Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des an sich nach § 104a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG ausgeschlossenen Ausländers entstehen könnte, so dass dieser Versagungsgrund in derartigen Fällen praktisch häufig leerliefe. Bei nicht-ehelichen Partnern bestehe dagegen weder eine entsprechend günstige Familiennachzugsregelung wie bei Ehegatten, noch vermittelten Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, so dass der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht durch abgeleitete Aufenthaltsansprüche leerzulaufen drohe (BVerwG, a.a.O., Rn. 38 f.).

21

dd) Die grundsätzliche Bedeutung der hier aufgeworfenen Frage ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Altfallregelung des § 104a AufenthG insofern auslaufendes Recht darstellt, als § 104a Abs. 5 AufenthG die Gültigkeit hiernach erteilter Aufenthaltserlaubnisse auf den 31. Dezember 2009 mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere zwei Jahre nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG begrenzt. Denn die betroffenen Ausländer können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nach Ablauf des 31. Dezember 2009 verlangen, dass ihnen rückwirkend für den Zeitraum bis zu diesem Datum eine Aufenthaltserlaubnis hiernach erteilt wird. Die Erteilung derartiger Aufenthaltserlaubnisse ist Voraussetzung für eine mögliche Verlängerung nach § 104a Abs. 5 Satz 2 AufenthG oder nach der zwischenzeitlich von der Innenministerkonferenz auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffenen Anschlussregelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 19.09 -, NVwZ 2011, S. 236, Rn. 12 ff.; Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 25), weshalb die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs weiterhin für einen nicht überschaubaren Kreis von Personen noch von Bedeutung war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, S. 712 zur Revisionszulassung).

22

b) Der Verwaltungsgerichtshof verneint die Klärungsbedürftigkeit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage mit der Erwägung, im Falle des Beschwerdeführers stehe nicht die Anwendbarkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf eine bloße nicht-eheliche Lebensgemeinschaft in Rede, auf die allein sich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Januar 2011 bezögen; hinsichtlich der hier gegebenen Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner nicht-ehelichen Partnerin und ihren gemeinsamen Kindern sei in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass diese Gemeinschaft eine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG darstelle; vor diesem Hintergrund liege es nahe, auch den Begriff des Familienmitglieds im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG in diesem Sinn auszulegen; für ein abweichendes Verständnis bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Verwaltungsgerichtshof hat hiermit bereits im Zulassungsverfahren Erwägungen von grundsätzlicher Bedeutung angestellt und den Rechtsschutzanspruch des Beschwerdeführers in nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt.

23

aa) Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Eingrenzung der Fragestellung auf die vorliegende Fallgestaltung ändert bereits an der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Klärung des Begriffs des Familienmitglieds im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG nichts. Den vorerwähnten Erwägungen des Gesetzentwurfs liegt erkennbar ein anderes Verständnis dieses Begriffs zugrunde, als es der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 4. August 2011 als naheliegend einstuft. Der Verwaltungsgerichtshof führt zudem mit der Unterscheidung zwischen nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit und solchen ohne gemeinsame Kinder bei der Frage nach der Anwendbarkeit der Zurechnungsregel des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Differenzierung ein, die weder in den Gesetzesmaterialien noch in den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Januar 2011 angesprochen ist.

24

bb) Diese Differenzierung drängt sich aber auch nicht in einer Weise auf, die es rechtfertigte, von der Zulassung der Berufung deshalb abzusehen, weil das Auslegungsergebnis eindeutig ist. Insbesondere folgt dies nicht aus der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Rechtsprechung namentlich des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff der Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG.

25

Die Entscheidung zum aufenthaltsrechtlichen Schutz eines Ausländers aus Art. 6 Abs. 1 GG bei einer Erwachsenenadoption (BVerfGE 80, 81 f.), auf die sich der Verwaltungsgerichtshof zunächst stützt, verhält sich unmittelbar allein zu den Wirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG im Eltern-Kind-Verhältnis. Gleiches gilt für das ebenfalls in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1998 - 1 C 28.96 - (InfAuslR 1998, S. 279 <282 ff.>). Für die aufgeworfene Rechtsfrage könnte danach allein von Bedeutung sein, dass sich im Verhältnis zwischen nicht-ehelichen Lebenspartnern - vermittelt über das gemeinsame Kind - mittelbare Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, wenn diesem aufgrund der Beziehung zum einen Elternteil das Verlassen des Bundesgebietes mit dem anderen nicht zumutbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682; siehe auch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. März 2000 - 11 S 209/00 -, InfAuslR 2000, S. 277). Inwiefern derartige - von den Umständen des Einzelfalls abhängige - Schutzwirkungen verallgemeinert werden und so die Erstreckung der Zurechnungsregelung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf Gemeinschaften nicht-ehelicher Lebenspartner mit gemeinsamen Kindern rechtfertigen können, liegt nicht auf der Hand und kann daher nicht im Verfahren der Berufungszulassung abschließend entschieden werden (vgl. auch Urteil des OVG des Saarlandes vom 19. Juni 2012 - 2 A 103/10 -, juris, Rn. 32 ff. m.w.N., demzufolge § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG keinerlei Ansatz für eine Anwendbarkeit auf nicht formelle Lebensgemeinschaften biete und allein der Umstand, dass Partner einer solchen Lebensgemeinschaft gemeinsame Kinder hätten, für die beide Familienangehörige seien, an der - fehlenden - rechtlichen Beziehung der Partner zueinander nichts ändern könne).

26

3. Der Beschluss über die Nichtzulassung der Berufung beruht auf dem Verstoß gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, da der Verwaltungsgerichtshof bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Vorgaben die Berufung hätte zulassen müssen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. August 2011 ist aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung über die weiteren hiergegen gerichteten Rügen des Beschwerdeführers bedarf. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2011 wird damit gegenstandslos.

III.

27

Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Rechten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts geltend macht, steht der Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen (vgl. BVerfGK 7, 350 <357>; 15, 37 <53>).

IV.

28

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. Dezember 2012 – 3 A 836/10 – wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 459,60 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Kurabgaben für die Erhebungsjahre 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010 in Höhe von 64,00 EUR (Bescheide Nr. 4810-2008, 4810-2009, 4810-2007, 4810-2006, 4487-2007, 4487-2006) bzw. 70,00 EUR (Bescheide Nr. 4810-2010 und 4487-2010), soweit die in den Bescheiden enthaltenen Festsetzungen jeweils einen Betrag von mehr als 7,70 EUR bzw. 9,10 EUR (nur Bescheide Nr. 4810-2010 und 4487-2010) übersteigen.

2

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Bescheide im beantragten Umfang mit Urteil vom 06. Dezember 2012 – 3 A 836/10 – aufgehoben. Die die Rechtsgrundlage für die Ergebungsjahre von 2006 bis 2009 bildenden Kurabgabensatzungen 2004, 2007 und 2009 seien nichtig, weil die jeweils in ihnen enthaltene Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 1, wonach Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf der Insel Usedom haben und nicht im Erhebungsgebiet übernachten, von der Kurabgabe befreit sind, gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Kurabgabensatzung 2010 sei nichtig, weil der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung bei der Kalkulation außer Ansatz zu lassende Eigenanteil der Gemeinde nicht ermessensfehlerfrei bestimmt bzw. bei der Kalkulation berücksichtigt worden sei. Für das Erhebungsjahr 2010 habe der Beklagte bei unter Berücksichtigung der Erlöse noch ungedeckten Kosten in Höhe von 4.792.900 EUR mit einem als „Liquiditätszuschuss“ bezeichneten Eigenanteil der Gemeinde von 3.461 EUR kalkuliert. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Fremdenverkehr im Ostseebad Heringsdorf von überragender Bedeutung sei und den wichtigsten Wirtschaftszweig darstelle, sei doch nicht zu verkennen, dass die in Ansatz gebrachten Einrichtungen auch von den Einwohnern der Gemeinde genutzt würden. Das Verwaltungsgericht hat insoweit einen Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten für nur noch symbolisch gehalten, der nicht mehr dem Nutzen der Einwohner der Gemeinde entspreche. Für das Erhebungsjahr 2010 bleibe der kalkulierte Eigenanteil der Gemeinde dahinter zurück. Die fehlerhafte Kalkulation führe zur Nichtigkeit der in § 4 Kurabgabensatzung 2010 festgesetzten Abgabenhöhe und damit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung sowie zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

3

Der nach Zustellung des Urteils an den Beklagten am 20. Dezember 2012 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 18. Januar 2013 gestellte und unter dem 20. Februar 2013 ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

4

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

5

Der Zulassungsantrag des Beklagten richtete sich ohne Einschränkung gegen das angefochtene Urteil, also auch insoweit, als das Verwaltungsgericht die Bescheide für die Erhebungsjahre von 2006 bis 2009 wegen Nichtigkeit der ihnen zu Grunde liegenden Kurabgabensatzungen 2004, 2007 und 2009 im Umfang der Antragstellung der Kläger aufgehoben hat. Mit der Begründung seines Zulassungsantrages hat der Beklagte später ausgeführt, „im Kern (stelle) der Antrag auf Zulassung der Berufung auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts ab…, dass ein Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten als nur symbolisch angesehen wird und nicht mehr dem Nutzen der Einwohner der Gemeinde entspricht, so dass faktisch ein Eigenanteil von mindestens 10 v.H. hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten gefordert wird“. Ausschließlich insoweit werden anschließend vom Beklagten Zulassungsgründe geltend gemacht. Bezogen auf die im angefochtenen Urteil erfolgte Aufhebung der Bescheide für die Erhebungsjahre von 2006 bis 2009 und dessen diesbezüglich tragende Entscheidungsgründe fehlt dagegen jegliche Begründung des Zulassungsantrages. Er genügt folglich in diesem Umfang offensichtlich nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

6

Aber auch im Übrigen dringt der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen nicht durch.

7

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

8

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

9

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a.a.O.).

10

Das Zulassungsvorbringen genügt schon nicht den Maßgaben des Darlegungserfordernisses. Der Beklagte beschränkt sich im Kern darauf, die Annahme des Verwaltungsgerichts anzugreifen, ein Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten sei nur noch symbolisch und entspreche nicht mehr dem Nutzen der Einwohner. Dieser Angriff zielt der Sache nach ausschließlich darauf, diese 10-Prozent-Grenze als zu hoch zu kritisieren. Besonders deutlich lässt sich dies daraus ablesen, dass wiederholt die Frage nach dem im „Mindestmaß“ notwendigen Eigenanteil angeschnitten wird. Der Beklagte geht jedoch nicht im notwendigen Umfang darauf ein, ob der bei der Festlegung des Abgabensatzes ganz konkret in der Kalkulation außer Ansatz gebliebene Eigenanteil ermessensfehlerfrei bestimmt worden ist. Der „Liquiditätszuschuss der Gemeinde“ betrug laut „Gebührenkalkulation Kurabgabe 2010“ absolut nämlich nur 3.461,00 EUR, was einem relativen Anteil von gerade etwa 0,07 v.H. an den berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten in Höhe von 4.792.900,00 EUR entspricht. Dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung gerade in Ansehung dieses um einen dreistelligen Faktor gegenüber dem angegriffenen „Mindestmaß“ von 10 v.H. niedrigeren in der Kalkulation außer Ansatz gelassenen Eigenanteils im Ergebnis Richtigkeitszweifeln unterliegen könnte, wird nicht hinreichend dargelegt. Dies gilt umso mehr, als für das verwaltungsgerichtliche Ergebnis im Sinne einer Evidenz- und Plausibilitätsbetrachtung spricht, dass bei der vom Beklagten vorgetragenen Einwohnerzahl von 9.000 auf jeden Einwohner bei einem Liquiditätszuschuss von 3.461,00 EUR gerade einmal etwa 0,38 EUR für das gesamte Jahr 2010 entfallen. Bei diesem Betrag handelt es sich schon prima facie und in Relation zur Höhe der in der Satzung geregelten Tageskurabgabe (z.B. 3,00 EUR in der Hauptsaison für Tagesgäste ohne Ermäßigung) und Jahreskurabgabe (70,00 EUR ohne Ermäßigung) wohl nicht bzw. jedenfalls nicht – wie hier – ohne jedwede Plausibilisierung um einen dem Nutzen der Einwohner entsprechenden Anteil nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Kurabgabe vom 25. Februar 2010 (nachfolgend: Kurabgabensatzung 2010) in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 24. August 2012, der bei der Kalkulation der Kurabgabe auf Aufwendungsseite außer Ansatz zu bleiben hat. Selbst bei einer Gegenüberstellung der vom Beklagten heraus gestellten Übernachtungszahl von Kurgästen in Höhe von 2.969.000 und einer mit der Einwohnerzahl gleichgesetzten Zahl von Einwohnerübernachtungen machten letztere einen Anteil von etwa 0,3 v.H. der addierten Übernachtungen aus, also immer noch mehr als das vierfache eines Anteils von 0,07 v.H. in Gestalt des Liquiditätszuschusses. Anders gewendet wird in Betrachtung all dessen entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vom Beklagten nicht hinreichend erläutert, dass ein derart niedriger gemeindlicher Anteil von 0,07 v.H. satzungskonform im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 einen „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf entsprechenden Anteil“ abbilden kann.

11

Im Übrigen sind nach dem vorgenannten Maßstab unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils begründet.

12

Das Verwaltungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zunächst zutreffend an § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 angeknüpft. Bei der Kalkulation der Kurabgabe bleibt danach von den nach Abzug der vereinnahmten Gebühren und Entgelte für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen und die Teilnahme an allgemein zugänglichen Veranstaltungen verbleibenden Aufwendungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf für die in Absatz 1 genannten Zwecke ein dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf entsprechender Anteil außer Ansatz. Diesen Anteil hat das Verwaltungsgericht als „Eigenanteil“ benannt; auch der Beklagte verwendet diesen Begriff.

13

Dieser Eigenanteil bleibt „bei der Kalkulation der Kurabgabe“ außer Ansatz, ist also Gegenstand der Kalkulation, die die Grundlage der Festsetzung des Abgabensatzes bildet. Insoweit ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Der Gemeindevertretung muss nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei der Beschlussfassung einer Abgabensatzung neben der Beschlussvorlage über die Satzung selbst eine Kalkulation über die Abgabensätze vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können. Die Ungültigkeit einer Abgabensatzung ist dann anzunehmen, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird oder wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 26.11.2014 – 1 K 14/11 –, juris Rn. 32; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 63, 142 m.w.N.).

14

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kalkulation für das Erhebungsjahr 2010 diesen Grundsätzen nicht gerecht geworden ist, der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 bei der Kalkulation außer Ansatz zu lassende Eigenanteil der Gemeinde ermessensfehlerhaft bestimmt bzw. bei der Kalkulation berücksichtigt worden ist und daraus die Gesamtnichtigkeit der Kurabgabensatzung folgt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 KAG M-V). Diesen Standpunkt hat das Verwaltungsgericht auch bereits in seinem Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 B 776/11 – eingenommen und darauf verwiesen, dass der Eigenanteil mit weniger als 0,1 v.H. des ungedeckten Aufwands im Widerspruch zum Entgeltcharakter der Kurabgaben und dem Äquivalenzprinzip zu niedrig angesetzt sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat der Senat mit seinem Beschluss vom 06. August 2012 – 1 M 109/12 – verworfen und im Zusammenhang mit der genannten Erwägung des Verwaltungsgerichts bereits ausgeführt, der Beklagte habe nicht ansatzweise nachvollziehbar erläutert, wie sich die Gebührenkalkulation im Einzelnen gestalte.

15

Die „Gebührenkalkulation Kurabgabe 2010“ weist einen „Eigenanteil“ oder einen „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf entsprechenden Anteil“ im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 schon nicht ausdrücklich aus. Das Verwaltungsgericht hat den in der Gebührenkalkulation unter Ziffer 16 ausgewiesenen „Liquiditätszuschuss der Gemeinde“ in Höhe von 3.461 EUR im Ansatz augenscheinlich als Eigenanteil im Sinne der Satzung gelten lassen wollen. Dem Zulassungsvorbringen des Beklagten ist ein ebensolches Verständnis zu entnehmen, wenn dort vorgetragen wird, der den Einwohnern zuzurechnende Anteil müsse aus allgemeinen Deckungsmitteln bestritten werden, d.h. „vorliegend durch den Liquiditätszuschuss sowie die Deckung eines entstehenden Verlustes“.

16

Bereits dieser Betrachtungsweise vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Eigenanteil der Gemeinde korreliert nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 mit „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf“, d.h. er muss ihm „entsprechen“. Der in der Kalkulation ausgewiesene Liquiditätszuschuss korreliert offensichtlich gerade nicht mit „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf“, sondern ist in seiner Höhe schlicht das Ergebnis der Subtraktion der Erlöse aus der Kurabgabe von den abzugsfähigen Kosten und entspricht damit der danach verbleibenden Deckungslücke. Dies wird der Sache nach mit dem vorstehend wieder gegebenen Zulassungsvorbringen bestätigt. Damit findet der Liquiditätszuschuss seinen Grund bzw. seine Rechtfertigung nicht in Abhängigkeit vom Nutzen für die Gemeindeeinwohner sondern in der damit schon auf den ersten Blick nicht im Zusammenhang stehenden Notwendigkeit bzw. kalkulatorischen Zielstellung der Schließung einer rechnerischen Deckungslücke; entsprechendes gilt im Übrigen, soweit sich der Beklagte auch auf die „Deckung eines entstandenen Verlustes“ bezieht. Daraus folgt, dass die Gemeindevertretung als Rechtssetzungsorgan das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können: Entweder stellt man sich auf den Standpunkt, schon mangels entsprechender ausdrücklicher Benennung des Eigenanteils in der Kalkulation konnte die Gemeindevertretung ihr Ermessen wegen einer insoweit vollständig fehlenden Grundlage für die erforderliche Ermessensbetätigung diesbezüglich nicht ausüben. Oder man legt das Vorbringen des Beklagten und die Annahme des Verwaltungsgerichts zugrunde, der Liquiditätszuschuss sollte den satzungsrechtlich vorgeschriebenen Eigenanteil darstellen. Dann war dies für die Gemeindevertretung mit Blick auf die dargelegten Unterschiede zwischen einem Eigenanteil im Sinne der Satzung und dem in der Kalkulation ausgewiesenen Liquiditätszuschuss jedenfalls nicht hinreichend ersichtlich. Auch in diesem Fall konnte die Kalkulation keine Basis für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über Abgabensatz bzw. Eigenanteil darstellen.

17

Ein weiterer Mangel der Kalkulation folgt unmittelbar aus dem Zulassungsvorbingen selbst: Der Beklagte hat vorgetragen, es sei neben dem Liquiditätszuschuss „ergänzend zu berücksichtigen, dass auch die dem Grunde nach der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf zustehenden Dividenden aus Verträgen mit der Gas- und Energieversorgung dem Eigenbetrieb zur Verfügung gestellt, aber nicht konkret mit im Liquiditätszuschuss ausgewiesen werden“. Ein solcher Mittelzufluss wird in der Kalkulation weder beim Liquiditätszuschuss ausgewiesen noch an anderer Stelle. Daraus folgt zum einen, dass die Kalkulation nach dem eigenen Vortrag des Beklagten unvollständig ist, zum anderen, dass sie auch insoweit mangels Offenlegung des vorgetragenen Sachverhalts keine taugliche Grundlage für eine ermessensfehlerfreie Festsetzung des Abgabensatzes durch die Gemeindevertretung sein konnte.

18

Noch handgreiflicher wird die Ermessensfehlerhaftigkeit dieser Festsetzung, berücksichtigt man den wechselnden Vortrag des Beklagten dazu, warum der Eigenanteil der Gemeinde im Ergebnis deutlich höher als der in der Kalkulation ausgewiesene Liquiditätszuschuss sei, der einem Anteil der Gemeinde von 0,07 v.H. entspricht. Einerseits ist hier der vorstehend wiedergegebene Vortrag im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen, andererseits etwa derjenige aus dem schon erwähnten Beschwerdeverfahren zum Az. 1 M 109/12. Dort hatte der Beklagte im Unterschied zum vorliegenden Zulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 19. Juli 2012 betreffend die Gebührenkalkulation 2010 ausgeführt, „in der Gruppe der abgabenbefreiten Personen ist die Anzahl der Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf mit einer Anzahl von 9.251 in der Summe von 245.826 befreiten Übernachtungen und 41.897 befreiten Gästen enthalten“, „hiernach fließt die Anzahl der Einwohner in die Gesamtsumme der befreiten Übernachtungen ein und beeinflusst somit die Prozentangabe, mit der die nicht abzugsfähigen Kosten ermittelt werden, so dass hier nicht nur ein symbolischer Eigenanteil eingestellt wird“. Zu diesem Vortrag ist zunächst festzuhalten, dass er inhaltlich abwegig erscheint bzw. aus ihm unmittelbar folgte, dass die Kalkulation offensichtlich rechtswidrig wäre: Zwar sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Kurabgabensatzung 2010 zusätzlich von den durch die Kurabgabe zu deckenden Aufwendungen diejenigen Mindereinnahmen abzuziehen, die infolge der Befreiung von der Abgabenpflicht gemäß § 3 entstehen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 wird die Kurabgabe aber – nur – von allen ortsfremden Personen erhoben, die sich im Erhebungsgebiet (Gemeindegebiet der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf) aufhalten und denen die Möglichkeit zur Benutzung von öffentlichen Einrichtungen oder zur Teilnahme an Veranstaltungen geboten wird. Ortsfremd ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Erhebungsgebiet hat (Abs. 2 enthält insoweit noch weitere Regelungen). Folglich wird die Kurabgabe grundsätzlich nicht von den Einwohnern der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf erhoben; diese sind nicht ortsfremd. Rechnen sie nicht zum abgabenpflichtigen Personenkreis, bedürfen sie auch keiner Befreiung nach § 3 Kurabgabensatzung 2010; folgerichtig enthält die Bestimmung auch keinen entsprechenden Befreiungstatbestand. Dann kommt aus Rechtsgründen eine Berücksichtigung der Anzahl der Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei den befreiten Übernachtungen bzw. in der Kalkulationsposition „nicht abzugsfähige Kosten auf Grund der Befreiung“ nicht in Betracht. Ist sie dennoch erfolgt, steht die Kalkulation in Widerspruch zum maßgeblichen Satzungsrecht und kann schon aus diesem Grunde keine taugliche Grundlage für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Gemeindevertretung über den Abgabensatz sein. Unabhängig hiervon wäre auch dieser behauptete Sachverhalt, läge er denn tatsächlich so vor, in der Kalkulation nicht ansatzweise dokumentiert. Folglich kann die Kalkulation auch insoweit in Ansehung des Eigenanteils keine tragfähige Grundlage der Ermessensentscheidung gewesen sein. Davon abgesehen bleibt mit Blick auf den dargestellten wechselnden Vortrag und die vorliegende Kalkulation letztlich jedenfalls sogar unklar, welche der jeweils unzulässigen Erwägungen die Festsetzung von Abgabensatz und Eigenanteil rechtfertigen können soll.

19

Die dem Senat im vorliegenden und in Parallelverfahren vorliegenden Kalkulationen für die Jahre 2008 bis 2012 bestätigen ebenfalls, dass eine bewusste Ermessensentscheidung der Gemeindevertretung über die Höhe des Eigenanteils nach Maßgabe § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010, also orientiert an „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf“ nicht getroffen worden ist: Für 2008 beträgt der Liquiditätszuschuss etwa 0,35 v.H., für 2009 etwa 0,20 v.H., für 2011 gleich 0 (bei einem negativen Gesamtergebnis von -554.882 EUR) und für 2012 etwa 4,21 v.H. (bei einem negativen Gesamtergebnis von -137.931 EUR). Angesichts dieser Bandbreite und Schwankungen der Anteilshöhe in Größenordnungen ist nicht erkennbar, dass die Gemeindevertretung orientiert am satzungsrechtlichen Maßstab eine eigenanteilsbezogene Ermessensentscheidung getroffen haben könnte, sondern der entsprechende Zuschuss mehr oder weniger zufällig bestimmt worden ist. Insbesondere in den Jahren 2008 bis 2010 war offensichtlich maßgeblich, dass das Gesamtergebnis auf 0 lauten sollte. Erst recht sind keinerlei Erwägungen ersichtlich, die die Anteilsschwankungen erklären bzw. als insoweit erforderliche Ermessenserwägungen gedeutet werden könnten.

20

Hinsichtlich der Dokumentation der Ermessensentscheidung der Gemeindevertretung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Wegen des Entgeltcharakters der Kurabgabe und des Äquivalenzprinzips ist in aller Regel ein dem Nutzen für die Einwohner des Erhebungsgebietes entsprechender Anteil außer Ansatz zu lassen. Die gemeindlichen Kur- und Erholungseinrichtungen stehen als öffentliche Einrichtungen nicht nur ortsfremden Personen, sondern auch den Einwohnern des Erhebungsgebietes zur Verfügung, mögen diese die Einrichtungen auch in einem geringeren Maße nutzen, als es die Kurgäste typischerweise tun. Entsprechend regelt § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 die Notwendigkeit der Berücksichtigung eines Eigenanteils. Ist danach in aller Regel bzw. – wie hier – satzungsrechtlich die Festlegung eines Eigenanteils geboten, liegt dessen Bestimmung der Höhe nach im weiten Ermessen des Satzungsgebers. Er hat sich dabei an den örtlichen Verhältnissen zu orientieren. Der kommunale Anteil muss nicht in der Satzung festgeschrieben werden, er kann sich auch aus den Kalkulationsunterlagen ergeben (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand: Juli 2013, § 11, Anm. 2.7.3 m.w.N.). Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass die Gemeindevertretung nachvollziehbare Erwägungen zur Höhe des Eigenanteils anstellt und diese dokumentiert (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 26.11.2014 – 1 K 14/11 –, juris, Rn. 38).

21

Diesen Anforderungen wird die „Gebührenkalkulation Kurabgabe 2010“ bzw. Beschlussfassung der Gemeindevertretung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf zum Abgabensatz ebenfalls nicht gerecht. Im vorliegenden Fall ist nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen schon nicht zu erkennen, ob die Vertretungskörperschaft der Antragsgegnerin überhaupt in eine Ermessensbetätigung über die Frage, ob und in welcher Höhe ein auf die Einwohner im Erhebungsgebiet entfallender Anteil vom ermittelten Aufwand abgesetzt werden soll, eingetreten ist. Erst recht fehlt es „folgerichtig“ an einer hinreichenden Dokumentation der notwendigen nachvollziehbaren Erwägungen.

22

Nach alledem kommt es auf die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, einen Eigenanteil von weniger als 10 v.H. könne die Gemeindevertretung im Sinne eines Mindestmaßes nicht ermessensfehlerfrei beschließen, nicht mehr an; hierauf haben die Kläger in ihrer Zulassungsantragsbegründung zutreffend hingewiesen. Demzufolge vermag das ausschließlich hierauf bezogene Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu wecken. Jedenfalls vermag der im Wesentlichen auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Gemeinde Ostseebad Heringsdorf abstellende Vortrag des Beklagten den Senat mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu veranlassen.

23

Ebenso wenig liegt danach der vom Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor, da sich wegen der schon aus vorstehend erörterten anderen Gründen ermessensfehlerhaften Bestimmung des Abgabensatzes in der Kurabgabensatzung 2010 die als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage nach einem „im Mindestmaß notwendigen Eigenanteil der Gemeinde an den berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten“ in einem Berufungsverfahren nicht mehr entscheidungserheblich stellen würde.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

25

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

26

Hinweis:

27

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 27. Januar 2010 – 3 A 194/09 – wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 777,81 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um den Beitrag für den Anschluss des klägerischen Grundstücks an das Schmutzwasserbeseitigungssystem des vom Beklagten vertretenen Zweckverbandes.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des 377 m² großen Grundstücks Flurstück .../..., Flur ..., Gemarkung V..., in der Gemeinde S..., das an die vom Zweckverband (ZWAR) betriebene Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 setzte der Beklagte gegen die Klägerin einen Schmutzwasserbeitrag zunächst i. H. v. 1.583,40 € fest. Auf ihren Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass sie bereits auf einen früheren Abwasserbeitragsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S... einen Betrag i. H. v. 1.575,60 DM (entspricht 805,59 €) gezahlt hatte, rechnete der Beklagte diesen Betrag an und reduzierte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2009 die Festsetzung auf 777,81 €. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

4

Am 23. Februar 2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. Januar 2010 – 3 A 194/09 – den Beitragsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Nach Zustellung des Urteils am 08. Februar 2010 hat der Beklagte am 04. März 2010 beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.

5

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

6

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

7

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

8

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a.a.O.).

9

Der Beklagte führt hierzu innerhalb der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags mit Schriftsatz vom 30. März 2010 aus, die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Schmutzwasserbeseitigungssatzung des Zweckverbands (Satzung 2008) sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nichtig, sie enthalte keine fehlerhafte und damit unwirksame Maßstabsregelung. Vielmehr sei die Verknüpfung in § 3 Abs. 5 lit. d) der Satzung 2008 durch das Wort „beziehungsweise“, hier abgekürzt mit „bzw.“, nicht unklar sondern hinreichend eindeutig; jedenfalls sei die Regelung im Wege der Norm erhaltenden Auslegung hinreichend verständlich. Sie sei zudem weitestgehend irrelevant und könne deshalb nicht zur (Gesamt)Nichtigkeit der Satzung führen. Es hätte auf die Vorgängersatzung zurückgegriffen werden müssen. Zwischenzeitlich sei die Satzungsregelung überarbeitet worden. Die Neufassung werde am 01. April 2010 den Vorstand des Zweckverbandes „passieren“ und sodann zeitnah, wohl am 21. April 2010, durch die Verbandsversammlung beschlossen werden. Vorsorglich hat der Beklagte beantragt die Zulassungsbegründungsfrist bis zum 30. April 2010 zu verlängern. Den Entwurf der neuen Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung hat er seinem Schriftsatz beigelegt. Mit Schriftsatz vom 22. April 2010 hat der Beklagte mitgeteilt, dass die neue Satzung am vorigen Tage wie vorgesehen durch die Verbandsversammlung beschlossen worden sei und im Internet veröffentlicht werde. Dieser Umstand sei jedenfalls im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu berücksichtigen. Der Verband sei schuldlos daran gehindert gewesen, die Verabschiedung und Veröffentlichung der Satzung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu bewerkstelligen.

10

Diese Ausführungen reichen nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach dem oben ausgeführten Maßstab zu begründen. Denn das Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Dem angefochtenen Bescheid fehlt es deshalb an einer wirksamen Rechtsgrundlage.

11

Dabei bedarf es keiner vertieften Auseinandersetzung des Senats mit den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts bezogen auf die Satzungsregelung in § 3 Abs. 5 lit. d) Satzung 2008 und den dagegen vorgebrachten Argumenten des Beklagten im Zulassungsantragsverfahren, da diese Satzung offensichtlich fehlerhaft und deshalb insgesamt unwirksam ist. Denn die Satzung 2008 legt – unabhängig von der erstinstanzlich problematisierten Regelung – in § 3 Abs. 4 lit. d) Satzung 2008 für Grundstücke, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, eine sog. qualifizierte Tiefenbegrenzung von 50 m fest. Diese Begrenzung ist jedoch offensichtlich nicht im Wege einer erforderlichen tatsächlichen Datenauswertung (vgl. zu den Anforderungen nur OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris; Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, KStZ 2011, 215 – 218, zit. nach juris) ermittelt worden. Eine solche letztlich „gegriffene“ Begrenzung ist rechtsfehlerhaft, selbst wenn der Beklagte davon ausgegangen sein mag, dass nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts für die Annahme, eine Tiefenbegrenzung von 50 m entspreche den örtlichen Verhältnissen, bereits eine tatsächliche Vermutung streite (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 30.03.2012 – 1 L 32/12 –, unveröffentl., mit Beteiligung des Beklagten) bzw. an die sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ des Verwaltungsgerichts Greifswald angeknüpft haben dürfte (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 23.04.2003 – 3 A 2934/99 –, juris: vgl. auch § 5 Abs. 1 Satz 4 LBauO M-V). Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, NordÖR 2011, 493 – 499, zit. nach juris). Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, KStZ 2011, 215 – 218, zit. nach juris; vgl. im Einzelnen zur Vorgehensweise OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris Rnr. 91-94).

12

Abgesehen von dem fehlerhaften Ansatz zur Bestimmung der Tiefenbegrenzung hat die später durchgeführte Datenermittlung und -auswertung auch zu einem deutlichen Unterschied der zu berücksichtigen Grundstückstiefe geführt. Wie der Beklagte selbst im Hinblick auf den Erlass der am 21. Juni 2012 neu beschlossenen Schmutzwasserbeitragssatzung (Satzung 2012) mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012 mitgeteilt hat, habe die Ermittlung der „sachgerechten“ Tiefe zu einem „völlig eindeutigen“ Ergebnis einer anzusetzenden Tiefe von 35 m geführt. Es ist deshalb ausgeschlossen, die festgelegte Tiefenbegrenzungslinie im Ergebnis für ermessensgerecht zu erachten.

13

Der danach festzustellende Verstoß von § 3 Abs. 4 lit. d) der Satzung gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Schmutzwasserbeitragssatzung. Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrunde zu legen. Dies kann dazu führen, dass eine Beitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht. Hier ist eine Fortgeltung der Schmutzwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, KStZ 2011, 215 – 218, zit. nach juris, auch zum Folgenden). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben. § 3 Abs. 4 lit. d) der Satzung könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde (vgl. § 3 Abs. 4 lit. c) der Satzung). Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 3 Abs. 4 lit. d) der Satzung als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, 30.06.2004 – 4 K 34/02 –, juris, Rn. 91) zu beanstanden.

14

Der Beklagte kann den angefochtenen Bescheid auch nicht auf die erst später in Kraft getretene Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. April 2010 (Satzung 2010) stützen (vgl. zu einem solchen Fall bezüglich einer Trinkwasserbeitragssatzung: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 14. Januar 2014 – 1 L 7/11 –, juris). Es kann hier dahinstehen, ob sich der Beklagte überhaupt auf die erst nach Ablauf der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags in Kraft getretene Satzung 2010 stützen kann. Denn diese Satzung 2010, die lediglich die vom Verwaltungsgericht erstinstanzlich beanstandete Regelung des § 3 Abs. 5 lit. d) der Satzung 2008 verändert, hat die vorstehend erörterte fehlerhafte Tiefenbegrenzungsreglung in § 3 Abs. 4 lit. d) Satzung 2008 unverändert – und offensichtlich ebenfalls ohne weitere Ermittlungen – übernommen und erweist sich schon deshalb ebenfalls als insgesamt nichtig.

15

Letztlich kann im vorliegenden Fall auch offen bleiben, ob die am 21. Juni 2012 beschlossene Schmutzwasserbeitragssatzung (Satzung 2012) eine rechtswirksame Tiefenbegrenzungsregelung enthält. Zwar hatte das Verwaltungsgericht Greifswald zunächst in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 23. August 2012 – 3 A 1656/09 – die Satzung 2012 noch als wirksam erachtet (so auch im Urteil vom 26. Juli 2012 – 3 A 1424/09 –) und erst in einem weiteren Parallelverfahren (Urteil vom 15. November 2012 – 3 A 684/10 –) als unwirksam beurteilt, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichts aufgrund der damals neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –) eine qualifizierte Tiefenbegrenzung als solche unzulässig sein solle. Dem ist das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Urteil vom 30. April 2014 – 1 L 80/12 – allerdings entgegen getreten und hat ausdrücklich eine qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung weiterhin für zulässig erachtet.

16

Ob die konkrete Tiefenbegrenzungsregelung in der Satzung 2012 einer rechtlichen Prüfung standhielte und die Nichtigkeit der vorherigen Satzungen zu „heilen“ vermöge, wie der Beklagte vorträgt, bedarf vorliegend keiner abschließenden Prüfung. Denn auf die Rechtsänderung durch die Satzung 2012 hat der Beklagte nicht rechtzeitig innerhalb der Frist zur Begründung seines Berufungszulassungsantrags sondern erst mit dem am 22. Juni 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hingewiesen. Die Satzung 2012 selbst hat der Beklagte sogar erst mit Schriftsatz vom 01. Juli 2014 abgereicht.

17

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 15.12.2003 – 7 AV 2/03, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 32, NVwZ 2004, 744; zit. nach juris) gebietet es der Zweck des Zulassungsverfahrens,

18

„auch solche Rechtsänderungen zu berücksichtigen, die erst nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten sind. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO öffnet den Zugang zur Rechtsmittelinstanz mit Blick auf das prognostizierte Ergebnis des angestrebten Rechtsmittels. Der Zulassungsgrund hat ebenso wie der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kein Vorbild im Recht der Revisionszulassung. Diese Zulassungsgründe sind auf das Berufungsverfahren zugeschnitten. Sie sollen Richtigkeit im Einzelfall gewährleisten; die maßgebliche Frage geht also dahin, ob die Rechtssache richtig entschieden worden ist. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will demgemäß den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. Das gilt für die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ebenso wie für die darauf bezogene Rechtsanwendung. Es kommt also nicht darauf an, ob das Verwaltungsgericht angesichts der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung richtig entschieden hat. Entscheidend ist vielmehr, wie das Berufungsgericht über den Streitgegenstand zu befinden hätte. Im Lichte dieses Zwecks sind im Zulassungsverfahren alle vom Antragsteller dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für den Erfolg des angestrebten Rechtsmittels entscheidungserheblich sein könnten (zu dem vergleichbaren Fall einer nachträglichen Änderung der Sachlage vgl. Beschluss vom 11. November 2002 - BVerwG 7 AV 3.02 - Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 31). Dazu gehören auch Rechtsänderungen, die erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingetreten sind, sofern nach materiellem Recht die neue Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgeblich ist. Zu berücksichtigen sind auch solche (dargelegten) Rechtsänderungen, die erst nach Ablauf der Frist eingetreten sind, innerhalb welcher der Antragsteller die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen hat. Ob ein (dargelegter) Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag. Maßgeblich ist allein, ob nach der Rechtslage in diesem Zeitpunkt das angefochtene Urteil den (dargelegten) ernstlichen Zweifel an seiner Richtigkeit begegnet. Der Ablauf der Frist für die Darlegung solcher Zweifel legt nicht den für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt fest. Das gilt auch in dem umgekehrten Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat etwa zu berücksichtigen, ob das angefochtene Urteil sich im Lichte einer inzwischen eingetretenen Rechtsänderung aus anderen Gründen als richtig darstellt und zunächst bestehende ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit damit beseitigt sind. Ob die Berufung nach der Sach- und Rechtslage im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt zuzulassen ist, hat das Oberverwaltungsgericht allerdings stets nur im Rahmen der rechtzeitig dargelegten Gründe zu beurteilen. Ist erst nach Ablauf der hierfür geltenden Frist eine Rechtsänderung eingetreten, kann der Antragsteller nicht mit Blick auf diese erstmals neue Zulassungsgründe geltend machen; die Rechtsänderung muss aus diesem Grund unberücksichtigt bleiben. Hat der Antragsteller hingegen mit Blick auf eine bevorstehende Änderung der Rechtslage vor Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt, steht der Berücksichtigung der späteren Rechtsänderung nicht entgegen, dass sie erst nach Ablauf der Frist, aber vor der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag eingetreten ist.“

19

Die Rechtsänderung durch die Satzung 2012 stand nicht im Sinne dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, bevor. Das Urteil wurde dem Beklagten am 08. Februar 2010 zugestellt, mithin lief die Begründungsfrist am 08. April 2010 ab. Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. März 2010 nur auf die bevorstehende Rechtsänderung durch die – allerdings ebenfalls unwirksame – Satzung 2010 hingewiesen. Dieser Hinweis erstreckt sich nicht auf alle späteren Rechtsänderungen, sondern nur auf die konkret bevorstehende (noch offen gelassen im Senatsbeschluss v. 19.11.2013 – 1 L 148/10 –, NordÖR 2014, 245). Das gilt umso mehr als nicht die Frage des materiell-rechtlichen Bestehens des streitgegenständlichen Anspruchs Kern der Zulassungsentscheidung ist, sondern die Überprüfung der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf der Grundlage der dargelegten Zulassungsgründe. Deswegen kann eine Rechtsänderung, die erst nach dem Ablauf der Begründungsfrist eintritt, auch nicht erstmals als neuer Zulassungsgrund geltend gemacht werden (so OVG NRW, Beschl. v. 17.10.2011 – 1 A 1731/08 –, juris; siehe auch BayVGH, Beschl. v. 10.01.2014 – 10 ZB 12.957 –, juris).

20

Eine Zulassung könnte allenfalls (ausnahmsweise) darüber hinaus (nur) dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aus einem anderen Grund insbesondere wegen einer nachträglichen Veränderung der Sach- und Rechtslage offensichtlich wäre (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, § 124a Rn. 50). Eine derartige Rechtmäßigkeit der Satzung quasi „auf den ersten Blick“ scheidet hier schon deshalb aus, weil die Rechtmäßigkeitsüberprüfung einer kommunalen Beitragssatzung mit Blick auf die Anforderungen an die Kalkulation, das Regelungssystem und das Verfahren komplex sind. Zudem hat der Beklagte weder eine Beitragskalkulation noch die Verfahrensakte bezüglich der Schmutzwasserbeitragssatzung vom 21. Juni 2012 abgereicht (vgl. zum Darlegungserfordernis auch Senatsbeschluss v. 19.11.2013 – 1 L 148/10 –, NordÖR 2014, 245).

21

Soweit der Beklagte (vorsorglich) beantragt hat, die Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags bis zum 30. April 2010 zu verlängern und ihm bei Nichtverlängerung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Begründungsfrist zu bewilligen, kam eine Verlängerung der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht in Betracht, weil diese in § 124a Abs. 4 Sätze 4 – 6 VwGO geregelte Frist – anders als die Berufungsbegründungsfrist aus § 124a Abs. 3 VwGO – von Gesetzes wegen nicht verlängerbar ist, da es hierfür an einer § 124 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Regelung fehlt. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlt es schon an einer Fristversäumung durch den Beklagten. Denn er hat innerhalb der Begründungsfrist seinen Antrag auf Zulassung der Berufung mit Schriftsatz vom 30. März 2010 rechtzeitig begründet. Darauf, dass die Änderung der Rechtslage erst nach Ablauf dieser Frist eingetreten ist und dass diese vom Beklagten unverschuldet sei, kommt es dann im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags nicht mehr an. Im Übrigen hat der Senat bereits von Amts wegen aus den oben ausgeführten Gründen und nach den genannten Maßstäben die im Zulassungsverfahren eingetretenen Tatsachen- und Rechtsänderungen zu berücksichtigen. Danach konnte das auf das Inkrafttreten der Satzung 2010 bezogene Vorbringen aus den genannten Gründen nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führen.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

23

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

24

Hinweis:

25

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

26

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15.Juli 2005 - 3 A 584/03 - geändert und der Bescheid des Beklagten vom 04. Juni 2002 - Kassenzeichen ... - in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. November 2002 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 07. März 2003 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Klägers abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Zweitwohnungssteuern.

2

Der Kläger bewohnte während seines Studiums an der Fachhochschule Stralsund ein 12m² großes Zimmer einer Wohngemeinschaft in der Straße H... in Stralsund. Nach der Meldebescheinigung des Beklagen, Amt für öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Umwelt, vom 03. Mai 2005 war diese Wohnung für den Kläger vom 01. Januar 1998 bis zum 31. August 2002 als Nebenwohnung gemeldet. Als Hauptwohnung hatte er die in der H... in 1... G... befindliche Wohnung seiner Eltern gemeldet. Der jährliche Mietaufwand für die Stralsunder Wohnung betrug 1.830,42 Euro. Der Kläger hat während seines Studiums keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Die Eltern haben ihn mit monatlichen Zahlungen in Höhe von 700,- DM unterstützt.

3

Der Beklagte setzte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 04. Juni 2002 für die Zeit von April 1999 bis Ende 2002 auf der Grundlage der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Hansestadt Stralsund vom 08. November 2001 Zweitwohnungssteuern in Höhe von jährlich (1999 bis 2001) 153,39 Euro bzw. 150,- Euro (für das Jahr 2002), für den gesamten Zeitraum in Höhe von 571,82 Euro fest. Der Kläger ließ durch seinen von ihm bevollmächtigten Vater mit am 05. August 2002 bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben erklären, dass er sich gegen die Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer wende. Er habe die Unterkunft in der "Wohngemeinschaft H...." aufgegeben, erhalte kein BAföG und habe auch keine anderweitigen Einnahmen. Nachdem der Beklagte den Kläger gebeten hatte, zur Prüfung eines Erlasses der Zweitwohnungssteuer weitere Angaben zu machen, ließ dieser unter anderem erklären, Hauptwohnsitz bleibe die Wohnung der Eltern, wo die Wochenenden, Feiertage und Ferien verbracht würden. Zudem stelle sich die Frage, wie man eine Zweitwohnung haben könne, wenn eine Erstwohnung nicht vorhanden sei.

4

Nachdem der Kläger zum 31. August 2002 aus der Wohnung "H..." ausgezogen war und sich von dort abgemeldet hatte, erließ der Beklagte unter dem 11. November 2002 einen weiteren Zweitwohnungssteuerbescheid, mit dem er für das Jahr 2002 wegen der Abmeldung nur noch einen reduzierten Steuerbetrag in Höhe von 112,50 Euro, mithin insgesamt 534,32 Euro geltend machte. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2002 lehnte der Beklagte einen Erlass der Zweitwohnungssteuer nach § 127 AO 1977 ab. Mangels Nachweisführung hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse sei eine unbillige Härte durch die Steuerforderung nicht feststellbar.

5

Der Kläger teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 unter Bezugnahme auf das "Schreiben vom 10.12.2002" mit, er habe sich in Stralsund seinerzeit ohne Kenntnis darüber angemeldet, dass er sich damit für eine Zweitwohnung anmelde. Nach der Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten sei die Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Daher habe er sich in Stralsund für eine Wohnung angemeldet, die er vorwiegend benutzt habe.

6

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen die Festsetzung von Zweitwohnungssteuer, als den er offenbar dessen Schreiben vom 27. Dezember 2002 verstanden hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 07. März 2003 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe nach eigenen Angaben und nach nochmaliger Kontrolle der Meldeunterlagen neben seiner Hauptwohnung in G... eine weitere Wohnung in "H..." als Nebenwohnung angemeldet gehabt. Diese Wohnung sei als Zweitwohnung zu besteuern, unabhängig davon, welche Rechte an der Hauptwohnung bestünden. Der Kläger sei vor der Einführung der Zweitwohnungssteuer im Jahre 1999 im Kämmereiamt sowie bei der Abteilung Meldewesen über die Möglichkeit der Ummeldung informiert worden. Außerdem sei durch das Kämmereiamt direkt an der Fachhochschule eine Informationsveranstaltung zur Zweitwohnungssteuer durchgeführt worden. Der Umstand, dass die Wohnung in Stralsund vorwiegend genutzt werde, hätte also schon im April 1999 richtig gestellt werden müssen.

7

Der Kläger hat gegen die Zweitwohnungssteuerbescheide des Beklagen vom 04. Juni 2002 sowie vom 11. November 2002 am 20. März 2003 vor dem Verwaltungsgericht Greifswald Klage (3 A 584/03) erhoben.

8

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er habe seinerzeit die Wohnung "H...." als Nebenwohnung angemeldet, da er der Meinung gewesen sei, die elterliche Wohnung in G... sei die Hauptwohnung. Demgegenüber bestimme das Landesmeldegesetz, welche die Hauptwohnung sei. Auch die Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt Stralsund regele eindeutig, dass die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners die Hauptwohnung sei. Die vorwiegend genutzte Wohnung sei diejenige in "Stralsund" gewesen, die während des Studiums als Dauerwohnung in der Woche und auch an vielen Wochenenden genutzt worden sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 04. Juni 2002 - Kassenzeichen: ... - in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. November 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 07. März 2003 aufzuheben.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, es komme nicht darauf an, ob dem Kläger bewusst gewesen sei, dass er mit der Anmeldung einer "weiteren Wohnung" in Stralsund eine Nebenwohnung angemeldet habe. Er habe sich jedenfalls nicht im Januar 1998 mit seinem Hauptwohnsitz in G... abgemeldet, wozu er verpflichtet gewesen wäre, wenn er seinen Hauptwohnsitz von dort nach Stralsund verlegt hätte. Der Meldebehörde in Stralsund sei im Januar 1998 keine Abmeldung vorgelegt worden. Es sei auch keine Änderung des Hauptwohnsitzes mitgeteilt worden, stattdessen sei ab dem 01. Januar 1998 die Hauptwohnung des Klägers mit der Anschrift 1... G..., H.... eingetragen gewesen. Dafür, dass der Kläger in der Folgezeit die Wohnung in G.... als Hauptwohnung beibehalten habe, spreche die kurze Entfernung von zirka 60 Kilometern zwischen dem Studienort und dem Heimatort G..., der zugleich Wohnsitz der Eltern des Klägers sei. Diese Entfernung erfordere eine Fahrzeit von zirka einer Stunde und lasse die Möglichkeit einer etwaigen täglichen Hin- und Rückfahrt zwischen Studienort und Hauptwohnung als nicht fernliegend erscheinen. Auch die Erklärung des Vaters des Klägers, wonach Hauptwohnsitz die Wohnung der Eltern bleibe, wo die Wochenenden, Feiertage und Ferien verbracht würden, spreche für eine tatsächliche Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in G... . Daher sei bis zu einem Gegenbeweis von dort individuell genutztem Wohnraum, der auch nur ein eigenes Zimmer umfasst haben könne, auszugehen, welchen der Kläger in oder auch neben der elterlichen Wohnung innegehabt und persönlich genutzt habe.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 15. Juli 2005 - 3 A 584/03 - abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

15

Der Zweitwohnungssteuerbescheid habe eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Kalenderjahre 1999 bis 2001 in der Zweitwohnungssteuersatzung (a.F.) vom 17.03.1999 und im Übrigen in der Zweitwohnungssteuersatzung vom 26.11.2001. Diese Satzungen seien materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zu beanstanden, dass die Satzung keinen generellen Befreiungs- bzw. Ermäßigungstatbestand für Studenten und Auszubildende sowie für die Nutzung einer Zweitwohnung aus beruflichen Gründen enthalte. Solange die Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung vorgehalten werde, komme es für die Steuerpflicht auf die Motive und Zwecke für das Vorhalten der Zweitwohnung nicht an. Der Satzungsgeber sei im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes jedenfalls nicht dazu verpflichtet, Studenten von der Zahlung der Zweitwohnungssteuer generell zu befreien.

16

Auch die Satzungsanwendung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere handele es sich bei der von dem Kläger gemieteten Wohnung um eine Zweitwohnung. Im Zweitwohnungssteuerrecht gelte ein eigenständiger Wohnungsbegriff. Wohnung in diesem Sinne sei jede umschlossene Räumlichkeit, die von ihrer Ausstattung her zumindest zum zeitweisen Wohnen geeignet sei und genutzt werde. Eine konkrete Mindestausstattung der Räumlichkeit (z.B. Kochgelegenheit, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Stromversorgung, Heizung und Waschmöglichkeit) sei nicht erforderlich, wenn diese Ausstattungen in vertretbarer Nähe zur Verfügung stünden.

17

Entgegen der Auffassung des Klägers scheide die Annahme einer Zweitwohnung auch nicht deshalb aus, weil er nicht über eine "Erstwohnung" verfüge. Der Einwand betreffe die Frage, ob das ("Kinder-")Zimmer, das von Studenten in der elterlichen Wohnung häufig noch während des Studiums genutzt werde, als Wohnung angesehen werden könne. Diese Frage sei zu bejahen. Ausreichend für das Innehaben einer "Erstwohnung" sei, dass dem Kläger in der elterlichen Wohnung ein eigenes Zimmer zur Verfügung stehe. Für die Annahme einer eigenen Verfügungsmacht sei die Begründung eines eigenen Miet- oder Untermietverhältnisses nicht erforderlich, solange er die Wohnung im Einverständnis seiner Eltern mitnutzen dürfe. Ebensowenig bedürfe es einer alleinigen Verfügungsbefugnis.

18

Das Zimmer des Klägers in der Wohngemeinschaft "H..." sei eine Zweitwohnung. Hierfür spreche, dass der Kläger dort mit Nebenwohnung gemeldet gewesen sei und nach Aufgabe seines Studiums die Hauptwohnung sofort wieder bei den Eltern in G... genommen habe. Zwar könne die damit begründete Indizwirkung erschüttert und der Nachweis geführt werden, dass die Meldung sachlich falsch gewesen sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall, da dem Kläger die Bedeutung der Begriffe Haupt- und Nebenwohnung nicht unklar gewesen sei. Er habe zu Recht ausgeführt, dass Hauptwohnsitz die Wohnung der Eltern bleibe, wo die Wochenenden, Feiertage und Ferien verbracht würden. Wenig glaubhaft sei die Behauptung des Klägers, er habe auch seine Freizeit im Wesentlichen in Stralsund und nicht bei den Eltern in G... verbracht. Gleiches gelte für die Behauptung, sein Zimmer in G... sei nach seinem Umzug nach Stralsund zu einem Gästezimmer umgestaltet worden, wovon zuvor nie die Rede gewesen sei. Wenn der Kläger meine, seine Wohnung in Stralsund sei die zur Wahrnehmung des Studiums vorwiegend benutzte Wohnung, möge dies zutreffend sein; es helfe ihm aber nicht weiter. Denn ein zeitlich begrenzter Zweck wie ein Studienaufenthalt sage allein nichts über den vorliegend maßgeblichen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Betroffenen.

19

Das Urteil ist dem Kläger am 23. Juli 2005 zugestellt worden. Auf den fristgerecht gestellten und begründeten Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 29. Juni 2007 die Berufung des Klägers zugelassen.

20

Der Kläger hat im Berufungsverfahren eine eidesstattliche Versicherung sowie solche seiner Eltern eingereicht, in denen im Wesentlichen erklärt wird, dass er sich im hier interessierenden Zeitraum aus im Einzelnen erläuterten Gründen vorwiegend an seinem Studienort Stralsund aufgehalten habe. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

21

Die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Hansestadt Stralsund vom 08.11.2001 ist mit Beschluss vom 14.12.2006 rückwirkend zum 31.03.2005 geändert worden. Die §§ 1 bis 3 dieser Satzung lauten nunmehr:

22

§ 1 Allgemeines

23

Die Hansestadt Stralsund erhebt eine Zweitwohnungssteuer.

24

§ 2 Steuergegenstand

25

(1) Gegenstand der Steuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet.

26

(2) Das Innehaben einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, unterliegt nicht der Zweitwohnungssteuer.

27

(3) Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung in melderechtlichem Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat. Eine Wohnung verliert die Eigenschaft einer Zweitwohnung nicht dadurch, dass ihr Inhaber sie zeitweilig zu anderen als den vorgenannten Zwecken nutzt. Die Art der Nutzung der Wohnung für Erholungs-, Ausbildungszwecke oder Arbeitsaufenthalt ist dabei nicht entscheidend.

28

§ 3 Steuerpflichtiger

29

(1) Steuerpflichtig ist der Inhaber einer im Stadtgebiet liegenden Zweitwohnung. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dem die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer, Mieter oder als sonstiger Dauernutzungsberechtigter zusteht. Das gilt auch bei unentgeltlicher Nutzung.

30

Der Kläger führt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das Urteil des Senates vom 20. Juni 2007 - 1 L 194/06 - aus, dass er in G... keine "Erstwohnung" "innegehabt" habe. Während des Studiums habe er sein altes Kinderzimmer im Elternhaus beibehalten. Dabei habe es sich um ein zirka 20 m² großes Zimmer gehandelt, welches während seiner studiumbedingten Abwesenheit auch als Zimmer für weitere Familienangehörige genutzt worden sei. Wenn er bei seinen Eltern gewesen sei, habe er auch das gemeinsame Bad und die Küche mitbenutzen können. Das Zimmer sei ein typisches Kinderzimmer und nicht vom übrigen Elternhaus abgetrennt gewesen. Zur näheren Darlegung dieser Umstände hat der Kläger u. a. Grundrisse des Einfamilienhauses der Eltern in G... vorgelegt. Einem die elterliche Wohnung mitbenutzenden Studenten komme an einem Kinderzimmer als Besitzdiener noch nicht einmal die tatsächliche Verfügungsbefugnis zu, so dass von einer rechtlichen Verfügungsbefugnis nicht die Rede sein könne. Außerdem stehe Art.105 Abs. 2 a Satz1 und Art. 3 Abs. 1 GG einer zweitwohnungssteuerrechtlichen Behandlung des typischen "Kinderzimmers" bzw. der Beibehaltung eines Kinderzimmers in der elterlichen Wohnung durch das Kind als Innehaben einer Erstwohnung und als tatbestandsmäßiger Steuergegenstand entgegen, wie das Oberverwaltungsgericht Greifswald in dem Urteil vom 20.Juni 2007 entschieden habe.

31

Die angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheide seien außerdem deshalb rechtswidrig, weil die von dem Beklagten als Zweitwohnung bewertete Wohnung "H...." in Stralsund die vorwiegend benutzte Wohnung, also die Hauptwohnung gewesen sei. Er habe im fraglichen Zeitraum in Stralsund eine feste Freundin und einen großen Freundeskreis gehabt, am öffentlichen Leben der Hansestadt Stralsund aktiv teilgenommen und hier überwiegend seine Freizeit verbracht. Auch während der Semesterferien habe er sich in Stralsund aufgehalten und dort den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen gehabt. Demgegenüber habe er sein Kinderzimmer im Elternhaus nur zu gelegentlichen Besuchen, oft nur tagsüber genutzt.

32

Der Kläger beantragt,

33

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Juli 2005 zu ändern und den Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 04. Juni 2002 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. November 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 07.März 2003 aufzuheben.

34

Der Beklagte beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Der Kläger habe für die zurückliegende Studienzeit im August 2002 eindeutig erklärt, dass der Hauptwohnsitz die Wohnung der Eltern bleibe, wo die Wochenenden, Feiertage und Ferien verbracht würden. Die nunmehrigen davon abweichenden Erklärungen seien mit Blick auf die Unzweckmäßigkeit der ursprünglichen Äußerung erfolgt und könnten nicht überzeugen. Zwar sei es möglich, dass sich der Kläger wie sein Vater in Unkenntnis der melderechtlichen Begrifflichkeiten geäußert hätten. Der Kläger habe jedoch ausreichend Möglichkeit gehabt, sich auf Informationsveranstaltungen vor Einführung der Zweitwohnungssteuer an der Fachhochschule und bei dem Studentenwerk zu erkundigen und sich danach zu entscheiden. Soweit es um die Frage des "Innehabens" einer Erstwohnung gehe, gebe es keine Vermutung, dass Studenten, die ihren Hauptwohnsitz mit der elterlichen Adresse gemeldet hätten, regelmäßig lediglich als Besitzdiener anzusehen seien. Für eine solche Vermutung fehle es sowohl an einer gesetzlichen Grundlage als auch an gesicherten tatsächlichen Erfahrungssätzen. Die Zweitwohnungssteuersatzung schaffe "durch die melderechtliche Ebene" eine Vermutung dahingehend, dass die Hauptwohnung auch der Hauptaufenthaltsort sei, für den regelmäßig auch die Vermutung des "Innehabens" bestehe. Diese Vermutung könne nicht durch Behauptungen widerlegt werden, welche Umstände in der Vergangenheit beträfen, die wiederum einer Beweisaufnahme bzw. Amtsermittlung nicht zugänglich seien. Die Behauptung, sich in einem vergangenen Zeitraum an einem Ort "vorwiegender" als an einem anderen aufgehalten zu haben, sei ebensowenig überprüfbar wie die "Qualität der besitzrechtlichen Teilhabe" am elterlichen Haushalt. Daher verbleibe es hier bei der Vermutung, dass die Meldung mit Hauptwohnsitz den vorwiegenden Aufenthalt des Klägers indiziere.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

38

Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene (§§ 124a Abs. 5, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässige (§ 124a Abs. 6 Sätze 1,2 und 3, Abs. 3 Satz 3 VwGO) Berufung des Klägers hat Erfolg; das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen.

39

Die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 04. Juni 2002 - Kassenzeichen ... - in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. November 2002 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 07. März 2003 ist zulässig und begründet; die angefochtenen Bescheide und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist entsprechend abzuändern.

40

Die Klage ist zulässig, insbesondere nach Zustellung des Widerspruchsbescheides (14.März 2003) am 20. März 2003 fristgemäß erhoben worden. Zwar lassen die Verwaltungsvorgänge nicht erkennen, ob der Kläger gegen die ihn betreffenden Zweitwohnungssteuerbescheide fristgemäß Widerspruch erhoben hatte: Gegen den Bescheid vom 04. Juni 2002, dessen Aufgabe zur Post aber in zeitlicher Hinsicht den Akten nicht zu entnehmen ist, hatte er sich erstmals mit Schreiben vom 01. August 2002 gewendet, gegen den (Änderungs-)Bescheid vom 11. November 2002, dessen Bekanntgabedatum ebenfalls unklar ist, soweit ersichtlich überhaupt nicht. Erst mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 hatte sich der Kläger bei dem Beklagten gemeldet, dies jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf dessen Entscheidung vom 10. Dezember 2002, mithin auf die Ablehnung des beantragten Steuererlasses. Der Beklagte hat jedoch offenbar das genannte Schreiben des Klägers, in dem sich auch Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Steuererhebung finden, als Widerspruch gegen die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer insgesamt verstanden und für form- und fristgerecht eingegangen gehalten. Damit und durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2003 hat er den Klageweg offengehalten (vgl. BVerwG, 21.03.1979 - 6 C 10.78 -, BVerwGE 57, 342, 344 m.w.N.).

41

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheide sind rechtswidrig. Rechtsgrundlage der Bescheide sind die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Hansestadt Stralsund vom 04. März 1999 und die am 01. Januar 2002 in Kraft getretene Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Hansestadt Stralsund vom 08. November 2001. Die mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 vorgenommene Änderung der Satzung vom 08. November 2001 gilt nicht für die hier streitigen Veranlagungszeiträume (April 1999 bis August 2002), da ihr Rückwirkung lediglich bis zum 31.März 2005 beigemessen worden ist.

42

Diese Satzungen stehen zwar im Einklang mit höherrangigem Recht und sind wirksam (nachfolgend 1. a. und b.). Die auf ihrer Grundlage erlassenen, hier streitigen Zweitwohnungssteuerbescheide sind jedoch im Hinblick auf die tatbestandliche Voraussetzung des Innehabens der Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS 1999 und ZwStS 2001) rechtswidrig (nachfolgend 2.). Zudem stehen Art. 105 Abs. 2a Satz 1 und Art.3 Abs.1 GG einer zweitwohnungssteuerrechtlichen Behandlung des typischen "Kinderzimmers" bzw. der Beibehaltung eines Zimmers in der elterlichen Wohnung durch das Kind als Innehabung einer Erstwohnung und als tatbestandsmäßiger Steuergegenstand entgegen (nachfolgend 3.).

43

1. a.) Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuersatzungen bestehen nicht. Insbesondere liegen die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG a. F. wegen einer Abweichung von einer Mustersatzung des Innenministeriums erforderlichen Genehmigungen der Rechtsaufsichtsbehörde beim Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 10. März 1999 bzw. 20. November 2001 vor (vgl. § 79 Abs. 2 KV M-V). Diese sind entsprechend § 5 Satz 5 KV-DVO bekannt gemacht worden.

44

b.) Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Satzungen liegen im Ergebnis ebenfalls nicht vor. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Zweitwohnungssteuersatzung ist § 3 Abs.1 Satz 1 KAG M-V, wonach die Gemeinden und Landkreise örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben können. Die Zweitwohnungssteuer ist eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs.2a Satz 1 GG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Als Aufwandsteuer in diesem Sinne ist sie eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird (vgl. BVerfG, 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325, 346 f.; BVerwG, 27.10.2004 - 10 C 2.04 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 21, S. 29 f.; BVerwG, 29.01.2003 - 9 C 3.02 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 20, S. 23 f. u. 26.09.2001 - 9 C 1.01 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 19, S. 16 = BVerwGE 115, 165, 168 jeweils m.w.N.). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von der Inanspruchnahme einer Erstwohnung, die keinen besonderen Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2a GG darstellt, unterscheidet, andererseits aber keineswegs eine besonders aufwendige oder luxuriöse Einkommensverwendung voraussetzt (vgl. BVerwG, 21.03.2007 - 10 BN 4.06 -, juris; 29.11.1991 - 8 C 107.89 -, Buchholz 11 Art. 105 GG Nr.17). Soll zulässigerweise die in dem Aufwand für eine Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden, so kommt es schon aus Gründen der Praktikabilität nicht darauf an, dass diese Leistungsfähigkeit in jedem einzelnen Fall konkret festgestellt wird. Ausschlaggebendes Merkmal ist vielmehr der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln er finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (vgl. zum Ganzen BVerwG, 21.03.2007 - 10 BN 4.06 -, juris; BVerwG, 12.04.2000 - 11 C 12/99 -, BVerwGE 111, 122 m.w.N. - zitiert nach juris; VGH Kassel, 23.11.2005 - 5 UE 1546/05 -, NVwZ-RR 2006, 571).

45

Die hier maßgeblichen Zweitwohnungssteuersatzungen 1999 und 2001 geben den die Abgabe begründenden Tatbestand hinreichend bestimmt an. Sie stehen damit im Einklang mit § 2 Abs.1 Satz 2 KAG M-V als höherrangiges Recht.

46

Der Steuergegenstand als der die Abgabe begründende Tatbestand wird in § 2 Abs. 1 ZwStS umschrieben; danach unterliegt das Innehaben einer Zweitwohnung im Gebiet der Hansestadt Stralsund der Zweitwohnungssteuer. § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS bestimmt sodann, dass Zweitwohnung im Sinne der Satzung jede Wohnung ist, die jemand neben seiner Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat. § 2 Abs. 5 ZwStS definiert als "Wohnung im Sinne dieser Satzung... jede umschlossene Räumlichkeit, die von ihrer Ausstattung her zumindest zum zeitweisen Wohnen geeignet ist und genutzt wird". Eine konkrete Mindestausstattung der Räumlichkeit (z.B Kochgelegenheit, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Stromversorgung, Heizung und Waschmöglichkeit) ist nicht erforderlich. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwStS ist steuerpflichtig der Inhaber der im Stadtgebiet liegenden Zweitwohnung. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dem die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer, Mieter oder als sonstiger Dauernutzungsberechtigter zusteht.

47

Zwar stehen die hier einschlägigen Fassungen der §§ 2 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 2 der Zweitwohnungssteuersatzungen 1999 und 2001 unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 11.10.2005 - 1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03 -, juris = BayVBl. 2006, 498) nicht uneingeschränkt mit Artikel 6 Abs. 1 GG im Einklang. Danach stellt die Erhebung der Zweitwohnungssteuer auch auf die Innehabung von Erwerbszweitwohnungen durch Verheiratete eine gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßende Diskriminierung der Ehe dar. Denn steuerlich belastet wird die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestandes der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen. Es ist nämlich durch die melderechtlichen Regelungen für Verheiratete (vgl. § 12 Abs. 2 MRRG, § 16 Abs. 2 LMG) ausgeschlossen, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer zu entgehen.

48

Der Verstoß der o.g. hier einschlägigen Satzungsregelungen gegen Art. 6 Abs. 1 GG führt aber nicht zur vollständigen Unwirksamkeit der gesamten Satzung. Unanwendbar sind sie nur insoweit, als auch die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, der Zweitwohnungssteuer unterworfen wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwG, 01.08.2001 - 4 B 23/01 -, juris; 27. Januar 1978 - BVerwG 7 C 44.76 - DVBl 1978, 536; 8. August 1989 - BVerwG 4 NB 2.89 - ZfBR 1989, 274) führt die Ungültigkeit eines Teiles einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Beide Voraussetzungen liegen hier vor. Die fraglichen Satzungsbestimmungen sind ohne Weiteres hinsichtlich der betroffenen Steuerpflichtigen teilbar in die Gruppe der eben genannten nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Wohnungsinhaber einerseits und aller sonstigen in Betracht kommenden Wohnungsinhaber andererseits. Die Weitergeltung der Zweitwohnungssteuersatzung ohne Erfassung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Wohnungsinhaber entspricht auch dem mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers. Das zeigt die Änderung der Zweitwohnungssteuersatzung der Hansestadt Stralsund nach Ergehen der o.g. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und entsprechenden Hinweisen der Rechtsaufsichtsbehörden (vgl. den auszugsweise wiedergegebenen Erlass des Innenministeriums M-V in: Der Überblick 2006, 149). Für eine Weitergeltung der Zweitwohnungssteuersatzung in dem o.g. eingegrenzten Umfang spricht schließlich auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 2005 (a.a.O.). Danach verstoßen die dort maßgeblichen Satzungen gegen das Diskriminierungsverbot, soweit die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten besteuert wird. In diesem Umfang seien die Satzungen mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar.

49

2. Die angefochtenen Bescheide vom 04. Juni und 11. November 2002 sind jedoch rechtswidrig, da jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 ZwStS 1999 bzw. 2001, wonach Gegenstand der Steuer das Innehaben einer Zweitwohnung (im Stadtgebiet Stralsund) ist und eine solche Zweitwohnung die Wohnung ist, die jemand neben seiner Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf innehat, vorliegend nicht erfüllt sind. Der Kläger hatte dann, wenn es sich bei der elterlichen Wohnung in G... um - wie der Beklagte annimmt, der Kläger aber in Abrede stellt - seine Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne gehandelt haben sollte, diese Wohnung nicht im rechtlichen Sinne der eben genannten Satzungsbestimmung inne. Der Zweitwohnungssteuersatzung der Hansestadt Stralsund ist (ebenso wie der Satzung von Neubrandenburg, vgl. OVG Greifswald, 20.06.2007 - 1 L 194/06 und 1 L 257/06 -) durch Auslegung hinreichend bestimmt zu entnehmen, dass an die Inhaberschaft bezüglich der Erstwohnung die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie bei der Zweitwohnung.

50

Auch bei der von der Hansestadt Stralsund gewählten Satzungsformulierung bezieht sich das Merkmal des Innehabens nach Maßgabe des § 2 Abs.2 Satz 1 ZwStS eindeutig sowohl auf die Erst- als auch die Zweitwohnung ("...neben seiner Hauptwohnung...innehat"); "neben" ist hier ohne jeden Zweifel im Sinne von "beide nebeneinander" oder "beide gemeinsam" und bezogen auf "innehaben" gemeint. Deshalb ist eine unterschiedliche Deutung des Begriffs des "Innehabens" je nach Erst- oder Zweitwohnung schon begrifflich nach Maßgabe des Ortsrechts ausgeschlossen (vgl. VG Weimar, 27.09.2006 - 6 K 5509/04 -, juris). Für diese Beurteilung spricht auch die in der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS weiter formulierte Voraussetzung, die Zweitwohnung müsse jemand für den eigenen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf der Familienmitglieder innehaben. Gemäß dem nach § 2 Abs. 5 ZwStS einheitlich für Erst- und Zweitwohnung zu verwendenden Wohnungsbegriff und unter Einbeziehung der Bestimmung des §3 Abs. 1 Satz 2 ZwStS kann dieses einengende Merkmal sinnvoll nur bedeuten, dass bei Nutzung der (Erst-) Wohnung durch eine Familie Inhaber nur derjenige ist, der als Eigentümer, Mieter oder als sonstige dauernutzungsberechtigte Person die Wohnung - auch - für den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat, dass jedoch nicht die übrigen Familienmitglieder, insbesondere regelmäßig nicht die Kinder, Inhaber sind.

51

Bei der Zweitwohnung gilt nach § 3 Abs. 1 Satz 2, 3 ZwStS als Inhaber die Person, der die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer, Mieter oder als sonst dauernutzungsberechtigte Person zusteht, auch bei unentgeltlicher Nutzung. Diese Definition geht über den abgabenrechtlichen Begriff des Innehabens der Wohnung, der die tatsächliche Verfügungsmacht über die Wohnung erfordert (vgl. Gersch, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 8 Rn 3), hinaus: Er verlangt, wie die Verwendung des Begriffs "Verfügungsbefugnis" zeigt, eine rechtliche Absicherung der bestehenden tatsächlichen Verfügungsmacht, die für sich allein folglich nicht zur Begründung der Steuerpflicht genügt.

52

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist davon auszugehen, dass Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden, auch wenn sie volljährig geworden sind, typischerweise in der elterlichen Wohnung kein Zimmer "innehaben", weil sie nicht in der von § 3 Abs. 1 Satz 2, 3 ZwStS geforderten rechtlich abgesicherten Weise verfügungsbefugt, sondern lediglich Besitzdiener im Sinne von § 855 BGB, also nicht einmal Besitzer sind (vgl. VG Weimar, 27.09.2006 - 6 K 5509/04 -, juris, m.w.N.; VG Gelsenkirchen, 05.12.2002 -16 K 3699/01 -, KStZ 2003, 213 - zitiert nach juris; VGH München, 14.02.2007 - 4 N 06.367 -, S. 11 des Urteils; VG Köln, 14.02.2007 - 21 K 2275/06 -, juris; Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 885 Rn. 7; OLG Hamburg, 06.12.1990 - 6 W 73/90 -, NJW-RR 1991, 909 - zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, 18.06.1970 - III C 33.69 -, BVerwGE 35, 297 - zitiert nach juris).

53

Wenn das Verwaltungsgericht Köln (14.02.2007 - 21 K 2275/06 -, juris; ähnlich VGH München, 20.03.2007 - 4 CS 07.478 -, juris) demgegenüber meint, für die Erstwohnung sei keine Verfügungsbefugnis erforderlich, das Innehaben werde in der dort überprüften Satzung nur für die Zweitwohnung verlangt, ist dies vorliegend schon deshalb unerheblich, weil die Zweitwohnungssteuersatzung der Hansestadt Stralsund wie ausgeführt das Innehaben auch für die Erstwohnung voraussetzt. Aber auch im Übrigen überzeugt die Argumentation nicht, es entspreche dem Zweck der Zweitwohnungssteuer, an die Zweitwohnung höhere Anforderungen als an die Hauptwohnung zu stellen, die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmöglichkeiten, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indizierten, seien für den Erstwohnsitz dagegen unerheblich, da er für sich keine steuerlichen Konsequenzen habe. Hierbei wird übersehen, dass begriffsimmanente Voraussetzung der Zweitwohnung die Existenz einer Erstwohnung ist, die folglich offensichtlich steuerliche Auswirkungen hat. Darüber hinaus setzt sich das Verwaltungsgericht Köln nicht damit auseinander, dass es bei einem differenzierten Begriff des "Innehabens" je nach Erst- oder Zweitwohnung überhaupt - wie im vorliegend zu entscheidenden Fall - an einem entsprechenden Begriff als notwendiger Bestandteil des Steuertatbestandes fehlen würde; hierfür wäre aber eine entsprechende Regelung erforderlich (vgl. OVG Koblenz, 29.01.2007 - 6 B 11579/06.OVG -).

54

Der Vortrag des Beklagten führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach schaffe die Zweitwohnungssteuersatzung durch die "melderechtliche Ebene eine Vermutung, dass die Hauptwohnung auch der Hauptaufenthaltsort sei, für den regelmäßig auch die Vermutung des 'Innehabens' bestehe". Dies kann nicht überzeugen. Die Zweitwohnungssteuersatzung macht die Steuerpflicht - neben weiteren Voraussetzungen - einerseits von der Existenz einer Hauptwohnung und andererseits von einem Innehaben dieser Wohnung (als zweitwohnungssteuerrechtlicher Erstwohnung) abhängig. Diese beiden Voraussetzungen stehen selbständig nebeneinander und in keinem Verhältnis einer gesetzlichen oder tatsächlichen Vermutung. Eine solche Vermutung ist weder der Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten noch sonstigen hier etwa einschlägigen Rechtsvorschriften zu entnehmen. Es ist auch kein Grund dafür erkennbar, warum aus der Existenz einer Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 2 ZwStS 1999/2001) auf ein Innehaben dieser Wohnung im Sinne einer tatsächlichen Vermutung (vgl. dazu etwa BGH, 17.07.2001 - XI ZR 15/01 -, BGHZ 148, 299, 305) sollte geschlossen werden müssen. Schon aufgrund der Weite des melderechtlichen Wohnungsbegriffes (vgl. § 15 LMG: jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird) kann es keinen Erfahrungssatz geben, dass der Nutzer eines solchen Raumes über diesen zugleich verfügungsberechtigt ist und ihn damit innehat.

55

Ebenfalls nicht überzeugend ist die Auffassung des Beklagten, die Vermutung, die Hauptwohnung im zweitwohnungssteuerrechtlichen Sinne innezuhaben, könne nicht durch Behauptung von in der Vergangenheit liegenden Umständen widerlegt werden. Die in der Vergangenheit liegende "Qualität der besitzrechtlichen Teilhabe am elterlichen Haushalt" sei letztlich nicht überprüfbar. Nach der Rechtsprechung des Senates (z.B. 20.06.2007 - 1 L 257/06 -S. 20) ist es demgegenüber so, dass Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden, auch wenn sie volljährig geworden sind, typischerweise in der elterlichen Wohnung kein Zimmer "innehaben", weil sie nicht in der erforderlichen rechtlich abgesicherten Weise verfügungsbefugt, sondern lediglich Besitzdiener im Sinne von § 855 BGB, also nicht einmal Besitzer sind. Ob dies im Einzelfall in atypischer Weise anders ist, der Student also abweichend vom typischen Fall Verfügungsbefugnis hinsichtlich der elterlichen Wohnung hat (Stichworte: eigener Hausstand, abgeschlossener Lebensbereich, Mietzahlung, vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 26.A., § 885 Rn. 7; VG Weimar, 27.09.2006 - 6 K 5509/04 -, NVwZ-RR 2007, 708/709), ist einer Aufklärung ohne Weiteres zugänglich.

56

Nach alledem fehlt dem Kläger hinsichtlich seines "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung als bloßer Besitzdiener die erforderliche Verfügungsbefugnis bezüglich einer Erstwohnung. Er ist nicht Inhaber einer solchen und folglich aus diesem Grunde nicht steuerpflichtig und der angefochtene Steuerbescheid deshalb rechtswidrig.

57

3. Zudem stehen Art. 105 Abs. 2a Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG einer zweitwohnungssteuerrechtlichen Behandlung des typischen "Kinderzimmers" bzw. der Beibehaltung eines Zimmers in der elterlichen Wohnung durch das Kind als Innehabung einer Erstwohnung und als tatbestandsmäßiger Steuergegenstand entgegen.

58

Anknüpfungspunkt der Zweitwohnungssteuer ist - auf eine kurze Formel gebracht - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, wobei das Innehaben der Zweitwohnung als Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden, typischerweise diese Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Dabei ist zu beachten, dass die Erstwohnung keinen besonderen Aufwand darstellt.

59

Dies sagt zunächst nichts darüber aus, welche Anforderungen an die Annahme zu stellen sind, es liege eine Erstwohnung bzw. die Innehabung einer solchen vor, die überhaupt erst die weitere Annahme einer Zweitwohnung rechtfertigen kann. Auch wenn die Erstwohnung keinen besonderen Aufwand darstellt, ist - wie gesagt - ihre Innehabung begriffliche Voraussetzung einer Zweitwohnung. Ohne äußerlich erkennbaren Aufwand für eine Erstwohnung - auch wenn es kein "besonderer" ist - gibt es folglich typischerweise keinen besonderen Aufwand für eine Zweitwohnung. Das Bestehen und Innehaben einer Erstwohnung betrifft nicht die Frage nach der Leistungsfähigkeit im Einzelfall bzw. danach, ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, sondern ist normative Voraussetzung für die Annahme einer Zweitwohnung. Dabei geht es deshalb insbesondere nicht etwa darum, eine Aufwandssummierung oder eine Prüfung vorzunehmen, ob es sich bei der Erstwohnung um ein besonders luxuriöses Anwesen handelt.

60

Wendet man den vorstehend erläuterten Maßstab auf die regelmäßig anzutreffende Konstellation des von Studenten weiter bewohnten typischen "Kinderzimmers" bzw. einzelnen Zimmers in der elterlichen Wohnung an, so führt dies zu der Schlussfolgerung, dass dieser Sachverhalt nicht die Innehabung einer Erstwohnung im Verhältnis zu einer weiteren Wohnung am Studienort darstellen kann. Denn typischerweise hat der "Zimmerbewohner", also das Kind, sei es minderjährig oder volljährig, für das "Kinderzimmer" selbst gerade keinen ihm zurechenbaren Aufwand getätigt bzw. kein eigenes Einkommen für dieses aufgewandt. Diesen Aufwand leisten vielmehr - grundsätzlich nach außen ohne weiteres erkennbar und ohne dass es insoweit einer Einzelfallprüfung bedürfte - typischerweise bzw. im Regelfall die Eltern in Verwendung ihres Einkommens. Er ist folglich ausschließlich ihnen zurechenbar. Der Umstand, dass ein Kind volljährig wird und ein Studium an einem anderen Ort aufnimmt, führt nicht gleichsam zu einer "Umwidmung" des elterlichen Aufwandes in einen solchen des Kindes; auch an der Besitzdienerstellung des Kindes hinsichtlich des Zimmers ändert sich grundsätzlich nichts (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 885 Rn.7; OLG Hamburg, 06.12.1990 - 6 W 73/90 -, NJW-RR 1991, 909 - zitiert nach juris). Das Beibehalten des "Kinderzimmers" kann deshalb typischerweise aufwandsteuerrechtlich nicht als Innehaben einer Erstwohnung und nicht als tatbestandsmäßig im Sinne des Steuergegenstandes des Zweitwohnungssteuerrechts bewertet werden. Folglich kann die Wohnung am Studienort keinen besonderen Aufwand bzw. keine Zweitwohnung darstellen.

61

Unter Zugrundelegung des bundesrechtlichen Begriffs der Aufwandsteuer nach Maßgabe von Art.105 Abs. 2a Satz 1 GG, wie er auch in § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V verwandt wird, können die typischen "Kinderzimmerfälle", also die Fälle, in denen Studenten neben ihrer Wohnung am Studienort in der elterlichen Wohnung noch ein Zimmer beibehalten, mangels Innehaben einer Erstwohnung nicht mit der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer belegt werden; sie unterfallen tatbestandlich nicht dem Steuergegenstand des Zweitwohnungssteuerrechts. Folglich darf eine zweitwohnungssteuerrechtliche Definition des Steuergegenstandes die typischen "Kinderzimmerfälle" nicht erfassen bzw. der ortsrechtliche Steuergegenstand nicht in diesem Sinne ausgelegt werden.

62

Dieses Ergebnis stützt auch Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab.

63

Umfang und Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sind - soweit dies abstrakt und generell, also losgelöst von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles möglich ist - durch eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen geklärt. Danach steht für den Bereich steuerlicher Regelungen fest, dass dem Steuergesetzgeber bei der Entscheidung, welche Steuerquellen erfasst werden sollen, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Rahmen seiner finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen zukommt (vgl. BVerwG, 21.04.1997 - 8 B 87.97 - (juris); BVerfG, 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325, 354; BVerwG, 08.12.1995 - 8 C 36.93 -, Buchholz 401.67 Schankerlaubnissteuer Nr. 20, S. 1, 9 ff.). Diese weitgehende Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers findet ihre Grenze dort, wo kein einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung ersichtlich ist (BVerfG, 06.12.1983, a.a.O.).

64

Mit einem ortsrechtlich definierten Steuergegenstand, der das typische "Kinderzimmer" als Erstwohnung erfasste, würde der Ortsgesetzgeber den mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zulässigen Regelungsrahmen überschreiten: Die Qualifizierung der Beibehaltung eines "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung als Innehaben einer Erstwohnung, die überhaupt erst die Besteuerung der "Zweitwohnung" möglich macht, entfernte sich so weit vom aufwandsteuerrechtlichen Anknüpfungspunkt der nach außen durch eine bestimmte Konsumform dokumentierten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, von Sinn und Zweck der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer und den zugrunde liegenden sozialen Gegebenheiten, dass das Urteil der Willkürlichkeit bzw. die Annahme eines Verstoßes gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG angelegten Grundsatz der Steuergerechtigkeit und einer Überschreitung der Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V gerechtfertigt wäre (vgl. zutreffend OVG Koblenz, 29.01.2007 - 6 B 11579/06.OVG -; OVG Schleswig, 20.03.2002 - 2 L 136/00 -, juris). Es erscheint dem Senat trotz eines nach dem jährlichen Mietaufwand differenzierenden Steuermaßstabes (vgl. § 4 Abs. 1 ZwStS) unter dem Blickwinkel der Steuergerechtigkeit nicht zu rechtfertigen, einen Studenten mit "Kinderzimmer" bei den Eltern und einem Zimmer im Studentenwohnheim hinsichtlich seiner prinzipiellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zweitwohnungssteuerrechtlich mit einem Steuerpflichtigen nach dem klassischen Bild (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2007, § 3 Anm. 3.4.1) desjenigen, der in einer Fremdenverkehrsgemeinde etwa über eine eigengenutzte Ferienwohnung verfügt, gleichzustellen: Hier wird wesentlich Ungleiches ohne sachlichen Grund gleichbehandelt. Ist der entsprechende Sachverhalt bei einem solchen Studenten regelmäßig zum einen durch eine abgeschwächt fortbestehende Bindung zur Familie - gewissermaßen als Vorstufe einer späteren vollständigen Selbständigkeit in der Wohnsituation - und zum anderen durch die praktischen Notwendigkeiten des Studiums begründet, also durch Umstände, die in keinem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen, geht es im anderen Falle typischerweise um die Anschaffung und Unterhaltung einer Erholungsmöglichkeit in Gestalt einer Wohnung aus eigenem Einkommen, die regelmäßig maßgeblich durch eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erst veranlasst ist.

65

Ob es gegebenenfalls auch Art. 6 Abs. 1 GG verbietet, die Beibehaltung des "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung durch einen Studenten als für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer erheblichen Aufwand für eine Erstwohnung zu qualifizieren, kann mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen offenbleiben. Angemerkt sei allerdings, dass - jedenfalls wenn man unterstellt, die Angabe dieses "Kinderzimmers" als Hauptwohnung wäre melderechtlich zutreffend - die Erhebung der Zweitwohnungssteuer in diesen Fällen unzweifelhaft den Bereich des familiären Zusammenlebens betreffen würde und im Extremfall den Studenten aus wirtschaftlichen Erwägungen mittelbar zwingen könnte, seine Wohnung bei den Eltern aufzugeben, um der Steuer zu entgehen.

66

Nach allem kann dahinstehen, ob der Beklagte bei Anwendung seines Zweitwohnungssteuerrechts zutreffend aufgrund der Meldung der elterlichen Wohnung in G... durch den Kläger als Hauptwohnung und der Stralsunder Wohnung als Nebenwohnung dessen elterliche Wohnung als Erstwohnung und die Nebenwohnung als Zweitwohnung angesehen hat. Wäre dies der Fall, unterläge die Neben- bzw. Zweitwohnung in Stralsund nach den obenstehenden Ausführungen nicht der Zweitwohnungssteuerpflicht. Wäre hingegen die Wohnung "H..." der Ort des vorwiegenden Aufenthaltes des Klägers während seines Studiums gewesen, hätte er hier seine "Erstwohnung" im steuerrechtlichen Sinne gehabt. Der Zweitwohnungssteuerpflicht unterfiele sie dann ebenfalls nicht.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

68

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §708 Nr. 11, 711 ZPO.

69

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf den bundesrechtlichen Begriff der Aufwandsteuer, der vorliegend die Auslegung des Ortsrechts, der Begriffe der Erst- und Zweitwohnung sowie des Begriffs des Innehabens maßgeblich geprägt hat, bzw. im Hinblick auf die Beantwortung der in der dazu vorliegenden Rechtsprechung gegensätzlich beantworteten Frage, ob ein "Kinderzimmer" in der elterlichen Wohnung als zweitwohnungssteuererhebliche Erstwohnung betrachtet werden darf, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr.1 VwGO).

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. August 2008 – 3 A 831/06 – wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 45,76 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Zweitwohnungssteuern für den Zeitraum Juni bis Dezember 2004 (33,00 €) und für das Jahr 2005 (66,00 €).

2

Der in A-Stadt wohnhafte Kläger ist Eigentümer des vor dem 03. Oktober 1990 errichteten Bungalows Nr. … in W., …. . Der Bungalow besitzt eine Wohnfläche von 22 m² und ist mit einem Wasser- und Stromanschluss sowie Toilette und Kochgelegenheit ausgestattet, weist jedoch keine Heizungsanlage auf.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen den Bescheid vom 22. November 2005 insoweit stattgegeben, als die Steuerfestsetzung den Betrag von 45,76 € übersteigt, und im Übrigen die Klage abgewiesen.

4

Der nach Zustellung des Urteils an den Kläger am 03. September 2008 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 02. Oktober 2008 gestellte und unter dem 28. Oktober 2008 ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

5

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642, Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640] m. w. N.).

6

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf den sich der Kläger zunächst beruft, ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

7

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

8

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a. a. O.).

9

Nach diesem Maßstab führt das Zulassungsvorbringen nicht zur Zulassung der Berufung.

10

Der Kläger macht zunächst im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Wustrow vom 29. Juni 2005 i. d. F. der 1. Änderungssatzung vom 07. Juni 2007 (jeweils rückwirkend zum 22. Mai 2004 in Kraft getreten; nachfolgend: ZWS) nichtig. Der Steuermaßstab der Satzung sei nichtig, da eine Berechnung auf seiner Grundlage objektiv undurchführbar und somit unmöglich sei. Die Fakten, die den Steuermaßstab bestimmten, würden zum Teil erst im Laufe des Jahres erkennbar, so dass zum Zeitpunkt, zu dem die Steuer satzungsmäßig fällig werde, nämlich nach § 6 Abs. 1 ZWS am 01.01. des jeweiligen Kalenderjahres, noch gar keine exakte Berechnung möglich sei. Dies sei eine Erkenntnis, „die sich aus der Rechtsprechung zur Zweitwohnungssteuer“ ergebe, konkret aus dem Urteil des OVG Schleswig vom 20. April 2005 – 2 LB 61/04 –.

11

Dieses Vorbringen genügt schon nicht dem Darlegungserfordernis. Es wendet sich pauschal gegen „den Steuermaßstab“, macht also nicht deutlich, gegen welche der einzelnen Regelungen des § 4 ZWS zum Steuermaßstab es sich im Besonderen wendet und ob insbesondere die Regelung des Abs. 2 oder 3 angegriffen werden soll.

12

Selbst wenn man das Zulassungsvorbringen dahingehend deutet, dass sich der Kläger gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 2 ZWS wenden will, obwohl er selbst auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 ZWS veranlagt worden ist, geht es an der Regelungssystematik der Zweitwohnungssteuersatzung vorbei und weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Der in ihrem § 4 geregelte Steuermaßstab knüpft nämlich nicht an eine exakte Berechnung des konkreten jährlichen Mietaufwandes im Einzelfall an, sondern pauschalisiert diesen Mietaufwand ausgehend von den vertraglichen Vereinbarungen des Wohnungsinhabers: Die Steuerschuld wird nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet (§ 4 Abs. 1 ZWS). Der jährliche Mietaufwand ist nach § 4 Abs. 2 ZWS das Gesamtentgelt, das der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat (Jahresrohmiete). § 4 Abs. 4 ZWS ordnet die entsprechende Anwendung des § 79 Bewertungsgesetz sowie der §§ 42 bis 44 der zweiten Berechnungsverordnung in bestimmten Fassungen an. Die Steuerpflicht entsteht am 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 ZWS). Da der in diesem Zeitpunkt bestehende Stand der vertraglichen Vereinbarungen grundsätzlich ohne weiteres ermittelt werden kann, ist auch der jährliche Mietaufwand im Sinne eines pauschalierten tatsächlichen Mietaufwandes ohne weiteres bestimmbar. Mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung bzw. Verwaltungspraktikabilität sieht die Zweitwohnungssteuersatzung von einer konkreten Ermittlung des im Laufe des Jahres ggf. in Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen getätigten Mietaufwandes ab. Diese Ausgestaltung des Steuermaßstabes begegnet mit Blick auf das Vorbringen zur Begründung des Zulassungsantrages keinen durchgreifenden Bedenken; insbesondere steht Verfassungsrecht nicht entgegen.

13

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Normgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt ist, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu gestalten, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Dabei hat der Normgeber einfache, für die Betroffenen verständliche Regelungen zu wählen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können. In diesem Rahmen ist auch eine pauschalierte Erfassung eines tatsächlichen Aufwands grundsätzlich zulässig.

14

Der Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer zwingt die Steuer erhebende Gemeinde insoweit nicht, den vom Steuerpflichtigen getätigten Aufwand in jedem einzelnen Fall konkret zu ermitteln. Ebenso wie der Steuertatbestand allein auf das Innehaben einer Zweitwohnung wegen der darin regelmäßig zum Ausdruck kommenden besonderen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners und seines hierfür vermutlich betriebenen Aufwands abstellen darf, kann auch der Umfang dieses Aufwands nach äußerlich erkennbaren Merkmalen der Zweitwohnungsnutzung pauschalierend bestimmt werden. Dabei ist die Gemeinde in der Wahl der Maßstabsgröße grundsätzlich frei, sofern diese den betriebenen Aufwand der Zweitwohnungsnutzung hinreichend realitätsnah abzubilden in der Lage ist. Demzufolge kann die Gemeinde der Steuerbemessung den durch den Zweitwohnungsnutzer tatsächlich geschuldeten Mietzins zugrunde legen. Ebenso steht es ihr frei, auf die nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes ermittelte Jahresrohmiete zurückzugreifen. Ihr ist es grundsätzlich auch nicht verwehrt, die Zweitwohnungssteuer etwa nach der Flächengröße der Zweitwohnung zu bestimmen. Zulässig ist schließlich auch eine Kombination verschiedener der zuvor genannten Maßstäbe. Dabei ist die Gemeinde nicht gezwungen, für jede atypische Fallgestaltung eine Sonderregelung zu schaffen.

15

Demnach widerspricht es nicht dem Charakter der Aufwandsteuer, wenn eine Gemeinde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften die Zweitwohnungssteuer auch gegenüber Mietern von Zweitwohnungen anhand eines realitätsnah pauschalierten Maßstabs – hier der nach dem Bewertungsgesetz ermittelten Jahresrohmiete – bestimmt. Der Mieter einer Zweitwohnung kann demgegenüber nicht eine niedrigere, nach dem von ihm tatsächlich geschuldeten Mietzins berechnete Steuerbemessung verlangen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 29.01.2003 – 9 C 3.02 –, BVerwGE 117, 345 – zitiert nach juris). Schließlich wird von der Pauschalierung mit den Mietern von Zweitwohnungen im Gemeindegebiet des Beklagten nach Maßgabe der Ausführungen des Verwaltungsgerichts insbesondere nur eine relativ geringe Zahl der Zweitwohnungssteuerpflichtigen betroffen. Denn danach bilden eigengenutzte Bungalows oder sog. Datschen auf Erholungsgrundstücken im Sinne der §§ 312 bis 315 ZGB-DDR ca. 90 % der Zweitwohnungen im Gemeindegebiet und sind folglich höchstens 10 % der Zweitwohnungen im Gemeindegebiet vermietet. Für die ganz überwiegende Zahl der Zweitwohnungen kann demnach zur Bestimmung des betriebenen Aufwands ohnehin nicht auf einen konkret geschuldeten Mietzins zurückgegriffen werden (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt BVerwG, Urt. v. 29.01.2003 – 9 C 3.02 –, a. a. O.). Schließlich werden Abweichungen des konkreten tatsächlichen Mietaufwandes von dem pauschalierten Mietaufwand nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung und ein sich daraus ergebender Unterschied in der Steuerbemessung durch den relativen Steuersatz von 10 % gemäß § 5 ZWS stark nivelliert.

16

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 15. Dezember 1989 – 2 BvR 436/88 – (BVerfGE 65, 325 – zitiert nach juris) keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen eine mit dem hier in Streit stehenden § 4 Abs. 2 ZWS bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 ZWS im Wesentlichen gleich lautende pauschalierende Regelung der Bemessungsgrundlage erhoben.

17

Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des OVG Schleswig vom 20. April 2005 – 2 LB 61/04 – (juris) zum Landesrecht in Schleswig-Holstein, wonach dort die Zweitwohnungssteuer mit Ablauf des Erhebungsjahres entsteht. Das Bundesverwaltungsgericht geht jedenfalls davon aus, dass einer Entstehung der Steuer zu Beginn des Jahres bundesrechtlich nichts entgegensteht, wenn Landesrecht eine entsprechende Regel enthält (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2001 – 9 C 1.01 –, BVerwGE 115, 165 – zitiert nach juris). Wenn der Kläger darauf hinweist, dass letztlich erst am Jahresende festgestellt werden könne, ob der Wohnungsinhaber die Zweitwohnung sich selbst vorhält oder ganzjährig vermietet, fehlt ein Eingehen auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 ZWS: Ist eine Wohnung erst nach dem 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres als Zweitwohnung zu beurteilen, so entsteht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 ZWS die Steuerschuld am ersten Tag des darauf folgenden Kalendervierteljahres. Die Steuerpflicht endet nach § 6 Abs. 1 Satz 3 ZWS mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung aufgibt. Zudem muss die Satzung nicht jeden atypischen Fall gesondert regeln bzw. können die vorstehend wiedergegebenen Bestimmungen hinreichend Anhaltspunkte bieten, wie in Auslegung der Satzung Sonderfälle zu lösen wären.

18

Soweit der Kläger auf § 38 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V verweist, ist darauf hinzuweisen, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V gerade vorgibt, dass die Abgabensatzung den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabe angeben muss. Das KAG M-V enthält damit eine gegenüber der AO vorrangige Regelung, § 38 AO ist nur subsidiär anzuwenden und steht einer abweichenden Benennung des Entstehungszeitpunkts in kommunalen Abgabensatzungen nicht entgegen (vgl. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 12 KAG M-V Anm. 9). Anderenfalls wäre § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V im vorstehend angesprochenen Umfang obsolet.

19

Auch die an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 – (BVerfGE 114, 316 – zitiert nach juris), wonach die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, die Ehe diskriminiert und gegen Art 6 Abs. 1 GG verstößt, anknüpfende Rüge der Nichtigkeit der Zweitwohnungssteuersatzung führt nicht zur Zulassung der Berufung. Das Zulassungsvorbringen übersieht bereits, dass mit der 1. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Wustrow vom 07. Juni 2007 – rückwirkend zum 22. Mai 2004 in Kraft getreten – eine entsprechende Ausnahmeregelung in Gestalt des § 2 Abs. 5 in die Satzung eingefügt worden ist. Die ursprüngliche Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde Wustrow hätte im Übrigen verfassungskonform einschränkend so ausgelegt werden können, dass sie von Ehegatten berufsbedingt vorgehaltene Zweitwohnungen nicht steuerlich erfasst hätte und damit nicht verfassungswidrig gewesen wäre. Im Sinne geltungserhaltender Reduktion (vgl. zum Grundsatz der Normerhaltung auch OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 – 1 L 58/02 –, juris) hätte § 2 ZWS entsprechend einschränkend ausgelegt werden können (vgl. VGH München, Urt. v. 04.04.2006 – 4 N 05.2249 –, BayVBl. 2006, 504 – zitiert nach juris; VG Augsburg, Urt. v. 19.07.2007 – Au 6 K 06.1223 –, juris; vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 21.03.2007 – 10 BN 4.06 –, BayVBl. 2007, 536 – zitiert nach juris). Nach alledem liegt auch der ergänzend vom Kläger herangezogene Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) nicht vor.

20

Der darüber hinaus geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wären Darlegungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dazu erforderlich gewesen, dass die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist. Hierzu gehört, dass die klärungsbedürftige konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargestellt wird, woraus sich die grundsätzliche Bedeutung dieser speziellen Rechtsfrage ergibt. Der Antragsbegründung muss entnommen werden können, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer bestimmten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen und es deshalb erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt. Dazu bedarf es einer substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen ein von dem Verwaltungsgericht eingenommener Rechtsstandpunkt bzw. die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen zweifelhaft geworden sind (ständige Rspr. des Senats, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2007 – 1 L 195/07 – und zuletzt etwa Beschl. v. 11.01.2011 – 1 L 145/07 –).

21

Das Vorbringen des Klägers zu diesem Zulassungsgrund erschöpft sich zunächst im Wesentlichen in mehr rechtspolitischen als (verfassungs-) rechtlichen Ausführungen, um anschließend die Wohnungseigenschaft des klägerischen Bungalow zu thematisieren. Dieser Vortrag mündet schließlich in folgende Fragestellung:

22

„5. Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind also die Fragen, ob überhaupt in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Innehaben einer Laube nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, eine Zweitwohnungssteuer erhoben werden kann und ob die hier vorliegende primitive Laube als Zweitwohnung angesehen werden kann. …“

23

Diese Fragestellung geht zum einen von unzutreffenden Prämissen – unabhängig von der ursprünglichen Motivation für die Errichtung von „Datschen“ in der damaligen DDR stellt sich das aktuell fortdauernde Vorhalten derselben ohne Weiteres als ein besonderer Aufwand dar, der mit der Zweitwohnungssteuer belegt werden kann – aus und ist offensichtlich jedenfalls keiner fallübergreifenden Klärung zugänglich, sondern kann lediglich für den konkreten Einzelfall beantwortet werden.

24

Wenn der Kläger schließlich unter Bezugnahme auf verschiedene Besonderheiten seines Bungalows geltend macht, diese müssten bei der Bestimmung der Miethöhe dergestalt berücksichtigt werden, dass jährlich lediglich eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 13,20 € anfalle, geht dies unter dem Blickwinkel des Darlegungserfordernisses schon nicht hinreichend darauf ein, dass das Verwaltungsgericht insoweit von einer zulässigen Pauschalierung seitens des Beklagten ausgegangen ist. Dies ist der Sache nach auch nicht zu beanstanden, da es im Rahmen der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht erforderlich ist, für jede Zweitwohnung eine Art Wertgutachten zu erstellen. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 ZWS in diesem Sinne lediglich dieSchätzung der üblichen Miete „in Anlehnung“ an die Jahresrohmiete, die für Räume „ähnlicher“ Art, Lage und Ausstattung „regelmäßig“ gezahlt werden, erfordert. Dies führt auch grundsätzlich nicht zu unzumutbaren Ergebnissen, da dabei resultierende Ungenauigkeiten durch den Steuersatz von 10 % sehr weitgehend nivelliert werden. Auch der Kläger legt nicht dar, dass ihn die jährliche Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Höhe (45,76 €), wie sie das Verwaltungsgericht als rechtmäßig erachtet hat, unzumutbar belasten könnte. Soweit er in diesem Zusammenhang ebenfalls eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, fehlt es wiederum an einer hinreichenden Darlegung bzw. ist wiederum nicht ersichtlich, dass eine über den Einzelfall hinausweisende Klärung einer Rechts- oder Tatsachenfrage möglich wäre.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

26

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1, 3 GKG.

27

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

28

Hinweis:

29

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtes Schwerin (4 A 1023/00) vom 02. März 2004 mit Ausnahme der Einstellung des Verfahrens wegen Erledigung der Hauptsache wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 9/10, der Beklagte zu 1/10.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Beklagten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, wohnhaft in W., pachtete ein in B. (S.straße ...) gelegenes, 858 qm großes mit einem "Doppelbungalow" bebautes Erholungsgrundstück. In § 6 des Pachtvertrages heißt es, der Pachtzins betrage für das Grundstück 1,- DM/qm und Jahr, für den Bungalow 120,- DM, "mithin 2298,- DM".

2

Der Beklagte zog die Klägerin mit Bescheid vom 18. November 1999 für das Veranlagungsjahr 1999 auf der Grundlage der Satzung der Gemeinde Ostseebad Boltenhagen über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer vom 11. Dezember 1998 (ZwStS 98) zunächst zu Zweitwohnungssteuern in Höhe von 259,20 DM (10% eines Betrages von 2.592,- DM) heran. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 14. März 2000 zurück. Der Betrag von 259,20 DM sei bei einer Größe des Bungalows von 72 qm und einer Durchschnittsmiete von 9,- DM richtig berechnet und für 4 Monate in Ansatz gebracht worden. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Rückscheins der Deutschen Post am 15. März 2000 übergeben.

3

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 18. November 1999 am Montag, den 17. April 2000 Klage (1 L 299/04) insoweit, als der Beklagte Zweitwohnungssteuern über den Betrag von 144,- DM jährlich (10% der Miete für den Bungalow) hinaus festgesetzt hatte. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, die Höhe der Zweitwohnungssteuer sei allein nach dem auf den Bungalow entfallenden Pachtanteil von 1.440,- DM zu bemessen. Die Steuer könne danach nur 144,- DM jährlich betragen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 4 ZwStS 98. Hier sei von "Wohnungen" und "Räumen" die Rede. Die Miete werde grundsätzlich nach der Wohnfläche berechnet.

4

Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid mit Schriftsatz vom 18. August 2000 auf den Betrag von 229,80 DM reduziert. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

5

Das Verwaltungsgericht hat das Klageverfahren mit Urteil vom 02. März 2004 im Umfang der Erledigung eingestellt und den Bescheid vom 18. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 aufgehoben, soweit ihn die Klägerin angefochten hatte, also soweit er mehr als den Betrag von 73,63 (= 10% der Jahrespacht von 12x120,- DM allein für den Bungalow) festgesetzt hat. Der auf das Grundstück entfallende Pachtanteil von 438, 69 dürfe bei Berechnung der Zweitwohnungssteuer nicht berücksichtigt werden. Aus § 79 Bewertungsgesetz (BewG) folge nichts anderes. Hier sei ausschließlich eine Bestimmung über die Einbeziehung von bestimmten Kostenpositionen in die Jahresrohmiete geregelt. Dass zur Jahresrohmiete auch die Grundstückspacht gehöre, sei § 79 BewG nicht zu entnehmen.

6

Der Beklagte hat nach Zustellung des Urteils am 14. April 2004 am 05. Mai 2004 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag mit am 14. Juni 2004 eingegangenem Schriftsatz begründet. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Wohnungsmiete nicht teilbar sei in Anteile für den Baukörper und solche für das Grundstück. Aus § 79 BewG, insbesondere aus dessen Absatz 2, folge, dass die Jahresrohmiete raum- und grundstücksbezogen zu ermitteln sei. Außerdem ordne § 4 Abs. 2 ZwStS 98 eine Berücksichtigung des Gesamtentgeltes an. Das gesamte für die Nutzung der Wohnung zu zahlende Entgelt erfasse aber auch den grundstücksbezogenen Teil.

7

Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 13. Mai 2008, dem Beklagten zugestellt am 20. Mai 2008, zugelassen. Der Beklagte hat die Berufung mit am 17. Juni 2008 eingegangenem Schriftsatz begründet.

8

Er macht über sein Zulassungsvorbringen hinaus geltend, auch aus § 6 des Pachtvertrages ergebe sich, dass der Pachtzins hier nicht in verschiedene Bestandteile für Bungalow und Grundstück aufgespalten werden könne. Der Pachtzins betrage danach einheitlich 2.298,- DM. Die Aufteilung des Zinses in 1,- DM pro qm und Jahr für das Grundstück und 120,- DM für den Bungalow sei nicht mehr als eine Erläuterung des Pachtzinses. Jede andere Sichtweise verstelle den Blick dafür, dass die Miete eines Einfamilienhausgrundstückes immer zwangsläufig auch Grundstücksbezug habe und der Gedanke fernliege, den das Grundstück betreffenden Teil der Miete aus der vereinbarten Haus- oder Wohnungsmiete herauszurechnen. Es gehe hier nicht um eine Aufteilung des Pachtzinses auf einen bebauten und einen definierten unbebauten Teil des Grundstückes, sondern um den Miet-/Pachtzins für ein bebautes Grundstück, welches einheitlich zu nutzen sei.

9

Der Beklagte beantragt,

10

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 02. März 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen. Es sei nicht unüblich, dass bei Wohnhäusern mit mehreren Wohnungen die vorhandenen Frei- und Gartenflächen einer oder mehreren Wohnungen zugeordnet seien, während ein anderer Teil der Wohnungen nicht über derartige Flächen verfüge. Hier werde es immer so sein, dass bei zwei gleichartigen Wohnungen, von welchen die eine über einen Garten verfüge und die andere nicht, der jeweils gleiche Mietzins für die Wohnung zu Grunde gelegt werde, während für die Garten- oder Freiflächennutzung ein gesonderter Mietzins verlangt werde. So werde es auch einen Unterschied machen, ob gleichartige Wohnungen mit oder ohne Garage vermietet würden. Auch vorliegend sei es keineswegs zwingend gewesen, dass sie zu dem Bungalow überhaupt eine Freifläche oder gar die gesamte vorhandene Freifläche mitgemietet habe. Die Sachlage hätte sich durchaus so gestalten können, dass sich der Verpächter die Freifläche oder einen Teil davon zur Eigennutzung habe vorbehalten wollen. Die Trennung des Mietzinses zwischen Gebäude- und Grundstücksfläche führe auch dazu, dass die Mietverhältnisse gegebenenfalls gekündigt werden könnten und der Eigentümer auch noch später eine Eigennutzung der Freifläche herbeiführen könne. Dass die Miete tatsächlich und in angemessener Weise getrennt erhoben werden könne, belege der von ihr vorgelegte Vertrag.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 18. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 zu Unrecht im beantragten Umfang (Zweitwohnungssteuerfestsetzung in Höhe von 229,80 DM/117,49 Euro, soweit sie über den Betrag von 144,- DM/73,63 Euro hinausgeht) aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten ist auch im angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin auch insoweit nicht in ihren Rechten. Berechnungsgrundlage der Steuerschuld nach § 4 ZwStS 98 ist nicht nur die Miete für den Bungalow (120,- DM/Monat = 1440,- DM/Jahr). Zu dem jährlichen Mietaufwand nach § 4 Abs. 2, § 5 ZwStS 98 zählt vielmehr auch die Pacht für das Grundstück des Objektes S.straße... in B. in Höhe von 858,- DM (= 2.298,- DM/1.175 Euro Gesamtpachtzins). Die Grundstückspacht gehört hier zu dem Gesamtentgelt ("Jahresrohmiete") nach § 4 Abs. 2 ZwStS 98, das der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zu entrichten hat.

16

Der in § 4 Abs. 2 ZwStS 98 verwendete Begriff der "Wohnung" umfasst im vorliegenden Fall eines auf einem Erholungsgrundstück (vgl. §§ 312 bis 315 des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juni 1975, GBl. I Nr. 27 S. 465) errichteten Bungalows auch das Grundstück, auf dem sich der Bungalow befindet. Dies ergibt die Auslegung des hier in einer Zweitwohnungssteuersatzung verwendeten Wohnungsbegriffes. Für die Auslegung von steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmalen sind folgende Grundsätze maßgeblich:

17

Das Steuerrecht prägt seine eigenen Tatbestände. Auch wenn ein Steuergesetz Begriffe enthält, die einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Steuerrecht insoweit den Wertungen des jeweiligen Rechtsgebietes folgt oder mit Hilfe der entlehnten Begriffe eigenständige steuerrechtliche Tatbestände bildet. Verwendet eine steuerrechtliche Vorschrift eine im Zivilrecht geläufige Terminologie, so kann es den darin ausgedrückten Tatbestand aufnehmen, wie z.B. die Ehe oder einen bestimmten ehelichen Güterstand (§§ 4 und 5 ErbStG); es kann aber ebenso eine im Zivilrecht entwickelte Begrifflichkeit zur Bezeichnung eines eigenen steuerlichen Tatbestandes verwenden. Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind danach, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren. Der Steuertatbestand ist erfüllt, wenn die Sachverhaltsgestaltung zu einem Erfolg führt, der nach der steuerrechtlichen Vorschrift eine Belastung rechtfertigt (BVerfG, 27.12.1991 - 2 BvR 72/90 -, juris, Rn. 11). Grundsätzlich knüpfen Steuergesetze, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern, an wirtschaftliche Vorgänge oder Zustände an und bedürfen deshalb einer wirtschaftlichen Interpretation ("wirtschaftliche Betrachtungsweise", vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 5 Rn 77; Klein AO, Kommentar, 9. Aufl., § 4 Rn 35f). Wirtschaftlich gleiche Tatbestände sind wegen des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gleich zu behandeln (BFH, 25.02.1991 - GrS 7/89 -, juris, Rn. 119).

18

Die Zweitwohnungssteuer ist als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und als äußerlich sichtbarer Konsum typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist (BVerwG, 17.09.2008 - BVerwG 9 C 14.07 -; 26.09.2001 - BVerwG 9 C 1.01 - NVwZ 2002, 728 = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 19, S. 16).

19

Wenn damit die Zweitwohnungssteuer mit dem Konsumverhalten des einzelnen Steuerpflichtigen an wirtschaftliche Vorgänge anknüpft, indiziert dies für die Auslegung des satzungsmäßigen Wohnungsbegriffs (§ 4 Abs. 2 ZwStS 98) eine weite wirtschaftliche Betrachtungsweise, die nicht zu einer Auslegung zwingt, die zwischen Gebäude, Wohnung, Räumen und Grundstück in einem etwa technischen, baupolizeilichen oder mietrechtlichen Sinne unterscheidet. Dementsprechend unterfallen dem Begriff der Wohnung i.S.d. Zweitwohnungssteuerrechts auch ganz unterschiedliche Einrichtungen, wenn sie nur geeignet sind, das Grundbedürfnis Wohnen zu decken. Es zählen dazu nicht nur herkömmliche Mietwohnungen, sondern auch freistehende Ferienhäuser oder Eigentumswohnungen. Wohnungen können Einzelzimmer, Wohncontainer, sogar Jagdhütten, Boote und Campingwagen sein (vgl. Mohl/Dohr, Zum Steuergegenstand im Zweitwohnungssteuerrecht, insbesondere zu Problemen des Wohnungsbegriffs, KStZ 2001, 83ff). Gegenstand der Steuer ist damit Aufwand für von ihrer Art her und auch qualitativ ganz unterschiedliche Wohneinrichtungen. Es gehören dazu - bei Vorliegen der weiteren für die Zweitwohnungssteuerpflicht normierten Voraussetzungen - sowohl aufwändig und komfortabel ausgestattete Häuser wie einfache Unterkünfte. Der Begriff der Wohnung umfasst deshalb auch Wohnungsbestandteile sowie solches Zubehör, das nicht zum Mindeststandard einer Wohnung (Bad, Küche etc.) gehört, aber mit der Wohnung eine rechtliche oder wirtschaftliche Gesamtheit bildet und von dieser für die Frage der Zugehörigkeit zur Wohnung nicht abgetrennt betrachtet werden kann, ohne dabei einen zusammengehörigen Lebensvorgang zu zerreißen. In diesem Sinne gehören Stellplätze, Garagen oder eine Terrasse als Zubehör zur Wohnung, das mit dieser gemeinsam genutzt wird (BFH, 30.11.1984 - III R 121/83 -, juris, Rn. 19; VG Augsburg, 16.01.2008 - Au 6 K 07.870 -, juris, Rn 29).

20

Auch die im Falle der Pacht eines Wochenendbungalows auf einem Erholungsgrundstück mitgepachtete Grundstücksfläche kann nicht isoliert von dem Wohngebäude betrachtet werden, wenn es um den Umfang des Wohnungsbegriffes i.S.v. § 4 Abs. 2 ZwStS 98 geht. Bungalows der in dem Pachtvertrag der Klägerin vom 1. Juli 1994 angesprochenen Art sind typischerweise von einem Garten oder einer mit Bäumen bewachsenen Fläche umgeben; sie stehen zumeist in freier Lage auf einem Erholungsgrundstück und dienen der Erholung. Bungalows ("Datschen") finden sich nicht in einer städtischen Wohnsituation wie ein Mietshaus oder eine Eigentumswohnung. Ihren Erholungszweck erfüllen sie nur zusammen mit der umgebenden Garten- (Wald-, etc.)Fläche. Der Nutzer des Erholungsbungalows hält sich typischerweise zur Erholung, Gartenarbeit usw. in erheblichem Umfang und jahreszeitabhängig im Freien auf. Daher ist der Bungalow häufig auch nicht als vollwertige Wohnung ausgebaut und eingerichtet. Häufig fehlen sanitäre Anlagen, Heizungen oder auch ein Bewohnen in kalter Jahreszeit ermöglichende Wärmeisolierungen oder sie entsprechen nicht zeitgemäßem Standard. Die regelmäßig nur einfache Ausstattung wirkt beschränkend auf die Höhe des Mietzinses, während dieser auf der anderen Seite von der Möglichkeit einer Nutzung der umgebenden Erholungsfläche mitbestimmt wird. Diese Zusammenhänge gebieten eine Zurechnung der Grundstücksfläche zum Erholungsbungalow als Wohnung i.S.v. § 4 Abs. 2 ZwStS 98.

21

Es entbehrte vor dem Hintergrund des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung wirtschaftlich gleicher Tatbestände zudem einer Rechtfertigung, denjenigen, der für ein Erholungsgrundstück mit Bungalow eine nach Gebäude und Grundstück aufgeteilte Pacht vereinbart hat, besser zu stellen gegenüber demjenigen, der eine Gesamtpacht schuldet. Es erschiene gleichermaßen lebensfremd, in diesem Falle oder im Falle des Mieters eines Ferienhauses den auf den Garten bzw. das Grundstück entfallenden Mietanteil aus der für die Höhe der Zweitwohnungssteuer maßgeblichen Gesamtmiete herauszurechnen und somit für die Bemessung der Zweitwohnungssteuer unberücksichtigt zu lassen.

22

Ein anderes Ergebnis kann auch nicht aus § 4 Abs. 4 ZwStS 98 i.V.m. § 79 und § 93 Abs. 3 BewG abgeleitet werden, wie es die Klägerin unternimmt. Nach § 4 Abs. 4 ZwStS 98 findet § 79 BewG entsprechende Anwendung, wonach die Jahresrohmiete das Gesamtentgelt ist, das die Mieter (Pächter) für die Benutzung des Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten haben. § 93 Abs. 3 Satz 2 BewG trifft Regelungen zur Bewertung einzelner Räume, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen.

23

Der satzungsrechtlichen Anordnung entsprechender Anwendung bewertungsrechtlicher Vorschriften kann von vornherein kein entscheidender Anhalt für das Problem der Berücksichtigung der Grundstücksfläche für die Frage des Gesamtentgeltes zur Benutzung der "Wohnung" i.S.v. § 4 ZwStS 98 entnommen werden. Das folgt bereits daraus, dass das Bewertungsgesetz den Begriff des Grundstücks in einem anderen Sinne verwendet, als dies die Klägerin unternimmt, wenn sie für die Frage der Berechnungsgrundlage für die Zweitwohnungssteuer zwischen Bungalow und (Garten-)Grundstück ohne Gebäude unterscheidet. Nach § 70 BewG ist das Grundstück eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens. Zum Grundvermögen gehören nach § 68 BewG u.a. der Grund und Boden, die Gebäude und die sonstigen Bestandteile. Damit behandelt auch das Bewertungsgesetz das Gebäude als Teil des Grundvermögens (Grundstücks) und enthält keine Aussage über eine isolierte Betrachtung von Gebäuden oder Wohnungen, die für die Frage des Umfanges der Gesamtmiete nach § 4 ZwStS 98 Bedeutung erlangen könnte. Der Hinweis der Klägerin auf § 93 Abs. 3 BewG führt außerdem schon deshalb nicht weiter, weil sich diese Bestimmung als Sondervorschrift mit Wohnungs- und Teileigentum beschäftigt, um das es im vorliegenden Fall nicht geht.

24

Die Änderung des erstinstanzlichen Kostentenors entspricht §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.

25

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin gem. § 154 Abs. 2 VwGO.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§708 Nr. 11, 711 ZPO.

27

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer. Er ist Miteigentümer einer etwa 50 m² großen Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten und bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau ein etwa 300 m entfernt gelegenes Einfamilienhaus.

2

Die Beklagte erhebt Zweitwohnungsteuer aufgrund ihrer am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen „Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Gemeinde F.“ vom 20. Juli 2010 (ZwStS), die unter anderem bestimmt:

㤠2 Steuergegenstand

Zweitwohnung ist jede Wohnung in der Gemeinde F., die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. Die vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, steht der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen. ...

§ 3 Steuerpflicht

(1) Steuerpflichtig ist, wer im Gemeindegebiet eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 innehat.

.....

§ 7 Festsetzung und Fälligkeit der Steuer

(1) Die Gemeinde F. setzt die Steuer für ein Kalenderjahr oder - wenn die Steuerpflicht erst während des Kalenderjahres entsteht - für den Rest des Kalenderjahres durch Bescheid fest. In dem Bescheid kann bestimmt werden, dass er auch für künftige Zeitabschnitte gilt, solange sich die Bemessungsgrundlagen und der Steuerbetrag nicht ändern.

(2) Die Steuer wird erstmalig einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. Bis zur Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheides ist die Steuer jeweils zur Hälfte ihres Jahresbeitrages am 1. April und am 1. Oktober eines jeden Jahres fällig und ohne Aufforderung weiter zu entrichten.

.....

§ 9 Steuererklärung

(1) Der Inhaber einer Zweitwohnung ist zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Zur Abgabe einer Steuererklärung ist auch verpflichtet, wer hierzu von der Gemeinde F. aufgefordert wird.

....

(5) Es sind die Bestimmungen der Abgabenordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung heranzuziehen, soweit das Kommunalabgabengesetz in seiner jeweils geltenden Fassung auf diese verweist.“

3

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 17. Februar 2011 gegenüber dem Kläger eine Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2011 sowie für die Folgejahre in Höhe von jährlich 646,79 € fest. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers sowie dessen Klage blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die von ihm zugelassene Berufung das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. April 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2011 aufgehoben.

4

Im Wesentlichen hat er dazu ausgeführt: Nur der konsumtive Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf dürfe Gegenstand der Besteuerung nach Art. 105 Abs. 2a GG sein. Deshalb schieden solche Zweitwohnungen als Gegenstand einer örtlichen Aufwandsteuer aus, die von ihrem Inhaber als reine Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes gehalten würden. Die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Inhaber der Zweitwohnung schließe dabei die Annahme einer zweitwohnungsteuerfreien Kapitalanlage nicht aus. Allerdings dürfe die steuererhebende Gemeinde zunächst grundsätzlich davon ausgehen, dass eine Zweitwohnung zumindest auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten werde, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vortrage, die diese Vermutung erschütterten. Die bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch nicht nutzen zu wollen, reiche als Äußerung einer subjektiven Vorstellung grundsätzlich nicht aus, die Vermutung zu widerlegen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger aber seinen subjektiven Entschluss, die Wohnung ausschließlich zur Kapitalanlage zu nutzen, durch weitere objektive Umstände erhärten können. Hierfür spreche nach den Gesamtumständen vor allem, dass - unwidersprochen - die streitgegenständliche Wohnung bereits seit 2004 von niemandem mehr benutzt worden sei und jahrelang kein Strom und Wasser verbraucht worden seien. Die belegte objektive Tatsache, dass eine Wohnung über mehrere Jahre hinweg vom Verfügungsberechtigten weder für sich noch für seine Familienangehörigen tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt worden sei, lasse darauf schließen, dass diese nicht zur persönlichen Wohnnutzung und damit zur persönlichen Lebensführung im Sinne der gemeindlichen Zweitwohnungsteuersatzung vorgehalten werde. Die Wohnung bleibe auch ohne gleichzeitige Vermietung und Verpachtung eine besonders sichere Vermögensanlage, bei der der Inhaber aufgrund der Wertsteigerung im Falle eines späteren Verkaufs sogar noch auf Rendite hoffen könne.

5

Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision führt die Beklagte aus:

6

Das Berufungsgericht verletze Art. 105 Abs. 2a und Art. 28 Abs. 2 GG. Eine Zweitwohnung dürfe besteuert werden, wenn sie auch für den eigenen Lebensbedarf oder den von Angehörigen vorgehalten und damit die Möglichkeit der Eigennutzung offen gehalten werde. Das sei der Fall, wenn eine rechtlich gesicherte und tatsächliche Verfügungsbefugnis des Steuerpflichtigen über die Zweitwohnung bestehe. Auf die tatsächliche Nutzung komme es nicht an. Solle die Zweitwohnung der Kapitalanlage dienen, müsse die Absicht des Zweitwohnungsinhabers als innere Tatsache auf der Grundlage von objektiven, nach außen in Erscheinung tretenden, verfestigten und von Dritten nachprüfbaren Umständen beurteilt werden. Hierfür genüge ein, wenn auch jahrelanger, Leerstand nicht. Im Übrigen sei es für die Beklagte aus Praktikabilitätsgründen nicht zumutbar, vor Erlass eines Steuerbescheids den Verbrauch von Wasser und Strom zu kontrollieren. Schließlich werde der Kommune ein zulässiges Lenkungsinstrument genommen, wenn bei Leerstand und Nachweis des fehlenden Wasser- und Stromverbrauchs die Zweitwohnungsteuer entfallen müsste. Denn mit der Zweitwohnungsteuer dürfe so genannten „Rollladensiedlungen“ entgegengewirkt werden.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juni 2013 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. April 2012 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG nicht vorliegen.

11

Der Verwaltungsgerichtshof meint, nach § 2 ZwStS bedeute ein Innehaben der Wohnung zur persönlichen Lebensführung ein Bewohnen oder jedenfalls eine entsprechende Absicht, die allerdings nicht auch tatsächlich verwirklicht werden müsse. Die Wohnung müsse aber immerhin dafür vorgehalten werden. Der Leerstand einer Wohnung ohne aktuellen Nutzungszweck sei gerade kein Innehaben zu Wohnzwecken. An diese Auslegung ist das Revisionsgericht gebunden. Die Anwendung und Auslegung einer gemeindlichen Satzung ist zunächst eine Frage des grundsätzlich nicht revisiblen Landesrechts. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist der revisionsgerichtlichen Kontrolle jedoch insoweit unterworfen, als sie bei der Auslegung und Anwendung der Steuersatzung den mit Art. 105 Abs. 2a GG bundesrechtlich vorgegebenen Aufwandsbegriff nicht verletzen darf (stRspr, vgl. nur Urteil vom 27. Oktober 2004 - BVerwG 10 C 2.04 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 21 S. 28). Das ist hier nicht der Fall.

12

Bei der Auslegung der Satzung der Beklagten geht der Verwaltungsgerichtshof zutreffend von dem in der Rechtsprechung entwickelten Begriff der Aufwandsteuer aus. Die Zweitwohnungsteuer ist danach eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <346>; BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27 Rn. 23). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Das nach dem Aufwandsbegriff im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus (Urteile vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <305> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 9 S. 6 und vom 13. Mai 2009 a.a.O.). Demzufolge liegt eine steuerbare Zweitwohnung dann nicht vor, wenn sie nach dem subjektiven Verwendungszweck nicht der persönlichen Lebensführung dient, sondern der reinen Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes (Urteile vom 26. Juli 1979 - BVerwG 7 C 12.77 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 2 S. 16 und vom 10. Oktober 1995 a.a.O.). Das Berufungsgericht nimmt weiter zutreffend an, dass für die im Ausgangspunkt subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung nicht die - unüberprüfbare - innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers maßgeblich ist, sondern dass diese innere Tatsache nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist (Urteil vom 10. Oktober 1995 a.a.O.).

13

Die Gemeinde darf an das Innehaben einer Zweitwohnung bei bestehendem Nutzungsrecht und der offen gehaltenen Nutzungsmöglichkeit grundsätzlich zunächst die Vermutung knüpfen, dass die Wohnung zumindest auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten wird. Es ist gerade der Leerstand der Zweitwohnung trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit, der in der Regel auf die der Besteuerung zugrunde liegende Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers schließen lässt (Urteil vom 27. Oktober 2004 a.a.O. S. 29; Beschluss vom 17. August 2000 - BVerwG 11 B 43.00 - NVwZ-RR 2001, 682 <683>). Dies gilt, solange der Zweitwohnungsinhaber keine objektiven Umstände vorträgt, die diese Vermutung erschüttern. Hierfür genügt einerseits nicht die bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen. Andererseits steht der fehlende vertragliche Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit allein der Annahme einer reinen Kapitalanlage nicht entgegen (Urteil vom 26. September 2001 - BVerwG 9 C 1.01 - BVerwGE 115, 165 <169> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 19 S. 17). Auch in einem solchen Fall muss dem Wohnungsinhaber der Nachweis gestattet sein, dass seine Wohnung entgegen einer möglicherweise zunächst begründeten Vermutung nicht der persönlichen Lebensführung dient (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juni 1995 - 1 BvR 1800/94, 1 BvR 2480/94 - NVwZ 1996, 57 <58>; BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <307> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 9 S. 7). Dieser Nachweis kann nicht nur dadurch geführt werden, dass die Wohnung mehr oder weniger regelmäßig vermietet wird. Die Kapitalanlageabsicht kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Es kommt deshalb auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles an (Urteile vom 10. Oktober 1995 a.a.O., vom 26. September 2001 a.a.O. und vom 27. Oktober 2004 a.a.O. S. 30). Das gilt unbeschadet der Fälle von Mischnutzungen, in denen die Zweitwohnung sowohl für die eigene Lebensführung als auch zur Kapitalanlage vorgehalten wird. In diesen Fällen, in denen die Nutzung zumindest auch zur persönlichen Lebensführung feststeht, bedarf es der einzelfallbezogenen Abgrenzung zur „reinen Kapitalanlage“ nicht (mehr). Für diese Fälle ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass Bundesrecht lediglich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Bestimmung der eigenen Nutzungszeiten im Veranlagungsjahr fordert, um eine, gemessen an der Eigennutzungsmöglichkeit, unverhältnismäßige Steuerbelastung auszuschließen (Urteile vom 30. Juni 1999 - BVerwG 8 C 6.98 - BVerwGE 109, 188 <191> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 16 S. 3, vom 26. September 2001 a.a.O. und vom 27. Oktober 2004 a.a.O.).

14

Die von einem Zweitwohnungsinhaber vorgetragene Absicht, die Wohnung nur aus Kapitalanlagegründen vorzuhalten, erfordert einerseits eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung. Andererseits können aber die Verhältnisse vergangener Veranlagungszeiträume wichtige Anhaltspunkte bieten und die behaupteten Tatsachen plausibilisieren (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 a.a.O.; zum Einkommensteuerrecht vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 - X R 109/87 - BFHE 159, 128 <132>). Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Kapitalanlageabsicht nicht überspannt werden, denn die Erhebung einer Aufwandsteuer stellt keine Sanktion für fehlende Vermietung oder eine unwirtschaftliche Kapitalanlage dar, sondern eine Besteuerung eines bestimmten, persönlichen Wohnzwecken dienenden Aufwandes (so zutreffend OVG Münster, Beschluss vom 8. Juni 2000 - 14 B 2135/99 - NVwZ-RR 2001, 54 <55>).

15

Diesen rechtlichen Ansatz hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat angenommen, die bloße Behauptung des Klägers, die Wohnung nicht zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen, reiche als bloße Äußerung einer subjektiven Vorstellung grundsätzlich nicht aus, die Vermutung des Vorhaltens für die persönliche Lebensführung zu erschüttern. Es hat weiter berücksichtigt, dass der Kläger das bisherige Fehlen von tatsächlichen Verkaufsbemühungen bei einer generellen Verkaufsabsicht plausibel damit habe erklären können, dass der Verkauf der Wohnung wegen eines nicht abgeschlossenen Baumängelprozesses bislang unterblieben sei. Ein Zuwarten mit dem Verkauf sei unabhängig von der Tatsache, dass auch nach Einschätzung der Beklagten die Grundstücks- und Wohnungspreise in ihrem Gebiet in den vergangenen Jahren stetig und erheblich gestiegen seien, nachvollziehbar. Jedoch schließe das für sich genommen ein Vorhalten der Wohnung zur persönlichen Lebensführung nicht zwingend aus.

16

Das Berufungsgericht hat darüber hinaus als weiteren erheblichen Grund für die Annahme, die Wohnung werde nicht für die persönliche Lebensführung des Klägers vorgehalten, dessen unwidersprochenen und unwiderlegten Vortrag angesehen, dass die streitgegenständliche Wohnung bereits seit 2004 von niemandem mehr benutzt worden sei. Für die Zeit ab 2009 und damit zwei Jahre vor Einsetzen der Zweitwohnungsteuerpflicht seien auch objektive Nachweise zu den Verbrauchsdaten der Wohnung vorgelegt worden. Der Kläger habe in Zusammenschau mit den weiteren genannten Umständen und den durch fehlenden Strom- und Wasserverbrauch nachgewiesenen langjährigen Leerstand die Kapitalanlageabsicht belegt und damit die Vermutung, die Wohnung diene der persönlichen Lebensführung, erschüttert. Diese tatrichterliche Würdigung ist von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden. Ein derart langer Leerstand in der Vergangenheit kann einen wichtigen Anhaltspunkt für das Verhalten in der Zukunft bieten (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 a.a.O.), weil aus ihm ersichtlich ist, ob die hier allein in der Wertsteigerung des Grundstücks liegende Kapitalanlageabsicht plausibel ist.

17

Der Einwand der Beklagten, die Erhebung der Zweitwohnungsteuer sei unter diesen Umständen mit einem für die Gemeinde nicht mehr zumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden, greift nicht durch. Unbeschadet der bereits beschriebenen, die Gemeinde regelmäßig entlastenden tatsächlichen Vermutung, eine Zweitwohnung werde (auch) für die persönliche Lebensführung vorgehalten, kann die Gemeinde, soweit im Einzelfall dennoch ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind, gegebenenfalls auf die Möglichkeit der vorläufigen Steuerfestsetzung zurückgreifen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) aa) BayKAG i.V.m. § 165 Abs. 1 AO). Die subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks einer Zweitwohnung ist eine innere Tatsache, die je nach den Umständen des Falles in einer die Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 AO rechtfertigenden Weise ungewiss sein kann (vgl. auch BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 a.a.O.; Cöster, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. 2009, § 165 Rn. 12).

18

Der mit einem solchen Vorgehen verbundene Verwaltungsaufwand ist im Interesse verfassungskonformen Vorgehens unvermeidbar, aber auch zumutbar. Verwaltungsaufwand mit der Kontrolle von Steuererklärungen hat die Beklagte schließlich auch etwa in Fällen der Mischnutzung und in solchen Fällen, in denen sie aufgrund von Vermietungsverträgen oder ähnlichem von einer Kapitalanlageabsicht ausgeht.

19

Der weitere Einwand der Beklagten, sie dürfe mit der Zweitwohnungsteuer zulässigerweise den Zweck verfolgen, so genannte „Rollladensiedlungen“ zu unterbinden, weil sich diese auf die Auslastung der kommunalen Infrastruktur auswirkten und zur Verödung des Ortes beitragen könnten, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zwar darf die Beklagte grundsätzlich mit der Steuererhebung auch Lenkungsziele verfolgen (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 u.a. - BVerfGE 98,106 <117 f.>; Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - NVwZ 2014, 1084 Rn. 81; BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - BVerwG 9 B 102.03 - juris Rn. 4 f.). Sie darf aber nicht die durch Art. 105 Abs. 2a GG vorgegebenen Anforderungen der Aufwandsteuer unter Hinweis auf den Lenkungszweck überspielen. Ebenso wenig kann eine Verletzung der der Beklagten im Rahmen des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) gewährleisteten Finanzhoheit darin liegen, dass ihr die Erhebung einer gegen Art. 105 Abs. 2a GG verstoßenden Steuer verwehrt wird.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.