Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 18. Okt. 2017 - 1 L 40/12

bei uns veröffentlicht am18.10.2017

Tenor

Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts B-Stadt vom 1. Februar 2012 – 5 A 1968/05 – wird abgelehnt.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um eine Grenzfeststellung.

2

Die Kläger und die Beigeladene sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Landrat des Landkreises Uecker-Randow hob mit Abhilfebescheid vom 16. März 2000 eine in einem Grenztermin am 25. September 1998 erfolgte Grenzfeststellung und die darauf ergangenen Abmarkungen mit der Begründung auf, aus den im Widerspruchsverfahren aufgefundenen Archivunterlagen ergebe sich, dass eine eindeutige Herstellung des Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken der Beteiligten nicht möglich sei. Die daraufhin von den Klägern erhobene Klage auf Grenzscheidung gemäß § 920 BGB wies das Amtsgericht F-Stadt mit Urteil vom 14. September 2004 – 5 C 154/04 – ab, weil nach dem eingeholten Sachverständigengutachten feststehe, dass keine Grenzverwirrung vorliege und sich die Grenze feststelle ließe.

3

In einem weiteren Grenztermin am 9. März 2005 stellte der Landrat des Landkreises Uecker-Randow die Grenze erneut fest und markte mehrere Grenzpunkte ab. Den Widerspruch der Kläger gegen diese Bescheide wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2005 zurück. Am 29. September 2005 haben die Kläger dagegen Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 1. Februar 2012 – 5 A 1968/05 – die Grenzfeststellung und Abmarkung des Landrats des Landkreises Uecker-Randow vom 9. März 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 29. August 2005 aufgehoben. Das Urteil ist der Beigeladenen am 20. Februar 2012 zugestellt worden. Am 5. März 2012 hat die Beigeladene beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Die Begründung des Zulassungsantrags ist am 20. April 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen.

II.

4

1. Der fristgemäß gestellte (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.11.2013 – 2 BvR 1895/11 –, juris Rn. 14).

5

a) Die Berufung der Beigeladenen ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.

6

Eine Divergenz ist dargelegt, wenn der konkrete Nachweis geführt wird, welcher der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten und diese tragenden Rechtssätze einer Rechts- oder Tatsachenfrage widerspricht, die eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte in tragender Weise gegenteilig beantwortet hat (OVG Greifswald, Beschl. v. 23.02.2016 – 1 L 105/12 –, juris Rn. 14; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage, § 124 Rn. 11, § 132 Rn. 14). Eine Abweichung bzw. Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist dabei grundsätzlich nur anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz abweicht. Nach diesen Maßstäben ist der Zulassungsgrund nicht dargelegt.

7

Das gilt zunächst für die vorgetragene Abweichung der angefochtenen Entscheidung vom Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juni 2006. In dieser obergerichtlichen Entscheidung ist in tragender Weise der Rechtssatz aufgestellt worden, dass die Feststellung einer Grundstücksgrenze sich in Übereinstimmung mit dem Liegenschaftskataster zu halten hat, das aus dem Katasterzahlenwerk, dem Katasterbuchwerk und dem Katasterkartenwerk besteht. Tritt zwischen diesen ein Widerspruch auf, ist dieser zunächst unter Auswertung aller Unterlagen aufzuklären (OVG Greifswald, Urt. v. 20.06.2006 – 3 L 52/01 –, juris Rn. 34). Die Zulassungsbegründung legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt hätte. Das Verwaltungsgericht hat seine stattgebende Entscheidung vielmehr auf die Annahme gestützt, dass sich der festgestellte Widerspruch innerhalb des Katasterzahlenwerks auch unter Würdigung der übrigen Unterlagen des Liegenschaftskatasters nicht auflösen lasse. Das steht in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Feststellung der Grenze abzulehnen und die bisherige Grenzdarstellung im Vermessungsriss und in der Flurkarte als „strittige Grenze“ zu kennzeichnen ist, wenn sich die Widersprüche nicht zur Überzeugung des Gerichts aufklären lassen und zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt werden kann. Diese sind dann auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung verfahren. Ob die vom Oberverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze im vorliegenden Einzelfall zutreffend angewandt worden sind, ist keine der Divergenzrüge zugängliche Frage.

8

Soweit sich die Beigeladene auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2006 – 2 L 69/06 – beruft, ist damit kein divergenzfähiges Gericht benannt, das im Instanzenzug über dem entscheidenden Verwaltungsgericht stehen würde. Gleiches gilt für die Berufung auf den Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. April 2010 – 1 A 476/09 –, mit der die Beigeladene ebenfalls einen Zulassungsgrund darlegen will. Im Übrigen beziehen sich die in diesen Entscheidungen aufgestellten Rechtssätze nicht auf dieselbe Rechtsvorschrift, die vom Verwaltungsgericht angewandt worden ist. § 16 des Vermessungs- und Katastergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 2002 (GVOBl. M-V S. 524) war eine landesrechtliche Vorschrift, die deshalb in den genannten Entscheidungen der anderen Oberverwaltungsgerichte nicht anzuwenden war. Zwar kann zulassungsrechtlich eine Divergenz auch dann anzunehmen sein, wenn die Entscheidungen auf der Grundlage von zwar verschiedenen, aber in der Sache inhaltsgleichen Rechtsnormen ergangen sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.09.2014 – 5 PB 2/14 –, juris Rn. 2). Eine solche Inhaltsgleichheit legt die Zulassungsbegründung aber nicht dar, zu dieser Frage verhält sie sich gar nicht. Dies wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das anzuwendende Landesrecht von der Besonderheit gekennzeichnet war, dass eine streitige Grenzfeststellung die „geometrisch eindeutige Erfassung“ der Grenze erforderte.

9

Daher vermögen die Divergenzrügen der Beigeladenen die Zulassung der Berufung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu begründen. Zwar wird vielfach vertreten, dass die Abweichung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung eines anderen als des übergeordneten Oberverwaltungsgerichts regelmäßig den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage, § 124, Rn. 12 m.w.N.). Eine Abweichung ist jedoch von der Zulassungsantragstellerin gerade nicht dargetan worden.

10

b) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

11

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen (vgl. OVG Greifswald Beschl. v. 23.07.2015 – 1 L 28/13 –, juris Rn. 8).

12

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor (vgl. OVG Greifswald Beschl. v. 11.11.2014 – 1 L 55/10 –, juris Rn. 8). Wird, wie in der Sache teilweise hier, die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht in Frage gestellt, reicht es für einen Erfolg des Berufungszulassungsantrages nicht aus, dass das Oberverwaltungsgericht die nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer eigenen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht zuvor. Sonst wäre die Berufung gegen Urteile, die aufgrund einer Beweisaufnahme ergangen sind, im Regelfall nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsberufung nicht vereinbar wäre (vgl. nur OVG Greifswald, Beschl. v. 08.03.2010 – 1 L 2/10 –; OVG Bautzen, Beschl. v. 08.01.2010 – 3 B 197/07 –, juris, Rn. 2).

13

Nach diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

14

Die Darlegungen in der Zulassungsschrift zu diesem Zulassungsgrund leiden allgemein daran, dass sie sich nicht hinreichend mit den rechtlichen Grundannahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Das Verwaltungsgericht ist entscheidungstragend davon ausgegangen, dass das Katasterzahlenwerk, aus dem heraus der Rechtsvorgänger der Beklagten die Grenzfeststellung vorgenommen hat, widersprüchlich ist und sich diese Widersprüche nicht auflösen lassen. Dies stehe einer streitigen öffentlich-rechtlichen Grenzfeststellung entgegen. Dieser rechtliche Ausgangspunkt steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im bereits zitierten Urteil vom 20. Juni 2006. Eine Grenzfeststellung als Positiventscheidung hat zu unterbleiben, wenn über den katastermäßigen Grenzverlauf keine zweifelsfreie und zuverlässige Entscheidung möglich ist, weil die Katasternachweise versagen (sog. Katasterversagen, vgl. dazu Kriegel/Herzfeld, Katasterkunde in Einzeldarstellungen, Stand Juni 2009, Heft 6, Abschn. 2.8). Das Zulassungsvorbringen vermag diesen zutreffenden Ansatz des Verwaltungsgerichts, der dessen Beweiswürdigung zugrunde liegt, nicht zu erschüttern. Ein Widerspruch im Liegenschaftskataster ist erst dann überzeugend aufgelöst, wenn hinreichend sicher angenommen werden kann, dass der anderen Bestandteilen entgegenstehende Teil des Liegenschaftskatasters unrichtig ist, etwa weil die Fehlerhaftigkeit des Bestimmungsstücks offenkundig ist. Für die Auflösung des Widerspruchs genügt es dagegen noch nicht, dass eine Deutung der Katasternachweise wahrscheinlicher oder plausibler als die andere ist.

15

Aus der Begründung der angefochtenen Bescheide und den Erläuterungen der Beklagten im Erörterungstermin vom 10. November 2011 ergibt sich, dass die Vermessungsbehörde den Grenzpunkt A nach dem Feldbuch von 1883 und den Grenzpunkt B nach der Unterteilungsvermessung 2 von 1863 bestimmt hat. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil dargelegt, dass sich diese Unterlagen in den Katasterzahlen für die Grenzlänge zwischen den Grenzpunkten D und A in einer erheblichen Weise voneinander unterscheiden, ohne dass sich sicher sagen ließe, welche der beiden Zahlen unrichtig ist. Diese Darlegungen sind für den Senat anhand der vorliegenden Katasterunterlagen nachvollziehbar. Gleiches gilt für den von der Vorinstanz angeführten Widerspruch der in den Unterteilungsvermessungen 1 und 2 von 1863 angegebenen Grenzlängen zwischen den Grenzpunkt A und B und für das im Feldbuch verzeichnete Endmaß für das Flurstück A.

16

Soweit das Zulassungsvorbringen dagegen einwendet, der Rechtsvorgänger der Beklagten und der Sachverständige hätten die Katasternachweise anders als das Verwaltungsgericht interpretiert und bewertet, ist damit noch nicht gesagt, dass sie es von demselben rechtlichen Ausgangspunkt aus getan haben. Im Übrigen war der Sachverständige im Erörterungstermin anders als die Beklagte der Auffassung, die Katasternachweise seien für eine streitige Grenzfeststellung nicht ausreichend, da es an Sicherungsmaßen fehle. Die Beigeladene setzt somit nur ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Verwaltungsgerichts. Damit werden Zweifel an der Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts nicht geweckt.

17

Wenn die Beigeladene sich der Vermutung des Katasteramtes, die Eintragung in der Unterteilungsvermessung aus dem Jahr 1863 sei undeutlich erfolgt, anschließt, ist damit noch nichts für eine zweifelsfreie Auflösung des Widerspruchs der Katasterzahlen dargelegt. Aus der Vermutung einer Fehlschreibung allein kann keine hinreichende Überzeugung der Unrichtigkeit der Katasterzahl gewonnen werden. Weder die Beteiligten noch das Gericht trifft im Übrigen eine in der Zulassungsschrift behauptete Beweislast dafür, dass die Vermessung von 1883 eine Grenzänderung beinhaltete. Rechtlich maßgeblich ist allein, ob sich die Unsicherheit darüber sicher auflösen lässt, welche der beiden verschiedenen Grenzlängen zutreffend ist. Wenn dies nicht möglich ist, muss eine Grenzfeststellung ohne Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer ausscheiden. Das ist keine Frage einer Darlegungs- oder Beweislast.

18

Aus dem erstmalig im Zulassungsverfahren vorgelegten Feldbuch vom Juli 1899 ergibt sich nicht, dass Grenzpunkte der hier streitgegenständlichen Grenze festgestellt worden sind. Der diesbezügliche Vortrag der Beigeladenen in der Begründung des Zulassungsantrags ist nicht nachvollziehbar. Festgestellt wurden offenbar nur die Grenzen des Flurstücks 86. Auch wenn sich im Feldbuch von 1899 eine Grenzlänge zwischen den Grenzpunkt D und C findet, die mit der aus dem Feldbuch von 1883 annähernd übereinstimmt, ist der Widerspruch der Katasterzahlen aus den Vermessungen von 1863 und 1883 damit noch nicht in einer eindeutigen Weise aufgelöst.

19

Soweit die Beigeladene der Auffassung ist, dass der vom Verwaltungsgericht aufgezeigte Widerspruch zwischen den Katasterzahlen der Unterteilungsvermessungen 1 und 2 nicht bestehe und allein die Unterteilungsvermessung 2 heranzuziehen sei, sind auch damit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargelegt. Das Gericht hat selbst ausgeführt, dass die Einschätzung der Beklagten, die Unterteilungsvermessung 2 sei vorzugswürdig, nachvollziehbar sei und lediglich darauf verwiesen, dass die Abweichungen der Rutenzahlen zwischen den Grenzpunkt A und B einen weiteren Widerspruch im Katasterzahlenwerk begründen könnten. Jedenfalls ist mit diesem Teil der Zulassungsbegründung die tragende Erwägung der Vorinstanz, die Grenzlänge zwischen den Grenzpunkt D und A sei nicht geometrisch eindeutig erfasst, nicht erschüttert.

20

Die Begründung des Zulassungsantrags stellt noch einmal dar, auf welchem Weg der Gutachter zur Bestimmung der Lage des Grenzpunktes B gelangt ist. Der geltend gemachte Zulassungsgrund ist damit schon deshalb nicht dargelegt, weil der Beklagte den Grenzpunkt auf eine andere Weise, namentlich aus der Unterteilungsvermessung 2, örtlich bestimmt hat. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Richtigkeit der Eintragungen in dieser Katasterunterlage nicht mit der notwendigen Gewissheit feststeht, weil diese in Widerspruch zu anderen Bestandteilen des Liegenschaftskatasters stehen. Wie bereits gezeigt, ist dieser Widerspruch nicht schon dadurch aufzulösen, dass angenommen wird, eine Katasterzahl sei mit höherer Wahrscheinlichkeit richtig ist als die andere. Darauf laufen die Überlegungen der Beigeladenen im Zulassungsvorbringen jedoch hinaus.

21

Ohne dass es für diese Zulassungsentscheidung entscheidungserheblich wäre, weist der Senat darauf hin, dass sich der Zulassungsantrag hier zum eigenen Vorbringen in Widerspruch setzen dürfte: Wenn man der Beklagten bei der Grenzfeststellung einen Beurteilungsspielraum zugestehen wollte, wie es die Beigeladene meint, käme es auf die vermessungsfachliche Herleitung durch die Behörde selbst an, nicht auf die des Sachverständigen. Entsprechendes gilt für das im Feldbuch eingetragene Endmaß von 30,40 Metern für das Flurstück A. Zwischen den Beteiligten und dem Sachverständigen besteht Einigkeit, dass diese Eintragung mit den übrigen Katasterzahlen nicht vereinbar ist und die vorgenommene Grenzfeststellung nur unter Außerachtlassung dieses Maßes möglich war. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass auch insoweit der Widerspruch in den Katasterunterlagen besteht, der nicht aufgelöst ist, weil mangels einer schlüssigen Erklärung nicht zur Überzeugungsgewissheit festgestellt werden kann, dass dieses Endmaß falsch ist. Dafür mag zwar einiges sprechen, rechtlicher Maßstab für die Grenzfeststellung ist jedoch die geometrisch eindeutige Erfassung der Grenze.

22

Soweit sich die Beigeladene zur Darlegung des Zulassungsgrunds nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuletzt auf das Urteil des Amtsgerichts Pasewalk beruft, fehlt es an einer Darlegung, warum diese Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils begründet. Das Urteil des Amtsgerichts ist vom Verwaltungsgericht nicht übergangen, sondern im Tatbestand ausdrücklich erwähnt worden. Mit dem Sachverständigengutachten, das im zivilgerichtlichen Verfahren entscheidungstragend war, hat sich das Verwaltungsgericht inhaltlich auseinandergesetzt. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht von seinem zutreffenden Rechtsstandpunkt aus zu anderen rechtlichen Schlussfolgerungen als der Sachverständige gekommen ist, begründet für sich genommen noch keine Richtigkeitszweifel im Sinne des Zulassungsrechts. Zu eventuellen Rechtskraftwirkungen des Urteils vom 14. September 2004 verhält sich der Zulassungsantrag nicht, insbesondere nicht zu der Frage, ob die Rechtskraft auch gegenüber der Beklagten wirkt.

23

c) Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO schließlich ist nicht hinreichend dargelegt.

24

Die Beigeladene rügt insoweit den Umstand, dass das Verwaltungsgericht über die Befragung eines Sachverständigen hinaus keinen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung der Plausibilität der Grenzpunkte erhoben hat. Damit ist ein Verfahrensfehler nicht dargetan. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung bzw. weiteren Maßnahmen im Rahmen der Amtsermittlung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich auch nicht aufdrängen. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Die Aufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, erforderliche förmliche Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter unterlassen hat (OVG Greifswald, Beschl. v. 03.03.2016 – 1 L 142/14 –, juris Rn. 45 m.w.N.).

25

Einen förmlichen Beweisantrag hat die anwaltlich vertretene Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Es ist auch nicht dargelegt, dass sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens angesichts der äußerst umfangreichen Amtsermittlung und Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten und dem Sachverständigen für das Verwaltungsgericht aufdrängen musste.

26

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 18. Okt. 2017 - 1 L 40/12

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 18. Okt. 2017 - 1 L 40/12

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 18. Okt. 2017 - 1 L 40/12 zitiert 9 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Lässt sich im Falle einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitige

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(1) Lässt sich im Falle einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen.

(2) Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnis führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. August 2011 - 11 S 1943/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. August 2011 - 11 S 2244/11 - gegenstandslos. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die ihm die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) versagen, weil eine von seiner Lebensgefährtin begangene Straftat ihm nach § 104a Abs. 3 AufenthG zuzurechnen sei und der Erteilung entgegenstehe.

2

1. Der Beschwerdeführer ist chinesischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolgloser Stellung eines Asylantrags wird er seit 1997 geduldet. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls die chinesische Staatsangehörigkeit besitzt, und zwei 1999 und 2001 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern zusammen. Seine Lebensgefährtin wurde mit Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 25. November 1997 wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet in Tateinheit mit Aufenthalt ohne Pass und ohne Ausweisersatz, Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt.

3

2. Am 30. November 2006 beantragte der Beschwerdeführer bei der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß der Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg nach § 23 AufenthG über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige vom 20. November 2006. Die Ausländerbehörde leitete den Antrag in der Folge aufgrund der befristeten Gültigkeit dieser Anordnung in einen Antrag nach der bundesrechtlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG über. Nach dieser Vorschrift soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und er weitere in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 AufenthG benannte Voraussetzungen erfüllt. § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG schließt die Erteilung für den Fall aus, dass der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagesssätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen, führt dies gemäß § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach der Vorschrift des § 104a AufenthG für andere Familienmitglieder; dies gilt gemäß Satz 2 nicht für den Ehegatten eines Ausländers, der Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen.

4

3. Mit Bescheid vom 2.November 2009 lehnte die Ausländerbehörde den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser und weiteren Vorschriften ab. Mit Blick auf die Altfallregelung stützte sie die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis auf § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Die von der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers begangene Straftat falle unter diese Vorschrift. Sie sei dem Beschwerdeführer auch nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegenzuhalten, da er aufgrund der gemeinsamen Kinder und ihres Zusammenlebens als Familienangehöriger im Sinne dieser Vorschrift zu werten sei. Diese Zurechnungsregel sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Vorliegen einer besonderen Härte, die es nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG erforderlich machen könnte, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, sei nicht erkennbar.

5

4. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Beschwerdeführer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, zu deren Begründung er im Wesentlichen vortrug, die Zurechnungsregelung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei verfassungswidrig. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit hier angegriffenem Urteil vom 16. Mai 2011 ab. Zum Antrag nach § 104a AufenthG führte es aus, diese Vorschrift ermögliche im Zeitpunkt der Entscheidung ohnehin nur noch die Verlängerung einer nach dieser Vorschrift schon erteilten Aufenthaltserlaubnis, aber nicht mehr eine Neuerteilung, wie sich aus § 104a Abs. 5 AufenthG ergebe. Die Vorschrift des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG, die aufgrund der Verurteilung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in seinem Fall Anwendung finde, sei im Übrigen auch verfassungsgemäß.

6

5. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wandte sich der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung, zu dessen Begründung er eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geltend machte. Nach dessen Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - (NVwZ 2011, S. 939) könne der Beschwerdeführer auch nach Ablauf der in § 104a Abs. 5 AufenthG bestimmten Gültigkeitsdauer für Aufenthaltserlaubnisse nach dieser Vorschrift einen Anspruch auf Ersterteilung einer solchen für die Vergangenheit geltend machen. Darüber hinaus sei der Ausschlussgrund der Vorstrafen von Familienangehörigen nach derselben Entscheidung nicht auf die Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden. Auch die Verwandtschaft über das gemeinsame Kind mache den nicht-ehelichen Lebensgefährten nicht zum Familienangehörigen. Zudem habe die Frage, ob einem Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ein Fehlverhalten einer nicht-ehelichen Lebensgefährtin entgegengehalten werden könne, grundsätzliche Bedeutung und bedürfe der höchstrichterlichen Klärung. Vorsorglich werde auch eine Abweichung von der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vom 24. Juni 2009 - 13 S 519/09 - (InfAuslR 2009, S. 350) gerügt, der zwar für die vorliegende Konstellation entgegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts das Merkmal des Familienangehörigen bejahe, die damit verbundene Sippenhaft aber insgesamt als unzulässig ansehe.

7

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 4. August 2011 lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sei nicht gegeben. Es bedürfe nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, um die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage zu beantworten, ob einem Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ein Fehlverhalten einer nicht-ehelichen Lebensgefährtin entgegengehalten werden könne. Diese Frage würde sich in dem angestrebten Berufungsverfahren so nicht stellen und könne bezogen auf den konkreten entscheidungserheblichen Sachverhalt ohne weiteres beantwortet werden.

8

Im vorliegenden Fall gehe es nicht um den Sachverhalt einer bloßen nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft, die in der Tat, wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11. Januar 2011 zutreffend ausführe, nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG falle und insbesondere keine Familie sei, weshalb eine Anwendung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausscheide. Nur auf eine derartige Fallkonstellation sei die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts zu beziehen. Hier gehe es vielmehr um eine (auch häusliche) Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner nicht-ehelichen Partnerin und ihren gemeinsamen Kindern. Es sei aber geklärt und könne keinem Zweifel unterliegen, dass diese Gemeinschaft eine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG darstelle. Denn Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG sei nach der Rechtsprechung die Gemeinschaft von Eltern und deren Kindern ungeachtet der Tatsache, ob die Eltern miteinander verheiratet seien. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit Bezug auf BVerfGE 80, 81, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1998 - 1 C 28.96 - (InfAuslR 1998, S. 279) und seinen Beschluss vom 22. März 2000 - 11 S 209/00 - (InfAuslR 2000, S. 277). Vor diesem Hintergrund liege es nahe, den Begriff des Familienangehörigen im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auch in diesem Sinn auszulegen. Für ein abweichendes Verständnis sehe der Senat keine greifbaren Anhaltspunkte; der Beschwerdeführer benenne solche auch nicht. Auch die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greife nicht durch. Ungeachtet der Tatsache, dass ein Vorlagebeschluss keine divergenzfähige Entscheidung darstelle, liege eine Divergenz nicht mehr vor, weil sich der Senat aus Gründen der Rechtseinheit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Januar 2011 angeschlossen habe.

9

7. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. August 2011 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, zu deren Begründung er ausführte, die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sehe die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Differenzierung zwischen nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit oder ohne gemeinsame Kinder nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anhörungsrüge mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 11. August 2011 zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer beanstande ausschließlich eine von seiner Auffassung abweichende Sicht der materiellen Rechtslage durch den Senat. Hierfür stehe die Gehörsrüge nicht offen.

10

8. Mit seiner am 1. September 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 1 und 2 GG und Art. 7 EMRK.

11

Die Nichtzulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass die Erstreckung des Familienbegriffs in § 104a AufenthG auf nicht-eheliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern höchstrichterlich nicht geklärt gewesen sei, und damit den Rechtsschutz unzulässig verkürzt. Jedenfalls das Oberverwaltungsgericht Bremen habe diese Frage mit Beschluss vom 11. Februar 2009 - 1 S 498/08 - (InfAuslR 2009, S. 181) als klärungsbedürftig angesehen. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtsfrage im Urteil vom 11. Januar 2011 nicht geklärt, sondern lediglich ausgeführt, der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften im Rahmen von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG folge aus der günstigeren aufenthaltsrechtlichen Stellung, die das Gesetz Ehegatten insbesondere beim Familiennachzug, aber auch bei der Aufenthaltsbeendigung einräume. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs nicht nachzuvollziehen, aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich, dass eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft mit Kindern als Familie im Sinne des § 104a AufenthG anzusehen sei. Eine solche Unterscheidung widerspreche auch der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 6 GG gegenüber den betroffenen Kindern. Unterstelle man, der Familienbegriff des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei im vorliegenden Fall zutreffend angewandt worden, verletzten die angegriffenen Entscheidungen aufgrund der damit verbundenen ausländerrechtlichen Sippenhaft den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 Abs. 1 EMRK.

12

9. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat zu der Verfassungsbeschwerde dahingehend Stellung genommen, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sei im Einklang mit dem Wortlaut des § 104a Abs. 3 AufenthG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde, da diesem als in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied seiner Lebensgefährtin deren Fehlverhalten entgegenzuhalten sei. Das Justizministerium Baden-Württemberg hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II.

13

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. August 2011 richtet, nimmt die Kammer sie zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 125, 104 <136 ff.>). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet. Danach liegen die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung vor.

14

1. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges (vgl. BVerfGE 92, 365 <410>; 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 84, 366 <369 f.>; 125, 104 <137>). Das gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft (vgl. zuletzt BVerfGE 125, 104 <137> m.w.N.). Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfGK 5, 369 <375 f.>; 10, 208 <213>; 15, 37 <46 f.>).

15

Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des - hier in Rede stehenden - Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtssache, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung und Anwendung geboten erscheint (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>; BVerfGK 10, 208 <214>). Stellt ein Oberverwaltungsgericht bereits im Zulassungsverfahren Erwägungen von grundsätzlicher Bedeutung an, schneidet es dem Beschwerdeführer nicht nur die Möglichkeit des Berufungsverfahrens ab, sondern zugleich den Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht als der zur abschließenden fachgerichtlichen Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen des Bundesrechts zuständigen Instanz (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Der vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehene Rechtsschutz im Berufungsverfahren wird auf diese Weise in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt (vgl. BVerfGE 125, 104 <139 f.>).

16

2. a) Der im Fall des Beschwerdeführers aufgeworfenen Rechtsfrage, ob nicht-eheliche Lebenspartner (mit oder ohne gemeinsame Kinder) unter den Begriff des Familienmitglieds im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG fallen, kam im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über den Antrag auf Zulassung der Berufung grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

17

aa) Ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 23. April 2007 (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 200 f.) findet die in § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgesehene Zurechnung von Straftaten für die in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienmitglieder ihre Rechtfertigung in nach der jeweiligen familiären Beziehung differenzierten Überlegungen. Für minderjährige Kinder, deren Eltern straffällig geworden seien, entspreche dies dem Grundsatz, dass das minderjährige Kind das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teile. Hinzu komme, dass aufgrund der häuslichen Gemeinschaft ein negativer Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder nicht auszuschließen sei. Dies gelte auch für das Verhältnis von Geschwistern untereinander. Für die Fälle, in denen Kinder eine Straftat begangen haben, sei der Ausschluss der Eltern im Hinblick auf ihre Aufsichts- und Erziehungspflicht gerechtfertigt. Zu lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaften und eheähnlichen Lebensgemeinschaften wird demgegenüber ausgeführt, die in § 104a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG genannten Straftaten des Partners seien im Rahmen der Soll-Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelmäßig zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 202). Die Entwurfsbegründung geht danach von der Nichtanwendbarkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf Fälle nicht-ehelicher Lebenspartner aus und verhält sich zur Zurechnung von Straftaten im Eltern-Kind-Verhältnis nur allgemein und lediglich, soweit dieses unmittelbar betroffen ist.

18

bb) Ob § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG unmittelbar auf eheähnliche Lebensgemeinschaften anwendbar ist und ob die Vorschrift es gegebenenfalls - unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien - nach ihrem Wortlaut und Zweck zulässt, bei diesen das strafrechtliche Fehlverhalten des einen Partners dem anderen Partner anspruchsvernichtend zuzurechnen, sah das Oberverwaltungsgericht Bremen im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Beschluss vom 11. Februar 2009 - 1 S 498/08 - (InfAuslR 2009, S. 181) als für in einem Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig an.

19

cc) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage im Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - (NVwZ 2011, S. 939) entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht entschieden, so dass ihre Klärungsbedürftigkeit und damit auch die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag nicht entfallen war (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -, InfAuslR 2008, S. 240). Das Bundesverwaltungsgericht stellt vielmehr in Gegenüberstellung zur von ihm mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG als verfassungskonform eingestuften Anwendung der Zurechnungsregel des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf Ehegatten lediglich nicht-tragende Erwägungen zu deren Anwendbarkeit auf die Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft an.

20

Es führt hierzu aus, hinsichtlich der Partner einer solchen dürfte eine Anwendung der Zurechnungsregelung ausscheiden, weil es sich dabei gerade nicht um Familienangehörige handle. Insofern würden Ehegatten nach § 104a Abs. 3 AufenthG schlechter behandelt als in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebende Paare. Diese Ungleichbehandlung sei allerdings auch mit Blick auf das in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Verbot der Diskriminierung der Ehe gerechtfertigt. Ein hinreichender sachlicher Grund für die wechselseitige Zurechnung von Straftaten unter Ehegatten sei darin zu sehen, dass andernfalls über ein Bleiberecht des nicht straffällig gewordenen Ehegatten mit Blick auf den besonderen Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des an sich nach § 104a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG ausgeschlossenen Ausländers entstehen könnte, so dass dieser Versagungsgrund in derartigen Fällen praktisch häufig leerliefe. Bei nicht-ehelichen Partnern bestehe dagegen weder eine entsprechend günstige Familiennachzugsregelung wie bei Ehegatten, noch vermittelten Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, so dass der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht durch abgeleitete Aufenthaltsansprüche leerzulaufen drohe (BVerwG, a.a.O., Rn. 38 f.).

21

dd) Die grundsätzliche Bedeutung der hier aufgeworfenen Frage ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Altfallregelung des § 104a AufenthG insofern auslaufendes Recht darstellt, als § 104a Abs. 5 AufenthG die Gültigkeit hiernach erteilter Aufenthaltserlaubnisse auf den 31. Dezember 2009 mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere zwei Jahre nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG begrenzt. Denn die betroffenen Ausländer können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nach Ablauf des 31. Dezember 2009 verlangen, dass ihnen rückwirkend für den Zeitraum bis zu diesem Datum eine Aufenthaltserlaubnis hiernach erteilt wird. Die Erteilung derartiger Aufenthaltserlaubnisse ist Voraussetzung für eine mögliche Verlängerung nach § 104a Abs. 5 Satz 2 AufenthG oder nach der zwischenzeitlich von der Innenministerkonferenz auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffenen Anschlussregelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 19.09 -, NVwZ 2011, S. 236, Rn. 12 ff.; Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 25), weshalb die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs weiterhin für einen nicht überschaubaren Kreis von Personen noch von Bedeutung war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, S. 712 zur Revisionszulassung).

22

b) Der Verwaltungsgerichtshof verneint die Klärungsbedürftigkeit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage mit der Erwägung, im Falle des Beschwerdeführers stehe nicht die Anwendbarkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf eine bloße nicht-eheliche Lebensgemeinschaft in Rede, auf die allein sich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Januar 2011 bezögen; hinsichtlich der hier gegebenen Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner nicht-ehelichen Partnerin und ihren gemeinsamen Kindern sei in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass diese Gemeinschaft eine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG darstelle; vor diesem Hintergrund liege es nahe, auch den Begriff des Familienmitglieds im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG in diesem Sinn auszulegen; für ein abweichendes Verständnis bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Verwaltungsgerichtshof hat hiermit bereits im Zulassungsverfahren Erwägungen von grundsätzlicher Bedeutung angestellt und den Rechtsschutzanspruch des Beschwerdeführers in nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt.

23

aa) Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Eingrenzung der Fragestellung auf die vorliegende Fallgestaltung ändert bereits an der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Klärung des Begriffs des Familienmitglieds im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG nichts. Den vorerwähnten Erwägungen des Gesetzentwurfs liegt erkennbar ein anderes Verständnis dieses Begriffs zugrunde, als es der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 4. August 2011 als naheliegend einstuft. Der Verwaltungsgerichtshof führt zudem mit der Unterscheidung zwischen nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit und solchen ohne gemeinsame Kinder bei der Frage nach der Anwendbarkeit der Zurechnungsregel des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Differenzierung ein, die weder in den Gesetzesmaterialien noch in den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Januar 2011 angesprochen ist.

24

bb) Diese Differenzierung drängt sich aber auch nicht in einer Weise auf, die es rechtfertigte, von der Zulassung der Berufung deshalb abzusehen, weil das Auslegungsergebnis eindeutig ist. Insbesondere folgt dies nicht aus der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Rechtsprechung namentlich des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff der Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG.

25

Die Entscheidung zum aufenthaltsrechtlichen Schutz eines Ausländers aus Art. 6 Abs. 1 GG bei einer Erwachsenenadoption (BVerfGE 80, 81 f.), auf die sich der Verwaltungsgerichtshof zunächst stützt, verhält sich unmittelbar allein zu den Wirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG im Eltern-Kind-Verhältnis. Gleiches gilt für das ebenfalls in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1998 - 1 C 28.96 - (InfAuslR 1998, S. 279 <282 ff.>). Für die aufgeworfene Rechtsfrage könnte danach allein von Bedeutung sein, dass sich im Verhältnis zwischen nicht-ehelichen Lebenspartnern - vermittelt über das gemeinsame Kind - mittelbare Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, wenn diesem aufgrund der Beziehung zum einen Elternteil das Verlassen des Bundesgebietes mit dem anderen nicht zumutbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682; siehe auch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. März 2000 - 11 S 209/00 -, InfAuslR 2000, S. 277). Inwiefern derartige - von den Umständen des Einzelfalls abhängige - Schutzwirkungen verallgemeinert werden und so die Erstreckung der Zurechnungsregelung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf Gemeinschaften nicht-ehelicher Lebenspartner mit gemeinsamen Kindern rechtfertigen können, liegt nicht auf der Hand und kann daher nicht im Verfahren der Berufungszulassung abschließend entschieden werden (vgl. auch Urteil des OVG des Saarlandes vom 19. Juni 2012 - 2 A 103/10 -, juris, Rn. 32 ff. m.w.N., demzufolge § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG keinerlei Ansatz für eine Anwendbarkeit auf nicht formelle Lebensgemeinschaften biete und allein der Umstand, dass Partner einer solchen Lebensgemeinschaft gemeinsame Kinder hätten, für die beide Familienangehörige seien, an der - fehlenden - rechtlichen Beziehung der Partner zueinander nichts ändern könne).

26

3. Der Beschluss über die Nichtzulassung der Berufung beruht auf dem Verstoß gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, da der Verwaltungsgerichtshof bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Vorgaben die Berufung hätte zulassen müssen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. August 2011 ist aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung über die weiteren hiergegen gerichteten Rügen des Beschwerdeführers bedarf. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2011 wird damit gegenstandslos.

III.

27

Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Rechten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts geltend macht, steht der Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen (vgl. BVerfGK 7, 350 <357>; 15, 37 <53>).

IV.

28

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. April 2012 – 5 A 270/09 HGW – wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die naturschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit einer Steganlage.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks A. Mit Schreiben vom 18. Juni 2008 beantragten sie beim Beklagten die Genehmigung zur Errichtung eines Steges. Dieser solle größtenteils auf dem eigenen Grundstück liegen und bei einer Länge von 28 Metern und einer Breite von 1,20 Meter die Grundstücksgrenze zum Bodden überschreiten. Der Steg solle aus Pfählen und Trittbrettern aus Holz bestehen, kurz vor dem Deich im Grasbereich beginnen, einen Schilfstreifen durchqueren und im Boddenwasser enden. Am Ende des Stegs sei eine kleine Plattform vorgesehen. Der Steg könne alternativ auch an der Stelle wiederhergestellt werden, an der vor etwa zwei Jahren ein vorhandener Steg während eines Schilfbrandes bis auf die Pfähle abgebrannt sei. Dem Antrag waren unter anderem zwei Flurkarten beigefügt, auf der die beabsichtigten Vorhaben an verschiedenen Standorten eingezeichnet waren. Der Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 25. August 2008 ab, den Klägern eine Naturschutzgenehmigung zur Errichtung eines Steges, eine Ausnahme von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Boddenlandschaft“ vom 21. Mai 1996, vom Bauverbot im Gewässerschutzstreifen, vom gesetzlichen Biotopschutz und eine Befreiung von den Verboten der Nationalparkverordnung zu erteilen. Den Widerspruch der Kläger gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2009 zurück.

3

Am 14. März 2009 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Greifswald erhoben. In der mündlichen Verhandlung haben sie die Feststellung beantragt, dass die Sanierung des im Schreiben vom 18. Juni 2008 bezeichneten Steges keiner naturschutzrechtlichen Genehmigung, Ausnahme oder Befreiung bedarf, hilfsweise, die Verpflichtung des Beklagten, ihnen unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 die beantragte naturschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, weiter hilfsweise, die Verpflichtung des Beklagten, sie unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Klage mit Urteil vom 13. April 2012 – 5 A 270/09 HGW – abgewiesen. Das Urteil wurde den Klägern am 19. April 2012 zugestellt.

4

Am 7. Mai 2012 haben die Kläger beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Am 19. Juni 2012 haben sie den Antrag begründet.

II.

5

1. Der fristgemäß gestellte (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. zuletzt etwa BVerfG, Beschl. v. 07.11.2013 – 2 BvR 1895/11 –, juris Rn. 14).

6

a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

7

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 23.07.2015 – 1 L 28/13 –, juris Rn. 8).

8

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 11.11.2014 – 1 L 55/10 –, juris Rn. 8).

9

aa) Nach diesen Maßgaben bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das fragliche Vorhaben im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung über die Festsetzung des Nationalparkes Vorpommersche Boddenlandschaft vom 12. September 1990 (nachfolgend: NationalparkVO) befindet.

10

Richtigerweise ist das Verwaltungsgericht von der Flächenbeschreibung und Abgrenzung des Nationalparkes gemäß § 2 NationalparkVO und der kartenmäßigen Darstellung dieser Grenze (§ 2 Abs. 4 NationalparkVO) ausgegangen (vgl. zur räumlichen Abgrenzung des Nationalparks OVG Greifswald, Beschl. v. 10.08.2005 – 1 M 74/05 –, juris Rn. 51). Hiernach wird in § 2 Abs. 2 NationalparkVO die äußere Grenze des Nationalparkes aufgrund topografisch exakter Abgrenzungen vorgenommen und damit der Nationalpark innerhalb dieser Grenzen festgesetzt (vgl. § 1 Abs. 1 NationalparkVO). Das Grundstück der Antragstellerin befindet sich zweifellos innerhalb dieser Grenzen, was sich insbesondere auch aus der gemäß § 2 Abs. 4 NationalparkVO als Anlage zum Bestandteil der Verordnung erklärten Karte ergibt. Eine Ausnahme von diesen Festsetzungen beinhaltet allein die Regelung des § 2 Abs. 3 NationalparkVO, wonach die im Zusammenhang bebauten Ortschaften, die innerhalb der unter Absatz 2 beschriebenen Grenze liegen, einschließlich ihrer nächsten Umgebung nicht zum Nationalpark gehören. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt das Grundstück der Kläger zweifelsfrei nicht. Soweit die genannte Karte gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 NationalparkVO im Bereich der Gemeinden Wieck, Prerow und Zingst Flächen weder der Schutzzone I noch der Schutzzone II zuordnet und damit aus dem Schutzgebiet ausnimmt (§ 4 Abs. 1 und 4 NationalparkVO), befindet sich die fragliche Fläche nicht in diesem Gebiet. Der kartenmäßigen Darstellung lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Schutzzone II im Bereich des klägerischen Grundstücks in nördlicher Ausdehnung über die Uferlinie des Bodstedter Boddens hinaus bis auf die Deichkrone reicht. Das beabsichtigte Vorhaben der Kläger soll südlich des Deiches verwirklicht werden. Soweit sich die Kläger im Zulassungsantrag darauf berufen, das Grundstück liege innerhalb der „nächsten Umgebung der im Zusammenhang bebauten Ortschaft“ (§ 2 Abs. 3 NationalparkVO), können sie damit nicht durchdringen. Der Senat hat bereits entschieden, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verordnungsgeber mit der Wahl des Begriffes „Ortschaften“ etwas anderes gemeint hat, als den Begriff des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. OVG Greifswald, Beschl. vom 01.02.2001 – 1 M 77/00 –, juris Rn. 3). Die Zulassungsschrift legt selbst nicht dar, dass sich das Vorhaben planungsrechtlich im unbeplanten Innenbereich befindet. Selbst wenn man die nördlich des Deiches belegene Bebauung planungsrechtlich als Ortsteil ansprechen wollte, würde sich der Bebauungszusammenhang jedenfalls nicht in südlicher Richtung des Deiches fortsetzen. Dies ist im Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend ausgeführt worden.

11

bb) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind auch nicht insoweit begründet, als die Kläger ihr Vorhaben anders als das Verwaltungsgericht als von § 7 Abs. 1 Nr. 5 NationalparkVO gedeckt ansehen. Nach dieser Vorschrift ist die bisherige bestimmungsgemäße Nutzung von baulichen Anlagen einschließlich der dazugehörigen Flächen von den Verboten des § 6 ausgenommen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats hat das Verwaltungsgericht diese Norm als einfachgesetzliche Regelung des Bestandsschutzes verstanden. Der ein Bauvorhaben von dem Bauverbot ausnehmende Bestandsschutz endet jedoch bei Maßnahmen, die eine Neuerrichtung des Bauwerkes darstellen oder dieser gleichkommen. Er gewährleistet lediglich das Recht, das Bauwerk weiter so zu unterhalten und zu nutzen, wie es seinerzeit errichtet wurde. Er rechtfertigt deshalb nicht die Errichtung eines Ersatzbaus anstelle des bestandsgeschützten Bauwerks. Zur Abgrenzung vom Bestandsschutz noch gedeckter Reparaturarbeiten von darüber hinausgehenden Maßnahmen, die einer Neuerrichtung gleichkommen, ist darauf abzustellen, ob die Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk gewahrt bleibt. Kennzeichen für die erforderliche Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk ist es, dass das ursprüngliche Gebäude nach wie vor als die „Hauptsache“ erscheint ( OVG Greifswald, Urt. v. 23.05.2012 – 1 L 94/08 –, juris Rn. 37, m.w.N.).

12

Es kann hier dahinstehen, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutreffend ist, der Bestandsschutz für den ursprünglich vorhandenen Steg sei spätestens durch den Schilfbrand im Jahre 2006 entfallen, der den Steg bis auf die Reste der Holzpfosten zerstört und zu einer Nutzungsunterbrechung geführt habe, weil § 7 Abs. 1 Nr. 5 NationalparkVO eine ununterbrochene Nutzung voraussetze und die Wiederaufnahme der Nutzung nur unter Verstoß gegen naturschutzrechtliche Verbotstatbestände erfolgen könne. Die Kläger können sich jedenfalls schon deshalb nicht auf einen Bestandsschutz für ihr Vorhaben berufen, weil dieses mit der ursprünglich vorhandenen baulichen Anlage nicht identisch ist. Dies gilt auch, soweit man das Klagebegehren dahingehend versteht, dass sich die Feststellung auf einen Steg an der Stelle des früher vorhandenen bezieht. Obwohl der Klageantrag nicht entsprechend beschränkt worden ist, spricht der Schriftsatz der Kläger vom 8. Dezember 2010 für dieses Verständnis, in dem es unter anderem heißt, dass die Kläger „die Sanierung des Steges unter Verwendung der vorhandenen Pfähle beabsichtigen“. Im klägerischen Schriftsatz vom 15. Juni 2011 ist dementsprechend klargestellt worden, dass die Errichtung eines Steges an anderer Stelle des Grundstücks „mittlerweile verworfen worden und auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens“ sei. Aber auch das streitgegenständliche Bauvorhaben der Kläger an der Stelle des früheren Steges überschreitet den vormals vorhandenen Bestand. Darauf hat der Beklagte im Zulassungsverfahren richtigerweise hingewiesen. Unabhängig davon, dass der ursprüngliche Bestand im Verfahren von den Klägern nicht dargelegt wurde, lässt sich dem von ihnen eingereichten Lichtbild, das nach dem Schilfbrand aufgenommen worden ist, entnehmen, dass der frühere Steg nicht über den Schilfgürtel hinausragte und damit nicht über eine Plattform im Bereich der freien Wasserfläche des Boddens verfügte. Damit stellt sich das in ihrem Schreiben vom 18. Juni 2008 beschriebene Vorhaben der Kläger jedenfalls als eine nicht unwesentliche quantitative Erweiterung des früheren Stegs dar, die von § 7 Abs. 1 Nr. 5 NationalparkVO nicht gedeckt ist. Soweit die Kläger vortragen, der sanierte Steg solle vollumfänglich seinem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechen, widerspricht das den insoweit maßgeblichen Antragsunterlagen, insbesondere den darin enthaltenen Handzeichnungen.

13

Unabhängig davon können sich die Kläger für ihre Rechtsauffassung schließlich nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Senats vom 16. Juni 2005 (– 1 M 38/05 –, juris Rn. 31) berufen. Zwar wird dort erwogen, dass bei einem Bootssteg aus einer langlebigen Stahlkonstruktion mit einer Holzbeplankung die tragende Stahlkonstruktion das Wesentliche und der Bohlenbelag zwar für die Funktion erforderlich ist, aber durchaus auch einmal komplett ausgetauscht werden darf, ohne dass dies eine wesentliche Änderung oder Neuerrichtung des Steges wäre, die nicht mehr vom Bestandsschutz gedeckt sein würde. Der Senat hat bei einem dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt darauf hingewiesen, dass sich insoweit eine vollständig in Holz ausgeführte Steganlage mit einer Stahlkonstruktion unter den Gesichtspunkten der Dauerhaftigkeit nicht vergleichen lässt. Abgesehen davon habe es der Senat in der Entscheidung vom 16. Juni 2005 gerade offengelassen, ob der Bestandsschutz unter dem Gesichtspunkt des Substanzverlustes eingetreten ist ( OVG Greifswald, Beschl. v. 04.09.2007 – 1 M 18/07 –, juris Rn. 10). Daran ist festzuhalten.

14

b) Die Berufung der Kläger ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Eine Divergenz ist dargelegt, wenn der konkrete Nachweis geführt wird, welcher der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten, diese tragenden Rechtssätze einer Rechts- oder Tatsachenfrage widerspricht, die eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte in tragender Weise gegenteilig beantwortet hat ( OVG Greifswald, Beschl. v. 17.12.2001 – 1 L 118/01 –, juris Rn. 11; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage, § 124 Rn. 11, § 132 Rn. 14). Eine Abweichung bzw. Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist dabei grundsätzlich nur anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz abweicht. Nach diesen Maßstäben ist der Zulassungsgrund nicht dargelegt.

15

Die Kläger bringen hierzu vor, das Verwaltungsgericht habe den tragenden Rechtssatz aufgestellt, die für das Erlöschen des Bestandsschutzes einer Anlage im Nationalpark notwendige Dauer einer Nutzungsunterbrechung sei nicht nach dem zum öffentlichen Baurecht entwickelten sogenannten Zeitmodell des Bundesverwaltungsgerichts, sondern direkt aus der Nationalparkverordnung zu gewinnen. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Senats in den Beschlüssen vom 16. Juni 2008 und vom 1. November 2011 ( OVG Greifswald, Beschl. v. 16.06.2008 – 1 M 38/05 –, juris Rn. 28; Beschl. v. 01.11.2011 – 1 L 257/08 –, juris Rn. 28).

16

Mit diesem Vorbringen vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Die Zulassungsbegründung benennt keine divergenzfähigen Entscheidungen. Zwar können auch in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene Entscheidungen den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnen. Da im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber regelmäßig nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage stattfindet und es deshalb in diesen Verfahren in der Regel an einer tragenden Entscheidung über eine Sach- oder Rechtsfrage fehlt, gilt das jedoch nur in den Fällen, in denen die benannte Frage nicht nur summarisch geprüft, sondern abschließend entschieden worden ist (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 17.09.2013 – 3 S 1727/13 –, juris Rn. 3; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 124 Rn. 168). Entsprechendes gilt für eine Entscheidung, mit der über die Nichtzulassung eines Rechtsmittels entschieden wurde.

17

Vorstehendes zugrunde gelegt, fehlt es in den zitierten Entscheidungen an der tragenden Annahme eines dem Verwaltungsgericht widersprechenden Rechtssatzes. Der Beschluss vom 16. Juni 2005 ist aufgrund einer nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergangen. Der Senat hat den Ausgang des Hauptsacheverfahrens ausdrücklich als offen angesehen und über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allein aufgrund einer allgemeinen Interessenabwägung entschieden. Dabei hat er erwogen, für den Untergang des Bestandsschutzes eines Steges auf das sogenannte Zeitmodell des Bundesverwaltungsgerichts zurückzugreifen. Einen tragenden Rechtssatz dieses Inhalts hat der Senat schon deshalb nicht aufgestellt, weil es an Feststellungen zur Dauer der Nutzungsunterbrechung der dortigen Anlage fehlte.

18

Im Beschluss vom 1. November 2011 schließlich ist der Senat davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Nr. 5 NationalparkVO deshalb nicht vorlagen, weil die vormalige Nutzung des dortigen Steges schon zum Zeitpunkt der Einstellung des Betriebes der Ferienanlage endgültig aufgegeben war. Ein Fall der Nutzungsunterbrechung bestand gerade nicht, die angestrebte Nutzung der Steganlage entsprach nicht der bei Inkrafttreten der Nationalparkverordnung ausgeübten Nutzung. Soweit sich der Senat in dieser Entscheidung zum Zeitmodell geäußert hat, geschah dies nicht tragend. Ein obiter dictum ist aber nicht divergenzfähig (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 124 Rn. 173).

19

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

20

Hinweis:

21

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. Dezember 2012 – 3 A 836/10 – wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 459,60 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Kurabgaben für die Erhebungsjahre 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010 in Höhe von 64,00 EUR (Bescheide Nr. 4810-2008, 4810-2009, 4810-2007, 4810-2006, 4487-2007, 4487-2006) bzw. 70,00 EUR (Bescheide Nr. 4810-2010 und 4487-2010), soweit die in den Bescheiden enthaltenen Festsetzungen jeweils einen Betrag von mehr als 7,70 EUR bzw. 9,10 EUR (nur Bescheide Nr. 4810-2010 und 4487-2010) übersteigen.

2

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Bescheide im beantragten Umfang mit Urteil vom 06. Dezember 2012 – 3 A 836/10 – aufgehoben. Die die Rechtsgrundlage für die Ergebungsjahre von 2006 bis 2009 bildenden Kurabgabensatzungen 2004, 2007 und 2009 seien nichtig, weil die jeweils in ihnen enthaltene Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 1, wonach Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf der Insel Usedom haben und nicht im Erhebungsgebiet übernachten, von der Kurabgabe befreit sind, gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Kurabgabensatzung 2010 sei nichtig, weil der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung bei der Kalkulation außer Ansatz zu lassende Eigenanteil der Gemeinde nicht ermessensfehlerfrei bestimmt bzw. bei der Kalkulation berücksichtigt worden sei. Für das Erhebungsjahr 2010 habe der Beklagte bei unter Berücksichtigung der Erlöse noch ungedeckten Kosten in Höhe von 4.792.900 EUR mit einem als „Liquiditätszuschuss“ bezeichneten Eigenanteil der Gemeinde von 3.461 EUR kalkuliert. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Fremdenverkehr im Ostseebad Heringsdorf von überragender Bedeutung sei und den wichtigsten Wirtschaftszweig darstelle, sei doch nicht zu verkennen, dass die in Ansatz gebrachten Einrichtungen auch von den Einwohnern der Gemeinde genutzt würden. Das Verwaltungsgericht hat insoweit einen Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten für nur noch symbolisch gehalten, der nicht mehr dem Nutzen der Einwohner der Gemeinde entspreche. Für das Erhebungsjahr 2010 bleibe der kalkulierte Eigenanteil der Gemeinde dahinter zurück. Die fehlerhafte Kalkulation führe zur Nichtigkeit der in § 4 Kurabgabensatzung 2010 festgesetzten Abgabenhöhe und damit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung sowie zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

3

Der nach Zustellung des Urteils an den Beklagten am 20. Dezember 2012 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 18. Januar 2013 gestellte und unter dem 20. Februar 2013 ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

4

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

5

Der Zulassungsantrag des Beklagten richtete sich ohne Einschränkung gegen das angefochtene Urteil, also auch insoweit, als das Verwaltungsgericht die Bescheide für die Erhebungsjahre von 2006 bis 2009 wegen Nichtigkeit der ihnen zu Grunde liegenden Kurabgabensatzungen 2004, 2007 und 2009 im Umfang der Antragstellung der Kläger aufgehoben hat. Mit der Begründung seines Zulassungsantrages hat der Beklagte später ausgeführt, „im Kern (stelle) der Antrag auf Zulassung der Berufung auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts ab…, dass ein Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten als nur symbolisch angesehen wird und nicht mehr dem Nutzen der Einwohner der Gemeinde entspricht, so dass faktisch ein Eigenanteil von mindestens 10 v.H. hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten gefordert wird“. Ausschließlich insoweit werden anschließend vom Beklagten Zulassungsgründe geltend gemacht. Bezogen auf die im angefochtenen Urteil erfolgte Aufhebung der Bescheide für die Erhebungsjahre von 2006 bis 2009 und dessen diesbezüglich tragende Entscheidungsgründe fehlt dagegen jegliche Begründung des Zulassungsantrages. Er genügt folglich in diesem Umfang offensichtlich nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

6

Aber auch im Übrigen dringt der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen nicht durch.

7

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

8

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

9

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a.a.O.).

10

Das Zulassungsvorbringen genügt schon nicht den Maßgaben des Darlegungserfordernisses. Der Beklagte beschränkt sich im Kern darauf, die Annahme des Verwaltungsgerichts anzugreifen, ein Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten sei nur noch symbolisch und entspreche nicht mehr dem Nutzen der Einwohner. Dieser Angriff zielt der Sache nach ausschließlich darauf, diese 10-Prozent-Grenze als zu hoch zu kritisieren. Besonders deutlich lässt sich dies daraus ablesen, dass wiederholt die Frage nach dem im „Mindestmaß“ notwendigen Eigenanteil angeschnitten wird. Der Beklagte geht jedoch nicht im notwendigen Umfang darauf ein, ob der bei der Festlegung des Abgabensatzes ganz konkret in der Kalkulation außer Ansatz gebliebene Eigenanteil ermessensfehlerfrei bestimmt worden ist. Der „Liquiditätszuschuss der Gemeinde“ betrug laut „Gebührenkalkulation Kurabgabe 2010“ absolut nämlich nur 3.461,00 EUR, was einem relativen Anteil von gerade etwa 0,07 v.H. an den berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten in Höhe von 4.792.900,00 EUR entspricht. Dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung gerade in Ansehung dieses um einen dreistelligen Faktor gegenüber dem angegriffenen „Mindestmaß“ von 10 v.H. niedrigeren in der Kalkulation außer Ansatz gelassenen Eigenanteils im Ergebnis Richtigkeitszweifeln unterliegen könnte, wird nicht hinreichend dargelegt. Dies gilt umso mehr, als für das verwaltungsgerichtliche Ergebnis im Sinne einer Evidenz- und Plausibilitätsbetrachtung spricht, dass bei der vom Beklagten vorgetragenen Einwohnerzahl von 9.000 auf jeden Einwohner bei einem Liquiditätszuschuss von 3.461,00 EUR gerade einmal etwa 0,38 EUR für das gesamte Jahr 2010 entfallen. Bei diesem Betrag handelt es sich schon prima facie und in Relation zur Höhe der in der Satzung geregelten Tageskurabgabe (z.B. 3,00 EUR in der Hauptsaison für Tagesgäste ohne Ermäßigung) und Jahreskurabgabe (70,00 EUR ohne Ermäßigung) wohl nicht bzw. jedenfalls nicht – wie hier – ohne jedwede Plausibilisierung um einen dem Nutzen der Einwohner entsprechenden Anteil nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Kurabgabe vom 25. Februar 2010 (nachfolgend: Kurabgabensatzung 2010) in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 24. August 2012, der bei der Kalkulation der Kurabgabe auf Aufwendungsseite außer Ansatz zu bleiben hat. Selbst bei einer Gegenüberstellung der vom Beklagten heraus gestellten Übernachtungszahl von Kurgästen in Höhe von 2.969.000 und einer mit der Einwohnerzahl gleichgesetzten Zahl von Einwohnerübernachtungen machten letztere einen Anteil von etwa 0,3 v.H. der addierten Übernachtungen aus, also immer noch mehr als das vierfache eines Anteils von 0,07 v.H. in Gestalt des Liquiditätszuschusses. Anders gewendet wird in Betrachtung all dessen entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vom Beklagten nicht hinreichend erläutert, dass ein derart niedriger gemeindlicher Anteil von 0,07 v.H. satzungskonform im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 einen „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf entsprechenden Anteil“ abbilden kann.

11

Im Übrigen sind nach dem vorgenannten Maßstab unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils begründet.

12

Das Verwaltungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zunächst zutreffend an § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 angeknüpft. Bei der Kalkulation der Kurabgabe bleibt danach von den nach Abzug der vereinnahmten Gebühren und Entgelte für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen und die Teilnahme an allgemein zugänglichen Veranstaltungen verbleibenden Aufwendungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf für die in Absatz 1 genannten Zwecke ein dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf entsprechender Anteil außer Ansatz. Diesen Anteil hat das Verwaltungsgericht als „Eigenanteil“ benannt; auch der Beklagte verwendet diesen Begriff.

13

Dieser Eigenanteil bleibt „bei der Kalkulation der Kurabgabe“ außer Ansatz, ist also Gegenstand der Kalkulation, die die Grundlage der Festsetzung des Abgabensatzes bildet. Insoweit ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Der Gemeindevertretung muss nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei der Beschlussfassung einer Abgabensatzung neben der Beschlussvorlage über die Satzung selbst eine Kalkulation über die Abgabensätze vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können. Die Ungültigkeit einer Abgabensatzung ist dann anzunehmen, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird oder wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 26.11.2014 – 1 K 14/11 –, juris Rn. 32; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 63, 142 m.w.N.).

14

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kalkulation für das Erhebungsjahr 2010 diesen Grundsätzen nicht gerecht geworden ist, der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 bei der Kalkulation außer Ansatz zu lassende Eigenanteil der Gemeinde ermessensfehlerhaft bestimmt bzw. bei der Kalkulation berücksichtigt worden ist und daraus die Gesamtnichtigkeit der Kurabgabensatzung folgt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 KAG M-V). Diesen Standpunkt hat das Verwaltungsgericht auch bereits in seinem Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 B 776/11 – eingenommen und darauf verwiesen, dass der Eigenanteil mit weniger als 0,1 v.H. des ungedeckten Aufwands im Widerspruch zum Entgeltcharakter der Kurabgaben und dem Äquivalenzprinzip zu niedrig angesetzt sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat der Senat mit seinem Beschluss vom 06. August 2012 – 1 M 109/12 – verworfen und im Zusammenhang mit der genannten Erwägung des Verwaltungsgerichts bereits ausgeführt, der Beklagte habe nicht ansatzweise nachvollziehbar erläutert, wie sich die Gebührenkalkulation im Einzelnen gestalte.

15

Die „Gebührenkalkulation Kurabgabe 2010“ weist einen „Eigenanteil“ oder einen „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf entsprechenden Anteil“ im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 schon nicht ausdrücklich aus. Das Verwaltungsgericht hat den in der Gebührenkalkulation unter Ziffer 16 ausgewiesenen „Liquiditätszuschuss der Gemeinde“ in Höhe von 3.461 EUR im Ansatz augenscheinlich als Eigenanteil im Sinne der Satzung gelten lassen wollen. Dem Zulassungsvorbringen des Beklagten ist ein ebensolches Verständnis zu entnehmen, wenn dort vorgetragen wird, der den Einwohnern zuzurechnende Anteil müsse aus allgemeinen Deckungsmitteln bestritten werden, d.h. „vorliegend durch den Liquiditätszuschuss sowie die Deckung eines entstehenden Verlustes“.

16

Bereits dieser Betrachtungsweise vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Eigenanteil der Gemeinde korreliert nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 mit „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf“, d.h. er muss ihm „entsprechen“. Der in der Kalkulation ausgewiesene Liquiditätszuschuss korreliert offensichtlich gerade nicht mit „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf“, sondern ist in seiner Höhe schlicht das Ergebnis der Subtraktion der Erlöse aus der Kurabgabe von den abzugsfähigen Kosten und entspricht damit der danach verbleibenden Deckungslücke. Dies wird der Sache nach mit dem vorstehend wieder gegebenen Zulassungsvorbringen bestätigt. Damit findet der Liquiditätszuschuss seinen Grund bzw. seine Rechtfertigung nicht in Abhängigkeit vom Nutzen für die Gemeindeeinwohner sondern in der damit schon auf den ersten Blick nicht im Zusammenhang stehenden Notwendigkeit bzw. kalkulatorischen Zielstellung der Schließung einer rechnerischen Deckungslücke; entsprechendes gilt im Übrigen, soweit sich der Beklagte auch auf die „Deckung eines entstandenen Verlustes“ bezieht. Daraus folgt, dass die Gemeindevertretung als Rechtssetzungsorgan das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können: Entweder stellt man sich auf den Standpunkt, schon mangels entsprechender ausdrücklicher Benennung des Eigenanteils in der Kalkulation konnte die Gemeindevertretung ihr Ermessen wegen einer insoweit vollständig fehlenden Grundlage für die erforderliche Ermessensbetätigung diesbezüglich nicht ausüben. Oder man legt das Vorbringen des Beklagten und die Annahme des Verwaltungsgerichts zugrunde, der Liquiditätszuschuss sollte den satzungsrechtlich vorgeschriebenen Eigenanteil darstellen. Dann war dies für die Gemeindevertretung mit Blick auf die dargelegten Unterschiede zwischen einem Eigenanteil im Sinne der Satzung und dem in der Kalkulation ausgewiesenen Liquiditätszuschuss jedenfalls nicht hinreichend ersichtlich. Auch in diesem Fall konnte die Kalkulation keine Basis für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über Abgabensatz bzw. Eigenanteil darstellen.

17

Ein weiterer Mangel der Kalkulation folgt unmittelbar aus dem Zulassungsvorbingen selbst: Der Beklagte hat vorgetragen, es sei neben dem Liquiditätszuschuss „ergänzend zu berücksichtigen, dass auch die dem Grunde nach der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf zustehenden Dividenden aus Verträgen mit der Gas- und Energieversorgung dem Eigenbetrieb zur Verfügung gestellt, aber nicht konkret mit im Liquiditätszuschuss ausgewiesen werden“. Ein solcher Mittelzufluss wird in der Kalkulation weder beim Liquiditätszuschuss ausgewiesen noch an anderer Stelle. Daraus folgt zum einen, dass die Kalkulation nach dem eigenen Vortrag des Beklagten unvollständig ist, zum anderen, dass sie auch insoweit mangels Offenlegung des vorgetragenen Sachverhalts keine taugliche Grundlage für eine ermessensfehlerfreie Festsetzung des Abgabensatzes durch die Gemeindevertretung sein konnte.

18

Noch handgreiflicher wird die Ermessensfehlerhaftigkeit dieser Festsetzung, berücksichtigt man den wechselnden Vortrag des Beklagten dazu, warum der Eigenanteil der Gemeinde im Ergebnis deutlich höher als der in der Kalkulation ausgewiesene Liquiditätszuschuss sei, der einem Anteil der Gemeinde von 0,07 v.H. entspricht. Einerseits ist hier der vorstehend wiedergegebene Vortrag im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen, andererseits etwa derjenige aus dem schon erwähnten Beschwerdeverfahren zum Az. 1 M 109/12. Dort hatte der Beklagte im Unterschied zum vorliegenden Zulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 19. Juli 2012 betreffend die Gebührenkalkulation 2010 ausgeführt, „in der Gruppe der abgabenbefreiten Personen ist die Anzahl der Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf mit einer Anzahl von 9.251 in der Summe von 245.826 befreiten Übernachtungen und 41.897 befreiten Gästen enthalten“, „hiernach fließt die Anzahl der Einwohner in die Gesamtsumme der befreiten Übernachtungen ein und beeinflusst somit die Prozentangabe, mit der die nicht abzugsfähigen Kosten ermittelt werden, so dass hier nicht nur ein symbolischer Eigenanteil eingestellt wird“. Zu diesem Vortrag ist zunächst festzuhalten, dass er inhaltlich abwegig erscheint bzw. aus ihm unmittelbar folgte, dass die Kalkulation offensichtlich rechtswidrig wäre: Zwar sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Kurabgabensatzung 2010 zusätzlich von den durch die Kurabgabe zu deckenden Aufwendungen diejenigen Mindereinnahmen abzuziehen, die infolge der Befreiung von der Abgabenpflicht gemäß § 3 entstehen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 wird die Kurabgabe aber – nur – von allen ortsfremden Personen erhoben, die sich im Erhebungsgebiet (Gemeindegebiet der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf) aufhalten und denen die Möglichkeit zur Benutzung von öffentlichen Einrichtungen oder zur Teilnahme an Veranstaltungen geboten wird. Ortsfremd ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Erhebungsgebiet hat (Abs. 2 enthält insoweit noch weitere Regelungen). Folglich wird die Kurabgabe grundsätzlich nicht von den Einwohnern der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf erhoben; diese sind nicht ortsfremd. Rechnen sie nicht zum abgabenpflichtigen Personenkreis, bedürfen sie auch keiner Befreiung nach § 3 Kurabgabensatzung 2010; folgerichtig enthält die Bestimmung auch keinen entsprechenden Befreiungstatbestand. Dann kommt aus Rechtsgründen eine Berücksichtigung der Anzahl der Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei den befreiten Übernachtungen bzw. in der Kalkulationsposition „nicht abzugsfähige Kosten auf Grund der Befreiung“ nicht in Betracht. Ist sie dennoch erfolgt, steht die Kalkulation in Widerspruch zum maßgeblichen Satzungsrecht und kann schon aus diesem Grunde keine taugliche Grundlage für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Gemeindevertretung über den Abgabensatz sein. Unabhängig hiervon wäre auch dieser behauptete Sachverhalt, läge er denn tatsächlich so vor, in der Kalkulation nicht ansatzweise dokumentiert. Folglich kann die Kalkulation auch insoweit in Ansehung des Eigenanteils keine tragfähige Grundlage der Ermessensentscheidung gewesen sein. Davon abgesehen bleibt mit Blick auf den dargestellten wechselnden Vortrag und die vorliegende Kalkulation letztlich jedenfalls sogar unklar, welche der jeweils unzulässigen Erwägungen die Festsetzung von Abgabensatz und Eigenanteil rechtfertigen können soll.

19

Die dem Senat im vorliegenden und in Parallelverfahren vorliegenden Kalkulationen für die Jahre 2008 bis 2012 bestätigen ebenfalls, dass eine bewusste Ermessensentscheidung der Gemeindevertretung über die Höhe des Eigenanteils nach Maßgabe § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010, also orientiert an „dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf“ nicht getroffen worden ist: Für 2008 beträgt der Liquiditätszuschuss etwa 0,35 v.H., für 2009 etwa 0,20 v.H., für 2011 gleich 0 (bei einem negativen Gesamtergebnis von -554.882 EUR) und für 2012 etwa 4,21 v.H. (bei einem negativen Gesamtergebnis von -137.931 EUR). Angesichts dieser Bandbreite und Schwankungen der Anteilshöhe in Größenordnungen ist nicht erkennbar, dass die Gemeindevertretung orientiert am satzungsrechtlichen Maßstab eine eigenanteilsbezogene Ermessensentscheidung getroffen haben könnte, sondern der entsprechende Zuschuss mehr oder weniger zufällig bestimmt worden ist. Insbesondere in den Jahren 2008 bis 2010 war offensichtlich maßgeblich, dass das Gesamtergebnis auf 0 lauten sollte. Erst recht sind keinerlei Erwägungen ersichtlich, die die Anteilsschwankungen erklären bzw. als insoweit erforderliche Ermessenserwägungen gedeutet werden könnten.

20

Hinsichtlich der Dokumentation der Ermessensentscheidung der Gemeindevertretung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Wegen des Entgeltcharakters der Kurabgabe und des Äquivalenzprinzips ist in aller Regel ein dem Nutzen für die Einwohner des Erhebungsgebietes entsprechender Anteil außer Ansatz zu lassen. Die gemeindlichen Kur- und Erholungseinrichtungen stehen als öffentliche Einrichtungen nicht nur ortsfremden Personen, sondern auch den Einwohnern des Erhebungsgebietes zur Verfügung, mögen diese die Einrichtungen auch in einem geringeren Maße nutzen, als es die Kurgäste typischerweise tun. Entsprechend regelt § 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2010 die Notwendigkeit der Berücksichtigung eines Eigenanteils. Ist danach in aller Regel bzw. – wie hier – satzungsrechtlich die Festlegung eines Eigenanteils geboten, liegt dessen Bestimmung der Höhe nach im weiten Ermessen des Satzungsgebers. Er hat sich dabei an den örtlichen Verhältnissen zu orientieren. Der kommunale Anteil muss nicht in der Satzung festgeschrieben werden, er kann sich auch aus den Kalkulationsunterlagen ergeben (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand: Juli 2013, § 11, Anm. 2.7.3 m.w.N.). Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass die Gemeindevertretung nachvollziehbare Erwägungen zur Höhe des Eigenanteils anstellt und diese dokumentiert (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 26.11.2014 – 1 K 14/11 –, juris, Rn. 38).

21

Diesen Anforderungen wird die „Gebührenkalkulation Kurabgabe 2010“ bzw. Beschlussfassung der Gemeindevertretung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf zum Abgabensatz ebenfalls nicht gerecht. Im vorliegenden Fall ist nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen schon nicht zu erkennen, ob die Vertretungskörperschaft der Antragsgegnerin überhaupt in eine Ermessensbetätigung über die Frage, ob und in welcher Höhe ein auf die Einwohner im Erhebungsgebiet entfallender Anteil vom ermittelten Aufwand abgesetzt werden soll, eingetreten ist. Erst recht fehlt es „folgerichtig“ an einer hinreichenden Dokumentation der notwendigen nachvollziehbaren Erwägungen.

22

Nach alledem kommt es auf die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, einen Eigenanteil von weniger als 10 v.H. könne die Gemeindevertretung im Sinne eines Mindestmaßes nicht ermessensfehlerfrei beschließen, nicht mehr an; hierauf haben die Kläger in ihrer Zulassungsantragsbegründung zutreffend hingewiesen. Demzufolge vermag das ausschließlich hierauf bezogene Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu wecken. Jedenfalls vermag der im Wesentlichen auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Gemeinde Ostseebad Heringsdorf abstellende Vortrag des Beklagten den Senat mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu veranlassen.

23

Ebenso wenig liegt danach der vom Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor, da sich wegen der schon aus vorstehend erörterten anderen Gründen ermessensfehlerhaften Bestimmung des Abgabensatzes in der Kurabgabensatzung 2010 die als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage nach einem „im Mindestmaß notwendigen Eigenanteil der Gemeinde an den berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten“ in einem Berufungsverfahren nicht mehr entscheidungserheblich stellen würde.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

25

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

26

Hinweis:

27

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 27. Januar 2010 – 3 A 194/09 – wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 777,81 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um den Beitrag für den Anschluss des klägerischen Grundstücks an das Schmutzwasserbeseitigungssystem des vom Beklagten vertretenen Zweckverbandes.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des 377 m² großen Grundstücks Flurstück .../..., Flur ..., Gemarkung V..., in der Gemeinde S..., das an die vom Zweckverband (ZWAR) betriebene Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 setzte der Beklagte gegen die Klägerin einen Schmutzwasserbeitrag zunächst i. H. v. 1.583,40 € fest. Auf ihren Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass sie bereits auf einen früheren Abwasserbeitragsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S... einen Betrag i. H. v. 1.575,60 DM (entspricht 805,59 €) gezahlt hatte, rechnete der Beklagte diesen Betrag an und reduzierte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2009 die Festsetzung auf 777,81 €. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

4

Am 23. Februar 2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. Januar 2010 – 3 A 194/09 – den Beitragsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Nach Zustellung des Urteils am 08. Februar 2010 hat der Beklagte am 04. März 2010 beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.

5

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

6

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

7

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

8

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a.a.O.).

9

Der Beklagte führt hierzu innerhalb der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags mit Schriftsatz vom 30. März 2010 aus, die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Schmutzwasserbeseitigungssatzung des Zweckverbands (Satzung 2008) sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nichtig, sie enthalte keine fehlerhafte und damit unwirksame Maßstabsregelung. Vielmehr sei die Verknüpfung in § 3 Abs. 5 lit. d) der Satzung 2008 durch das Wort „beziehungsweise“, hier abgekürzt mit „bzw.“, nicht unklar sondern hinreichend eindeutig; jedenfalls sei die Regelung im Wege der Norm erhaltenden Auslegung hinreichend verständlich. Sie sei zudem weitestgehend irrelevant und könne deshalb nicht zur (Gesamt)Nichtigkeit der Satzung führen. Es hätte auf die Vorgängersatzung zurückgegriffen werden müssen. Zwischenzeitlich sei die Satzungsregelung überarbeitet worden. Die Neufassung werde am 01. April 2010 den Vorstand des Zweckverbandes „passieren“ und sodann zeitnah, wohl am 21. April 2010, durch die Verbandsversammlung beschlossen werden. Vorsorglich hat der Beklagte beantragt die Zulassungsbegründungsfrist bis zum 30. April 2010 zu verlängern. Den Entwurf der neuen Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung hat er seinem Schriftsatz beigelegt. Mit Schriftsatz vom 22. April 2010 hat der Beklagte mitgeteilt, dass die neue Satzung am vorigen Tage wie vorgesehen durch die Verbandsversammlung beschlossen worden sei und im Internet veröffentlicht werde. Dieser Umstand sei jedenfalls im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu berücksichtigen. Der Verband sei schuldlos daran gehindert gewesen, die Verabschiedung und Veröffentlichung der Satzung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu bewerkstelligen.

10

Diese Ausführungen reichen nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach dem oben ausgeführten Maßstab zu begründen. Denn das Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Dem angefochtenen Bescheid fehlt es deshalb an einer wirksamen Rechtsgrundlage.

11

Dabei bedarf es keiner vertieften Auseinandersetzung des Senats mit den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts bezogen auf die Satzungsregelung in § 3 Abs. 5 lit. d) Satzung 2008 und den dagegen vorgebrachten Argumenten des Beklagten im Zulassungsantragsverfahren, da diese Satzung offensichtlich fehlerhaft und deshalb insgesamt unwirksam ist. Denn die Satzung 2008 legt – unabhängig von der erstinstanzlich problematisierten Regelung – in § 3 Abs. 4 lit. d) Satzung 2008 für Grundstücke, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, eine sog. qualifizierte Tiefenbegrenzung von 50 m fest. Diese Begrenzung ist jedoch offensichtlich nicht im Wege einer erforderlichen tatsächlichen Datenauswertung (vgl. zu den Anforderungen nur OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris; Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, KStZ 2011, 215 – 218, zit. nach juris) ermittelt worden. Eine solche letztlich „gegriffene“ Begrenzung ist rechtsfehlerhaft, selbst wenn der Beklagte davon ausgegangen sein mag, dass nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts für die Annahme, eine Tiefenbegrenzung von 50 m entspreche den örtlichen Verhältnissen, bereits eine tatsächliche Vermutung streite (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 30.03.2012 – 1 L 32/12 –, unveröffentl., mit Beteiligung des Beklagten) bzw. an die sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ des Verwaltungsgerichts Greifswald angeknüpft haben dürfte (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 23.04.2003 – 3 A 2934/99 –, juris: vgl. auch § 5 Abs. 1 Satz 4 LBauO M-V). Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, NordÖR 2011, 493 – 499, zit. nach juris). Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, KStZ 2011, 215 – 218, zit. nach juris; vgl. im Einzelnen zur Vorgehensweise OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris Rnr. 91-94).

12

Abgesehen von dem fehlerhaften Ansatz zur Bestimmung der Tiefenbegrenzung hat die später durchgeführte Datenermittlung und -auswertung auch zu einem deutlichen Unterschied der zu berücksichtigen Grundstückstiefe geführt. Wie der Beklagte selbst im Hinblick auf den Erlass der am 21. Juni 2012 neu beschlossenen Schmutzwasserbeitragssatzung (Satzung 2012) mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012 mitgeteilt hat, habe die Ermittlung der „sachgerechten“ Tiefe zu einem „völlig eindeutigen“ Ergebnis einer anzusetzenden Tiefe von 35 m geführt. Es ist deshalb ausgeschlossen, die festgelegte Tiefenbegrenzungslinie im Ergebnis für ermessensgerecht zu erachten.

13

Der danach festzustellende Verstoß von § 3 Abs. 4 lit. d) der Satzung gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Schmutzwasserbeitragssatzung. Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrunde zu legen. Dies kann dazu führen, dass eine Beitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht. Hier ist eine Fortgeltung der Schmutzwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, KStZ 2011, 215 – 218, zit. nach juris, auch zum Folgenden). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben. § 3 Abs. 4 lit. d) der Satzung könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde (vgl. § 3 Abs. 4 lit. c) der Satzung). Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 3 Abs. 4 lit. d) der Satzung als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, 30.06.2004 – 4 K 34/02 –, juris, Rn. 91) zu beanstanden.

14

Der Beklagte kann den angefochtenen Bescheid auch nicht auf die erst später in Kraft getretene Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. April 2010 (Satzung 2010) stützen (vgl. zu einem solchen Fall bezüglich einer Trinkwasserbeitragssatzung: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 14. Januar 2014 – 1 L 7/11 –, juris). Es kann hier dahinstehen, ob sich der Beklagte überhaupt auf die erst nach Ablauf der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags in Kraft getretene Satzung 2010 stützen kann. Denn diese Satzung 2010, die lediglich die vom Verwaltungsgericht erstinstanzlich beanstandete Regelung des § 3 Abs. 5 lit. d) der Satzung 2008 verändert, hat die vorstehend erörterte fehlerhafte Tiefenbegrenzungsreglung in § 3 Abs. 4 lit. d) Satzung 2008 unverändert – und offensichtlich ebenfalls ohne weitere Ermittlungen – übernommen und erweist sich schon deshalb ebenfalls als insgesamt nichtig.

15

Letztlich kann im vorliegenden Fall auch offen bleiben, ob die am 21. Juni 2012 beschlossene Schmutzwasserbeitragssatzung (Satzung 2012) eine rechtswirksame Tiefenbegrenzungsregelung enthält. Zwar hatte das Verwaltungsgericht Greifswald zunächst in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 23. August 2012 – 3 A 1656/09 – die Satzung 2012 noch als wirksam erachtet (so auch im Urteil vom 26. Juli 2012 – 3 A 1424/09 –) und erst in einem weiteren Parallelverfahren (Urteil vom 15. November 2012 – 3 A 684/10 –) als unwirksam beurteilt, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichts aufgrund der damals neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –) eine qualifizierte Tiefenbegrenzung als solche unzulässig sein solle. Dem ist das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Urteil vom 30. April 2014 – 1 L 80/12 – allerdings entgegen getreten und hat ausdrücklich eine qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung weiterhin für zulässig erachtet.

16

Ob die konkrete Tiefenbegrenzungsregelung in der Satzung 2012 einer rechtlichen Prüfung standhielte und die Nichtigkeit der vorherigen Satzungen zu „heilen“ vermöge, wie der Beklagte vorträgt, bedarf vorliegend keiner abschließenden Prüfung. Denn auf die Rechtsänderung durch die Satzung 2012 hat der Beklagte nicht rechtzeitig innerhalb der Frist zur Begründung seines Berufungszulassungsantrags sondern erst mit dem am 22. Juni 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hingewiesen. Die Satzung 2012 selbst hat der Beklagte sogar erst mit Schriftsatz vom 01. Juli 2014 abgereicht.

17

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 15.12.2003 – 7 AV 2/03, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 32, NVwZ 2004, 744; zit. nach juris) gebietet es der Zweck des Zulassungsverfahrens,

18

„auch solche Rechtsänderungen zu berücksichtigen, die erst nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten sind. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO öffnet den Zugang zur Rechtsmittelinstanz mit Blick auf das prognostizierte Ergebnis des angestrebten Rechtsmittels. Der Zulassungsgrund hat ebenso wie der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kein Vorbild im Recht der Revisionszulassung. Diese Zulassungsgründe sind auf das Berufungsverfahren zugeschnitten. Sie sollen Richtigkeit im Einzelfall gewährleisten; die maßgebliche Frage geht also dahin, ob die Rechtssache richtig entschieden worden ist. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will demgemäß den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. Das gilt für die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ebenso wie für die darauf bezogene Rechtsanwendung. Es kommt also nicht darauf an, ob das Verwaltungsgericht angesichts der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung richtig entschieden hat. Entscheidend ist vielmehr, wie das Berufungsgericht über den Streitgegenstand zu befinden hätte. Im Lichte dieses Zwecks sind im Zulassungsverfahren alle vom Antragsteller dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für den Erfolg des angestrebten Rechtsmittels entscheidungserheblich sein könnten (zu dem vergleichbaren Fall einer nachträglichen Änderung der Sachlage vgl. Beschluss vom 11. November 2002 - BVerwG 7 AV 3.02 - Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 31). Dazu gehören auch Rechtsänderungen, die erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingetreten sind, sofern nach materiellem Recht die neue Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgeblich ist. Zu berücksichtigen sind auch solche (dargelegten) Rechtsänderungen, die erst nach Ablauf der Frist eingetreten sind, innerhalb welcher der Antragsteller die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen hat. Ob ein (dargelegter) Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag. Maßgeblich ist allein, ob nach der Rechtslage in diesem Zeitpunkt das angefochtene Urteil den (dargelegten) ernstlichen Zweifel an seiner Richtigkeit begegnet. Der Ablauf der Frist für die Darlegung solcher Zweifel legt nicht den für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt fest. Das gilt auch in dem umgekehrten Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat etwa zu berücksichtigen, ob das angefochtene Urteil sich im Lichte einer inzwischen eingetretenen Rechtsänderung aus anderen Gründen als richtig darstellt und zunächst bestehende ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit damit beseitigt sind. Ob die Berufung nach der Sach- und Rechtslage im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt zuzulassen ist, hat das Oberverwaltungsgericht allerdings stets nur im Rahmen der rechtzeitig dargelegten Gründe zu beurteilen. Ist erst nach Ablauf der hierfür geltenden Frist eine Rechtsänderung eingetreten, kann der Antragsteller nicht mit Blick auf diese erstmals neue Zulassungsgründe geltend machen; die Rechtsänderung muss aus diesem Grund unberücksichtigt bleiben. Hat der Antragsteller hingegen mit Blick auf eine bevorstehende Änderung der Rechtslage vor Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt, steht der Berücksichtigung der späteren Rechtsänderung nicht entgegen, dass sie erst nach Ablauf der Frist, aber vor der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag eingetreten ist.“

19

Die Rechtsänderung durch die Satzung 2012 stand nicht im Sinne dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, bevor. Das Urteil wurde dem Beklagten am 08. Februar 2010 zugestellt, mithin lief die Begründungsfrist am 08. April 2010 ab. Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. März 2010 nur auf die bevorstehende Rechtsänderung durch die – allerdings ebenfalls unwirksame – Satzung 2010 hingewiesen. Dieser Hinweis erstreckt sich nicht auf alle späteren Rechtsänderungen, sondern nur auf die konkret bevorstehende (noch offen gelassen im Senatsbeschluss v. 19.11.2013 – 1 L 148/10 –, NordÖR 2014, 245). Das gilt umso mehr als nicht die Frage des materiell-rechtlichen Bestehens des streitgegenständlichen Anspruchs Kern der Zulassungsentscheidung ist, sondern die Überprüfung der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf der Grundlage der dargelegten Zulassungsgründe. Deswegen kann eine Rechtsänderung, die erst nach dem Ablauf der Begründungsfrist eintritt, auch nicht erstmals als neuer Zulassungsgrund geltend gemacht werden (so OVG NRW, Beschl. v. 17.10.2011 – 1 A 1731/08 –, juris; siehe auch BayVGH, Beschl. v. 10.01.2014 – 10 ZB 12.957 –, juris).

20

Eine Zulassung könnte allenfalls (ausnahmsweise) darüber hinaus (nur) dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aus einem anderen Grund insbesondere wegen einer nachträglichen Veränderung der Sach- und Rechtslage offensichtlich wäre (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, § 124a Rn. 50). Eine derartige Rechtmäßigkeit der Satzung quasi „auf den ersten Blick“ scheidet hier schon deshalb aus, weil die Rechtmäßigkeitsüberprüfung einer kommunalen Beitragssatzung mit Blick auf die Anforderungen an die Kalkulation, das Regelungssystem und das Verfahren komplex sind. Zudem hat der Beklagte weder eine Beitragskalkulation noch die Verfahrensakte bezüglich der Schmutzwasserbeitragssatzung vom 21. Juni 2012 abgereicht (vgl. zum Darlegungserfordernis auch Senatsbeschluss v. 19.11.2013 – 1 L 148/10 –, NordÖR 2014, 245).

21

Soweit der Beklagte (vorsorglich) beantragt hat, die Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags bis zum 30. April 2010 zu verlängern und ihm bei Nichtverlängerung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Begründungsfrist zu bewilligen, kam eine Verlängerung der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht in Betracht, weil diese in § 124a Abs. 4 Sätze 4 – 6 VwGO geregelte Frist – anders als die Berufungsbegründungsfrist aus § 124a Abs. 3 VwGO – von Gesetzes wegen nicht verlängerbar ist, da es hierfür an einer § 124 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Regelung fehlt. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlt es schon an einer Fristversäumung durch den Beklagten. Denn er hat innerhalb der Begründungsfrist seinen Antrag auf Zulassung der Berufung mit Schriftsatz vom 30. März 2010 rechtzeitig begründet. Darauf, dass die Änderung der Rechtslage erst nach Ablauf dieser Frist eingetreten ist und dass diese vom Beklagten unverschuldet sei, kommt es dann im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags nicht mehr an. Im Übrigen hat der Senat bereits von Amts wegen aus den oben ausgeführten Gründen und nach den genannten Maßstäben die im Zulassungsverfahren eingetretenen Tatsachen- und Rechtsänderungen zu berücksichtigen. Danach konnte das auf das Inkrafttreten der Satzung 2010 bezogene Vorbringen aus den genannten Gründen nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führen.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

23

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

24

Hinweis:

25

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

26

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Antrag der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Juni 2014 – 5 A 1678/13 As – wird abgelehnt.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens zu je 1/3.

Gründe

I.

1

Die Klägerin zu 1 wurde am 6. Dezember 1984 geboren. Sie gehört - so ihre Angaben vor dem Bundesamt - der Volksgruppe der Serben an und dem serbisch-orthodoxen Glauben. Sie ist nach Roma-Ritus mit dem Kläger des Parallelverfahrens 5 A1679/13 As / 1 L 143/14 verheiratet. Die Klägerinnen zu 2 und 3 sind die gemeinsamen Kinder des Ehepaares.

2

Am 18. Oktober 2013 beantragte die Klägerin zu 1 in der Bundesrepublik Deutschland die Anerkennung als Asylberechtigte. Am 21. Oktober 2013 wurde sie persönlich angehört. Insoweit wird auf Blatt 26 ff. des Verwaltungsvorganges verwiesen.

3

Durch Bescheid vom 23. Oktober 2013 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerinnen auf Anerkennung als Asylberechtigte ab. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 Aufenthaltsgesetz lägen gleichfalls nicht vor. Die Klägerinnen wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, und die Abschiebung wurde angedroht.

4

Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Asylantrag sei bei der persönlichen Anhörung im Wesentlichen damit begründet worden, die Klägerin zu 3 leide unter Epilepsie, seitdem sie im Alter von 11 Monaten eine Impfung erhalten habe. Die Ärzte hätten ihren Fehler nicht zugegeben. Außerdem habe es Probleme mit der Familie gegeben, diese sei gegen die Verbindung gewesen. Der Ehemann der Klägerin zu 1 sei häufig von ihren Brüdern verprügelt worden. Zuletzt habe man sie sogar zwingen wollen, sich zu trennen. Deshalb hätten sie sich entschieden, ins Ausland zu gehen.

5

Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 Abs. 1 Grundgesetz - GG - werde abgelehnt. Es bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz, was im Einzelnen ausgeführt wird. Bei einer Rückkehr nach Serbien hätten die Klägerinnen keine Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG oder § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz durch den Staat zu befürchten und auch keine schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt seien, was im Einzelnen ausgeführt wird. Vorliegend habe die Klägerin zu 1 ausschließlich auf den angeblich schon seit mehreren Jahren andauernden familiären Konflikt mit ihren serbischen Eltern bzw. Brüdern abgestellt. Letztlich seien die Klägerinnen auf entsprechende Beschwerdemöglichkeiten bei den Behörden zu verweisen. Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz lägen nicht vor. Auch dies wird im Einzelnen ausgeführt. Eine individuelle Gefahrenlage sei nicht glaubhaft gemacht worden. Es werde nicht verkannt, dass insbesondere die Lage der Roma in Serbien schwierig sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Situation in Serbien derart bedrohlich sei, dass alle Angehörigen der Volksgruppe der Roma keine Lebensgrundlage hätten, lägen nicht vor.

6

Die Klägerinnen haben am 29. Oktober 2013 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Klägerin zu 1 sei mit einem Angehörigen der Volksgruppe der Roma verheiratet. Die Verbindung werde von der Familie der Klägerin zu 1 nicht akzeptiert. Der Ehemann und auch die Klägerin zu 1 seien ständig von den Brüdern der Klägerin zu 1 verprügelt worden. Außerdem leide die Klägerin zu 3 (, geboren am 1. Oktober 2011) unter Epilepsie, seitdem sie geimpft worden sei. Diese Erkrankung werde seitens der Ärzte in Serbien bestritten, um Fehler zu vertuschen, sodass keine ordnungsgemäße Behandlung gewährleistet sei.

7

Am 27. Mai 2014 ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2014 geladen worden, unter anderem mit dem Hinweis, dass das persönliche Erscheinen der Klägerinnen ratsam sei und dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Zur mündlichen Verhandlung ist nur der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen erschienen und hat zur Sache verhandelt.

8

Er hat beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2013 zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigte anzuerkennen und zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit § 3 Asylverfahrensgesetz vorliegen,

10

hilfsweise

11

die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes im Sinne § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit § 4 Asylverfahrensgesetz und § 60 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz festzustellen,

12

weiter hilfsweise

13

die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustellen.

14

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Das Verwaltungsgericht hat am 24. Juni 2016 die mündliche Verhandlung geschlossen und beschlossen, dass die Entscheidung - anstelle einer Verkündung - schriftlich zugestellt werde.

17

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 24. Juni 2014, in seiner Vollfassung am 26. Juni 2014 zur Serviceeinheit verfügt und dort am 30. Juni 2014 eingegangen, die Klage abgewiesen. Zur weiteren Begründung wird auf die Urteilsgründe (69 ff. Gerichtsakte) verwiesen.

18

Das vollständige Urteil ist am 3. Juli 2014 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers abgesandt und ihm am 8. Juli 2014 zugestellt worden.

19

Bereits am 26. Juni 2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Begründung ist vorgetragen worden, der Prozessbevollmächtigte habe die Ladung postalisch an die Klägerinnen weitergeleitet. Die Ladung habe diese im Asylbewerberwohnheim ersichtlich nicht erreicht. In einem Schreiben vom 24. Juni 2014 habe der Ehemann der Klägerin zu 1 (Kläger im Parallelverfahren) versichert, keine Ladung per Brief erhalten zu haben. Das persönliche Erscheinen der Kläger im Verhandlungstermin wäre ratsam gewesen, zumal die Kläger als leibliche Eltern ihrer Tochter am besten wissen müssten, wie der aktuelle Gesundheitszustand der Klägerin zu 3 (Tochter ) sei und ob dieser nach ihren Erkenntnissen der Sachlage in Serbien tatsächlich behandelbar sei. Die Kläger hätten gegenüber dem Gericht schildern können, welche „faktischen Hürden sie vorgesetzt bekämen“, um überhaupt eine Behandlung in Serbien bezüglich der Klägerin zu 3 erfahren zu können. Deswegen würde eine Behandlung der Klägerin zu 3 in Serbien nicht durchgeführt werden. Die Kläger könnten in einem Fortsetzungstermin zur mündlichen Verhandlung substantiiert darlegen und Beweis dafür anbieten.

20

Durch Beschluss vom 30. Juni 2014 hat das Verwaltungsgericht die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung im Verfahren 5 A 1678/13 As abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zum einen seien die Kläger zu der mündlichen Verhandlung über ihren Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß geladen worden. Es obliege der Klägerseite, wie die Kläger persönlich durch den Prozessbevollmächtigten über den Gang des Verfahrens informiert würden. Wenn der Prozessbevollmächtigte - wie hier - einen einfachen Brief verwende, falle das Risiko der Nichtbenachrichtigung in die Sphäre der Kläger. Zum anderen weise der Prozessbevollmächtigte zutreffend darauf hin, dass in der Ladung darauf hingewiesen worden sei, dass das Erscheinen des Klägers ratsam sei. Gleichwohl sei das Erscheinen der Kläger entbehrlich, denn das Gericht habe vorliegend auch ohne das persönliche Erscheinen der Kläger entscheiden können. So hätten die Kläger auch mit dem Antrag auf Fortsetzung der mündlichen Verhandlung keine neuen/anderweitigen Gründe geltend bzw. glaubhaft gemacht.

21

Am 17. Juli 2014 haben die Klägerinnen beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:

22

Die Berufung sei zu zulassen, da der Ausgang des Verfahrens von einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhänge. Insoweit liege eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vor. Darüber hinaus werde ein Verfahrensmangel in Gestalt der Verletzung rechtlichen Gehörs geltend gemacht, der vorliege und auf dem die Entscheidung beruhe.

23

Klärungsbedürftig und klärungsfähig sei im vorliegenden Verfahren die Rechtsfrage:

24

„Ist es dem erstinstanzlichen Gericht nach Verkündung eines Urteils noch erlaubt, über einen Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens gemäß § 104 VwGO in demselben Verfahren zu beschließen?"

25

Die Klägerinnen hätten einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt worden sei. Hiergegen hätten sie form- und fristgerecht Klage erhoben. Mit der Ladung vom 26. Mai 2014 sei unter anderem auch die Klägerin zu 1 zum Termin am 24. Juni 2014 geladen worden. Wie im Schriftsatz vom 25. Juni 2014 durch den Ehemann der Klägerin zu 1 vorgetragen worden sei, hätten die Kläger diese Ladung nicht erhalten. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen werde auf diesen Schriftsatz verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hätten die Klägerinnen noch Weiteres zu der Erkrankung der Klägerin zu 3 (Tochter ) vortragen können und unter anderem das Attest der behandelnden Ärztin Dr. G. vom 26. Juni 2014 im Vorfeld besorgen und vorlegen können. Entscheidend sei, dass die Klägerin zu 1 im Termin zur Verhandlung nicht zugegen gewesen sei und auch keine Kenntnis von dem Termin gehabt habe. Aus diesem Grunde sei der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens bzw. der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Mit Beschluss vom 30. Juni 2014 habe das Verwaltungsgericht darüber entschieden und den Antrag vom 25. Juni 2014 abgelehnt; über das Hauptsacheverfahren sei jedoch bereits mit Urteil vom 24. Juni 2040 entschieden worden.

26

Dadurch sei der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz verletzt. Das Gericht habe bereits eine Endentscheidung in Gestalt des Urteils vom 24. Juni 2014 in der Sache gefällt, daher sei für das Gericht das Verfahren abgeschlossen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 VwGO komme somit nicht in Betracht, zumal dann das Gericht sein eigenes Urteil aufheben müsste. Es sei dem Gericht nach hiesiger Rechtsauffassung untersagt, über den Antrag auf Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bzw. richtigerweise auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung eine Sachentscheidung zu treffen, wenn das Hauptsacheverfahren in dieser Instanz bereits abgeschlossen sei. Über diese Rechtsfrage sei bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden worden, weswegen dieser Rechtsfrage klärungsbedürftig und auch klärungsfähig sei.

27

Die Berufung sei zuzulassen, da der Anspruch auf rechtliches Gehör zulasten der Klägerinnen verletzt sei. Vor dem Verwaltungsgericht sei erstinstanzlich vorgetragen worden, dass der Ehemann aus Serbien stamme und Volksangehöriger der Volksgruppe der Roma sei. Bereits vor dem Bundesamt sei darauf hingewiesen worden, dass insbesondere die minderjährige Tochter (Klägerin zu 3) schwer erkrankt sei. Sie habe in Serbien immer wieder epileptische Anfälle bekommen. Aus diesem Grunde sei sie in Serbien regelmäßig beim Arzt gewesen. Die Klägerinnen hätten ferner dargelegt, dass oftmals die Brüder der Klägerin zu 1 ihren Ehemann und auch sie selbst zusammengeschlagen hätten, da sie den Kontakt der Ehegatten miteinander nicht wollten. Etwaige Anzeigen und sonstige Hilferufe gegenüber der Polizei hätten zu keinem Erfolg geführt, da die Polizei Volksangehörigen der Roma nicht helfe. Die Polizei habe keine Ermittlungen gegen die Brüder der Klägerin zu 1 durchgeführt. In Serbien würde die Klägerin zu 3 faktisch medizinisch nicht bzw. nur so schlecht behandelt, dass sie damit Gefahr laufe, wenigstens körperliches Leid, wenn nicht sogar den Tod zu erfahren. So werde auf die oben genannte ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. G. vom 26. Juni 2014 hingewiesen, wonach die Klägerin zu 3 mindestens in den nächsten vier Jahren dauerhafte medikamentöse Behandlung und entsprechende Überwachung mit EEG-Kontrolle benötige. Diese EEG-Kontrollen würden jedoch in Serbien nicht durchgeführt werden können. Wie aus den Epikrisen vom 24. Juni 2014, jeweils erstellt durch die Helios Klinikum Schwerin, deutlich werde, seien die Eltern von ständig mit ihrer Behandlung beschäftigt. Es handele sich daher um eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung, die einer ständigen Behandlung bedürfe. Durch die Ablehnung der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung habe das Verwaltungsgericht - trotz Beantragung - die Kurzepikrise der Helios Klinik bezüglich der Klägerin zu 3 nicht berücksichtigt. Es sei somit nicht berücksichtigt worden, dass vom heutigen Stand aus eine dauernde medizinische Betreuung auf höchstem Standard notwendig sei, um das Leben der Klägerin zu 3 weiter zu sichern. Das Urteil beruhe daher auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs.

28

Die Klägerinnen beantragen,

29

die Berufung zuzulassen.

30

Die Beklagte tritt dem Vorbringen entgegen und beantragt,

31

den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.

II.

32

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

33

Nach § 78 Asylgesetz - AsylG - bedarf die Berufung der Zulassung; sie ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), ein Divergenzfall nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG vorliegt oder ein in § 138 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Keiner der drei Zulassungsgründe greift hier ein.

34

Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

35

1. Ein Fall der Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist von den Klägerinnen weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich.

36

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Denn der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist schon nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wären Darlegungen (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dazu erforderlich gewesen, dass die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die sich im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich stellt und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist. Hierzu gehört, dass die klärungsbedürftige konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargestellt wird, woraus sich die grundsätzliche Bedeutung dieser speziellen Rechtsfrage ergibt.

37

Die Klägerinnen sehen als klärungsbedürftig und klärungsfähig im vorliegenden Verfahren die Rechtsfrage an:

38

„Ist es dem erstinstanzlichen Gericht nach Verkündung eines Urteils noch erlaubt, über einen Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens gemäß § 104 VwGO in demselben Verfahren zu beschließen?"

39

Diese Rechtsfrage kann nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein, weil sie sich im vorliegenden Fall so nicht stellt. Es fehlt somit an der (Darlegung der) Entscheidungserheblichkeit der o. g. Fragen.

40

Im vorliegenden Fall ist kein Urteil „verkündet“ worden, vielmehr hat das Verwaltungsgericht beschlossen, das Urteil an Verkündung statt zuzustellen (§ 116 Abs. 2 VwGO). Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (Einzelrichter) nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2014 sich noch in keiner Weise selbst gebunden hat (vergleiche Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage, § 116 Rn. 3). Die Bindungswirkung tritt erst ein, wenn das Gericht sich der Entscheidung „entäußert“ hat (Schenke, a.a.O.). Das bedeutet, die Entscheidung muss die Serviceeinheit (Geschäftsstelle) mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen haben, den Beteiligten bekannt gegeben zu werden (Aussprung in: Roos/Warendorf, SGG, 2014, § 125 Rn. 97 mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Dies war vor dem 30. Juni 2014 noch nicht der Fall. Aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Vortrag der Klägerseite, der nach der mündlichen Verhandlung, aber vor Eintritt der Selbstbindung für das Gericht dort eingegangen ist, berücksichtigt, (und berücksichtigen müssen). Dabei sieht der Senat nicht als entscheidungserheblich an, ob nach Schluss der mündlichen Verhandlung später bekannt werdende Tatumstände ausschließlich im Urteil selbst oder - wie hier - ergänzend in einem gesonderten, zeitgleich ergehenden Beschluss niedergelegten werden.

41

Schließlich ist weder ein Verfahrensmangel im Sinne eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO) hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), noch läge ein solcher Verstoß in der Sache vor.

42

Die Klägerinnen haben nicht substanziiert vorgetragen, dass ein vorgetragener Umstand vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden ist. Wie bereits oben ausgeführt, enthält das Urteil selbst Ausführungen dazu, dass kein Abschiebungsverbot bestehe (Seite 9 ff. des Urteils). Darüber hinaus setzt sich das Verwaltungsgericht mit dem Inhalt des klägerischen Schriftsatzes vom 25. Juni 2016 auseinander und würdigt das diesbezügliche Vorbringen. Dies ist, wie oben ausgeführt, zulässig und auch geboten, weil das Verwaltungsgericht nach Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht an seine Entscheidung gebunden war. Damit ist für den Senat kein Vorbringen der Klägerseite ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt haben könnte. Wenn sich die Klägerinnen dagegen wenden, dass das Verwaltungsgericht in dem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 25. Juni 2014 keine neuen oder anderweitigen Gründe gesehen habe, ist dies eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die aber allein nicht die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann. Es ist aber nach dem Verfahrensstand, wie er sich dem Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung gestellt hat, nicht ersichtlich, dass die diesbezüglichen rechtlichen Aussagen des Verwaltungsgerichts inhaltlich unzutreffend sein könnten.

43

Der Verstoß gegen das rechtliche Gehör wird auch nicht dadurch hinreichend dargelegt, dass - noch während der Darlegungsfrist von einem Monat (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) - die ärztliche Stellungnahme von Frau Dr. G. vom 26. Juni 2014 und das Anschreiben der Klägerseite vom 4. Juli 2014 eingegangen sind. Dort wird lediglich ärztlicherseits bescheinigt, dass die Klägerin zu 3 mit dem Medikament Valproat, das sie erhalte, gut eingestellt sei und von ihrem Entwicklungsstand deutlich aufgeholt und sich gut entwickelt habe. Während der Zulassungsfrist ist weder ärztlicherseits bescheinigt noch substanziiert vorgetragen worden, dass dieses Antiepileptikum, das von zahlreichen Herstellern vertrieben wird, in Serbien nicht verfügbar sei. Auch die Notwendigkeit einer Überwachung durch die Elektroenzephalografie (EEG), eine Methode der medizinischen Diagnostik und der neurologischen Forschung zur Messung der summierten elektrischen Aktivität des Gehirns durch Aufzeichnung der Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche, wird seitens des Klägers zwar behauptet, ärztlicherseits wird aber die medizinische Notwendigkeit dieser Diagnostik, z. B. zur Verlaufskontrolle, wohl nicht attestiert; jedenfalls sind nicht dargelegt, dass in Serbien eine EEG-Kontrolle nicht möglich ist.

44

Auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das Verwaltungsgericht ist weder hinreichend dargelegt noch liegt sie vor.

45

Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung bzw. weiteren Maßnahmen im Rahmen der Amtsermittlung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich auch nicht aufdrängen. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Die Aufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, erforderliche förmliche Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter unterlassen hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 17.06.2008 – 3 B 120.07 –, juris; Beschl. v. 21.02.2008 – 5 B 122.07 –, juris; Beschl. v. 22.03.2006 – 4 B 15.06 –, juris; Beschl. v. 10.10.2001 – 9 BN 2.01 –, NVwZ-RR 2002, 140 – zitiert nach juris; Beschl. v. 23.06.2010 – 3 B 89.09 –, RdL 2010, 260 – zitiert nach juris; vgl. auch OEufach0000000005, Beschl. v. 27.08.2008 – 1 L 155/06 –).

46

Einen wie auch immer gearteten förmlichen Beweisantrag haben die anwaltlich vertretenen Klägerinnen ausweislich des Protokolls über die mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht nicht gestellt. Der Prozessbevollmächtigte hat zur Sache verhandelt und lediglich einen Sachantrag gestellt. Bei dieser Ausgangslage musste sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu ermitteln, nicht aufdrängen.

47

Dies gilt in gleicher Weise auch für die Gründe, die mit dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind. Auch im diesbezüglichen Schriftsatz vom 25. Juni 2014 bleibt der Vortrag der Klägerseite im Ungewissen und weist keinerlei Substanz auf. Es ist von „faktischen Hürden“ die Rede, die einer Behandlung der Klägerin zu 3 vorgesetzt würden. Die Klägerseite schreibt im genannten Schreiben selbst, dass sie in der mündlichen Verhandlung den diesbezüglichen Vortrag substanziieren und dafür Beweis anbieten könnte. Dies kann aber lediglich als ungewisse Ankündigung angesehen werden. In dem Stadium, in dem sich das Verfahren am 25. Juni 2016 befunden hat, d. h. nach Schluss der mündlichen Verhandlung, hätten die Klägerinnen sich in deutlicher Weise rechtliches Gehör verschaffen müssen: Es wäre in diesem Stadium zwingend geboten gewesen, bereits im Schriftsatz vom 25. Juni 2014 substanziiert darzulegen, aus welchen Gründen genau eine Behandlung der Klägerin zu 3 in Serbien nicht möglich sein solle und einen förmlichen Beweisantrag schriftsätzlich formuliert anzukündigen.

48

Wenn seitens der Klägerinnen vorgetragen wird, bei der Erkrankung der Klägerin zu 3 handele es sich um eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung, die einer ständigen Behandlung bedürfe, zudem habe das Verwaltungsgericht die Kurzepikrise der Helios Klinik bezüglich der Klägerin zu 3 nicht berücksichtigt und es sei somit nicht berücksichtigt worden, dass vom heutigen Stand aus eine dauernde medizinische Betreuung auf höchstem Standard notwendig sei, um das Leben der Klägerin zu 3 weiter zu sichern, so liegt darin keine hinreichende Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das Verwaltungsgericht hat alle Unterlagen, die zu den Gerichtsakten gelangt sind, zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Wie bereits ausgeführt, kann die Zulassung der Berufung nicht auf eine eventuell unzutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht gestützt werden.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Hinweis:

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Mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.