Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Urteil, 5. Mai 2021 - 3 B 94.18

ECLI: ovgbebb
originally published: 22/11/2021 17:08, updated: 25/11/2021 16:07
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Urteil, 5. Mai 2021 - 3 B 94.18
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Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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OBERVERWALTUNGSGERICHT

BERLIN-BRANDENBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

OVG 3 B 94.18                                                                                                                     Verkündet am 5. Mai 2021

VG 8 K 661.16 A Berlin Bochum

als. Urkundsbeamter d e r

Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

des Herrn ..., geb. ....1992,

... Berlin,

Klägers und Berufungsbeklagten,

bevollmächtigt:

Rechtsanwälte Streifler & Kollegen,

Wilhelmstraße 46, 10117 Berlin,

 

gegen

 

die Bundesrepublik Deutschland,

vertreten durch das Bundesministerium de s Innern, für Bau und Heimat,

dieses vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Referat Prozessführung,

Frankenstraße 210, 90461 Nürnberg,

Beklagte und Berufungsklägerin,

 

hat der 3. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2021 durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht von Lampe für Recht erkannt:

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Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der aus Syrien stammende, 1992 in Damaskus geborene Kläger ist sunnitischer Religions- und arabischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anstelle subsidiären Schutzes.

Der Kläger hat Syrien eigenen Angaben zufolge Anfang 2012 verlassen und hat anschließend drei Jahre in Saudi—Arabien verbracht, zunächst m i t e i n e m Besuchs- und anschließend mit einem Arbeitsvisum für eine Tätigkeit als Sekretär in einer Anwaltskanzlei. Als das Visum nach drei Jahren nicht mehr verlängert wurde, sei er über die Türkei nach Deutschland gereist und dort im September 2015 angekommen. Nach seiner Asylantragstellung im November 2015 erklärte er anlässlich seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, er sei 2012 wegen des Krieges und des drohenden Militärdienstes und einer drohenden Verhaftung wegen seines Fernbleibens vom Militär aus Syrien ausgereist. Er habe nicht im Krieg sterben und niemand töten wollen. Bei einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, wegen des Fernbleibens von der Armee getötet z u werden oder Militärdienst leisten zu müssen.

Mit Bescheid vom 13. September 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Mangels Verfolgung komme die Zuerkennung der Flüchtlings-

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eigenschaft nicht in Betracht. Mit seiner bei dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, begehrt und geltend gemacht, Grund für die Ausreise aus Syrien sei die Einberufung zum Militärdienst gewesen. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 8. Februar 2018 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich Verfolgung, weil er sich durch die Ausreise ins westliche Ausland seinem Wehrdienst entzogen und damit aus Sicht des syrischen Staates eine oppositionelle Haltung zum Ausdruck gebracht habe.

Die Beklagte hat ihre wegen nachträglicher Divergenz zugelassene Berufung zunächst unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Berufungszulassungsverfahren sowie den Zulassungsbeschluss des Senats begründet. Nach der Änderung der Senatsrechtsprechung macht sie im Wesentlichen geltend: Wie die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung ganz überwiegend zeige, rechtfertige das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. November 2020 — C-238/19 — keine Änderung der bisherigen Rechtsprechung. Den Urteilen des OVG Berlin—Brandenburg vom 29. Januar 2021 könne nicht gefolgt werden. Es bleibe bei einer Einzelfallprüfung ohne Automatismus einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das syrische Regime sehe Wehrdienstentziehung als solche für sich genommen noch nicht als oppositionelle Haltung an und sanktioniere sie vor allem nicht mehr mit einer Bestrafung.

Die Beklagte beantragt,

                  das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

                  die Berufung zurückzuweisen.

 

Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und macht geltend, dass er bei einer Rückkehr entweder sofort umgebracht oder zum Militär eingezogen würde, was er verweigern würde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte und die von der Beklagten und der Ausländerbehörde übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Beklagten, über die die Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 3 VwGO im Hinblick auf das von den Beteiligten erklärte Einverständnis an Stelle des Senats entscheidet, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend verpflichtet, dem Kläger über den bereits zuerkannten subsidiären Schutz hinaus die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, denn der Kläger hat darauf einen Anspruch, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begründete Furcht vor Verfolgung wegen eines dort genannten Grundes voraus. Ob dies vorliegt, bedarf der Prognose mittels einer qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 -— 10 C 23/12 —juris Rn. 32 m.w.N.). Maßgeblich für die hier zu treffende Entscheidung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AslyG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch das OVG (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 — 10 C 23/12 —juris Rn. 12). Eine Abweichung hiervon ist weder aus Gründen des materiellen Rechts noch im Hinblick auf vorrangiges Unionsrecht geboten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 — 1 C 35/19 — juris Rn. 9).

Gemessen daran droht dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer - wegen des zuerkannten subsidiären Schutzes nur hypothetischen - Rückkehr als Wehrdienstpflichtiger, der sich der Ableistung des Wehrdienstes in Syrien entzogen hat, begründete Furcht vor Verfolgung nach § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 AsylG durch das syrische Regime. Zu den flüchtlingsrelevanten Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG kann gemäß dem Regelbeispiel in § 3 a Abs. 2 Nr. 5 AsyIG die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Ver-

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weigerung des Militärdienstes in einem Konflikt zählen, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsyIG fallen. Dies hat der Senat für syrische Wehrdienstentzieher mit Urteilen vom 29. Januar 2021 (- OVG 3 B 109.18 -, - OVG 3 B 108.18 - und - OVG 3 B 68.18 -‚ alle juris) bejaht. Auf diese Urteile wird Bezug genommen, insbesondere auf die Verfahren OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 17ff. und OVG 3 B 68.18 - juris Rn. 22 ff. An ihnen wird auch im Hinblick darauf festgehalten, dass zwischenzeitlich obergerichtliche Rechtsprechung ergangen ist, die zu einem anderen Ergebnis gelangt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A - juris und OVG Lüneburg, Urteil v o m 2 2 . April 2021 — 2 L B 408/20 —, zu dem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung nur die in juris veröffentlichte Pressemitteilung bekannt war).

Der Tatbestand des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG - insbesondere die dort vorausgesetzte Verweigerung des Militärdienstes.. verlangt grundsätzlich nicht, dass der Wehrpflichtige vor der Ausreise seine ablehnende Haltung gegenüber der Militärverwaltung förmlich zum Ausdruck bringt und sich dadurch einer Bestrafung oder Strafverfolgung aussetzt, wenn das Recht des Herkunftsstaates kein Verfahren vorsieht, das eine Verweigerung des Militärdienstes ermöglicht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - juris Rn. 32). Dies bedeutet zugleich, dass eine ausdrückliche Ablehnung des Wehrdienstes nicht erforderlich ist (anders noch OVG Münster, Urteil vom 4 . Mai 2017 - 14 A 2023/16.A - juris Rn. 95, das den Begriff vom Wortlaut her auslegt). Es reicht vielmehr grundsätzlich aus, dass der Betroffene aus seinem-Herkunftsland flieht, ohne sich der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen, weil er den Wehrdienst nicht leisten möchte (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 — juris Rn. 32). Gemessen daran kann einem Schutzsuchenden, der sich auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG beruft, grundsätzlich auch nicht allein entgegengehalten werden, er sei noch kein Militärangehöriger (noch offen gelassen BVerwG, Beschluss vom 7. November 2019 - 1 B 77/19 - juris R n . 6 ; Urteil v o m 22. M a i 2 0 1 9 — 1 C 10/18 - juris Rn. 22; verneint OVG Hamburg, Urteil vom 1. Dezember 2020 — 4 Bf 205/18.A — juris Rn. 72), oder er habe noch keinen Einberufungsbefehl erhalten.

Schließlich erfordert der Tatbestand der Verweigerung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsyIG kein bestimmtes Motiv des Wehrdienstpflichtigen für seinen fehlenden

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Willen, Wehrdienst unter den dort genannten Rahmenbedingungen zu leisten. Maßgeblich ist insoweit, dass die Verweigerung das einzige Mittel darstellen muss, das es dem Betroffenen erlaubt, der Beteiligung an Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zu entgehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 — C—238/19 - juris Rn. 27). Dies reicht als Motivation aus. Ungeachtet dessen kann der Grund für die Verweigerung eine Rolle bei der Frage nach der Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund spielen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 — C-238/19 – juris Rn. 47 ff.).

 

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Schutzsuchender den Militärdienst im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG verweigert hat, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 — C—238/19 — juris Rn. 31). Danach gilt hier folgendes:

Die in Art. 46 Abs. 1 der Verfassung der Arabischen Republik Syrien normierte Wehrpflicht erfasst grundsätzlich alle syrischen Männer ab 18 Jahren. Sie unterIiegen der Wehrpflicht in der Syrischen Armee bis zum 42. Lebensjahr und müssen sich nach der Ableistung des Wehrdienstes als Reservisten bereithalten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt Syrien, zuletzt aktualisiert am 17. Oktober 2019, S. 39; SFH , Auskunft der Länderanalyse vom 23. März 2017, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion, S. 4 f.; vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht Syrien vom 4. Dezember 2020, S. 13).

Eine Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen war und ist – ebenso wie ein Ersatzdienst - grundsätzlich ausgeschlossen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S. 14).

 

Der Militärdienst soll 18 bis 21 Monate dauern (Danish Immigration Service, Syria: Military Service, Mail 2020, S. 16 und 18). Seit Beginn des Bürgerkriegs gab es jedoch keine einheitliche Praxis und das Ende war oft nicht vorhersehbar (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen SFH, Auskunft der Länderanalyse vom 23. März 2017, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion, S. 5 f.). Vielfach mussten die Einberufenen über mehrere - zum Teil acht oder neun — Jahre hinweg im Bürgerkrieg dienen (EASO, Country Guidance: Syria. Common analysis and

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guidance note, September 2020, S. 64). Auch derzeit hängt die Dauer des Wehrdienstes von verschiedenen Umständen a b ; es fehlt - trotz der erfolgten Entlassungen aus der Armee — noch immer an einer für alle Wehrdienstleistenden einheitlichen Praxis (dazu im Einzelnen Danish lmmigration Service, Syria: Military Service, M a i 2 0 2 0 , S . 1 6 f.).

Die Modalitäten der Rekrutierung lassen sich wie folgt beschreiben: Die Einberufung erfolgt, sobald ein Mann wehrpflichtig wird (Danish Immigration Service, Syria: Military Service, Mai 2020, S. 11). Männer, die 18 Jahre alt geworden sind, müssen sich für den Militärdienst registrieren lassen bzw. im zuständigen Rekrutierungsbüro zur Musterung melden. Dort erhalten sie ihr Militärbuch (vgl. VGH München, Urteil vom 21. September 2020 — 21 B 19.32725 — juris Rn. 28; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, Auskunft vom 30. Juli 2014, S. 1, S. 5). Es fanden zweimal jährlich, nämlich im März/April und im Oktober Termine zu Einberufungen statt, wobei aus den Erkenntnissen nicht ganz klar hervorgeht, ob diese Einberufungsrunden nur für Studenten galten (vgl. dazu Danish Immigration Service, Syria, Update on Military Service, September 2015, S. 11, SFH, Syrien: Rekrutierung durch d i e Syrische Armee, Auskunft v o m 30. Juli 2014, S. 5; vgl. auch SFH, Syrien: Vorgehen der syrischen Armee bei der Rekrutierung, Auskunft vom 18. Januar 2018, S. 4).

Jedenfalls erfolgte eine Einberufung entweder, indem ein Bescheid des Rekrutierungsbüros - nicht zwingend persönlich — überstellt wurde, oder aber durch öffentliche Aufrufe in den Medien. Teilweise wurden auch Listen an Checkpoints weitergegeben (vgl. zu allem Danish Immigration Service, Syria, Update on Military Service, September 2015, S. 11; s. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Fact Finding Mission Report, Syrien, August 2017, S. 24).

Gemessen daran hat der Kläger den Wehrdienst verweigert. Er hatte — was auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt hat — nach der Überzeugung des Gerichts in Syrien vor seiner Ausreise noch keinen Wehrdienst geleistet. Zu diesem Zeitpunkt unterlag er der Wehrpflicht und ist vor einer Einziehung ausgereist. Dadurch hat sich der Kläger der Ableistung des Wehrdienstes endgültig entzogen.

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Unabhängig davon Iiegt eine Wehrdienstverweigerung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG auch dann vor, wenn sich der Wehrpflichtige dem Wehrdienst unter Verstoß gegen die insoweit geltenden Vorschriften entzieht und der Herkunftsstaat deshalb von einer Wehrdienstverweigerung ausgeht. Das ist hier der Fall. Das syrische Regime sieht wehrpflichtige Männer, die ihrer Pflicht zur Wehrdienstleistung nicht nachgekommen sind, grundsätzlich als Wehrdienstverweigerer an. Dies verdeutlichen auch die seit 2011 bis in die jüngste Zeit erlassenen, noch näher darzustellenden Amnestiedekrete, die - jedenfalls in formaler Hinsicht – eine Straffreiheit für Wehrdienstverweigerer normieren. Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis, denn er ist im wehrpflichtigen Alter aus Syrien ausgereist, ohne den Wehrdienst in Syrien geleistet oder sich bei der syrischen Wehrverwaltung gemeldet zu haben. Zuletzt hat er im gerichtlichen Verfahren angegeben, dass er keinen Wehrdienst leisten wolle.

Abgesehen davon ist eine Verweigerung des Wehrdienstes hier ferner auch deshalb zu bejahen, weil der 1992 geborene und damit noch immer im wehrpflichtigen Alters befindliche Kläger im gerichtlichen Verfahren zur Überzeugung des Gerichts deutlich gemacht hat, dass er bei einer - unterstellten - Rückkehr nach Syrien (weiterhin) nicht bereit wäre, Wehrdienst zu leisten, es mithin zu einer (erneuten) Wehrdienstverweigerung gegenüber dem syrischen Regime käme.

Wie der Senat in den bereits angeführten Urteilen vom 29. Januar 2021 im Einzelnen dargelegt hat, besteht für Wehrpflichtige in Syrien keine andere zumutbare Möglichkeit, sich der Ableistung des Militärdienstes zu entziehen. Namentlich können Wehrdienstpflichtige nicht auf die Möglichkeit eines „Freikaufs“ verwiesen werden, der grundsätzlich auch für im Ausland lebende Syrer gegen Zahlung von 8.000 US-Dollar möglich sein soll, wobei sich der Betrag bei Verlängerung oder Versäumung der hierfür gegebenen engen Fristen erhöht, weil deren Umsetzung in der Praxis zu ungewiss bleibt und nicht ohne weiteres vor einer späteren Zwangsrekrutierung schützt (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 34 ff.; Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 68.18 — juris Rn. 38 ff.). Bisherige Amnestien des syrischen Regimes waren nicht mit einer Befreiung von der Wehrpflicht verbunden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 — juris Rn. 41.; Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 68.18 - juris Rn. 46 f.) und könnten dem Kläger auch angesichts

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ihrer inhaltlichen Regelungen und ihrer mangelnden Umsetzung nicht entgegengehalten werden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 _- OVG 3 B 68.18 - juris Rn. 47 und Rn. 95 ff.). Weitere Ausnahmen sind nicht ersichtlich (vgl. dazu OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 68.18 - juris Rn. 48 f.).

Der syrische Staat verhängt gegenüber Rückkehrern, die sich der Ableistung des Wehrdienstes entzogen haben, auch aktuell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit strafrechtliche Sanktionen oder bestraft sie sonst im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (dazu im Einzelnen OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 68.18 - juris Rn. 50-61). An dieser Bewertung der Erkenntnislage ist auch angesichts der gegenteiligen Einschätzung des OVG Münster festzuhalten. Das Gericht stützt sich dafür weiterhin maßgeblich - wenn auch nicht ausschließlich - auf den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. Dezember 2020, dem es mit Blick auf seine Funktion, Entscheidungsgrundlage bzw. —hilfe für die Innenministerkonferenz und in Asylverfahren zu liefern, sowie seine Erstellung auf Grundlage umfangreicher Kontaktarbeit besonderes Gewicht beimisst (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 51). Danach müssen geflüchtete Syrer, die den Wehrdienst verweigert haben, bei einer Rückkehr nicht nur mit einer Zwangsrekrutierung rechnen, sondern ihnen drohen auch zeitweilige Inhaftierungen oder dauerhaftes „Verschwinden“, die im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Wehrdienst stehen können. Rückkehrer im wehrpflichtigen Alter (18 bis 42 Jahre) werden dem Lagebericht zufolge in der Regel zum Militärdienst eingezogen, teilweise im Anschluss an eine mehrmonatige Haftstrafe „wegen Desertion“ (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S . 14 und S . 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 50). Die Interpretation des OVG Münster, dass „nur bei Desertion Haftstrafen drohten" (OVG Münster, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A - juris Rn. 70 f., 99), trägt weder dem Wortlaut des Lageberichts noch den weiteren Angaben zu Inhaftierungen und „Verschwinden“, die auch im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Wehrdienst stehen können, angemessen Rechnung. Zu der Angabe im Bericht des UNHCR vom 7. Mai 2020 (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, 7. Mai 2020, S. 9), wonach gegen über Wehrdienstentziehern in der Praxis eher keine Kriminalstrafen nach dem

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Militärstrafgesetzbuch verhängt würden, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass dort zugleich festgestellt wird, das syrische Regime schicke Wehrdienstentzieher nach ihrer lnhaftierung innerhalb von Tagen oder Wochen zur Bestrafung wegen illoyalen Verhaltens - oftmals nur mit minimaler Ausbildung - an die Front, was ebenfalls verdeutlicht, dass sie weiterhin einer Bestrafung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsyIG unterliegen (OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 55).

Die Aussage, der UNHCR bestätige, dass in der Praxis Wehrdienstentzieher nicht mit Kriminalstrafen belegt, sondern binnen Tagen oder Wochen nach der Verhaftung an der Front eingesetzt würden (so OVG Münster, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A - juris Rn. 72 f.; zuvor VGH München, Urteil vom 21. September 2020 - 21 B 19.32725 — juris Rn. 42; ähnlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2020 — 2 LB 731/19 - juris Rn. 57), verkürzt diese Darstellung sowohl um die Bestrafungsabsicht als auch um den Strafcharakter des Fronteinsatzes mit nur minimaler Ausbildung, der nicht schon entfällt, wenn auch andere neu rekrutierte Wehrdienstpflichtige nach minimaler Ausbildung an die Front geschickt werden (so aber OVG Münster, Urteil v o m 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A – juris Rn. 87 f.). Die Einschätzung, es sei ,,naheliegend“, dass berichtete kurzfristige Inhaftierungen ergriffener Wehrdienstentzieher vor der Entsendung zum Militär keine Bestrafung, sondern lediglich „Ingewahrsamnahmen“ seien, „um den Wehrdienstentzieher bis zur Überstellung an eine militärische Einheit an einem erneuten Untertauchen zu hindern“ (OVG Munster, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A - juris Rn. 82), bleibt spekulativ. Unabhängig davon setzen sich Hinweise auf eine Wehrdienstentziehern „nur" drohende Einziehung zum Militär nicht mit der Frage auseinander, ob dies auch für diejenigen Wehrpflichtigen gilt, die in einem solchen Fall den Militärdienst (weiterhin) verweigern.

Der Senat hat in seinen Urteilen vom 29. Januar 2021 auch weitere aktuelle Erkenntnisse berücksichtigt, etwa Berichte, dass Wehrdienstentzieher für gewöhnlich nur zum Militär eingezogen würden (EASO, Country Guidance: Syria, Common analysis and guidance note, September 2020, S. 66), anderen Quellen zufolge aber Rückkehrer unmittelbar nach der Einreise an die Front geschickt werden (vgl. dazu Danish lmmigration Service, Syria: Military Service, Mai 2020, S. 12, S. 14), und  hieraus geschlossen, dass das Verhalten des syrischen Regimes ge-

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genüber zum Wehrdienst verpflichteten Rückkehrern keinen einheitlichen Regeln folgt, aber jedenfalls weiterhin Überwiegendes für die Verhängung von Strafen oder eine Bestrafung spricht (vgl. Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 53).

Diese Einschätzung wird durch den neueren Bericht von EASO von April 2021 bestätigt; dort werden wiederum Quellen benannt, wonach Wehrdienstentziehern Inhaftierung von bis zu drei Monaten und anschließender Militärdienst drohe, sie an die Front bzw. in den Kampf gegen IS-Zellen in Ostsyrien geschickt würden, bzw. nach minimaler Ausbildung an aktiven Kämpfen teilnehmen müssten (EASO, Syria: Military Service, April 2021, S. 33 f.; s.a. Danish Immigration Service, Syria: Military Service, Mai 2020, S. 31). Zum Verfahren der Statusklärung (Status Settlement), das vor einer Rückkehr durchlaufen werden kann (Danish Immigration Service, Syria: Security clearance and status settlement for returnees, Dezember 2020, S. 7 ff.; Landinfo, Report Syria: Return from abroad, 10. Februar 2020, S. 7 f.; zitiert von OVG Münster, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A – juris R n . 74 f.-), weist der- Lagebericht des Auswärtigen Amts v o m 4 . Dezember 2020 auf einen Bericht des Syrian Network for Human Rights (SNHR) von September 2020 hin, wonach viele der Rückkehrenden, die nach Rückkehr verhaftet wurden, vorab ihren Status in Form einer Sicherheitsüberprüfung hatten klären lassen und trotz vermeintlicher Unbedenklichkeit nach Einreise festgenommen wurden (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4 . Dezember 2020, S. 30; UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR’s Country Guidance on Syria, 7. Mai 2020, S. 21 ff.).

Aus einem Fehlen flächendeckender und systematischer Verfolgungshandlungen folgt noch nicht, dass es keine oder nur vereinzelte (willkürliche) Verfolgungsmaßnahmen gäbe, die eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung nicht begründen würden. Abgesehen davon, dass ein umfassendes Monitoring angesichts des weiterhin stark eingeschränkten Zugangs zu Rückkehrenden nicht möglich ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S. 28, 31; Danish Immigration Service, Syria: Security clearance and status settlement for returnees, Dezember 2020, S. 11), sind Überlegungen zur „derzeitigen Interessenlage“ der syrischen Regierung angesichts der zu ihren Gunsten stabilisierten militarischen Lage (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. März 2021 — 14 A 3439/18.A

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- juris Rn. 50 ff., 83 ff., 101 ff.), für d i e Einschätzung d e r Gefährdung zurückkehrender Wehrdienstentzieher denselben Bedenken ausgesetzt wie für die Frage, ob das Regime Wehrdienstentziehern eine oppositionelle Haltung zuschreibt. Ein Rückgriff auf objektive Interessen und eine vermeintlich vernünftige Betrachtungsweise ist gerade bei einem von Terror und Menschenrechtsverletzungen geprägten Regime, das weder rechtsstaatlichen noch rationalen Mustern folgt, in hohem Maße problematisch und daher abzulehnen. weil es ihm eine Rationalität unterstellt, die nicht ohne nachvollziehbare Begründung angenommen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 83). Im Übrigen kann Folge einer stabilisierten Lage auch sein, dass das Regime mehr Kapazität hat, Wehrdienstentzieher zu verfolgen und zu bestrafen, als wenn die militärische Lage dazu zwingt, sie so schnell wie möglich an die Front zu schicken (in diesem Sinne Christopher Kozak, n a c h EASO, Syria: Targetiné of individuals, März 2020, S. 38).

Das Gericht hält an seiner Auffassung fest, dass der Einsatz als Wehrdienstleistender innerhalb der syrischen Armee - im Falle einer Rückkehr nach Syrien – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2011/95/EU umfassen würde (vgl. im Einzelnen OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 — OVG 3 B 68.18 — juris Rn. 62 - 79.). Trotz der Rückeroberungen durch das Regime sind Teile Syriens weiterhin von erheblichen Kampfhandlungen betroffen, das syrische Militär hat — auch aufgrund von Entlassungen Ianggedienter Wehrpflichtiger - einen hohen Personalbedarf, der dazu führt, dass Wehrdienstpflichtige mit einem Einsatz an der Front rechnen müssen (OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 60 ff.). Zugleich ist - wie in der Vergangenheit (OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 70) — weiterhin mit der Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen durch die syrische Armee zu rechnen; so wurden etwa noch im Jahr 2020 zahlreiche - auch durch das Regime begangene - militärische Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen dokumentiert (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S. 7, S. 27; vgl. OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 -juris Rn. 71).

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Hinsichtlich der erforderlichen Kausalität zwischen der dargelegten Verfolgungshandlung und dem Verfolgungsgrund im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG wird auf die Ausführungen in dem Urteil des Senats vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 68.18 — (juris Rn. 79-94) Bezug genommen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, wonach eine starke Vermutung dafür spricht, dass die Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU erläuterten Voraussetzungen mit einem der fünf in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Gründe im Zusammenhang steht (EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - juris Rn. 54 ff., 57), und bei einem bewaffneten Konflikt, insbesondere einem Bürgerkrieg, angesichts fehlender legaler Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese von den Behörden als ein Akt politischer Opposition ausgelegt werde (EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C—238/19 — juris Rn. 60), ist auch beachtlich wahrscheinlich, dass die syrische Regierung Wehrdienstpflichtigen wegen ihrer Wehrdienstverweigerung bei einer unterstellten Rückkehr eine oppositionelle Haltung als Verfolgungsgrund zuschreibt, der kausal für die ihnen drohende Verfolgungshandlung - Strafe oder Bestrafung - ist (vgl. im Einzelnen OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 — OVG 3 B 108.18 — juris R n . 7 3 ff., 80 ff.). Auch wenn eine Bewertung der maßgeblichen Tatsachengrundlage in Bezug auf die geforderte Konnexität zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund in gewissem Maße diffus bleibt, besteht eine ausreichende Vermutung, dass die Bestrafung von Wehrdienstentziehern (auch) aus politischen Gründen erfolgt, weil sie als vermeintliche politische Gegner des Regimes diszipliniert werden sollen (OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 — OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 84).

Bei einer Gesamtbetrachtung und -würdigung der Erkenntnisse (vgl. im Einzelnen OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v o m 2 9 . Januar 2 0 2 1 - OVG 3 B 108.18 – juris Rn. 84 ff.) ist festzustellen, dass — abgesehen von der allgemeineren Aussage im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. Dezember 2020, wonach Rückkehrende innerhalb der besonders regimenahen Sicherheitsbehörden als Feiglinge und Fahnenflüchtige, schlimmstenfalls sogar als Verräter bzw. Anhänger von Terroristen gelten (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S. 26) — unter anderem in Stellungnahmen des UNHCR darauf hingewiesen wird, dass Wehrdienstentziehung als politischer regierungsfeindlicher Akt angesehen werde

-14-

(vgl. UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR'S Country Guidance on Syria, 7. Mai 2020, s. 9; s.a. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic - Update VI, März 2021, S. 96), dass das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf Berichte hinweist, wonach die syrische Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck politischen Dissenses und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen terroristische Bedrohungen zu schützen, betrachtet (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt Syrien, zuletzt aktualisiert am 18. Dezember 2020, S. 49), und dass EASO ebenfalls von Quellen berichtet, wonach die syrische Regierung Wehrdienstentzieher als politische Oppositionelle ansieht (EASO, Country Guidance: Syria, Common analysis and guidance note, September 2020, S. 61; s.a. EASO, Syria: Military Service, April 2021, S. 12).

Vor diesem Hintergrund lässt sich die erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund - Bewertung der Wehrdienstentziehung durch die syrische Regierung als Akt der llloyalität - auch nicht mit der Erwägung verneinen, aus dem Fehlen einer (feststellbaren) flächendeckenden und systematischen Verfolgung folge, dass der syrische Staat Wehrdienstentzieher ,,nicht als politische Oppositionelle ansieht, sondern realistisch als Personen, die Furcht vor einem Kriegseinsatz haben", weil politische Oppositionelle nach wie vor unnachsichtig verfolgt würden (so OVG Münster, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18.A - juris Rn. 115). Der Umstand, dass das syrische Regime seine Hauptgegner stärker verfolgt als „bloße“ Wehrdienstentzieher, sagt nichts darüber aus, ob es auch diesen eine - möglicherweise weniger ausgeprägte oder aus Sicht des Regimes weniger gefährliche - politische Gegnerschaft zuschreibt, an die es Verfolgungsmaßnahmen knüpft.

Ebenso wenig können die verschiedenen Amnestien als Beleg dafür herangezogen werden, dass das Regime Wehrdienstentziehern nunmehr versöhnlich gegenübertrete und sie nicht mehr als politische Gegner verfolge, denn abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht vor einer Rekrutierung schützen, ist auch ihre Umsetzung unklar bis „nahezu wirkungslos“ (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S. 12; vgl. hierzu i m Einzelnen OVG Berlin-Brandenburg, Ur-

-15-

teil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 - juris Rn. 90 ff.). Eine veränderte tatsächliche Lage, die die Annahme eines Verfolgungsgrundes nicht mehr rechtfertigen könnte, besteht danach nicht (vgl. auch OVG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 68.18 -juris Rn. 93 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die hier entscheidungserheblichen rechtlichen Maßstäbe sind durch das Urteil des EuGH vom 19. November 2020 — C-238/19 - geklärt, und eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist dem Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2020 - 1 B 29/20 - juris Rn. 3).

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist bei dem Obervenrvaltungsgericht Berlin—Brandenburg, HardenbergstraBe 3 1 , 10623 Berlin, innerhalb e i n e s Monats n a c h Zustellung dieser Entscheidung schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017 (EIektronischer—Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV, BGBI. l S. 3803) versehen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder signiert über einen sicheren Übermittlungsweg bei der elektronischen Poststelle des Gerichts einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht schriftlich oder in der bezeichneten elektronischen Form einzureichen.

-16-

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht—‚ Wehrdienst— oder Zivildienstverhältnis betreffen, u n d i n Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 6 7 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.

 

von Lampe

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Annotations

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.