Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 10. Juni 2013 - 2 Ss 71/13
Gericht
Tenor
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 14. Dezember 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
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Das Amtsgericht Eisleben hatte den Angeklagten durch Urteil vom 14. März 2012 wegen gefährlicher Körperverletzung sowie tateinheitlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
- 2
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Halle mit Urteil vom 14. Dezember 2012 das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und den Angeklagten – unter Verwerfung der weitergehenden Berufung – wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zur Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 17,00 Euro verurteilt. Die hiergegen durch den Angeklagten eingelegte Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 28. Mai 2013 als unbegründet verworfen.
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Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Revision des Nebenklägers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Ziel des Nebenklägers ist die Wiederherstellung des Schuldspruchs des Amtsgerichts wegen gefährlicher Körperver-letzung. Die Generalstastanwaltschaft ist in ihrer Zuschrift zunächst der Revision der Nebenklage beigetreten, hat in der mündlichen Verhandlung aber beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
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Das Rechtsmittel des Nebenklägers ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO. In zulässiger Form ist die Rüge nur erhoben, wenn die Revision die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner muss bestimmt behauptet und konkret angegeben werden, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre. Dabei kann auch das Verhalten desjenigen, der einen Beweisantrag hätte stellen können, bewertet werden (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 244 RdNr. 81 m.w.N.). Hier ist durch die Revision schon nicht konkret angegeben worden, welche weiteren Ermittlungen das Gericht hätte anstellen sollen.
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2. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen hält auch auf die Sachrüge revisionsrechtlicher Prüfung stand.
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Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils war der Nebenkläger „fünf bis zehn Meter weiter entfernt von mehreren unbekannten Personen schwer angegriffen worden, möglicherweise den Ausländern osteuropäischer Herkunft, die im Autoscooterbereich im hinteren Bereich tätig waren und zwischen den verschiedenen Gängen zwischen den Ständen hervorgekommen waren. Jedenfalls wurde der Nebenkläger zu Boden geschlagen, wobei der Einsatz von Holzknüppeln nicht auszuschließen war. Der Nebenkläger sank zu Boden. In diesem Moment näherte sich der Angeklagte dem Nebenkläger und trat mit den beschuhten Füßen noch zwei bis drei Mal auf den Nebenkläger ein und schlug ihm mit der Faust auf den Körper in gebückter Haltung, wobei die Kammer nicht feststellen konnte, dass diese Tritte und Schläge auf den Kopfbereich des Nebenklägers zielten oder auch diesen dort trafen. Es war nicht auszuschließen, dass der Angeklagten den für ihn erkennbar blutenden schwerverletzten und völlig wehrlosen Nebenkläger nur in die Rippenseite trat. Die Tritte waren jedenfalls in dem Bereich nicht heftig, denn sie hinterließen keine Verletzungsspuren. Der Angeklagte wollte sich auch an dem Nebenkläger J. R. rächen und ihm für die Wegnahme des Bechers und Beteiligung an dem Verbalinjurien am Körper verletzen. Er sah, dass der Nebenkläger schon am Boden lag und wehrlos war und trat noch zwei oder drei Mal auf ihn ein und schlug ihn.“ Die Kammer habe nicht feststellen können, „dass der Angeklagte einverständlich mit den unbekannten Mitarbeitern anderer Unternehmen zusammen wirkte, um seine Wut über das ungehörige Benehmen einzelner Gruppenmitglieder auszuleben.“
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Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung, entgegen der Auffassung der Nebenklage nicht jedoch einen solchen wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer gemeinschaftlichen Begehungsweise (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB).
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Eine gemeinschaftliche Begehungsweise im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass jeder Beteiligte im Sinne eines zumindest konkludent gefassten gemeinschaftlichen Willensentschlusses seine eigene Tätigkeit durch die Handlung des anderen ergänzen und diese sich zurechnen lassen will, dass somit alle im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln (vgl. BGH, Beschl. v. 21.02.2013 – 3 StR 496/12 – zitiert nach juris, RdNr. 17; BGH, Beschl. v. 19.02.1997 – 3 StR 21/97, NStZ 1997, 336; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 28. Auflage, § 224 RdNr. 11 m.w.N.). Entsprechende Feststellungen, dass die Tathandlugen des Angeklagten und der unbekannt gebliebenen Täter auf einem zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan beruhen, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht getroffen. Die Feststellungen begründen auch nicht die Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an den von den unbekannt gebliebenen Tätern begangenen Körperverletzungshandlungen durch sukzessives Hinzutreten. Sukzessive Mittäterschaft ist nur gegeben, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und er sich – auch stillschweigend – mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (vgl. BGH, Beschl. v. 10.01.2011 – 5 StR 515/10, zitiert nach juris, RdNr. 5 m.w.N.). Einen entsprechenden verbindenden kommunikativen Akt zwischen den unbekannt gebliebenen Tätern und dem Angeklagten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht feststellen können. Allein der Umstand, dass einem Opfer neben dem Täter auch noch ein anderer eine Körperverletzung zugefügt hat, macht die Tat noch nicht zu einer gemeinschaftlich begangenen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.03.1989 – 2 Ss 48/89 – 17/89 – zitiert nach juris, Orientierungssatz; Anmerkung Otto in Gemeinschaftliche Begehungsweise bei Körperverletzung in NStZ 1989, 530 Nr. 2).
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Im Übrigen ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der Urteilsgründe, dass der Nebenkläger am Boden lag und die unbekannt gebliebenen Täter bereits von ihm abgelassen hatten, als der Angeklagte in das Geschehen eingriff und diesen mit zwei oder drei Fußtritten und Schlägen traktierte (S. 11, 23 und 26 der Urteilsgründe). Da hiernach die Tathandlungen der unbekannt gebliebenen Täter bereits beendet waren, als der Angeklagte in das Geschehen eingriff, bleibt kein Raum mehr für die Annahme einer sukzessiven Mittäterschaft (vgl. BGH, Beschl. v. 10.01.2011 – 5 StR 515/10 –, a.a.O., RdNr. 5).
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Soweit die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift die Verwirklichung der Begehungsweise „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ für gegeben erachtete, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Nach den obigen Ausführungen können die Tathandlungen der unbekannt gebliebenen Täter, die den Nebenkläger zuvor verletzt hatten, nicht dem Angeklagten zugerechnet werden. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts begründen die von dem Angeklagten selbst ausgeführten Schläge und nicht heftigen Tritte in den Rippenbereich nicht die Annahme der Begehungsweise mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung.
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Soweit die Nebenklage die Beweiswürdigung der Kammer angreift und meint, diese hätte wegen der Verwendung eines Kantholzes durch den Angeklagten selbst diesen wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilen müssen, dringt sie nicht durch. Das Landgericht hat alle relevanten Fakten sorgfältig in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem nicht nur vertretbaren, sondern naheliegenden Ergebnis gelangt. Die Neben-klage unternimmt insoweit lediglich den revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, die Beweiswürdigung des Landgerichts durch eine eigene, abweichende Würdigung zu ersetzen.
III.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 Satz 3 StPO.
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Annotations
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
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auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.