Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 04. Dez. 2013 - 2 Ss 151/13

published on 04/12/2013 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 04. Dez. 2013 - 2 Ss 151/13
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Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 5. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht - Strafrichter – Wernigerode hat die Angeklagten jeweils wegen „gemeinschaftlichen“ versuchten Diebstahls schuldig gesprochen und I. S. zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen, A. S. zur Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

2

Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sprungrevision.

II.

3

Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:

5

„ …

6

Die tatrichterliche Beweiswürdigung, die aufgrund glaubhafter Geständnisse der Angeklagten zu den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Urteil geführt hat, steht nicht im Einklang mit den laut berichtigtem Hauptverhandlungsprotokoll (Bl. 152 i.V.m. Bl. 116 f. d.A.) getätigten Einlassungen der Angeklagten. Das Amtsgericht ist vielmehr in einem entscheidenden Punkt von einem anderen Sachverhalt ausgegangen, den die Angeklagten so nicht dargestellt haben.

7

Der von dem Amtsgericht Wernigerode festgestellte Sachverhalt, wonach die Angeklagten die zum Abtransport bereitgestellten Kanister mit entwendetem Dieselkraftstoff nicht mehr mitnehmen konnten, weil sie von der Polizei gestellt wurden, rechtfertigt die Verurteilung wegen gemeinschaftlich versuchten Diebstahls. Hingegen hatten die Angeklagten nach ihrer Version die Tatvollendung bereits aufgegeben und den Tatort unter Zurücklassung der Benzinkanister verlassen, als sie von Polizeibeamten gestellt wurden. Nach dieser Version der Angeklagten liegt ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vor, der eine Verurteilung wegen gemeinschaftlich versuchten Diebstahls ausschließt.“

8

Dies sieht der Senat ebenso.

9

Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat:

10

Auch hinsichtlich des im ersten Rechtszug unverteidigten I. S. liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Das Urteil beruhte auf einer Verständigung im Sinne von § 257 c StPO, was die Rechtslage schwierig im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO macht, weil ein Angeklagter sich bei der Erörterung einer solchen Verfahrensweise in der Regel nicht selbst wirksam verteidigen kann.

11

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.03.2013 (2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 – NJW 2013, 1058) und zahlreiche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (zuletzt: BGH, Urt. v. 3. September 2013 - 5 StR 318/13 -, juris; Urt. v. 7. August 2013 - 5 StR 253/13, juris; Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13 -, juris; Urt. v. 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13 –, juris; Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13 – juris; Beschluss vom 22. Mai 2013 – 4 StR 121/13 –, juris; Beschluss vom 25. April 2013 – 5 StR 139/13 –, juris; Beschluss vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12 –, juris; Beschluss vom 06. März 2013 – 5 StR 423/12 –, BGHSt 58, 184-192; Urteil vom 28. Februar 2013 – 4 StR 537/12 –, juris; Beschluss vom 21. Februar 2013 – 1 StR 633/12 –, juris) zeigen überdeutlich, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften, die die strafprozessuale Verständigung regeln, selbst für Berufsrichter äußerst kompliziert und fehleranfällig ist. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass ein Angeklagter, der nicht Volljurist ist, seine Rechte im Rahmen des undurchsichtigen Verfahrens, das einer Verständigung vorauszugehen hat, ohne juristischen Beistand erkennen und somit wahrnehmen kann. Deshalb ist bereits die Erörterung einer Verständigung regelmäßig Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO.

12

Dies gilt auch, wenn - wie hier – ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil aufgehoben worden ist. Denn der Angeklagte bedarf zur sachgerechten Vorbereitung seiner Verteidigung bereits vor Beginn der neuen Hauptverhandlung einer Belehrung, welche Bedeutung seine im Rahmen der Verständigung abgegebene Erklärung für das weitere Verfahren haben kann.


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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g
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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g
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published on 03/12/2014 00:00

Tatbestand Das AG verurteilte die in der Hauptverhandlung durch ihren Wahlverteidiger vertretene Angekl. am 06.08.2104 wegen Untreue in mehreren Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe. Dem Urteil ging eine Verständigung i. S. v. § 257c StPO
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Annotations

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)